Finanzgericht Hamburg Urteil, 05. Apr. 2016 - 6 K 263/15

bei uns veröffentlicht am05.04.2016

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung, insbesondere darüber, ob der Beklagte sachlich zuständig ist.

2

Die Klägerin wurde am ... gegründet. Sitz der Klägerin ist Hamburg. Der Ort ihrer Geschäftsleitung befindet sich in X-Straße ..., Hamburg. Seit 2007 steht sie unter der einheitlichen Leitung der vermögensverwaltend tätigen A GmbH & Co. KG. Wegen der Beteiligungsstruktur des Konzerns wird auf das Organigramm des Beklagten in dem Schriftsatz vom 09.11.2015 verwiesen. Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die Reederei, der Transport von Waren aller Art, insbesondere von Mineralölen, die Lagerung, ... Ihr Kerngeschäft ist die Bereederung und Befrachtung von eigenen Binnenschiffen sowie von zahlreichen Binnenschiffen, die im Eigentum selbständiger Partikulierer stehen.

3

Die Klägerin erzielte seit 2005 einen jährlichen Umsatz von mehr als 250 Mio €. Der Jahresumsatz der Klägerin betrug in 2013 ca. ... Mio €. Davon entfielen ca. ... Mio € auf das sog. Bunkergeschäft.

4

Die Klägerin wurde bis Anfang 2013 vom Finanzamt Hamburg-Mitte unter der Steuernummer ...-1 in einem Körperschaftsteuer-Teilbezirk geführt. Die letzte abgeschlossene Betriebsprüfung umfasste die Jahre 2004 bis 2008.

5

Mit Schreiben vom 04.04.2013 erhielt die Klägerin eine maschinell erstellte Mitteilung des Beklagten, durch welche die Steuernummer ...-2 zugeteilt wurde. Eine Begründung enthielt das Schreiben nicht. Später erhielten auch andere Gesellschaften des Konzerns Steuernummern des Beklagten.

6

Die Klägerin wandte sich gegen den Wechsel der Zuständigkeit. Gespräche mit dem Beklagten unter Einschaltung der Finanzbehörde Hamburg und des bisher zuständigen Finanzamts Hamburg-Mitte führten zu keinem anderen Ergebnis.

7

Mit Datum vom 15.04.2015 erließ der Beklagte eine Prüfungsanordnung zur Durchführung einer Außenprüfung für die Jahre 2009 bis 2013 bezüglich Körperschaftsteuer, gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer. Als Prüfungsort wurden die Geschäftsräume der Klägerin bestimmt.

8

Mit Datum vom 12.05.2015 legte die Klägerin gegen die Prüfungsanordnung Einspruch ein.

9

Mit Schreiben vom 31.08.2015 hob der Beklagte die Prüfungsanordnung über die Umsatzsteuer 2009 vom 15.04.2015 aufgrund Verjährungseintritts auf. Außerdem hob er die Bestimmung des Prüfungsortes auf und legte die Räumlichkeiten des steuerlichen Beraters als Prüfungsort fest.

10

Durch Einspruchsentscheidung vom 31.08.2015 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

11

Unabhängig vom eingelegten Rechtsbehelf legte die Klägerin mit dem Betriebsprüfer den Beginn der Außenprüfung auf den ... 2015 fest. Mit der Prüfung ist auch bereits begonnen worden.

12

Am 05.10.2015 hat die Klägerin Klage erhoben und gerichtliche Aussetzung der Vollziehung (AdV) beantragt.

13

Durch den Beschluss vom 17.12.2015 lehnte das Finanzgericht die beantragte AdV ab.

14

Die Klägerin begründet ihre Klage mit der Unzuständigkeit des Beklagten. Die Zuständigkeit des Finanzamt Hamburg-Mitte ergebe sich aus der Sonderzuständigkeit in Abschnitt XV (1) Nr. 1 der Anordnung über die Zuständigkeit der Finanzämter vom 28.10.1997 (ZAO). Denn sie, die Klägerin, betreibe schwerpunktmäßig Binnenschifferei. Hierfür bestehe in Hamburg eine Sonderregelung, denn der Verordnungsgeber habe erkannt, dass es sich bei der Binnenschifffahrt um eine Sondermaterie handele, für die eine besondere Sachkenntnis über spezielle steuerrechtliche Vorschriften erforderlich sei. Insbesondere sei in diesem Zusammenhang auf folgende Bestimmungen hinzuweisen: Binnenschifffahrtsgesetz, Frachtrecht für Binnenschiffer gem. §§ 407 ff. HGB, spezielle Tankschiff-Transportbedingungen für die Binnenschifffahrt, Verordnung über die Lade- und Löschzeiten sowie das Liegegeld in der Binnenschifffahrt. Es gebe auch zahlreiche Sonderbegriffe zu beachten wie z. B. Partikulierer, Befrachter, Verfrachter, Havarie, Demurrage. Steuerlich seien besondere Regelungen für Abschreibungen zu beachten. Die Bearbeitung dieser Fälle erfordere gesondert ausgebildete Finanzbeamte, die nur beim Finanzamt Hamburg-Mitte arbeiteten. Die Auslegung des Beklagten, dass Abschnitt XV (1) Nr. 1 ZAO nur natürliche Personen umfasse, überzeuge nicht, denn derartige Begriffe in Steuergesetzen seien immer tätigkeitsbezogen und nicht rechtsformbezogen auszulegen. Das gelte trotz der Regelungen im Abschnitt XV (1) ZAO in den Nummern 2, 3 und 4. Auch eine Gesellschaft könne Binnenschiffer sein. Dies ergebe sich aus mehreren Gesetzen, wie z. B. § 13 GewStG. Allerdings gebe es keine einheitliche Auslegung von Rechtsbegriffen innerhalb der deutschen Rechtsordnung. Stets sei ein Begriff im Zusammenhang mit den Bestimmungen auszulegen, in deren Rahmen er stehe. Auch außerhalb des Steuerrechts existierten für Binnenschiffer Spezialzuständigkeiten. So würden bei Amtsgerichten spezielle Abteilungen für Binnenschiffer, die sog. Schifffahrtsgerichte, eingerichtet.

