Gericht

Finanzgericht München

Gründe

Finanzgericht München

Az.: 14 K 2804/13

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

Stichwort: Tauschähnlicher Umsatz - Einräumung eines Dachnutzungsrechts als Gegenleistung der durchgeführten Dachsanierung

In der Streitsache

...

Kläger

prozessbevollmächtigt: ...

gegen

...

Beklagter

wegen Umsatzsteuer 2011

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ..., die Richterin am Finanzgericht ... und den Richter am Finanzgericht ... sowie die ehrenamtliche Richterin ... und die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 28. April 2016 für Recht erkannt:

1. Der Umsatzsteuerbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.b...de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.

Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/92 31-201.

Gründe:

I.

Der Kläger ist seit 2010 Betreiber mehrerer Photovoltaikanlagen. Seine Umsätze versteuert er bisher nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung des Jahres 2011 - UStG -). Im Streitjahr (2011) erwarb er eine weitere Anlage für netto ... EUR zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer von ... EUR (vgl. Rechnung vom 6. Dezember 2011). Die Anlage wurde auf einer im Eigentum einer GbR stehenden Reithalle errichtet; Gesellschafter der GbR waren je zur Hälfte der Kläger und seine Schwester. Die Reithalle wurde neben zwei weiteren Hallen von der GbR ab 15. Oktober 2010 zum Zwecke der Pferdehaltung und zur Erteilung von Reitunterricht für monatlich 250 EUR an einen Dritten vermietet. Dabei vereinbarten die Vertragsparteien, dass die Mängel der Hallendächer nicht zu Kürzung des Mietzinses berechtigen.

Grundlage für die Nutzung des Daches ist ein zwischen der GbR und dem Kläger geschlossener Dachnutzungsvertrag (DNV). Nach Ziff. 5 (2) des DNV ist der Grundeigentümer verpflichtet, das Gebäude nebst Nebengebäude, insbesondere die darauf befindlichen Dachflächen sowie die sich darin befindlichen technischen Anlagen in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen und zu erhalten. Hinsichtlich der Nutzungsdauer der Photovoltaikanlage gingen die Vertragspartner von einem Zeitraum von mindestens 30 Jahren aus (vgl. Präambel des DNV). Nach Ziff. 1 (3) des DNV bleiben die PV-Anlage sowie sämtliche weitere zum Betrieb der Anlage erforderlichen technischen Anlagen und Bauteile im Eigentum des Klägers und sind nach Beendigung des DNV zu entfernen. Die sich auf dem Dach befindlichen Befestigungseinrichtungen der PV-Module gingen gem. Ziff. 1 (3) des DNV ins Eigentum des Grundstückseigentümers über. Laut Ziff. 4 des DNV verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung eines jährlichen Nutzungsentgelts von 1 EUR (Abs. 1), das jährlich auf ein Konto der A-Bank zu zahlen ist (Abs. 2 b, c).

Vor der Errichtung der Photovoltaikanlage wurde im Auftrag des Klägers im Oktober/November 2011 eine Dachsanierung durchgeführt und eine Unterkonstruktion angebracht. Da das Altdach aus Asbestplatten bestand, musste dieses komplett erneuert werden. Die Kosten hierfür betrugen ausweislich der auf den Kläger ausgestellten Rechnung vom 2. November 2011 nach Abzug von 2% Skonto netto ... EUR zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von ... EUR.

Da das Finanzamt dem Kläger die in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für November 2011 geltend gemachten Vorsteuern aus der Dachsanierung versagte, legte der Kläger hiergegen Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens teilte das Finanzamt mit Schreiben vom 16. Oktober 2012 dem Kläger zum einen mit, dass der Vorsteuerabzug aus der übernommenen Dachsanierung in Höhe von ... EUR möglich sei. Gleichzeitig führe der Kläger aber eine Werklieferung an die GbR aus, die zu einer Umsatzsteuer in gleicher Höhe führe. Des Weiteren führte das Finanzamt aus, dass die im Fragebogen zur Inbetriebnahme einer Photovoltaikanlage beantragte Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten nicht möglich sei, weil bei einem Pachtzeitraum von 20 bis 30 Jahren das Steueraufkommen gefährdet sei. Eine Stellungnahme des Klägers erfolgte trotz zweimaliger Erinnerung (zuletzt am 27. Dezember 2012) nicht.

In seiner zwischenzeitlich eingereichten Umsatzsteuererklärung für 2011 erklärte er Umsätze aus dem Betrieb der Anlage. Daneben machte er u. a. die Vorsteuern aus der Sanierung des Daches geltend. Er wurde zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt veranlagt.

Mit Änderungsbescheid vom 12. Februar 2013 erhöhte das Finanzamt jedoch sodann die steuerpflichtigen Umsatzerlöse laut Erklärung um die vom Steuerpflichtigen getragenen Aufwendungen für die Dachsanierung und die Erstellung der Unterkonstruktion in Höhe von ... EUR mit der Begründung, dass insoweit eine steuerpflichtige Lieferung des Klägers an die Grundstücksgemeinschaft vorliege.

Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Er wurde mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurückgewiesen. Die Dachsanierung sei wie die Unterkonstruktion für die Installation und den Betrieb der Photovoltaikanlage zwar erforderlich gewesen und die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Vorsteuern abzugsfähig. Da aber das Gewerk „Dachsanierung“ zivilrechtlich mit Fertigstellung in das Eigentum der GbR übergegangen sei, habe der Kläger insoweit eine steuerpflichtige Werklieferung an die Grundstücksgemeinschaft erbracht. Nichts anderes ergebe sich aus dem DNV, demgemäß die Anlage nur zu einem vorübergehenden Zweck angebracht werde, aber die sich auf dem Dach befindlichen Befestigungseinrichtungen der Module ins Eigentum der GbR übergingen und nach Ablauf der Nutzungsdauer durch den Kläger nicht entfernt werden dürften. Denn wenn selbst der Eigentumsübergang der Unterkonstruktion der Anlage auf die GbR vertraglich geregelt sei, könne nichts anderes für das Gewerk „Dachsanierung“ gelten. Das Entgelt bestehe in der Dachüberlassung für einen Zeitraum von 30 Jahren. Damit komme eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten nach § 20 UStG nicht in Betracht, da die Anwendung dieser Vereinfachungsregel bei einer Entgeltsverteilung auf 30 Jahre eine Steuerverzerrung bzw. Steuergefährdung nicht ausschließe.

Seine hiergegen eingelegte Klage begründet der Kläger im Wesentlichen damit, dass der Argumentation des Finanzamts, wenn schon die Unterkonstruktion der Anlage selbst ins Eigentum der GbR übergehen soll, müsse dies erst recht für das darunterliegende sanierte Dach gelten, nicht gefolgt werden könne. Denn die Entfernung der Befestigungseinrichtungen seien nur deshalb vertraglich ausgeschlossen worden, weil eine solche ohne Beschädigung des Daches nicht möglich sei. Alle übrigen Teile der Anlage müssten entfernt werden. Die Sanierung des Daches der Halle, bei der es sich um einen sog. „Offenstall“ handle, sei auch nur aufgrund der Errichtung der Anlage notwendig geworden, da die Installation auf einem asbesthaltigen Dach verboten sei. Die Erneuerung des Daches, das komplett mit Modulen eingedeckt worden sei, sei daher Voraussetzung für den Betrieb der Photovoltaik gewesen. Der Kläger behalte daher das wirtschaftliche Eigentum am Gewerk „Dachsanierung“ für die Dauer von 30 Jahren. Außerdem weist er darauf hin, dass die GbR für diese Zeit von der Nutzung des Daches ausgeschlossen sei. Betriebswirtschaftlich dürfte das Gewerk „Dachsanierung“ nach 30 Jahren auch verbraucht sein, so dass von einer Lieferung allenfalls nach 30 Jahren zu einem entsprechenden Preis ausgegangen werden könne. Instandhaltungskosten bzw. Erhaltungsaufwand stelle zudem keine Werklieferung an den Vermieter dar, und zwar unabhängig davon, ob der Mieter zu diesen Maßnahmen verpflichtet sei oder er sie aus eigenem Interesse trage. Ferner weist der Kläger darauf hin, dass die vertraglich vereinbarte Miete nicht insgesamt 1,00 EUR, sondern 1,00 EUR pro qm und Jahr betrage. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Preis zuzüglich Umsatzsteuer zu verstehen sei. Dem entsprechend sei auch die Zahlung von 1.800 EUR zu verstehen. Insofern seien die Formulierungen im verwandten Mustervertrag aus dem Internet unübersichtlich und teilweise missverständlich. Die vorgenommenen Ergänzungen seien lücken- und laienhaft. Der Form halber sei daher diese Passage im DNV in einem Nachtrag in 2012 bereits richtig gestellt worden. Eine Lieferung - wie vom Finanzamt angenommen - scheide schon deshalb aus, weil Reparaturkosten bzw. Instandhaltungsaufwendungen nicht Gegenstand einer Lieferung sein könnten. Der Kläger gebe am Ende des Mietverhältnisses vielmehr das zurück, was er mit dem wirtschaftlichen Eigentum erworben habe.

Der Kläger beantragt, den Umsatzsteueränderungsbescheid 2011 vom und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass aufgrund des im Original vorgelegten Dachnutzungsvertrags vom 4. August 2011 und des dort vereinbarten Entgelts von 1,00 EUR zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer pro Jahr von einem tauschähnlichen Umsatz zwischen den Beteiligten ausgegangen worden sei. Der Lieferung der Dacherneuerung durch den Kläger in Höhe von netto ... EUR sei in gleicher Höhe eine Nutzungsüberlassung durch die GbR für 30 Jahre gegenübergestellt worden. Zudem bestünden Zweifel an der tatsächlichen Durchführung des Vertrags. So sei die anderweitige Regelung über die Höhe des Nutzungszinses weder den Steuerakten noch der Klageschrift zu entnehmen und wurden im Rahmen der Gewinnermittlung in 2013 brutto 1.800 EUR angesetzt. Ein Nachweis über die Mietzahlungen in 2011 liege dem Finanzamt nicht vor. Die Bemessungsgrundlage für den streitgegenständlichen Umsatz ergebe sich aus § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG i. V. m. § 10 Abs. 4 UStG, da der Kläger an der GbR zu 50% beteiligt und daher die GbR als naher Angehöriger zu betrachten sei. Da er die vollen Kosten der Dachsanierung getragen habe, entsprächen der Mindestbemessungsgrundlage die getragenen Aufwendungen in Höhe von 62.078 EUR.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamtsakten, die eingereichten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat die Dachsanierung nicht im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes an die Grundstücksgemeinschaft ausgeführt.

1. Er war, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, im Streitjahr im vollen Umfang zum Vorsteuerabzug aus der Dachsanierung berechtigt (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Er war Leistungsempfänger der Dachreparatur, auch wenn er nicht Eigentümer der Halle ist. Zudem ist der zwischen dem Eingangsumsatz und dem Ausgangsumsatz erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang gegeben (vgl. hierzu ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- und des Gerichtshofs der Europäischen Union -EuGH -, z. B. BFH-Urteile vom 14. März 2012 XI R 8/10, BFH/NV 2012, 1667 m. w. N.; vom 24. April 2013 XI R 25/10, BStBl II 2014, 346 m. w. N.). Die Maßnahmen waren für die Errichtung der Photovoltaikanlage, deren Module das gesamte Dach bedecken, erforderlich. Auch ist die vorgelegte Rechnung nicht zu beanstanden.

2. Das Finanzamt hat die Aufwendungen für die Dachsanierung aber zu Unrecht bei der Bemessung der steuerpflichtigen Umsätze in Höhe von 62.078 EUR berücksichtigt, da es zwischen dem Kläger und der GbR zu keinem tauschähnlichen Umsatz i. S. d. §§ 3 Abs. 12 Satz 2, 10 Abs. 2 Satz 2 UStG kam.

Der Umsatzsteuer unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG).

a) Eine Leistung gegen Entgelt setzt voraus, dass zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (BFH-Urteil vom 4. Juli 2013 V R 33/11, BStBl II 2013, 937, mit zahlreichen Nachweisen). Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrages liegt regelmäßig ein Leistungsaustausch vor (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 2014 V R 22/13, BFH/NV 2014, 736). Dies entspricht der Rechtsprechung des EuGH (z. B. EuGH-Urteil vom 26. September 2013 C-283/12, Serebryannay vek, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst -DStRE-2014, 476, Rn. 37, m. w. N.). Der EuGH hat diesen Grundsätzen entsprechend entschieden, dass keine Leistung gegen Entgelt vorliegt, wenn ein Musikant, der auf öffentlichen Wegen spielt, von Passanten eine Vergütung erhält. Zum einen bestehe zwischen den Parteien keine Vereinbarung, da die Passanten freiwillig eine Vergütung zahlten. Zum anderen bestehe zwischen der musikalischen Darbietung und den dadurch veranlassten Zahlungen kein notwendiger Zusammenhang. Die Passanten hätten nicht darum gebeten, dass ihnen Musik zu Gehör gebracht werde; außerdem zahlten sie die Beträge nicht aufgrund der musikalischen Darbietung, sondern aus persönlichen Motiven, wobei gefühlsmäßige Erwägungen eine Rolle spielen könnten (EuGH vom 3. März 1994 C-16/93, Betriebs-Berater -BB- 1994, 1132, Rn. 16 f.).

Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung ist auch in Fällen von Tausch oder tauschähnlichen Umsätzen - wie vorliegend vom Finanzamt angenommen - erforderlich. Der Gegenwert kann bei Tausch und tauschähnlichen Umsätzen i. S. von § 3 Abs. 12 UStG durch eine tatsächlich erhaltene Gegenleistung erbracht werden, die nicht in Geld besteht, aber in Geld ausdrückbar sein muss. § 3 Abs. 12 UStG erfasst auch den Fall, dass als Entgelt für eine Leistung eine Barzahlung mit einer Lieferung oder sonstigen Leistung verbunden wird (sog. tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe). Voraussetzung für die Annahme einer tauschähnlichen Leistung ist, dass sich zwei entgeltliche Leistungen i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegenüberstehen, die lediglich durch die Modalität der Entgeltvereinbarung (Tausch) miteinander verknüpft sind. § 3 Abs. 12 UStG steht im Einklang mit Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG), nunmehr Art. 14 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -MwStSystRL- (BFH-Urteil vom 11. Juli 2012 XI R 11/11, BFH/NV 2013, 326 m. w. N.).

Dementsprechend hat der BFH für Mietereinbauten und -umbauten entschieden, dass eine entgeltliche Lieferung bei solchen Leistungen des Mieters vorliege, die vom Vermieter gewünscht und vertraglich festgelegt waren, nicht jedoch für Leistungen, die der Mieter ohne vertragliche Verpflichtung in eigenem betrieblichen Interesse tätigt (BFH-Urteil vom 15. September 1983 V R 154/75, nv zu § 1 Abs.1 Nr.1 und § 10 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung des Jahres 1970). Es gibt auch keinen allgemeinen Grundsatz, dass ein Mieter oder Pächter, der auf einem gemieteten oder gepachteten Grundstück ein Gebäude auf eigene Rechnung errichtet und für Zwecke seines Unternehmens nutzt, die Verfügungsmacht an dem Gebäude zwangsläufig auf den Eigentümer weiter überträgt. Vielmehr kommt es für die Annahme einer Weiterlieferung auf die Würdigung der Umstände des Einzelfalls an (BFH-Urteile vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634; vom 25. November 2015 V R 66/14, BFH/NV 2016, 497, Rz. 16; BFH-Beschluss vom 20. Februar 1997 V B 161/96, BFH/NV 1997, 722; Schreiben des Bundesfinanzministeriums -BMF - vom 23. Juli 1986, BStBl I 1986, 432, unter C.I.2).

b) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger hier die Dachsanierung nicht an den Vermieter gegen Entgelt geliefert und es liegt kein tauschähnlicher Umsatz vor. Insbesondere führt der Umstand, dass die durch die Dachsanierungsmaßnahmen erstellten Dachteile gemäß § 946 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Eigentum der GbR wurden, zu keiner anderen Beurteilung (a. A. offenbar Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 17. August 2011 S 7168 1.1-4/6 St 33 unter 2; vgl. auch Verfügungen der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 13. November 2014 2012-04.15 S 7300St 241 unter 5; der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom 19. Februar 2015 S 7104 unter 7). Denn für die Frage, ob ein Vorgang der Umsatzsteuer unterliegt, kommt es von vornherein nicht auf das nationale Zivilrecht an (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1993, 634; vom 16. Januar 2014 V R 22/13, BFH/NV 2014, 736, Rz. 21 m. w. N.). Außerdem reicht der gesetzliche Eigentumsübergang nach den dargelegten Grundsätzen auch nicht aus, um eine Lieferung gegen Entgelt anzunehmen.

Im Streitfall kann auch nicht aufgrund des Inhalts des DNV auf das Vorliegen einer Weiterlieferung der Sanierungsarbeiten an den Vermieter geschlossen werden. Anders als der vorformulierte Mustervertrag in § Ziff. 5 (2) des DNV ausweist, haben sich die Beteiligten vorliegend vielmehr darauf geeinigt, dass der Kläger im eigenen Interesse eine PV-Anlage auf den Dachflächen errichten durfte und etwaige Sanierungsarbeiten am Dach im Einverständnis mit dem Vermieter auf eigene Kosten des Mieters erfolgen sollten. Gegenstand des DNV waren nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien sanierungsbedürftige und keine bereits sanierten Dachflächen, was der vereinbarte niedrige Mietzins nachdrücklich bestätigt. Zudem betrieb der Kläger bereits mehrere Photovoltaikanlagen, während die GbR dies nicht tat. Einer Sanierung des Daches durch den Vermieter bedurfte es außerdem auch nicht aufgrund der Vermietung der Reithalle, auf dem die PV-Anlage angebracht wurde. Gegenstand dieses Mietvertrages war nämlich ausdrücklich eine Reithalle mit mangelhaften Dächern, wie der Vermerk belegt, dass die Mängel am Dach nicht zu einer Minderung des Mietzinses führen sollten. Nach diesen Umständen waren sich der Kläger und die GbR dar über einig, dass die GbR mit der Photovoltaikanlage nichts zu tun haben, sondern dem Kläger die Dachflächen im unsanierten Ist-Zustand zu einem sehr niedrigen Mietzins zur Verfügung stellen sollte und der Kläger allein das von ihm beabsichtigte Photovoltaikanlagen-Projekt mit allen hierfür erforderlichen Maßnahmen auf eigene Rechnung und eigenes Risiko realisieren sollte. Mithin gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass zwischen dem Kläger und der GbR eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung dahin gehend bestand, dass der Kläger die Sanierungsarbeiten an seine Vermieterin weiter liefern wollte.

Eine andere Auslegung hätte weitreichende Folgen auf andere Fälle der Nutzungsüberlassung und auch für den Vermieter: Denn nicht nur beim unternehmerischen Mieter wäre ein Umsatz anzunehmen; die Aufwendungen auf den überlassenen Gegenstand erhöhten auch die Bemessungsgrundlage für die Überlassung beim Vermieter. Nach Auffassung des Senats beträfe dies z. B. Mietereinbauten genauso wie Aufwendungen des Leasingnehmers auf den Leasinggegenstand.

3. Schließlich liegt auch keine missbräuchliche Gestaltung vor.

Wann eine solche Gestaltung gegeben ist, ist im nationalen Recht in § 42 der Abgabenordnung (AO) geregelt. Diese Bestimmung ist im Umsatzsteuerrecht anwendbar. Unionsrechtlich sind nach dem Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen, die allein zu dem Zweck erfolgen, einen Steuervorteil zu erlangen, verboten. Davon kann ausgegangen werden, wenn zum einen die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Voraussetzungen der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des zu ihrer Umsetzung ergangenen nationalen Rechts zur Erlangung eines Steuervorteils führen, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe, und zum anderen aufgrund einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich ist, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (BFH-Urteil vom 9. September 2015 XI R 21/13, BFH/NV 2016, 597, m. w. N.).

Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein Grundstückseigentümer, der eine Photovoltaik-anlage errichten oder sein Dach zum Betreiben einer solchen (steuerpflichtig) vermieten möchte, die Kosten einer Dachsanierung nur entsprechend der Nutzung des gesamten Gebäudes und damit ggf. nur anteilig abziehen (BFH-Urteile vom 19. Juli 2011 XI R 29/10, BStBl II 2012, 438, Rz. 32; vom 14. März 2012 XI R 26/11, BFH/NV 2012, 1192, Rz. 31). Demgegenüber kann - wie dargelegt - der Mieter eines Dachs die dort zur Errichtung einer unternehmerisch betriebenen Photovoltaikanlage erforderlichen Aufwendungen vollständig abziehen. Eine unterschiedliche Behandlung von Eigentümer und Mieter ergibt sich entsprechend dem System der Umsatzsteuer dann, wenn der Eigentümer - wie hier die GbR - aufgrund seiner Verwendung des gesamten Gebäudes z. B. wegen teilweiser steuerfreier Ausgangsumsätze (Hallennutzung für die Erteilung von Reitunterricht) nicht vollständig zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Die Unterschiede laufen also nicht dem Ziel des Vorsteuerabzugs zuwider, sondern ergeben sich aus einer maßgeblich anderen Verwendung der Eingangsleistung. Außerdem ist nicht jedes Ausnutzen einer Vorschrift oder Gesetzeslücke, so dass weniger Steuer gezahlt werden muss, ein Missbrauch (EuGH-Urteil vom 29. April 2004, C-487/01 und C-7/02, Gemeente Leusden und Holin Groep, Umsatzsteuer-Rundschau -UR2004, 302, Rz. 79).

Die Umstände des Streitfalles führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Aus den unter II.2.b. genannten Gründen waren sich die GbR und der Kläger aber darüber einig, dass der Kläger die Dachfläche sanieren solle. Außerdem ist zu beachten, dass der Kläger, der - im Gegensatz zur GbR - den vollen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, auch die Aufwendungen alleine trägt, die er bei Durchführung der Sanierung durch die GbR zusammen mit seiner Schwester zu tragen gehabt hätte, so dass die Gestaltung auch erhebliche Folgen außerhalb des Steuerrechts nach sich zieht. Da zu einer Schwester i. d. R. ein anderes „wirtschaftliches“ Verhältnis als zu einem Ehegatten besteht, lässt die Dachsanierung durch den Kläger daher nicht den zwingenden Schluss zu, dass sie im Wesentlichen wegen des Steuervorteils gewählt wurde. Dies hat das Finanzamt auch nicht vorgetragen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3, § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung (ZPO).

5. Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

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Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 28. April 2016  14 K 2804/13 aufgehoben.

Referenzen

Das Finanzamt kann auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer,

1.
dessen Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen hat, oder
2.
der von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 der Abgabenordnung befreit ist, oder
3.
soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ausführt, oder
4.
der eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, soweit er nicht freiwillig Bücher führt und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse macht oder hierzu gesetzlich verpflichtet ist,
die Steuer nicht nach den vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet. Erstreckt sich die Befreiung nach Satz 1 Nr. 2 nur auf einzelne Betriebe des Unternehmers und liegt die Voraussetzung nach Satz 1 Nr. 1 nicht vor, so ist die Erlaubnis zur Berechnung der Steuer nach den vereinnahmten Entgelten auf diese Betriebe zu beschränken. Wechselt der Unternehmer die Art der Steuerberechnung, so dürfen Umsätze nicht doppelt erfasst werden oder unversteuert bleiben.

(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt. Liegen bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins (§ 3 Absatz 15) keine Angaben über die Höhe der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung nach Satz 2 vor, so wird das Entgelt nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert bemessen, abzüglich der Umsatzsteuer, die danach auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen entfällt.

(2) Werden Rechte übertragen, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, so gilt als vereinbartes Entgelt der Preis des Pfandscheins zuzüglich der Pfandsumme. Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt.

(3) (weggefallen)

(4) Der Umsatz wird bemessen

1.
bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
2.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;
3.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

(5) Absatz 4 gilt entsprechend für

1.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
2.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt,
wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

(6) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, tritt in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) an die Stelle des vereinbarten Entgelts ein Durchschnittsbeförderungsentgelt. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt ist nach der Zahl der beförderten Personen und der Zahl der Kilometer der Beförderungsstrecke im Inland (Personenkilometer) zu berechnen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Durchschnittsbeförderungsentgelt je Personenkilometer festsetzen. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt muss zu einer Steuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach diesem Gesetz ohne Anwendung des Durchschnittsbeförderungsentgelts ergeben würde.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gemeinde, begehrt für das Streitjahr 2003 den Vorsteuerabzug aus der Errichtung einer Stromleitung.

2

Der Stadtrat der Klägerin beschloss am 24. April 2002, alle "Aufgaben im Zusammenhang mit der Investition '20 kV-Kabel von A nach B' zur Sicherung der Elektroenergieversorgung im Ortsteil B" auf die Stadtwerke X (Stadtwerke) zu übertragen. Aus der Beschlussvorlage der Klägerin vom 28. März 2002 ergibt sich weiter, dass diese "Investition ... zur Sicherung der Elektroenergieversorgung für die Firma Y" beabsichtigt war.

3

Nach der Zusage von öffentlichen Fördermitteln schlossen die als Eigenbetrieb der Klägerin geführten Stadtwerke mit der Z AG (AG) am 9./11. Dezember 2002 einen "Leistungsvertrag" über die Errichtung einer 20 kV-Leitungszuführung (Stromleitung) von einem Umspannwerk in das Gemeindegebiet. Mit gleichfalls am 9./11. Dezember 2002 unterzeichnetem Vertrag räumte die Klägerin der AG "den unmittelbaren, unentgeltlichen Besitz" an dieser noch zu errichtenden Stromleitung ("Netz gemäß Anlage 1 zum Vertrag") ein (Besitzüberlassungsvertrag). Die AG verpflichtete sich, diese Stromleitung ("das Netz") zur Versorgung von Kunden mit elektrischer Energie zu betreiben und alle Kosten des Besitzes und Betriebs, einschließlich Instandhaltung und Erweiterung zu tragen. Es war weiter vereinbart, dass die Klägerin nach Beendigung der Besitzüberlassung, spätestens nach 15 Jahren, die Leitung ("das Netz") an die AG gegen ein Entgelt in Höhe von … € verkaufen und übereignen sollte.

4

Die Klägerin, zugleich handelnd für die Stadtwerke, und die AG änderten mit Vertrag vom 15. Dezember 2004/7. Januar 2005 (Änderungsvertrag) den Überlassungsvertrag vom 9./11. Dezember 2002 u.a. dahingehend, dass jene "für den gesamten Pachtzeitraum über die Dauer von 15 Jahren ... einmalig einen Betrag in Höhe von … € zzgl. der gesetzlichen Umsatzsteuer in Höhe von … €, also insgesamt … € brutto" an die Stadtwerke zu zahlen hatte.

5

Bereits 1991 hatte die Klägerin mit der AG einen bis zum 31. Dezember 2010 laufenden "Konzessionsvertrag" abgeschlossen. Die AG war nach § 1 des Vertrags ("Versorgungspflicht") verpflichtet, "jedermann in der Gemeinde mit elektrischer Energie zu versorgen." Die Klägerin räumte der AG in § 2 des Vertrags ("Versorgungsrecht und Grundstücksbenutzung") für die Dauer dieses Vertrags das ausschließliche Recht ein, alle im Gemeindegebiet gelegenen öffentlichen Straßen, Wege und Plätze, über die ihr das Verfügungsrecht zustand, ober- und unterirdisch für die Errichtung und den Betrieb von elektrischen Anlagen zu benutzen. Nach § 10 des Vertrags ("Vertragsabgabe") hatte die AG der Klägerin "für die eingeräumten Rechte" eine verbrauchsabhängige "Vertragsabgabe" (Konzessionsabgabe) zu entrichten. Die AG rechnete die Konzessionsabgabe für 2002 mit Gutschrift vom 24. April 2003 gegenüber der Klägerin ohne Ausweis von Umsatzsteuer ab. Die Klägerin vereinnahmte hiernach im Streitjahr 2003 Konzessionsabgaben für 2002 in Höhe von … €, die sie nicht der Umsatzsteuer unterwarf.

