Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 15. Juni 2016 - 9 K 2564/14

bei uns veröffentlicht am15.06.2016

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin (Klin) ist in der Rechtsform einer GmbH im Bereich der ......... tätig. Sie versteuerte ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Umsatzsteuergesetz (UStG) zum Regelsteuersatz.
Die Klin stellte am 10. Mai 2012 beim Amtsgericht -AG- X einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung (Bl. 1 der Insolvenzakte...). Mit Beschluss des AG X vom 16 . Mai 2012 wurde der Klin im Insolvenzeröffnungsverfahren gemäß § 270a Insolvenzordnung (InsO) ein vorläufiger Sachwalter bestellt und gemäß §§ 21 Abs. 2 Nr. 1a, 22a Abs. 2 InsO ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt (Bl. 338 und 341 der Insolvenzakte...). Vom vorläufigen Sachwalter wurde am 18. Mai 2012 ein Anderkonto eingerichtet, über welches nur dieser verfügungsberechtigt war. Die Schuldner der Klin wurden durch sie schriftlich darüber informiert, dass ausstehende Zahlungen auf das Anderkonto zu leisten sind und nur Zahlungen hierauf schuldbefreiende Wirkung haben. Diese Schreiben wurden sowohl vom Geschäftsführer der Klin als auch vom vorläufigen Sachwalter unterzeichnet. Das bisherige Girokonto der Klin bestand weiter und wurde von dieser zum ausgehenden Zahlungsverkehr genutzt. Der Sachwalter überwies vor anstehenden Zahlungen an Gläubiger nach Unterrichtung durch die Klin die entsprechenden Geldbeträge vom Anderkonto auf das Girokonto. Mit Beschluss vom 27. Juli 2012 wurde zur Sicherung und Erhaltung des Vermögens angeordnet: „Die Schuldnerin wird ermächtigt, zur Aufrechterhaltung und Fortführung des Geschäftsbetriebs notwendige Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen und Dienstleistungen mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters als Masseverbindlichkeiten zu Lasten der späteren Insolvenzmasse zu begründen (analog §§ 270a, 22 Abs. 2, 55 Abs. 2 InsO)“.
Mit Beschluss vom 1. August 2012 eröffnete das AG X das Insolvenzverfahren unter Anordnung der Eigenverwaltung und Bestellung eines Sachwalters. Am 21. September 2012 fasste die Gläubigerversammlung den Beschluss, dass eingehende Gelder auf dem Treuhandkonto des Sachwalters bei der A-Bank (Kontonr. 22...) verwahrt werden. Mit Beschluss vom 24. Januar 2013 wurde der Insolvenzplan bestätigt und das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 12. Februar 2013 aufgehoben.
Die Klin gab ihre Umsatzsteuer(USt)-Voranmeldung für den Monat August 2012 am 31. Oktober 2012 ab. Am 18. Januar 2013 fand bei der Klin eine USt-Nachschau und Sonderprüfung hinsichtlich der USt August bis Oktober 2012 statt. Der Prüfer stellte die nachfolgend näher dargestellten Umsätze fest:
Leistungszeitpunkt
Rechnungsdatum
Entgelt netto
USt     
Entgelt brutto
zwischen 27.02.2012 und 9.03.2012
14. März 2012
510,65 EUR
97,02 EUR
607,67 EUR
zwischen 5.03.2012 und 13.04.2012
18. April 2012
6.608,75 EUR
1.255,66 EUR
7.864,41 EUR
zwischen Mai und Juni 2012
12. Juli 2012
14.900 EUR
2.831 EUR
17.731 EUR
zwischen Juni und 12. Juli 2012
12. Juli 2012
12.300 EUR
2.337 EUR
14.637 EUR
zwischen 1. Juli und 17. Juli 2012
17.Juli 2012
91.494,75 EUR
17.384 EUR
108.878,75 EUR
Gesamt
        
125.814,15 EUR
23.904,68 EUR
149.717,83 EUR
Die Schuldner leisteten die Zahlungen am 16. bzw. 23. August 2012 auf das bei der A-Bank eingerichtete Anderkonto (Nr. 22... - Konto 23..).
Die Klin hatte diese Umsätze nicht in ihrer USt-Voranmeldung August 2012 angemeldet, da sie die daraus resultierende USt als Insolvenzforderung qualifizierte. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass bei Leistungen, die vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erbracht worden seien und bei denen das Entgelt zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht vereinnahmt worden sei, gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 UStG die USt zu berichtigen sei. Bei späterer Vereinnahmung des Entgelts durch den Insolvenzverwalter sei der USt-Betrag im Zeitpunkt der Vereinnahmung erneut zu berichtigen. Diese Steuer begründe eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Ebenso lägen bei Vereinnahmung von Entgelten aus Umsätzen während des vorläufigen Insolvenzverfahrens bei einem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 InsO vor. Diese Grundsätze seien auch bei der Anordnung von Eigenverwaltung und Bestellung eines Sachwalters anzuwenden. Der Prüfer bezog sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 9. Dezember 2010 (V R 22/10, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2011, 996).
Dieser Auffassung folgend erließ der Bekl am 24. April 2013 einen geänderten Bescheid zur USt für den Monat August 2012 unter der Masse-Steuernummer der Klin. Hiergegen legte die Klin am 30. April 2013 Einspruch ein, den der Bekl mit Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2014 als unbegründet zurückwies. Der Bekl erließ am 16. November 2015 unter der Masse-Steuernummer den USt-Bescheid 2012 und setzte unter Aufrechterhaltung seiner bisherigen Rechtsauffassung USt in Höhe von 70.257,55 EUR fest. Die Klin hatte demgegenüber in ihrer USt-Erklärung 2012 vom 14. Juli 2014 eine USt-Festsetzung von 46.352,91 EUR ermittelt.
Mit ihrer gegen die Einspruchsentscheidung erhobenen Klage wendet sich die Klin gegen die vom Bekl vorgenommene Behandlung der Umsätze. Sie trägt zur Begründung vor, dass die Vereinnahmung von Entgelten aus Umsätzen vor der Insolvenzeröffnung eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO darstellen könne, wenn die Verbindlichkeit (die Umsatzsteuer auf Forderungen) durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden sei. Da im Falle der Eigenverwaltung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und damit auch die Empfangszuständigkeit für offene Forderungen, entgegen der Wirkung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens gemäß §§ 80 ff. InsO, nicht auf den Sachwalter übergehe, sondern beim Insolvenzschuldner, also bei ihr, verbleiben würde, komme es nicht zur Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile und somit weder zu einer Begründung der Verbindlichkeit durch den Schuldner noch durch den Sachwalter. Die vom Bekl zitierte Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BStBl II 2011, 996) sei nicht auf die Eigenverwaltung anwendbar. Die USt aus den streitigen Umsätzen sei als Insolvenzschuld zu behandeln. § 17 UStG sei für den Fall der Eigenverwaltung oder der Insolvenz nicht einschlägig. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung trete keine Änderung der Bemessungsgrundlage ein. Der Schuldner bleibe verpflichtet, das Entgelt für die Leistungen zu entrichten. Die Vorschrift des § 17 UStG richte den Blick vom Leistungserbringer zum Schuldner des Entgelts. Uneinbringlichkeit in diesem Sinne meine nur die Zahlungsunfähigkeit des Leistungsempfängers. Eine Anwendung des umsatzsteuerlichen Begriffs der Uneinbringlichkeit auf die Verwaltungsbefugnisse beim leistenden Unternehmen könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Im Übrigen müsste als Folge dieser behaupteten Uneinbringlichkeit der Forderungen auf der Ebene des Unternehmers in Eigenverwaltung eine Vorsteuerkürzung beim Leistungsempfänger eingreifen. Dies sei aber nicht der Fall, weil der Leistungsempfänger - unabhängig von den Verwaltungsverhältnissen seines Lieferanten - vom Bestehen seiner Verpflichtung ausgehe, das Entgelt zahlen zu müssen. Das dem USt-Recht immanente Korrespondenzprinzip sei verletzt. Eine einmal entstandene USt-Schuld könne durch Gesamtrechtsnachfolge auf einen anderen Rechtsträger übergehen. Sie erfahre aber keine Änderung z.B. durch Wechsel in der Geschäftsführung.
10 
Die Klin beantragt,
den Bescheid über USt 2012 vom 16. November 2015 dahingehend zu ändern, dass die festgesetzte USt um 23.904,68 EUR herabgesetzt wird,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
11 
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
12 
Zur Begründung trägt er unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung vor, dass die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung - wonach bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Unternehmers hinsichtlich der noch nicht entrichteten Leistungsentgelte für Umsätze vor Verfahrenseröffnung Uneinbringlichkeit eintrete - auch auf die Eigenverwaltung anzuwenden seien. Auch in diesem Fall sei die USt mit Verfahrenseröffnung zunächst wegen Uneinbringlichkeit zu berichtigen. Bei Vereinnahmung des Entgelts entstehe aufgrund der erneuten Berichtigung eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
13 
Dies gelte auch für Steuerbeträge, die auf im eigenverwaltenden Insolvenzeröffnungsverfahren erbrachten Leistungen beruhen und bei denen das Entgelt nach Verfahrenseröffnung vereinnahmt werde.
14 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten ausgetauschten Schriftsätze nebst deren Anlagen, die beigezogene Akte des AG X... und die vom Bekl vorgelegten Steuerakten Bezug genommen (§ 71 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Entscheidungsgründe

15 
Die Klage ist unbegründet.
16 
I. Zu Recht hat der Bekl die im August 2012 vereinnahmten Entgelte unter der Massesteuernummer im USt-Bescheid 2012 vom 16. November 2015, der in entsprechender Anwendung des § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 UStG berichtigt und den Umsätzen der Klin hinzugerechnet. Die dadurch entstandene Steuer begründet eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn die für das Insolvenzverfahren mit Bestellung eines Insolvenzverwalters geltenden Grundsätze sind auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Anordnung der Eigenverwaltung anzuwenden, so dass die Entgeltvereinnahmung zu einer Berichtigung des Steuerbetrags führt.
17 
1. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag für steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen.
18 
Uneinbringlichkeit setzt nach ständiger BFH-Rechtsprechung voraus, dass der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (z.B. BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1). Zumindest im Sonderfall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann sich die fehlende Durchsetzbarkeit für den Leistenden aus Umständen ergeben, die in seiner Person oder in der Person des Leistungsempfängers begründet sind. Wird über das Vermögen eines Unternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, tritt daher hinsichtlich der noch nicht entrichteten Leistungsentgelte Uneinbringlichkeit ein. Unerheblich ist, ob es sich um ein Entgelt für eine vom Unternehmer bezogene oder erbrachte Leistung handelt (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BStBl II 2011, 996).
19 
a) Zwar gilt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Unternehmenseinheit, das Unternehmen besteht jedoch nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen (vgl. BFH, Urteil vom 1. September 2010 VII R 35/08, Der Betrieb -DB- 2010, 2596, unter II.2.), zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des leistenden Unternehmers kommt es zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile, bei denen es sich z.B. um die Insolvenzmasse und das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen handeln kann. Zur Wahrung des Grundsatzes der Unternehmenseinheit reicht es aus, dass die Summe der für alle Unternehmensteile insgesamt festgesetzten oder angemeldeten USt derjenigen für das gesamte Unternehmen entspricht (BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99, BStBl II 2000, 639, unter II.1. und 5.). Neben der Insolvenzmasse und dem vom Insolvenzverwalter freigegebenen Vermögen besteht auch ein vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil. Die diesen Unternehmensteil betreffenden USt-Ansprüche können nur zur Tabelle (§§ 174 ff. InsO) angemeldet, nicht aber wie z.B. Masseverbindlichkeiten durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt werden.
20 
b) Wird demnach die Entgeltforderung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich, begründet die spätere Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter eine erneute Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Diese Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen. Die erste Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil und die zweite Steuerberichtigung aufgrund der Vereinnahmung führen somit zu einer zutreffenden Besteuerung des Gesamtunternehmens. Dies liegt darin begründet, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter übergeht (Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 16. Juli 2009 IX ZR 118/08, Entscheidungssammlung des BGH in Zivilsachen -BGHZ- 182, 85, unter II.1., m.w.N.). Der Unternehmer ist somit aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da diese in die Insolvenzmasse zu leisten sind. Damit korrespondiert auch, dass dieser Unternehmensteil rechtlich nicht mehr befugt ist, "öffentliche Gelder" entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21). Diese sog. Doppelberichtigungsrechtsprechung des BFH dient dem unionsrechtlichen Grundsatz der Steuerneutralität und vermeidet zugleich eine nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unzulässige Beihilfe (Seer, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2016, 1289). Sie verstößt damit nicht gegen Unionsrecht (BFH-Urteile vom 24. September 2014 V R 48/13, BStBl II 2015, 506 und vom 1. März 2016 XI R 21/14, BFHE nn).
21 
2. Nach Auffassung des Senats sind diese für das Insolvenzverfahren mit Bestellung eines Insolvenzverwalters geltenden Grundsätze auch dann anzuwenden, wenn - wie im Streitfall durch den Beschluss des Amtsgerichts X vom 1. August 2012 - das Insolvenzverfahren eröffnet und vom Insolvenzgericht die Eigenverwaltung angeordnet wird.
22 
a) Es ist zwar zutreffend, dass im Fall der Eigenverwaltung § 80 InsO keine Anwendung findet, also die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weder auf einen Insolvenzverwalter noch auf den Sachwalter übergeht (Buchalik/Hiebert, Zeitschrift für Insolvenzrecht -ZInsO- 2015, 1953). Es gelten vielmehr die in §§ 270 ff. InsO normierten Regeln.
23 
aa) Nach § 270 Abs. 1 S. 1 InsO ist der Schuldner berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. Dies bedeutet aber nicht, dass die vorinsolvenzliche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Insolvenzschuldnerin unverändert fortbesteht, denn der Schuldner -also die Klin - erhält diese durch den die Eigenverwaltung anordnenden Beschluss übertragen (Foltis in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung -FK- 8. Auflage 2015, § 270 InsO Rz. 24). Dies folgt daraus, dass die Eigenverwaltung lediglich eine besondere Verfahrensart des Insolvenzverfahrens ist (Foltis in: FK, § 270 InsO Rz. 5). Ziel des Insolvenzverfahrens ist auch bei Anordnung der Eigenverwaltung die bestmögliche, gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger. Der Schuldner hat sein Handeln bei der Geschäftsführung und die Ausübung der ihm eingeräumten Befugnisse deshalb an dem Interesse dieses Verfahrensziels auszurichten (Wittig/Tetzlaff in: Münchener Kommentar Insolvenzordnung, § 270 Rz. 71). Es soll mit der Eigenverwaltung für die gemeinsame Befriedigung aller Gläubiger (§ 1 InsO) ein weiteres Instrument zur Verfügung gestellt werden (Foltis in: FK, vor §§ 270 ff. InsO Rz. 2).
24 
§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO ist mithin dahingehend zutreffend zu verstehen, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht beim Schuldner „bleibt“, sondern diesem mit dem Anordnungsbeschluss eingeräumt wird. Der Schuldner erlangt durch den konstitutiven Akt der Anordnung der Eigenverwaltung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Masse, um sie im Sinne der Gläubigergleichbehandlung zu sichern und zu verwerten (Zipperer in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Auflage 2015, § 270 Rz. 12; Foltis in: FK, § 270 InsO Rn 7). Er erhält damit Befugnisse, die dem Insolvenzverwalter in einem Verfahren ohne Eigenverwaltung zustehen (Graf-Schlicker in: Graf-Schlicker, Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2014, § 270a InsO Rz. 13).Der Schuldner handelt nunmehr also nicht mehr kraft eigener Privatautonomie, sondern übt die ihm durch den Konstitutivakt der Anordnung zugewiesenen Befugnisse als Amtswalter aus (Zipperer in: Uhlenbruck, § 270 InsO Rz. 29).
25 
Dies bedeutet: Der Schuldner „bleibt“ gerade nicht berechtigt, seine bisherigen Befugnisse auszuüben, sondern ihm wird eine originär insolvenzrechtliche Befugnis eingeräumt, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen (Wittig/Tetzlaff in: Münchener Kommentar Insolvenzordnung, § 270 InsO Rn 69-70). Der Entzug der Verwaltungs- und Verfügungsmacht im Umfang der Beschlagnahme als allgemeine Folge der Insolvenzeröffnung fällt mit der Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsmacht in dem eingeschränkten Umfang der Eigenverwaltungsbefugnisse zusammen. Es lässt sich von einem „Doppelbeschluss“ sprechen (Foltis in: FK, § 270 InsO Rz. 9). Während also der vorinsolvenzliche Schuldner als freies Rechtssubjekt in Privatautonomie handelt, der frei über sein Vermögen verfügen kann, handelt der eigenverwaltende Schuldner als unfreies Insolvenzorgan, welches nur als solches die insolvenzgläubigergebundenen Vermögensgegenstände verwaltet und über sie verfügt. Er handelt - vergleichbar einem Insolvenzverwalter - als Amtswalter und hat ein insolvenzrechtliches Pflichtenprogramm zu erfüllen (Kahlert, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2014, 415).
26 
Durch die gleichermaßen bei Verfahrenseröffnung mit Anordnung der Eigenverwaltung entstehende Aufspaltung in mehrere Unternehmensteile und durch den Übergang beim Insolvenzschuldner vom privatautonomen Handeln zum unfreien Insolvenzorgan hält der Senat es für geboten, daraus die umsatzsteuerliche Konsequenz zu ziehen, dass der vorinsolvenzliche Schuldner seine (aufgrund von Privatautonomie) bestehende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verloren hat, die ihm sodann durch den Anordnungsbeschluss des Insolvenzgerichts in seiner Eigenschaft als Insolvenzorgan übertragen wurde.Die Regelungen über die Insolvenzmasse gelten im Verfahren der Eigenverwaltung uneingeschränkt gemäß den §§ 270 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 35 ff. InsO, so dass auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Anordnung der Eigenverwaltung Entgeltforderungen nur noch für die Insolvenzmasse vereinnahmt werden können und damit in dem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil aus Rechtsgründen uneinbringlich werden.
27 
bb) Dass zwischen der Person des Schuldners und dessen Amt als Eigenverwalter zu differenzieren ist, ergibt sich u.a. auch aus § 283 InsO, wonach bei der Eigenverwaltung Forderungen, denen der Schuldner widersprochen hat, ebenso als nicht festgestellt gelten, wie Forderungen, denen ein Insolvenzgläubiger oder der Sachwalter widersprochen hat. Im Gegensatz dazu wird im Normalfall die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle durch den Widerspruch des Schuldners gemäß § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht gehindert. Die Unterscheidung zwischen der Person des Schuldners und dessen Amt als Eigenverwalter wird auch durch die Anerkennung eines differenzierend ausgeübten Widerspruchsrechts einerseits als eigenverwaltender Schuldner, der über die Insolvenzmasse verfügt (Anerkennung einer Forderung für die Zwecke des Insolvenzverfahrens), und andererseits als Schuldner, der über sein übriges Vermögen verfügt (Bestreiten einer Forderung hinsichtlich der Nachhaftung), deutlich (Urteil des BGH vom 10. Oktober 2013 IX ZR 30/13, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis -ZIP- 2013, 2265).
28 
cc) Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Sachwalter nach § 275 Abs. 2 InsO die Kassenführung an sich gezogen hat und ob sich daraus Auswirkungen auf die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners ergeben (was im Übrigen nach Auffassung des Senats zu verneinen wäre, da es sich hierbei lediglich um eine interne Maßnahme handelt, welche die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Eigenverwalters nicht verdrängt).
29 
Ebenso kann es dahingestellt bleiben, ob § 55 Abs. 4 InsO einschlägig ist (was der Senat ebenfalls verneint, da hierfür eine Vereinnahmung der Entgelte im Zeitraum zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung erforderlich wäre -BFH, Urteil vom 24. September 2014 V R 48/13, BStBl II 2015, 506).
30 
b) Der Bekl hat demnach zu Recht unter der Massesteuernummer im Bescheid über USt 2012 vom 16. November 2015 die vereinnahmten Entgelte nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 UStG berichtigt und den Umsätzen der Klin wieder hinzugerechnet, da diese erst nach Insolvenzeröffnung vereinnahmt worden sind.
31 
II. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 135 Abs.1 FGO abzuweisen.
32 
III. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Gründe