15

In diesem Sinne habe z. B. auch das Land Bremen in einer aktuelleren Zuständigkeitsregelung vom 09.01.2013 geregelt, dass das Finanzamt Bremen-Nord für die Besteuerung der Betriebe der Binnenschifffahrt zuständig sei. Diese Regelung müsse im Rahmen einer Sinn- und Zweckauslegung auch auf die Regelung in Hamburg übertragen werden.

16

Es sei für die rechtliche Beurteilung irrelevant, dass sie, die Klägerin, beim Finanzamt Hamburg-Mitte nicht in dem Spezialbezirk für Binnenschiffer, sondern in einem "normalen" Körperschaftsteuerbezirk geführt worden sei. Sofern der Beklagte hiermit argumentiere, handele es sich um einen abzulehnenden Zirkelschluss.

17

Die Ausführungen des Finanzgerichts in dem Beschluss vom 17.12.2015 seien nicht überzeugend. Insbesondere sei die hier vorgenommene wörtliche Auslegung fehlerhaft, da der Begriff des Binnenschiffers unzutreffend mit dem des Schiffsführers gleichsetzt worden sei. Es müssten nur der Kapitän oder der Schiffsführer die Ausbildung des Binnenschiffers absolviert haben. Zusätzlich seien aber noch weitere Patente erforderlich, um ein Binnenschiff selbst führen zu können. Das Finanzgericht könne nicht ernsthaft die Ansicht vertreten, dass auch diese Qualifikationen Voraussetzungen für die Zuständigkeitsregelungen sein müssten. Erforderlich sei daher nicht, dass der Steuerpflichtige das Binnenschiff selbst betreibe, sondern nur, dass ein Binnenschiff betrieben werde.

18

Auch die vom Finanzgericht vorgenommene historische Auslegung überzeuge nicht, denn das Finanzgericht vermische bei seiner Argumentation die sachliche und die örtliche Zuständigkeit. Zudem sei die vermutete historische Motivation nicht vorhanden, da das hier gesehene Problem bereits durch § 28 des Meldegesetzes geregelt sei. Diese Vorschrift setze ebenfalls nicht die Ausbildung eines Binnenschiffers voraus, sondern gelte für alle Personen, die auf ein Binnenschiff ziehen.

19

Entscheidend sei die teleologische Auslegung. Sinn und Zweck der Regelung sei das spezifische allgemeine und steuerliche Fachwissen, das für eine sachgerechte Würdigung der steuerlichen Grundlagen erforderlich sei. Die Sonderzuständigkeit für Binnenschiffer setze eine spezifische Expertise der zuständigen Sachbearbeiter für die Binnenschifffahrt im Finanzamt voraus. Eine solche sei insbesondere für die Frage der Marktüblichkeit von Charterraten in Binnenschifffahrtsbereich erforderlich. Auch für die Feststellung der aktuellen Marktwerte von Binnenschiffen sei ein entsprechendes Erfahrungswissen hilfreich. Das gelte auch für die Bestimmung der Nutzungsdauern, die Behandlung von Schadensersatzforderungen für Havarien, von Klassekosten, von Instandhaltungs- oder Herstellungskosten sowie zahlreicher spezifischer Rückstellungen. Es könne also keine Rede davon sein, dass die steuerlichen Besonderheiten gering seien.

20

Zwar lägen auch die Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Beklagten gem. Abschnitt IV (1) Nr. 2 b ZAO vor. Aus dem Konkurrenzverhältnis der Vorschriften in der ZAO ergebe sich jedoch die Zuständigkeit des Finanzamts Hamburg-Mitte, da es sich bei der Regelung für die Binnenschifffahrt um die speziellere Regelung handele und diese die umsatzgrößenorientierte Zuständigkeit des Beklagten verdränge. Der Beklagte verfüge gerade nicht über besondere spezielle Kenntnisse.

21

Dieser Vorrang der Spezialzuständigkeit für Binnenschiffer ergebe sich auch aus der ausdrücklichen Regelung eines anderen Konkurrenzverhältnisses, denn wie Abschnitt IV (8) ZAO zeige, habe der Verordnungsgeber gesehen, dass eine konkurrierende Regelung eintreten könne, und diese in dem Fall zu Gunsten des Beklagten gelöst. Für Binnenschiffer gebe es eine solche Regelung aber gerade nicht.

22

Zudem sei die Umsatzschwelle von 250 Mio € auch bereits seit 2005 überschritten worden, so dass sehr fraglich sei, wieso die Zuständigkeit erst 2013 gewechselt haben solle. Es könne nicht nachvollzogen werden, wieso bisher keiner der Bearbeiter beim Finanzamt Hamburg-Mitte von der angeblichen Zuständigkeit des Beklagten Kenntnis erhalten haben solle. Dies gelte insbesondere, weil bereits mehrere Betriebsprüfungen durchgeführt worden seien. Es müsse deshalb vermutet werden, dass ein anderer Grund für den Zuständigkeitswechsel bestehe, nämlich die personelle Überlastung des eigentlich zuständigen Finanzamts, die mit der Ausdehnung der Hafencity im Zusammenhang stehe.

23

Soweit der Beklagte einwende, dass sie, die Klägerin, nicht ausschließlich im Bereich der Binnenschifffahrt tätig sei, überzeuge dieses Argument nicht, denn es müsse ausreichend sein, wenn ein nicht unwesentlicher Umfang in dem Bereich der Binnenschifffahrt erreicht werde. Bei ihr, der Klägerin, liege der Schwerpunkt der Tätigkeit im Bereich der Binnenschifffahrt. Von ihren ... Mitarbeitern seien ... Mitarbeiter mit der Befrachtung und Bereederung von Öl-Binnenschiffen sowie mit dem Betrieb von eigenen Gas-Binnenschiffen beschäftigt. Der umsatzstarke Handel mit Bunkerölen werde demgegenüber nur von ... Mitarbeitern betrieben. Der Bereich der Binnenschifffahrt stelle mit rund 90 % den überwiegenden Teil des Ertrags dar. Auch eine natürliche Person können weitere andere Einkünfte haben.