6

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2003 stellte die AG den Stadtwerken für die Errichtung der Stromleitung "auf der Grundlage des Leistungsvertrags vom 09.12./11.12.2002" … € zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von … € in Rechnung. Der Rechnungsbetrag wurde am 19. Dezember 2003 von der Klägerin entrichtet.

7

In der Umsatzsteuer-Voranmeldung der Stadtwerke für Dezember 2003 brachte die Klägerin u.a. Vorsteuern aus der Rechnung vom 8. Oktober 2003 in Höhe von … € zum Abzug.

8

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Dezember 2003 vom 24. Juni 2004 den Vorsteuerabzug aus der Rechnung vom 8. Oktober 2003. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Die Umsatzsteuer 2003 wurde mit Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 7. März 2005 auf … € festgesetzt und der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2005 als unbegründet zurückgewiesen.

9

Die zulässige Klage war teilweise begründet. Das Finanzgericht (FG) setzte die Umsatzsteuer für 2003 auf … € herab und wies die Klage im Übrigen ab. Der Klägerin stehe der Vorsteuerabzug aus der Errichtung der Stromleitung, die der Steigerung ihrer Konzessionsabgaben gedient habe, nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zur Hälfte zu. Die Vergabe der Konzession stelle einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) dar, mit dem die Klägerin sowohl steuerfreie Umsätze (durch Duldung der Nutzung von Verkehrsflächen) als auch steuerpflichtige Umsätze (durch Erlaubnis zur Elektrizitätsversorgung) erzielt habe. Der Umstand, dass die Klägerin die vereinnahmten Konzessionsabgaben (vollständig) nicht der Umsatzsteuer unterworfen habe, lasse den Schluss darauf zu, sie habe im Zeitpunkt des Leistungsbezugs hinsichtlich des Vermietungsanteils des Konzessionsvertrags (Duldung der Nutzung von Verkehrsflächen) nicht die Absicht gehabt, zur Umsatzsteuer gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a i.V.m. § 9 Abs. 1 UStG zu optieren. Insoweit sei der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen. Die Vorsteuer sei, da die Klägerin keine Schätzung i.S. des § 15 Abs. 4 UStG vorgenommen habe, entsprechend dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. März 1957 V 206/56 U (BFHE 65, 583, BStBl III 1957, 456) sachgerecht hälftig auf die steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätze aufzuteilen.

10

Für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs aus der 2003 bezogenen Eingangsleistung habe der Änderungsvertrag von 2004/2005 außer Betracht zu bleiben, da die Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezugs maßgeblich sei. Auch berechtige die Erwartung der Klägerin, ihren steuerpflichtigen Wasser- und Fernwärmeabsatz durch die errichtete Stromleitung zu erhöhen, nicht zum Vorsteuerabzug aus der streitigen Eingangsleistung.

11

Der mit 50 % der Gesamtleistung anzunehmende steuerpflichtige Teil der Konzessionsabgabe sei der Umsatzsteuer zu unterwerfen und für das Streitjahr 2003 nachzuholen.

12

Das FA stützt seine vom FG zugelassene Revision auf die Verletzung materiellen Rechts. Der im Zusammenhang mit der Errichtung der Stromleitung angefallene Vorsteuerbetrag könne nicht im Rahmen des BgA der Klägerin abgezogen werden. Die Klägerin sei nicht unternehmerisch tätig geworden. Die Vergabe von Konzessionen stelle nach dem Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz --EnWG--) eine öffentlich-rechtliche Aufgabe der Kommunen dar. Die Gemeinden stünden hinsichtlich der Konzessionsvergabe in keinem Wettbewerb mit privaten Unternehmern. Selbst wenn die Klägerin unternehmerisch tätig gewesen wäre, wären die Konzessionsabgaben nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG vollständig als steuerfrei zu behandeln und der Vorsteuerabzug wäre nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen. Die Klägerin habe im Streitjahr 2003 die Konzessionsabgaben nur noch für die Grundstücksüberlassung, nicht für das ausschließliche Recht zur Elektrizitätsversorgung erzielen können.

13

Ferner sei die Stromleitung im Streitjahr 2003 nicht bezogen worden, um aus ihrer Überlassung an die AG steuerpflichtige Pachteinnahmen zu erzielen oder den steuerpflichtigen Wasser- und Fernwärmeabsatz der Klägerin zu steigern. Eine weite Kausalbeziehung vermittle keinen für den Vorsteuerabzug erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsätzen. Der Änderungsvertrag von 2004/2005 lasse keinen Rückschluss auf die innere Verwendungsabsicht der Klägerin bei Leistungsbezug zu. Sie hatte mit dem Überlassungsvertrag von 2002 bereits eine anderslautende Vereinbarung getroffen. Für die Frage des Vorsteuerabzugs seien diese Erkenntnisse im Zeitpunkt des Leistungsbezugs zugrunde zu legen.

14

Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben, soweit das FG der Klage stattgegeben hat, und die Klage (insgesamt) abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung im Umfang der Klageabweisung aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 7. März 2005 in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2005 dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsteuern in Höhe von … € berücksichtigt werden.

16

Die Klägerin bringt im Wesentlichen vor, das FG verkenne, dass die Konzessionsabgabe im Streitjahr 2003 nicht mehr im Zusammenhang mit der Erlaubnis zur Elektrizitätsversorgung gestanden habe. Der Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen hätte nach § 6 EnWG i.d.F. des 1998 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (BGBl I 1998, 730) kein Versorgungsmonopol mehr in den jeweiligen Gemeindegebieten gehabt. Die im Streitjahr 2003 entrichtete Konzessionsabgabe habe sich daher in dem Entgelt für die steuerfreie, den Vorsteuerabzug ausschließende Überlassung der öffentlichen Wege und Straßen im Gemeindegebiet zum Betrieb elektrischer Anlagen erschöpft.

17

Der geltend gemachte Vorsteuerabzug sei zu gewähren. Die Investition in die Stromleitung habe sich innerhalb des bereits bestehenden Eigenbetriebs Stadtwerke ("BgA Versorgung") vollzogen und sei für diesen Voraussetzung für die Generierung neuer Kunden gewesen. Die Aufwendungen hierfür seien in Form von Abschreibungen Teil der Kosten der zum Abzug berechtigenden steuerpflichtigen Ausgangsumsätze gewesen und bei der Preisgestaltung bzw. Kalkulation für den Trinkwasser- und Wärmeabsatz berücksichtigt worden.

18

Der Vorsteuerabzug sei aber auch dann gegeben, wenn man davon ausgehe, dass die Investition "im Rahmen eines separaten Verpachtungs-BgA" i.S. des § 4 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ausgeführt wurde. Für die Feststellung, ob eine Absicht zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze bestanden habe, kämen nicht nur solche Umstände in Betracht, die im Zeitpunkt des Leistungsbezugs erkennbar seien. Vielmehr könnten auch nachträglich Umstände --wie die 2004/2005 erfolgte "Ergänzung, Abänderung und Erweiterung" des Überlassungsvertrags von 2002-- berücksichtigt werden, sofern sie Rückschlüsse auf die zuvor vorhandenen inneren Absichten des Steuerpflichtigen erlaubten.

19

Der Vorsteuerabzug sei für die mit der Investition verbundenen Aufwendungen gegeben, weil sie diese dem Betriebsvermögen ihrer Stadtwerke zugeordnet habe. Entgegen der Ansicht des FA sei die entgeltliche Überlassung der Stromleitung an die AG von Anfang an gegeben gewesen. Die Absicht Einnahmen zu erzielen umfasse alle geldwerten Vorteile. Die vertraglich von Anfang an vereinbarte Übernahme von Unterhaltungs- und Instandhaltungsaufwendungen durch die AG sowie die zu erwartenden höheren Einnahmen aus dem Trinkwasser- und Wärmeverkauf stellten geldwerte Vorteile dar.

20

Selbst wenn eine Einordnung in einen BgA nicht möglich wäre, sei jedenfalls bei richtlinienkonformer Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG eine unternehmerische Tätigkeit gegeben und der Vorsteuerabzug zu gewähren.

Entscheidungsgründe

21

II. Auf die begründete Revision des FA hin war die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage (insgesamt) abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Revision der Klägerin ist hingegen im Ergebnis unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 und 4 FGO).

22

A. Die Revision des FA hat Erfolg. Die Klägerin war entgegen der Vorentscheidung nicht berechtigt, die Hälfte der Vorsteuer aus der Rechnung vom 8. Oktober 2003 über die Errichtung der Stromleitung zum Abzug zu bringen.

23

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.

24

a) Diese Vorschriften beruhen auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG), wonach der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.

25

b) Der Unternehmer ist hiernach zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) und damit für seine nachhaltigen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt, die steuerpflichtig oder nach § 15 Abs. 3 UStG steuerfrei sind (vgl. BFH-Urteile vom 9. Dezember 2010 V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53, unter II.1.b; vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, unter II.1.b; vom 27. Januar 2011 V R 38/09, BFHE 232, 278, BStBl II 2012, 68, unter II.2.b; vom 3. März 2011 V R 23/10, BFHE 233, 274, BStBl II 2012, 74, unter II.1.a, m.w.N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union --EuGH--; vom 10. November 2011 V R 41/10, BFHE 235, 554, BFH/NV 2012, 670, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2012, 348; jeweils m.w.N.).

26

2. Juristische Personen des öffentlichen Rechts --wie die Klägerin-- sind nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nur im Rahmen ihrer BgA unternehmerisch und damit wirtschaftlich tätig. Bei diesen Betrieben handelt es sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 4 KStG um alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich (§ 4 Abs. 1 Satz 2 KStG). Zu den BgA gehören auch Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung u.a. mit Elektrizität dienen (§ 4 Abs. 3 KStG). Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe), gehören nach § 4 Abs. 5 KStG nicht hierzu.

27

Diese Vorschriften sind unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG richtlinienkonform auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. März 2010 XI R 17/08, BFHE 230, 466, BFH/NV 2010, 2359, unter II.2.c; vom 2. März 2011 XI R 65/07, BFHE 233, 264, BFH/NV 2011, 1454, unter II.b; vom 1. Dezember 2011 V R 1/11, BFHE 236, 235, BFH/NV 2012, 534, DStR 2012, 352, unter II.1.b; jeweils m.w.N.).

28

Danach gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie hierfür als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Diese Einrichtungen gelten nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG als Steuerpflichtige in Bezug auf die in Anhang D der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführten Tätigkeiten, sofern ihr Umfang nicht unbedeutend ist. In Anhang D Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG sind u.a. Lieferungen von Elektrizität genannt.

29

3. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin nach den vorstehenden Grundsätzen mit der Konzessionsvergabe --wie das FG entschied-- mit einem BgA wirtschaftlich tätig war. Selbst wenn die Klägerin insoweit als Unternehmerin tätig gewesen wäre, hätte sie keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug aus der Rechnung der AG vom 8. Oktober 2003 über die Errichtung der Stromleitung.

30

a) Die im Streitjahr 2003 an die Klägerin entrichtete Konzessionsabgabe stellt --wovon sowohl das FA als auch die Klägerin zutreffend übereinstimmend ausgehen-- ein Entgelt lediglich für die Gestattung, alle im Gemeindegebiet gelegenen ihrem Verfügungsrecht unterfallenden öffentlichen Straßen, Wege und Plätze ober- und unterirdisch für die Errichtung und den Betrieb elektrischer Anlagen zu nutzen, dar.

31

Nach dem 1998 in Kraft getretenen und im Streitjahr 2003 geltenden § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG hatten die Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen anderen Unternehmen das Versorgungsnetz für Durchleitungen zur Verfügung zu stellen. Die Versorgung des Gemeindegebiets mit elektrischer Energie war hiernach nicht mehr ausschließlich der insoweit von der Klägerin durch den 1991 geschlossenen Vertrag konzessionierten AG vorbehalten. Die Klägerin konnte der AG das ausschließliche Recht nicht mehr verschaffen, die Gemeinde mit Strom zu versorgen. Ein Leistungsaustausch lag insoweit nicht vor. Konzessionsabgaben sind in § 48 Abs. 1 Satz 1 EnWG dementsprechend nunmehr als Entgelte definiert, "die Energieversorgungsunternehmen für die Einräumung des Rechts zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet mit Energie dienen, entrichten." Die Konzessionsabgabe kann daher --entgegen der Vorentscheidung-- nicht auf die Einräumung eines ausschließlichen Rechts zur Energieversorgung einerseits und auf die Gestattung der Nutzung aller öffentlichen Straßen, Wege und Plätze anderseits aufgeteilt werden. Das der Klägerin im Streitjahr 2003 von der AG gezahlte Entgelt entfällt mithin in voller Höhe auf die Gestattung der Nutzung der Gemeindeflächen. Die vom FG in diesem Zusammenhang genannte anderslautende frühere Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. Urteil in BFHE 65, 583, BStBl III 1957, 456) erging zu einer anderen Rechtslage. Sie ist inzwischen obsolet.

32

b) Die Einräumung des Rechts, Grundstücksteile für die Errichtung und den Betrieb von elektrischen Anlagen zu nutzen, stellt eine nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreie Vermietung von Grundstücken dar (zur Einräumung des Rechts zur Überspannung von Grundstücken und der Gestattung der Aufstellung von Strommasten vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2004 V R 30/04, BFHE 207, 560, BStBl II 2005, 802, m.w.N.).

33

c) Der Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen zur Ausführung steuerfreier Vermietungsleistungen ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG ausgeschlossen. Das FG hat nicht festgestellt, dass die Klägerin auf die Steuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze gemäß § 9 UStG verzichtet hätte.

34

4. Ein Recht auf Vorsteuerabzug aus der Rechnung der AG vom 8. Oktober 2003 über die Errichtung der Stromleitung steht der Klägerin entgegen ihrer Auffassung nicht deshalb zu, weil die Investition in die Stromleitung als eine Investition innerhalb des bereits bestehenden BgA Versorgung darstelle.

35

a) Die Klägerin ist mit ihren Stadtwerken u.a. zur Trinkwasser- und Wärmeversorgung nach den unter II.A.2. genannten Grundsätzen gemäß § 2 Abs. 3 UStG mit einem BgA unternehmerisch tätig.

36

b) Zwar hat die Klägerin mit Beschluss des Stadtrats vom 24. April 2002 alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Errichtung der Stromleitung auf ihre als Eigenbetrieb geführten Stadtwerke übertragen. Selbst wenn man deshalb davon ausginge, dass die streitige Eingangsleistung von den Stadtwerken bezogen worden wäre, stünde der Klägerin kein Vorsteuerabzug zu. Sie hätte diese Leistung nicht für Zwecke ihrer besteuerten Umsätze verwendet.

37

aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH erfordert das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG, "dass grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Umsätzen der nachfolgenden Stufe, die zum Vorsteuerabzug berechtigen...", besteht (vgl. EuGH-Urteile vom 8. Juni 2000 C-98/98 --Midland Bank--, Slg. 2000, I-4177, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2000, 342, Rz 24; vom 22. Februar 2001 C-408/98 --Abbey National--, Slg. 2001, I-1361, BFH/NV Beilage 2001, 48, Rz 26; vom 3. März 2005 C-32/03 --Fini H--, Slg. 2005, I-1599, BFH/NV Beilage 2005, 179, Rz 26; ferner Senatsurteil vom 8. September 2010 XI R 31/08, BFHE 231, 335, BStBl II 2011, 197, unter II.1.b bb).

38

bb) Dies setzt voraus, dass die für den Bezug der Leistungen getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der besteuerten Umsätze gehören. Die Aufwendungen müssen somit Teil der Kosten der Ausgangsumsätze sein, für die die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2000, I-4177, UR 2000, 342, Rz 30). Dies hat der EuGH bejaht für die allgemeinen Kosten der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2001, I-1361, BFH/NV Beilage 2001, 48, Rz 39). Zu diesen Kosten zählen Aufwendungen aber nur, soweit sie ihren ausschließlichen Entstehungsgrund in den steuerpflichtigen Tätigkeiten haben (EuGH-Urteil vom 8. Februar 2007 C-435/05 --Investrand--, Slg. 2007, I-1315, BFH/NV Beilage 2007, 289, Rz 33).

39

cc) Weiter kommt es für die Berechtigung des Abzugs von Vorsteuer nicht darauf an, ob die Klägerin --wozu Feststellungen des FG fehlen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO)-- die Stromleitung dem Betriebsvermögen ihrer Stadtwerke zugeordnet hat und ob die Aufwendungen der Investition in Form von Abschreibungen Kostenbestandteil ihrer von den Stadtwerken getätigten Ausgangsumsätze wurden und Eingang in die Preisgestaltung bzw. Kalkulation für den Trinkwasser- und Wärmeabsatz fanden. Denn trotz der kalkulatorischen Berücksichtigung von Aufwendungen ist für den Bezug von Leistungen zu untersuchen, ob diese zu den allgemeinen Aufwendungen gehören, die mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammenhängen (vgl. EuGH-Urteil vom 29. Oktober 2009 C-29/08 --AB SKF--, Slg. 2009, I-10413, BFH/NV 2009, 2099, Rz 60; ferner Senatsurteil in BFHE 231, 335, BStBl II 2011, 197, unter II.1.b bb).

40

dd) Hiernach steht --wie das FG zutreffend entschieden hat-- die Errichtung der Stromleitung in keinem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den steuerbaren und steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen, die die Klägerin mit ihren Stadtwerken ausführte. Denn die Aufwendungen haben ihren ausschließlichen Entstehungsgrund nicht in dieser wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin. Sie können mithin als allgemeine Kosten der Ausgangsumsätze der Stadtwerke keine Berücksichtigung finden.

41

Wie sich aus der Beschlussvorlage für die Sitzung des Stadtrats vom 28. März 2002 zur Übertragung der Aufgaben im Zusammenhang mit der Errichtung der Stromleitung auf die Stadtwerke ergibt, sollte die Investition "zur Sicherung der Elektroenergieversorgung für die Firma Y" sowie "zur Sicherung der Elektroenergieversorgung im Ortsteil B" getätigt werden.

42

Ferner heißt es in § 1 des Leistungsvertrags vom
9./11. Dezember 2002, Gegenstand des Vertrags sei die Errichtung der Stromleitung "auf der Basis" der (näherbezeichneten) Richtlinie "zur Förderung der Wirtschaftlichen Infrastruktur" im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur" in Verbindung mit dem "Fördermittelbescheid des Regierungspräsidiums C vom 28.10.2002 (Anlage 2)."

43

Nach diesem Bescheid ist der "Zweck der Zuwendung ... die Durchführung des Vorhabens Energieversorgung mit der Herstellung von Elektroleitungen für die gewerbliche Wirtschaft insbesondere für die Fa. Y in B."

44

Zudem wird in der Präambel des Besitzüberlassungsvertrags vom 9./11. Dezember 2002 u.a. ausgeführt, die Bereitstellung elektrischer Leitungen sei "zur weiteren industriellen Erschließung der Region D ... unerlässlich."

45

Wurde hiernach die Stromleitung --eindeutig-- zur Förderung eines in der Gemeinde ansässigen Gewerbebetriebs und zur weiteren elektrischen Erschließung des Gemeindegebiets errichtet, steht dies einem ausschließlichen Entstehungsgrund in der wirtschaftlichen Tätigkeit der Wasser- und Wärmeversorgung entgegen.

46

ee) Die Erwartung der Klägerin, (auch) den steuerpflichtigen Wasser- und Fernwärmeabsatz durch die Ansiedelung potentieller neuer Kunden infolge der weiteren elektrischen Erschließung des Gemeindegebiets zu fördern, stellt keinen unmittelbaren und direkten Zusammenhang mit den Aufwendungen zur Errichtung der Stromleitung dar. Dieser lediglich mittelbare Zusammenhang reicht für das Recht, Vorsteuer abziehen zu können, nicht aus (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 2009 XI R 82/07, BFHE 227, 238, BStBl II 2010, 247, unter II.2.). Nach den vorliegenden schriftlichen Unterlagen war --wie dargelegt-- eindeutiger und klar im Vordergrund stehender Zweck der Errichtung der Stromleitung die elektrische Erschließung des Gemeindegebiets für (noch anzusiedelnde bzw. bereits vorhandene) Gewerbebetriebe.

47

5. Die Klägerin kann die streitige Vorsteuer entgegen ihrer Ansicht ferner nicht "im Rahmen eines separaten Verpachtungs-BgA" abziehen.

48

a) Der Vorsteuerabzug setzt die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht der Verwendung für steuerpflichtige Umsätze bei Leistungsbezug voraus. Die für den Vorsteuerabzug maßgebliche Verwendungsabsicht bezieht sich darauf, dass der Unternehmer das Erbringen entgeltlicher Leistungen beabsichtigt, die objektiv zum Vorsteuerabzug berechtigen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob der Unternehmer seine Leistung subjektiv in rechtlicher Hinsicht zutreffend beurteilt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 670, DStR 2012, 348, m.w.N. auch zur Rechtsprechung von EuGH und BFH).

49

b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
Die Klägerin hat in dem Besitzüberlassungsvertrag vom
9./11. Dezember 2002 der AG die Stromleitung unentgeltlich überlassen; eine Absicht der Klägerin, mit der Stromleitung entgeltliche Leistungen zu erbringen, kann deshalb im Zeitpunkt des Leistungsbezugs (2003) nicht angenommen werden, wie das FG zutreffend ausgeführt hat.

50

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin erlaubt die 2004/2005 erfolgte nachträgliche Änderung des Überlassungsvertrags von 2002 keine Rückschlüsse auf eine von Anfang an beabsichtigte entgeltliche Verpachtung der Stromleitung. Denn sie hatte --worauf das FA zutreffend hinweist-- im Zeitpunkt des Leistungsbezugs mit dem Überlassungsvertrag von 2002 ausdrücklich eine anderslautende Vereinbarung getroffen.

51

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, eine entgeltliche Nutzungsüberlassung liege deshalb vor, weil bereits 2002 die Übernahme der Unterhaltungs- und Instandhaltungskosten der Stromleitung durch die AG vereinbart worden sei.

52

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des BFH werden Leistungen nach den übereinstimmenden Regelungen in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG und in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG gegen Entgelt erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert einen unmittelbaren Zusammenhang begründet und die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486; in BFHE 230, 466, BFH/NV 2010, 2359, unter II.2.b aa; jeweils m.w.N.). Das Entgelt richtet sich gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG nach den Aufwendungen des Leistungsempfängers für den Erhalt der Leistung.

53

bb) Nach § 2 des Besitzüberlassungsvertrags von 2002 war die AG zwar verpflichtet, ab Beginn der Besitzübernahme alle Kosten des Besitzes und Betriebs einschließlich der Instandhaltung und Erweiterung zu tragen. Diese Aufwendungen stehen aber im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Erhalt der Funktion dieser Stromleitung, an der die AG als Stromversorger ein eigenes Interesse hatte. Sie stehen hingegen nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit einer von der Klägerin erbrachten Leistung. Die von der AG getragenen Unterhalts- und Instandhaltungsaufwendungen stellen mithin keinen Gegenwert für die Überlassung des Besitzes an der Stromleitung dar. Gegen eine entgeltliche Nutzungsüberlassung spricht ferner, dass die Nutzungsüberlassung im Überlassungsvertrag von 2002 ausdrücklich als "unentgeltlich" bezeichnet worden war, sowie der Umstand, dass die Klägerin selbst diesen Vorgang nicht der Umsatzsteuer unterwarf.

54

d) Hiernach kann dahinstehen, ob --wie das FA vorbringt-- das wirtschaftliche Eigentum an der Stromleitung auf die AG übertragen wurde, sodass sie nicht Gegenstand einer Nutzungsüberlassung gewesen sein kann.

55

B. Die Revision der Klägerin kann im Ergebnis keinen Erfolg haben.

56

Soweit das FG angenommen hat, die Konzessionsvergabe unterliege (in Höhe von … €) der Umsatzbesteuerung (und dies im Wege der Saldierung berücksichtigt hat), ist dies nicht zutreffend, weil insoweit die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG eingreift (vgl. unter II.A.3.a und b der Gründe).

57

Gleichwohl hat die Revision der Klägerin im Ergebnis keinen Erfolg, weil die Klägerin --wie dargelegt-- keinen Anspruch auf Abzug weiterer Vorsteuern in Höhe von … € hat und deshalb der mit der Klage und ihrer Revision angefochtene Umsatzsteuerbescheid für 2003 rechtmäßig ist.

Tatbestand

1

I. Streitig ist der Umfang des Vorsteuerabzugs der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer Kapitalgesellschaft, im Streitjahr 2005. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Vermittlung von Anteilen an Publikumsgesellschaften sowie die Erstellung von Anlegerinformationen für Publikumsgesellschaften. In den Jahren 2001 bis 2004 führte sie u.a. gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. f des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie Umsätze aus der Vermittlung von Anteilen an vier Medienfonds aus und tätigte insgesamt folgende Umsätze:

2
                                   
        

2001   

2002   

2003   

2004   

        

€       

€       

€       

€       

steuerpflichtige Umsätze

...     

...     

...     

...     

steuerfreie Umsätze

...     

...     

...     

...     

Anteil steuerfreier Umsätze am Gesamtumsatz

76 %   

79 %   

89 %   

87 %   

3

In ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Januar bis August 2005 machte sie jeweils einen Vorsteuerabzug in Höhe von lediglich 5 % der angefallenen Vorsteuerbeträge geltend. Nachdem sich aufgrund von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im September 2005 herausstellte, dass die Auflage zweier weiterer Medienfonds und die geplante Vermittlung von Fondsanteilen hieran nicht mehr zustande kommen würden und nur noch steuerpflichtige Umsätze erzielt werden würden, holte die Klägerin den bisher nicht geltend gemachten Vorsteuerabzug (95 %) mit der am 12. Oktober 2005 eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldung für September 2005 nach.

4

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2005 vom 24. April 2007 erklärte sie ausschließlich steuerpflichtige Umsätze in Höhe von ... € und machte Vorsteuerbeträge in Höhe von ... € geltend; die Umsatzsteuer errechnete sie mit dem negativen Betrag von ... €.

5

Mit Bescheid vom 12. November 2007 änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Schätzungsbescheid vom 30. April 2007 und setzte die Umsatzsteuer für 2005 auf den negativen Betrag von ... € fest. Dabei legte das FA abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von ... € zugrunde. Da der Vorsteuerabzug dem Grunde und der Höhe nach bereits beim Leistungsbezug entstehe, komme es auf die Verwendungsabsicht in diesem Zeitpunkt an. Nach den Voranmeldungen für Januar bis August 2005 habe die Klägerin ihre Eingangsleistungen zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs zu 95 % steuerfreien Umsätzen zugeordnet. Von den in der Umsatzsteuererklärung für 2005 geltend gemachten Vorsteuern in Höhe von ... € seien daher die von der Klägerin in den Voranmeldungen für Januar bis August 2005 nicht abgezogenen Vorsteuern in Höhe von ... € nicht zum Abzug zuzulassen. In einem weiteren Änderungsbescheid vom 19. Februar 2010 kürzte das FA den Vorsteuerabzug um ... € und setzte die Umsatzsteuer 2005 auf den negativen Betrag von ... € fest.

6

Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, die dem Vorsteuerabzug zugrunde gelegten Kosten stellten nahezu ausschließlich allgemeine Verwaltungskosten dar, die nicht direkt steuerpflichtigen oder steuerfreien Umsätzen zugeordnet werden könnten. Sie seien deshalb zum Jahresende entsprechend den tatsächlich ausgeführten Umsätzen aufzuteilen. Da sie im Streitjahr 2005 ausschließlich steuerpflichtige Ausgangsumsätze ausgeführt habe, sei die Vorsteuer in vollem Umfang zum Abzug zuzulassen. Außerdem habe sie beabsichtigt, gemäß § 9 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG auf die Steuerbefreiung zu verzichten.

7

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) stimmten die Beteiligten darin überein, dass es sich bei den Leistungsbezügen der Klägerin um Aufwendungen handele, die nicht direkt und unmittelbar bestimmten Ausgangsumsätzen zugeordnet werden könnten.