15 
Die Klage ist unbegründet.
16 
I. Zu Recht hat der Bekl die im August 2012 vereinnahmten Entgelte unter der Massesteuernummer im USt-Bescheid 2012 vom 16. November 2015, der in entsprechender Anwendung des § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 UStG berichtigt und den Umsätzen der Klin hinzugerechnet. Die dadurch entstandene Steuer begründet eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn die für das Insolvenzverfahren mit Bestellung eines Insolvenzverwalters geltenden Grundsätze sind auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Anordnung der Eigenverwaltung anzuwenden, so dass die Entgeltvereinnahmung zu einer Berichtigung des Steuerbetrags führt.
17 
1. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag für steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen.
18 
Uneinbringlichkeit setzt nach ständiger BFH-Rechtsprechung voraus, dass der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (z.B. BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1). Zumindest im Sonderfall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann sich die fehlende Durchsetzbarkeit für den Leistenden aus Umständen ergeben, die in seiner Person oder in der Person des Leistungsempfängers begründet sind. Wird über das Vermögen eines Unternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, tritt daher hinsichtlich der noch nicht entrichteten Leistungsentgelte Uneinbringlichkeit ein. Unerheblich ist, ob es sich um ein Entgelt für eine vom Unternehmer bezogene oder erbrachte Leistung handelt (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BStBl II 2011, 996).
19 
a) Zwar gilt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Unternehmenseinheit, das Unternehmen besteht jedoch nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen (vgl. BFH, Urteil vom 1. September 2010 VII R 35/08, Der Betrieb -DB- 2010, 2596, unter II.2.), zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des leistenden Unternehmers kommt es zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile, bei denen es sich z.B. um die Insolvenzmasse und das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen handeln kann. Zur Wahrung des Grundsatzes der Unternehmenseinheit reicht es aus, dass die Summe der für alle Unternehmensteile insgesamt festgesetzten oder angemeldeten USt derjenigen für das gesamte Unternehmen entspricht (BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99, BStBl II 2000, 639, unter II.1. und 5.). Neben der Insolvenzmasse und dem vom Insolvenzverwalter freigegebenen Vermögen besteht auch ein vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil. Die diesen Unternehmensteil betreffenden USt-Ansprüche können nur zur Tabelle (§§ 174 ff. InsO) angemeldet, nicht aber wie z.B. Masseverbindlichkeiten durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt werden.
20 
b) Wird demnach die Entgeltforderung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich, begründet die spätere Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter eine erneute Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Diese Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen. Die erste Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil und die zweite Steuerberichtigung aufgrund der Vereinnahmung führen somit zu einer zutreffenden Besteuerung des Gesamtunternehmens. Dies liegt darin begründet, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter übergeht (Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 16. Juli 2009 IX ZR 118/08, Entscheidungssammlung des BGH in Zivilsachen -BGHZ- 182, 85, unter II.1., m.w.N.). Der Unternehmer ist somit aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da diese in die Insolvenzmasse zu leisten sind. Damit korrespondiert auch, dass dieser Unternehmensteil rechtlich nicht mehr befugt ist, "öffentliche Gelder" entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21). Diese sog. Doppelberichtigungsrechtsprechung des BFH dient dem unionsrechtlichen Grundsatz der Steuerneutralität und vermeidet zugleich eine nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unzulässige Beihilfe (Seer, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2016, 1289). Sie verstößt damit nicht gegen Unionsrecht (BFH-Urteile vom 24. September 2014 V R 48/13, BStBl II 2015, 506 und vom 1. März 2016 XI R 21/14, BFHE nn).
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2. Nach Auffassung des Senats sind diese für das Insolvenzverfahren mit Bestellung eines Insolvenzverwalters geltenden Grundsätze auch dann anzuwenden, wenn - wie im Streitfall durch den Beschluss des Amtsgerichts X vom 1. August 2012 - das Insolvenzverfahren eröffnet und vom Insolvenzgericht die Eigenverwaltung angeordnet wird.
22 
a) Es ist zwar zutreffend, dass im Fall der Eigenverwaltung § 80 InsO keine Anwendung findet, also die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weder auf einen Insolvenzverwalter noch auf den Sachwalter übergeht (Buchalik/Hiebert, Zeitschrift für Insolvenzrecht -ZInsO- 2015, 1953). Es gelten vielmehr die in §§ 270 ff. InsO normierten Regeln.
23 
aa) Nach § 270 Abs. 1 S. 1 InsO ist der Schuldner berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. Dies bedeutet aber nicht, dass die vorinsolvenzliche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Insolvenzschuldnerin unverändert fortbesteht, denn der Schuldner -also die Klin - erhält diese durch den die Eigenverwaltung anordnenden Beschluss übertragen (Foltis in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung -FK- 8. Auflage 2015, § 270 InsO Rz. 24). Dies folgt daraus, dass die Eigenverwaltung lediglich eine besondere Verfahrensart des Insolvenzverfahrens ist (Foltis in: FK, § 270 InsO Rz. 5). Ziel des Insolvenzverfahrens ist auch bei Anordnung der Eigenverwaltung die bestmögliche, gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger. Der Schuldner hat sein Handeln bei der Geschäftsführung und die Ausübung der ihm eingeräumten Befugnisse deshalb an dem Interesse dieses Verfahrensziels auszurichten (Wittig/Tetzlaff in: Münchener Kommentar Insolvenzordnung, § 270 Rz. 71). Es soll mit der Eigenverwaltung für die gemeinsame Befriedigung aller Gläubiger (§ 1 InsO) ein weiteres Instrument zur Verfügung gestellt werden (Foltis in: FK, vor §§ 270 ff. InsO Rz. 2).
24 
§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO ist mithin dahingehend zutreffend zu verstehen, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht beim Schuldner „bleibt“, sondern diesem mit dem Anordnungsbeschluss eingeräumt wird. Der Schuldner erlangt durch den konstitutiven Akt der Anordnung der Eigenverwaltung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Masse, um sie im Sinne der Gläubigergleichbehandlung zu sichern und zu verwerten (Zipperer in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Auflage 2015, § 270 Rz. 12; Foltis in: FK, § 270 InsO Rn 7). Er erhält damit Befugnisse, die dem Insolvenzverwalter in einem Verfahren ohne Eigenverwaltung zustehen (Graf-Schlicker in: Graf-Schlicker, Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2014, § 270a InsO Rz. 13).Der Schuldner handelt nunmehr also nicht mehr kraft eigener Privatautonomie, sondern übt die ihm durch den Konstitutivakt der Anordnung zugewiesenen Befugnisse als Amtswalter aus (Zipperer in: Uhlenbruck, § 270 InsO Rz. 29).
25 
Dies bedeutet: Der Schuldner „bleibt“ gerade nicht berechtigt, seine bisherigen Befugnisse auszuüben, sondern ihm wird eine originär insolvenzrechtliche Befugnis eingeräumt, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen (Wittig/Tetzlaff in: Münchener Kommentar Insolvenzordnung, § 270 InsO Rn 69-70). Der Entzug der Verwaltungs- und Verfügungsmacht im Umfang der Beschlagnahme als allgemeine Folge der Insolvenzeröffnung fällt mit der Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsmacht in dem eingeschränkten Umfang der Eigenverwaltungsbefugnisse zusammen. Es lässt sich von einem „Doppelbeschluss“ sprechen (Foltis in: FK, § 270 InsO Rz. 9). Während also der vorinsolvenzliche Schuldner als freies Rechtssubjekt in Privatautonomie handelt, der frei über sein Vermögen verfügen kann, handelt der eigenverwaltende Schuldner als unfreies Insolvenzorgan, welches nur als solches die insolvenzgläubigergebundenen Vermögensgegenstände verwaltet und über sie verfügt. Er handelt - vergleichbar einem Insolvenzverwalter - als Amtswalter und hat ein insolvenzrechtliches Pflichtenprogramm zu erfüllen (Kahlert, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2014, 415).
26 
Durch die gleichermaßen bei Verfahrenseröffnung mit Anordnung der Eigenverwaltung entstehende Aufspaltung in mehrere Unternehmensteile und durch den Übergang beim Insolvenzschuldner vom privatautonomen Handeln zum unfreien Insolvenzorgan hält der Senat es für geboten, daraus die umsatzsteuerliche Konsequenz zu ziehen, dass der vorinsolvenzliche Schuldner seine (aufgrund von Privatautonomie) bestehende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verloren hat, die ihm sodann durch den Anordnungsbeschluss des Insolvenzgerichts in seiner Eigenschaft als Insolvenzorgan übertragen wurde.Die Regelungen über die Insolvenzmasse gelten im Verfahren der Eigenverwaltung uneingeschränkt gemäß den §§ 270 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 35 ff. InsO, so dass auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Anordnung der Eigenverwaltung Entgeltforderungen nur noch für die Insolvenzmasse vereinnahmt werden können und damit in dem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil aus Rechtsgründen uneinbringlich werden.
27 
bb) Dass zwischen der Person des Schuldners und dessen Amt als Eigenverwalter zu differenzieren ist, ergibt sich u.a. auch aus § 283 InsO, wonach bei der Eigenverwaltung Forderungen, denen der Schuldner widersprochen hat, ebenso als nicht festgestellt gelten, wie Forderungen, denen ein Insolvenzgläubiger oder der Sachwalter widersprochen hat. Im Gegensatz dazu wird im Normalfall die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle durch den Widerspruch des Schuldners gemäß § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht gehindert. Die Unterscheidung zwischen der Person des Schuldners und dessen Amt als Eigenverwalter wird auch durch die Anerkennung eines differenzierend ausgeübten Widerspruchsrechts einerseits als eigenverwaltender Schuldner, der über die Insolvenzmasse verfügt (Anerkennung einer Forderung für die Zwecke des Insolvenzverfahrens), und andererseits als Schuldner, der über sein übriges Vermögen verfügt (Bestreiten einer Forderung hinsichtlich der Nachhaftung), deutlich (Urteil des BGH vom 10. Oktober 2013 IX ZR 30/13, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis -ZIP- 2013, 2265).
28 
cc) Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Sachwalter nach § 275 Abs. 2 InsO die Kassenführung an sich gezogen hat und ob sich daraus Auswirkungen auf die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners ergeben (was im Übrigen nach Auffassung des Senats zu verneinen wäre, da es sich hierbei lediglich um eine interne Maßnahme handelt, welche die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Eigenverwalters nicht verdrängt).
29 
Ebenso kann es dahingestellt bleiben, ob § 55 Abs. 4 InsO einschlägig ist (was der Senat ebenfalls verneint, da hierfür eine Vereinnahmung der Entgelte im Zeitraum zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung erforderlich wäre -BFH, Urteil vom 24. September 2014 V R 48/13, BStBl II 2015, 506).
30 
b) Der Bekl hat demnach zu Recht unter der Massesteuernummer im Bescheid über USt 2012 vom 16. November 2015 die vereinnahmten Entgelte nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 UStG berichtigt und den Umsätzen der Klin wieder hinzugerechnet, da diese erst nach Insolvenzeröffnung vereinnahmt worden sind.
31 
II. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 135 Abs.1 FGO abzuweisen.
32 
III. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 15. Juni 2016  9 K 2564/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

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(1) Der Schuldner fügt dem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung eine Eigenverwaltungsplanung bei, welche umfasst:

1.
einen Finanzplan, der den Zeitraum von sechs Monaten abdeckt und eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sichergestellt werden soll,
2.
ein Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens, welches auf Grundlage einer Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise das Ziel der Eigenverwaltung und die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Ziels in Aussicht genommen werden,
3.
eine Darstellung des Stands von Verhandlungen mit Gläubigern, den am Schuldner beteiligten Personen und Dritten zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen,
4.
eine Darstellung der Vorkehrungen, die der Schuldner getroffen hat, um seine Fähigkeit sicherzustellen, insolvenzrechtliche Pflichten zu erfüllen, und
5.
eine begründete Darstellung etwaiger Mehr- oder Minderkosten, die im Rahmen der Eigenverwaltung im Vergleich zu einem Regelverfahren und im Verhältnis zur Insolvenzmasse voraussichtlich anfallen werden.

(2) Des Weiteren hat der Schuldner zu erklären,

1.
ob, in welchem Umfang und gegenüber welchen Gläubigern er sich mit der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen oder dem Steuerschuldverhältnis, gegenüber Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten in Verzug befindet,
2.
ob und in welchen Verfahren zu seinen Gunsten innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Antrag Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach diesem Gesetz oder nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz angeordnet wurden und
3.
ob er für die letzten drei Geschäftsjahre seinen Offenlegungspflichten, insbesondere nach den §§ 325 bis 328 oder 339 des Handelsgesetzbuchs nachgekommen ist.

(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Gegen die Anordnung der Maßnahme steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Das Gericht kann insbesondere

1.
einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, für den § 8 Absatz 3 und die §§ 56 bis 56b, 58 bis 66 und 269a entsprechend gelten;
1a.
einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, für den § 67 Absatz 2, 3 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten; zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die erst mit Eröffnung des Verfahrens Gläubiger werden;
2.
dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind;
3.
Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind;
4.
eine vorläufige Postsperre anordnen, für die die §§ 99, 101 Abs. 1 Satz 1 entsprechend gelten;
5.
anordnen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind; § 169 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt. Zieht der vorläufige Insolvenzverwalter eine zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung anstelle des Gläubigers ein, so gelten die §§ 170, 171 entsprechend.
Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen berührt nicht die Wirksamkeit von Verfügungen über Finanzsicherheiten nach § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes und die Wirksamkeit der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren, die in Systeme nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden. Dies gilt auch dann, wenn ein solches Rechtsgeschäft des Schuldners am Tag der Anordnung getätigt und verrechnet oder eine Finanzsicherheit bestellt wird und der andere Teil nachweist, dass er die Anordnung weder kannte noch hätte kennen müssen; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Anordnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(3) Reichen andere Maßnahmen nicht aus, so kann das Gericht den Schuldner zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen. Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt entsprechendes für seine organschaftlichen Vertreter. Für die Anordnung von Haft gilt § 98 Abs. 3 entsprechend.

(1) Der Schuldner fügt dem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung eine Eigenverwaltungsplanung bei, welche umfasst:

1.
einen Finanzplan, der den Zeitraum von sechs Monaten abdeckt und eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sichergestellt werden soll,
2.
ein Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens, welches auf Grundlage einer Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise das Ziel der Eigenverwaltung und die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Ziels in Aussicht genommen werden,
3.
eine Darstellung des Stands von Verhandlungen mit Gläubigern, den am Schuldner beteiligten Personen und Dritten zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen,
4.
eine Darstellung der Vorkehrungen, die der Schuldner getroffen hat, um seine Fähigkeit sicherzustellen, insolvenzrechtliche Pflichten zu erfüllen, und
5.
eine begründete Darstellung etwaiger Mehr- oder Minderkosten, die im Rahmen der Eigenverwaltung im Vergleich zu einem Regelverfahren und im Verhältnis zur Insolvenzmasse voraussichtlich anfallen werden.

(2) Des Weiteren hat der Schuldner zu erklären,

1.
ob, in welchem Umfang und gegenüber welchen Gläubigern er sich mit der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen oder dem Steuerschuldverhältnis, gegenüber Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten in Verzug befindet,
2.
ob und in welchen Verfahren zu seinen Gunsten innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Antrag Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach diesem Gesetz oder nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz angeordnet wurden und
3.
ob er für die letzten drei Geschäftsjahre seinen Offenlegungspflichten, insbesondere nach den §§ 325 bis 328 oder 339 des Handelsgesetzbuchs nachgekommen ist.

(1) Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. In diesem Fall hat der vorläufige Insolvenzverwalter:

1.
das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten;
2.
ein Unternehmen, das der Schuldner betreibt, bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stillegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu vermeiden;
3.
zu prüfen, ob das Vermögen des Schuldners die Kosten des Verfahrens decken wird; das Gericht kann ihn zusätzlich beauftragen, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen.

(2) Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne daß dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird, so bestimmt das Gericht die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters. Sie dürfen nicht über die Pflichten nach Absatz 1 Satz 2 hinausgehen.

(3) Der vorläufige Insolvenzverwalter ist berechtigt, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Der Schuldner hat dem vorläufigen Insolvenzverwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten. Er hat ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen; die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend.

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B-GmbH (GmbH).

2

Die GmbH schloss am 2. Januar 2004, vertreten durch den Kläger als vorläufigem Insolvenzverwalter, mit einer KG, für die der Kläger bereits zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, einen Vertrag, nach dem die GmbH der KG ihren Fuhrpark gegen monatliche Zahlung von 20.906,18 € zzgl. 3.344,99 € Umsatzsteuer (24.251,17 € brutto) zur Nutzung überlassen sollte und tatsächlich überließ; der Vertrag lief bis 29. Februar 2004. Die Wirksamkeit der Vereinbarung war von der Genehmigung eines durch das Insolvenzgericht einzusetzenden Sonderverwalters abhängig.

3

Über das Vermögen der GmbH, die ihre Umsätze zunächst nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des im Streitjahr 2005 geltenden Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) versteuerte, wurde am 4. März 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 6. April 2004 gestattete das zuständige Finanzamt (FA S) den vom Kläger beantragten Wechsel zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 20 UStG.

4

Am 19. Mai 2005 genehmigte der Sonderverwalter der GmbH den Vertrag vom 2. Januar 2004. Daraufhin wurde die vereinbarte Miete für die vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen --Nutzungsüberlassung des Fuhrparks für Januar und Februar 2004-- in Höhe von 48.502,34 € brutto gezahlt und am 14. Juli 2005 vom Kläger vereinnahmt.

5

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging das FA S davon aus, dass es sich bei den nach Insolvenzeröffnung vereinnahmten Entgelten aus den zuvor erbrachten Leistungen um Masseverbindlichkeiten handele, und setzte durch den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 2005 vom 6. Dezember 2005 hierfür Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

6

Nach der Erhebung der Klage zum Finanzgericht (FG) erließ das FA S am 24. Mai 2007 im Schätzungsweg den Umsatzsteuerjahresbescheid 2005, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde.

7

Das FG gab der Klage statt, mit der sich der Kläger gegen die Berücksichtigung des vereinnahmten Entgelts als Masseforderung wendet. Das Insolvenzverfahren sei im März 2004 und damit nach Ablauf der Voranmeldungszeiträume, in denen die Leistungen erbracht wurden, eröffnet worden. Der Tatbestand des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UStG sei damit bereits vor Verfahrenseröffnung vollständig erfüllt gewesen, so dass die Umsatzsteuerverbindlichkeiten als Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden seien. Hieran ändere der nach Verfahrenseröffnung beantragte und gewährte Wechsel der Besteuerungsart nichts. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung müsse eine Besteuerung der nach dem Übergang zur Istbesteuerung vereinnahmten Entgelte entfallen, wenn ---wie hier-- die Umsätze bereits vor dem Übergang zur Istbesteuerung der Sollbesteuerung unterlegen hätten. Der Unternehmer habe deshalb in den Voranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume, in denen solche Außenstände eingehen, die bereits versteuerten Beträge von den vereinnahmten Entgelten abzusetzen. Dies gelte unabhängig von den Gründen, aus denen eine Anmeldung und Versteuerung zunächst tatsächlich unterblieben sei. Da die Umsatzsteuer unter der Geltung der Sollbesteuerung entstanden sei, könne nach dem Wechsel zur Istbesteuerung keine Rückabwicklung erfolgen. Durch den Wechsel der Besteuerungsart werde der bereits vollständig verwirklichte und abgeschlossene Umsatzsteuertatbestand rückwirkend wieder "unbegründet".

8

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1845 veröffentlicht.

9

Mit seiner Revision macht das FA S Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks seien nicht zur Sollbesteuerung angemeldet worden, so dass keine Sollbesteuerung erfolgt sei. Nach dem FG-Urteil unterbleibe die Besteuerung dieser Umsätze völlig. Zumindest müsse der Wechsel zur Istbesteuerung auch für die Umsätze gelten, die nicht erklärt worden seien.

10

Nach Einlegung der Revision wurde das FA S mit dem FA E, dem Beklagten und Revisionskläger (FA) zusammengelegt.

11

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

13

Es sei unerheblich, dass die Umsätze aus der Fuhrparkvermietung nicht erklärt worden seien, da dies der Sollbesteuerung nicht entgegenstehe. Das FA könne die ihm nunmehr bekannten Forderungen zur Tabelle anmelden.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision des FA ist begründet.

15

Der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Organisationsakt der Verwaltung führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2008 V R 73/07, BFHE 223, 546, BStBl II 2009, 612).

16

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks begründen entgegen dem Urteil des FG eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO); unerheblich ist insoweit, ob die Umsätze der Ist- oder der Sollbesteuerung unterlagen.

17

1. Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S. von § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner "begründeten" Vermögensansprüche nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dementsprechend sind nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) Insolvenzforderungen während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern nur erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt festzustellen. Diese Einschränkung gilt nicht für Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 InsO, die durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen sind. Es handelt sich dabei gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO um die Verbindlichkeiten, die "durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören".

18

Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Unerheblich ist demgegenüber der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Welche Anforderungen im Einzelnen an die vollständige Tatbestandsverwirklichung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach Insolvenzrecht. Kommt es zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1., m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung)

19

2. Das FG hat keine hinreichenden Feststellungen getroffen, anhand derer der Senat entscheiden kann, ob die Steuer für die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG (Sollbesteuerung) oder nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG (Istbesteuerung) entstanden ist.

20

Das FA hatte dem Kläger durch Bescheid vom 6. April 2004 gestattet, die Umsätze der GmbH der Istbesteuerung zu unterwerfen. Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine derartige Gestattung ohne Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot auch noch während des Kalenderjahrs mit Rückwirkung auf den Jahresbeginn erteilt werden (BFH-Urteil vom 10. Dezember 2008 XI R 1/08, BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.3.b bb (2)).

21

Der Senat kann auf der Grundlage der Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob der Kläger das ihm eingeräumte Recht auf Istbesteuerung ausgeübt hat. Da es sich bei der Gestattung der Istbesteuerung um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt und die Sollbesteuerung der gesetzliche Regelfall ist, steht es dem Unternehmer frei, von der Gestattung zur Istbesteuerung keinen Gebrauch zu machen und zur Sollbesteuerung "zurückzukehren", ohne dass es hierfür eines Antrags des Steuerpflichtigen oder einer Erlaubnis des FA bedarf (BFH-Urteil in BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.2.). Eine Rückkehr zur Sollbesteuerung ist dabei bis zur Unanfechtbarkeit (formellen Bestandkraft) der Jahressteuerfestsetzung möglich (BFH-Urteil in BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.3.c). Hierzu hat das FG keine Feststellungen getroffen, obwohl der Kläger im Verfahren vor dem FG vorgetragen hat, dass es für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung bei der Sollbesteuerung geblieben und deshalb die Steuerforderung als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden sei.

22

3. Der Senat kann gleichwohl in der Sache entscheiden. Erbringt der Unternehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen eine Leistung, für die erst der Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmt, begründet die Entgeltvereinnahmung eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wobei unerheblich ist, ob der Umsatz der Ist- oder der Sollbesteuerung unterliegt. Für den Fall der Istbesteuerung ergibt sich dies aus dem Senatsurteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, auf das der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt. Im Fall der Sollbesteuerung beruht die Masseverbindlichkeit auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG.

23

a) Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Diese Vorschrift gilt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen.

24

Uneinbringlichkeit setzt nach ständiger BFH-Rechtsprechung voraus, dass der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (z.B. BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1). Zumindest im Sonderfall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann sich die fehlende Durchsetzbarkeit für den Leistenden aus Umständen ergeben, die in seiner Person oder in der Person des Leistungsempfängers begründet sind. Wird über das Vermögen eines Unternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, tritt daher hinsichtlich der noch nicht entrichteten Leistungsentgelte Uneinbringlichkeit ein. Unerheblich ist, ob es sich um ein Entgelt für eine vom Unternehmer bezogene oder erbrachte Leistung handelt.

25

b) Hat der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung bezogen und das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt nicht entrichtet, wird die der Umsatzsteuer unterliegende Entgeltforderung gegen ihn als Leistungsempfänger spätestens mit Verfahrenseröffnung unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote in voller Höhe uneinbringlich; bei einer nachträglichen Zahlung auf das uneinbringlich gewordene Entgelt ist der Umsatzsteuerbetrag nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erneut zu berichtigen (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 V R 14/08, BFHE 227, 513, BFH/NV 2010, 773, Leitsätze 1 und 2).

26

Maßgeblich ist hierfür, dass Entgeltforderungen gegen den Unternehmer mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen von Rechts wegen gegen ihn persönlich als Insolvenzschuldner nicht durchsetzbar sind, sondern nur zur Tabelle nach §§ 174 ff. InsO angemeldet werden können. Ohne Bedeutung ist dabei, ob den Vermögensansprüchen gegen den Leistungsempfänger, den Insolvenzschuldner, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch ein wirtschaftlicher Wert zukommt, so dass Uneinbringlichkeit selbst dann in vollem Umfang eintritt, wenn mit einer quotalen Befriedigung der Insolvenzforderungen zu rechnen ist (BFH-Urteil vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, unter II.2.c).

27

c) Erbringt der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, tritt gleichfalls mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Uneinbringlichkeit ein.

28

aa) Zwar gilt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Unternehmereinheit, das Unternehmen besteht jedoch nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen (vgl. BFH-Urteil vom 1. September 2010 VII R 35/08, BFHE 230, 490; Der Betrieb --DB-- 2010, 2596, unter II.2.), zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des leistenden Unternehmers kommt es zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile, bei denen es sich z.B. um die Insolvenzmasse und das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen handeln kann. So sind z.B. weitere Vorsteuerbeträge, die sich für die Insolvenzmasse ergeben, nicht nach § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG von der Steuer, die sich aus Leistungen für den insolvenzfreien Unternehmensteil ergeben, abzusetzen und können daher trotz einer Steuerschuld für den insolvenzfreien Unternehmensteil zu einem Vorsteuerüberschuss und damit zu einer Umsatzsteuervergütung für die dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters unterliegende Insolvenzmasse führen. Zur Wahrung des Grundsatzes der Unternehmenseinheit reicht es aus, dass die Summe der für alle Unternehmensteile insgesamt festgesetzten oder angemeldeten Umsatzsteuer der Umsatzsteuer für das gesamte Unternehmen entspricht (BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99, BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639, unter II.1. und 5.).