24

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 21.10.2015 und 17.02.2016 sowie vom 09.12.2015 (Az. 6 V 264/15) verwiesen.

25

Die Klägerin beantragt,
die Prüfungsanordnung vom 15.04.2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.08.2015 aufzuheben.

26

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

27

Zur Begründung seines Antrags trägt der Beklagte vor, dass die Prüfungsanordnung rechtmäßig sei. Insbesondere sei die sachliche Zuständigkeit gegeben. Dies ergebe sich aus Abschnitt IV (1) Nr. 2 b ZAO. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien auch unstreitig gegeben.

28

Hingegen fehle es an den Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Finanzamts Hamburg-Mitte. Insbesondere seien nicht die Voraussetzungen des Abschnitts XV (1) Nr. 1 ZAO erfüllt. Die Klägerin sei kein Binnenschiffer im Sinne dieser Regelung. Denn dies könne nur eine natürliche Person sein. Die Abgrenzung erfolge gerade nicht über die Tätigkeit. Die Regelungen in Abschnitt XV (1) Nr. 1 bis 4 ZAO gälten alle ausschließlich für natürliche Personen, nur die Nr. 5 und 6 seien auch auf andere Rechtsformen anwendbar. Dies zeige sich auch in der internen Organisation des Finanzamts Hamburg-Mitte. Die Besteuerung der Binnenschiffer, Lotsen und Seeleuten sei bestimmten Dienststellen der Einkommensteuerveranlagung zugeordnet, während die für die Besteuerung der Klägerin zuständige Dienststelle ein allgemeiner Buchstabenbezirk im Körperschaftsteuersteuerrecht gewesen sei. Dementsprechend seien in diesem Bezirk gerade keine speziellen Kenntnisse über die Binnenschifffahrt vorhanden und trotzdem habe sich die Klägerin gut betreut gefühlt.

29

Es könne auch nicht nachvollzogen werden, welche besonderen steuerrechtlichen Kenntnisse überhaupt gemeint seien. Sofern die Klägerin sich für ihre Auslegung darauf berufe, dass der Begriff des Binnenschiffers tätigkeitsbezogen ausgelegt werden müsse, und hierzu auf andere gesetzliche Regelungen verweise, könne dieses nicht überzeugen, denn in anderen Gesetzen werde der Begriff des Binnenschiffers nur für natürliche Personen verwandt. Auf § 25 des Berufsbildungsgesetzes, § 21 Hamburger Meldegesetz und § 28 Bundesmeldegesetz werde verwiesen.

30

Es spiele für die Frage der Zuständigkeit keine Rolle, ob bereits vor 2013 die relevanten Umsatzgrößen überschritten worden seien.

31

Selbst wenn der Begriff des Binnenschiffers in XV (1) Nr. 1 ZAO im Sinne der Klägerin zu verstehen sei, sei trotzdem nicht die Zuständigkeit des Finanzamts Hamburg-Mitte gegeben, denn die Klägerin werde nicht ausschließlich im Bereich der Binnenschifffahrt tätig. Den überwiegenden Teil ihres Umsatzes erwirtschafte sie gerade nicht in diesem Bereich.

32

Zudem bestehe bei einer Kollision der zwei Zuständigkeiten auch ein Vorrang der Zuständigkeit des Beklagten, denn gerade der Streitfall zeige, dass es sinnvoll sei, einen Konzern einheitlich steuerlich zu führen.

33

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsvereinbarung gem. Abschnitt IV (7) ZAO lägen nicht vor, denn die Finanzbehörde habe diese Möglichkeit geprüft und wegen der personellen Ausstattung des Finanzamts Hamburg-Mitte abgelehnt.

34

Auch die weiteren Voraussetzungen für eine rechtmäßige Prüfungsanordnung seien gegeben.

35

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Vorbringen im Eilverfahren und die Schriftsätze des Beklagten vom 17.02.2016 und 08.03.2016 verwiesen.

36

Auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2016 wird verwiesen. Dem Gericht haben zwei Bände Akten Allgemeines, die Bilanz- und Bilanzberichtsakten, eine Akte "Zuständigkeit", die BP-Akte und die Rechtsbehelfsakte zu der Steuernummer ...-2 vorgelegen.

Entscheidungsgründe

37

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtene Prüfungsanordnung ist rechtmäßig, insbesondere ist der Beklagte zuständig.

38

Die Voraussetzungen für den Erlass einer Prüfungsanordnung gem. § 196 AO liegen vor.

39

Die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden richtet sich gem. § 16 Abgabenordnung (AO) grundsätzlich nach dem Finanzverwaltungsgesetz (FVG). § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG sieht vor, dass die zuständige Landesregierung durch Rechtsverordnung einem Finanzamt Zuständigkeiten übertragen kann. Für Hamburg ist die Zuständigkeit für die Finanzämter in der "Anordnung über die Zuständigkeiten für Finanzämter" vom 28.10.1997 (ZAO) geregelt.

40

a) Die Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus Abschnitt IV (1) Nr. 2b ZAO.

41

Gem. Abschnitt IV (1) Nr. 2b ZAO ist das Finanzamt für Großunternehmen zuständig für die Besteuerung von Unternehmen, die unter einer einheitlichen Leitung stehen, und von Unternehmen, die durch eine umsatzsteuerliche Organschaft im Sinne des Abschnitts III Absatz 1 verbunden sind, wenn die Umsatzerlöse im Sinne des § 277 Absatz 1 HGB eines verbundenen inländischen Unternehmens 250 Millionen Euro im Wirtschaftsjahr übersteigen. Die Voraussetzungen liegen unstreitig vor.