8

Das FG wies die Klage ab (die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1828). Die dem Vorsteuerabzug zugrunde liegenden Eingangsleistungen seien nur in Höhe eines Anteils von 5 % steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen zuzurechnen. Denn in die gemäß § 15 Abs. 4 UStG vorzunehmende Vorsteueraufteilung seien bei richtlinienkonformer Auslegung nicht nur die tatsächlich getätigten (steuerpflichtigen), sondern auch die nur beabsichtigten (steuerfreien) Umsätze einzubeziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) sei für die Entstehung und den Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug maßgebend, ob der Steuerpflichtige im Zeitpunkt des Leistungsbezugs die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hatte, mit den Eingangsleistungen Umsätze auszuführen, für die der Vorsteuerabzug zugelassen ist. Diese Grundsätze zum sog. Sofortabzug müssten auch dann --entsprechend-- angewandt werden, wenn die Ausführung steuerfreier Umsätze beabsichtigt sei. Zum Zeitpunkt des Bezugs der Leistungen habe die Klägerin ausweislich ihrer Voranmeldungen für Januar bis August 2005 beabsichtigt, zu 95 % steuerfreie Umsätze auszuführen. Für die Absicht, gemäß § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerfreiheit dieser Umsätze i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG zu verzichten, habe sie keine objektiven Anhaltspunkte dargetan.

9

Mit ihrer Revision trägt die Klägerin u.a. vor:

10

Ein Unternehmer wisse regelmäßig nicht, wie sich die umsatzsteuerpflichtigen zu den umsatzsteuerfreien Umsätzen in einem Jahr und erst recht über mehrere Jahre hinaus entwickelten. Sie habe dementsprechend, entgegen der Annahme des FG, in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Januar bis August 2005 keine --bei den vorliegenden Eingangsleistungen im Übrigen gar nicht mögliche-- Zuordnung vorgenommen. Die Nichtgeltendmachung eines pauschalen Betrags von Vorsteuern (95 %) habe --entsprechend dem vom FA anerkannten Verhalten in den Vorjahren-- darauf beruht, dass sie die spätere (tatsächliche) Ausführung auch steuerfreier Umsätze erwartet und dementsprechend aufgeteilt habe, um einen zu hohen Vorsteuerabzug zu vermeiden. Stets sei aber eine Aufteilung nach dem Verhältnis der tatsächlichen steuerpflichtigen zu den tatsächlichen steuerfreien Umsätzen beabsichtigt gewesen. Im September 2005 habe man den Vorsteuerabzug der absehbaren Situation angepasst.

11

Da die Vorsteueraufteilung vor Ablauf des Jahres nicht nach dem aktuellen Jahres-Umsatzschlüssel möglich sei, müsse die Aufteilung zunächst unter Heranziehung des Vorjahres geschätzt werden. Sie müsse aber nach Ablauf des Jahres berichtigt werden. Denn der Aufteilungsmaßstab des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG gehe nicht von beabsichtigten, sondern von erzielten Umsätzen aus.

12

Das FG-Urteil sei elementar widersprüchlich. Es gehe zwar davon aus, die Eingangsleistungen seien nicht bestimmten Umsätzen zurechenbar und müssten deshalb nach dem Verhältnis der erst am Jahresende feststellbaren tatsächlichen Jahres-Ausgangsumsätze aufgeteilt werden, nehme aber gleichwohl bereits während des Jahres eine endgültige Zuordnung vor. Es verkenne, dass der Grundsatz des Sofortabzugs im Sinne einer direkten Zuordnung bei der pauschalen Aufteilung von Eingangsleistungen, die als Verwaltungsgemeinkosten nicht bestimmten Ausgangsumsätzen zurechenbar seien, nicht anwendbar sei.

13

Das FG führe das Novum ein, nach dem Verhältnis der tatsächlichen steuerpflichtigen zu den beabsichtigten steuerfreien Umsätzen aufzuteilen. Das sei weder quantifizierbar noch seriös zu schätzen noch habe das FG entsprechende Zahlen dargelegt. Auch sei das im Jahr 2005 erzielbare Volumen der beiden neuen Fonds ganz ungewiss gewesen.

14

Eine Option durch Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnungen sei mangels Leistungserbringung zwar noch nicht möglich gewesen; ein Beweisanzeichen für die Optionsabsicht --wie es das FG verlangt habe-- sei aber in der Voranmeldung für September 2005 zu sehen. Dass die Optionsabsicht nicht zügiger umgesetzt worden sei, liege an den damals drängenden Problemen u.a. infolge der Steuerfahndung.

15

Das FA sei zunächst von einer direkten Zuordnung der Eingangsleistungen zu bestimmten Ausgangsumsätzen ausgegangen und habe erst in der mündlichen Verhandlung zugestimmt, dass dies nicht möglich sei. Dass das FG die pauschale Aufteilung dann überraschend nach beabsichtigten und damit fiktiven Umsätzen vorgenommen habe und ohne die Grundlagen dafür vorher intensiv zu ermitteln, sei nicht abzusehen gewesen und habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

16

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung vom 9. April 2008 aufzuheben und die Umsatzsteuer für 2005 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 19. Februar 2010 auf den negativen Betrag von ... € festzusetzen.

17

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen,
hilfsweise die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

18

Es ist der Auffassung, in die Aufteilung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG seien auch beabsichtigte Umsätze einzubeziehen. Denn das Recht auf Vorsteuerabzug entstehe "durch die Absicht zur Verwendung für steuerpflichtige Ausgangsleistungen anhand der Sofortentscheidung des Unternehmers". Das gelte in gleicher Weise für die beabsichtigte Ausführung steuerfreier Leistungen und auch für Gemeinkosten wie hier, die den Ausgangsumsätzen nicht unmittelbar zuzurechnen seien. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für 2005 folge lediglich der beim Leistungsbezug von der Klägerin in die Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Januar bis August 2005 dokumentierten Prognoseentscheidung. Eine Berücksichtigung nachträglich geänderter Verhältnisse sowie ein nachträglicher Wechsel des Aufteilungsschlüssels kämen nicht in Betracht. Eine Optionsabsicht habe die Klägerin im Übrigen nicht durch objektive Anhaltspunkte belegt.

19

Die getätigten Aufwendungen für die bezogenen Leistungen könnten kein Kostenbestandteil der getätigten Umsätze gewesen sein, denn Letztere hätten niemals kostendeckend sein können. Es sei zu klären, ob für die Aufteilung von Aufwendungen für gemischte Kosten allein die im Veranlagungszeitraum getätigten Umsätze maßgeblich sein könnten.

Entscheidungsgründe

20

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Klägerin steht der geltend gemachte Vorsteuerabzug zu.

21

1. a) Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind (Eingangsleistungen), als Vorsteuerbetrag abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.

22

Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG kann der Unternehmer die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ist eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.

23

b) Diese Vorschriften beruhen auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG muss grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Umsätzen der nachfolgenden Stufe, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, bestehen, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. Oktober 2009 XI R 82/07, BFHE 227, 238, BStBl II 2010, 247, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Die Aufwendungen für den Bezug der Eingangsleistungen müssen Teil der Kosten der zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze sein, für die die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden (vgl. EuGH-Urteile vom 8. Juni 2000 C-98/98 --Midland Bank--, Slg. 2000, I-4177, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2000, 342, Rz 20 f. und 30, und vom 6. September 2012 C-496/11 --Portugal Telecom--, UR 2012, 762, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2012, 1859, Rz 36).

24

Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, kann der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn die Kosten für die Eingangsleistung zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und --als solche-- Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten Leistungen sind. Derartige Kosten hängen dann direkt und unmittelbar mit seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammen (vgl. EuGH-Urteile vom 29. Oktober 2009 C-29/08 --SKF--, Slg. 2009, I-10413, BFH/NV 2009, 2099, Rz 58, und in UR 2012, 762, DStR 2012, 1859, Rz 37; vom 21. Februar 2013 C-104/12 --Becker--, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. C 114, 20, DStR 2013, 411, UR 2013, 220; BFH-Urteil vom 6. Mai 2010 V R 29/09, BFHE 230, 263, BStBl II 2010, 885, Rz 22, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist dann aber, dass die wirtschaftliche Tätigkeit zu Umsätzen führt, die zum Vorsteuerabzug berechtigen.

25

Gegenstände und Dienstleistungen, die der Steuerpflichtige einzig und allein für wirtschaftliche Tätigkeiten verwendet, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, fallen nicht in den Anwendungsbereich von Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG, sondern unter die Vorsteuerabzugsregelung des Art. 17 Abs. 2 dieser Richtlinie (EuGH-Urteil --Portugal Telecom-- in UR 2012, 762, DStR 2012, 1859, Rz 41, 45).

26

2. Hiernach kann die Klägerin die gesetzlich geschuldete Steuer für die im Streitjahr bezogenen Lieferungen und sonstigen Leistungen als Vorsteuer abziehen.

27

Nach den für den Senat bindenden und unstreitigen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) stehen die von der Klägerin für ihr Unternehmen bezogenen Eingangsleistungen zwar in keinem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zu einem oder mehreren Ausgangsumsätzen. Die Kosten dieser Leistungen gehören aber zu den allgemeinen Aufwendungen der Klägerin und sind --als solche-- Bestandteile des Preises der von ihr erbrachten Leistungen. Die Kosten hängen damit direkt und unmittelbar mit ihrer wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammen.

28

Die Klägerin erfüllte im Streitjahr auch die weitere Voraussetzung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG, dass ihre wirtschaftliche Gesamttätigkeit --nach den ebenfalls unstreitigen Feststellungen des FG-- ausschließlich zu steuerpflichtigen Umsätzen führte, die zum Vorsteuerabzug berechtigten (vgl. dazu EuGH-Urteile --Midland Bank-- in Slg. 2000, I-4177, UR 2000, 342, Rz 20 f. und 30, und --Portugal Telecom-- in UR 2012, 762, DStR 2012, 1859, Rz 41 und 45, sowie BFH-Urteile in BFHE 230, 263, BStBl II 2010, 885, Rz 22, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung; in BFHE 227, 238, BStBl II 2010, 247).

29

3. Für eine Aufteilung (Zurechnung) der Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG besteht entgegen der Vorinstanz kein Anlass, weil die Klägerin im Streitjahr ausschließlich steuerpflichtige und damit zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze ausgeführt hat.

30

a) Die Regelung zur Aufteilung der Vorsteuer in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG greift nach ihrem klaren Wortlaut nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige die bezogenen Vorleistungen sowohl für Umsätze verwendet, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht. Ebenso betrifft § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG nur den Vorsteuerabzug aus solchen bezogenen Leistungen, die der Unternehmer zum Teil zur Ausführung von Umsätzen verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Derartige Umsätze hat die Klägerin aber nicht ausgeführt. Die vom FG vorgenommene "anteilige Zurechnung" der bezogenen Vorleistungen zu nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen ist im Streitfall somit schon vom Ansatz her nicht möglich.

31

b) Dem FG kann auch nicht darin gefolgt werden, dass es für die im Streitjahr 2005 abziehbaren Vorsteuerbeträge auf die von der Klägerin in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Januar bis August 2005 vorgenommene "Zurechnung" ankomme.

32

aa) Bei der Aufteilung der Vorsteuern aus bezogenen Gemeinkosten ist gemäß § 15 Abs. 4 UStG regelmäßig auf die Verhältnisse der gesamten Umsätze im Besteuerungszeitraum abzustellen. Eine solche Aufteilung ist erst in der gemäß § 18 Abs. 3 UStG abzugebenden (Jahres-)Steuererklärung durchzuführen. Denn die Jahressteuerfestsetzung nimmt materiell-rechtlich den Inhalt der Steuerfestsetzungen für die Voranmeldungszeiträume in sich auf und die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide verlieren ihre Wirksamkeit. Die Vorläufigkeit der Umsatzsteuer-Voranmeldungen zeigt sich auch daran, dass diese keiner materiellen Bestandskraft in dem Sinne fähig sind, dass --mit gegenüber dem Jahressteuerbescheid durchsetzbarer Verbindlichkeit-- über das Bestehen einer Umsatzsteuerschuld entschieden wird. Das endgültige materiell-rechtliche Schicksal der Vorauszahlungsschuld hängt daher grundsätzlich von der Festsetzung der Jahresumsatzsteuer ab (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 V R 21/10, BFHE 234, 531, BFH/NV 2012, 143, unter II.1.d aa, m.w.N.).

33

bb) Dies steht in Übereinstimmung mit Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG. Nach Abs. 3 Unterabs. 1 i.V.m. Abs. 1 der Regelung bemisst sich der für ein Jahr geltende Pro-rata-Satz zwar vorläufig nach dem auf der Grundlage der Umsätze des vorangegangenen Jahres ermittelten Prorata-Satz. Nach Abs. 3 Unterabs. 2 führt aber die Festsetzung des endgültigen Pro-rata-Satzes, die für jedes Jahr im Laufe des folgenden Jahres vorgenommen wird, zur Berichtigung der nach dem vorläufigen Pro-rata-Satz vorgenommenen Vorsteuerabzüge.

34

Entgegen der Auffassung des FG kommt es danach bei unionsrechtskonformer Auslegung nicht auf die jeweiligen Voranmeldungszeiträume an. Abzustellen ist vielmehr auf den Veranlagungszeitraum insgesamt und die für diesen Zeitraum im Nachhinein festzustellenden Verhältnisse.

35

cc) Nur dies gewährleistet das Grundprinzip des Mehrwertsteuersystems, nach dem die Mehrwertsteuer auf jeden Produktions- oder Vertriebsvorgang erhoben wird, abzüglich der Mehrwertsteuer, mit der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet worden sind (EuGH-Urteil --Midland-Bank-- in Slg. 2000, I-4177, UR 2000, 342, Rz 29). Durch die Regelung über den Vorsteuerabzug soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet daher völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (EuGH-Urteil vom 22. Februar 2001 C-408/98 --Abbey National--, Slg. 2001, I-1361, BFH/NV Beilage 2001, 48, Rz 24, m.w.N.).

36

Dieser Grundsatz würde aber in einem Fall wie diesem verletzt, wenn die Vorsteuerbelastung einer Eingangsleistung allein deshalb (endgültig) nicht abgezogen werden dürfte, weil zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs ein steuerfreier Ausgangsumsatz beabsichtigt war, obwohl die Vorleistung im selben Besteuerungszeitraum i.S. des § 18 Abs. 3 UStG --regelmäßig dem Kalenderjahr-- tatsächlich in einen besteuerten Ausgangsumsatz eingegangen ist.

37

c) Aus den Urteilen des EuGH zum sog. Sofortabzug (vgl. z.B. Urteile vom 14. Februar 1985 C-268/83 --Rompelman--, Slg. 1985, 655; vom 29. Februar 1996 C-110/94 --INZO--, Slg. 1996, I-857, Rz 15; vom 15. Januar 1998 C-37/95 --Ghent Coal Terminal--, Slg. 1998, I-1, UR 1998, 149, sowie vom 8. Juni 2000 C-400/98 --Breitsohl--, Slg. 2000, I-4321, UR 2000, 329, und C-396/98 --Schlossstrasse--, Slg. 2000, I-4279, BStBl II 2003, 446), d.h. dazu, dass der Vorsteuerabzug bereits in dem Besteuerungs- bzw. Voranmeldungszeitraum zu gewähren ist, in dem die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt sind, ergibt sich nichts anderes.

38

Diese Urteile betreffen nicht den vorliegenden Sachverhalt, in dem es um nicht zurechenbare Gemeinkosten geht, sondern den Fall, dass der Steuerpflichtige die bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig waren, nicht zu den ursprünglich beabsichtigten Umsätzen verwenden konnte. Mangels durchgeführter Umsätze hat der EuGH auf die beabsichtigten Umsätze abgestellt, um zu gewährleisten, dass das einmal entstandene Recht auf Vorsteuerabzug erhalten bleibt (Urteile --Ghent Coal Terminal-- in Slg. 1998, I-1, UR 1998, 149, Rz 19 f.; --Breitsohl-- in Slg. 2000, I-4321, UR 2000, 329, Rz 36 f.; --Schlossstrasse-- in Slg. 2000, I-4279, BStBl II 2003, 446, Rz 38 f.). Diese Sachverhalte sind nicht mit dem vorliegenden zu vergleichen, in dem ein bereits seit Jahren tätiges Unternehmen seine bisherigen Aktivitäten im Streitjahr teils fortgeführt und teils eingestellt hat und für den Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG eine klare Regelung für den vorläufigen und den endgültigen Vorsteuerabzug enthält.

39

d) Soweit das FA vorträgt, die Aufwendungen für die bezogenen Leistungen könnten deshalb in dem streitigen Umfang keine Kostenbestandteile der von der Klägerin erbrachten umsatzsteuerpflichtigen Umsätze gewesen sein, weil diese nicht ausgereicht hätten, um die Kosten der getätigten Aufwendungen abzudecken, ist dem bereits deshalb nicht zu folgen, weil es die Möglichkeit eines Verlustes außer Acht lässt.

40

Im Übrigen soll mit der Formulierung, das Recht auf Abzug der Steuer für die betreffenden Gegenstände oder Dienstleistungen setze voraus, dass die für den Bezug dieser Leistungen getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der besteuerten Umsätze gehörten, lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass die Kostenelemente in der Regel entstanden sein müssen, bevor der Steuerpflichtige die besteuerten Umsätze ausführt, denen sie zuzurechnen sind (vgl. EuGH-Urteil --Midland-Bank-- in Slg. 2000, I-4177, UR 2000, 342, Rz 30; BFH-Urteil vom 14. März 2012 XI R 23/10, BFH/NV 2012, 1672, Rz 27; Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 582, m.w.N.).

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war in den Streitjahren (2001 und 2002) beim Betrieb eines grenzüberschreitenden Nachtzugs zwischen B im Inland und M im Ausland tätig. Die Tätigkeit der Klägerin erfolgte aufgrund von Vereinbarungen mit der im Ausland ansässigen S.

2

Das von der Klägerin und S abgeschlossene "Abkommen" vom 1. Januar 2002 bezog sich auf die Führung eines Nachtzugpaares zwischen den Orten B und M. Nach Nr. 3 der Vereinbarung wurden alle Einnahmen und Kosten des Verkehrs bei S zusammengefasst. Gewinn und Verlust für die Verkehrsperiode sollten zu gleichen Teilen auf beide Parteien aufgeteilt werden. Zur Festlegung von Gewinn und Verlust waren sämtliche Einnahmen während der Vertragsperiode den Kosten der S und der Klägerin gegenüberzustellen.

3

Nach dem "Abkommen" hatte die Klägerin der S einmal monatlich Rechnungen über die von ihr getragenen Kosten auf deutscher Seite zu übersenden. Zu diesen Kosten gehörten der Service in verschiedenen Bahnhöfen im Inland, Trassen-, Traktions- und Versicherungskosten im Inland sowie die Kosten aus einer Vereinbarung mit M über die Betreuung von Schlaf- und Liegewagen. Alle Einnahmen wurden bei S gesammelt, die das Buchungssystem für den Nachtzug betrieb. Nach Nr. 4 des Abkommens war S "platzzuteilende Bahn" für den Nachtzug. S bot europäischen Eisenbahnverwaltungen die Buchung von Fahrscheinen an. Die Klägerin verkaufte demgegenüber keine Fahrkarten und stellte keine Tickets aus, da diese ausschließlich durch S emittiert wurden, der auch alle Einnahmen zuflossen.

4

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Klägerin auf der Grundlage des "Abkommens" im Inland umsatzsteuerpflichtige Leistungen an S erbracht habe, und erließ am 21. Mai 2004 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, der insoweit Erfolg hatte, als das FA in den Änderungsbescheiden vom 12. Januar 2005 die von S erhaltenen Zahlungen nicht als Entgelt, sondern als Gegenleistung einschließlich Umsatzsteuer behandelte. Im Übrigen wies das FA den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 2005 als unbegründet zurück.

5

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Das FG ging von im Inland steuerpflichtigen Leistungen aus. Die Klägerin habe sich als inländischer privater Eisenbahnunternehmer mit einem Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Sitz im Ausland zu einer internationalen Gruppierung zum Zwecke der Erbringung von grenzüberschreitenden Eisenbahndienstleistungen zusammengeschlossen. Nach der zwischen der Klägerin und S abgeschlossenen Vereinbarung sei der Verkehr im Ausland durch S und im Inland durch die Klägerin abgewickelt worden. Hieraus seien keine finanziellen Verpflichtungen untereinander erwachsen. Es handele sich um Personenbeförderungsleistungen, die im Inland steuerbar und nicht nach § 4 Nr. 6 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerbefreit seien. Der Ort der Beförderungsleistung bestimme sich gemäß § 3b Abs. 1 Satz 1 UStG danach, wo die Beförderung bewirkt werde. Da die Klägerin nur für die Abwicklung des Verkehrs auf der inländischen Teilstrecke zu sorgen gehabt habe, habe sie Beförderungsleistungen auch nur für diesen Streckenabschnitt besorgt. Ihre Leistungen erstreckten sich nur auf das Inland. Eine Aufteilung in einen inländischen und einen ausländischen Streckenanteil nach § 3b Abs. 1 Satz 2 UStG sei nicht erforderlich gewesen. Es sei unerheblich, dass die Beförderung auch im Ausland weiter geführt worden sei. § 4 Nr. 6 Buchst. a UStG sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und im Streitfall nicht anzuwenden. Für die insoweit erforderliche Einordnung als Betriebswechselbahnhof könne unabhängig von den durch die Eisenbahnunternehmer in den Vordergrund gestellten Usancen im Eisenbahnverkehr für umsatzsteuerrechtliche Zwecke nicht allein auf die Vereinbarung der beteiligten Eisenbahnunternehmen abgestellt werden. Erforderlich sei ein Grenzbezug, der bei einer Entfernung von ca. 300 km nicht mehr gegeben sei.

6

Einen Tatbestandsberichtigungsantrag zur Frage des Inhalts des Zugtickets lehnte das FG mit Beschluss vom 15. November 2011 ab. Das dem FG vorliegende Zugticket weise allein auf S, nicht aber auch auf die Klägerin hin.

7

Gegen das Urteil des FG wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie rügt Verletzung materiellen und formellen Rechts. Ihre Leistungen seien nach § 4 Nr. 6 Buchst. a UStG steuerfrei, da diese Vorschrift nach dem Neutralitätsgrundsatz nicht nur auf Eisenbahnen des Bundes anzuwenden sei. Von einem Betriebswechselbahnhof sei dann auszugehen, wenn die beteiligten Eisenbahnen einen Tarifschnitt an Bahnhöfen vereinbarten und wenn von diesem Bahnhof bis zur Grenze kein kommerzieller Zwischenhalt stattfinde. Der Bahnhof X-Y sei auch deshalb als Betriebswechselbahnhof anzusehen, weil einem Antrag beim Bundesverkehrsministerium nicht widersprochen worden sei.

8

Das FG habe auch gegen § 3b UStG verstoßen. Die Sachverhaltswürdigung des FG sei offenkundig falsch. Sie, die Klägerin, habe im Wesentlichen Traktionsleistungen erbracht. Zwischen ihr und S liege eine internationale Gruppierung vor. Bei der Traktionsleistung handele es sich um eine gegenüber der Personenbeförderung eigenständige Leistung. Sie sei auf einer fiskalisch ausländischen Strecke tätig geworden.

9

Es sei bis zur mündlichen Verhandlung vor dem FG unstreitig gewesen, dass sie gemeinsam mit S nach außen aufgetreten sei. Erstmals im Urteil habe das FG einen abweichenden Sachverhalt zugrunde gelegt und angenommen, dass nicht sie, sondern nur S nach außen in Erscheinung getreten sei. Die Annahme des FG, das vorgelegte Ticket weise allein S aus, sei unzutreffend, da das Ticket auch die Klägerin nenne. Das FG sei daher von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Sie habe erfolglos versucht, dies durch einen Tatbestandsberichtigungsantrag und eine Anhörungsrüge zu korrigieren. Im Übrigen komme es auf den Außenauftritt auf den Fahrscheinen nicht entscheidend an, da auch die Werbung für den Nachtzug zu berücksichtigen sei. Es sei geradezu lebensfremd und stehe in Widerspruch zu jeglichem Erfahrungssatz, dass sie, die Klägerin, am Zugbetrieb nur verdeckt beteiligt gewesen sei und ihre Beteiligung an diesem Prestigeprojekt geheim gehalten habe. Hätte das FG einen entsprechenden Hinweis erteilt, hätte sie vorgetragen, dass die Nennung nur im Zusammenhang mit dem Mehrwertsteuerausweis erfolgt sei. Maßgeblich seien aber nicht Fahrkarten, sondern ihr gemeinsamer Außenauftritt mit S auf Werbeträgern und im Internet. Das FG habe nicht darauf hingewiesen, dass es nicht vom Vorliegen einer Gewinnpoolung ausgehe. Das FG habe § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verletzt und sei seiner Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 FGO nicht nachgekommen. Das FG habe auch die Erörterungspflicht nach § 93 Abs. 1 FGO verletzt. Verletzt sei auch der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 1 und 2 FGO), da das FG tatsächliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen habe. Ihr Vortrag zur Gewinnpoolung sei nicht berücksichtigt worden. Es liege eine Überraschungsentscheidung vor. Die Gewinnabhängigkeit des Aufwendungsersatzes ergebe sich auch aus Rückzahlungen im Jahr 2008. Es handele sich zudem um eine Beförderung von Gegenständen. Für das Vorliegen einer Grenzbetriebsstrecke reiche es aus, dass auf dieser Strecke kein Zwischenhalt erfolge.

10

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 2005 aufzuheben und unter Aufhebung der geänderten Umsatzsteuerbescheide für 2001 und 2002 vom 12. Januar 2005 und 21. Mai 2005 die Klägerin erklärungsgemäß zu veranlagen.

11

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

12

Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit lägen nicht vor. § 3b UStG sei nicht verletzt, da die Klägerin eine einheitliche Beförderungsleistung erbracht habe. Es liege auch kein Gewinnpool vor. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit aufgrund der Leistungserbringung auf einer Grenzbetriebsstrecke lägen nicht vor. Schließlich seien auch keine Verfahrensfehler gegeben.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Klägerin hat nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG als Unternehmer Leistungen im Inland gegen Entgelt im Rahmen ihres Unternehmens ausgeführt. Die Leistungen sind mangels Steuerbefreiung auch steuerpflichtig.

14

1. Die Klägerin erbrachte aufgrund des mit der S geschlossenen Abkommens Leistungen gegen Entgelt.

15

a) Die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare Leistung gegen Entgelt setzt nach übereinstimmender Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) voraus, dass zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.a, m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH).

16

Auch Leistungen, die ein Gesellschafter an seine Gesellschaft erbringt, sind steuerbar, wenn ihnen ein Rechtsverhältnis zugrunde liegt, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet. So liegt ein steuerbarer Leistungsaustausch z.B. dann vor, wenn der Gesellschafter einen Gegenstand nicht gegen Beteiligung am Gewinn und Verlust in seine Gesellschaft einbringt, sondern ihn ihr im Wege der Verpachtung gegen Zahlung eines Pachtzinses zur Verfügung stellt (EuGH-Urteil vom 27. Januar 2000 C-23/98, Heerma, Slg. 2000, I-419 Rdnr. 13). Ebenso liegt bei einem Konsortium ein steuerbarer Leistungsaustausch vor, wenn Arbeiten, die die Mitglieder eines Konsortiums entsprechend ihrem jeweiligen Arbeitsanteil durchführen, vergütet werden (EuGH-Urteil vom 29. April 2004 C-77/01, EDM, Slg. 2004, I-4295 Rdnrn. 86 f.).