29

Neben der Insolvenzmasse und dem vom Insolvenzverwalter freigegebenen Vermögen besteht auch ein vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil. Die diesen Unternehmensteil betreffenden Umsatzsteueransprüche können nur zur Tabelle (§§ 174 ff. InsO) angemeldet, nicht aber wie z.B. Masseverbindlichkeiten durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt werden. Dementsprechend kann auch hier z.B. ein Vorsteueranspruch des massezugehörigen Unternehmensteils nicht gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG mit einem Steueranspruch gegen den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil verrechnet werden (vgl. §§ 95, 96 InsO).

30

bb) Ist im Insolvenzfall trotz Fortbestehens eines Gesamtunternehmens von mehreren eigenständigen Unternehmensteilen auszugehen, werden die bei Verfahrenseröffnung noch nicht vereinnahmten Entgelte aus vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil aus Rechtsgründen uneinbringlich, da der Entgeltanspruch ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr durch diesen Unternehmensteil vereinnahmt werden kann. Denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht nach § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter über (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85, unter II.1., m.w.N.). Der Unternehmer ist somit aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da diese in die Insolvenzmasse zu leisten sind. Damit korrespondiert auch, dass dieser Unternehmensteil rechtlich nicht mehr befugt ist, "öffentliche Gelder" entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21).

31

cc) Wird demnach die Entgeltforderung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich, begründet die spätere Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter eine erneute Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Diese Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen. Die erste Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil und die zweite Steuerberichtigung aufgrund der Vereinnahmung führen somit zu einer zutreffenden Besteuerung des Gesamtunternehmens.

32

Die aufgrund der Vereinnahmung entstehende Steuerberichtigung begründet eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch ist erst mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1. zur Istbesteuerung). Für dieses Ergebnis spricht auch das Erfordernis, die Besteuerungsgleichheit zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu wahren; dies ist bei der Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFH/NV 2010, 161, unter II.4.b dd (1), Deutsches Steuerrecht 2010, 2349). Mit diesem Erfordernis wäre es nicht zu vereinbaren, bei einer Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu differenzieren.

33

dd) Nicht zu entscheiden hat der Senat im Streitfall, ob entsprechend der Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit beim leistenden Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, auch der Leistungsempfänger mit Verfahrenseröffnung den Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen hat. Selbst wenn eine derartige Berichtigungspflicht bestünde, würde der Leistungsempfänger hierdurch nicht beschwert, da er im Hinblick auf die von ihm noch zu leistenden Zahlungen ohnehin prüfen muss, ob über das Vermögen seiner Gläubiger das Insolvenzverfahren eröffnet wird, um sicherzustellen, dass er Zahlungen nur an den Insolvenzverwalter leistet, da eine Zahlung an den Insolvenzschuldner selbst keine schuldbefreiende Wirkung hat (s. oben II.3.c bb).

34

Im Übrigen ist die Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger nicht erforderlich, wenn er das von ihm geschuldete Entgelt noch in dem für ihn maßgeblichen Voranmeldungszeitraum zahlt, in dem auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen seines Gläubigers eröffnet wird. Denn ein Entgelt kann nicht in ein und demselben Voranmeldungszeitraum uneinbringlich und vereinnahmt (entrichtet) werden, da sich zwei Berichtigungen nach § 17 UStG, die im selben Voranmeldungszeitraum erfolgen, gegenseitig aufheben.

35

4. Der Beurteilung der Steuerschuld aufgrund einer nach Verfahrenseröffnung erfolgten Entgeltvereinnahmung für eine vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistung als Masseverbindlichkeit steht nicht die Rechtsprechung des VII. Senats des BFH zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren entgegen, wie der erkennende Senat für den Fall der Istbesteuerung bereits mit Urteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.4. entschieden hat, und worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt.

36

Gleiches gilt für die mit Verfahrenseröffnung im Rahmen der Sollbesteuerung eintretende Uneinbringlichkeit der Entgeltforderung des Unternehmers, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Erbringt ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, für die auch der Insolvenzverwalter das Entgelt nicht vereinnahmen kann, geht der VII. Senat des BFH davon aus, dass das FA gegen einen der Insolvenzmasse zustehenden Berichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG mit der zuvor im Rahmen der Sollbesteuerung entstandenen Steuerforderung aufrechnen kann, ohne dass dem insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote entgegenstehen (BFH-Urteil vom 17. April 2004 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, unter II.3.). Gleiches gilt, wenn der Berichtigungsanspruch aufgrund der Uneinbringlichkeit --wie im Streitfall-- bereits mit Verfahrenseröffnung entsteht. Auch in diesem Fall kommt es zu der vom VII. Senat des BFH für erforderlich gehaltenen Aufrechnung, die darauf gestützt wird, dass es "schwerlich gerechtfertigt sein [würde], anzunehmen, die Finanzbehörde müsse eine (Umsatz-) Steuererstattung an die Insolvenzmasse leisten, könne aber ihre korrespondierende, unbefriedigte Steuerforderung lediglich als Insolvenzforderung geltend machen und müsse hinnehmen, mit ihr möglicherweise ganz oder teilweise auszufallen" (BFH-Urteil in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, unter II.3.).

37

Eine Abweichung zur Rechtsprechung des VII. Senats des BFH besteht auch nicht insoweit, als dieser für Zwecke der Aufrechnung keine "fiktive Veranlagung auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung" vornimmt (BFH-Urteil vom 16. Januar 2007 VII R 7/06, BFHE 216, 390, BStBl II 2007, 745), da der VII. Senat hinsichtlich des Bestehens mehrerer Unternehmensteile im Insolvenzfall im Sinne des Senatsurteils in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 zwischen "Veranlagung" und "Aufrechenbarkeit" differenziert (BFH-Urteil in BFHE 230, 490, DB 2010, 2596, unter II.2., und vom 9. April 2002 VII R 108/00, BFHE 198, 294, BStBl II 2002, 562, unter II.3.).

38

5. Danach war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

39

a) Die GmbH hat im Streitfall Vermietungsleistungen bereits vor Verfahrenseröffnung erbracht. Dass der dieser Vermietung zugrunde liegende Vertrag erst nach Verfahrenseröffnung durch einen Sonderverwalter genehmigt wurde, steht dem nicht entgegen. Denn die Leistung wurde tatsächlich durch eine Nutzungsüberlassung vor Verfahrenseröffnung ausgeführt, wobei es nach §§ 40, 41 AO unerheblich ist, ob die Leistungserbringung ohne Genehmigung durch den Sonderverwalter gegen ein gesetzliches Verbot verstieß oder die Unwirksamkeit des der Leistung zugrunde liegenden Vertrags begründete.

40

b) Lag somit eine vor Verfahrenseröffnung ausgeführte Leistung vor, für die erst der Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmte, war das FA sowohl im Fall der Ist- als auch im Fall der Sollbesteuerung berechtigt, die Umsatzsteuer für die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch Steuerbescheid festzusetzen.

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B-GmbH (GmbH).

2

Die GmbH schloss am 2. Januar 2004, vertreten durch den Kläger als vorläufigem Insolvenzverwalter, mit einer KG, für die der Kläger bereits zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, einen Vertrag, nach dem die GmbH der KG ihren Fuhrpark gegen monatliche Zahlung von 20.906,18 € zzgl. 3.344,99 € Umsatzsteuer (24.251,17 € brutto) zur Nutzung überlassen sollte und tatsächlich überließ; der Vertrag lief bis 29. Februar 2004. Die Wirksamkeit der Vereinbarung war von der Genehmigung eines durch das Insolvenzgericht einzusetzenden Sonderverwalters abhängig.

3

Über das Vermögen der GmbH, die ihre Umsätze zunächst nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des im Streitjahr 2005 geltenden Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) versteuerte, wurde am 4. März 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 6. April 2004 gestattete das zuständige Finanzamt (FA S) den vom Kläger beantragten Wechsel zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 20 UStG.

4

Am 19. Mai 2005 genehmigte der Sonderverwalter der GmbH den Vertrag vom 2. Januar 2004. Daraufhin wurde die vereinbarte Miete für die vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen --Nutzungsüberlassung des Fuhrparks für Januar und Februar 2004-- in Höhe von 48.502,34 € brutto gezahlt und am 14. Juli 2005 vom Kläger vereinnahmt.

5

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging das FA S davon aus, dass es sich bei den nach Insolvenzeröffnung vereinnahmten Entgelten aus den zuvor erbrachten Leistungen um Masseverbindlichkeiten handele, und setzte durch den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 2005 vom 6. Dezember 2005 hierfür Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

6

Nach der Erhebung der Klage zum Finanzgericht (FG) erließ das FA S am 24. Mai 2007 im Schätzungsweg den Umsatzsteuerjahresbescheid 2005, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde.

7

Das FG gab der Klage statt, mit der sich der Kläger gegen die Berücksichtigung des vereinnahmten Entgelts als Masseforderung wendet. Das Insolvenzverfahren sei im März 2004 und damit nach Ablauf der Voranmeldungszeiträume, in denen die Leistungen erbracht wurden, eröffnet worden. Der Tatbestand des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UStG sei damit bereits vor Verfahrenseröffnung vollständig erfüllt gewesen, so dass die Umsatzsteuerverbindlichkeiten als Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden seien. Hieran ändere der nach Verfahrenseröffnung beantragte und gewährte Wechsel der Besteuerungsart nichts. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung müsse eine Besteuerung der nach dem Übergang zur Istbesteuerung vereinnahmten Entgelte entfallen, wenn ---wie hier-- die Umsätze bereits vor dem Übergang zur Istbesteuerung der Sollbesteuerung unterlegen hätten. Der Unternehmer habe deshalb in den Voranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume, in denen solche Außenstände eingehen, die bereits versteuerten Beträge von den vereinnahmten Entgelten abzusetzen. Dies gelte unabhängig von den Gründen, aus denen eine Anmeldung und Versteuerung zunächst tatsächlich unterblieben sei. Da die Umsatzsteuer unter der Geltung der Sollbesteuerung entstanden sei, könne nach dem Wechsel zur Istbesteuerung keine Rückabwicklung erfolgen. Durch den Wechsel der Besteuerungsart werde der bereits vollständig verwirklichte und abgeschlossene Umsatzsteuertatbestand rückwirkend wieder "unbegründet".

8

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1845 veröffentlicht.

9

Mit seiner Revision macht das FA S Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks seien nicht zur Sollbesteuerung angemeldet worden, so dass keine Sollbesteuerung erfolgt sei. Nach dem FG-Urteil unterbleibe die Besteuerung dieser Umsätze völlig. Zumindest müsse der Wechsel zur Istbesteuerung auch für die Umsätze gelten, die nicht erklärt worden seien.

10

Nach Einlegung der Revision wurde das FA S mit dem FA E, dem Beklagten und Revisionskläger (FA) zusammengelegt.

11

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

13

Es sei unerheblich, dass die Umsätze aus der Fuhrparkvermietung nicht erklärt worden seien, da dies der Sollbesteuerung nicht entgegenstehe. Das FA könne die ihm nunmehr bekannten Forderungen zur Tabelle anmelden.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision des FA ist begründet.

15

Der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Organisationsakt der Verwaltung führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2008 V R 73/07, BFHE 223, 546, BStBl II 2009, 612).

16

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks begründen entgegen dem Urteil des FG eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO); unerheblich ist insoweit, ob die Umsätze der Ist- oder der Sollbesteuerung unterlagen.

17

1. Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S. von § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner "begründeten" Vermögensansprüche nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dementsprechend sind nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) Insolvenzforderungen während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern nur erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt festzustellen. Diese Einschränkung gilt nicht für Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 InsO, die durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen sind. Es handelt sich dabei gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO um die Verbindlichkeiten, die "durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören".

18

Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Unerheblich ist demgegenüber der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Welche Anforderungen im Einzelnen an die vollständige Tatbestandsverwirklichung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach Insolvenzrecht. Kommt es zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1., m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung)

19

2. Das FG hat keine hinreichenden Feststellungen getroffen, anhand derer der Senat entscheiden kann, ob die Steuer für die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG (Sollbesteuerung) oder nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG (Istbesteuerung) entstanden ist.

20

Das FA hatte dem Kläger durch Bescheid vom 6. April 2004 gestattet, die Umsätze der GmbH der Istbesteuerung zu unterwerfen. Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine derartige Gestattung ohne Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot auch noch während des Kalenderjahrs mit Rückwirkung auf den Jahresbeginn erteilt werden (BFH-Urteil vom 10. Dezember 2008 XI R 1/08, BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.3.b bb (2)).

21

Der Senat kann auf der Grundlage der Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob der Kläger das ihm eingeräumte Recht auf Istbesteuerung ausgeübt hat. Da es sich bei der Gestattung der Istbesteuerung um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt und die Sollbesteuerung der gesetzliche Regelfall ist, steht es dem Unternehmer frei, von der Gestattung zur Istbesteuerung keinen Gebrauch zu machen und zur Sollbesteuerung "zurückzukehren", ohne dass es hierfür eines Antrags des Steuerpflichtigen oder einer Erlaubnis des FA bedarf (BFH-Urteil in BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.2.). Eine Rückkehr zur Sollbesteuerung ist dabei bis zur Unanfechtbarkeit (formellen Bestandkraft) der Jahressteuerfestsetzung möglich (BFH-Urteil in BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.3.c). Hierzu hat das FG keine Feststellungen getroffen, obwohl der Kläger im Verfahren vor dem FG vorgetragen hat, dass es für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung bei der Sollbesteuerung geblieben und deshalb die Steuerforderung als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden sei.

22

3. Der Senat kann gleichwohl in der Sache entscheiden. Erbringt der Unternehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen eine Leistung, für die erst der Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmt, begründet die Entgeltvereinnahmung eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wobei unerheblich ist, ob der Umsatz der Ist- oder der Sollbesteuerung unterliegt. Für den Fall der Istbesteuerung ergibt sich dies aus dem Senatsurteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, auf das der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt. Im Fall der Sollbesteuerung beruht die Masseverbindlichkeit auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG.

23

a) Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Diese Vorschrift gilt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen.

24

Uneinbringlichkeit setzt nach ständiger BFH-Rechtsprechung voraus, dass der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (z.B. BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1). Zumindest im Sonderfall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann sich die fehlende Durchsetzbarkeit für den Leistenden aus Umständen ergeben, die in seiner Person oder in der Person des Leistungsempfängers begründet sind. Wird über das Vermögen eines Unternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, tritt daher hinsichtlich der noch nicht entrichteten Leistungsentgelte Uneinbringlichkeit ein. Unerheblich ist, ob es sich um ein Entgelt für eine vom Unternehmer bezogene oder erbrachte Leistung handelt.

25

b) Hat der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung bezogen und das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt nicht entrichtet, wird die der Umsatzsteuer unterliegende Entgeltforderung gegen ihn als Leistungsempfänger spätestens mit Verfahrenseröffnung unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote in voller Höhe uneinbringlich; bei einer nachträglichen Zahlung auf das uneinbringlich gewordene Entgelt ist der Umsatzsteuerbetrag nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erneut zu berichtigen (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 V R 14/08, BFHE 227, 513, BFH/NV 2010, 773, Leitsätze 1 und 2).

26

Maßgeblich ist hierfür, dass Entgeltforderungen gegen den Unternehmer mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen von Rechts wegen gegen ihn persönlich als Insolvenzschuldner nicht durchsetzbar sind, sondern nur zur Tabelle nach §§ 174 ff. InsO angemeldet werden können. Ohne Bedeutung ist dabei, ob den Vermögensansprüchen gegen den Leistungsempfänger, den Insolvenzschuldner, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch ein wirtschaftlicher Wert zukommt, so dass Uneinbringlichkeit selbst dann in vollem Umfang eintritt, wenn mit einer quotalen Befriedigung der Insolvenzforderungen zu rechnen ist (BFH-Urteil vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, unter II.2.c).

27

c) Erbringt der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, tritt gleichfalls mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Uneinbringlichkeit ein.

28

aa) Zwar gilt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Unternehmereinheit, das Unternehmen besteht jedoch nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen (vgl. BFH-Urteil vom 1. September 2010 VII R 35/08, BFHE 230, 490; Der Betrieb --DB-- 2010, 2596, unter II.2.), zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des leistenden Unternehmers kommt es zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile, bei denen es sich z.B. um die Insolvenzmasse und das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen handeln kann. So sind z.B. weitere Vorsteuerbeträge, die sich für die Insolvenzmasse ergeben, nicht nach § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG von der Steuer, die sich aus Leistungen für den insolvenzfreien Unternehmensteil ergeben, abzusetzen und können daher trotz einer Steuerschuld für den insolvenzfreien Unternehmensteil zu einem Vorsteuerüberschuss und damit zu einer Umsatzsteuervergütung für die dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters unterliegende Insolvenzmasse führen. Zur Wahrung des Grundsatzes der Unternehmenseinheit reicht es aus, dass die Summe der für alle Unternehmensteile insgesamt festgesetzten oder angemeldeten Umsatzsteuer der Umsatzsteuer für das gesamte Unternehmen entspricht (BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99, BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639, unter II.1. und 5.).

29

Neben der Insolvenzmasse und dem vom Insolvenzverwalter freigegebenen Vermögen besteht auch ein vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil. Die diesen Unternehmensteil betreffenden Umsatzsteueransprüche können nur zur Tabelle (§§ 174 ff. InsO) angemeldet, nicht aber wie z.B. Masseverbindlichkeiten durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt werden. Dementsprechend kann auch hier z.B. ein Vorsteueranspruch des massezugehörigen Unternehmensteils nicht gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG mit einem Steueranspruch gegen den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil verrechnet werden (vgl. §§ 95, 96 InsO).

30

bb) Ist im Insolvenzfall trotz Fortbestehens eines Gesamtunternehmens von mehreren eigenständigen Unternehmensteilen auszugehen, werden die bei Verfahrenseröffnung noch nicht vereinnahmten Entgelte aus vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil aus Rechtsgründen uneinbringlich, da der Entgeltanspruch ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr durch diesen Unternehmensteil vereinnahmt werden kann. Denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht nach § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter über (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85, unter II.1., m.w.N.). Der Unternehmer ist somit aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da diese in die Insolvenzmasse zu leisten sind. Damit korrespondiert auch, dass dieser Unternehmensteil rechtlich nicht mehr befugt ist, "öffentliche Gelder" entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21).

31

cc) Wird demnach die Entgeltforderung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich, begründet die spätere Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter eine erneute Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Diese Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen. Die erste Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil und die zweite Steuerberichtigung aufgrund der Vereinnahmung führen somit zu einer zutreffenden Besteuerung des Gesamtunternehmens.

32

Die aufgrund der Vereinnahmung entstehende Steuerberichtigung begründet eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch ist erst mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1. zur Istbesteuerung). Für dieses Ergebnis spricht auch das Erfordernis, die Besteuerungsgleichheit zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu wahren; dies ist bei der Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFH/NV 2010, 161, unter II.4.b dd (1), Deutsches Steuerrecht 2010, 2349). Mit diesem Erfordernis wäre es nicht zu vereinbaren, bei einer Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu differenzieren.

33

dd) Nicht zu entscheiden hat der Senat im Streitfall, ob entsprechend der Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit beim leistenden Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, auch der Leistungsempfänger mit Verfahrenseröffnung den Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen hat. Selbst wenn eine derartige Berichtigungspflicht bestünde, würde der Leistungsempfänger hierdurch nicht beschwert, da er im Hinblick auf die von ihm noch zu leistenden Zahlungen ohnehin prüfen muss, ob über das Vermögen seiner Gläubiger das Insolvenzverfahren eröffnet wird, um sicherzustellen, dass er Zahlungen nur an den Insolvenzverwalter leistet, da eine Zahlung an den Insolvenzschuldner selbst keine schuldbefreiende Wirkung hat (s. oben II.3.c bb).

34

Im Übrigen ist die Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger nicht erforderlich, wenn er das von ihm geschuldete Entgelt noch in dem für ihn maßgeblichen Voranmeldungszeitraum zahlt, in dem auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen seines Gläubigers eröffnet wird. Denn ein Entgelt kann nicht in ein und demselben Voranmeldungszeitraum uneinbringlich und vereinnahmt (entrichtet) werden, da sich zwei Berichtigungen nach § 17 UStG, die im selben Voranmeldungszeitraum erfolgen, gegenseitig aufheben.

35

4. Der Beurteilung der Steuerschuld aufgrund einer nach Verfahrenseröffnung erfolgten Entgeltvereinnahmung für eine vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistung als Masseverbindlichkeit steht nicht die Rechtsprechung des VII. Senats des BFH zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren entgegen, wie der erkennende Senat für den Fall der Istbesteuerung bereits mit Urteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.4. entschieden hat, und worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt.

36

Gleiches gilt für die mit Verfahrenseröffnung im Rahmen der Sollbesteuerung eintretende Uneinbringlichkeit der Entgeltforderung des Unternehmers, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Erbringt ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, für die auch der Insolvenzverwalter das Entgelt nicht vereinnahmen kann, geht der VII. Senat des BFH davon aus, dass das FA gegen einen der Insolvenzmasse zustehenden Berichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG mit der zuvor im Rahmen der Sollbesteuerung entstandenen Steuerforderung aufrechnen kann, ohne dass dem insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote entgegenstehen (BFH-Urteil vom 17. April 2004 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, unter II.3.). Gleiches gilt, wenn der Berichtigungsanspruch aufgrund der Uneinbringlichkeit --wie im Streitfall-- bereits mit Verfahrenseröffnung entsteht. Auch in diesem Fall kommt es zu der vom VII. Senat des BFH für erforderlich gehaltenen Aufrechnung, die darauf gestützt wird, dass es "schwerlich gerechtfertigt sein [würde], anzunehmen, die Finanzbehörde müsse eine (Umsatz-) Steuererstattung an die Insolvenzmasse leisten, könne aber ihre korrespondierende, unbefriedigte Steuerforderung lediglich als Insolvenzforderung geltend machen und müsse hinnehmen, mit ihr möglicherweise ganz oder teilweise auszufallen" (BFH-Urteil in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, unter II.3.).

37

Eine Abweichung zur Rechtsprechung des VII. Senats des BFH besteht auch nicht insoweit, als dieser für Zwecke der Aufrechnung keine "fiktive Veranlagung auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung" vornimmt (BFH-Urteil vom 16. Januar 2007 VII R 7/06, BFHE 216, 390, BStBl II 2007, 745), da der VII. Senat hinsichtlich des Bestehens mehrerer Unternehmensteile im Insolvenzfall im Sinne des Senatsurteils in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 zwischen "Veranlagung" und "Aufrechenbarkeit" differenziert (BFH-Urteil in BFHE 230, 490, DB 2010, 2596, unter II.2., und vom 9. April 2002 VII R 108/00, BFHE 198, 294, BStBl II 2002, 562, unter II.3.).