42

Die Umsatzerlöse der Klägerin haben in allen Jahren, sowohl in den Jahren, für die die Prüfungsanordnung ergangen ist, als auch im Jahr des Erlasses der Prüfungsanordnung, jeweils mehr als 250 Mio € betragen.

43

Die Voraussetzung der einheitlichen Leitung ist ebenfalls gegeben. Gem. IV (2) ZAO stehen Unternehmen unter einheitlicher Leitung im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 insbesondere dann, wenn eine natürliche oder juristische Person, eine Mehrheit von Personen, eine Stiftung oder ein anderes Zweckvermögen unmittelbar oder mittelbar oder über einen Treuhänder auf Grund der Beteiligung, der Stimmrechte oder auf Grund einer sonstigen gesellschaftsrechtlichen Position einen beherrschenden Einfluss auf ein oder mehrere Unternehmen ausüben kann. Im Streitfall stehen die Klägerin und die anderen Gesellschaften des Konzerns unter der einheitlichen Leitung der A GmbH & Co. KG.

44

Die Zuständigkeit ging spätestens in 2013 auf den Beklagten über. Gemäß Abschnitt IV Abs. 6 (6) ZAO erhielt er in diesem Jahr Kenntnis von seiner Zuständigkeit, da er mit Schreiben vom 04.04.2013 der Klägerin die Steuernummer ...-2 zuteilte.

45

b) Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit des Finanzamt Hamburg-Mitte gem. Abschnitt XV (1) Nr. 1 ZAO liegen nicht vor.

46

Hiernach ist das Finanzamt Hamburg-Mitte zuständig für die Besteuerung der Binnenschiffer, deren Schiffe beim Amtsgericht Hamburg im Binnenschiffsregister eingetragen sind.

47

Die Klägerin ist eine Körperschaft und kann daher kein Binnenschiffer im Sinne dieser Vorschrift sein, denn mit dem Begriff des Binnenschiffers ist eine natürliche Person gemeint.

48

aaa) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut. Ein Binnenschiffer ist eine natürliche Person, die die Ausbildung zum Binnenschiffer absolviert hat. Eine Gesellschaft kann keine Ausbildung absolvieren. Eine Gesellschaft kann auch kein Binnenschiffer sein.

49

Soweit die Klägerin gegen diese Auslegung einwendet, dass die Ausbildung nicht entscheidend sein könne, weil noch weitere Voraussetzungen erforderlich seien, um ein Binnenschiff betreiben zu können, kann sie hiermit nicht durchdringen. Es ist für den Streitfall nicht entscheidend, ob neben der Ausbildung noch weitere Voraussetzungen notwendig wären, um die spezielle Zuständigkeit des Finanzamts Hamburg-Mitte zu begründen, denn diese Frage stellt sich bei der Klägerin nicht, da sie als juristische Person bereits die erste Voraussetzung nicht erfüllen kann.

50

bbb) Diese Auslegung wird durch die Systematik des Abschnitts XV ZAO bestätigt, denn auch die nachfolgenden Regelungen in Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 betreffen ausschließlich natürliche Personen. Sofern sich die Klägerin darauf beruft, dass Nr. 5 und 6 auch andere Organisationsformen umfassen, kann sie hiermit nicht überzeugen. Entscheidend ist, dass die der streitrelevanten Regelung Nr. 1 folgenden Nummern (Nr. 2 bis 4) nicht andere als natürliche Person betreffen können. Das Argument der Klägerin hätte systematisch allenfalls dann greifen können, wenn die Regelung für die Binnenschiffer unmittelbar vor der Nr. 5 und 6 geregelt worden wäre, was nicht der Fall ist.

51

Auf die Regelung in der Anlage zu § 1 Nr. 2.7.2 ("Besteuerung der Betriebe der Binnenschifffahrt") der Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung Bremen kommt es nicht an. Hier wurde gerade nicht an den Begriff des Binnenschiffers, sondern an die Betriebe der Binnenschifffahrt angeknüpft. Hätte der Hamburgische Verordnungsgeber diese Anknüpfung gewollt, hätte er die ZAO ändern können. Dieses ist aber nicht geschehen.

52

ccc) Auch die historische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Den Nr. 1 bis 4 des Abschnittes XV (1) ZAO ist gemein, dass bei den drei Berufsgruppen der Nr. 1 bis 3 und bei den Personen ohne festen Wohnsitz (Nr. 4) die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts mit Schwierigkeiten verbunden ist. Entsprechend sahen die Gesetzgeber auch bei den gesetzlichen Regelungen des § 21 Hamburgisches Meldegesetz und des § 28 Bundesmeldegesetz Regelungsbedarf für die Meldepflichten von Binnenschiffern und Seeleuten, da diese ihren gewöhnlichen Aufenthalt an Bord eines Schiffes haben. Nicht entscheidend ist dabei, dass die Regelungen in den Meldegesetzen, die alle an Bord eines Binnenschiffes lebende Personen umfassen, weiter sind als die hier streitige Zuständigkeitsregelung, denn die Formulierungen der Vorschriften sind unterschiedlich. Unerheblich ist auch, dass die hier streitige Zuständigkeitsregelung eine sachliche Zuständigkeitsregelung ist; durch diese wird das entsprechende Finanzamt für die übertragenen Aufgaben sachlich und in seinem Bezirk zugleich auch örtlich zuständig (siehe BFH-Urteil vom 19.04.2012 III R 85/11, BFH/NV 2012, 1411).