17

Das für den Leistungsaustausch erforderliche Rechtsverhältnis kann auf schuld- oder gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter beruhen. Als Besonderheit bei Gesellschaftsverhältnissen ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich der erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bei einer durch den Gesellschafter erbrachten Leistung nicht aus der Beteiligung des Gesellschafters am allgemeinen Gewinn und Verlust der Gesellschaft ergibt. Auch wenn sich der Gesellschafter nicht auf das Halten seiner Beteiligung beschränkt, sondern weiter gehende Leistungen gegenüber der Gesellschaft erbringt, ist die allgemeine Gewinnbeteiligung nicht als Entgelt anzusehen (BFH-Urteil in BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.b aa). Dementsprechend besteht der für die Steuerbarkeit erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Dividende (Gewinnanteil) und Dienstleistung selbst dann nicht, wenn die Leistung von einem Aktionär (Gesellschafter) erbracht wird (EuGH-Urteil vom 14. November 2000 C-142/99, Floridienne und Berginvest, Slg. 2000, I-9567 Rdnr. 23).

18

b) Im Streitfall erbrachte die Klägerin mit ihrer Tätigkeit auf dem inländischen Streckenabschnitt des Nachtzugs auf der Grundlage des mit S abgeschlossenen Abkommens Leistungen gegen Entgelt.

19

aa) Die Entgeltlichkeit der von der Klägerin erbrachten Leistungen ergibt sich daraus, dass die S vereinbarungsgemäß die bei der Klägerin anfallenden Kosten erstattete (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.b bb zum Entgeltcharakter bei der Gewährung von Aufwendungsersatz). Der Senat kann bei der Beurteilung der Steuerbarkeit der durch die Klägerin erbrachten Leistungen offenlassen, ob die Klägerin und S durch den Abschluss des "Abkommens" ein Gesellschaftsverhältnis begründet haben. Selbst wenn ein derartiges Gesellschaftsverhältnis vorläge, wären die Leistungen der Klägerin nur dann als außerhalb eines Leistungsaustausches erfolgt anzusehen, wenn eine lediglich gewinnabhängige Vergütung vorläge. Dies trifft auf den von S geschuldeten Aufwendungsersatz nicht zu, da die Zahlung des Aufwendungsersatzes nicht unter dem Vorbehalt einer Gewinnentstehung stand, sondern unbedingt zu erfolgen hatte.

20

bb) Eine Gewinnabhängigkeit des von S zu gewährenden Aufwendungsersatzes ergab sich nicht aufgrund des Anspruchs der Klägerin auf Gewinn- und Verlustbeteiligung aus dem Betrieb des Nachtzugs nach Ablauf der Gültigkeit des "Abkommens". Denn wie der EuGH in seinem Urteil Floridienne und Berginvest in Slg. 2000, I-9567 Rdnr. 23 ausdrücklich entschieden hat, besteht der für die Steuerbarkeit erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Dividende (Gewinnanteil) und Dienstleistung auch dann nicht, wenn der Gesellschafter die Leistung erbringt. Führt danach die allgemeine Gewinnbeteiligung bei entgeltlichen Leistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft im Gewinnfall nicht zu einer Entgelterhöhung, kann sich auch im Verlustfall keine Entgeltminderung ergeben.

21

cc) Dass die Klägerin im Verlustfall den Verlust anteilig zu tragen und ggf. Zahlungen an S zu leisten hatte und --nach ihrem Vortrag im Revisionsverfahren-- in späteren Jahren tatsächlich auch an S geleistet hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn eine derartige Verlustbeteiligung steht nur im unmittelbaren Zusammenhang zur Gewinnverteilungsabrede, nicht aber auch im unmittelbaren Zusammenhang zu dem daneben --außerhalb der Gewinnverteilungsabrede-- vereinbarten Aufwendungsersatz. Ist der Gewinnanteil kein Leistungsentgelt für Leistungen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft (EuGH-Urteil Floridienne und Berginvest in Slg. 2000, I-9567 Rdnr. 23) und daher bei einer entgeltlichen Leistung des Gesellschafters an die Gesellschafter nicht entgelterhöhend zu berücksichtigen, wirkt sich auch eine Verlustbeteiligung nicht entgeltmindernd aus.

22

c) Die Steuerbarkeit der von der Klägerin erbrachten Leistungen steht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht im Widerspruch zur Senatsrechtsprechung zur sog. Gewinnpoolung.

23

aa) Nach dem Senatsurteil vom 12. Februar 1970 V R 50/66 (BFHE 98, 518, BStBl II 1970, 477, unter 3.) ist eine Gewinnpoolung gegeben, "wenn mehrere Unternehmer, die ihre Geschäfte nach außen im eigenen Namen (jeder für sich) betreiben und nicht in einem Leistungsaustausch miteinander stehen, auf Grund interner Vereinbarungen ihre Erlöse nach Abzug der Unkosten ganz oder teilweise nach einem bestimmten Schlüssel unter sich aufteilen". Hieran fehlt es, wenn "nicht mehrere Unternehmer ihre selbständig erzielten Gewinne zusammen[legen], um sie unter sich aufzuteilen, sondern ... lediglich der bei einem von ihnen anfallende Gewinn verteilt wird. Die Beteiligten betätigen sich ... [dann] auf verschiedenen Wirtschaftsstufen, [so dass zwischen ihnen] ... in vollem Umfange ein Leistungsaustausch statt[findet]".

24

bb) Im Streitfall fehlt es an einer "Gewinnpoolung" im Sinne der vorstehenden Entscheidung schon deshalb, weil die Klägerin und S nicht jeder für sich Geschäfte nach außen im eigenen Namen betrieben haben. Eine Gewinnpoolung läge nur vor, wenn die Klägerin und S im Verhältnis zu den Leistungsempfängern, den Reisenden, jeweils eigenständige Bahnstrecken betrieben hätten und die dabei von ihnen jeweils eigenständig erzielten Gewinne "gepoolt" hätten. Demgegenüber handelt es sich im Streitfall zwar um ein gemeinsames, im Verhältnis zu den Leistungsempfängern, den Reisenden, jedoch allein von S ausgeführtes Zugprojekt, für dessen Durchführung die Klägerin an S entgeltliche Leistungen erbrachte.

25

d) Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen sind gemäß § 126 Abs. 4 FGO unerheblich, da es auf diese unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ankommen kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27. März 2011 VII R 62/00, BFH/NV 2001, 1037).

26

Dies gilt insbesondere für die Rüge, dass das FG-Urteil für sie überraschend gewesen sei, da sie von einem gemeinsamen Auftreten ausgegangen sei.

27

Dieser Vortrag trifft bereits deshalb nicht zu, da im Verfahren vor dem FG wechselnde Auffassungen zu der Frage vertreten wurden, ob allein S Leistungen gegenüber den Kunden erbracht habe, und das FA in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausgeführt hat, dass zwischen der Klägerin und S keine Innenumsätze, sondern ein Leistungsaustausch vorliege. Zudem kommt es auf diese Frage schon deshalb nicht an, weil sie allein die Person des Empfängers der durch die Klägerin erbrachten Leistungen betrifft. Ob die Klägerin aber ihre Leistungen gegenüber S oder gegenüber einer aus ihr und S gebildeten Gesellschaft erbracht hat, ist für das Vorliegen eines Leistungsaustausches jedoch unerheblich, da entgeltliche Leistungen auch auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage erbracht werden können (BFH-Urteil in BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.).

28

2. Die entgeltlichen Leistungen der Klägerin waren im Inland steuerbar. Es liegen sonstige Leistungen i.S. von § 3 Abs. 9 UStG vor, da es sich bei den Leistungen nicht um Lieferungen nach § 3 Abs. 1 UStG handelte.

29

Ob es sich bei den sonstigen Leistungen der Klägerin um Beförderungsleistungen nach § 3b UStG oder um eine Leistung handelte, die mangels anwendbarer anderer Leistungsortsbestimmungen § 3a Abs. 1 UStG unterliegt, kann im Streitfall offenbleiben, da nach beiden Vorschriften der Leistungsort im Inland liegt.

30

a) Handelt es sich bei den von der Klägerin erbrachten Leistungen um eine Beförderung i.S. von § 3b Abs. 1 UStG, ist diese Leistung als Personenbeförderung nach Satz 1 dieser Vorschrift anzusehen.

31

aa) Die von der Klägerin vertretene Auffassung, nach der Gegenstand ihrer Leistung eine als Zug- und damit eine Gegenstandsbeförderung nach § 3b Abs. 1 Satz 3 UStG gewesen sei, ist mit den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht vereinbar. Danach beschränkte sich die von der Klägerin erbrachte Leistung nicht auf die Beförderung eines Zuges als Transportmittel, sondern umfasste auch den Transport der diesen Zug benutzenden Fahrgäste. Hierfür spricht, dass die Klägerin z.B. auch die Kosten für Betreuung von Schlaf- und Liegewagen zu tragen und an die S weiterzubelasten hatte. Leistungen Dritter, die sie zu bezahlen hatte, muss sie sich daher zurechnen lassen. Die von der Klägerin zitierte rechtliche Einordnung durch einen Referatsleiter der Europäischen Kommission führt zu keiner anderen Beurteilung, da der Beurteilung durch die Europäische Kommission im finanzgerichtlichen Verfahren keine Bindungswirkung zukommt. Abgesehen davon hat die Kommission in ihrer Stellungnahme das Vorliegen einer Beförderung von Gegenständen unterstellt, ohne die dem vorgelagerte Frage auch nur zu erörtern, ob nach dem Inhalt der Vereinbarungen zwischen der Klägerin und S die Klägerin Gegenstände oder Personen beförderte. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die bloße "Traktion" zu einer ausschließlichen Beförderung von Gegenständen führen würde. Schließlich ist eine abweichende Sach- und Vertragslage in der Folgezeit für die Beurteilung in den beiden Streitjahren unbeachtlich.

32

bb) Die Klägerin erbrachte die Personenbeförderung im Inland, da sie die Beförderung nur auf dem inländischen Streckenanteil des Nachtzugs durchführte.

33

cc) Bei einer Personenbeförderungsleistung ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch keine Nichtsteuerbarkeit aus § 4 Nr. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV). Danach sind bei grenzüberschreitenden Personenbeförderungen mit Schienenbahnen als ausländische Beförderungsstrecken die inländischen Anschlussstrecken anzusehen, die von Eisenbahnverwaltungen mit Sitz im Ausland betrieben werden.

34

Unabhängig von der Frage, ob der von § 4 Nr. 2 UStDV vorausgesetzte Betrieb einer Anschlussstrecke durch eine Eisenbahnverwaltung mit Sitz im Ausland vorliegt, scheitert die Anwendung dieser Vorschrift schon daran, dass der Begriff der inländischen Anschlussstrecke nur in Übereinstimmung mit der Ermächtigungsgrundlage dieser Vorschrift und damit nur unter Berücksichtigung von § 3b UStG ausgelegt werden kann. § 3b Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 UStG enthält eine Ermächtigungsgrundlage für § 4 Nr. 2 UStDV jedoch nur insoweit, als kurze inländische Beförderungsstrecken als ausländische angesehen werden können. Damit nicht zu vereinbaren ist die Auffassung der Klägerin, auch ein inländischer Streckenanteil von ca. 300 km sei eine derartige Beförderungsstrecke.

35

b) Sollte es sich bei den Leistungen der Klägerin nicht um Beförderungsleistungen i.S. von § 3b UStG gehandelt haben, sind die Leistungen der Klägerin gemäß § 3a Abs. 1 UStG an ihrem Unternehmenssitz im Inland steuerbar, da die Anwendung anderer Regelungen zur Leistungsortbestimmung nicht in Betracht kommt. Somit kommt es auch für die Bestimmung des Leistungsorts nicht auf die von der Klägerin für maßgeblich erachtete Frage an, wer Empfänger ihrer Leistungen war.

36

3. Die Leistungen der Klägerin sind nicht steuerfrei.

37

a) Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 6 Buchst. a UStG "die Lieferungen und sonstigen Leistungen der Eisenbahnen des Bundes auf Gemeinschaftsbahnhöfen, Betriebswechselbahnhöfen, Grenzbetriebsstrecken und Durchgangsstrecken an Eisenbahnverwaltungen mit Sitz im Ausland".

38

Nach der amtlichen Gesetzesbegründung zu der durch das UStG 1980 eingeführten Steuerbefreiung sind als Grenzbetriebsstrecken Strecken zwischen einem Gemeinschafts- oder Betriebswechselbahnhof und der Grenze anzusehen (BTDrucks 8/1779 S. 32).

39

b) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 6 Buchst. a UStG nicht vor. Auf die Frage, ob die Vorschrift mit dem Unionsrecht vereinbar ist, kommt es daher nicht an.

40

aa) Wie das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden hat, handelt es sich bei der von der Klägerin erbrachten Leistung umsatzsteuerrechtlich um nur eine Leistung, nicht aber um eine Vielzahl von Leistungen.

41

bb) Für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der einen durch die Klägerin erbrachten Leistung kommt es auf das Wesen und damit das charakterbestimmende Merkmal dieser Leistung an. Unabhängig von der Frage, ob die Anwendung von § 4 Nr. 6 Buchst. a UStG auf "Leistungen der Eisenbahnen des Bundes" beschränkt werden kann, setzt die Vorschrift voraus, dass die von der Klägerin erbrachte Leistung ihrem Schwerpunkt nach darin besteht, "sonstige Leistungen auf Gemeinschaftsbahnhöfen, Betriebswechselbahnhöfen, Grenzbetriebsstrecken und Durchgangsstrecken" zu erbringen. Dies trifft auf die von der Klägerin ausgeführte Leistung nicht zu. Die Klägerin erbrachte ihre Leistungen nicht nur auf den vorstehend bezeichneten Bahnhöfen.

42

Es handelte sich auch nicht um Leistungen auf einer Grenzbetriebsstrecke. Der Begriff der Grenzbetriebsstrecke ist dabei entsprechend dem allgemeinen Grundsatz enger Auslegung von Befreiungstatbeständen eng auszulegen (vgl. z.B. allgemein EuGH-Urteile vom 28. Juli 2011 C-350/10, Nordea, Slg. 2011, I-7359; vom 22. Dezember 2010 C-116/10, Feltgen/Bacino Charter, Slg. 2010, I-14187; vom 3. Juni 2010 C-237/09, Nathalie de Fruytier, Slg. 2010, I-4985; vom 6. Mai 2010 C-94/09, Kommission/Frankreich, Slg. 2010, I-4261; vom 18. März 2010 C-3/09, Erotic Center, Slg. 2010, I-2361; vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz GbR, Slg. 2010, I-907). Daher können als Grenzbetriebsstrecke nur grenznahe Strecken angesehen werden, nicht aber auch die Beförderung auf einer Strecke von ca. 300 km zwischen B und M. Auch liegt keine Beförderung an einer Durchgangsstrecke vor, da dies eine Beförderung im Inland zwischen zwei ausländischen Strecken voraussetzt. Im Hinblick auf die Länge dieser Beförderungsstrecke ergibt sich die Annahme einer Grenzbetriebsstrecke entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht daraus, dass auf dieser Strecke kein Zwischenhalt erfolgt. Unerheblich ist daher auch, an welchem Ort die Grenzzollabfertigung vorgenommen wird. Da die Leistung der Klägerin somit bereits nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 6 Buchst. a UStG erfüllt, stellt sich die Frage nach einem Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität in Bezug auf die Leistungen, die ihrer Art nach die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllen und durch "Eisenbahnen des Bundes" erbracht werden, nicht.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist seit August 2008 Tochtergesellschaft der B-Holding GmbH, die als Arbeitsgemeinschaft gemäß § 219 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung für ihre Gesellschafter, insbesondere Betriebskrankenkassen (BKK), IT-Dienstleistungen erbringt. Zu diesem Zweck betreibt die Klägerin ein Service-Zentrum und bietet den BKK Hard- und Softwarelösungen an.

2

Die Klägerin erbrachte auf der Grundlage einer im Jahr 1998 abgeschlossenen Verwaltungsvereinbarung (folgend: IT-Dienstleistungsvertrag) gegenüber ihrem Gesellschafter und Kunden, der B-BKK, Dienstleistungen der elektronischen Datenverarbeitung. Die Leistungen wurden auf Selbstkostenbasis abgerechnet. Der IT-Dienstleistungsvertrag wurde ab dem 1. Januar 1999 zunächst für die Dauer von drei Jahren geschlossen. Er konnte unter Wahrung einer Kündigungsfrist von neun Monaten zum Jahresende, erstmals zum 31. Dezember 2001 gekündigt werden. Erfolgte keine Kündigung, verlängerte er sich um jeweils ein Jahr, wobei die Vergütung neu festzulegen war.

3

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2002 kündigte die B-BKK den IT-Dienstleistungsvertrag zum Ablauf des 31. Dezember 2003. Gleichzeitig erklärte sie, dass sie bereits mit Ablauf des 31. Dezember 2002 keine Dienstleistungen, Nutzungen von Hard- und Software und sonstige Tätigkeiten oder Aufwendungen der Klägerin in Anspruch nehmen werde.

4

Hintergrund der Kündigung war die im September 2002 beschlossene Fusion der B-BKK und der V-BKK zur D-BKK zum 1. Januar 2003, das damit verbundene Ausscheiden der B-BKK als Gesellschafterin der Klägerin und die in diesem Zusammenhang getroffene Entscheidung, dass die D-BKK künftig nur noch das bisher von der V-BKK genutzte Rechenzentrum eines Konkurrenzunternehmens der Klägerin, der I-GmbH, nutzen werde.

5

Am 20. Dezember 2002 schlossen die Klägerin und die B-BKK eine "Vergleichsweise Vereinbarung" (folgend: Vergleich) mit im Wesentlichen folgendem Inhalt:

6

"Vorbemerkung
Die ... (Klägerin) erbringt DV-Dienstleistungen aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung und verschiedener weiterer Verträge für die ... (B-BKK). Die ... (B-BKK) hat gemäß Schreiben vom 16.10.2002 erklärt, sie kündige alle Verträge mit der ... (Klägerin) zum 31.12.2003 und nehme bereits ab 31.12.2002 keinerlei Dienstleistungen der ... (Klägerin) mehr in Anspruch. Über die Wirksamkeit und Folgen dieser Erklärungen bestehen unterschiedliche Auffassungen unter den Parteien. Die ... (Klägerin) macht Vergütung, Aufwendungs- und Schadensersatz geltend.

...     

        

B.    

Vereinbarung

I.    

Fortsetzung aller Verträge bzgl. Netzwerkdienstleistungen

Die Parteien sind sich im Vergleichswege einig, dass die Kündigung aller Verträge, welche als Leistungsgegenstand Netzwerkdienstleistungen haben, gegenstandslos ist. Die Verträge werden diesbezüglich mit folgenden Änderungen, Ergänzungen und Klarstellungen wieder in Kraft gesetzt.

...     

II.     

Vergleich bzgl. der übrigen Dienstleistungen

1.    

Vergleichsweise Beendigung der Verträge zum 31.12.2002

Die Parteien sind sich im Wege gegenseitigen Nachgebens einig, dass alle bestehenden Verträge, welche nicht die in Ziff. I. behandelte Netzwerkdienstleistung und –vergütung betreffen, mit Ablauf des 31.12.2002 beendet sind. Die ... (Klägerin) stellt die Vertragsleistungen bis zum Beendigungszeitpunkt zur Verfügung.

...     

2.    

Höhe des Vergleichsbetrages

Die Parteien legen im Wege gegenseitigen Nachgebens als Vergleichsbetrag, welchen die ... (B-BKK) ... der ... (Klägerin) als Vergütung für nicht erbrachte Leistung bzw. Schadensersatz - also über die Vergütung für Netzwerkdienstleistungen gem. Ziff. I hinausgehend - schuldet, fest auf … € (Ohne MWSt.).

...     

V.    

Abgeltung von Ansprüchen

Mit diesem Vergleich sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus der bestehenden Verwaltungsvereinbarung und den dazu weiter abgeschlossenen Verträgen, gleich ob für Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft endgültig abgegolten, soweit sie vorstehend nicht ausdrücklich aufrechterhalten wurden. ... (Die Klägerin) verzichtet auf jedwede rechtliche Einwendung gegen die Entscheidung der ... (B-BKK) und der ... BKK bezüglich der einheitlichen Weiterführung der unter Ziff. II. als 'übrige Dienstleistungen' bezeichneten Tätigkeiten des ...

..."   

7

Die zum 1. Januar 2003 fällige erste Rate des Vergleichsbetrages wurde von der Klägerin weder in der Steuererklärung vom 9. April 2003 für das Streitjahr (2002) noch in der Steuererklärung vom 30. März 2004 für 2003 der Umsatzsteuer unterworfen.

8

Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte steuerliche Außenprüfung hob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 2. Februar 2006 den Vorbehalt der Nachprüfung bei der Umsatzsteuerfestsetzung für 2002 auf und unterwarf die erste Rate des Vergleichsbetrages im Umsatzsteuerbescheid für 2003 der Umsatzsteuer. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren statt (3 K 1520/08), weil die Steuer für eine etwaige sonstige Leistung bereits am 31. Dezember 2002 entstanden sei.

9

Daraufhin änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzung 2002 mit Bescheid vom 17. November 2011 gemäß § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO). Der gegen diesen Bescheid eingelegte Einspruch blieb in der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2012 erfolglos. Das FG gab der Klage statt; das Urteil ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2013, 1169 veröffentlicht.

10

Das FG begründet seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

11

Zwar habe das FA den Umsatzsteuerbescheid 2002 gemäß § 174 Abs. 4 AO ändern dürfen, weil die an eine Änderungsmöglichkeit geknüpften Voraussetzungen vorgelegen hätten.

12

Das FA sei aber zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin auf der Grundlage des Vergleichs Leistungen gegen Entgelt erbracht habe. Zwar nehme der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung an, dass eine sonstige Leistung gegen Entgelt auch dann vorliege, wenn der zur Ausführung einer Dauerleistung Verpflichtete die Leistung im Interesse des Leistungsempfängers gegen Zahlung eines Geldbetrages unterlasse. Dem sei aber nicht zu folgen, denn der --nach dem ursprünglich abgeschlossenen und später einvernehmlich beendeten Vertrag-- zur Leistung Verpflichtete erbringe durch das Unterlassen seiner Leistung keine sonstige Leistung an den Leistungsempfänger. Der Leistende verzichte vielmehr lediglich auf das volle ursprünglich vereinbarte Entgelt; darin aber sei keine Leistung zu sehen.

13

Im Übrigen fehle es im Streitfall auch deshalb an einem Entgelt, weil der Vergleichsbetrag eine Entschädigung darstelle, die die Leistungsempfängerin auch ohne Abschluss des Vergleichs von Gesetzes wegen geschuldet habe.

14

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, mit der es Verletzung materiellen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--) geltend macht. Zur Begründung der Revision trägt das FA im Wesentlichen vor, die vorzeitige Beendigung des IT-Dienstleistungsvertrages zum 31. Dezember 2002 gegen Zahlung einer Geldsumme stelle einen umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch dar, weil der entgeltliche Verzicht, eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben, als sonstige Leistung anzusehen sei. Das gelte auch für den Verzicht durch den Verpflichteten eines Dauerschuldverhältnisses. Da die auf Selbstkostenbasis zu ermittelnde Zahlungspflicht in dem IT-Dienstleistungsvertrag durch die Inanspruchnahme der Leistung bedingt gewesen sei und der Klägerin durch die Anschaffung einer neuen Rechnergeneration erhebliche Investionsaufwendungen entstanden seien, habe eine besondere Treuepflicht des Dienstleistungsberechtigten bestanden. Die Leistung sei der Klägerin auch nicht unmöglich geworden; es habe lediglich der Wille zur Inanspruchnahme seitens des Dienstleistungsberechtigten gefehlt.

15

Das FA beantragt sinngemäß,
das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

16

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

17

Sie macht sich die Gründe der Vorentscheidung zu eigen. Es sei Unmöglichkeit eingetreten, weil die Leistungserbringung durch die Gegenseite verhindert worden sei; die Verarbeitung der Daten sei technisch gar nicht mehr möglich gewesen. Damit liege ein geradezu klassischer Fall eines zum Schadensersatz verpflichtenden Sachverhalts vor.

Entscheidungsgründe

18

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht eine Leistung gegen Entgelt verneint.

19

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

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a) Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 34/03, BFHE 211, 59, BStBl II 2007, 66, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH--). Demgegenüber sind Entschädigungen oder Schadensersatzzahlungen grundsätzlich kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden und seine Folgen einzustehen hat (z.B. EuGH-Urteil vom 21. März 2002 C-174/00, Kennemer Golf & Country Club, Slg. 2002, I-3293; BFH-Urteil vom 20. März 2013 XI R 6/11, BFHE 241, 191, BFH/NV 2013, 1509). In diesen Fällen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung und der Leistung (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 2/09, BFHE 228, 467, BStBl II 2010, 765).

21

b) Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. EuGH-Urteil Kennemer Golf & Country Club in Slg. 2002, I-3293; BFH-Urteil in BFHE 241, 191, BFH/NV 2013, 1509). Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrages, durch den sich eine Vertragspartei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und die andere sich hierfür zur Zahlung einer Gegenleistung verpflichtet, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 UStG regelmäßig erfüllt, falls der leistende Vertragspartner Unternehmer ist (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008 V R 38/06, BFHE 225, 155, BStBl II 2009, 749).

22

Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist dabei nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen (BFH-Urteile vom 17. Dezember 2009 V R 1/09, BFH/NV 2010, 1869; in BFHE 241, 191, BFH/NV 2013, 1509; Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 18. Mai 2011 VIII ZR 260/10, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2011, 1156). Deshalb kommt es --entgegen der Auffassung des FG-- auf die Frage, ob nach deutschem Zivilrecht objektive oder subjektive Unmöglichkeit der ursprünglich geschuldeten Leistung vorliegt und ob die Zahlung zivilrechtlich als Schadensersatz bezeichnet wird, nicht an (z.B. BGH-Urteil vom 14. März 2007 VIII ZR 68/06, BFH/NV 2007, Beilage 3, 316; BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 1869).

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c) Die Voraussetzungen für einen entgeltlichen Leistungsaustausch liegen insbesondere dann vor, wenn ein Steuerpflichtiger auf eine ihm, sei es auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage, zustehende Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet (BFH-Urteil in BFHE 211, 59, BStBl II 2007, 66). Auch der Verzicht, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben, ist gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 9 UStG eine sonstige Leistung (BFH-Urteil in BFHE 211, 59, BStBl II 2007, 66). Hieran hält der Senat fest.

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d) Dem steht auch nicht das EuGH-Urteil vom 18. Juli 2007 C-277/05, Societé thermale d´Eugénie-les-Bains (Slg. 2007, I-6415) entgegen. Darin hat der EuGH entschieden, dass das Angeld bei Reservierung einer Beherbergungsleistung keine Gegenleistung für eine eigenständige, bestimmbare Leistung, sondern eine Entschädigung zum Ausgleich des infolge des Vertragsrücktritts des Gastes entstandenen Schadens darstellt. Das Angeld soll ein Zeichen für den Abschluss des Beherbergungsvertrages, ein Anreiz für seine Erfüllung und eine pauschalierte Entschädigung sein (Rdnr. 31). An einer eigenständigen bestimmbaren Gegenleistung fehlt es, weil der Hotelier nur seinen sich aus dem Beherbergungsvertrag ergebenden Pflichten nachkommt und keine weitere Dienstleistung erbringt, mit der das Angeld in unmittelbarem Zusammenhang stehen könnte. Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar.

25

2. Das Urteil des FG, das von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war aufzuheben. Im Streitfall hat die Klägerin mit dem entgeltlichen Verzicht auf ihre Rechte aus dem IT-Dienstleistungsvertrag eine steuerbare sonstige Leistung erbracht. Die B-BKK hat den IT-Dienstleistungsvertrag mit Wirkung ab 1. Januar 2004 gekündigt. Der IT-Dienstleistungsvertrag und die sich daraus ergebenden gegenseitigen Rechte und Pflichten bestanden für das Streitjahr (2002) zunächst fort. Die Klägerin hat in dem Vergleich darauf verzichtet, ihre Leistungen anzubieten und das dafür vereinbarte Entgelt einzufordern und ggf. gerichtlich geltend zu machen. Die B-BKK hat dadurch einen Vorteil erlangt, weil sie ohne weitere Streitigkeiten vorzeitig aus dem erst mit Wirkung ab 1. Januar 2004 gekündigten Vertrag entlassen worden ist. Der Vergleich stellt als vertragliche Vereinbarung einen unmittelbaren Zusammenhang der Leistung der Klägerin mit dem von ihr empfangenden Gegenwert her. Das genügt für die Annahme eines Leistungsaustausches.