38

5. Danach war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

39

a) Die GmbH hat im Streitfall Vermietungsleistungen bereits vor Verfahrenseröffnung erbracht. Dass der dieser Vermietung zugrunde liegende Vertrag erst nach Verfahrenseröffnung durch einen Sonderverwalter genehmigt wurde, steht dem nicht entgegen. Denn die Leistung wurde tatsächlich durch eine Nutzungsüberlassung vor Verfahrenseröffnung ausgeführt, wobei es nach §§ 40, 41 AO unerheblich ist, ob die Leistungserbringung ohne Genehmigung durch den Sonderverwalter gegen ein gesetzliches Verbot verstieß oder die Unwirksamkeit des der Leistung zugrunde liegenden Vertrags begründete.

40

b) Lag somit eine vor Verfahrenseröffnung ausgeführte Leistung vor, für die erst der Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmte, war das FA sowohl im Fall der Ist- als auch im Fall der Sollbesteuerung berechtigt, die Umsatzsteuer für die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch Steuerbescheid festzusetzen.

(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemäß. Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn

1.
das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2.
für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3.
eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht worden ist;
4.
der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 führt;
5.
Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getätigt werden.

(3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 8 gilt sinngemäß.

(4) Werden die Entgelte für unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam geändert (z.B. Jahresboni, Jahresrückvergütungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfänger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die Änderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsätze verteilt.

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

(1) Die Klageschrift ist dem Beklagten von Amts wegen zuzustellen. Zugleich mit der Zustellung der Klage ist der Beklagte aufzufordern, sich schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu äußern. Hierfür kann eine Frist gesetzt werden.

(2) Die beteiligte Finanzbehörde hat die den Streitfall betreffenden Akten nach Empfang der Klageschrift an das Gericht zu übermitteln.

Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbehörde hat dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts zu übermitteln. Satz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
ein Verwaltungsakt nach § 129 der Abgabenordnung berichtigt wird oder
2.
ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen unwirksamen Verwaltungsakts tritt.

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemäß. Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn

1.
das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2.
für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3.
eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht worden ist;
4.
der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 führt;
5.
Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getätigt werden.

(3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 8 gilt sinngemäß.

(4) Werden die Entgelte für unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam geändert (z.B. Jahresboni, Jahresrückvergütungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfänger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die Änderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsätze verteilt.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B-GmbH (GmbH).

2

Die GmbH schloss am 2. Januar 2004, vertreten durch den Kläger als vorläufigem Insolvenzverwalter, mit einer KG, für die der Kläger bereits zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, einen Vertrag, nach dem die GmbH der KG ihren Fuhrpark gegen monatliche Zahlung von 20.906,18 € zzgl. 3.344,99 € Umsatzsteuer (24.251,17 € brutto) zur Nutzung überlassen sollte und tatsächlich überließ; der Vertrag lief bis 29. Februar 2004. Die Wirksamkeit der Vereinbarung war von der Genehmigung eines durch das Insolvenzgericht einzusetzenden Sonderverwalters abhängig.

3

Über das Vermögen der GmbH, die ihre Umsätze zunächst nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des im Streitjahr 2005 geltenden Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) versteuerte, wurde am 4. März 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 6. April 2004 gestattete das zuständige Finanzamt (FA S) den vom Kläger beantragten Wechsel zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 20 UStG.

4

Am 19. Mai 2005 genehmigte der Sonderverwalter der GmbH den Vertrag vom 2. Januar 2004. Daraufhin wurde die vereinbarte Miete für die vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen --Nutzungsüberlassung des Fuhrparks für Januar und Februar 2004-- in Höhe von 48.502,34 € brutto gezahlt und am 14. Juli 2005 vom Kläger vereinnahmt.

5

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging das FA S davon aus, dass es sich bei den nach Insolvenzeröffnung vereinnahmten Entgelten aus den zuvor erbrachten Leistungen um Masseverbindlichkeiten handele, und setzte durch den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 2005 vom 6. Dezember 2005 hierfür Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

6

Nach der Erhebung der Klage zum Finanzgericht (FG) erließ das FA S am 24. Mai 2007 im Schätzungsweg den Umsatzsteuerjahresbescheid 2005, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde.

7

Das FG gab der Klage statt, mit der sich der Kläger gegen die Berücksichtigung des vereinnahmten Entgelts als Masseforderung wendet. Das Insolvenzverfahren sei im März 2004 und damit nach Ablauf der Voranmeldungszeiträume, in denen die Leistungen erbracht wurden, eröffnet worden. Der Tatbestand des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UStG sei damit bereits vor Verfahrenseröffnung vollständig erfüllt gewesen, so dass die Umsatzsteuerverbindlichkeiten als Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden seien. Hieran ändere der nach Verfahrenseröffnung beantragte und gewährte Wechsel der Besteuerungsart nichts. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung müsse eine Besteuerung der nach dem Übergang zur Istbesteuerung vereinnahmten Entgelte entfallen, wenn ---wie hier-- die Umsätze bereits vor dem Übergang zur Istbesteuerung der Sollbesteuerung unterlegen hätten. Der Unternehmer habe deshalb in den Voranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume, in denen solche Außenstände eingehen, die bereits versteuerten Beträge von den vereinnahmten Entgelten abzusetzen. Dies gelte unabhängig von den Gründen, aus denen eine Anmeldung und Versteuerung zunächst tatsächlich unterblieben sei. Da die Umsatzsteuer unter der Geltung der Sollbesteuerung entstanden sei, könne nach dem Wechsel zur Istbesteuerung keine Rückabwicklung erfolgen. Durch den Wechsel der Besteuerungsart werde der bereits vollständig verwirklichte und abgeschlossene Umsatzsteuertatbestand rückwirkend wieder "unbegründet".

8

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1845 veröffentlicht.

9

Mit seiner Revision macht das FA S Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks seien nicht zur Sollbesteuerung angemeldet worden, so dass keine Sollbesteuerung erfolgt sei. Nach dem FG-Urteil unterbleibe die Besteuerung dieser Umsätze völlig. Zumindest müsse der Wechsel zur Istbesteuerung auch für die Umsätze gelten, die nicht erklärt worden seien.

10

Nach Einlegung der Revision wurde das FA S mit dem FA E, dem Beklagten und Revisionskläger (FA) zusammengelegt.

11

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

13

Es sei unerheblich, dass die Umsätze aus der Fuhrparkvermietung nicht erklärt worden seien, da dies der Sollbesteuerung nicht entgegenstehe. Das FA könne die ihm nunmehr bekannten Forderungen zur Tabelle anmelden.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision des FA ist begründet.

15

Der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Organisationsakt der Verwaltung führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2008 V R 73/07, BFHE 223, 546, BStBl II 2009, 612).

16

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks begründen entgegen dem Urteil des FG eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO); unerheblich ist insoweit, ob die Umsätze der Ist- oder der Sollbesteuerung unterlagen.

17

1. Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S. von § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner "begründeten" Vermögensansprüche nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dementsprechend sind nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) Insolvenzforderungen während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern nur erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt festzustellen. Diese Einschränkung gilt nicht für Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 InsO, die durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen sind. Es handelt sich dabei gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO um die Verbindlichkeiten, die "durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören".

18

Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Unerheblich ist demgegenüber der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Welche Anforderungen im Einzelnen an die vollständige Tatbestandsverwirklichung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach Insolvenzrecht. Kommt es zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1., m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung)

19

2. Das FG hat keine hinreichenden Feststellungen getroffen, anhand derer der Senat entscheiden kann, ob die Steuer für die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG (Sollbesteuerung) oder nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG (Istbesteuerung) entstanden ist.

20

Das FA hatte dem Kläger durch Bescheid vom 6. April 2004 gestattet, die Umsätze der GmbH der Istbesteuerung zu unterwerfen. Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine derartige Gestattung ohne Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot auch noch während des Kalenderjahrs mit Rückwirkung auf den Jahresbeginn erteilt werden (BFH-Urteil vom 10. Dezember 2008 XI R 1/08, BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.3.b bb (2)).

21

Der Senat kann auf der Grundlage der Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob der Kläger das ihm eingeräumte Recht auf Istbesteuerung ausgeübt hat. Da es sich bei der Gestattung der Istbesteuerung um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt und die Sollbesteuerung der gesetzliche Regelfall ist, steht es dem Unternehmer frei, von der Gestattung zur Istbesteuerung keinen Gebrauch zu machen und zur Sollbesteuerung "zurückzukehren", ohne dass es hierfür eines Antrags des Steuerpflichtigen oder einer Erlaubnis des FA bedarf (BFH-Urteil in BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.2.). Eine Rückkehr zur Sollbesteuerung ist dabei bis zur Unanfechtbarkeit (formellen Bestandkraft) der Jahressteuerfestsetzung möglich (BFH-Urteil in BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.3.c). Hierzu hat das FG keine Feststellungen getroffen, obwohl der Kläger im Verfahren vor dem FG vorgetragen hat, dass es für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung bei der Sollbesteuerung geblieben und deshalb die Steuerforderung als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden sei.

22

3. Der Senat kann gleichwohl in der Sache entscheiden. Erbringt der Unternehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen eine Leistung, für die erst der Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmt, begründet die Entgeltvereinnahmung eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wobei unerheblich ist, ob der Umsatz der Ist- oder der Sollbesteuerung unterliegt. Für den Fall der Istbesteuerung ergibt sich dies aus dem Senatsurteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, auf das der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt. Im Fall der Sollbesteuerung beruht die Masseverbindlichkeit auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG.

23

a) Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Diese Vorschrift gilt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen.

24

Uneinbringlichkeit setzt nach ständiger BFH-Rechtsprechung voraus, dass der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (z.B. BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1). Zumindest im Sonderfall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann sich die fehlende Durchsetzbarkeit für den Leistenden aus Umständen ergeben, die in seiner Person oder in der Person des Leistungsempfängers begründet sind. Wird über das Vermögen eines Unternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, tritt daher hinsichtlich der noch nicht entrichteten Leistungsentgelte Uneinbringlichkeit ein. Unerheblich ist, ob es sich um ein Entgelt für eine vom Unternehmer bezogene oder erbrachte Leistung handelt.

25

b) Hat der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung bezogen und das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt nicht entrichtet, wird die der Umsatzsteuer unterliegende Entgeltforderung gegen ihn als Leistungsempfänger spätestens mit Verfahrenseröffnung unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote in voller Höhe uneinbringlich; bei einer nachträglichen Zahlung auf das uneinbringlich gewordene Entgelt ist der Umsatzsteuerbetrag nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erneut zu berichtigen (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 V R 14/08, BFHE 227, 513, BFH/NV 2010, 773, Leitsätze 1 und 2).

26

Maßgeblich ist hierfür, dass Entgeltforderungen gegen den Unternehmer mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen von Rechts wegen gegen ihn persönlich als Insolvenzschuldner nicht durchsetzbar sind, sondern nur zur Tabelle nach §§ 174 ff. InsO angemeldet werden können. Ohne Bedeutung ist dabei, ob den Vermögensansprüchen gegen den Leistungsempfänger, den Insolvenzschuldner, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch ein wirtschaftlicher Wert zukommt, so dass Uneinbringlichkeit selbst dann in vollem Umfang eintritt, wenn mit einer quotalen Befriedigung der Insolvenzforderungen zu rechnen ist (BFH-Urteil vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, unter II.2.c).

27

c) Erbringt der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, tritt gleichfalls mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Uneinbringlichkeit ein.

28

aa) Zwar gilt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Unternehmereinheit, das Unternehmen besteht jedoch nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen (vgl. BFH-Urteil vom 1. September 2010 VII R 35/08, BFHE 230, 490; Der Betrieb --DB-- 2010, 2596, unter II.2.), zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des leistenden Unternehmers kommt es zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile, bei denen es sich z.B. um die Insolvenzmasse und das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen handeln kann. So sind z.B. weitere Vorsteuerbeträge, die sich für die Insolvenzmasse ergeben, nicht nach § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG von der Steuer, die sich aus Leistungen für den insolvenzfreien Unternehmensteil ergeben, abzusetzen und können daher trotz einer Steuerschuld für den insolvenzfreien Unternehmensteil zu einem Vorsteuerüberschuss und damit zu einer Umsatzsteuervergütung für die dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters unterliegende Insolvenzmasse führen. Zur Wahrung des Grundsatzes der Unternehmenseinheit reicht es aus, dass die Summe der für alle Unternehmensteile insgesamt festgesetzten oder angemeldeten Umsatzsteuer der Umsatzsteuer für das gesamte Unternehmen entspricht (BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99, BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639, unter II.1. und 5.).

29

Neben der Insolvenzmasse und dem vom Insolvenzverwalter freigegebenen Vermögen besteht auch ein vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil. Die diesen Unternehmensteil betreffenden Umsatzsteueransprüche können nur zur Tabelle (§§ 174 ff. InsO) angemeldet, nicht aber wie z.B. Masseverbindlichkeiten durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt werden. Dementsprechend kann auch hier z.B. ein Vorsteueranspruch des massezugehörigen Unternehmensteils nicht gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG mit einem Steueranspruch gegen den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil verrechnet werden (vgl. §§ 95, 96 InsO).

30

bb) Ist im Insolvenzfall trotz Fortbestehens eines Gesamtunternehmens von mehreren eigenständigen Unternehmensteilen auszugehen, werden die bei Verfahrenseröffnung noch nicht vereinnahmten Entgelte aus vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil aus Rechtsgründen uneinbringlich, da der Entgeltanspruch ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr durch diesen Unternehmensteil vereinnahmt werden kann. Denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht nach § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter über (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85, unter II.1., m.w.N.). Der Unternehmer ist somit aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da diese in die Insolvenzmasse zu leisten sind. Damit korrespondiert auch, dass dieser Unternehmensteil rechtlich nicht mehr befugt ist, "öffentliche Gelder" entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21).

31

cc) Wird demnach die Entgeltforderung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich, begründet die spätere Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter eine erneute Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Diese Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen. Die erste Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil und die zweite Steuerberichtigung aufgrund der Vereinnahmung führen somit zu einer zutreffenden Besteuerung des Gesamtunternehmens.

32

Die aufgrund der Vereinnahmung entstehende Steuerberichtigung begründet eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch ist erst mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1. zur Istbesteuerung). Für dieses Ergebnis spricht auch das Erfordernis, die Besteuerungsgleichheit zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu wahren; dies ist bei der Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFH/NV 2010, 161, unter II.4.b dd (1), Deutsches Steuerrecht 2010, 2349). Mit diesem Erfordernis wäre es nicht zu vereinbaren, bei einer Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu differenzieren.

33

dd) Nicht zu entscheiden hat der Senat im Streitfall, ob entsprechend der Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit beim leistenden Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, auch der Leistungsempfänger mit Verfahrenseröffnung den Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen hat. Selbst wenn eine derartige Berichtigungspflicht bestünde, würde der Leistungsempfänger hierdurch nicht beschwert, da er im Hinblick auf die von ihm noch zu leistenden Zahlungen ohnehin prüfen muss, ob über das Vermögen seiner Gläubiger das Insolvenzverfahren eröffnet wird, um sicherzustellen, dass er Zahlungen nur an den Insolvenzverwalter leistet, da eine Zahlung an den Insolvenzschuldner selbst keine schuldbefreiende Wirkung hat (s. oben II.3.c bb).

34

Im Übrigen ist die Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger nicht erforderlich, wenn er das von ihm geschuldete Entgelt noch in dem für ihn maßgeblichen Voranmeldungszeitraum zahlt, in dem auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen seines Gläubigers eröffnet wird. Denn ein Entgelt kann nicht in ein und demselben Voranmeldungszeitraum uneinbringlich und vereinnahmt (entrichtet) werden, da sich zwei Berichtigungen nach § 17 UStG, die im selben Voranmeldungszeitraum erfolgen, gegenseitig aufheben.

35

4. Der Beurteilung der Steuerschuld aufgrund einer nach Verfahrenseröffnung erfolgten Entgeltvereinnahmung für eine vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistung als Masseverbindlichkeit steht nicht die Rechtsprechung des VII. Senats des BFH zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren entgegen, wie der erkennende Senat für den Fall der Istbesteuerung bereits mit Urteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.4. entschieden hat, und worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt.

36

Gleiches gilt für die mit Verfahrenseröffnung im Rahmen der Sollbesteuerung eintretende Uneinbringlichkeit der Entgeltforderung des Unternehmers, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Erbringt ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, für die auch der Insolvenzverwalter das Entgelt nicht vereinnahmen kann, geht der VII. Senat des BFH davon aus, dass das FA gegen einen der Insolvenzmasse zustehenden Berichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG mit der zuvor im Rahmen der Sollbesteuerung entstandenen Steuerforderung aufrechnen kann, ohne dass dem insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote entgegenstehen (BFH-Urteil vom 17. April 2004 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, unter II.3.). Gleiches gilt, wenn der Berichtigungsanspruch aufgrund der Uneinbringlichkeit --wie im Streitfall-- bereits mit Verfahrenseröffnung entsteht. Auch in diesem Fall kommt es zu der vom VII. Senat des BFH für erforderlich gehaltenen Aufrechnung, die darauf gestützt wird, dass es "schwerlich gerechtfertigt sein [würde], anzunehmen, die Finanzbehörde müsse eine (Umsatz-) Steuererstattung an die Insolvenzmasse leisten, könne aber ihre korrespondierende, unbefriedigte Steuerforderung lediglich als Insolvenzforderung geltend machen und müsse hinnehmen, mit ihr möglicherweise ganz oder teilweise auszufallen" (BFH-Urteil in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, unter II.3.).

37

Eine Abweichung zur Rechtsprechung des VII. Senats des BFH besteht auch nicht insoweit, als dieser für Zwecke der Aufrechnung keine "fiktive Veranlagung auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung" vornimmt (BFH-Urteil vom 16. Januar 2007 VII R 7/06, BFHE 216, 390, BStBl II 2007, 745), da der VII. Senat hinsichtlich des Bestehens mehrerer Unternehmensteile im Insolvenzfall im Sinne des Senatsurteils in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 zwischen "Veranlagung" und "Aufrechenbarkeit" differenziert (BFH-Urteil in BFHE 230, 490, DB 2010, 2596, unter II.2., und vom 9. April 2002 VII R 108/00, BFHE 198, 294, BStBl II 2002, 562, unter II.3.).

38

5. Danach war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

39

a) Die GmbH hat im Streitfall Vermietungsleistungen bereits vor Verfahrenseröffnung erbracht. Dass der dieser Vermietung zugrunde liegende Vertrag erst nach Verfahrenseröffnung durch einen Sonderverwalter genehmigt wurde, steht dem nicht entgegen. Denn die Leistung wurde tatsächlich durch eine Nutzungsüberlassung vor Verfahrenseröffnung ausgeführt, wobei es nach §§ 40, 41 AO unerheblich ist, ob die Leistungserbringung ohne Genehmigung durch den Sonderverwalter gegen ein gesetzliches Verbot verstieß oder die Unwirksamkeit des der Leistung zugrunde liegenden Vertrags begründete.

40

b) Lag somit eine vor Verfahrenseröffnung ausgeführte Leistung vor, für die erst der Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmte, war das FA sowohl im Fall der Ist- als auch im Fall der Sollbesteuerung berechtigt, die Umsatzsteuer für die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch Steuerbescheid festzusetzen.

(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemäß. Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn

1.
das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2.
für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3.
eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht worden ist;
4.
der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 führt;
5.
Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getätigt werden.

(3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 8 gilt sinngemäß.

(4) Werden die Entgelte für unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam geändert (z.B. Jahresboni, Jahresrückvergütungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfänger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die Änderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsätze verteilt.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 118/08
Verkündet am:
16. Juli 2009
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit
an den Schuldner geleistet worden, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse
zu erfüllen war, so wird der Leistende nicht befreit, wenn er zu einer
Zeit, als er den Leistungserfolg noch zu verhindern vermochte, von der Verfahrenseröffnung
Kenntnis erlangt hat.
BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - IX ZR 118/08 - LG Neubrandenburg
AG Neubrandenburg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die Richter
Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Neubrandenburg vom 22. Mai 2008 wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der zugesprochene Betrag mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Verwalter in dem am 10. Februar 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH (fortan Schuldnerin). Die Eröffnung wurde am 11. Februar 2005 im Internet und am 23. Februar 2005 im Bundesanzeiger veröffentlicht.
2
Die Schuldnerin war bei der Beklagten gegen Schäden aus Einbruchsdiebstahl versichert. Zur Regulierung eines vor Insolvenzeröffnung eingetretenen Versicherungsfalls übersandte die Beklagte an die Postanschrift der Schuldnerin am 25. Februar 2005 einen Scheck über 2.853 €. Mit einem spätestens am 3. März 2005 zugegangenen Schreiben vom 28. Februar 2005 zeigte der Kläger der Beklagten die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an und for- derte sie zur Zahlung der Versicherungsleistung auf. Am 8. März 2005 wurde der Scheck eingelöst, ohne dass der Kläger den Einlösungsbetrag erhielt.
3
Die auf Zahlung von 2.853 € nebst Zinsen gerichtete Klage war in beiden Instanzen erfolgreich. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision ist mit Ausnahme der angegriffenen Zinshöhe unbegründet.

I.


5
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte könne sich für die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Zahlung nicht mit Erfolg auf den Schutz des guten Glaubens nach § 82 Satz 1 InsO berufen. Die fehlende Kenntnis von der Verfahrenseröffnung habe die Beklagte darzulegen und zu beweisen. Sie sei ihrer Darlegungslast aber nicht nachgekommen. Bei einer Zahlung durch Scheck trete die Erfüllung erst mit Einlösung des Schecks durch Barzahlung oder Gutschrift ein. Dieser Zeitpunkt sei maßgeblich dafür, ob die Beklagte keine Kenntnis von der Verfahrenseröffnung gehabt habe. Am 8. März 2005 habe die Beklagte bereits Kenntnis von der Insolvenzeröffnung gehabt, weil ihr das Schreiben des Klägers spätestens am 3. März 2005 zugegangen sei. Auch wenn bei einem Versicherungsunternehmen die Organisationsstrukturen möglicherweise nicht derart ausgestaltet seien, dass jede eingehende Information dem Sachbearbeiter unverzüglich vorgelegt würde, sei bei einem Zeitraum von fünf Tagen eine eingegangene Information als der Beklagten zugegangen zu bewerten.

II.