53

ddd) Auch die Auslegung nach dem Sinn und Zweck führt zum selben Ergebnis. Die steuerrechtlichen Besonderheiten einer Gesellschaft, die (auch) Binnenschifffahrt betreibt, sind relativ gering. Auch die im Schriftsatz vom 24.02.2015 zusätzlich von der Klägerin aufgezählten Besonderheiten im Binnenschifffahrtsbereich sind nicht wesentlich in diesem Zusammenhang. Zwar können sich im Binnenschifffahrtsbereich einzelne besondere Probleme auch im Steuerrecht stellen. Dies ist aber in anderen Bereichen nicht anders. So bestehen im Bereich der Seeschifffahrt auf Grund der Option zur Besteuerung nach der Tonnage erhebliche steuerrechtliche Besonderheiten. Trotzdem ist die Einrichtung eines besonderen Veranlagungsbereichs auch hierfür nicht zwingend. Die anderen von der Klägerin in diesem Zusammenhang genannten Normen sind keine steuerrechtlichen Regelungen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Sonderreglungen Auswirkungen auf die Besteuerung der Gesellschaft haben könnten.

54

Hingegen unterscheidet sich die Besteuerung einer Körperschaft maßgeblich von der Besteuerung einer natürlichen Person oder Personengesellschaft. Deswegen werden die Körperschaften in den Hamburger Finanzämtern auch in eigenen Veranlagungsdienststellen geführt.

55

Bei der von der Klägerin vorgenommenen Auslegung würden sich zudem erhebliche Abgrenzungsprobleme ergeben. Es wäre z. B. zu bestimmen, in welchem Umfang die Erträge oder Umsätze aus der Binnenschifffahrt stammen müssten in Abgrenzung zu Erträgen und Umsätzen aus anderen Unternehmensbereichen des Steuerpflichtigen, ob die Erträge oder die Umsätze maßgeblich wären und wann eine schädliche Grenze überschritten wird. Bei einer natürlichen Person stellt sich diese Frage nicht in dem gleichen Umfang.

56

cc) Es kommt daher nicht mehr auf die Frage an, welche der beiden Zuständigkeitsregelungen die speziellere Regelung enthält und deshalb vorgeht.

57

dd) Die weiteren Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung liegen vor. Insbesondere sind keine Ermessensfehler gem. § 102 FGO ersichtlich. Dies behauptet auch die Klägerin nicht.

58

II.

Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

59

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor, da es sich bei der maßgeblichen Frage um Landesrecht handelt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 19.04.2012 III R 85/11, BFH/NV 2012, 1411; BFH-Urteil vom 26.03.1991, IX R 39/88, BStBl II 1991, 439; BFH, Beschluss vom 02.03.1982 VII B 148/81, BStBl II 1982, 327).

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Die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden richtet sich, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz über die Finanzverwaltung.

(1) Die für die Finanzverwaltung zuständige oberste Landesbehörde bestimmt den Bezirk und den Sitz der Finanzämter.

(2) Die Finanzämter sind als örtliche Landesbehörden für die Verwaltung der Steuern mit Ausnahme der Kraftfahrzeugsteuer, der sonstigen auf motorisierte Verkehrsmittel bezogenen Verkehrsteuern, der Zölle und der bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern (§ 12) zuständig, soweit die Verwaltung nicht auf Grund des Artikels 108 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes den Bundesfinanzbehörden oder auf Grund des Artikels 108 Absatz 4 Satz 2 des Grundgesetzes den Gemeinden (Gemeindeverbänden) übertragen worden ist. Sie sind ferner für die ihnen sonst übertragenen Aufgaben zuständig. Soweit es sich um Aufgaben der Finanzverwaltung handelt und der Vollzug der Aufgaben verbessert oder erleichtert wird, kann die zuständige Landesregierung durch Rechtsverordnung

1.
die Zuständigkeit eines Finanzamts oder einer besonderen Landesfinanzbehörde (§ 2 Absatz 3) auf einzelne Aufgaben beschränken,
2.
einem Finanzamt oder einer besonderen Landesfinanzbehörde (§ 2 Absatz 3) Zuständigkeiten für die Bezirke mehrerer Finanzämter übertragen oder
3.
einer Landesoberbehörde (§ 6) die landesweite Zuständigkeit für Kassengeschäfte und das Erhebungsverfahren einschließlich der Vollstreckung übertragen.
Die Landesregierung kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die für die Finanzverwaltung zuständige oberste Landesbehörde übertragen.

(3) Wenn im Besteuerungsverfahren automatische Einrichtungen eingesetzt werden, können durch Rechtsverordnung der zuständigen Landesregierung damit zusammenhängende Steuerverwaltungstätigkeiten auf ein nach § 2 Abs. 2 eingerichtetes Rechenzentrum übertragen werden. Dieses handelt insoweit für das jeweils örtlich zuständige Finanzamt. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend.

(4) Auf Grund eines Staatsvertrages zwischen mehreren Ländern können Zuständigkeiten nach Absatz 2 Satz 1 und 2 auf ein Finanzamt, ein nach § 2 Abs. 2 eingerichtetes Rechenzentrum der Landesfinanzverwaltung oder eine besondere Landesfinanzbehörde (§ 2 Abs. 3) außerhalb des Landes übertragen werden.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann zur Effizienzsteigerung im Verwaltungsvollzug auf Antrag von und im Einvernehmen mit allen unmittelbar betroffenen Ländern durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates jeweils Zuständigkeiten nach Absatz 2 Satz 1 eines Landes oder mehrerer Länder auf ein Finanzamt, ein nach § 2 Absatz 2 eingerichtetes Rechenzentrum der Landesfinanzverwaltung oder eine besondere Landesfinanzbehörde (§ 2 Absatz 3) eines anderen Landes übertragen. Absatz 4 bleibt unberührt. Durch die Rechtsverordnung nach Satz 1 kann zugleich die Kostentragung geregelt werden.

(1) Als Umsatzerlöse sind die Erlöse aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung von Produkten sowie aus der Erbringung von Dienstleistungen der Kapitalgesellschaft nach Abzug von Erlösschmälerungen und der Umsatzsteuer sowie sonstiger direkt mit dem Umsatz verbundener Steuern auszuweisen.