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3. Zu Recht hat das FG demgegenüber entschieden, dass der geänderte Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 17. November 2011 noch ergehen durfte, weil die Änderungsvoraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO vorgelegen haben.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Verlag, der in den Jahren 2005 bis 2008 (Streitjahre) für mehrere Landesärztekammern monatlich Kammerzeitschriften ("Ärzteblatt ...") herstellte und an die Mitglieder der Kammern (Ärzte) kostenlos versandte. Die Zeitschriften enthielten einen redaktionellen Teil und Werbeanzeigen. Die Kammern lieferten die Beiträge wie Nachrichten, Aufsätze, Buchbesprechungen, Fortbildungsangebote etc. für die Zeitschriften, für die sie inhaltlich selbst verantwortlich waren. Sie übertrugen der Klägerin das Recht, die Beiträge zu drucken und zu verbreiten. Die Vertragsparteien trafen auch Abreden über die Platzierung von Werbeanzeigen in den Zeitschriften.

2

Im Einzelnen wurden zwischen der Klägerin und den Ärztekammern u.a. folgende, im Wesentlichen gleichlautende, Vereinbarungen geschlossen:

3

           

§ 1 Vertragsgegenstand

Vertragsgegenstand ist die Herausgabe, die Herstellung und der Versand der Zeitschrift "XXX Ärzteblatt" --nachfolgend "Zeitschrift" genannt-- einschließlich der Akquisition von Werbeanzeigen.

§ 2 Herausgeber-, Titel- und Verlagsrechte

(1) Die Herausgeber- und Titelrechte an der Zeitschrift liegen allein beim Herausgeber. Nach Vertragsende hat der Verlag keinerlei Anspruch auf diese Rechte.

(2) Der Herausgeber verfügt über das Recht, Beiträge in der Zeitschrift abzudrucken und zu verbreiten (Verlagsrechte). Insofern er nicht selbst Urheber der Beiträge ist, verschafft er sich die notwendigen Rechte von den Urhebern auf eigene Kosten.

(3) Der Herausgeber überträgt das Recht, Beiträge in der Zeitschrift abzudrucken und zu verbreiten auf den Verlag. (...)

§ 3 Aufgaben und Pflichten des Herausgebers

(1) Der Herausgeber ist für die inhaltliche und redaktionelle Gestaltung jeder Ausgabe der Zeitschrift in ihrem jeweiligen Bestand allein verantwortlich. Zwischen den Vertragsparteien besteht Einvernehmen darüber, dass der Verlag auf den redaktionellen Inhalt der Zeitschrift keinerlei Einfluss nehmen wird.

(2) Der Herausgeber liefert die Manuskripte vollständig und satzreif (...) an den Verlag (...). Der Herausgeber liest verantwortlich Korrektur und erteilt die Druckgenehmigung (Imprimatur).

(3) ...

§ 4 Aufgaben und Pflichten des Verlages

(1) Der Verlag ist verpflichtet, die Zeitschrift verlegerisch zu betreuen. Die verlegerische Betreuung umfasst die gesamte technische Herstellung, den Versand und den Vertrieb einschließlich Anzeigenwerbung und Anzeigenverwaltung.

(2) Die Zeitschrift wird vom Verlag an alle Ärzte im Bereich der Ärztekammer XXX oder an die vom Herausgeber benannten Bezugsberechtigten (...) geliefert.

(3) Der Verlag ist berechtigt, die Zeitschrift an Dritte zu liefern. (...)

...

§ 6 Anzeigen

(1) Werbeanzeigen werden vom Verlag auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko eingeworben, platziert und gedruckt. Die Platzierung hat in der Art zu erfolgen, dass der redaktionelle Fluss nicht beeinträchtigt wird und eine Verwechslung der Anzeige mit redaktionellem Inhalt ausgeschlossen ist. (...)

(2) Der Herausgeber nimmt auf das Anzeigengeschäft keinerlei Einfluss. Er kann dem Verlag das Annehmen von Anzeigen untersagen, wenn diese gegen die Berufsordnung der Ärzte oder gegen die Interessen der Ärzteschaft verstoßen. (...)

(3) ...

...

§ 9 Datenschutz

(1) Der Herausgeber stellt dem Verlag die Adressen der Bezugsberechtigten zur Herstellung der Versandetiketten zur Verfügung. (...)

...

§ 11 Kosten der verlegerischen Betreuung

(1) Der Verlag übernimmt die Kosten für Herstellung, Druck und Versand der Zeitschrift einschließlich der Druckvorlagenerstellung. (...)
Der Herausgeber gewährt einen Zuschuss zu den Versandkosten in Höhe von € XXX jährlich (Portokostenzuschuss). (...)

(2) ...

§ 12 Vergütung

(1) Die Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft der Zeitschrift (Einnahmen aus Anzeigen, Beiheftern, Beilagen (...) etc.), die € XX.XXX im Jahr übersteigen, werden dem Herausgeber zu XX % vergütet.

(2) Über die Nettoeinnahmen aus dem Anzeigengeschäft der Zeitschrift hat der Verlag den Herausgeber jährlich unter Beifügung eines vom Steuerberater bestätigten Jahresabschlusses zu unterrichten.

(3) (...)

4

Die Ärztekammern --bis auf eine Landesärztekammer-- zahlten Porto- und Druckkostenzuschüsse in unterschiedlicher Höhe, die sich nach den zuvor kalkulierten Herstellungskosten richteten. Der in § 12 Abs. 1 der Verträge bestimmte Sockelbetrag richtete sich nach den angenommenen Herstellungskosten unter Berücksichtigung der jeweiligen Zuschüsse.

5

Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für 2003 und 2004 kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nach einer förmlichen Abstimmung des Bundesministeriums der Finanzen mit den Länderfinanzministerien zu dem Ergebnis, dass bei der vertraglichen Gestaltung, wie sie die Klägerin mit den Landesärztekammern gewählt hatte, ein tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe vorliege, wobei der Wert der Leistungen der Klägerin gegenüber den Ärztekammern anhand der Herstellungskosten der Zeitschriften zu schätzen sei (vgl. z.B. Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main vom 27. Juni 2008 S -7119 A- 7 - St 110, USt-Kartei HE § 3 Abs. 12 UStG S 7119 Karte 3). Nachfolgend ordnete er für 2005 bis 2008 eine Außenprüfung an, im Rahmen derer die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen zum ermäßigten Steuersatz ausgehend von den Herstellungskosten wie folgt ermittelt wurden:

6
                                   

           

        

   2005 in €  

   2006 in €  

   2007 in €  

   2008 in €  

Herstellungskosten abzüglich
- Portokostenzuschuss
- bereits versteuerter Druckkostenzuschuss
- Seitenüberschreitung PDF-Datei
- Abo-Einnahmen (Nichtmitglieder)
= Zwischensumme

   ...  

   ...  

   ...  

   ...  

Zzgl. Portokostenzuschuss als Baraufgabe

   ...  

   ...  

   ...  

   ...  

Abzüglich Umsatzbeteiligung

   ...  

   ...  

   ...  

   ...  

Bemessungsgrundlage Umsatzsteuer laut Betriebsprüfung

darauf entfallende Umsatzsteuer

   ...  

   ...  

   ...  

   ...  

   ...  

   ...  

   ...  

   ...  

Bemessungsgrundlage Umsatzsteuer laut Klägerin

darauf entfallende Umsatzsteuer

   ...  

   ...  

   ...  

   ...  

   ...  

   ...  

   ...  

   ...  

Erhöhung Umsatzsteuer

   ...  

   ...  

   ...  

   ...  

7

Entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung änderte das FA die vorangegangenen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheide und setzte die Umsatzsteuer mit Bescheiden vom 21. Oktober 2010 für 2005 bis 2008 fest.

8

Die von der Klägerin mit Zustimmung des FA erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg.

9

Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) hat das FA die Herstellung, Herausgabe und den Versand der Ärzteblätter gegen das Recht, darin Anzeigen zu drucken, zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen. Die Klägerin habe gegenüber den Ärztekammern Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) durch die Herstellung, Herausgabe und Versendung an die Mitglieder erbracht. Die Ärztekammern hätten der Klägerin Gegenleistungen in der Form geschuldet, dass ihr gestattet gewesen sei, in den Zeitschriften Anzeigen bzw. Werbung zu drucken. Es handele sich dabei um eine sonstige Leistung, so dass ein tauschähnlicher Umsatz vorliege (§ 3 Abs. 12 UStG).

10

Das FA habe das Entgelt und damit die Besteuerungsgrundlagen zutreffend berechnet. Bei tauschähnlichen Umsätzen gelte der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz (§ 10 Abs. 2 Satz 2 UStG). Soweit der Wert nicht ermittelt werden könne, sei er zu schätzen. Als Schätzungsgrundlage seien die insgesamt entstandenen Herstellungskosten der Zeitschriften (einschließlich des Anzeigenteils) heranzuziehen. Diese Herstellungskosten habe das FA zutreffend ermittelt.

11

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1096 veröffentlicht.

12

Mit ihrer Revision macht die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie trägt im Wesentlichen vor, das FG wende § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG nicht richtig an. Es berücksichtige nicht, dass es in Bezug auf das Anzeigenplatzierungsrecht bereits an einer Übertragung durch die Ärztekammern und damit an einer Gegenleistung zu ihren (der Klägerin) Gunsten fehle, weil ihr das Anzeigenplatzierungsrecht originär zustehe. Das FG verkenne die urheberrechtlichen und verlagsrechtlichen Aspekte bzw. würdige diese nicht korrekt. Es werde ferner der --lediglich klarstellenden-- Bedeutung der in § 6 der jeweiligen Verträge getroffenen Regelungen nicht gerecht.

13

Würde eine solche Rechteübertragung dennoch bejaht, hätte das FG bei der Ermittlung des Wertes des Anzeigenplatzierungsrechts den Teil der Herstellungskosten ausscheiden müssen, der auf die Anzeigenherstellung selbst entfalle, sowie die der Klägerin tatsächlich entstandenen Portokosten und die in den Herstellungskosten und Portokosten enthaltene Umsatzsteuer.

14

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und
die Umsatzsteuerbescheide vom 21. Oktober 2010 für die Jahre 2005 bis 2008 "bezogen auf die Umsätze mit den Ärztekammern in Bezug auf die Platzierung von Anzeigen dahingehend zu ändern, dass kein tauschähnlicher Umsatz vorliegt und lediglich die seitens der Ärztekammern und der Klägerin vereinbarten Zahlungen (Zuschüsse) in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen" sind,
hilfsweise, die Umsatzsteuerbescheide vom 21. Oktober 2010 für die Jahre 2005 bis 2008 "dahingehend zu ändern, dass die Bemessungsgrundlage eines zwischen den Ärztekammern und der Klägerin bestehenden tauschähnlichen Umsatzes in Bezug auf die Gestattung der Platzierung von Anzeigen um die Kosten der Herstellung der Anzeigen sowie um die tatsächlich der Klägerin entstandenen Portokosten und die in den vorangegangenen Positionen enthaltene Umsatzsteuer reduziert wird".

15

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Nach seiner Ansicht hat der Klägerin das "Anzeigenverwertungsrecht" nicht bereits originär zugestanden. Die Ärzteblätter seien urheberrechtlich geschützte Sammelwerke i.S. von § 4 Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG). Die Ärztekammern seien Inhaber der Urheberrechte an den Zeitschriften. An dem Anzeigenteil bestehe kein eigenes, von der übrigen Zeitschrift getrenntes Urheberrecht und Verwertungsrecht.

17

Für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage sei für die von der Klägerin erbrachte Leistung auf die Herstellungskosten der gesamten Zeitschrift (redaktioneller Teil und Werbeteil) abzustellen. Bei der Ermittlung der gesamten Herstellungskosten seien von den der Klägerin tatsächlich entstandenen Portokosten die Portokostenzuschüsse abgezogen worden. Der Wertansatz der aufgewendeten Leistung sei auch nicht um die Umsatzsteuer zu mindern, da die Ärztekammern als juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht unternehmerisch tätig seien.

Entscheidungsgründe

18

II. Die Revision ist im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

19

1. Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. März 2004 V R 101/01, BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798; vom 18. August 2005 V R 31/04, BFHE 211, 551, BStBl II 2007, 183; vom 26. Januar 2006 V R 36/03, BFH/NV 2006, 1525; vom 6. Dezember 2007 V R 42/06, BFHE 221, 74, BStBl II 2009, 493, unter II.1., m.w.N.).

20

a) Der Gegenwert kann bei Tausch und tauschähnlichen Umsätzen i.S. von § 3 Abs. 12 UStG durch eine tatsächlich erhaltene Gegenleistung erbracht werden, die nicht in Geld bestehen, aber in Geld ausdrückbar sein muss (vgl. BFH-Urteile vom 1. August 2002 V R 21/01, BFHE 200, 101, BStBl II 2003, 438; in BFH/NV 2006, 1525; in BFHE 221, 74, BStBl II 2009, 493; Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 2. Juni 1994 C-33/93 --Empire Stores Ltd.--, Slg. 1994, I-2329, Rz 12, 16 und 17; vom 3. Juli 2001 C-380/99 --Bertelsmann AG--, Slg. 2001, I-5163, BFH/NV Beilage 2001, 192, Rz 17). § 3 Abs. 12 UStG erfasst auch den Fall, dass als Entgelt für eine Leistung eine Barzahlung mit einer Lieferung oder sonstigen Leistung verbunden wird (sog. tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe; vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19. Februar 2004 V R 10/03, BFHE 205, 495, BStBl II 2004, 675; vom 21. April 2005 V R 11/03, BFHE 211, 50, BStBl II 2007, 63).

21

Voraussetzung für die Annahme einer tauschähnlichen Leistung ist, dass sich zwei entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegenüberstehen, die lediglich durch die Modalität der Entgeltvereinbarung (Tausch) miteinander verknüpft sind (BFH-Urteile in BFHE 221, 74, BStBl II 2009, 493, unter II.1.a; vom 16. April 2008 XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909; vom 17. März 2010 XI R 17/08, BFHE 230, 466, BFH/NV 2010, 2359, unter II.2.b aa).

22

b) § 3 Abs. 12 UStG steht im Einklang mit Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG), nunmehr Art. 14 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347/1 (vgl. z.B. Martin in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 741; Nieskens in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 4081, m.w.N.).

23

2. Danach liegt im Streitfall ein tauschähnlicher Umsatz vor (vgl. Baum, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1988, 66, 67). Die Klägerin erbrachte entgeltliche Leistungen gegenüber den Ärztekammern durch die Herstellung und Versendung der Ärzteblätter an die Mitglieder. Das Entgelt der Ärztekammern bestand --abgesehen von gezahlten Zuschüssen für Druck- und Portokosten-- in der Überlassung der Rechte, Werbeanzeigen in den Zeitschriften zu platzieren. Das hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden.

24

a) Das FG hat u.a. ausgeführt, ein eigenes Anzeigenplatzierungsrecht der Klägerin im urheberrechtlich geschützten Werk der Ärztekammern (Sammelwerk i.S. von § 4 Abs. 1 UrhG) habe nicht bestanden. In den einzelnen Verträgen sei ausdrücklich geregelt worden, dass die Klägerin Werbeanzeigen auf eigene Rechnung und Risiko einwerbe und drucke, sofern diese nicht gegen die Interessen der Ärzte verstießen oder unangemessen erschienen. Hätte dieses Recht der Klägerin, wie diese meine, von vornherein bestanden, hätte es auch dieser vertraglichen Vereinbarungen nicht bedurft. Dass die Vertragsparteien von einem Austausch der Leistung durch die Klägerin --Herstellung und Vertrieb der Zeitschriften-- und einer Überlassung des Rechts auf Platzierung von Anzeigen durch die Ärztekammern ausgingen, werde auch dadurch bestätigt, dass der Klägerin aus den Anzeigeneinnahmen auf jeden Fall die Beträge zustehen sollten, mit denen sie ihre Herstellungs- und Vertriebskosten decken konnte. Dementsprechend seien die Sockelbeträge bei der Verteilung dieser Einnahmen berechnet.

25

b) Diese Beurteilung des FG --die sich im Wesentlichen auf eine Vertragsauslegung stützt-- hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

26

aa) Die Auslegung von Verträgen gehört zu den tatsächlichen, den BFH grundsätzlich bindenden Feststellungen des FG i.S. des § 118 Abs. 2 FGO (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. September 2000 IX R 33/97, BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676, unter II.2.a (3); vom 11. Januar 2005 IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477, unter II.2.b aa; vom 10. Februar 2010 XI R 49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109; vom 1. Februar 2012 I R 57/10, BFHE 236, 374, BStBl II 2012, 407, jeweils m.w.N.).

27

bb) Die Auslegung der Verträge im Streitfall entspricht den allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Die Würdigung des FG ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Sie verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze und ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

28

cc) Die Einwendungen der Klägerin bleiben ohne Erfolg.

29

Die Klägerin macht mit der Revision zwar u.a. geltend, die Gestattung der Platzierung von Anzeigen könne nur dann eine Gegenleistung darstellen, wenn es ein entsprechendes zugrunde liegendes Recht überhaupt gebe und dieses den Ärztekammern auch originär zustehe. Die Ärztekammern hätten keine eigene schöpferische Leistung erbracht. Darüber hinaus lege das FG die Reichweite des Urheberrechtsschutzes zu weit aus, und zwar sowohl hinsichtlich des Schutzbereichs des Urheberrechts als auch in Hinblick darauf, wann ein Eingriff vorliege. Der Umstand, dass die Klägerin die Kosten und somit auch das wirtschaftliche Risiko der Veröffentlichung einer Zeitschrift trage, deute auf ein eigenes Anzeigenplatzierungsrecht der Klägerin hin. Aus den Besonderheiten des Verlagsrechts ergäbe sich, dass insbesondere bei Verlagsverträgen als Sonderfällen von Urheberrechtsnutzungsverträgen den Verlagen ein originäres Anzeigenplatzierungsrecht zustehe.

30

In dem Revisionsvorbringen der Klägerin liegen jedoch weder zulässige Verfahrensrügen, mit der die Berücksichtigung nicht festgestellter Tatsachen angestrebt würde, noch sind die Voraussetzungen erfüllt, unter denen bei einer auf die Verletzung von materiellem Recht gestützten Revision vom BFH tatsächliche Feststellungen, Schlussfolgerungen tatsächlicher Art und Beweiswürdigungen als rechtsfehlerhaft angesehen werden dürfen.

31

Dabei kann offenbleiben, ob sich im Streitfall aus dem Urheberrecht, insbesondere aus § 4 Abs. 1 UrhG, ein Anzeigenplatzierungsrecht ableiten lässt. Entscheidend ist die Würdigung des FG, dass sich aus den geschlossenen Verträgen --die nicht auf das Urheberrecht verweisen-- ergibt, dass die Ärztekammern der Klägerin vertraglich ein Anzeigenplatzierungsrecht einräumen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verträge zwischen den Ärztekammern --denen nach § 2 Abs. 1 der geschlossenen Verträge die Herausgeber- und Titelrechte an den Zeitschriften zustehen-- und dem Verlag werden die Werbeanzeigen vom Verlag auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko eingeworben, platziert und gedruckt. Durch diese vertragliche Regelung wird --nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des FG-- der Klägerin von den Ärztekammern ein Anzeigenplatzierungsrecht in den Ärzteblättern überlassen, was durch die Regelung über die Verteilung der Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft in § 12 Abs. 1 der Verträge bestätigt werde.

32

Mit ihrem Vorbringen, bei § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verträge handele es sich nur um eine klarstellende Regelung, setzt die Klägerin lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle der --wie dargelegt vertretbaren-- Vertragsauslegung des FG.

33

3. Die Bemessungsgrundlage für die tauschähnlichen Umsätze (§ 3 Abs. 12, § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG) hat das FG im Ergebnis zutreffend ermittelt.

34

a) Bei tauschähnlichen Umsätzen i.S. des § 3 Abs. 12 UStG gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG als Bemessungsgrundlage der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz.

35

Der Wert des anderen Umsatzes wird in richtlinienkonformer Auslegung der bezeichneten Vorschrift unter Beachtung von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. auch Art. 73 MwStSystRL) jedenfalls für den Wert einer im Gegenzug erhaltenen Dienstleistung durch den subjektiven Wert für die tatsächlich erhaltene und in Geld ausdrückbare Gegenleistung bestimmt. Als subjektiver Wert ist derjenige Wert festzustellen, den der Empfänger der Leistung beimisst, die er sich verschaffen will und deren Wert dem Betrag entspricht, den er zu diesem Zweck aufzuwenden bereit ist (EuGH-Urteile in Slg. 1994, I-2329, Rz 19; vom 24. Oktober 1996 C-288/94 --Argos Distributors Ltd.--, Slg. 1996, I-5311, Rz 16; BFH-Urteile in BFHE 200, 101, BStBl II 2003, 438; in BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909, m.w.N.). Dieser Wert umfasst alle Ausgaben einschließlich der Nebenleistungen, die der Empfänger der jeweiligen Leistung aufwendet, um die fragliche Leistung zu erhalten (vgl. z.B. zu Versandkosten EuGH-Urteil in Slg. 2001, I-5163, BFH/NV Beilage 2001, 192; zu einer Werbeleistung vgl. auch EuGH-Urteil vom 23. November 1988 C-230/87 --Naturally Yours Cosmetics--, Slg. 1988, 6365; BFH-Urteile vom 28. März 1996 V R 33/95, BFH/NV 1996, 936; in BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909). Soweit der Wert des Entgelts nicht ermittelt werden kann, ist er nach § 162 der Abgabenordnung zu schätzen (BFH-Urteile in BFHE 200, 101, BStBl II 2003, 438; in BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909).

36

b) Das FG hat insoweit im Streitfall zu Recht die gesamten Herstellungskosten der Zeitschriften herangezogen.

37

aa) Der Klägerin war die Überlassung des Anzeigenplatzierungsrechts in den Ärzteblättern der Gesamtbetrag ihrer Aufwendungen für die Herstellung und Versendung abzüglich der Druck- und Portokostenzuschüsse wert (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 200, 101, BStBl II 2003, 438).

38

bb) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist eine Aufspaltung der Kosten für die Zeitschriften in einen Anzeigenteil und einen Teil für den übrigen Text- und Bildteil nicht vorzunehmen, da sie wirtschaftlich eng miteinander verflochten sind und sich gegenseitig bedingen (vgl. BFH-Urteile vom 2. Februar 1967 V 138/64, BFHE 88, 529, BStBl III 1967, 502; vom 15. September 1994 XI R 51/91, BFH/NV 1995, 553; vom 15. Oktober 2009 XI R 52/06, BFHE 227, 231, BStBl II 2010, 869; BFH-Beschluss vom 18. Dezember 1980 V B 24/80, BFHE 132, 147, BStBl II 1981, 197; EuGH-Urteil vom 27. Oktober 2005 C-41/04 --Levob Verzekeringen und OV Bank--, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38). Die Klägerin hat sich zudem in den Verträgen verpflichtet, die Kammerzeitschriften insgesamt herzustellen. Dementsprechend ist auf den Gesamtaufwand abzustellen.

39

cc) Zu Recht hat das FG --wie das FA-- die Aufwendungen der Klägerin für das Porto und den Versand in die Bemessungsgrundlage miteinbezogen, denn die Versandkosten sind notwendiger Bestandteil für die Erbringung der einheitlichen vertraglichen Leistung der Klägerin gegenüber den Ärztekammern.

40

Nach § 1 und § 4 Abs. 1 der Verträge war die Klägerin verpflichtet, die Zeitschrift verlegerisch zu betreuen. Dies umfasste die Herstellung und den Versand. Die einzelnen Leistungen waren aufeinander abgestimmt, um den Druck und die Verteilung an die Adressaten der Ärzteblätter zu gewährleisten.

41

dd) Die von den Ärztekammern gezahlten Portokostenzuschüsse sind zutreffend als Baraufgaben in die Ermittlung des Entgelts einbezogen worden.

42

Um eine doppelte Berücksichtigung der Produktionskosten- und Portokostenzuschüsse zu vermeiden, waren bei der Ermittlung der Herstellungskosten die angefallenen Produktions- und Portokosten um die erhaltenen Zuschüsse zu kürzen, da die Klägerin nur mit dem übersteigenden Betrag wirtschaftlich belastet ist.

43

Dementsprechend hat das FA bei der Ermittlung der gesamten Herstellungskosten von den der Klägerin tatsächlich entstandenen Portokosten in Höhe von ... € (Streitjahr 2005), ... € (Streitjahr 2006), ... € (Streitjahr 2007) und ... € (Streitjahr 2008) die Portokostenzuschüsse in Höhe von ... € (Streitjahr 2005), ... € (Streitjahr 2006), ... € (Streitjahr 2007) und ... € (Streitjahr 2008) bereits abgezogen, so dass nur Portokosten in Höhe von ... € (Streitjahr 2005), ... € (Streitjahr 2006), ... € (Streitjahr 2007) und ... € (Streitjahr 2008) berücksichtigt worden sind.

44

c) Der Senat geht mangels anderer Anhaltspunkte davon aus, dass --entgegen dem Hilfsantrag der Klägerin-- in den ermittelten Herstellungs- und Portokosten keine Umsatzsteuer enthalten ist.

45

Die Umsatzsteuer gehört zwar gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 UStG nicht zum Entgelt. Der in der Revisionsbegründung vom 8. Juni 2011 erstmals vorgebrachte Einwand der Klägerin, dass die Herstellungskosten der Anzeigen und die tatsächlich entstandenen Portokosten um enthaltene Umsatzsteuer zu reduzieren ist, setzt aber voraus, dass im Streitfall in diesen Kosten Umsatzsteuer tatsächlich enthalten ist.

46

Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO muss die Revisionsbegründung die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, enthalten. Die Klägerin hat insoweit lediglich ausgeführt, dass die Ärztekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts im Streitfall als Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG tätig wurden. Dies ist --entgegen der Auffassung des FA-- zwar zutreffend, weil sie gegenüber der Klägerin auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge gehandelt haben (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 15. April 2010 V R 10/09, BFHE 229, 416, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2010, 1083; in BFHE 230, 466, BFH/NV 2010, 2359, unter II.2.c). Die Klägerin hat aber nicht dargelegt, ob und in welchem Umfang in den genannten Kosten Umsatzsteuer enthalten ist, und wenn ja, ob die Umsatzsteuer Eingang in die vom FG bestätigte Berechnung bzw. Schätzung des FA gefunden hat.

47

4. Die Leistung der Klägerin gegenüber den Ärztekammern unterliegt dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 der Anlage 2 zum UStG, da der wesentliche Leistungsinhalt im Druck einer Zeitschrift besteht. Das ist zu Recht unter den Beteiligten nicht umstritten.

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt. Liegen bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins (§ 3 Absatz 15) keine Angaben über die Höhe der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung nach Satz 2 vor, so wird das Entgelt nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert bemessen, abzüglich der Umsatzsteuer, die danach auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen entfällt.

(2) Werden Rechte übertragen, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, so gilt als vereinbartes Entgelt der Preis des Pfandscheins zuzüglich der Pfandsumme. Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt.

(3) (weggefallen)

(4) Der Umsatz wird bemessen

1.
bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
2.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;
3.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

(5) Absatz 4 gilt entsprechend für

1.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
2.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt,
wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

(6) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, tritt in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) an die Stelle des vereinbarten Entgelts ein Durchschnittsbeförderungsentgelt. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt ist nach der Zahl der beförderten Personen und der Zahl der Kilometer der Beförderungsstrecke im Inland (Personenkilometer) zu berechnen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Durchschnittsbeförderungsentgelt je Personenkilometer festsetzen. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt muss zu einer Steuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach diesem Gesetz ohne Anwendung des Durchschnittsbeförderungsentgelts ergeben würde.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. November 2014  7 K 7283/12 aufgehoben und der Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 14. Juni 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. September 2012 dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer um 40.265,17 € vermindert festzusetzen ist.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GbR, eine steuerfreie Grundstückslieferung ausgeführt hat, die zu einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) führt, oder ob es sich um eine gemäß § 1 Abs. 1a UStG nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung handelt.