6
Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Die Beklagte ist von ihrer Leistungsverpflichtung aus dem Versicherungsverhältnis nicht fei geworden.
7
1. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahren geht nach § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter über (Jaeger/Windel, InsO § 82 Rn. 2; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 2. Aufl. § 82 Rn. 3; HK-InsO/Kayser, 5. Aufl. § 82 Rn. 6). Die Parteien haben nicht vorgetragen , dass die Scheckzahlung der Beklagten als eine nach dem Versicherungsvertrag zulässige Leistung an Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB erbracht worden ist. Deshalb konnte die Beklagte den Scheck mangels Einigung mit dem Kläger nur erfüllungshalber hingeben und ihre Deckungspflicht erst erfüllen , wenn der Scheck ordnungsgemäß eingelöst wurde (vgl. BGHZ 44, 178, 179 f; 131, 66, 74). Entsprechend § 270 Abs. 1 BGB trug die Beklagte Gefahr und Kosten der Scheckübermittlung an den Gläubiger (vgl. BGH, Urt. v. 12. Juli 2000 - VIII ZR 99/99, ZIP 2000, 1719, 1721 unter II. 2. d). Diese Übermittlung an den Kläger ist im Streitfall nur insoweit gescheitert, als der Scheck in die Hände eines Organwalters der nicht mehr empfangszuständigen Insolvenzschuldnerin gelangt und von diesem nicht an den Kläger weitergeleitet, sondern eingelöst worden ist. Ob die Beklagte aufgrund der Einlösung durch die Insolvenzschuldnerin von ihrer Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag freige- worden ist oder von dem Kläger auf nochmalige Leistung in Anspruch genommen werden kann, beurteilt sich nach § 82 Satz 1 InsO, nicht nach dem allgemeinen Gefahrtragungsgrundsatz des § 270 Abs. 1 BGB, wie die Revisionserwiderung meint. Nach § 82 Satz 1 InsO wird der Leistende befreit, wenn er zur Zeit der Leistung an den Insolvenzschuldner die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte.
8
a) Die Beklagte trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gekannt hat, weil sie ihre Leistungshandlung - Übersendung des Schecks - nach der öffentlichen Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung vorgenommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 15. Dezember 2005 - IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138, 140 Rn. 12). Maßgeblich für den Übergang der Beweislast ist der Zeitpunkt, an dem die Bekanntmachung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO als bewirkt gilt (HK-InsO/Kayser, aaO § 82 Rn. 20). Die öffentliche Bekanntmachung ist durch die Veröffentlichung im Internet erfolgt. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat von der durch § 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 InsO in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung in Verbindung mit § 1 Satz 1 der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet vom 12. Februar 2002 (BGBl. I, S. 677) eingeräumten Möglichkeit zu einer entsprechenden Veröffentlichung Gebrauch gemacht. Nach Ziffer I. 3. der Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums MecklenburgVorpommern vom 2. September 2003 (III 150/1518 - 42 SH/5, AmtsBl. M-V 2003, 931) erfolgten ab dem 1. Januar 2004 die öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren ausschließlich im Internet. Auf die von § 30 Abs. 1 Satz 2 InsO in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung daneben vorgeschriebene und hier erst am 23. Februar 2005 erfolgte Veröffentlichung im Bundesanzeiger kommt es für den Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 9 Abs. 3 InsO nicht an (vgl. Keller ZIP 2003, 149, 153). Die öffentliche Bekanntmachung ist demzufolge durch Internetveröffentlichung mit Ablauf des 14. Februar 2005 (Montag) bewirkt worden (§ 9 Abs. 1 Satz 3, § 4 InsO, § 222 Abs. 2 ZPO).
9
b) Der Leistende wird in seinem Vertrauen auf die Empfangszuständigkeit eines Gläubigers nach § 82 InsO nur geschützt, wenn ihm die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen solange unbekannt geblieben ist, wie er den Leistungserfolg noch zu verhindern vermag (Jaeger/Windel, aaO § 82 Rn. 48; HK-InsO/Kayser, aaO § 82 Rn. 16; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 82 Rn. 11; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 82 Rn. 23; FK-InsO/App, 5. Aufl. § 82 Rn. 9; HmbKomm-InsO/Kuleisa, 2. Aufl. § 82 Rn. 27; Braun/Kroth, InsO 3. Aufl. § 82 Rn. 10; Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO § 82 Rn. 18; Smid, InsO 2. Aufl. § 82 Rn. 9; Graf-Schlicker/Scherer, InsO § 82 Rn. 5; Hess, Insolvenzrecht § 82 InsO Rn. 14; Häsemeyer, Insolvenzrecht 4. Aufl. Rn. 10.15 Fußn. 57; ebenso zum früheren Recht Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 8 Rn. 59). Die hiervon abweichende Ansicht, die den Zeitpunkt der Leistungshandlung für maßgeblich hält (MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, aaO Rn. 13; zum früheren Recht ebenso Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 8 KO Anm. 2) und sich hierfür auf den mit § 407 BGB übereinstimmenden Schutzzweck beruft, berücksichtigt die Unterschiede zwischen § 407 BGB und § 82 Satz 1 InsO nicht hinreichend.
10
aa) Der Vorschrift des § 407 BGB kann nicht das allgemeine Prinzip entnommen werden, dass der Schuldner stets geschützt werden soll, wenn er sich im Zeitpunkt seiner letzten Leistungshandlung in Unkenntnis der wirklichen Rechtslage befunden hat (Jaeger/Windel, aaO). Der maßgebliche Zeitpunkt ist vielmehr für jede dem Schuldnerschutz dienende Vorschrift aus ihrem Normzweck abzuleiten. § 407 BGB liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Schuld- ner, ohne dessen Zutun die Abtretung erfolgt ist, in seiner Rechtsstellung möglichst nicht beeinträchtigt werden soll (BGHZ 105, 358, 360; BGH, Urt. v. 18. März 2004 - IX ZR 177/03, WM 2004, 981, 984 f). Er soll vor den Nachteilen der Abtretung geschützt werden; ihn sollen aber keine zusätzlichen Verpflichtungen treffen (BGHZ 105, 358, 360 f).
11
bb) Bei § 407 BGB und § 82 Satz 1 InsO sind die Risikolagen und die Schutzzwecke verschieden.
12
In den Fällen des § 407 BGB gibt die Kenntnis des Schuldners, die seinen Leistungsschutz begrenzt, dem Individualinteresse eines Zessionars Vorrang , der die wirksame Leistung an den Zedenten vorher zwar gemäß § 816 Abs. 2 BGB von diesem herausverlangen kann, dem aber die Gefahr einer anspruchsvereitelnden Verfügung des Zedenten im ordentlichen Geschäftsverkehr , eines Vollstreckungszugriffs von Gläubigern des Zedenten und das Risiko von dessen Insolvenz droht. Vergleichbare Gefahren drohen dem Insolvenzverwalter nicht. Anders als nach der Konkursordnung fällt auch die Leistung des Drittschuldners an den Insolvenzschuldner gemäß § 35 Abs. 1 InsO in die Masse. Trotz seiner Fehlleitung unterliegt der Leistungsgegenstand nicht der Zwangsvollstreckung durch den Neugläubiger des Insolvenzschuldners (§ 89 Abs. 1 InsO). Dritte können daran keine Rechte erwerben (§ 91 Abs. 1 InsO). Die Risikolage, welcher § 82 InsO Rechnung tragen will und der in den Fällen des § 407 BGB nichts Entsprechendes gegenüber steht, liegt darin, dass dem Insolvenzverwalter der nach § 80 Abs. 1 InsO seiner Verfügungsmacht unterstehenden Leistungsgegenstand von einem ungetreuen Insolvenzschuldner vorenthalten wird. So soll es auch im Streitfall gewesen sein.
13
Der durch § 82 Satz 1 InsO den Drittschuldnern aus Billigkeitsgründen eingeräumte Gutglaubensschutz gewährt deshalb nicht wie § 407 BGB ein Mindestmaß an Sicherheit; er stellt sich vielmehr als eine besondere Vergünstigung dar (so schon BGHZ 140, 54, 58 f zu § 8 Abs. 2 und 3 KO) und dient zugleich dem öffentlichen Interesse an einem effektiven Insolvenzverfahren. Diesem Regelungsziel entspricht es, dem Leistenden weitergehende Obliegenheiten als nach § 407 BGB aufzuerlegen und darauf abzustellen, ob der Drittschuldner seine Leistung noch zurückrufen und so dem Risiko eines treuwidrigen Verfahrensschuldners vorbeugen kann (vgl. Jaeger/Windel, aaO; HK-InsO/Kayser, aaO).
14
cc) Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die gesetzliche Wertung für den Fall, dass ein gutgläubiger Schuldner nicht an den wirklichen Erben, sondern an den Erbscheinserben als Gläubiger geleistet hat. Abweichend von § 407 Abs. 1 BGB ist für die Kenntnis des Schuldners von der Unrichtigkeit des Erbscheins bei Leistung an den Erbscheinserben (§§ 2367, 2366 BGB) der Zeitpunkt entscheidend , an dem sich der Leistungserfolg vollendet (Staudinger/ Schilken, BGB Neubearbeitung 2004, § 2366 Rn. 8; MünchKomm-BGB/Mayer, 4. Aufl. § 2366 Rn. 17; Siegmann/Höger in Bamberger/Roth, BGB 2. Aufl. § 2366 Rn. 14; Erman/Schlüter, BGB 12. Aufl. § 2366 Rn. 4; Palandt/Edenhofer , BGB 68. Aufl. § 2366 Rn. 3). Dort gelangt der Leistungsgegenstand kraft dinglicher Surrogation in Rechtsanalogie zu § 718 Abs. 2, § 1418 Abs. 2 Nr. 3, § 1473 Abs. 1, § 1638 Abs. 2, §§ 2041, 2111 Abs. 1 BGB unmittelbar in den Nachlass. Der Erbscheinserbe ist dem wirklichen Erben als Erbschaftsbesitzer nach § 2018 BGB zur Herausgabe verpflichtet. Die Zwangsvollstreckung von Gläubigern des Erbschaftsbesitzers in Nachlasssurrogate kann vom wirklichen Erben nach § 771 ZPO abgewehrt werden (MünchKomm-BGB/Helms, 4. Aufl. § 2019 Rn. 1 a.E.). Zusätzlich wird der wirkliche Erbe durch § 2019 Abs. 1 BGB geschützt. Auch hier ist demzufolge die Gefahr im Falle einer Fehlleitung der Leistung wesentlich geringer als das Gläubigerrisiko von Zessionar oder Schuldner, die gegen den Zedenten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung vorgehen müssen. Das Hauptrisiko liegt ähnlich wie bei § 82 InsO in einem unredlichen Empfänger, dort dem Insolvenzschuldner , hier dem Erbscheinserben. Die Folgerung ist hier wie in den Fällen des § 82 InsO, dass das geringere Regressrisiko des leistenden Schuldners es rechtfertigt, von ihm auch Bemühungen zur Verhinderung des Leistungserfolges zu erwarten und den Schutz der Unkenntnis von der fehlenden Empfangszuständigkeit des Scheingläubigers nur dann zu gewähren, wenn sie bis zur Unabwendbarkeit des Leistungserfolges andauert. Für die abweichende Ansicht spricht entgegen der Auffassung der Revision auch nicht entscheidend die in § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 892 Abs. 2 BGB getroffene Regelung, weil sie darauf beruht, dass der Erwerber auf den Gang des Grundbuchverfahrens keinen Einfluss hat (Jaeger/Windel, aaO). Diese Regel ist bei § 82 InsO ebenso wenig anwendbar wie bei den §§ 2366, 2367 BGB (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 12. Oktober 1970 - III ZR 254/68, WM 1971, 54; ferner BGHZ 57, 341, 343).
15
2. Danach konnte die Beklagte nur dann von der Verpflichtung zur erneuten Leistung frei werden, wenn sie zu dem Zeitpunkt, bis zu dem sie die Einlösung des Schecks noch durch dessen Sperrung verhindern konnte, keine Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte. Dies ist auf der Grundlage ihres eigenen Vortrags nicht der Fall.
16
a) Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation muss im Rahmen des ihr Zumutbaren sicherstellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen unverzüglich an die entscheidenden Personen weitergeleitet und von diesen zur Kenntnis genommen werden (BGHZ 140, 54, 62; BGH, Urt. v. 15. Dezember 2005, - IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138, 140 Rn. 13). Entgegen der Auffassung der Revision beschränkt sich diese Rechtsprechung nicht auf den Bankenbereich (vgl. BGHZ 140, 54). Ob sich die Organisation , wenn es an einem darartigen internen Informationssystem fehlt, das Wissen einzelner Mitarbeiter, die nicht zu den Entscheidungsträgern gehören, etwa bei der Posteingangsstelle beschäftigt sind, unmittelbar zurechnen lassen muss (vgl. BGH, Urt. v. 15. Dezember 2005, aaO), mag dahinstehen. Jedenfalls müssen sich die Entscheidungsträger so behandeln lassen, als hätten sie das Wissen gehabt, wenn die Zeit verstrichen ist, die bei Bestehen eines effizienten internen Informationssystems benötigt worden wäre, um ihnen die Kenntnis zu verschaffen. Diese Zeitspanne ist angesichts des Standes der modernen Büround Kommunikationstechnik als gering zu veranschlagen.
17
b) Nach dem Vortrag der Beklagten sei es von ihr innerhalb der "assekuranzüblichen und angemessenen Bearbeitungszeit von mindestens neun Arbeitstagen" nicht zu erwarten gewesen, nach Erhalt der Eröffnungsanzeige des Klägers am 3. März 2005 geeignete Maßnahmen gegen die drohende Scheckeinlösung zu ergreifen. Die Beklagte hat damit nicht vorgetragen, dass sie eine Organisationsstruktur geschaffen hat, die eine kurzfristige Kenntnisnahme des Inhaltes eilbedürftiger Schreiben durch die Entscheidungsträger ermöglicht. Dies hat nichts mit der Frage nach der angemessenen Bearbeitungsfrist für den eine Sachverhaltsaufklärung erfordernden Leistungsantrag eines Versicherten zu tun (hierzu LG Köln VersR 1982, 389). Aus dem Nachweis der Insolvenzeröffnung ergab sich vielmehr unmittelbar, dass laufende Zahlungsvorgänge an die Schuldnerin sofort anzuhalten waren. Ob es solche Vorgänge gab, konnte auf dem Bildschirm in kürzester Zeit festgestellt werden. Da diese Kenntnisnahme mangels entsprechender organisatorischer Vorsorge nicht gewährleistet war, muss sich die Beklagte so behandeln lassen, wie wenn sie am 7. März 2005, als sie den am Folgetag eingelösten Scheck noch sperren lassen konnte, Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehabt hätte.

III.


18
Der Ausspruch zur Zinshöhe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Amtsgericht hat dem Kläger Zinsen nach § 288 Abs. 2 BGB zuerkannt. Bei der Klageforderung handelt es sich indes nicht um eine Entgeltforderung nach dieser Vorschrift. § 286 Abs. 3 BGB setzt die Vorgaben der Richtlinie 2000/35/EG vom 29. Juni 2000 um (Palandt/Grüneberg, aaO § 286 Rn. 1).
Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie unterfallen ihr nicht Zahlungen von Versicherungsgesellschaften. Es bewendet daher bei der Zinshöhe des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Ganter Raebel Kayser
Pape Grupp
Vorinstanzen:
AG Neubrandenburg, Entscheidung vom 20.03.2007 - 12 C 238/06 -
LG Neubrandenburg, Entscheidung vom 22.05.2008 - 1 S 39/07 -

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer KG. Die 1999 gegründete KG erbrachte Speditionsleistungen. Die KG beantragte am 6. Oktober 2011 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

2

Mit Beschluss vom 7. Oktober 2011 bestellte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung --InsO--) und ordnete an, dass Verfügungen der KG über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des Klägers wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO). Das Insolvenzgericht verbot zudem den Schuldnern der KG, an diese zu zahlen und ermächtigte den Kläger, Bankguthaben und sonstige Forderungen der KG einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Schuldner der KG wurden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO). Das Insolvenzgericht untersagte auch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die KG (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO).

3

Die KG führte ihren Geschäftsbetrieb zunächst weiter, da Insolvenzgeld vorfinanziert wurde und der Kläger Gespräche mit den Hauptauftraggebern führte. Die bei der Stellung des Insolvenzantrags offenen Forderungen der KG in Höhe von 40.066,29 € konnten im Insolvenzeröffnungsverfahren bis zum 28. Dezember 2011 in Höhe von 36.880,09 € eingezogen werden.

4

Die KG stellte ihren Geschäftsbetrieb zum 31. Dezember 2011 ein und kündigte mit Zustimmung des Klägers die noch bestehenden Arbeitsverhältnisse. Das Insolvenzgericht eröffnete das Insolvenzverfahren durch Beschluss vom 1. Januar 2012.

5

Die KG hatte bereits am 9. Dezember 2011 Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Oktober und November 2011 abgegeben. Für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2011 ergab sich eine Steuerschuld von 7.219,36 €. Für den Voranmeldungszeitraum November 2011 belief sich die Umsatzsteuer auf 3.453,30 €. Am 5. März 2012 gab die KG eine geänderte Umsatzsteuervoranmeldung November 2011 ab, nach der sich eine niedrigere Umsatzsteuer von 3.247,38 € ergab.

6

Mit Bescheid vom 20. März 2012 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Steuer für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2011 auf 4.548,88 € fest. Mit Bescheid vom 3. April 2012 verringerte das FA die Steuer für den Vorauszahlungszeitraum November 2011 --entsprechend der geänderten Voranmeldung vom 5. März 2012-- auf 3.247,38 €. Beide Steuerfestsetzungen erfolgten unter Verwendung einer zweiten, für die Masse der KG vergebenen Steuernummer.

7

Der Kläger legte gegen die Vorauszahlungsbescheide Oktober und November 2011 vom 20. März 2012 und vom 3. April 2012 Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren änderte das FA durch Bescheid vom 31. Juli 2012 den Vorauszahlungsbescheid Oktober 2011, so dass sich die Steuer auf 2.874,97 € verminderte. Dieser Bescheid wurde gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Nachdem der Kläger am 26. Juli 2012 dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte, wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 16. August 2012 als unbegründet zurück.

8

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 69 veröffentlichten Urteil des FG kann das FA die vom späteren Insolvenzschuldner nach der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters angemeldeten und zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht gezahlten Umsatzsteuervorauszahlungen, die sich zudem der Höhe nach geändert haben, gemäß § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeit gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festsetzen, wenn der schwache Insolvenzverwalter offensichtlich mit der Fortführung des Unternehmens im Insolvenzeröffnungsverfahren ausdrücklich einverstanden war. Für die Zustimmung i.S. von § 55 Abs. 4 InsO reiche es aus, dass sich der schwache vorläufige Insolvenzverwalter mit der Fortführung der Umsatztätigkeit im Insolvenzeröffnungsverfahren aktiv oder konkludent einverstanden erklärt.

9

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision, die er auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Der Begriff der Zustimmung i.S. von § 55 Abs. 4 InsO sei im Zusammenhang mit dem Zustimmungsvorbehalt auszulegen. Die Zustimmung könne sich nur auf das beziehen, was aufgrund des Zustimmungsvorbehalts zustimmungsbedürftig sei und damit nur auf Verfügungen, nicht aber auch --wie im Streitfall-- auf die Erbringung von Dienstleistungen. Erteile der vorläufige Insolvenzverwalter seine Zustimmung nur im Rahmen der allgemeinen Verpflichtung, die Masse zu sichern, reiche dies nicht aus. Dass sich der Kläger für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes und die Zustimmung der Agentur für Arbeit eingesetzt habe, sei daher ohne Bedeutung. Der Fiskus sei im Übrigen auch nicht als Zwangsgläubiger anzusehen. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Dezember 2010 V R 22/10 (BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) zum Einzug von Altforderungen und dem sich hieraus ergebenden Berichtigungsanspruch sei für das Insolvenzeröffnungsverfahren ohne Bedeutung. § 55 Abs. 4 InsO sei im Kontext mit § 55 Abs. 1 und 2 InsO auszulegen. Die Ausübung einer bloßen Überwachungs- und Kontrollfunktion reiche für die Entstehung der Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO nicht aus. Aus der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts ergebe sich nicht die Übernahme einer Betriebsfortführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter. Der vorläufige Insolvenzverwalter übe keine faktische Unternehmensleitung aus.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG und die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Oktober und November 2011 vom 20. März 2012, vom 3. April 2012 und vom 31. Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. August 2012 aufzuheben.

11

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

§ 55 Abs. 4 InsO bezwecke, dass der Fiskus mit den während der vorläufigen Insolvenzverwaltung begründeten Steuerforderungen im nachfolgenden Insolvenzverfahren nicht ausfalle. Daher reiche es aus, dass der schwache vorläufige Insolvenzverwalter mit der Fortführung der Geschäftstätigkeit einverstanden sei. Für den Fiskus bestünden während der vorläufigen Insolvenzverwaltung keine privilegierten Sicherungsmaßnahmen. Hilfsweise sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die bei Stellung des Insolvenzantrags offenen Forderungen in Höhe von 36.880,09 € einziehen konnte. Da die Vereinnahmungszuständigkeit durch den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 7. Oktober 2011 auf den Kläger übergegangen sei, führe diese Forderungsvereinnahmung nach dem BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 zu einer Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (UStG) als Masseverbindlichkeit. Diese Rechtsprechung sei auch auf die Forderungsvereinnahmung durch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zu übertragen. Dies sei im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Soll- und Istbesteuerung im Insolvenzeröffnungsverfahren geboten. In Betracht komme auch das Entstehen einer Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 InsO, wenn das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter zum Forderungseinzug ermächtigt. Maßgeblich sei die vollständige Tatbestandsverwirklichung im Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründetheit. Der Anwendungsbereich des § 55 Abs. 4 InsO beschränke sich nicht auf Neugeschäfte. Die Vorschrift verfolge das Ziel, steuermindernde Gestaltungen zu verhindern. Auf eine faktische Unternehmensleitung komme es nicht an. Ebenso spiele die Bemessung der Verwaltervergütung keine Rolle. Auch Altgeschäfte könnten § 55 Abs. 4 InsO unterliegen. Es habe eine gerichtliche Anordnung zur Einziehung von Altforderungen bestanden. An der Titelfunktion der Umsatzsteuer-Voranmeldung sei festzuhalten.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision des Klägers ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil des FG kommt es für die Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO auf die rechtlichen Befugnisse an, die dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehen. Ist Zustimmungsvorbehalt angeordnet (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 InsO) und ist der vorläufige Insolvenzverwalter zum Forderungseinzug berechtigt, entsteht die Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO insoweit, als der vorläufige Insolvenzverwalter Entgelte aus Leistungen des Unternehmers vereinnahmt. Dabei sind vom vorläufigen Insolvenzverwalter veranlasste Zahlungen auf zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungsbezüge masseverbindlichkeitsmindernd zu berücksichtigen. Es ist im Insolvenzeröffnungsverfahren nicht zwischen den vor und nach der Verwalterbestellung erbrachten oder bezogenen Leistungen zu unterscheiden.

14

1. Nach § 55 Abs. 4 InsO gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit.

15

a) Verbindlichkeiten werden vom vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters nur im Rahmen der für den vorläufigen Verwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet.

16

aa) § 55 Abs. 4 InsO erweitert die Tatbestände, nach denen Masseverbindlichkeiten entstehen. Für diese kommt es auf die nach dem Insolvenzrecht bestehenden rechtlichen Befugnisse an. So sind Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur die Verbindlichkeiten, "die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden". § 55 Abs. 2 InsO setzt Verbindlichkeiten voraus, "die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist". § 55 Abs. 4 InsO dient zwar dazu, die nach § 55 Abs. 1 und 2 InsO bestehenden Tatbestände zu erweitern. Dies steht aber wie bei § 55 Abs. 1 und 2 InsO unter dem Vorbehalt, dass hierfür die für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse zu berücksichtigen sind.