(2) Als Bestandsveränderungen sind sowohl Änderungen der Menge als auch solche des Wertes zu berücksichtigen; Abschreibungen jedoch nur, soweit diese die in der Kapitalgesellschaft sonst üblichen Abschreibungen nicht überschreiten.

(3) Außerplanmäßige Abschreibungen nach § 253 Absatz 3 Satz 5 und 6 sind jeweils gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben. Erträge und Aufwendungen aus Verlustübernahme und auf Grund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungs- oder eines Teilgewinnabführungsvertrags erhaltene oder abgeführte Gewinne sind jeweils gesondert unter entsprechender Bezeichnung auszuweisen.

(4) (weggefallen)

(5) Erträge aus der Abzinsung sind in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert unter dem Posten „Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge“ und Aufwendungen gesondert unter dem Posten „Zinsen und ähnliche Aufwendungen“ auszuweisen. Erträge aus der Währungsumrechnung sind in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert unter dem Posten „Sonstige betriebliche Erträge“ und Aufwendungen aus der Währungsumrechnung gesondert unter dem Posten „Sonstige betriebliche Aufwendungen“ auszuweisen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) lebt mittlerweile in Frankreich und ist in Deutschland seit dem 1. Januar 2006 nur noch beschränkt steuerpflichtig. Während der Zeit seiner unbeschränkten Steuerpflicht wurde der Kläger steuerlich bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) geführt.

2

Mit Schreiben vom 25. April 2007 beantragte der Kläger beim FA den Erlass von rückständigen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen, soweit diese einen Betrag von 20.000 € überstiegen. Das FA lehnte den Erlassantrag wegen fehlender sachlicher und persönlicher Billigkeit ab. Der Einspruch blieb erfolglos. Im Klageverfahren machte der Kläger u.a. geltend, mittlerweile sei das FA X örtlich für ihn zuständig, so dass der Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung des FA bereits aus diesem Grund aufzuheben seien.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte es u.a. aus, im Hinblick auf § 127 der Abgabenordnung (AO) mache der Kläger ohne Erfolg geltend, dass das FA für die Entscheidung örtlich nicht mehr zuständig gewesen sei. Da die Voraussetzungen des § 227 erster Halbsatz AO nicht erfüllt seien, habe keine andere Entscheidung in der Sache getroffen werden können.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

5

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Einspruch dem FA X zur Entscheidung vorzulegen.

6

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7

Es trägt vor, im Land Berlin sei das FA X für die Besteuerung der beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen zuständig. Dies gelte allerdings nur für die Zeit der beschränkten Steuerpflicht. In Fällen des Wechsels von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht bleibe das bisher zuständige FA für die Veranlagungszeiträume, in denen ausschließlich eine unbeschränkte Steuerpflicht bestanden habe, weiter zuständig.

8

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision ist begründet, soweit der Kläger beantragt hat, das angefochtene FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

10

Das FG hat sich zu Unrecht nicht mit der Frage der --örtlichen und sachlichen-- Zuständigkeit des FA für die Entscheidung über den von dem Kläger gestellten Erlassantrag auseinandergesetzt.

11

a) Zwar kann --wie auch das FG ausgeführt hat-- die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 AO nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (§ 127 AO). Die Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf gebundene Verwaltungsakte. Bei Ermessensentscheidungen kann dagegen grundsätzlich nicht angenommen werden, dass keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Oktober 1998 V R 77/97, BFH/NV 1999, 585, m.w.N.).

12

Um eine derartige Ermessensentscheidung handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des BFH bei der Entscheidung über einen Billigkeitserlass nach § 227 AO (vgl. grundlegend den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 Gms-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteil vom 7. Mai 1981 VII R 64/79, BFHE 133, 262, BStBl II 1981, 608; a.A. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 227 AO Rz 20 ff., der die Unbilligkeit der Einziehung als gerichtlich in vollem Umfang überprüfbaren unbestimmten Gesetzesbegriff qualifiziert).

13

b) Von vornherein nicht anwendbar ist § 127 AO im Falle der Verletzung der sachlichen Zuständigkeit. Ein solcher Verfahrensfehler ist stets beachtlich (vgl. BFH-Urteil vom 21. April 1993 X R 112/91, BFHE 171, 15, BStBl II 1993, 649, unter B.II.2.d, m.w.N.).

14

c) Zwischen den Beteiligten ist indes streitig, ob der durch den Wegzug des Klägers ausgelöste Übergang von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht zu einem --wie der Kläger meint-- Wechsel der örtlichen Zuständigkeit oder --worauf sich das FA beruft-- zu einer neu begründeten sachlichen Zuständigkeit des FA X unter gleichzeitig fortbestehender (örtlicher und sachlicher) Zuständigkeit des FA für die noch nicht vollständig abgewickelten Veranlagungszeiträume der unbeschränkten Steuerpflicht geführt hat.

15

aa) Die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden richtet sich, soweit nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 16 AO nach dem Gesetz über die Finanzverwaltung (FVG).

16

Grundsätzlich ist das einzelne FA in seinem nach § 17 Abs. 1 FVG bestimmten Bezirk für die Verwaltung aller durch das Bundesland verwalteten Steuern zuständig (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 17 FVG Rz 5). Nach § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG können indes durch Rechtsverordnung einem FA Zuständigkeiten für die Bezirke mehrerer FÄ übertragen werden, soweit es sich um Aufgaben der Finanzverwaltung handelt und dadurch der Vollzug der Aufgaben verbessert oder erleichtert wird. Dieses FA wird damit für die übertragene Aufgabe sachlich --und in seinem Bezirk zugleich örtlich-- zuständig (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 IX R 39/88, BFHE 163, 514, BStBl II 1991, 439; Schmieszek in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 17 FVG Rz 14, 17 und 30).