2

Gesellschafter der Klägerin waren die C-GmbH und die H-GmbH. Die beiden für die Klägerin mangels abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelungen nach § 714 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vertretungsberechtigten Gesellschafter erwarben aufgrund eines notariellen Vertrages vom 6. Dezember 2004 das Grundstück R-Straße in B "in Miteigentum zu je einem Halb". Im Januar 2005 schloss die Klägerin mit der P-GmbH unter Verzicht nach § 9 UStG einen Mietvertrag über ein noch zu errichtendes Werkstatt-Gebäude ab. Mietbeginn sollte November 2005 sein. Die Klägerin errichtete auf diesem Grundstück ein Gebäude und schloss hierfür am 14. Juli 2005 einen Bauvertrag ab, nach dem die Fertigstellung bis zum November 2005 erfolgen sollte. Zur Finanzierung der Baukosten traf die Klägerin am 14. Juli 2005 eine Kreditvereinbarung mit der VB-Bank über eine Laufzeit bis zum 8. Juni 2006. Als Sicherheit diente insbesondere eine für das zu bebauende Grundstück bestellte Grundschuld.

3

Die Gesellschafter der Klägerin bemühten sich seit März 2006 um einen Verkauf des Grundstücks. Am 7. September 2006 schlossen sie einen notariellen Kaufvertrag mit einem zum 1. April 2007 vereinbarten Lastenwechsel. Die Gesellschafter handelten dabei im eigenen Namen ohne Bezugnahme auf die Klägerin. Der Erwerber setzte das Mietverhältnis fort. Mit dem Kaufpreis wurde das von der Klägerin aufgenommene Darlehen getilgt.

4

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Klägerin keine nachhaltige Vermietung beabsichtigt habe. Sie habe ein Gebäude in Veräußerungsabsicht errichtet. Daher liege keine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG vor. Für die somit steuerfreie Lieferung des Grundstücks sei eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG vorzunehmen. Das FA erließ dementsprechend einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid 2007 vom 14. Juni 2011.

5

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) begründete sein in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 334 veröffentlichtes Urteil damit, dass die Klägerin --unter Berücksichtigung von Art. 19 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) als unionsrechtlicher Grundlage von § 1 Abs. 1a UStG wie auch nach Maßgabe der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH)-- kein von einem Erwerber fortführungsfähiges Vermietungsunternehmen betrieben habe, sondern als Bauträger und Grundstückshändler tätig geworden sei. Dies ergebe sich daraus, dass sich die Klägerin vier Monate nach dem Beginn der Vermietung um einen Verkauf bemüht habe, der sechs Monate später schuldrechtlich umgesetzt worden sei. Die Klägerin sei in den 17 Monaten, in denen sie das Grundstück vermietet habe, auch nach außen erkennbar 12 bis 13 Monate als "Vermieterin auf Abruf" tätig gewesen. Das FG stellte zudem auf das Vorgehen der Klägerin bei anderen Grundstücksgeschäften ab. Ohne Bedeutung sei, dass nicht die Klägerin, sondern eine personengleiche Grundstücksgemeinschaft zivilrechtlicher Eigentümer des Grundstücks gewesen sei. Letztere habe das Grundstück der Klägerin offenkundig überlassen, während die Klägerin die Bauleistungen bezogen und die Vermietungsleistungen erbracht habe. Die Klägerin sei wirtschaftlicher Eigentümer gewesen. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass nicht die Klägerin, sondern die Grundstücksgemeinschaft das Grundstück geliefert habe, habe die Klägerin aber zumindest unter Zwischenschaltung der Grundstücksgemeinschaft für eine juristische Sekunde das vorsteuerbelastete Gebäude geliefert.

6

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Ihre Gesellschafter hätten das von ihr bebaute Grundstück als Bruchteilseigentümer erworben und später veräußert. Die Bruchteilsgemeinschaft sei Eigentümerin des Grundstücks gewesen. Das Grundstück sei den Gesellschaftern nach § 39 Abs. 1 AO zuzurechnen. Das Grundstück habe ihr nicht gehört. Es sei ihr auch nicht nach § 39 Abs. 2 AO zuzurechnen. Das von ihr errichtete Gebäude sei nach § 946 BGB wesentlicher Grundstücksbestandteil geworden. Die Gesellschafter seien ungerechtfertigt bereichert gewesen. Ihr habe ein Entschädigungsanspruch nach §§ 812, 951 BGB zugestanden. Sie habe die Kosten für die Gebäudeerrichtung aus betrieblichem Anlass getragen. Sie habe das im Eigentum ihrer Gesellschafter stehende Grundstück unentgeltlich nutzen dürfen. Im Streitjahr habe sie aufgrund der Grundstücksveräußerung durch ihre Gesellschafter eine Entschädigung in Höhe von 430.000 € erhalten. Es handele sich hierbei um nichtsteuerbaren Schadensersatz. Es liege auch keine unentgeltliche Wertabgabe vor. Diese sei zumindest nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei und im Übrigen bereits im Vorjahr durch Abschluss des Vertrages über den Verkauf des Grundstücks erfolgt.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 14. Juni 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. September 2012 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer vermindert um 40.265,17 € auf 10.186,67 € festgesetzt wird.

8

Das FA beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen.

9

Die Klägerin habe die Revision nicht in der erforderlichen Form begründet. Die Klägerin stütze ihre Revision auf Gründe, die mit dem vom FG für die Revisionszulassung angegebenen Grund (Geschäftsveräußerung bei zeitlicher Nähe von Gebäudeherstellung und Grundstücksveräußerung) nichts zu tun hätten. Sie lege nicht dar, aus welchen Gründen das Urteil des FG unrichtig sei.

Entscheidungsgründe

10

II. Auf die Revision der Klägerin, für deren Zulässigkeit es entgegen der Auffassung des FA nicht auf eine Auseinandersetzung mit den Gründen ankommt, aus denen das FG die Revision zugelassen hat und die die Klägerin auch in der gebotenen Form begründet hat (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a der Finanzgerichtsordnung --FGO--), ist das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO). Entgegen dem Urteil des FG liegen die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG nicht vor, da die von der Klägerin ausgeführte Lieferung eine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG ist.

11

1. Nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG unterliegen Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Die Geschäftsveräußerung bewirkt gemäß § 15a Abs. 10 Satz 1 UStG, dass Berichtigungszeiträume nach § 15a UStG nicht unterbrochen, sondern vom Erwerber fortgeführt werden. Voraussetzung für die Geschäftsveräußerung ist gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1a UStG ist entsprechend Art. 19 MwStSystRL richtlinienkonform auszulegen. Danach können die Mitgliedstaaten "die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen".

12

2. Im Streitfall hat die Klägerin das von ihr errichtete Gebäude mit der Beendigung ihrer Vermietungstätigkeit an die Grundstückseigentümer und damit an ihre Gesellschafter geliefert. Diese Lieferung führte zu einer gemäß § 1 Abs. 1a UStG nichtsteuerbaren Teilgeschäftsveräußerung.

13

a) Gegenstand der von der Klägerin ausgeführten Lieferung war nicht ein bebautes Grundstück, sondern --wie das FG hilfsweise zutreffend angenommen hat-- ein auf fremdem Grund und Boden errichtetes Gebäude.

14

aa) Wie sich aus den vom FG ausdrücklich in Bezug genommenen notariellen Kaufverträgen ergibt, hatten die Gesellschafter der Klägerin das von der Klägerin in 2005 bebaute Grundstück durch Vertrag in 2004 erworben und mit Gefahrübergang in 2007 veräußert und dabei sowohl beim Erwerb wie auch bei der Veräußerung des Grundstücks als Miteigentümer im eigenen Namen, nicht aber für die Klägerin gehandelt. Eine Einbringung des Grundstücks in das Gesamthandsvermögen der Klägerin im Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung durch die Gesellschafter hat das FG weder festgestellt noch wird dies von Beteiligten geltend gemacht. Neuer Sachvortrag, wie es das FA annimmt, ist hierin nicht zu sehen.

15

bb) Die Klägerin hat das von ihr auf dem Grundstück ihrer Gesellschafter errichtete Gebäude an diese geliefert. Diese Lieferung erfolgte nicht bereits mit der Errichtung des Gebäudes und damit nicht bereits vor dem Streitjahr, sondern erst mit der Beendigung der unternehmerischen Verwendung durch die Klägerin.

16

(1) Die Gesellschafter der Klägerin hatten an dem Gebäude als wesentlichen Grundstücksbestandteil bereits mit der Errichtung auf ihrem Grundstück zivilrechtlich das Eigentum am Gebäude erlangt (vgl. § 94, § 946 BGB). Denn da die Klägerin das im Eigentum ihrer Gesellschafter stehende Grundstück nicht auf vertraglicher Grundlage, sondern nur faktisch nutzte, ist zivilrechtlich davon auszugehen, dass es sich bei dem auf fremdem Grund und Boden errichteten Grundstück um einen wesentlichen Grundstücksbestandteil (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB), nicht aber um einen Scheinbestandteil (§ 95 Abs. 1 Satz 2 BGB) handelte. Hieraus folgt aber nicht eine bereits zu diesem Zeitpunkt ausgeführte Lieferung des Gebäudes durch die Klägerin an ihre Gesellschafter. Denn der zivilrechtliche Eigentumsübergang bewirkt nicht zwingend die von § 3 Abs. 1 UStG und Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL vorausgesetzte Verschaffung eigentümerähnlicher Verfügungsmacht (vgl. z.B. EuGH-Urteil Eon Aset Menidjmunt vom 16. Februar 2012 C-118/11, EU:C:2012:97, Rz 39, und BFH-Urteil vom 16. April 2008 XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909, unter II.2.a).

17

Dementsprechend ist die Errichtung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden nicht zwangsläufig mit der Weiterlieferung des Gebäudes an den Grundstückseigentümer verbunden, da kein allgemeiner Rechtssatz dahingehend besteht, dass ein Mieter oder Pächter, der auf dem gemieteten oder gepachteten Grundstück ein Gebäude auf eigene Rechnung errichtet und für Zwecke seines Unternehmens nutzt, die Verfügungsmacht an dem Gebäude weiter überträgt. Maßgeblich ist vielmehr eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Gefahrtragung des Gebäudes wie etwa die Pflicht zur Tragung von Reparaturkosten (BFH-Urteil vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634). Danach kommt eine Lieferung des Gebäudes durch die Klägerin an die Gesellschafter bereits mit Errichtung nicht in Betracht, da die Klägerin mangels besonderer Vereinbarungen mit den Grundstückseigentümern die Gefahr für das von ihr errichtete Gebäude trug.

18

(2) Die Klägerin verlor aufgrund der Grundstücksveräußerung durch die Gesellschafter ihre Verfügungsmacht an dem Gebäude und die Möglichkeit zur unternehmerischen Nutzung durch Vermietung. Dem entspricht es, dass die Gesellschafter das bebaute Grundstück erst liefern konnten, nachdem sie auch die Verfügungsmacht an dem Gebäude erworben hatten.

19

b) Nicht zu entscheiden hat der Senat im Streitfall, ob die Klägerin das Gebäude gegen Entgelt und damit steuerbar i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG oder unentgeltlich geliefert hat, so dass als Steuertatbestand nur eine Entnahme nach § 3 Abs. 1b Satz 1 UStG in Betracht käme. Denn fehlt es im Streitfall an einem Entgelt, liegen zumindest die Voraussetzungen für eine Entnahme des Gebäudes für Zwecke außerhalb des Unternehmens der Klägerin oder eine unentgeltliche Zuwendung des Gebäudes nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 UStG vor. Zu dieser Entnahme oder Zuwendung kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht bereits zum Zeitpunkt des Grundstücksverkaufs, sondern erst mit dem Übergang des Lastenwechsels auf den Erwerber des Grundstücks am 1. April 2007. Bis zu diesem Zeitpunkt nutzte die Klägerin das Gebäude für eigene unternehmerische Zwecke, so dass eine Entnahme oder Zuwendung erst zu diesem Zeitpunkt vorliegen kann.

20

Daher kann offenbleiben, ob sich ein Entgelt für die Gebäudelieferung daraus ergibt, dass die Gesellschafter den Kaufpreis aus der im Streitjahr erfolgten Grundstückslieferung dafür verwendeten, das von der Klägerin für die Bebauung des Grundstücks aufgenommene Darlehen zu tilgen oder ob der Senat an seiner Rechtsprechung festhalten kann, dass ein sich aus §§ 951, 812 BGB ergebender Bereicherungsanspruch kein Entgelt ist (so BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 V R 38/86, BFH/NV 1992, 61).

21

c) Entgegen dem Urteil des FG handelte es sich bei der Lieferung des Gebäudes durch die Klägerin an ihre Gesellschafter um eine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG.

22

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist es im Rahmen einer Gesamtwürdigung für die Geschäftsveräußerung entscheidend, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln. Danach führt z.B. die Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks zu einer Geschäftsveräußerung, da der Erwerber durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in einen Miet- oder Pachtvertrag ein Vermietungs- oder Verpachtungsunternehmen übernimmt. Voraussetzung ist hierfür aber, dass der Erwerber aufgrund der Übertragung des vermieteten oder verpachteten Grundstücks eine bereits vom Lieferer des Grundstücks ausgeübte selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortführt. Hieran fehlt es, wenn der Lieferer des Grundstücks als Vermieter nicht nachhaltig tätig gewesen ist, so dass es an einem durch den Erwerber fortführungsfähigen Vermietungsunternehmen fehlt (BFH-Urteil vom 18. September 2008 V R 21/07, BFHE 222, 170, BStBl II 2009, 254, unter II.1.b und c, m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH).

23

Auf dieser Grundlage hat der BFH die Geschäftsveräußerung für unternehmerische Tätigkeiten verneint, die im Wesentlichen darin bestehen, ein Gebäude zu errichten und Mieter für die einzelnen Mieteinheiten zu finden, um es im Anschluss an die Fertigstellung gewinnbringend zu veräußern, wenn z.B. ein auf Veräußerung angelegtes Bauträgerunternehmen das zu bebauende Grundstück noch während der Bauphase mit notariellem Vertrag verkauft, sich gegenüber dem Erwerber zur Gebäudeerrichtung und -vermietung verpflichtet und bis zur Übergabe an den Erwerber nur für einen Monat als Vermieter tätig ist (BFH-Urteil vom 24. Februar 2005 V R 45/02, BFHE 210, 146, BStBl II 2007, 61) oder wenn sich der Grundstücksverkäufer im notariellen Kaufvertrag zur Bebauung verpflichtet und ein Vorvertrag mit einem Mieter des noch zu errichtenden Gebäudes Bestandteil dieses Kaufvertrages ist (BFH-Urteil in BFHE 222, 170, BStBl II 2009, 254; zum notariell beurkundeten Verkauf eines teilweise bereits verpachteten Grundstücks noch während der Bebauungsphase vgl. auch BFH-Urteil vom 28. Oktober 2010 V R 22/09, BFH/NV 2011, 854).

24

bb) Im Streitfall hat das FG eine Teilgeschäftsveräußerung entgegen der Rechtsprechung des BFH verneint.

25

(1) Zwar hat das FG eine Gesamtwürdigung vorgenommen, diese aber entgegen der BFH-Rechtsprechung nicht auf das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit bezogen. Mit einer auf den Übertragungsgegenstand vorzunehmenden Gesamtwürdigung ist es nicht vereinbar, eine Teilgeschäftsveräußerung in Bezug auf den streitigen Übertragungsvorgang damit zu verneinen, dass sich der Veräußerer bei anderen Immobilientransaktionen bereits vor dem Vermietungsbeginn um einen Verkauf bemüht habe.

26

Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass es im Streitfall, in dem die Klägerin auch über andere Vermögensgegenstände als das von ihr auf fremdem Grund und Boden errichtete Gebäude verfügte, nicht um eine Geschäftsveräußerung in Bezug auf das gesamte Unternehmensvermögen der Klägerin, sondern um eine auf ein Gebäude beschränkte Teilgeschäftsveräußerung geht.

27

Soweit § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG hierfür einen in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betrieb verlangt, hat der BFH bereits klargestellt, dass sich die hierfür erforderliche Sachgesamtheit bei der Lieferung nur eines von mehreren verpachteten oder vermieteten Immobilienobjekten aus der Zusammenfassung des gelieferten Grundstücks (oder dem gleichgestellt: Erbbaurecht) mit dem für dieses Grundstück durch den Veräußerer als Verpächter oder Vermieter abgeschlossenen Pacht- oder Mietvertrag ergibt (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2012 XI R 38/10, BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, unter II.3.a); so nunmehr auch Abschn. 1.5. Abs. 6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses). Damit beschränkt sich die Gesamtwürdigung im Wesentlichen auf das jeweils übertragene Teilvermögen wie z.B. die Lieferung eines vermieteten Grundstücks, ohne dass es auf weitere Übertragungsvorgänge auf sonstigem Grundbesitz ankommt.

28

(2) Bezieht sich die Gesamtwürdigung in erster Linie auf die die streitige Grundstückslieferung betreffenden Umstände, nicht aber auch auf andere Liefervorgänge, kommt im Streitfall die vom FG angenommene Verneinung einer Geschäftsveräußerung nicht in Betracht. Denn nach den vom FG getroffenen Feststellungen hatte die Klägerin den Mietvertrag über das von ihr errichtete Gebäude im Januar 2005 abgeschlossen, wobei das Mietverhältnis im November 2005 begann. Selbst wenn entsprechend den Feststellungen des FG weiter davon auszugehen ist, dass sich die Gesellschafter bereits seit März 2006 um einen Verkauf des von der Klägerin bebauten Grundstücks bemüht hatten und dieses Handeln der für die Klägerin vertretungsberechtigten Gesellschafter dieser zuzurechnen ist (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2009 XII ZR 146/07, BGHZ 184, 35), handelt es sich weder um einen Verkauf noch um Verkaufsbemühungen während der Bebauungsphase oder in Bezug auf ein erst noch zu bebauendes Grundstück. Zudem erfolgte der notariell beurkundete Vertragsschluss erst am 7. September 2006 und der Lastenwechsel noch später zum 1. April 2007. Die für eine Geschäftsveräußerung oder für eine Teilgeschäftsveräußerung in Bezug auf ein Vermietungsunternehmen erforderliche Nachhaltigkeit der Vermietung (BFH-Urteil in BFHE 222, 170, BStBl II 2009, 254, unter II.1.c) oder Verfestigung der Vermietung (BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 854, unter II.1.c) liegt dann bei einer Vermietung über insgesamt 17 Monate vor und lässt sich entgegen dem FG-Urteil nicht dadurch in Abrede stellen, dass der Vermieter für den Zeitraum nach Abschluss der Kaufvertrages als "Vermieter auf Abruf" anzusehen sein könnte.

29

(3) Gegen die Annahme einer Teilgeschäftsveräußerung im Streitfall spricht auch nicht, dass die Klägerin das von ihr errichtete Gebäude an ihre Gesellschafter lieferte, die es als Teil eines zivilrechtlich einheitlich bebauten Grundstücks weiterlieferten. Denn die für die Geschäftsveräußerung notwendige Fortführung der Unternehmenstätigkeit muss bei einer mehrfachen Übertragung nur dem Grunde nach, nicht aber auch höchstpersönlich beim jeweiligen Erwerber vorliegen.

30

Im Streitfall beabsichtigte der Käufer des bebauten Grundstücks die Fortführung der Vermietungstätigkeit und hat diese auch fortgesetzt (s. oben II.2.c aa). Damit liegt die für die Geschäftsveräußerung erforderliche Fortführung der Unternehmenstätigkeit in der Kette vor. Es handelt sich hierbei nicht um ein höchstpersönliches Kriterium, das dergestalt in der Person des jeweiligen Leistungsempfängers vorliegen muss, dass er selbst in eigener Person die Fortführung der Unternehmenstätigkeit beabsichtigt (offengelassen im BFH-Urteil vom 23. August 2007 V R 14/05, BFHE 219, 229, BStBl II 2008, 165, unter II.3.; bejahend Robisch, in Bunjes, UStG, 14. Aufl. 2015, § 1 Rz 119).

31

3. Die Sache ist spruchreif. Nach Maßgabe der BFH-Rechtsprechung ist für den Streitfall von einer Geschäftsveräußerung auszugehen, so dass die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nicht vorliegen.

32

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist seit August 2008 Tochtergesellschaft der B-Holding GmbH, die als Arbeitsgemeinschaft gemäß § 219 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung für ihre Gesellschafter, insbesondere Betriebskrankenkassen (BKK), IT-Dienstleistungen erbringt. Zu diesem Zweck betreibt die Klägerin ein Service-Zentrum und bietet den BKK Hard- und Softwarelösungen an.

2

Die Klägerin erbrachte auf der Grundlage einer im Jahr 1998 abgeschlossenen Verwaltungsvereinbarung (folgend: IT-Dienstleistungsvertrag) gegenüber ihrem Gesellschafter und Kunden, der B-BKK, Dienstleistungen der elektronischen Datenverarbeitung. Die Leistungen wurden auf Selbstkostenbasis abgerechnet. Der IT-Dienstleistungsvertrag wurde ab dem 1. Januar 1999 zunächst für die Dauer von drei Jahren geschlossen. Er konnte unter Wahrung einer Kündigungsfrist von neun Monaten zum Jahresende, erstmals zum 31. Dezember 2001 gekündigt werden. Erfolgte keine Kündigung, verlängerte er sich um jeweils ein Jahr, wobei die Vergütung neu festzulegen war.

3

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2002 kündigte die B-BKK den IT-Dienstleistungsvertrag zum Ablauf des 31. Dezember 2003. Gleichzeitig erklärte sie, dass sie bereits mit Ablauf des 31. Dezember 2002 keine Dienstleistungen, Nutzungen von Hard- und Software und sonstige Tätigkeiten oder Aufwendungen der Klägerin in Anspruch nehmen werde.

4

Hintergrund der Kündigung war die im September 2002 beschlossene Fusion der B-BKK und der V-BKK zur D-BKK zum 1. Januar 2003, das damit verbundene Ausscheiden der B-BKK als Gesellschafterin der Klägerin und die in diesem Zusammenhang getroffene Entscheidung, dass die D-BKK künftig nur noch das bisher von der V-BKK genutzte Rechenzentrum eines Konkurrenzunternehmens der Klägerin, der I-GmbH, nutzen werde.

5

Am 20. Dezember 2002 schlossen die Klägerin und die B-BKK eine "Vergleichsweise Vereinbarung" (folgend: Vergleich) mit im Wesentlichen folgendem Inhalt:

6

"Vorbemerkung
Die ... (Klägerin) erbringt DV-Dienstleistungen aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung und verschiedener weiterer Verträge für die ... (B-BKK). Die ... (B-BKK) hat gemäß Schreiben vom 16.10.2002 erklärt, sie kündige alle Verträge mit der ... (Klägerin) zum 31.12.2003 und nehme bereits ab 31.12.2002 keinerlei Dienstleistungen der ... (Klägerin) mehr in Anspruch. Über die Wirksamkeit und Folgen dieser Erklärungen bestehen unterschiedliche Auffassungen unter den Parteien. Die ... (Klägerin) macht Vergütung, Aufwendungs- und Schadensersatz geltend.

...     

        

B.    

Vereinbarung

I.    

Fortsetzung aller Verträge bzgl. Netzwerkdienstleistungen

Die Parteien sind sich im Vergleichswege einig, dass die Kündigung aller Verträge, welche als Leistungsgegenstand Netzwerkdienstleistungen haben, gegenstandslos ist. Die Verträge werden diesbezüglich mit folgenden Änderungen, Ergänzungen und Klarstellungen wieder in Kraft gesetzt.

...     

II.     

Vergleich bzgl. der übrigen Dienstleistungen

1.    

Vergleichsweise Beendigung der Verträge zum 31.12.2002

Die Parteien sind sich im Wege gegenseitigen Nachgebens einig, dass alle bestehenden Verträge, welche nicht die in Ziff. I. behandelte Netzwerkdienstleistung und –vergütung betreffen, mit Ablauf des 31.12.2002 beendet sind. Die ... (Klägerin) stellt die Vertragsleistungen bis zum Beendigungszeitpunkt zur Verfügung.

...     

2.    

Höhe des Vergleichsbetrages

Die Parteien legen im Wege gegenseitigen Nachgebens als Vergleichsbetrag, welchen die ... (B-BKK) ... der ... (Klägerin) als Vergütung für nicht erbrachte Leistung bzw. Schadensersatz - also über die Vergütung für Netzwerkdienstleistungen gem. Ziff. I hinausgehend - schuldet, fest auf … € (Ohne MWSt.).

...     

V.    

Abgeltung von Ansprüchen

Mit diesem Vergleich sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus der bestehenden Verwaltungsvereinbarung und den dazu weiter abgeschlossenen Verträgen, gleich ob für Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft endgültig abgegolten, soweit sie vorstehend nicht ausdrücklich aufrechterhalten wurden. ... (Die Klägerin) verzichtet auf jedwede rechtliche Einwendung gegen die Entscheidung der ... (B-BKK) und der ... BKK bezüglich der einheitlichen Weiterführung der unter Ziff. II. als 'übrige Dienstleistungen' bezeichneten Tätigkeiten des ...

..."   

7

Die zum 1. Januar 2003 fällige erste Rate des Vergleichsbetrages wurde von der Klägerin weder in der Steuererklärung vom 9. April 2003 für das Streitjahr (2002) noch in der Steuererklärung vom 30. März 2004 für 2003 der Umsatzsteuer unterworfen.

8

Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte steuerliche Außenprüfung hob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 2. Februar 2006 den Vorbehalt der Nachprüfung bei der Umsatzsteuerfestsetzung für 2002 auf und unterwarf die erste Rate des Vergleichsbetrages im Umsatzsteuerbescheid für 2003 der Umsatzsteuer. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren statt (3 K 1520/08), weil die Steuer für eine etwaige sonstige Leistung bereits am 31. Dezember 2002 entstanden sei.

9

Daraufhin änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzung 2002 mit Bescheid vom 17. November 2011 gemäß § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO). Der gegen diesen Bescheid eingelegte Einspruch blieb in der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2012 erfolglos. Das FG gab der Klage statt; das Urteil ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2013, 1169 veröffentlicht.

10

Das FG begründet seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

11

Zwar habe das FA den Umsatzsteuerbescheid 2002 gemäß § 174 Abs. 4 AO ändern dürfen, weil die an eine Änderungsmöglichkeit geknüpften Voraussetzungen vorgelegen hätten.

12

Das FA sei aber zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin auf der Grundlage des Vergleichs Leistungen gegen Entgelt erbracht habe. Zwar nehme der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung an, dass eine sonstige Leistung gegen Entgelt auch dann vorliege, wenn der zur Ausführung einer Dauerleistung Verpflichtete die Leistung im Interesse des Leistungsempfängers gegen Zahlung eines Geldbetrages unterlasse. Dem sei aber nicht zu folgen, denn der --nach dem ursprünglich abgeschlossenen und später einvernehmlich beendeten Vertrag-- zur Leistung Verpflichtete erbringe durch das Unterlassen seiner Leistung keine sonstige Leistung an den Leistungsempfänger. Der Leistende verzichte vielmehr lediglich auf das volle ursprünglich vereinbarte Entgelt; darin aber sei keine Leistung zu sehen.

13

Im Übrigen fehle es im Streitfall auch deshalb an einem Entgelt, weil der Vergleichsbetrag eine Entschädigung darstelle, die die Leistungsempfängerin auch ohne Abschluss des Vergleichs von Gesetzes wegen geschuldet habe.