17

bb) Nach Maßgabe der dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehenden rechtlichen Befugnisse ist für das Entstehen von Masseverbindlichkeiten bei umsatzsteuerrechtlichen Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nicht auf die lediglich zeitliche Verbindlichkeitsbegründung "nach der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters" (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 17. Januar 2012, BStBl I 2012, 120, Rz 11) abzustellen. Die Annahme, dass hiervon ausgenommen nur die Umsatzsteuerverbindlichkeiten seien, die "auf Umsätzen beruhen, denen der schwache vorläufige Insolvenzverwalter ausdrücklich widersprochen hat" (BMF-Schreiben in BStBl I 2012, 120, Rz 11), ist mit den insolvenzrechtlichen Anforderungen an die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO nicht vereinbar. Insbesondere ist der Insolvenzordnung eine von der Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters nach den §§ 21 ff. InsO abweichende "tatsächliche" Zustimmung oder eine "faktische" Unternehmensfortführung neben einer Unternehmensfortführung i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO fremd. Ohne Einschränkung durch die einem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragenen Befugnisse kann der Schuldner frei entscheiden (vgl. Schmidt/Hölzle, InsO, 18. Aufl., 2013, § 21 Rz 6). Das Erfordernis einer "tatsächlichen" Zustimmung mit dessen Handlungen führt demgegenüber zwangsläufig zu nicht nachprüfbaren Unterstellungen. Auf einen fehlenden Widerspruch kann daher nur in dem Umfang abgestellt werden, als ein Recht zum Widerspruch besteht.

18

b) Ob eine umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeit aus dem Steuerschuldverhältnis Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO ist, entscheidet sich nach der Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter.

19

aa) § 55 Abs. 4 InsO ist entsprechend dem Willen des historischen Gesetzgebers auf Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis nach dem Umsatzsteuergesetz anzuwenden. Nach der amtlichen Gesetzesbegründung dient § 55 Abs. 4 InsO dazu, die Durchsetzung des Umsatzsteueranspruchs im Insolvenzeröffnungsverfahren zu sichern (BTDrucks 17/3030, S. 43 f.: zur "ungerechtfertigte[n] Benachteiligung des Fiskus", dem durch die Neuregelung "ein Riegel vorgeschoben" werden sollte).

20

bb) Kommt es für die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO auf die rechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters an (s. oben II.1.a), ist bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG) --ebenso wie bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG)-- auf die Entgeltvereinnahmung, nicht aber auf die Leistungserbringung abzustellen.

21

(1) Das Insolvenzgericht kann den vorläufigen Insolvenzverwalter --wie im Streitfall-- zum Forderungseinzug ermächtigen. Der Forderungseinzug erfolgt zumindest in diesem Fall im Rahmen der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse und kann dementsprechend dazu führen, dass umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis, die mit dem Forderungseinzug im Zusammenhang stehen, zur Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO werden. Ob sich dies auch bereits aufgrund des allgemeinen Zustimmungsvorbehalts, der sich auf Verfügungen bezieht, ergeben kann, hat der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden.

22

(2) Demgegenüber kann nicht auf das Erbringen steuerbarer Leistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG abgestellt werden. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt --wie im Streitfall-- selbst keine Leistungen erbringt.

23

Für die Verbindlichkeitsbegründung i.S. von § 55 Abs. 4 InsO ist auch unter Berücksichtigung des für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Zustimmungsvorbehalts (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO) nicht die steuerbare Leistungserbringung maßgeblich. Denn dieser Zustimmungsvorbehalt bezieht sich nur auf "Verfügungen". Im Hinblick auf diese Rechtsstellung wäre es zwar denkbar, vom Schuldner erbrachte Lieferungen und damit die Verschaffung der Verfügungsmacht an Gegenständen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG als masseverbindlichkeitsbegründend i.S. von § 55 Abs. 4 InsO anzusehen, wenn dies mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgt. § 55 Abs. 4 InsO wäre dann aber auf Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) zu beschränken, da es bei der Erbringung sonstiger Leistungen i.S. von § 3 Abs. 9 UStG jedenfalls an einem vergleichbaren Verfügungselement fehlte. Eine auf Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) beschränkte Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO ist aber bereits deshalb ausgeschlossen, da die Auslegung des § 55 Abs. 4 InsO nicht dazu führen darf, dass es im Insolvenzeröffnungsverfahren eines Schuldners, der als Händler zustimmungspflichtige Lieferungen ausführt, zum Entstehen von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO kommt, während keine Masseverbindlichkeiten im Insolvenzeröffnungsverfahren eines Dienstleistungsunternehmens entstehen. Eine derartige Differenzierung hätte zur Folge, dass durch den unterschiedlichen Umfang, in dem Masseverbindlichkeiten entstünden, die Fortführung und Sanierung (vgl. § 1 Satz 1 InsO) von Dienstleistungsunternehmen erleichtert und von Handelsunternehmen erschwert würde. Dies wäre mangels sachgerechten Differenzierungsgrundes mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (vgl. hierzu allgemein z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2011  1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49) unvereinbar.

24

2. Die für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Befugnisse sind auch umsatzsteuerrechtlich von Bedeutung. Bestellt das Insolvenzgericht --wie im Streitfall-- für einen Unternehmer einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug für die Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht und bezogen hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen. Gleiches gilt für den Steuerbetrag und den Vorsteuerabzug aus Leistungen, die das Unternehmen danach bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt und bezieht.

25

a) Aufgrund der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO) und mit Recht zum Forderungseinzug (§§ 22 Abs. 2, 23 InsO) werden die noch ausstehenden Entgelte für zuvor erbrachte Leistungen uneinbringlich.

26

aa) Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag für steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist.

27

(1) Wie der erkennende Senat bereits für das eröffnete Insolvenzverfahren entschieden hat, werden die Entgelte für Leistungen, die der Unternehmer bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht hat und die der Unternehmer bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht vereinnahmt hat, im Augenblick vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich. Maßgeblich ist hierfür, dass gemäß § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, die auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter übergeht und dass der Unternehmer somit aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem eigenen vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da sie im Rahmen der Masseverwaltung und Masseverwertung zu vereinnahmen sind und damit zum Bereich der Masseverbindlichkeiten gehören (vgl. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.c, und vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, unter II.5.b).

28

(2) Ebenso ist es im Insolvenzeröffnungsverfahren, worüber der Senat bisher noch nicht zu entscheiden hatte. Zwar ergibt sich das Recht zum Forderungseinzug hier nicht aus den einem Insolvenzverwalter gemäß §§ 80 ff. InsO zustehenden Befugnissen. Erlässt das Insolvenzgericht aber entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 3 InsO bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt das Verbot an Drittschuldner, an den Schuldner zu zahlen, und ermächtigt es den vorläufigen Insolvenzverwalter, Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen (§ 22 Abs. 2 InsO), wird damit das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem vorläufigen Insolvenzverwalter gegenüber Drittschuldnern gemäß § 24 Abs. 1 InsO in einer Weise geregelt, die § 80 Abs. 1 und § 82 InsO entspricht (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Februar 2007 IX ZR 2/06, Der Betrieb 2007, 1079, unter II.1.b).

29

Ordnet das Insolvenzgericht daher wie im Streitfall an, dass der Kläger als vorläufiger Insolvenzverwalter berechtigt ist, Bankguthaben und sonstige Forderungen des Insolvenzschuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen und verbietet es zudem den Drittschuldnern an den Insolvenzschuldner zu zahlen, führt dies wie im eröffneten Insolvenzverfahren zur Uneinbringlichkeit der dem Unternehmer zustehenden Entgelte. Denn auch im Insolvenzeröffnungsverfahren ist es dann dem Unternehmer aufgrund der auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangenen Einziehungsbefugnis nicht mehr möglich, das Entgelt für die zuvor entstandene Steuerschuld zu erlangen. Ob es zu einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, ist als erst nachträglich eintretender Umstand für die steuerrechtliche Beurteilung unerheblich.

30

bb) Zu berichtigen ist auch der Vorsteuerabzug. Der erkennende Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass der Vorsteuerberichtigungsanspruch aus nicht bezahlten Leistungsbezügen nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 UStG mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt entsteht (BFH-Urteile vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, Leitsatz 2, und vom 3. Juli 2014 V R 32/13, juris, Leitsatz). Der Gläubiger des Schuldners, für den der vorläufige Insolvenzverwalter bestellt wird, kann dann seinen Entgeltanspruch aus der an den Schuldner erbrachten Leistung --selbst wenn es nachfolgend zu keiner Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, sondern diese z.B. mangels Masse unterbleibt-- zumindest für die Dauer des Eröffnungsverfahrens und damit im Regelfall über einen längeren Zeitraum von ungewisser Dauer nicht mehr durchsetzen (BFH-Urteil in BFHE 242, 433, unter II.4.c bb). Dies gilt nicht nur für Entgeltansprüche eines Organträgers gegenüber der (bisherigen) Organgesellschaft --wie z.B. in der dem BFH-Urteil in BFHE 242, 433 zugrunde liegenden Fallgestaltung--, sondern allgemein für die gegen das Unternehmen gerichteten Entgeltansprüche aus Leistungen an das Unternehmen.

31

b) Uneinbringlich werden auch die Entgelte für die Leistungen, die der Unternehmer nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und Recht zum Forderungseinzug bis zur Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens (§§ 26, 27 InsO) erbringt oder bezieht. Für eine differenzierende Betrachtung nach den Leistungen, die das Unternehmen vor der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters erbringt oder bezieht und den Leistungen, die das Unternehmen nach dessen Bestellung bis zur Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt oder bezieht, besteht insbesondere unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters kein sachlicher Rechtfertigungsgrund. Erbringt der Unternehmer Leistungen, ist die Befugnis, die hierfür geschuldeten Entgelte zu vereinnahmen, in beiden Fällen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen. Anders als bei Leistungen, die durch einen verwaltungs- und verfügungsberechtigten vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 InsO) oder nach Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter erbracht werden, kommt es damit zu einer Trennung von Leistungserbringung und Entgeltvereinnahmung.

32

c) Im Anschluss an die Uneinbringlichkeit kommt es durch die Entgeltentrichtung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung.

33

aa) Vereinnahmt der vorläufige Insolvenzverwalter mit Recht zum Forderungseinzug und allgemeinem Zustimmungsvorbehalt ein zuvor uneinbringlich gewordenes Entgelt aus einer Ausgangsleistung vor seiner Bestellung (s. oben II.2.a aa) oder nach seiner Bestellung (s. oben II.2.b), führt die Entgeltvereinnahmung zu einer zweiten Berichtigung des Steuerbetrags nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG. Dem steht nicht entgegen, dass die erste Berichtigung aufgrund Uneinbringlichkeit und die zweite Berichtigung aufgrund nachfolgender Vereinnahmung ggf. im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen (BFH-Urteil vom 24. Oktober 2013 V R 31/12, BFHE 243, 451, unter II.2.d).

34

Die zweite Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG ist --im Gegensatz zur ersten Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG-- aufgrund einer späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich bei der Berechnung der sich für den Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO zu berücksichtigen, da es hierfür auf die rechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters und damit auf das ihm eingeräumte Recht zum Forderungseinzug und zur Entgeltvereinnahmung ankommt (s. oben II.1.b bb).

35

bb) Ebenso führt die durch den vorläufigen Insolvenzverwalter --im Rahmen seines Zustimmungsvorbehalts-- veranlasste Zahlung von Entgelten aus vor oder nach seiner Bestellung bezogenen Leistungen (s. oben II.2.a bb und II.2.b) zu einer zweiten Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG. Auch dies kann im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen.

36

Die zweite Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG mindert den Steueranspruch und ist im Fall einer nachfolgenden Insolvenzeröffnung bei der Berechnung der sich für den Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeit anspruchsmindernd zu berücksichtigen.

37

d) Die Rechtsprechung zur Uneinbringlichkeit (s. oben II.2.a) verstößt entgegen einer hieran geübten Kritik (vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 2. April 2014  7 K 7337/12, EFG 2014, 1427) nicht gegen das Unionsrecht.

38

Nach Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) ist die Steuerbemessungsgrundlage insbesondere im Fall der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen zu vermindern. Die Bestimmung ist ohne inhaltliche Änderung an die Stelle von Art. 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG getreten. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) lässt die Regelung einen "Gestaltungsspielraum bei der Festlegung der Maßnahmen zur Bestimmung des Betrags der Minderung" (EuGH-Urteil vom 3. September 2014 C-589/12, GMAC, Deutsches Steuerrecht 2014, 1921, Rdnr. 32). Ohne dass es insoweit einer eigenständigen Regelung für den Insolvenzfall bedarf, gehört zu den Bedingungen i.S. von Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL auch § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG und die Anwendung dieser Vorschrift im Insolvenzeröffnungsverfahren unter Berücksichtigung der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Befugnisse. Zudem sind die Mitgliedstaaten nach Art. 273 MwStSystRL berechtigt, weitere Pflichten vorzusehen, um eine genaue Erhebung der Steuer und damit die zutreffende Berechnung der Mehrwertsteuer-Eigenmittel der EU nach Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1553/89 vom 29. Mai 1989 über die endgültige einheitliche Regelung für die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 155 vom 7. Juni 1989, 9) auch in Insolvenzfällen sicherzustellen.

39

3. Im Streitfall ist das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG Folgendes zu berücksichtigen haben:

40

a) Es ist zunächst festzustellen, in welcher Höhe der Umsatzsteueranspruch für die beiden Voranmeldungszeiträume entstanden ist.

41

aa) Dabei ist davon auszugehen, dass die der KG zustehenden Entgeltansprüche aus den von ihr erbrachten Leistungen wie auch die von ihr geschuldeten Entgelte für die von ihr bezogenen Leistungen mit der Bestellung des Klägers als vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt und Einziehungsbefugnis uneinbringlich geworden sind (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Uneinbringlichkeit liegt auch in Bezug auf die während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbrachten und bezogenen Leistungen vor.

42

Für den Fall, dass das Insolvenzgericht entsprechend dem Insolvenzgutachten des Klägers nach § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO auch angeordnet hat, dass Forderungen, die die KG zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hatte, nicht von den Gläubigern eingezogen werden dürfen, sondern vom Kläger einzuziehen sind, tritt Uneinbringlichkeit auch für diese Entgeltansprüche ein.

43

bb) Soweit Uneinbringlichkeit gegeben ist, führt die Vereinnahmung von Leistungsentgelten durch den Kläger zu einer zweiten Berichtigung des Steueranspruchs (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG) als Masseverbindlichkeit. War der Kläger z.B. nach § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO befugt, Entgeltansprüche einzuziehen, die die KG sicherungshalber abgetreten hatte, gilt dies auch für den Fall der Sicherungszession.

44

Die durch den Kläger veranlasste Zahlung auf Leistungsbezüge begründet eine zweite Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG), die sich masseverbindlichkeitsmindernd auswirkt.

45

cc) Bei der Aufteilung des Steueranspruchs für den Voranmeldungszeitraum in Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit ist zu beachten, dass sich für einen Bereich (z.B. im vorinsolvenzrechtlichen Teil des § 38 InsO) ein Vergütungsbetrag ergeben kann, der durch eine Verbindlichkeit im anderen Bereich (z.B. dem Masseteil i.S. von § 55 Abs. 4 InsO) ausgeglichen wird. Die Summe der Aufteilungsbeträge muss allerdings der für sich den Voranmeldungszeitraum ergebenden Steuerschuld entsprechen (BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.c aa).

46

b) Bei der Berechnung der Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO nicht zu berücksichtigen sind Berichtigungsansprüche, die wie z.B. § 15a UStG auf anderen Umständen als dem Forderungseinzug durch den vorläufigen Insolvenzverwalter oder den durch ihn veranlassten Zahlungen beruhen. Nicht zu berücksichtigen sind zudem Entgelte, die erst der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung für Leistungen vereinnahmt, die das Unternehmen während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbracht hat. Die dann mit der Vereinnahmung vorzunehmende zweite Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG führt entsprechend dem Senatsurteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 zu einer Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

47

c) Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass das FA berechtigt war, den sich für einen Voranmeldungszeitraum des Insolvenzeröffnungsverfahrens als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO ergebenden Umsatzsteueranspruch nach der Insolvenzeröffnung durch Steuerbescheid festzusetzen (vgl. hierzu allgemein BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1.). Unerheblich ist dabei, dass --wie im Streitfall-- für denselben Voranmeldungszeitraum bereits vor der Insolvenzeröffnung ein Vorauszahlungsbescheid vorlag, der sich gemäß § 168 Satz 1 AO auch aus einer Steueranmeldung ergeben kann, der einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht.

48

Maßgeblich ist insoweit, dass unter den besonderen Bedingungen des Insolvenzverfahrens die doppelte Geltendmachung desselben Steueranspruchs trotz Vorliegens mehrerer Steuerbescheide für einen Voranmeldungszeitraum ausgeschlossen ist. Denn nach § 89 InsO ist eine Vollstreckung aus der vor Insolvenzeröffnung ergangenen Steuerfestsetzung ausgeschlossen. Zudem ist das FA nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats verpflichtet, der Anmeldung zur Insolvenztabelle (§§ 174 ff. InsO) eine auf das Kalenderjahr bezogene Steuerberechnung zugrunde zu legen (zum nur vorläufigen Charakter der Steuerberechnung für den Voranmeldungszeitraum im Verhältnis zur Steuerberechnung für den Besteuerungszeitraum vgl. auch BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76, unter II.3.a aa). Bei der Berechnung der Jahressteuer als Insolvenzforderung sind nur die Besteuerungsgrundlagen zu erfassen, die dem Insolvenzbereich des § 38 InsO zuzuordnen sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, unter II.2.b).

49

Das FA kann danach den Steueranspruch, so wie er sich aus dem vor Insolvenzeröffnung ergangenen Steuerbescheid für einen Voranmeldungszeitraum des Insolvenzeröffnungsverfahrens ergab, nur nach Korrektur um den als Masseverbindlichkeit festzusetzenden Teil des Steueranspruchs zur Insolvenztabelle anmelden. Im Hinblick auf das Erfordernis einer auf das Kalenderjahr bezogenen Tabellenanmeldung des Steueranspruchs erübrigt sich zudem die Frage, ob der Steuerfestsetzung für einen Voranmeldungszeitraum Titelfunktion i.S. von § 179 Abs. 2 InsO zukommt.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. April 2014  7 K 7337/12 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A-GmbH (GmbH).

2

Im Juni 2012 ordnete das Amtsgericht (AG) über das Vermögen der GmbH die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestimmte den Kläger zum sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter, indem es der GmbH gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 der Insolvenzordnung (InsO) ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegte. Das AG eröffnete im Juli 2012 das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

3

Der Kläger vereinnahmte nach seiner Bestellung zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter bis zum 31. Dezember 2012 Entgelte in Höhe von 26.529,54 € (netto) für Leistungen, die die GmbH vor der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ausgeführt hatte. Die darauf entfallende Umsatzsteuer erklärte er in den von ihm unter der Massesteuernummer der GmbH eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 22/10 (BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) als umsatzsteuererhöhenden Steuerbetrag gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Zugleich aber legte der Kläger hiergegen Einsprüche ein, mit denen er geltend machte, die Umsatzsteuer sei --entgegen dieser BFH-Rechtsprechung-- nicht zu berichtigen. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Daraufhin erhob der Kläger Klage.

4

Den vom Kläger gestellten Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer für den Monat Juli 2012 lehnte der Senat --nachdem das Finanzgericht (FG) diesem Antrag stattgegeben hatte-- mit Beschluss vom 11. Juli 2013 XI B 41/13 (BFH/NV 2013, 1647, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2013, 917) ab. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides.

5

Während des Klageverfahrens stimmte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) am 11. März 2013 der vom Kläger erstellten Umsatzsteuererklärung für 2012 (festgesetzte Steuer: 13.592,16 €) zu.

6

Das FG gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 1427 veröffentlichtem Urteil statt und setzte die Umsatzsteuer für 2012 antragsgemäß auf 9.363,99 € fest.

7

Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die gemäß § 168 der Abgabenordnung einer Umsatzsteuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehende Umsatzsteuererklärung für 2012 des Klägers entspreche zwar dem BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996. Diesem Urteil sei aber nicht zu folgen. Ein Wechsel in der Vertretungs- und/oder Verfügungsmacht des Forderungsgläubigers begründe vielmehr keine Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bezüglich der zuvor dem Insolvenzschuldner zustehenden Entgelte. Auch in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge oder des Wegfalls einer Organschaft führe der Wechsel der Verfügungsmacht über eine Entgeltforderung für einen steuerpflichtigen Umsatz nicht zu einer Berichtigung nach dieser Vorschrift.

8

Die in dem bezeichneten BFH-Urteil vertretene Rechtsauffassung verstoße zudem gegen Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens falle nicht unter diese Bestimmung. Nur der nationale Gesetzgeber sei berechtigt, eine Regelung zu treffen, die eine Umsatzsteuerberichtigung im Anschluss an die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorsehe. Dies sehe § 17 UStG jedoch nicht vor.

9

Das FA rügt mit seiner Revision eine Abweichung von der Rechtsprechung des BFH.

10

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11

Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

12

Er verweist auf die nach seiner Ansicht zutreffende Begründung des FG. Ergänzend macht er u.a. geltend, dass der Insolvenzschuldner auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen Träger der Unternehmereigenschaft bleibe. Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters im Rahmen seines Amtes werde dem Insolvenzschuldner zugerechnet; es finde kein Rechtsträgerwechsel statt. Die vom BFH vorgenommene Aufteilung in "Unternehmensteile" mit materieller umsatzsteuerrechtlicher Wirkung finde keine Stütze im Umsatzsteuergesetz.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

14

Entgegen der Auffassung des FG sind die Entgelte für die von der GmbH vor der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung erbrachten steuerpflichtigen Leistungen durch die Bestellung des Klägers zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich geworden (erste Berichtigung). Die nachfolgende Vereinnahmung der Entgelte für diese Leistungen durch den Kläger führt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung und begründet gemäß § 55 InsO Masseverbindlichkeiten. Die vom FG geäußerte Kritik an der Rechtsprechung des BFH greift nicht durch.

15

1. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag für steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt für eine uneinbringliche Forderung nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Diese erneute Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen.

16

a) Uneinbringlich ist ein Entgelt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1; vom 12. August 2009 XI R 4/08, BFH/NV 2010, 393, Rz 20; vom 24. Oktober 2013 V R 31/12, BFHE 243, 451, BStBl II 2015, 674, Rz 19).

17

b) Nach der Rechtsprechung des V. Senats des BFH werden noch ausstehende Entgelte für zuvor erbrachte steuerpflichtige Leistungen eines Unternehmers gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich, wenn über sein Vermögen gemäß § 27 InsO das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Denn gemäß § 80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwerten oder über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Folglich ist der Unternehmer dann aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem eigenen vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da sie im Rahmen der Masseverwaltung und Masseverwertung zu vereinnahmen sind und damit zum Bereich der Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 InsO gehören (vgl. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 30; vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 51 ff.; vom 24. September 2014 V R 48/13, BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 27).

18

c) Auch wenn das Insolvenzgericht --vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO)-- gemäß § 21 InsO einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug bestellt, ist der Steuerbetrag für die steuerpflichtigen Leistungen, die der Unternehmer vor oder nach der Verwalterbestellung bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbracht hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Leitsatz 2).

19

Zwar ergibt sich das Recht zum Forderungseinzug hier nicht aus den einem Insolvenzverwalter gemäß §§ 80 ff. InsO zustehenden Befugnissen. Erlässt das Insolvenzgericht aber entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 3 InsO bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 InsO) das Verbot an Drittschuldner, an den Schuldner zu zahlen, und ermächtigt es den vorläufigen Insolvenzverwalter, Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen (§ 22 Abs. 2 InsO), wird damit das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem vorläufigen Insolvenzverwalter gegenüber Drittschuldnern gemäß § 24 Abs. 1 InsO in einer Weise geregelt, die § 80 Abs. 1 und § 82 InsO entspricht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 28, m.w.N.).