17

bb) Von dieser Ermächtigung hat die Senatsverwaltung für Finanzen durch die Verordnung über besondere Zuständigkeitsregelungen im Bereich der Finanzverwaltung des Landes Berlin (Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung --FÄZustVO--) vom 3. Dezember 2003 in der zum 1. Juli 2004 geänderten Fassung vom 2. Juni 2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin --GVBl Bln-- 2003, 594, GVBl Bln 2004, 241) und ersetzt durch die FÄZustVO vom 13. September 2007 (GVBl Bln 2007, 322, GVBl Bln 2010, 259) Gebrauch gemacht. Nach § 2 FÄZustVO i.V.m. Nr. 5 der Anlagen ist dem FA X die (sachliche) Zuständigkeit für die Besteuerung der beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen für den Bereich aller Berliner FÄ übertragen.

18

cc) Auf diese Übertragung (nur) der sachlichen Zuständigkeit auf das FA X beruft sich das FA. Zugleich schließt es hieraus, dass es für die Veranlagungszeiträume vor dem Eintritt der beschränkten Steuerpflicht weiterhin für die Besteuerung des Klägers und damit auch für die Entscheidung über den Erlass der aus dieser Zeit herrührenden Steuern und steuerlichen Nebenleistungen zuständig geblieben ist.

19

d) Die Prüfung, ob die Interpretation der FÄZustVO durch das FA zutreffend ist --und es demzufolge zu Recht als die örtlich und sachlich zuständige Behörde über den Erlassantrag des Klägers entschieden hätte--, ist dem erkennenden Senat jedoch verwehrt. Insoweit handelt es sich um nichtrevisibles Landesrecht (vgl. BFH-Beschluss vom 2. März 1982 VII B 148/81, BFHE 135, 169, BStBl II 1982, 327; BFH-Urteile in BFHE 163, 514, BStBl II 1991, 439; vom 11. September 1991 XI R 16/90, BFHE 165, 466, BStBl II 1992, 132). Die Feststellung nichtrevisiblen Rechts ist grundsätzlich Sache des FG (BFH-Urteil in BFHE 163, 514, BStBl II 1991, 439, m.w.N.). Dieses wird im zweiten Rechtsgang deshalb die Auswirkungen des Wegzugs des Klägers auf die --sachlichen und örtlichen-- Zuständigkeiten der FÄ Y und X insbesondere anhand der FÄZustVO zu würdigen haben.

20

2. Soweit der Kläger im Revisionsverfahren erstmals begehrt, das FA zu verpflichten, seinen Einspruch dem FA X zur Entscheidung vorzulegen, ist die Revision unzulässig (§ 126 Abs. 1 FGO), da eine Erweiterung des Klageantrags im Revisionsverfahren nicht zulässig ist (§ 123 FGO).

21

Mit seiner Klage hatte der Kläger vor dem FG lediglich die Aufhebung der von dem FA erlassenen Verwaltungsakte begehrt. Hierüber hat das FG entschieden. Über das erstmals im Revisionsverfahren durch Erweiterung des Klageantrags erhobene Begehren ist gerichtlich dagegen nicht entschieden. Es fehlt insoweit an einem Gegenstand der revisionsrechtlichen Nachprüfung (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juli 1987 I R 297/83, BFH/NV 1988, 673) und damit an der erforderlichen formellen Beschwer (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 120 Rz 56, m.w.N.). Letztere als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Revision ist nur gegeben, soweit das FG dem Klagebegehren nicht voll entsprochen oder über dieses nicht befunden hat (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1976 IV R 236/71, BFHE 120, 348, BStBl II 1977, 62).

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) lebt mittlerweile in Frankreich und ist in Deutschland seit dem 1. Januar 2006 nur noch beschränkt steuerpflichtig. Während der Zeit seiner unbeschränkten Steuerpflicht wurde der Kläger steuerlich bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) geführt.

2

Mit Schreiben vom 25. April 2007 beantragte der Kläger beim FA den Erlass von rückständigen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen, soweit diese einen Betrag von 20.000 € überstiegen. Das FA lehnte den Erlassantrag wegen fehlender sachlicher und persönlicher Billigkeit ab. Der Einspruch blieb erfolglos. Im Klageverfahren machte der Kläger u.a. geltend, mittlerweile sei das FA X örtlich für ihn zuständig, so dass der Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung des FA bereits aus diesem Grund aufzuheben seien.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte es u.a. aus, im Hinblick auf § 127 der Abgabenordnung (AO) mache der Kläger ohne Erfolg geltend, dass das FA für die Entscheidung örtlich nicht mehr zuständig gewesen sei. Da die Voraussetzungen des § 227 erster Halbsatz AO nicht erfüllt seien, habe keine andere Entscheidung in der Sache getroffen werden können.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

5

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Einspruch dem FA X zur Entscheidung vorzulegen.

6

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7

Es trägt vor, im Land Berlin sei das FA X für die Besteuerung der beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen zuständig. Dies gelte allerdings nur für die Zeit der beschränkten Steuerpflicht. In Fällen des Wechsels von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht bleibe das bisher zuständige FA für die Veranlagungszeiträume, in denen ausschließlich eine unbeschränkte Steuerpflicht bestanden habe, weiter zuständig.

8

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision ist begründet, soweit der Kläger beantragt hat, das angefochtene FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

10

Das FG hat sich zu Unrecht nicht mit der Frage der --örtlichen und sachlichen-- Zuständigkeit des FA für die Entscheidung über den von dem Kläger gestellten Erlassantrag auseinandergesetzt.

11

a) Zwar kann --wie auch das FG ausgeführt hat-- die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 AO nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (§ 127 AO). Die Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf gebundene Verwaltungsakte. Bei Ermessensentscheidungen kann dagegen grundsätzlich nicht angenommen werden, dass keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Oktober 1998 V R 77/97, BFH/NV 1999, 585, m.w.N.).