14

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, mit der es Verletzung materiellen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--) geltend macht. Zur Begründung der Revision trägt das FA im Wesentlichen vor, die vorzeitige Beendigung des IT-Dienstleistungsvertrages zum 31. Dezember 2002 gegen Zahlung einer Geldsumme stelle einen umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch dar, weil der entgeltliche Verzicht, eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben, als sonstige Leistung anzusehen sei. Das gelte auch für den Verzicht durch den Verpflichteten eines Dauerschuldverhältnisses. Da die auf Selbstkostenbasis zu ermittelnde Zahlungspflicht in dem IT-Dienstleistungsvertrag durch die Inanspruchnahme der Leistung bedingt gewesen sei und der Klägerin durch die Anschaffung einer neuen Rechnergeneration erhebliche Investionsaufwendungen entstanden seien, habe eine besondere Treuepflicht des Dienstleistungsberechtigten bestanden. Die Leistung sei der Klägerin auch nicht unmöglich geworden; es habe lediglich der Wille zur Inanspruchnahme seitens des Dienstleistungsberechtigten gefehlt.

15

Das FA beantragt sinngemäß,
das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

16

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

17

Sie macht sich die Gründe der Vorentscheidung zu eigen. Es sei Unmöglichkeit eingetreten, weil die Leistungserbringung durch die Gegenseite verhindert worden sei; die Verarbeitung der Daten sei technisch gar nicht mehr möglich gewesen. Damit liege ein geradezu klassischer Fall eines zum Schadensersatz verpflichtenden Sachverhalts vor.

Entscheidungsgründe

18

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht eine Leistung gegen Entgelt verneint.

19

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

20

a) Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 34/03, BFHE 211, 59, BStBl II 2007, 66, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH--). Demgegenüber sind Entschädigungen oder Schadensersatzzahlungen grundsätzlich kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden und seine Folgen einzustehen hat (z.B. EuGH-Urteil vom 21. März 2002 C-174/00, Kennemer Golf & Country Club, Slg. 2002, I-3293; BFH-Urteil vom 20. März 2013 XI R 6/11, BFHE 241, 191, BFH/NV 2013, 1509). In diesen Fällen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung und der Leistung (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 2/09, BFHE 228, 467, BStBl II 2010, 765).

21

b) Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. EuGH-Urteil Kennemer Golf & Country Club in Slg. 2002, I-3293; BFH-Urteil in BFHE 241, 191, BFH/NV 2013, 1509). Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrages, durch den sich eine Vertragspartei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und die andere sich hierfür zur Zahlung einer Gegenleistung verpflichtet, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 UStG regelmäßig erfüllt, falls der leistende Vertragspartner Unternehmer ist (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008 V R 38/06, BFHE 225, 155, BStBl II 2009, 749).

22

Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist dabei nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen (BFH-Urteile vom 17. Dezember 2009 V R 1/09, BFH/NV 2010, 1869; in BFHE 241, 191, BFH/NV 2013, 1509; Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 18. Mai 2011 VIII ZR 260/10, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2011, 1156). Deshalb kommt es --entgegen der Auffassung des FG-- auf die Frage, ob nach deutschem Zivilrecht objektive oder subjektive Unmöglichkeit der ursprünglich geschuldeten Leistung vorliegt und ob die Zahlung zivilrechtlich als Schadensersatz bezeichnet wird, nicht an (z.B. BGH-Urteil vom 14. März 2007 VIII ZR 68/06, BFH/NV 2007, Beilage 3, 316; BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 1869).

23

c) Die Voraussetzungen für einen entgeltlichen Leistungsaustausch liegen insbesondere dann vor, wenn ein Steuerpflichtiger auf eine ihm, sei es auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage, zustehende Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet (BFH-Urteil in BFHE 211, 59, BStBl II 2007, 66). Auch der Verzicht, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben, ist gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 9 UStG eine sonstige Leistung (BFH-Urteil in BFHE 211, 59, BStBl II 2007, 66). Hieran hält der Senat fest.

24

d) Dem steht auch nicht das EuGH-Urteil vom 18. Juli 2007 C-277/05, Societé thermale d´Eugénie-les-Bains (Slg. 2007, I-6415) entgegen. Darin hat der EuGH entschieden, dass das Angeld bei Reservierung einer Beherbergungsleistung keine Gegenleistung für eine eigenständige, bestimmbare Leistung, sondern eine Entschädigung zum Ausgleich des infolge des Vertragsrücktritts des Gastes entstandenen Schadens darstellt. Das Angeld soll ein Zeichen für den Abschluss des Beherbergungsvertrages, ein Anreiz für seine Erfüllung und eine pauschalierte Entschädigung sein (Rdnr. 31). An einer eigenständigen bestimmbaren Gegenleistung fehlt es, weil der Hotelier nur seinen sich aus dem Beherbergungsvertrag ergebenden Pflichten nachkommt und keine weitere Dienstleistung erbringt, mit der das Angeld in unmittelbarem Zusammenhang stehen könnte. Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar.

25

2. Das Urteil des FG, das von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war aufzuheben. Im Streitfall hat die Klägerin mit dem entgeltlichen Verzicht auf ihre Rechte aus dem IT-Dienstleistungsvertrag eine steuerbare sonstige Leistung erbracht. Die B-BKK hat den IT-Dienstleistungsvertrag mit Wirkung ab 1. Januar 2004 gekündigt. Der IT-Dienstleistungsvertrag und die sich daraus ergebenden gegenseitigen Rechte und Pflichten bestanden für das Streitjahr (2002) zunächst fort. Die Klägerin hat in dem Vergleich darauf verzichtet, ihre Leistungen anzubieten und das dafür vereinbarte Entgelt einzufordern und ggf. gerichtlich geltend zu machen. Die B-BKK hat dadurch einen Vorteil erlangt, weil sie ohne weitere Streitigkeiten vorzeitig aus dem erst mit Wirkung ab 1. Januar 2004 gekündigten Vertrag entlassen worden ist. Der Vergleich stellt als vertragliche Vereinbarung einen unmittelbaren Zusammenhang der Leistung der Klägerin mit dem von ihr empfangenden Gegenwert her. Das genügt für die Annahme eines Leistungsaustausches.

26

3. Zu Recht hat das FG demgegenüber entschieden, dass der geänderte Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 17. November 2011 noch ergehen durfte, weil die Änderungsvoraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO vorgelegen haben.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 26. Januar 2012  14 K 2222/11 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) begehrt den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb einer Photovoltaikanlage.

2

Sie war im Besteuerungszeitraum 2010 (Streitjahr) selbständig im Bereich Partyservice, Organisation und Dekoration von Festen tätig.

3

Am 8. November 2010 bestellte die Klägerin bei der … GmbH & Co. KG (G) eine Photovoltaikanlage --bestehend aus Modulen, Wechselrichter, Unterkonstruktion und erforderlichem Systemzubehör-- zum Preis von 50.000 € (netto). Die G hatte die Anlage zuvor in Bauteilen von der … AG mit Sitz in … (C) erworben. Nach Nr. 1.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von G war dieser bekannt, dass die Klägerin die Photovoltaikanlage an die C zu verpachten beabsichtigte. Außerdem wies die Klägerin die G an, die Anlage direkt an die C zu übergeben (Nr. 2.2 der AGB).

4

Ebenfalls am 8. November 2010 bot die Klägerin der C den Abschluss eines Pachtvertrags an, der durch Annahme seitens der C am 20. Dezember 2010 zu Stande kam. Als Gegenstand des Pachtvertrags wurde dabei nicht die Überlassung der Photovoltaikanlage in betriebsbereitem Zustand, sondern die Überlassung der Einzelteile vereinbart. Die C schuldete --beginnend ab Januar 2011-- für die Dauer von 215 Monaten einen monatlichen Pachtzins in Höhe von jeweils 541,67 € (netto). Zudem war sie, die C, verpflichtet, die Anlage an einem geeigneten Standort in Deutschland, insbesondere auf einem Dach oder in einem Solarpark, zu errichten und während der gesamten Dauer des Pachtverhältnisses die Funktionsfähigkeit der Photovoltaikanlage zu gewährleisten, wozu insbesondere die Wartung, Reparatur und ggf. Erneuerung der Anlage zählten. Die C war auch befugt, den Aufstellungsort der Anlage zu wechseln. Die Klägerin musste die Photovoltaikanlage nach Ablauf der vereinbarten Pachtdauer der C oder einem von dieser benannten Dritten zu einem Kaufpreis von 10.833,40 € (netto) anbieten.

5

Bis zur Installation lagerten die von der G an die Klägerin verkauften Teile in einer von der C angemieteten Lagerhalle. Die Photovoltaikanlage wurde im Dezember 2010 von C auf einem Gebäude in … installiert, aber bis Januar 2012 nicht zur Stromerzeugung genutzt.

6

Am 20. Dezember 2010 reichte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) eine Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2010 ein, in der sie Vorsteuern in Höhe von 9.500 € im Zusammenhang mit dem Erwerb der Photovoltaikanlage geltend machte. Da die Klägerin zwar zwei Rechnungen der G vorlegte, nicht jedoch die vom FA angeforderten Nachweise über die Lieferung, insbesondere das Lieferdatum und den Standort, sowie zur Existenz bzw. Funktionstüchtigkeit der Photovoltaikanlage, lehnte das FA den Vorsteuerabzug mit Bescheid vom 3. Mai 2011 mit der Begründung ab, dass bezüglich der Verpachtung der Photovoltaikanlage keine selbständige unternehmerische Tätigkeit i.S. von § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) der Klägerin vorliege.

7

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, es sei keine Lieferung an die Klägerin erfolgt. Selbst wenn man --trotz vorhandener Zweifel-- davon ausgehe, dass die G die Verfügungsmacht über die Photovoltaikanlage gehabt habe, sei der Klägerin selbst jedenfalls keine Verfügungsmacht an dieser Anlage eingeräumt worden. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1702 veröffentlicht.

8

Das FA schätzte mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 11. Dezember 2012 die Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr 2010 und setzte die Umsatzsteuer ohne Berücksichtigung des von der Klägerin begehrten Vorsteuerabzugs auf 0 € fest. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2013 hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

9

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 3 Abs. 1, § 15 Abs. 1 UStG).

10

Die G habe die Photovoltaikanlage an sie geliefert. Sie, die Klägerin, habe sowohl das zivilrechtliche Eigentum als auch das wirtschaftliche Eigentum an der tatsächlich existenten Photovoltaikanlage erlangt. Ihrem Herausgabeanspruch komme auch wirtschaftliche Bedeutung zu, denn entweder werde ihr Eigentum über den Kaufpreis angemessen vergütet oder sie erhalte die Photovoltaikanlage zur freien Verfügung, falls die C das ihr zustehende Andienungsrecht nicht ausübe. Sie sei in ihrer Verfügungsbefugnis nur aufgrund des von ihr freiwillig abgeschlossenen Pachtvertrags beschränkt.

11

Soweit das FG darauf abstelle, eine Lieferung setze voraus, dass sie, die Klägerin, in die Lage versetzt werden müsse, unmittelbar auf die Anlage zuzugreifen, führe dies dazu, dass es in vielen Fällen keine Reihengeschäfte mehr gebe. Bei Reihengeschäften sei es häufig so, dass die physische Lieferung erst erfolge, nachdem die Ware weiterverkauft oder "verleast" sei. Die Auffassung des FG führe dazu, dass in diesen Fällen keine Lieferung vorliege. Im Gegensatz dazu ergebe sich insbesondere aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Reihengeschäften, dass ein unmittelbarer Zugriff auf den Gegenstand der Lieferung nicht erforderlich sei.

12

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid vom 28. Oktober 2013 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2010 auf einen "Negativbetrag" von 9.500 € festgesetzt wird.

13

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

14

Das FA verweist auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe des FG-Urteils. Trotz Eigentumsübertragung im zivilrechtlichen Sinne fehle es an der Verschaffung der Verfügungsmacht, wenn die Herrschaftsmacht an der Sache nicht mit dem Willen übertragen werde, die Sachsubstanz als solche endgültig dem Abnehmer zuzuwenden. Die zeitliche und sachliche Verknüpfung zwischen Kaufvertrag und Pachtvertrag lasse darauf schließen, dass die Verschaffung der Verfügungsmacht an die Klägerin nicht ernsthaft gewollt gewesen sei. Die Anlagekomponenten hätten den tatsächlichen Herrschaftsbereich der Pächterin (C) nie verlassen. Einziger Zweck der zivilrechtlichen Eigentumsübertragung sei es gewesen, der Klägerin eine Sicherheit für ihre Pachtansprüche einzuräumen.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

16

Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Lieferung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit des Erwerbers auf den Liefergegenstand voraussetzt. Die tatsächlichen Feststellungen tragen nicht die vom FG vorgenommene Würdigung, der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarungen in Kauf- und Pachtvertrag habe in der Finanzierung des Erwerbs der Photovoltaikanlage und in der Sicherung der Klägerin durch die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums bestanden.

17

1. Die Vorentscheidung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil ihr ein nicht mehr wirksamer Verwaltungsakt zugrunde liegt.

18

Der während des Revisionsverfahrens ergangene Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung vom 28. Oktober 2013, der einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 164 Abs. 3 Satz 2 der Abgabenordnung --AO--), ist zum Gegenstand des Verfahrens geworden, denn er ersetzt nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO den zuvor ergangenen Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2010 vom 11. Dezember 2012, der seinerseits an die Stelle des angefochtenen Vorauszahlungsbescheides für Dezember 2010 vom 3. Mai 2011 getreten ist und über den das FG entschieden hat (vgl. dazu z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. November 2005 V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337, unter II.1., Rz 17; vom 5. Juni 2014 XI R 25/12, BFHE 245, 465, BFH/NV 2014, 1692, Rz 27). Damit liegt dem FG-Urteil ein in seiner Wirkung suspendierter Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil insoweit keinen Bestand haben kann (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 1. Oktober 2014 XI R 13/14, BFHE 248, 367, BFH/NV 2015, 451, Rz 15, m.w.N.).

19

2. Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Diese Bestimmung setzt Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (vormals Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern) in nationales Recht um.

20

a) Der unionsrechtliche Begriff "Lieferung von Gegenständen" bezieht sich nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen. Er umfasst vielmehr jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. z.B. EuGH-Urteile Shipping and Forwarding Enterprise Safe vom 8. Februar 1990 C-320/88, EU:C:1990:61, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1991, 289, Rz 7 f.; Auto Lease Holland vom 6. Februar 2003 C-185/01, EU:C:2003:73, UR 2003, 137, Rz 32; Eon Aset Menidjmunt vom 16. Februar 2012 C-118/11, EU:C:2012:97, UR 2012, 230, Rz 39; NLB Leasing vom 2. Juli 2015 C-209/14, EU:C:2015:440, Mehrwertsteuerrecht --MwStR-- 2015, 636, Rz 29, m.w.N.). Der BFH umschreibt diesen Vorgang seit jeher und ebenfalls in ständiger Rechtsprechung als Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag, ohne damit inhaltlich von der Rechtsprechung des EuGH abzuweichen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. Februar 2015 XI R 15/14, BFHE 249, 343, BFH/NV 2015, 772, Rz 66, m.w.N.).

21

b) Eine Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, kann z.B. dann vorliegen, wenn der dem zivilrechtlichen Eigentümer zustehende Herausgabeanspruch wertlos ist oder der Eigentümer den wirtschaftlichen Gehalt des Gegenstands dem Abnehmer auf sonstige Weise zuwendet. Dem Herausgabeanspruch des Eigentümers kommt dabei z.B. dann keine wirtschaftliche Bedeutung mehr zu, wenn der Nutzungsberechtigte nach dem Nutzungsvertrag verlangen kann, dass ihm das zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgut unentgeltlich oder zu einem geringen Entgelt übertragen wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 16. April 2008 XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909, unter II.2.a, Rz 26, m.w.N.; vom 24. Oktober 2013 V R 17/13, BFHE 243, 456, BStBl II 2015, 513, Rz 24).

22

c) Ob die Verfügungsmacht in diesem Sinne übertragen wird, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalls, d.h. den konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9. Februar 2006 V R 22/03, BFHE 213, 83, BStBl II 2006, 727, unter II.1.b aa, Rz 20; in BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909, unter II.2.a, Rz 27). Dies ist vom nationalen Gericht festzustellen (vgl. z.B. EuGH-Urteile Shipping and Forwarding Enterprise Safe, EU:C:1990:61, UR 1991, 289, Rz 13; Centralan Property vom 15. Dezember 2005 C-63/04, EU:C:2005:773, UR 2006, 418, Rz 63; Evita-K vom 18. Juli 2013 C-78/12, EU:C:2013:486, UR 2014, 475, Rz 34).

23

3. Entgegen der Rechtsansicht des FG ergibt sich aus diesen Grundsätzen nicht, dass eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit notwendige Voraussetzung für das Vorliegen einer Lieferung ist.

24

a) Bereits der Gesetzeswortlaut von § 3 Abs. 1 UStG sieht vor, das der liefernde Unternehmer "den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen". Diese Bestimmung sieht damit vor, dass eine Lieferung durch eine direkte Auslieferung an einen Dritten (z.B. Zweiterwerber) bewirkt werden kann (vgl. Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 UStG Rz 158). In diesem Fall hat der Abnehmer selbst keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den Liefergegenstand. Aus der Aussage, dass es für eine umsatzsteuerrechtliche Verfügung "genügt", tatsächlich auf den Liefergegenstand einzuwirken (vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 653), ergibt sich --entgegen der Auffassung des FG-- nicht, dass ein "tatsächliches Einwirken auf den Gegenstand" notwendige Voraussetzung für eine Lieferung wäre.

25

b) Dass eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit des Erwerbers bestehen müsste, ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung von EuGH oder BFH.

26

Im Gegenteil geht der EuGH z.B. im Urteil VSTR vom 27. September 2012 C-587/10 (EU:C:2012:592, UR 2012, 832) zur Zuordnung der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung davon aus, dass es Vorgänge gibt, bei denen in Bezug auf denselben Liefergegenstand zwei aufeinanderfolgende Lieferungen, aber nur eine innergemeinschaftliche Beförderung durchgeführt wurden (Rz 31, sog. Reihengeschäft). Gelangt der Liefergegenstand bei einem Reihengeschäft unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer und holt der letzte Abnehmer die Ware beim ersten Lieferer ab, so erlangt der erste Abnehmer grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den Liefergegenstand, obwohl zwei Lieferungen vorliegen (vgl. zu einem solchen Sachverhalt z.B. BFH-Urteil vom 25. Februar 2015 XI R 30/13, BFHE 249, 336, BFH/NV 2015, 769).

27

Eine Lieferung kann auch dadurch bewirkt werden, dass der Liefergegenstand in Vollzug einer auf Eigentumsübertragung gerichteten Vereinbarung durch Einräumung mittelbaren Besitzes übergeben wird (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 2011 V R 43/10, BFHE 235, 501, BStBl II 2014, 203, Rz 18). Auch in diesem Fall hat der Erwerber keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den gelieferten Gegenstand.

28

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem EuGH-Urteil Fast Bunkering Klaipèda vom 3. September 2015 C-526/13 (EU:C:2015:536, UR 2015, 785).

29

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Die vom FG bislang getroffenen Feststellungen tragen dessen Würdigung nicht, dass der wirtschaftliche Gehalt der getroffenen Vereinbarungen in Kauf- und Pachtvertrag in der Finanzierung des Erwerbs der Photovoltaikanlage und darüber hinaus in der Sicherung der Klägerin durch das zivilrechtliche Eigentum an dieser Anlage bestand.

30

a) Um die Leistung der Klägerin als reine Finanzierungsleistung mit Sicherung durch das zivilrechtliche Eigentum anzusehen, hätte das FG feststellen müssen, ob die C ihre Verfügungsmacht über die Photovoltaikanlage --trotz der zwischenzeitlichen Veräußerung nacheinander an die G und die Klägerin sowie die anschließende (Rück-)Verpachtung an die C-- zu keinem Zeitpunkt verloren hat. Dies hat das FG jedoch (ausdrücklich) offengelassen.

31

b) Sofern die G die Verfügungsmacht über die Photovoltaikanlage erlangt hat, so ist die vom FG vorgenommene umsatzsteuerrechtliche Würdigung der Leistung der Klägerin als Finanzierungsleistung mit Sicherung durch das zivilrechtliche Eigentum nur möglich, wenn --was das FG nicht (positiv) festgestellt hat-- die G entgegen der vertraglichen Vereinbarungen die Verfügungsmacht wieder an die C (zurück) übertragen hat.

32

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender bzw. als Leistungsempfänger anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 22, m.w.N.). Dem entspricht die Rechtsprechung des EuGH, wonach die einschlägigen Vertragsbedingungen bei der Feststellung der Leistungsbeziehungen zu berücksichtigen sind, da die vertragliche Situation normalerweise die wirtschaftliche und geschäftliche Realität der Transaktionen widerspiegelt (EuGH-Urteil Newey vom 20. Juni 2013 C-653/11, EU:C:2013:409, MwStR 2013, 373, Rz 43).

33

bb) Eine von den "vertraglichen Vereinbarungen" abweichende Bestimmung des Leistenden kommt lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 9/03, BFHE 213, 144, BStBl II 2006, 933, unter II.2.a, Rz 16). Der EuGH hat hierzu entschieden, dass sich herausstellen kann, "dass einige Vertragsbestimmungen gelegentlich die wirtschaftliche und geschäftliche Realität der Transaktionen nicht vollständig widerspiegeln", was insbesondere der Fall sein kann, wenn die betreffenden Vertragsbestimmungen eine missbräuchliche Gestaltung darstellen (EuGH-Urteil Newey, EU:C:2013:409, MwStR 2013, 373, Rz 44 f.).

34

Wann eine missbräuchliche Gestaltung vorliegt, regelt im nationalen Recht § 42 AO. Diese Bestimmung ist im Umsatzsteuerrecht anwendbar. Unionsrechtlich sind nach dem Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen, die allein zu dem Zweck erfolgen, einen Steuervorteil zu erlangen, verboten. Davon kann ausgegangen werden, wenn zum einen die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Voraussetzungen der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des zu ihrer Umsetzung ergangenen nationalen Rechts zur Erlangung eines Steuervorteils führen, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe, und zum anderen aufgrund einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich ist, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11. April 2013 V R 28/12, BFH/NV 2013, 1638, Rz 28; vom 16. Juni 2015 XI R 17/13, BFHE 250, 470, BFH/NV 2015, 1655, Rz 36, m.w.N. aus der Rechtsprechung des EuGH).

35

Liegt eine solche missbräuchliche Praxis vor, so sind die Vertragsbestimmungen in der Weise neu zu definieren, dass auf die Lage abgestellt wird, die ohne die diese missbräuchliche Praxis darstellenden Transaktionen bestanden hätte (EuGH-Urteil Newey, EU:C:2013:409, MwStR 2013, 373, Rz 50, m.w.N.).

36

cc) Das FG hat, ausgehend von seiner Rechtauffassung, hierzu bislang keine Feststellungen getroffen. Es wird diese im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

37

c) Das FG wird auch zu prüfen haben, ob die Leistung der Klägerin ein sog. Finanzierungsleasing darstellt (vgl. EuGH-Urteile NLB Leasing, EU:C:2015:440, MwStR 2015, 636, Rz 28, 30; Eon Aset Menidjmunt, EU:C:2012:97, UR 2012, 230, Rz 40).

38

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Streitig ist der Vorsteuerabzug aus der Neueindeckung des Daches einer Scheune im Zusammenhang mit der Installation einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage) zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie.

2

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) deckte im Jahr 2006 (Streitjahr) das Dach seiner ca. 1920 erbauten Scheune mit Tonziegeln neu ein und errichtete auf der Südseite des Daches eine PV-Anlage. Die gesamte neu eingedeckte Dachfläche betrug 148 qm, wovon die mit der PV-Anlage bedeckte Südseite einen Anteil von 85 qm (= 57,43 %) ausmachte.

3

Der Kläger lieferte aufgrund eines Einspeisungsvertrages Strom an ein Energieunternehmen, verzichtete gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und erklärte in seiner (berichtigten) Umsatzsteuerjahreserklärung für 2006 steuerpflichtige Umsätze aus der Stromeinspeisung sowie Vorsteuerbeträge aus der Errichtung der PV-Anlage.

4

Das FA berücksichtigte in dem Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom 23. Oktober 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2008 lediglich abziehbare Vorsteuerbeträge aus den Anschaffungskosten der PV-Anlage sowie weitere nach Ansicht des FA im direkten Zusammenhang mit der PV-Anlage stehende Vorsteuerbeträge. Die auf die Neueindeckung des Daches entfallenden Vorsteuerbeträge erkannte es dagegen nicht als abziehbar an.

5

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit dem Begehren, zusätzliche Vorsteuerbeträge in Höhe von ... € zum Abzug zuzulassen, teilweise (in Höhe von ... €) stattgegeben.

6

Es führte zur Begründung aus, der Kläger sei zum Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) berechtigt, soweit die Aufwendungen die Erneuerung der Südseite des Daches beträfen, auf der die PV-Anlage installiert sei (Flächenanteil 57,43 %).

7

Soweit die Dachsanierung auch die Nordseite des Daches betreffe, hätten die Aufwendungen dagegen nicht dem Unternehmen des Klägers gedient. Gründe dafür, dass das gesamte Dach im Hinblick auf die Errichtung der PV-Anlage hätte erneuert werden müssen, seien weder vorgetragen noch erkennbar.

8

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 485 veröffentlicht.

9

Gegen das Urteil hat das FA die vom FG zugelassene Revision eingelegt. Es rügt die Verletzung von § 15 UStG und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, eine Zuordnung der anteiligen Kosten der Dachsanierung zum Unternehmen "PV-Anlage" sei nicht möglich, denn diese Kosten gehörten nicht zu den Kostenelementen der versteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze (Stromlieferungen), wie dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) für einen Vorsteuerabzug erforderlich sei.

10

Denn der Kläger erhalte ausweislich des von ihm geschlossenen Einspeisevertrags für Stromerzeugung vom 22. November 2006 für die von ihm erzeugte Energie das zu zahlende Mindestentgelt nach dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich in der jeweils gültigen Fassung. Es handele sich dabei um einen gesetzlich festgelegten Preis. Ob und inwieweit nach den subjektiven Vorstellungen des Klägers eine mögliche Vorsteuer in dessen Kalkulation eingegangen sein sollte, sei mangels einer entsprechenden individuellen Renditeberechnung nicht nachvollziehbar.

11

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage als unbegründet abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

12

Der Kläger, der zunächst Anschlussrevision eingelegt und diese dann zurückgenommen hat, beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

13

Er tritt dem Vorbringen des FA entgegen und betont, es gehe vorliegend um Aufwendungen für das Dach eines vorhandenen Gebäudes, die er nur wegen der beabsichtigten Stromerzeugung getätigt habe; hinzukomme, dass das Gebäude weder anderen unternehmerischen noch privaten Zwecken diene.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

15

Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass dem Kläger der streitige Vorsteuerabzug teilweise zusteht. Seine Auffassung, dies sei in Höhe von 57,43 % der geltend gemachten Vorsteuerbeträge der Fall, verletzt aber die insoweit anzuwendenden Grundsätze zur Vorsteueraufteilung.

16

Die Sache ist nicht spruchreif; es sind weitere Feststellungen zu treffen.

17

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.

18

Diese Vorschriften beruhen auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG), wonach der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.

19

Der Unternehmer ist nach diesen Vorschriften zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeiten) zu verwenden beabsichtigt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. März 2011 V R 23/10, BFHE 233, 274, BFH/NV 2011, 1261, unter II.1.b, m.w.N.).

20

2. Das FG ist --wie bereits das FA-- mit Recht davon ausgegangen, dass der Kläger als Unternehmer tätig wurde und deshalb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt war.

21

a) Der Betrieb einer PV-Anlage erfüllt die Voraussetzungen einer unternehmerischen Tätigkeit, weil er als Nutzung eines Gegenstandes --wie vorliegend-- der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen dient (vgl. BFH-Urteile vom 11. April 2008 V R 10/07, BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741, unter II.1., m.w.N.; vom 18. Dezember 2008 V R 80/07, BFHE 225, 163, BStBl II 2011, 292, unter II.2., m.w.N.; Abschn. 2.5. des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--).