20

d) Nichts anderes gilt für die im Streitfall vorliegende Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 InsO). Auch hierdurch ist das Rechtsverhältnis zwischen dem Insolvenzschuldner und dem (starken) vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß § 24 Abs. 1 InsO in einer Weise geregelt worden, die § 80 Abs. 1 und § 82 InsO entspricht.

21

Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 InsO), so geht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den (starken) vorläufigen Insolvenzverwalter über (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. Februar 2008 V R 44/06, BFHE 221, 415, BStBl II 2008, 586, unter II.4.b cc, Rz 52 ff.). Die Bestimmungen in §§ 81 und 82 InsO gelten entsprechend (§ 24 Abs. 1 InsO). Die rechtlichen Befugnisse des starken vorläufigen Insolvenzverwalters entsprechen denjenigen eines Insolvenzverwalters, der ebenfalls berechtigt ist, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners zu verwalten und über es zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO; vgl. z.B. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11. Januar 2007 IX ZB 271/04, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2007, 267, unter III.2.b cc (b), Rz 17; FK-InsO/Schmerbach, § 22 Rz 8; MünchKommInsO/Haarmeyer, 3. Aufl., § 22 Rz 36; Böhm in Braun, Insolvenzordnung, 6. Aufl., § 22 Rz 9).

22

2. Nach diesen Grundsätzen sind die von der GmbH vor der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung erbrachten Leistungen durch die Bestellung des Klägers zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH uneinbringlich geworden. Vereinnahmt der Kläger danach Entgelte für diese Leistungen, ist die Umsatzsteuer (zum zweiten Mal) zu berichtigen. Die dadurch entstehende Umsatzsteuer stellt eine Masseverbindlichkeit dar.

23

a) Die Umsatzsteuer für die von der GmbH ausgeführten steuerpflichtigen Leistungen ist mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Leistungsausführung entstanden (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG). Die Steuerbeträge sind allerdings durch die Bestellung des starken vorläufigen Insolvenzverwalters uneinbringlich geworden und nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 52; in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 26 ff.; BFH-Beschluss vom 11. März 2014 V B 61/13, BFH/NV 2014, 920, Rz 6).

24

b) Die Vereinnahmung der zuvor uneinbringlich gewordenen Entgelte durch den Kläger führt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 31; in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 33).

25

c) Die aufgrund dieser Vereinnahmung entstehende Umsatzsteuer stellt eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 InsO dar.

26

aa) Masseverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO gelten als Masseverbindlichkeiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist. Ebenso gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 4 InsO).

27

bb) Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO) begründet die aufgrund der Vereinnahmung der ausstehenden Entgelte durch den Kläger (als Insolvenzverwalter) gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG entstehende Umsatzsteuer eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch ist mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 32, m.w.N.). Für die Umsatzsteuer, die aufgrund der vom Kläger zuvor (als starker vorläufiger Insolvenzverwalter) vereinnahmten Entgelte entsteht, folgt die Einstufung als Masseverbindlichkeiten aus § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Deswegen braucht hier nicht auf § 55 Abs. 4 InsO eingegangen zu werden.

28

3. Die vom FG und vom Kläger an dieser Rechtsprechung geübte Kritik dringt nicht durch.

29

a) Entgegen der Auffassung des FG kommt es nach der Rechtsprechung des BFH für den Eintritt der Uneinbringlichkeit nicht auf den (formellen) Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter an. Maßgeblich ist vielmehr das damit einhergehende rechtliche Unvermögen der GmbH (als Gläubigerin und spätere Insolvenzschuldnerin), die ausstehenden Forderungen für die von ihr ausgeführten Leistungen einzuziehen. Das rechtliche Unvermögen des Gläubigers, seine Forderung durchzusetzen, steht --anders als das FG und der Kläger meinen-- wirtschaftlich der Zahlungsunfähigkeit oder dem mangelnden Zahlungswillen des Schuldners gleich, die die Hauptanwendungsfälle des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bilden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. März 1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, BStBl II 1983, 389, unter 3., Rz 14; vom 7. Januar 1998 V B 106/97, BFH/NV 1998, 1003; Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; s. auch BFH-Beschluss vom 26. Februar 2008 XI B 169/07, BFH/NV 2008, 830, unter 3., Rz 10 f.).

30

b) Diese --hier allein maßgebliche-- Auslegung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG verstößt entgegen der Auffassung des FG weder gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (§ 1 InsO) noch führt sie zu einer ungerechtfertigten Privilegierung des Fiskus (vgl. dazu BFH-Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.2.c, Rz 20 ff.; in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 54; BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 920, Rz 7).

31

c) Soweit der Kläger der Auffassung ist, die Aufteilung in "Unternehmensteile" finde keine Stütze im Umsatzsteuergesetz, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

32

Der Grundsatz der Unternehmenseinheit nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers fort. Bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts besteht das Unternehmen nach Verfahrenseröffnung jedoch aus mehreren Unternehmensteilen (vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil, Insolvenzmasse und insolvenzfreies Vermögen), zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 28 f.; in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 11; vom 20. Dezember 2012 V R 23/11, BFHE 240, 377, BStBl II 2013, 334, Rz 9; jeweils m.w.N.).

33

d) Die unter II.2. dargelegte Rechtsprechung des BFH ist --entgegen der Auffassung des FG-- mit Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL vereinbar. Das hat der V. Senat des BFH bereits im Einzelnen dargelegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 38; ebenso BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 920, Rz 12). Dem schließt sich der erkennende Senat an.

34

e) Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (vgl. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. August 2010  1 BvR 1631/08, Neue Juristische Wochenschrift 2011, 288, unter B.II.1.; BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 XI R 36/10, BFHE 239, 534, BStBl II 2013, 412, Rz 39 ff., m.w.N.) besteht trotz der im österreichischen Recht möglicherweise abweichenden insolvenzrechtlichen Behandlung von Umsatzsteuerverbindlichkeiten (vgl. dazu Kahlert, Deutsches Steuerrecht 2015, 1485, 1488) nicht (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 920, Rz 12).

35

4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung, aber vor der Bestellung des Klägers zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter ausgeführten Umsätze die Höhe der im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid festgesetzten Umsatzsteuer beeinflusst.

36

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

(1) Der Schuldner ist berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. Für das Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist.

(2) Die Vorschriften dieses Teils sind auf Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 nicht anzuwenden.

Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.

(1) Der Schuldner ist berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. Für das Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist.

(2) Die Vorschriften dieses Teils sind auf Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 nicht anzuwenden.

(1) Bei der Prüfung der Forderungen können außer den Insolvenzgläubigern der Schuldner und der Sachwalter angemeldete Forderungen bestreiten. Eine Forderung, die ein Insolvenzgläubiger, der Schuldner oder der Sachwalter bestritten hat, gilt nicht als festgestellt.

(2) Die Verteilungen werden vom Schuldner vorgenommen. Der Sachwalter hat die Verteilungsverzeichnisse zu prüfen und jeweils schriftlich zu erklären, ob nach dem Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind.

(1) Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung nicht entgegen.

(2) Das Insolvenzgericht trägt für jede angemeldete Forderung in die Tabelle ein, inwieweit die Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach festgestellt ist oder wer der Feststellung widersprochen hat. Auch ein Widerspruch des Schuldners ist einzutragen. Auf Wechseln und sonstigen Schuldurkunden ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die Feststellung zu vermerken.

(3) Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 30/13 Verkündet am:
10. Oktober 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Schuldner kann seinen Widerspruch gegen den angemeldeten, nicht titulierten
Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung bereits vor Aufhebung
des Insolvenzverfahrens mit der negativen Feststellungsklage gegen den
Gläubiger weiter verfolgen.
Der eigenverwaltende Schuldner kann seinen Widerspruch auf den Rechtsgrund der
vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beschränken.
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 - IX ZR 30/13 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Oktober 2013 durch den Richter Vill, die Richterin Lohmann, die Richter
Dr. Fischer, Dr. Pape und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 19. Dezember 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Mit Urteil des zuständigen Oberlandesgerichts vom 12. November 2009 wurde der Kläger verurteilt, an die Beklagte Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.943 € für die Zeit von Juni bis Dezember 2003 und monatlich 2.405 € für die Zeit ab Januar 2004 bis Februar 2009 abzüglich bis einschließlich Februar 2009 monatlich gezahlter 1.300 € zu zahlen. Am 13. Januar 2010 beantragte der Kläger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und legte den Entwurf eines Insolvenzplans vor. Am 24. Februar 2010 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom 28. April 2010 wurde Eigenverwaltung angeordnet. Die Be- klagte meldete titulierten Unterhalt in Höhe von 101.871 € zur Tabelle an. Am 16. Juni 2010 meldete sie hierfür nachträglich den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung an. Die Forderung als solche wurde zur Tabelle festgestellt; der Kläger widersprach jedoch der beantragten Ergänzung zum Rechtsgrund. Der Insolvenzplan, der keine Ausnahmeregelungen für Forderungen aus unerlaubter Handlung vorsah, wurde mit Beschluss vom 9. Juli 2010 bestätigt. Die Beklagte legte sofortige Beschwerde ein, über die - nachdem der Senat den der Beschwerde stattgebenden Beschluss des Landgerichts mit Beschluss vom 19. Juli 2012 (IX ZB 250/11) aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen hat - noch nicht abschließend entschieden worden ist.
2
Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die angemeldete Forderung in Höhe von 101.871 € im Insolvenzverfahren über sein Vermögen nicht aus dem Forderungsgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrührt. Das Landgericht hat antragsgemäß entschieden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


4
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der negativen Feststellungsklage fehle das Feststellungsinteresse. Der Kläger habe in seiner Eigenschaft als Verfahrensschuldner dem Schuldgrund der unerlaubten Handlung widersprochen. Da dieser Schuldgrund nicht tituliert sei, obliege es der Beklagten, den Widerspruch mit einer Feststellungsklage zu beseitigen. Solange dies nicht geschehen sei, hindere der Widerspruch die Vollstreckung aus der Tabelle; die Beklagte könne sich bis zur gerichtlichen Feststellung des Rechtsgrundes auch nicht auf den Ausnahmetatbestand des § 302 Nr. 1 InsO berufen.

II.


5
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das rechtliche Interesse des Klägers daran, dass alsbald über die Berechtigung seines Widerspruchs entschieden wird (§ 256 Abs. 1 ZPO), folgt aus § 302 Nr. 1 InsO.
6
1. Durch die Restschuldbefreiung wird der Schuldner nach Maßgabe der §§ 287 bis 303 InsO von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit (§ 286 InsO). Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung werden jedoch von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hat (§ 302 Nr. 1 InsO); die Tatsachen, die nach Einschätzung des Gläubigers den Schluss auf eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung tragen, können gemäß § 177 Abs. 1 Satz 3 InsO nachgemeldet werden (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 - IX ZR 220/06, NZI 2008, 250 Rn. 12). Widerspricht der Schuldner dem angemeldeten Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 18. September 2003 - IX ZB 44/03, WM 2003, 2342, 2343; Urteil vom 18. Januar 2007 - IX ZR 176/05, NZI 2007, 416 Rn. 10), kann der Gläubiger bereits während des laufenden Insolvenzverfahrens Klage auf Feststellung dieses Rechtsgrundes erheben (BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04, NZI 2006, 536 Rn. 8 ff; vom 25. Juni 2009 - IX ZR 154/08, NZI 2009, 612 Rn. 8; vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337 Rn. 8). Das Feststellungsinteresse folgt aus dem Widerspruch als solchen. Der Streit, ob die betroffene Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, ist nach Anmeldung zur Tabelle und Widerspruch des Schuldners früher oder später zu erwarten. Es besteht kein sachlicher Grund dafür, diesen Streit auf die Zeit nach der Erteilung der Restschuldbefreiung zu verschieben, im Ergebnis also die Austragung des Streits einer Vollstreckungsgegenklage des Schuldners nach § 767 ZPO zu überlassen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2010, aaO).
7
2. Ebenso wie der Gläubiger ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Feststellung hat, dass seine Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, hat der Schuldner ein Interesse an der Feststellung, dass dies nicht der Fall ist. Dass diese Feststellung "alsbald", also bereits vor der Erteilung der Restschuldbefreiung getroffen wird, liegt typischerweise ebenso im Interesse des Schuldners wie des Gläubigers (BGH, Urteil vom 18. Mai 2006, aaO Rn. 10; vom 18. Januar 2007 - IX ZR 176/05, NZI 2007, 416 Rn. 11; vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 124/08, NZI 2009, 189 Rn. 12). Der Schuldner, der die gegen alle Insolvenzgläubiger wirkende Restschuldbefreiung anstrebt (§ 301 InsO), tritt die pfändbaren Forderungen auf Be- züge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder ab (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO). Von der Aufhebung des Insolvenzverfahrens an (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - IX ZB 249/07, NZI 2009, 191 Rn. 8 ff) bis zum Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung treffen ihn zudem die Obliegenheiten des § 295 InsO. Für ihn würde es eine erhebliche Härte bedeuten, wenn er erst nach dem Ablauf der Wohlverhaltensperiode erführe, dass eine Forderung, die unter Umständen sogar seine wesentliche Verbindlichkeit ausmacht, von der Restschuldbefreiung ausgenommen wäre. Aus diesem Grund ordnet § 174 Abs. 2 InsO in der Fassung des Gesetzes vom 26. Oktober 2001 (BGBl. I, 2720, 2712) an, dass der Gläubiger, der sich auf § 301 Nr. 1 InsO berufen will, seine Forderung als solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung anzumelden hat; das Insolvenzgericht hat den Schuldner sodann auf die Rechtsfolgen des § 302 InsO und auf die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen (§ 175 Abs. 2 InsO i.d.F. des Gesetzes vom 26. Oktober 2001, aaO; vgl. BT-Drucks. 14/5680, S. 27).
8
3. Endgültige Gewissheit kann der Schuldner dann, wenn eine Forderung als Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet worden ist, nur durch ein rechtskräftiges Urteil gegen (oder für) den jeweiligen Insolvenzgläubiger erlangen. Er hat zwar die Möglichkeit des Widerspruchs gegen den angemeldeten Rechtsgrund. Der Widerspruch wird in die Tabelle eingetragen (§ 178 Abs. 2 Satz 2 InsO). Gleichwohl könnte der Gläubiger aus dem vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirkten Titel (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2006, aaO Rn. 9; vom 11. Juli 2013 - IX ZR 286/12, WM 2013, 1563 Rn. 9) oder aus der Eintragung in die Tabelle (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO, die Zwangsvollstreckung betreiben. Der Schuldner muss sich dann im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) zur Wehr setzen. Der Widerspruch gegen die Anmeldung ist damit gegenüber der Feststellungsklage der einfachere, schnellere und kostengünstigere Weg. Anders als die Revisionserwiderung meint, bietet er jedoch nicht den gleichen effektiven Rechtsschutz.
9
4. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (ebenso OLG Hamm, ZIP 2003, 2311 f; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 184 Rn. 9; MünchKommInsO /Schumacher, 2. Aufl., § 184 Rn. 8; Braun/Specovius, InsO, 5. Aufl., § 184 Rn. 6; HmbKomm-InsO/Herchen, 4. Aufl., § 184 Rn. 18; aA - die Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage bejahend - etwa OLG Celle, NZI 2009, 329, 330; LG Osnabrück, Urteil vom 28. Februar 2012 - 8 S 537/11, nv; K. Schmidt/Jungmann, InsO, 18. Aufl., § 184 Rn. 16; Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl., § 184 Rn. 10; HK-InsO/Depré, 6. Aufl., § 184 Rn. 5) ist die negative Feststellungsklage nicht durch die Vorschriften des § 184 Abs. 1 und 2 InsO ausgeschlossen. Grundsätzlich obliegt es dem Gläubiger, Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner zu erheben, wenn der Schuldner die Forderung wirksam bestritten hat (§ 184 Abs. 1 InsO). Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dagegen dem Schuldner, den Widerspruch zu verfolgen; für diese Klage gilt eine Frist von einem Monat ab Prüfungstermin oder mit dem Bestreiten im schriftlichen Verfahren (§ 184 Abs. 2 InsO). Diese Bestimmungen hat der Senat entsprechend auf den Widerspruch gegen den Rechtsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung angewandt (BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04, NZI 2006, 536 Rn. 10). Ist nicht nur die Forderung selbst, sondern auch ihr Rechtsgrund in einem vollstreckbaren Schuldtitel festgestellt worden, ist der Widerspruch innerhalb der Frist des § 184 Abs. 2 InsO vom Schuldner zu verfolgen; ist dies nicht der Fall, trifft die Feststellungslast den Gläubiger. "Tituliert" im Sinne von § 184 Abs. 2 InsO ist der Anspruch jedoch nur dann, wenn der Schuldner nicht nur zur Zahlung verurteilt, sondern auch der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung festgestellt worden ist; nur dann obliegt es dem Schuldner, den Widerspruch innerhalb der Monatsfrist des § 184 Abs. 2 InsO zu verfolgen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 41/10, ZIP 2011, 39 Rn. 12 f). Für die ergänzende Feststellungsklage des Gläubigers gilt § 184 Abs. 2 InsO nicht; diese Klage ist vielmehr an keine Frist gebunden und unterliegt nicht den Verjährungsvorschriften (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337 Rn. 12 ff).
10
5. Ob der Schuldner außerhalb des Anwendungsbereichs des § 184 Abs. 2 InsO negative Feststellungsklage gegen den Insolvenzgläubiger erheben darf, ist in § 184 Abs. 2 InsO nicht geregelt. Dem Berufungsgericht ist zuzugeben , dass die Insolvenzordnung Klagen des Schuldners, die dessen Nachhaftung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens betreffen, überwiegend nicht vorsieht. Die nach § 240 ZPO unterbrochenen Passivprozesse des Schuldners können gemäß § 86 InsO nur ausnahmsweise und nur vom Verwalter oder vom Gegner aufgenommen werden (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2003 - II ZA 9/02, NZI 2004, 54; Jaeger/Windel, InsO, § 86 Rn. 21). Der klagende Insolvenzgläubiger muss seine Forderung im Übrigen nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahrens verfolgen (§ 87 InsO). Im Anmeldeverfahren (§§ 174 ff InsO) wird die angemeldete Forderung zur Tabelle festgestellt, wenn weder vom Verwalter noch von einem anderen Insolvenzgläubiger Widerspruch erhoben wird (§ 178 Abs. 1 Satz 1 InsO). Wird die Forderung bestritten, hat der Gläubiger die Feststellung der Forderung gegen den Bestreitenden zu betreiben (§ 179 Abs. 1 InsO); liegt für die Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu betreiben (§ 179 Abs. 2 InsO). Dieses Verfahren dient zunächst der Klärung der Frage, ob die fragliche Forderung an der Verteilung teilnimmt (vgl. § 189 InsO). Die Beseitigung des Widerspruchs ist jedoch auch Voraussetzung für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der Tabelle (§ 201 Abs. 2 Satz 2 InsO), aus welcher der Gläubiger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben kann (§ 201 Abs. 1 InsO). Gleichwohl kann der Schuldner bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens nur Widerspruch erheben, welcher der Feststellung des Anspruchs zur Tabelle nicht entgegen steht (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO), aber die spätere Vollstreckung aus dem beglaubigten Tabellenauszug hindert. Eine rechtskräftige Entscheidung über den Bestand der Forderung kann er hingegen auf diese Weise nicht herbeiführen (§ 184 Abs. 1 Satz 2 InsO; vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO, § 184 Rn. 18; K. Schmidt/Jungmann, InsO, 18. Aufl., § 184 Rn. 6).
11
Durch die Vorschrift des § 184 Abs. 2 InsO hat dieser Grundsatz allerdings bereits eine gewisse Durchbrechung erfahren. Nach dieser Vorschrift obliegt es dem Schuldner, seinen Widerspruch gegen eine titulierte Forderung innerhalb einer Frist von einem Monat ab dem Prüfungstermin zu verfolgen, also während des laufenden Verfahrens. Diese Vorschrift dient zwar eher den Interessen des Gläubigers als denjenigen des Schuldners. Es erschien unbillig, dass der Gläubiger trotz eines erstrittenen Titels nochmals prozessieren musste und Gefahr lief, wegen der wirtschaftlichen Situation des Schuldners seine Kostenerstattungsansprüche nicht oder nur schwer durchsetzen zu können (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 2. November 2006, BT-Drucks. 16/3227, S. 21 zu Nr. 23). Die Befristung dient - ebenfalls vorrangig im Interesse des Gläubigers - dazu, alsbald Rechtsklarheit über die Wirkung des Widerspruchs zu erhalten (aaO). Die Frage der Nachhaftung des Schuldners nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens hat mit der Einführung der Vorschriften über die Restschuldbefreiung (§§ 286 ff InsO, vgl. auch § 1 Satz 2 InsO) wesentlich an Bedeutung gewonnen. Der Umfang der nach Aufhebung des Konkursverfahrens verbleibenden Schulden dürfte aus Sicht des weiterhin wirtschaftlich nicht leistungsfähigen Schuldners oft von untergeordneter Bedeutung gewesen sein; ob der mit der (vollständigen) Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung beabsichtigte wirtschaftliche Neubeginn gelingen kann, ist dagegen regelmäßig von existentieller Bedeutung. Aus Sicht des Gläubigers mag es sinnvoll sein, mit der Erhebung der titelergänzenden Feststellungsklage zuzuwarten, bis abzusehen ist, ob sich der mit dem weiteren Rechtsstreit verbundene zusätzliche Aufwand an Zeit und Kosten lohnt, zumal der Anspruch des Gläubigers auf Feststellung des Rechtsgrundes nicht nach den Vorschriften verjährt, welche für die Verjährung des Leistungsanspruchs gelten (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337 Rn. 12 ff). Dieses Interesse übersteigt jedoch nicht dasjenige des Schuldners an einer alsbaldigen Klärung der Rechtslage.
12
6. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in zulässiger Weise nachträglich zur Tabelle angemeldet (§ 177 Abs. 1 Satz 3 InsO; vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 - IX ZR 220/06, NZI 2008, 250 Rn. 12). Der Kläger hat der Anmeldung auf den Rechtsgrund beschränkt widersprochen. Hierzu war er auch als Eigenverwalter (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO) berechtigt. Die Vorschrift des § 283 Abs. 1 InsO steht dieser Annahme nicht entgegen. Nach § 283 Abs. 1 InsO führt das Bestreiten des eigenverwaltenden Schuldners zwar dazu, dass die Forderung als nicht festgestellt gilt. Dem Widerspruch dieses Schuldners kommt danach die nämliche Wirkung zu wie demjenigen des Verwalters oder eines Insolvenzgläubigers. Ob der Schuldner sein Widerspruchsrecht "spalten", insbesondere eine Forderung als Eigenverwalter für die Zwecke des Insolvenzverfahrens anerkennen , als Schuldner hinsichtlich seiner Nachhaftung dagegen bestreiten kann, ist in der Literatur umstritten (für ein doppeltes Widerspruchsrecht etwa Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 8.16; MünchKomm-InsO/Schumacher, 2. Aufl., § 178 Rn. 30; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 283 Rn. 4; dagegen MünchKomm-InsO/Wittig/Tetzlaff, aaO § 283 Rn. 11; HK-InsO/Landfermann , 6. Aufl., § 283 Rn. 5; K. Schmidt/Undritz, InsO, 18. Aufl., § 283 Rn. 2; Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl., § 283 Rn. 5; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 283 Rn. 2; HmbKomm-InsO/Fiebig, 4. Aufl., § 283 Rn. 3; Pape in Kübler/Prütting/ Bork, InsO, 2011, § 283 Rn. 19).
13
Für ein mehrfaches Widerspruchsrecht sprechen die unterschiedlichen Auswirkungen, welche "der Widerspruch" des eigenverwaltenden Schuldners nach sich ziehen kann. Im Insolvenzverfahren hat der nicht beseitigte Widerspruch zur Folge, dass die Forderung des betroffenen Gläubigers nicht an der Schlussverteilung teilnimmt (§ 283 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, §§ 187 ff InsO). Mit der Nachhaftung des Schuldners und der Möglichkeit des Gläubigers, aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den früheren Insolvenzschuldner zu betreiben (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO), hat das nichts zu tun. Ein widersprüchliches Verhalten kann man dem Schuldner, der ein und dieselbe Forderung zur Tabelle feststellt, aber zur Meidung seiner persönlichen Nachhaftung bestreitet, jedenfalls dann nicht vorwerfen , wenn Gegenstand der Feststellung nur das Recht des Gläubigers auf Teilnahme an der Verteilung ist, nicht aber der Bestand der Forderung (vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO, § 178 Rn. 31, 67 ff mit Nachweisen auch der gegenteiligen Ansicht; ebenso Gomille, KTS 2013, 174, 175 unter 2). Unabhängig von der dogmatischen Einordnung der Feststellung zur Tabelle kann der Schuldner ein rechtlich unbedenkliches Interesse daran haben, durch die rein auf das Verfahren bezogene Anerkennung der Forderung unnötige Verzögerungen zu vermeiden , um das Verfahren endgültig zum Abschluss zu bringen, die persönliche Nachhaftung aber von einer gerichtlichen Prüfung der Forderung abhängig zu machen. Ob eine Forderung eine solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ist, wirkt sich ebenfalls nicht im Insolvenzverfahren aus, sondern erlangt Bedeutung erst nach erteilter Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1 InsO). Jedenfalls insoweit ist der Schuldner befugt, sein Bestreiten auf den Rechtsgrund und damit auf die Frage der Nachhaftung nach erteilter Restschuldbefreiung zu beschränken, unabhängig davon, ob das Vorsatzdelikt notwendige Voraussetzung des geltend gemachten Zahlungsanspruch ist oder nicht.
14
7. Die Befugnis des Klägers, den Widerspruch im Wege der negativen Feststellungsklage zu verfolgen, ist hier schließlich auch nicht wegen des bereits eingeleiteten Planverfahrens ausgeschlossen. Ob der Plan in der vorgelegten Fassung bestätigt und das Insolvenzverfahren aufgehoben werden wird, so dass es auf den Rechtsgrund der Forderung der Beklagten nicht ankommt, steht derzeit noch nicht fest.