12

Um eine derartige Ermessensentscheidung handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des BFH bei der Entscheidung über einen Billigkeitserlass nach § 227 AO (vgl. grundlegend den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 Gms-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteil vom 7. Mai 1981 VII R 64/79, BFHE 133, 262, BStBl II 1981, 608; a.A. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 227 AO Rz 20 ff., der die Unbilligkeit der Einziehung als gerichtlich in vollem Umfang überprüfbaren unbestimmten Gesetzesbegriff qualifiziert).

13

b) Von vornherein nicht anwendbar ist § 127 AO im Falle der Verletzung der sachlichen Zuständigkeit. Ein solcher Verfahrensfehler ist stets beachtlich (vgl. BFH-Urteil vom 21. April 1993 X R 112/91, BFHE 171, 15, BStBl II 1993, 649, unter B.II.2.d, m.w.N.).

14

c) Zwischen den Beteiligten ist indes streitig, ob der durch den Wegzug des Klägers ausgelöste Übergang von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht zu einem --wie der Kläger meint-- Wechsel der örtlichen Zuständigkeit oder --worauf sich das FA beruft-- zu einer neu begründeten sachlichen Zuständigkeit des FA X unter gleichzeitig fortbestehender (örtlicher und sachlicher) Zuständigkeit des FA für die noch nicht vollständig abgewickelten Veranlagungszeiträume der unbeschränkten Steuerpflicht geführt hat.

15

aa) Die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden richtet sich, soweit nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 16 AO nach dem Gesetz über die Finanzverwaltung (FVG).

16

Grundsätzlich ist das einzelne FA in seinem nach § 17 Abs. 1 FVG bestimmten Bezirk für die Verwaltung aller durch das Bundesland verwalteten Steuern zuständig (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 17 FVG Rz 5). Nach § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG können indes durch Rechtsverordnung einem FA Zuständigkeiten für die Bezirke mehrerer FÄ übertragen werden, soweit es sich um Aufgaben der Finanzverwaltung handelt und dadurch der Vollzug der Aufgaben verbessert oder erleichtert wird. Dieses FA wird damit für die übertragene Aufgabe sachlich --und in seinem Bezirk zugleich örtlich-- zuständig (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 IX R 39/88, BFHE 163, 514, BStBl II 1991, 439; Schmieszek in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 17 FVG Rz 14, 17 und 30).

17

bb) Von dieser Ermächtigung hat die Senatsverwaltung für Finanzen durch die Verordnung über besondere Zuständigkeitsregelungen im Bereich der Finanzverwaltung des Landes Berlin (Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung --FÄZustVO--) vom 3. Dezember 2003 in der zum 1. Juli 2004 geänderten Fassung vom 2. Juni 2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin --GVBl Bln-- 2003, 594, GVBl Bln 2004, 241) und ersetzt durch die FÄZustVO vom 13. September 2007 (GVBl Bln 2007, 322, GVBl Bln 2010, 259) Gebrauch gemacht. Nach § 2 FÄZustVO i.V.m. Nr. 5 der Anlagen ist dem FA X die (sachliche) Zuständigkeit für die Besteuerung der beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen für den Bereich aller Berliner FÄ übertragen.

18

cc) Auf diese Übertragung (nur) der sachlichen Zuständigkeit auf das FA X beruft sich das FA. Zugleich schließt es hieraus, dass es für die Veranlagungszeiträume vor dem Eintritt der beschränkten Steuerpflicht weiterhin für die Besteuerung des Klägers und damit auch für die Entscheidung über den Erlass der aus dieser Zeit herrührenden Steuern und steuerlichen Nebenleistungen zuständig geblieben ist.

19

d) Die Prüfung, ob die Interpretation der FÄZustVO durch das FA zutreffend ist --und es demzufolge zu Recht als die örtlich und sachlich zuständige Behörde über den Erlassantrag des Klägers entschieden hätte--, ist dem erkennenden Senat jedoch verwehrt. Insoweit handelt es sich um nichtrevisibles Landesrecht (vgl. BFH-Beschluss vom 2. März 1982 VII B 148/81, BFHE 135, 169, BStBl II 1982, 327; BFH-Urteile in BFHE 163, 514, BStBl II 1991, 439; vom 11. September 1991 XI R 16/90, BFHE 165, 466, BStBl II 1992, 132). Die Feststellung nichtrevisiblen Rechts ist grundsätzlich Sache des FG (BFH-Urteil in BFHE 163, 514, BStBl II 1991, 439, m.w.N.). Dieses wird im zweiten Rechtsgang deshalb die Auswirkungen des Wegzugs des Klägers auf die --sachlichen und örtlichen-- Zuständigkeiten der FÄ Y und X insbesondere anhand der FÄZustVO zu würdigen haben.

20

2. Soweit der Kläger im Revisionsverfahren erstmals begehrt, das FA zu verpflichten, seinen Einspruch dem FA X zur Entscheidung vorzulegen, ist die Revision unzulässig (§ 126 Abs. 1 FGO), da eine Erweiterung des Klageantrags im Revisionsverfahren nicht zulässig ist (§ 123 FGO).

21

Mit seiner Klage hatte der Kläger vor dem FG lediglich die Aufhebung der von dem FA erlassenen Verwaltungsakte begehrt. Hierüber hat das FG entschieden. Über das erstmals im Revisionsverfahren durch Erweiterung des Klageantrags erhobene Begehren ist gerichtlich dagegen nicht entschieden. Es fehlt insoweit an einem Gegenstand der revisionsrechtlichen Nachprüfung (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juli 1987 I R 297/83, BFH/NV 1988, 673) und damit an der erforderlichen formellen Beschwer (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 120 Rz 56, m.w.N.). Letztere als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Revision ist nur gegeben, soweit das FG dem Klagebegehren nicht voll entsprochen oder über dieses nicht befunden hat (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1976 IV R 236/71, BFHE 120, 348, BStBl II 1977, 62).