22

b) Der --ansonsten nicht unternehmerisch tätige-- Kläger hat bereits bei Bezug der hier streitigen Leistungen als Steuerpflichtiger (Unternehmer) zu gelten, weil er zu diesem Zeitpunkt die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hatte, eine derartige Tätigkeit durch Betrieb einer PV-Anlage auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke getätigt hat (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil vom 8. Juni 2000 Rs. C-400/98 --Breitsohl--, Slg. 2000, I-4321, BStBl II 2003, 452; BFH-Beschluss vom 29. August 2002 V R 65/01, BFH/NV 2003, 211; BFH-Urteil vom 17. Dezember 2008 XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798, unter II.3.b).

23

3. Im Streitfall liegt auch der für den Vorsteuerabzug erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen Eingangs- und zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 233, 274, BFH/NV 2011, 1261, unter II.1.b; vom 15. Oktober 2009 XI R 82/07, BFHE 227, 238, BStBl II 2010, 247, unter II.1.b, jeweils m.w.N.) vor.

24

a) Eine PV-Anlage besteht im Wesentlichen aus Solarzellen, die in sog. Solarmodulen zusammengefasst werden, einem Wechselrichter, der den Gleichstrom umwandelt und einem Einspeisezähler. Die Solarmodule benötigen eine Halterung, um sie in einem bestimmten Winkel auszurichten. Bei einer sog. "Auf-Dach-Montage" --wie vorliegend-- werden die Solarmodule ohne Eingriff in die Dichtigkeit der Dachhaut mit einem Gestell auf das bestehende Dach installiert (vgl. FG München, Urteil vom 27. Juli 2009  14 K 595/08, EFG 2009, 1977; Hessisches FG, Urteil vom 20. Januar 2011  11 K 2735/08, Recht der Erneuerbaren Energien --REE-- 2011, 107, unter 2.a).

25

b) Die Scheune, für deren Dacheindeckung die streitigen Vorsteuerbeträge angefallen sind, diente der vom Kläger betriebenen Dach-PV-Anlage. Da das Dach für die Installation der PV-Anlage erforderlich war, besteht ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Vorsteuerbeträgen und den vom Kläger mittels seiner PV-Anlage ausgeführten steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen.

26

c) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass eine PV-Anlage auch unabhängig von einer Dachfläche zum Zweck der Stromerzeugung betrieben werden kann und dass eine Bodeninstallation einer PV-Anlage durchaus möglich und üblich ist. Denn der Unternehmer ist in seiner Entscheidung frei, in welcher Form er sein Unternehmen betreibt.

27

Hinzu kommt, dass der Betreiber einer PV-Anlage nach dem im Streitjahr 2006 geltenden § 11 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG 2004) vom 21. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1918) dann eine erhöhte Vergütung für den von ihm erzeugten Strom beanspruchen konnte, wenn --wie im Streitfall-- die Anlage auf einem Gebäude angebracht war (vgl. dazu Urteile des Bundesgerichtshofs vom 29. Oktober 2008 VIII ZR 313/07, Gewerbearchiv 2010, 129; vom 17. November 2010 VIII ZR 277/09, BGHZ 187, 311, Neue Juristische Wochenschrift 2011, 380; vom 9. Februar 2011 VIII ZR 35/10, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechung-Report 2011, 364, REE 2011, 78). Die Vergütung betrug nach dieser Vorschrift statt mindestens 45,7 Cent pro Kilowattstunde (§ 11 Abs. 1 EEG 2004) --je nach Leistung der Anlage-- mindestens 57,4 Cent, 54,6 Cent oder 54,0 Cent pro Kilowattstunde.

28

d) Der aus diesen Gründen hier vorliegende direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen Eingangsumsatz und zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen kann entgegen der Auffassung des FA nicht mit der Begründung verneint werden, die streitigen Kosten gehörten deswegen nicht --wie nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlich-- zu den Kostenelementen der versteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze (Stromlieferungen), weil der Kläger für die von ihm erzeugte Energie einen im EEG 2004 gesetzlich festgelegten Preis erhalte.

29

Denn wenn ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangsumsatz und zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen besteht, kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Die für den Leistungsbezug getätigten Aufwendungen gehören dann zu den Kostenelementen seiner zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätze (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 2011 V R 38/09, BFHE 232, 278, BFH/NV 2011, 727, unter II.2.b aa, m.w.N.).

30

Entgegen der Ansicht des FA ist somit nicht erforderlich, dass die vom Kläger geltend gemachte Vorsteuer entsprechend einer individuellen Renditeberechnung in die Kalkulation des gesetzlich festgelegten Preises für die erzeugte Energie eingegangen ist.

31

4. Der Senat vermag aber der Auffassung des FG nicht zu folgen, dass die Aufwendungen, soweit sie auf die Sanierung der Südfläche des Daches (57,43 %) entfielen, in vollem Umfang (... €) zum Vorsteuerabzug berechtigen. Denn diese Aufwendungen standen nicht nur zu dem Betrieb der PV-Anlage in direktem und unmittelbarem Zusammenhang. Sie kamen als Erhaltungsaufwendungen auch dem Gebäude selbst zugute.

32

a) Für den Vorsteuerabzug aus Erhaltungsaufwendungen bei einem Gebäude kommt es grundsätzlich darauf an, wie der Gebäudeteil genutzt wird, für den die Erhaltungsaufwendungen entstehen. Wenn aber der Erhaltungsaufwand wie bei einer Dachreparatur dem gesamten Gebäude zuzurechnen ist, richtet sich der Vorsteuerabzug nach der Verwendung des gesamten Gebäudes (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 2009 V R 13/08, BFH/NV 2010, 960, unter II.2., m.w.N.).

33

b) Die für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs somit maßgeblichen Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes umfassen nicht nur die innere Nutzfläche des Gebäudes, wenn wie im Streitfall das Gebäude --teilweise-- dadurch unternehmerisch genutzt wird, dass auf dessen Dach eine PV-Anlage installiert wird.

34

Vielmehr muss die unternehmerische Nutzung des Daches mitberücksichtigt werden, weil dadurch Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ausgeführt wurden, die nicht der Nutzfläche innerhalb des Gebäudes zugeordnet werden können.

35

c) Während das Dach der Scheune des Klägers durch die PV-Anlage teilweise unternehmerisch genutzt wurde, wurde die Nutzfläche innerhalb der Scheune --wozu das FG keine Feststellungen getroffen hat-- nach der Darstellung des Klägers nicht genutzt.

36

Soweit die Scheune leer stand, liegt keine unternehmerische Nutzung der Scheune vor. Denn insoweit wurde die Scheune --bewusst und auf Dauer-- nicht zur Ausführung von Umsätzen verwendet. Ein Leerstand ist grundsätzlich keine tatsächliche Verwendung (vgl. zu § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG: BFH-Urteile vom 25. April 2002 V R 58/00, BFHE 200, 434, BStBl II 2003, 435, unter II.2.a; vom 26. Januar 2006 V R 74/03, BFH/NV 2006, 1164, unter II.2.a).

37

5. Der Senat kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, wie hoch der unternehmerische Nutzungsanteil der Scheune liegt.

38

a) Die im Streitfall erforderliche Aufteilung der Vorsteuerbeträge auf die wirtschaftlichen und die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten eines Unternehmers ist weder in den Art. 17 bis 19 der Richtlinie 77/388/EWG noch in § 15 Abs. 4 UStG geregelt (vgl. EuGH-Urteil vom 13. März 2008 Rs. C-437/06 --Securenta--, Slg. 2008, I-1597, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2008, 344, Rz 33; BFH-Urteil in BFHE 233, 274, BFH/NV 2011, 1261, unter II.3.). Die bestehende Regelungslücke ist in analoger Anwendung des § 15 Abs. 4 UStG zu schließen, so dass der Unternehmer den abziehbaren Vorsteueranteil im Wege einer sachgerechten und von der Finanzverwaltung zu überprüfenden Schätzung zu ermitteln hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 274, BFH/NV 2011, 1261, unter II.3.).

39

b) Im Rahmen des § 15 Abs. 4 UStG kommt bei Gebäuden nach Auffassung der Finanzverwaltung als sachgerechter Aufteilungsmaßstab "in der Regel" eine Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen in Betracht (vgl. Abschn. 15.17. Abs. 7 Satz 4 UStAE).

40

Nach Ansicht des Senats scheidet aber im Streitfall die Ermittlung des abziehbaren Vorsteueranteils durch eine Gegenüberstellung von Nutzflächen der Scheune, die einerseits unternehmerisch und die andererseits nichtunternehmerisch genutzt werden, aus. Denn durch eine solche Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen lässt sich nicht --wie nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil --Securenta-- in Slg. 2008, I-1597, UR 2008, 344, Leitsatz 2, Rz 37 bis 39 erforderlich-- "objektiv widerspiegeln", welcher Teil der Eingangsaufwendungen jedem dieser beiden Bereiche wirtschaftlich zuzurechnen (vgl. § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG) ist.

41

Nutzflächen innerhalb eines Gebäudes und Nutzflächen auf dessen Dach sind nicht ohne weiteres zu einer Gesamtnutzfläche zu addieren, weil sie in der Regel nicht miteinander vergleichbar sind. Zudem macht es einen Unterschied, ob eine PV-Anlage auf einem mit geringem Aufwand zu errichtenden Gebäude --wie einer Scheune-- oder z.B. auf einem Ein- oder Mehrfamilienhaus installiert ist (vgl. auch Abschn. 15.17. Abs. 7 Sätze 5 und 6 UStAE).

42

c) Der Senat hält für die Aufteilung der Vorsteuerbeträge im Streitfall vielmehr --vorbehaltlich einer anderen vom Kläger im zweiten Rechtsgang gewählten sachgerechten Schätzungsmethode-- die Anwendung eines Umsatzschlüssels für sachgerecht.

43

aa) Da es sowohl an einem Umsatz für das Innere der Scheune als auch an einer entgeltlichen Nutzung der Dachfläche fehlt, könnte insoweit jeweils auf einen fiktiven Vermietungsumsatz abgestellt werden.

44

Hinsichtlich der Dachfläche wäre abzustellen auf den fiktiven Umsatz, der sich ergäbe, wenn der Kläger die Dachfläche an einen Dritten zum Betrieb einer PV-Anlage vermietet hätte. Grundstückseigentümer betreiben oftmals eine PV-Anlage nicht selbst, sondern vermieten die Dachfläche ihres Gebäudes zu diesem Zweck an einen Dritten (vgl. z.B. Verfügung der Oberfinanzdirektion --OFD-- Niedersachsen vom 8. Juli 2010 -S 7300- 616 - St 173, juris; Verfügung der OFD Magdeburg vom 21. Juli 2010 -S 7300- 122 - St 24, USt-Kartei ST § 15 Abs. 1 UStG Karte 7, juris; Neufang/Bukowski, Der Steuerberater 2010, 115).

45

bb) Einer derartigen oder ähnlichen Anwendung eines Umsatzschlüssels im Streitfall steht § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG nicht entgegen, wonach eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig ist, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.

46

Dabei kann offen bleiben, ob § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG möglicherweise unionsrechtswidrig ist (vgl. dazu den Vorlagebeschluss des BFH vom 22. Juli 2010 V R 19/09, BFHE 231, 280, BStBl II 2010, 1090). Denn im Streitfall ist aus den dargelegten Gründen --soweit ersichtlich-- keine andere sachgerechte wirtschaftliche Zurechnung der Vorsteuerbeträge als nach einem (fiktiven) Umsatzschlüssel möglich.

47

d) Das FG wird die erforderlichen Feststellungen zur Ermittlung des unternehmerischen Nutzungsanteils der Scheune im zweiten Rechtsgang zu treffen haben.

Tatbestand

1

I. Streitig ist der Vorsteuerabzug aus der teilweisen Neueindeckung eines asbesthaltigen Daches eines Wohnhauses im Zusammenhang mit der Installation einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage) zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin des im ersten Rechtsgang des Klageverfahrens verstorbenen ehemaligen Klägers (K). Dieser errichtete im Jahr 2007 (Streitjahr) auf dem Dach seines Einfamilienhauses eine PV-Anlage als Auf-Dach-Montage-System. Mit der Einspeisung des erzeugten Stroms führte er steuerpflichtige Umsätze aus.

3

In seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Oktober 2007 machte er u.a. den Vorsteuerabzug aus der Neueindeckung des Daches geltend. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) war nur die Südseite des --asbesthaltigen-- Daches erneuert worden, auf dem die PV-Anlage montiert wurde.

4

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte nach Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung diesen Vorsteuerabzug nicht an. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

5

Während des anschließenden Klageverfahrens erging am 15. Dezember 2008 ein Umsatzsteuerbescheid für 2007, mit dem wiederum der Vorsteuerabzug aus der Dacheindeckung versagt wurde.

6

Das stattgebende Urteil vom 10. Februar 2011  6 K 2607/08 hob der erkennende Senat mit Urteil vom 15. Juni 2011 XI R 10/11 (BFH/NV 2011, 1722) aus verfahrensrechtlichen Gründen auf.

7

Im zweiten Rechtsgang gab das FG durch Urteil vom 22. September 2011  6 K 1963/11 wiederum der Klage statt. Die Leistungen der Erneuerung der Dachfläche seien für das Unternehmen "Stromeinspeisung aus Photovoltaik" bezogen worden. Das FG folge der Rechtsauffassung des FG Nürnberg in seinem rechtskräftigen Urteil vom 29. September 2009  2 K 784/2009 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 833).

8

Gegen das Urteil hat das FA die vom FG zugelassene Revision eingelegt. Es rügt die Verletzung von § 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, der Vorsteuerabzug scheide schon deshalb aus, weil die Dachsanierung in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit dem nichtunternehmerisch genutzten Einfamilienhaus und allenfalls mittelbar mit dem Unternehmen "PV-Anlage" in Verbindung stehe. Die Kosten der Dachsanierung seien nicht in den Verkaufspreis des Stroms eingegangen, da das Energieversorgungsunternehmen nach dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG 2004) vom 21. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1918) verpflichtet sei, den eingespeisten Strom mit einem gesetzlich festgelegten Preis zu vergüten. Da sich die unternehmerische Nutzung eines Gegenstandes nach dessen bestimmungsgemäßer Verwendung richte, wozu die Nutzung des Daches nicht zähle, habe K nicht die Möglichkeit gehabt, das ansonsten nichtunternehmerisch genutzte Einfamilienhaus dem Unternehmensvermögen "Betrieb der PV-Anlage" zuzuordnen mit der Folge, dass es sich bei den streitigen Leistungen nicht um Sanierungsarbeiten an einem Unternehmensgegenstand handele. Schließlich bestehe die Funktion des Daches auch nach der Sanierung darin, das Gebäudeinnere vor Witterungseinflüssen zu schützen. Die Errichtung der PV-Anlage sei zwar --wie im Streitfall-- häufig der Anlass, aber nur selten die Ursache für die Dachsanierung.

9

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

10

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

11

Sie unterstützt die Vorentscheidung und macht geltend, die teilweise Neueindeckung des Daches sei ausschließlich durch die Errichtung der PV-Anlage veranlasst.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

14

Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der Klägerin der geltend gemachte Vorsteuerabzug in voller Höhe zustehe. Seine Auffassung verletzt die anzuwendenden Grundsätze zur Vorsteueraufteilung.

15

Die Sache ist nicht spruchreif; es sind weitere Feststellungen zu treffen.

16

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

17

Diese Vorschrift beruht auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) --nunmehr Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347/1)--, wonach der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.

18

Der Unternehmer ist nach diesen Vorschriften zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 9 MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeiten) zu verwenden beabsichtigt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. März 2011 V R 23/10, BFHE 233, 274, BStBl II 2012, 74, unter II.1.b, m.w.N.).

19

2. Das FG ist --wie bereits das FA-- mit Recht davon ausgegangen, dass K als Unternehmer tätig wurde und deshalb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt war.

20

a) Der Betrieb einer PV-Anlage erfüllt die Voraussetzungen einer unternehmerischen Tätigkeit, weil er als Nutzung eines Gegenstandes --wie vorliegend-- der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen dient (vgl. Senatsurteile vom 19. Juli 2011 XI R 29/09, BFHE 234, 556, BFH/NV 2011, 2198, unter II.2.; XI R 21/10, BFHE 235, 14, BFH/NV 2011, 2201, unter II.2.b aa; XI R 29/10, BFHE 234, 564, BFH/NV 2011, 2205, unter II.2.a, jeweils m.w.N.; Abschn. 2.5. des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--).

21

b) Der --ansonsten nicht unternehmerisch tätig gewesene-- K hat bereits bei Bezug der hier streitigen Leistungen als Steuerpflichtiger (Unternehmer) zu gelten, weil er zu diesem Zeitpunkt die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hatte, eine derartige Tätigkeit durch Betrieb einer PV-Anlage auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke getätigt hat (vgl. dazu z.B. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union --EuGH-- vom 8. Juni 2000 C-400/98 --Breitsohl--, Slg. 2000, I-4321, BStBl II 2003, 452; BFH-Beschluss vom 29. August 2002 V R 65/01, BFH/NV 2003, 211; BFH-Urteil vom 17. Dezember 2008 XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798, unter II.3.b).

22

3. Im Streitfall liegt auch der für den Vorsteuerabzug erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen Eingangs- und zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 233, 274, BStBl II 2012, 74, unter II.1.b; vom 15. Oktober 2009 XI R 82/07, BFHE 227, 238, BStBl II 2010, 247, unter II.1.b, jeweils m.w.N.) vor.

23

a) Eine PV-Anlage besteht im Wesentlichen aus Solarzellen, die in sog. Solarmodulen zusammengefasst werden, einem Wechselrichter, der den Gleichstrom umwandelt und einem Einspeisezähler. Die Solarmodule benötigen eine Halterung, um sie in einem bestimmten Winkel auszurichten. Bei einer sog. "Auf-Dach-Montage" --wie vorliegend-- werden die Solarmodule ohne Eingriff in die Dichtigkeit der Dachhaut mit einem Gestell auf das bestehende Dach installiert (vgl. Senatsurteile in BFHE 234, 556, BFH/NV 2011, 2198; in BFHE 235, 14, BFH/NV 2011, 2201; in BFHE 234, 564, BFH/NV 2011, 2205, jeweils m.w.N.).

24

b) Das Wohnhaus, für dessen teilweise Neueindeckung die streitigen Vorsteuerbeträge angefallen sind, diente der von K betriebenen Dach-PV-Anlage. Da das Dach für die Installation der PV-Anlage erforderlich war, besteht ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Vorsteuerbeträgen und den von K mittels seiner PV-Anlage ausgeführten steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen.

25

c) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass eine PV-Anlage auch unabhängig von einer Dachfläche zum Zweck der Stromerzeugung betrieben werden kann und dass eine Bodeninstallation einer PV-Anlage durchaus möglich und üblich ist. Denn der Unternehmer ist in seiner Entscheidung frei, in welcher Form er sein Unternehmen betreibt.

26

Hinzu kommt, dass der Betreiber einer PV-Anlage nach dem im Streitjahr 2007 geltenden § 11 Abs. 2 Satz 1 EEG 2004 dann eine erhöhte Vergütung für den von ihm erzeugten Strom beanspruchen konnte, wenn --wie im Streitfall-- die Anlage auf einem Gebäude angebracht war (vgl. dazu Urteile des Bundesgerichtshofs vom 29. Oktober 2008 VIII ZR 313/07, Gewerbearchiv 2010, 129; vom 17. November 2010 VIII ZR 277/09, BGHZ 187, 311, Neue Juristische Wochenschrift 2011, 380; vom 9. Februar 2011 VIII ZR 35/10, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechung-Report 2011, 364, Recht der Erneuerbaren Energien 2011, 78). Die Vergütung betrug nach dieser Vorschrift statt mindestens 45,7 Cent pro Kilowattstunde (§ 11 Abs. 1 EEG 2004) --je nach Leistung der Anlage-- mindestens 57,4 Cent, 54,6 Cent oder 54,0 Cent pro Kilowattstunde.

27

d) Der aus diesen Gründen hier vorliegende direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen Eingangsumsatz und zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen kann entgegen der Auffassung des FA nicht mit der Begründung verneint werden, die streitigen Kosten gehörten deswegen nicht --wie nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlich-- zu den Kostenelementen der versteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze (Stromlieferungen), weil K für die von ihm erzeugte Energie einen im EEG 2004 gesetzlich festgelegten Preis erhalten habe.

28

Denn wenn ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangsumsatz und zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen besteht, kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Die für den Leistungsbezug getätigten Aufwendungen gehören dann zu den Kostenelementen seiner zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätze (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 2011 V R 38/09, BFHE 232, 278, BStBl II 2012, 68, unter II.2.b aa, m.w.N.).

29

Es ist somit nicht erforderlich, dass die geltend gemachte Vorsteuer entsprechend einer individuellen Renditeberechnung in die Kalkulation des gesetzlich festgelegten Preises für die erzeugte Energie eingegangen ist.

30

4. Der Senat vermag jedoch der Auffassung des FG, dem im Zeitpunkt seiner Entscheidung das Senatsurteil in BFHE 234, 564, BFH/NV 2011, 2205 noch nicht bekannt sein konnte, nicht zu folgen, dass die Aufwendungen für die Neueindeckung der Südseite des Daches, auf dem die PV-Anlage montiert wurde, in vollem Umfang (1.424,81 €) zum Vorsteuerabzug berechtigen. Denn diese Aufwendungen standen nicht nur zu dem Betrieb der PV-Anlage in direktem und unmittelbarem Zusammenhang. Sie kamen als Erhaltungsaufwendungen auch dem Gebäude selbst zugute.

31

a) Für den Vorsteuerabzug aus Erhaltungsaufwendungen bei einem Gebäude kommt es grundsätzlich darauf an, wie der Gebäudeteil genutzt wird, für den die Erhaltungsaufwendungen entstehen. Wenn aber der Erhaltungsaufwand wie bei einer Dachreparatur dem gesamten Gebäude zuzurechnen ist, richtet sich der Vorsteuerabzug nach der Verwendung des gesamten Gebäudes (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 2009 V R 13/08, BFH/NV 2010, 960, unter II.2., m.w.N.; Senatsurteil in BFHE 234, 564, BFH/NV 2011, 2205, unter II.4.a).

32

b) Die für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs somit maßgeblichen Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes umfassen nicht nur die innere Nutzfläche des Gebäudes, wenn wie im Streitfall das Gebäude --teilweise-- dadurch unternehmerisch genutzt wird, dass auf dessen Dach eine PV-Anlage installiert wird.

33

Vielmehr muss die unternehmerische Nutzung des Daches mitberücksichtigt werden, weil dadurch Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ausgeführt wurden, die nicht der Nutzfläche innerhalb des Gebäudes zugeordnet werden können (vgl. Senatsurteile in BFHE 234, 556, BFH/NV 2011, 2198, unter II.5.b bb; in BFHE 234, 564, BFH/NV 2011, 2205, unter II.4.b).

34

c) Während das Dach des Wohnhauses des K durch die PV-Anlage teilweise unternehmerisch genutzt wurde, diente das Wohnhaus im Übrigen privaten Zwecken.

35

5. Der Senat kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, wie hoch der unternehmerische Nutzungsanteil des Wohnhauses liegt.

a) Die im Streitfall erforderliche Aufteilung der Vorsteuerbeträge auf die wirtschaftlichen und die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten eines Unternehmers ist weder in den Art. 17 bis 19 der Richtlinie 77/388/EWG, in den Art. 167, 168 und 173 bis 175 MwStSystRL noch in § 15 Abs. 4 UStG geregelt (vgl. EuGH-Urteil vom 13. März 2008 C-437/06 --Securenta--, Slg. 2008, I-1597, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2008, 344, Rz 33; BFH-Urteil in BFHE 234, 564, BFH/NV 2011, 2205, unter II.5.a). Die bestehende Regelungslücke ist in analoger Anwendung des § 15 Abs. 4 UStG zu schließen, so dass der Unternehmer den abziehbaren Vorsteueranteil im Wege einer sachgerechten und von der Finanzverwaltung zu überprüfenden Schätzung zu ermitteln hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 234, 564, BFH/NV 2011, 2205, unter II.5.a).

b) Im Rahmen des § 15 Abs. 4 UStG kommt bei Gebäuden nach Auffassung der Finanzverwaltung als sachgerechter Aufteilungsmaßstab "in der Regel" eine Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen in Betracht (vgl. Abschn. 15.17. Abs. 7 Satz 4 UStAE).

36

Nach Ansicht des Senats scheidet aber im Streitfall die Ermittlung des abziehbaren Vorsteueranteils durch eine Gegenüberstellung von Nutzflächen des Einfamilienhauses, die einerseits unternehmerisch und die andererseits nichtunternehmerisch genutzt werden, aus. Denn durch eine solche Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen lässt sich nicht --wie nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil --Securenta-- in Slg. 2008, I-1597, UR 2008, 344, Leitsatz 2, Rz 37 bis 39 erforderlich-- "objektiv widerspiegeln", welcher Teil der Eingangsaufwendungen jedem dieser beiden Bereiche wirtschaftlich zuzurechnen (vgl. § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG) ist.

37

Nutzflächen innerhalb eines Gebäudes und Nutzflächen auf dessen Dach sind nicht ohne weiteres zu einer Gesamtnutzfläche zu addieren, weil sie in der Regel nicht miteinander vergleichbar sind. Zudem macht es einen Unterschied, ob eine PV-Anlage auf einem mit geringem Aufwand zu errichtenden Gebäude --wie einer Scheune-- oder z.B. auf einem Ein- oder Mehrfamilienhaus installiert ist (vgl. auch Abschn. 15.17. Abs. 7 Sätze 5 und 6 UStAE).

38

c) Der Senat hält für die Aufteilung der Vorsteuerbeträge im Streitfall vielmehr --vorbehaltlich einer anderen von der Klägerin im dritten Rechtsgang gewählten sachgerechten Schätzungsmethode-- die Anwendung eines Umsatzschlüssels für sachgerecht (vgl. Senatsurteil in BFHE 234, 564, BFH/NV 2011, 2205, unter II.5.c).

39

aa) Da es sowohl an einem Umsatz für das Innere des Einfamilienhauses als auch an einer entgeltlichen Nutzung der Dachfläche fehlt, könnte insoweit jeweils auf einen fiktiven Vermietungsumsatz abgestellt werden.

40

Hinsichtlich der Dachfläche wäre abzustellen auf den fiktiven Umsatz, der sich ergäbe, wenn die Klägerin die Dachfläche an einen Dritten zum Betrieb einer PV-Anlage vermietet hätte. Grundstückseigentümer betreiben oftmals eine PV-Anlage nicht selbst, sondern vermieten die Dachfläche ihres Gebäudes zu diesem Zweck an einen Dritten (vgl. z.B. Verfügung der Oberfinanzdirektion --OFD-- Niedersachsen vom 8. Juli 2010 -S 7300- 616 - St 173, juris; Verfügung der OFD Magdeburg vom 21. Juli 2010 -S 7300- 122 - St 24, USt-Kartei ST § 15 Abs. 1 UStG Karte 7, juris; Neufang/Bukowski, Der Steuerberater 2010, 115).

41

bb) Einer derartigen oder ähnlichen Anwendung eines Umsatzschlüssels im Streitfall steht § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG nicht entgegen, wonach eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig ist, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.

42

Dabei kann offenbleiben, ob § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG möglicherweise unionsrechtswidrig ist (vgl. dazu den Vorlagebeschluss des BFH vom 22. Juli 2010 V R 19/09, BFHE 231, 280, BStBl II 2010, 1090). Denn im Streitfall ist aus den dargelegten Gründen --soweit ersichtlich-- keine andere sachgerechte wirtschaftliche Zurechnung der Vorsteuerbeträge als nach einem (fiktiven) Umsatzschlüssel möglich.

43

d) Das FG wird die erforderlichen Feststellungen zur Ermittlung des unternehmerischen Nutzungsanteils des Einfamilienhauses im dritten Rechtsgang zu treffen haben.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.