III.


15
Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird sich nunmehr mit dem Rechtsgrund des zur Tabelle angemeldeten Anspruchs befassen müssen.
Vill Lohmann Fischer
Pape Möhring

Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 30.12.2010 - 11 O 131/10 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 19.12.2012 - 13 U 18/11 -

(1) Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll der Schuldner nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen. Auch Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll er nicht eingehen, wenn der Sachwalter widerspricht.

(2) Der Sachwalter kann vom Schuldner verlangen, daß alle eingehenden Gelder nur vom Sachwalter entgegengenommen und Zahlungen nur vom Sachwalter geleistet werden.

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer KG. Die 1999 gegründete KG erbrachte Speditionsleistungen. Die KG beantragte am 6. Oktober 2011 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

2

Mit Beschluss vom 7. Oktober 2011 bestellte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung --InsO--) und ordnete an, dass Verfügungen der KG über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des Klägers wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO). Das Insolvenzgericht verbot zudem den Schuldnern der KG, an diese zu zahlen und ermächtigte den Kläger, Bankguthaben und sonstige Forderungen der KG einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Schuldner der KG wurden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO). Das Insolvenzgericht untersagte auch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die KG (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO).

3

Die KG führte ihren Geschäftsbetrieb zunächst weiter, da Insolvenzgeld vorfinanziert wurde und der Kläger Gespräche mit den Hauptauftraggebern führte. Die bei der Stellung des Insolvenzantrags offenen Forderungen der KG in Höhe von 40.066,29 € konnten im Insolvenzeröffnungsverfahren bis zum 28. Dezember 2011 in Höhe von 36.880,09 € eingezogen werden.

4

Die KG stellte ihren Geschäftsbetrieb zum 31. Dezember 2011 ein und kündigte mit Zustimmung des Klägers die noch bestehenden Arbeitsverhältnisse. Das Insolvenzgericht eröffnete das Insolvenzverfahren durch Beschluss vom 1. Januar 2012.

5

Die KG hatte bereits am 9. Dezember 2011 Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Oktober und November 2011 abgegeben. Für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2011 ergab sich eine Steuerschuld von 7.219,36 €. Für den Voranmeldungszeitraum November 2011 belief sich die Umsatzsteuer auf 3.453,30 €. Am 5. März 2012 gab die KG eine geänderte Umsatzsteuervoranmeldung November 2011 ab, nach der sich eine niedrigere Umsatzsteuer von 3.247,38 € ergab.

6

Mit Bescheid vom 20. März 2012 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Steuer für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2011 auf 4.548,88 € fest. Mit Bescheid vom 3. April 2012 verringerte das FA die Steuer für den Vorauszahlungszeitraum November 2011 --entsprechend der geänderten Voranmeldung vom 5. März 2012-- auf 3.247,38 €. Beide Steuerfestsetzungen erfolgten unter Verwendung einer zweiten, für die Masse der KG vergebenen Steuernummer.

7

Der Kläger legte gegen die Vorauszahlungsbescheide Oktober und November 2011 vom 20. März 2012 und vom 3. April 2012 Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren änderte das FA durch Bescheid vom 31. Juli 2012 den Vorauszahlungsbescheid Oktober 2011, so dass sich die Steuer auf 2.874,97 € verminderte. Dieser Bescheid wurde gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Nachdem der Kläger am 26. Juli 2012 dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte, wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 16. August 2012 als unbegründet zurück.

8

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 69 veröffentlichten Urteil des FG kann das FA die vom späteren Insolvenzschuldner nach der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters angemeldeten und zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht gezahlten Umsatzsteuervorauszahlungen, die sich zudem der Höhe nach geändert haben, gemäß § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeit gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festsetzen, wenn der schwache Insolvenzverwalter offensichtlich mit der Fortführung des Unternehmens im Insolvenzeröffnungsverfahren ausdrücklich einverstanden war. Für die Zustimmung i.S. von § 55 Abs. 4 InsO reiche es aus, dass sich der schwache vorläufige Insolvenzverwalter mit der Fortführung der Umsatztätigkeit im Insolvenzeröffnungsverfahren aktiv oder konkludent einverstanden erklärt.

9

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision, die er auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Der Begriff der Zustimmung i.S. von § 55 Abs. 4 InsO sei im Zusammenhang mit dem Zustimmungsvorbehalt auszulegen. Die Zustimmung könne sich nur auf das beziehen, was aufgrund des Zustimmungsvorbehalts zustimmungsbedürftig sei und damit nur auf Verfügungen, nicht aber auch --wie im Streitfall-- auf die Erbringung von Dienstleistungen. Erteile der vorläufige Insolvenzverwalter seine Zustimmung nur im Rahmen der allgemeinen Verpflichtung, die Masse zu sichern, reiche dies nicht aus. Dass sich der Kläger für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes und die Zustimmung der Agentur für Arbeit eingesetzt habe, sei daher ohne Bedeutung. Der Fiskus sei im Übrigen auch nicht als Zwangsgläubiger anzusehen. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Dezember 2010 V R 22/10 (BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) zum Einzug von Altforderungen und dem sich hieraus ergebenden Berichtigungsanspruch sei für das Insolvenzeröffnungsverfahren ohne Bedeutung. § 55 Abs. 4 InsO sei im Kontext mit § 55 Abs. 1 und 2 InsO auszulegen. Die Ausübung einer bloßen Überwachungs- und Kontrollfunktion reiche für die Entstehung der Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO nicht aus. Aus der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts ergebe sich nicht die Übernahme einer Betriebsfortführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter. Der vorläufige Insolvenzverwalter übe keine faktische Unternehmensleitung aus.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG und die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Oktober und November 2011 vom 20. März 2012, vom 3. April 2012 und vom 31. Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. August 2012 aufzuheben.

11

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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§ 55 Abs. 4 InsO bezwecke, dass der Fiskus mit den während der vorläufigen Insolvenzverwaltung begründeten Steuerforderungen im nachfolgenden Insolvenzverfahren nicht ausfalle. Daher reiche es aus, dass der schwache vorläufige Insolvenzverwalter mit der Fortführung der Geschäftstätigkeit einverstanden sei. Für den Fiskus bestünden während der vorläufigen Insolvenzverwaltung keine privilegierten Sicherungsmaßnahmen. Hilfsweise sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die bei Stellung des Insolvenzantrags offenen Forderungen in Höhe von 36.880,09 € einziehen konnte. Da die Vereinnahmungszuständigkeit durch den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 7. Oktober 2011 auf den Kläger übergegangen sei, führe diese Forderungsvereinnahmung nach dem BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 zu einer Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (UStG) als Masseverbindlichkeit. Diese Rechtsprechung sei auch auf die Forderungsvereinnahmung durch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zu übertragen. Dies sei im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Soll- und Istbesteuerung im Insolvenzeröffnungsverfahren geboten. In Betracht komme auch das Entstehen einer Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 InsO, wenn das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter zum Forderungseinzug ermächtigt. Maßgeblich sei die vollständige Tatbestandsverwirklichung im Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründetheit. Der Anwendungsbereich des § 55 Abs. 4 InsO beschränke sich nicht auf Neugeschäfte. Die Vorschrift verfolge das Ziel, steuermindernde Gestaltungen zu verhindern. Auf eine faktische Unternehmensleitung komme es nicht an. Ebenso spiele die Bemessung der Verwaltervergütung keine Rolle. Auch Altgeschäfte könnten § 55 Abs. 4 InsO unterliegen. Es habe eine gerichtliche Anordnung zur Einziehung von Altforderungen bestanden. An der Titelfunktion der Umsatzsteuer-Voranmeldung sei festzuhalten.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision des Klägers ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil des FG kommt es für die Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO auf die rechtlichen Befugnisse an, die dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehen. Ist Zustimmungsvorbehalt angeordnet (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 InsO) und ist der vorläufige Insolvenzverwalter zum Forderungseinzug berechtigt, entsteht die Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO insoweit, als der vorläufige Insolvenzverwalter Entgelte aus Leistungen des Unternehmers vereinnahmt. Dabei sind vom vorläufigen Insolvenzverwalter veranlasste Zahlungen auf zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungsbezüge masseverbindlichkeitsmindernd zu berücksichtigen. Es ist im Insolvenzeröffnungsverfahren nicht zwischen den vor und nach der Verwalterbestellung erbrachten oder bezogenen Leistungen zu unterscheiden.

14

1. Nach § 55 Abs. 4 InsO gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit.

15

a) Verbindlichkeiten werden vom vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters nur im Rahmen der für den vorläufigen Verwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet.

16

aa) § 55 Abs. 4 InsO erweitert die Tatbestände, nach denen Masseverbindlichkeiten entstehen. Für diese kommt es auf die nach dem Insolvenzrecht bestehenden rechtlichen Befugnisse an. So sind Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur die Verbindlichkeiten, "die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden". § 55 Abs. 2 InsO setzt Verbindlichkeiten voraus, "die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist". § 55 Abs. 4 InsO dient zwar dazu, die nach § 55 Abs. 1 und 2 InsO bestehenden Tatbestände zu erweitern. Dies steht aber wie bei § 55 Abs. 1 und 2 InsO unter dem Vorbehalt, dass hierfür die für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse zu berücksichtigen sind.

17

bb) Nach Maßgabe der dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehenden rechtlichen Befugnisse ist für das Entstehen von Masseverbindlichkeiten bei umsatzsteuerrechtlichen Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nicht auf die lediglich zeitliche Verbindlichkeitsbegründung "nach der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters" (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 17. Januar 2012, BStBl I 2012, 120, Rz 11) abzustellen. Die Annahme, dass hiervon ausgenommen nur die Umsatzsteuerverbindlichkeiten seien, die "auf Umsätzen beruhen, denen der schwache vorläufige Insolvenzverwalter ausdrücklich widersprochen hat" (BMF-Schreiben in BStBl I 2012, 120, Rz 11), ist mit den insolvenzrechtlichen Anforderungen an die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO nicht vereinbar. Insbesondere ist der Insolvenzordnung eine von der Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters nach den §§ 21 ff. InsO abweichende "tatsächliche" Zustimmung oder eine "faktische" Unternehmensfortführung neben einer Unternehmensfortführung i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO fremd. Ohne Einschränkung durch die einem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragenen Befugnisse kann der Schuldner frei entscheiden (vgl. Schmidt/Hölzle, InsO, 18. Aufl., 2013, § 21 Rz 6). Das Erfordernis einer "tatsächlichen" Zustimmung mit dessen Handlungen führt demgegenüber zwangsläufig zu nicht nachprüfbaren Unterstellungen. Auf einen fehlenden Widerspruch kann daher nur in dem Umfang abgestellt werden, als ein Recht zum Widerspruch besteht.

18

b) Ob eine umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeit aus dem Steuerschuldverhältnis Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO ist, entscheidet sich nach der Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter.

19

aa) § 55 Abs. 4 InsO ist entsprechend dem Willen des historischen Gesetzgebers auf Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis nach dem Umsatzsteuergesetz anzuwenden. Nach der amtlichen Gesetzesbegründung dient § 55 Abs. 4 InsO dazu, die Durchsetzung des Umsatzsteueranspruchs im Insolvenzeröffnungsverfahren zu sichern (BTDrucks 17/3030, S. 43 f.: zur "ungerechtfertigte[n] Benachteiligung des Fiskus", dem durch die Neuregelung "ein Riegel vorgeschoben" werden sollte).

20

bb) Kommt es für die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO auf die rechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters an (s. oben II.1.a), ist bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG) --ebenso wie bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG)-- auf die Entgeltvereinnahmung, nicht aber auf die Leistungserbringung abzustellen.

21

(1) Das Insolvenzgericht kann den vorläufigen Insolvenzverwalter --wie im Streitfall-- zum Forderungseinzug ermächtigen. Der Forderungseinzug erfolgt zumindest in diesem Fall im Rahmen der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse und kann dementsprechend dazu führen, dass umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis, die mit dem Forderungseinzug im Zusammenhang stehen, zur Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO werden. Ob sich dies auch bereits aufgrund des allgemeinen Zustimmungsvorbehalts, der sich auf Verfügungen bezieht, ergeben kann, hat der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden.

22

(2) Demgegenüber kann nicht auf das Erbringen steuerbarer Leistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG abgestellt werden. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt --wie im Streitfall-- selbst keine Leistungen erbringt.

23

Für die Verbindlichkeitsbegründung i.S. von § 55 Abs. 4 InsO ist auch unter Berücksichtigung des für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Zustimmungsvorbehalts (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO) nicht die steuerbare Leistungserbringung maßgeblich. Denn dieser Zustimmungsvorbehalt bezieht sich nur auf "Verfügungen". Im Hinblick auf diese Rechtsstellung wäre es zwar denkbar, vom Schuldner erbrachte Lieferungen und damit die Verschaffung der Verfügungsmacht an Gegenständen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG als masseverbindlichkeitsbegründend i.S. von § 55 Abs. 4 InsO anzusehen, wenn dies mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgt. § 55 Abs. 4 InsO wäre dann aber auf Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) zu beschränken, da es bei der Erbringung sonstiger Leistungen i.S. von § 3 Abs. 9 UStG jedenfalls an einem vergleichbaren Verfügungselement fehlte. Eine auf Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) beschränkte Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO ist aber bereits deshalb ausgeschlossen, da die Auslegung des § 55 Abs. 4 InsO nicht dazu führen darf, dass es im Insolvenzeröffnungsverfahren eines Schuldners, der als Händler zustimmungspflichtige Lieferungen ausführt, zum Entstehen von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO kommt, während keine Masseverbindlichkeiten im Insolvenzeröffnungsverfahren eines Dienstleistungsunternehmens entstehen. Eine derartige Differenzierung hätte zur Folge, dass durch den unterschiedlichen Umfang, in dem Masseverbindlichkeiten entstünden, die Fortführung und Sanierung (vgl. § 1 Satz 1 InsO) von Dienstleistungsunternehmen erleichtert und von Handelsunternehmen erschwert würde. Dies wäre mangels sachgerechten Differenzierungsgrundes mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (vgl. hierzu allgemein z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2011  1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49) unvereinbar.

24

2. Die für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Befugnisse sind auch umsatzsteuerrechtlich von Bedeutung. Bestellt das Insolvenzgericht --wie im Streitfall-- für einen Unternehmer einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug für die Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht und bezogen hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen. Gleiches gilt für den Steuerbetrag und den Vorsteuerabzug aus Leistungen, die das Unternehmen danach bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt und bezieht.

25

a) Aufgrund der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO) und mit Recht zum Forderungseinzug (§§ 22 Abs. 2, 23 InsO) werden die noch ausstehenden Entgelte für zuvor erbrachte Leistungen uneinbringlich.

26

aa) Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag für steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist.

27

(1) Wie der erkennende Senat bereits für das eröffnete Insolvenzverfahren entschieden hat, werden die Entgelte für Leistungen, die der Unternehmer bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht hat und die der Unternehmer bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht vereinnahmt hat, im Augenblick vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich. Maßgeblich ist hierfür, dass gemäß § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, die auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter übergeht und dass der Unternehmer somit aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem eigenen vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da sie im Rahmen der Masseverwaltung und Masseverwertung zu vereinnahmen sind und damit zum Bereich der Masseverbindlichkeiten gehören (vgl. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.c, und vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, unter II.5.b).

28

(2) Ebenso ist es im Insolvenzeröffnungsverfahren, worüber der Senat bisher noch nicht zu entscheiden hatte. Zwar ergibt sich das Recht zum Forderungseinzug hier nicht aus den einem Insolvenzverwalter gemäß §§ 80 ff. InsO zustehenden Befugnissen. Erlässt das Insolvenzgericht aber entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 3 InsO bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt das Verbot an Drittschuldner, an den Schuldner zu zahlen, und ermächtigt es den vorläufigen Insolvenzverwalter, Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen (§ 22 Abs. 2 InsO), wird damit das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem vorläufigen Insolvenzverwalter gegenüber Drittschuldnern gemäß § 24 Abs. 1 InsO in einer Weise geregelt, die § 80 Abs. 1 und § 82 InsO entspricht (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Februar 2007 IX ZR 2/06, Der Betrieb 2007, 1079, unter II.1.b).

29

Ordnet das Insolvenzgericht daher wie im Streitfall an, dass der Kläger als vorläufiger Insolvenzverwalter berechtigt ist, Bankguthaben und sonstige Forderungen des Insolvenzschuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen und verbietet es zudem den Drittschuldnern an den Insolvenzschuldner zu zahlen, führt dies wie im eröffneten Insolvenzverfahren zur Uneinbringlichkeit der dem Unternehmer zustehenden Entgelte. Denn auch im Insolvenzeröffnungsverfahren ist es dann dem Unternehmer aufgrund der auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangenen Einziehungsbefugnis nicht mehr möglich, das Entgelt für die zuvor entstandene Steuerschuld zu erlangen. Ob es zu einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, ist als erst nachträglich eintretender Umstand für die steuerrechtliche Beurteilung unerheblich.

30

bb) Zu berichtigen ist auch der Vorsteuerabzug. Der erkennende Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass der Vorsteuerberichtigungsanspruch aus nicht bezahlten Leistungsbezügen nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 UStG mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt entsteht (BFH-Urteile vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, Leitsatz 2, und vom 3. Juli 2014 V R 32/13, juris, Leitsatz). Der Gläubiger des Schuldners, für den der vorläufige Insolvenzverwalter bestellt wird, kann dann seinen Entgeltanspruch aus der an den Schuldner erbrachten Leistung --selbst wenn es nachfolgend zu keiner Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, sondern diese z.B. mangels Masse unterbleibt-- zumindest für die Dauer des Eröffnungsverfahrens und damit im Regelfall über einen längeren Zeitraum von ungewisser Dauer nicht mehr durchsetzen (BFH-Urteil in BFHE 242, 433, unter II.4.c bb). Dies gilt nicht nur für Entgeltansprüche eines Organträgers gegenüber der (bisherigen) Organgesellschaft --wie z.B. in der dem BFH-Urteil in BFHE 242, 433 zugrunde liegenden Fallgestaltung--, sondern allgemein für die gegen das Unternehmen gerichteten Entgeltansprüche aus Leistungen an das Unternehmen.

31

b) Uneinbringlich werden auch die Entgelte für die Leistungen, die der Unternehmer nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und Recht zum Forderungseinzug bis zur Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens (§§ 26, 27 InsO) erbringt oder bezieht. Für eine differenzierende Betrachtung nach den Leistungen, die das Unternehmen vor der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters erbringt oder bezieht und den Leistungen, die das Unternehmen nach dessen Bestellung bis zur Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt oder bezieht, besteht insbesondere unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters kein sachlicher Rechtfertigungsgrund. Erbringt der Unternehmer Leistungen, ist die Befugnis, die hierfür geschuldeten Entgelte zu vereinnahmen, in beiden Fällen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen. Anders als bei Leistungen, die durch einen verwaltungs- und verfügungsberechtigten vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 InsO) oder nach Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter erbracht werden, kommt es damit zu einer Trennung von Leistungserbringung und Entgeltvereinnahmung.

32

c) Im Anschluss an die Uneinbringlichkeit kommt es durch die Entgeltentrichtung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung.

33

aa) Vereinnahmt der vorläufige Insolvenzverwalter mit Recht zum Forderungseinzug und allgemeinem Zustimmungsvorbehalt ein zuvor uneinbringlich gewordenes Entgelt aus einer Ausgangsleistung vor seiner Bestellung (s. oben II.2.a aa) oder nach seiner Bestellung (s. oben II.2.b), führt die Entgeltvereinnahmung zu einer zweiten Berichtigung des Steuerbetrags nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG. Dem steht nicht entgegen, dass die erste Berichtigung aufgrund Uneinbringlichkeit und die zweite Berichtigung aufgrund nachfolgender Vereinnahmung ggf. im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen (BFH-Urteil vom 24. Oktober 2013 V R 31/12, BFHE 243, 451, unter II.2.d).

34

Die zweite Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG ist --im Gegensatz zur ersten Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG-- aufgrund einer späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich bei der Berechnung der sich für den Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO zu berücksichtigen, da es hierfür auf die rechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters und damit auf das ihm eingeräumte Recht zum Forderungseinzug und zur Entgeltvereinnahmung ankommt (s. oben II.1.b bb).

35

bb) Ebenso führt die durch den vorläufigen Insolvenzverwalter --im Rahmen seines Zustimmungsvorbehalts-- veranlasste Zahlung von Entgelten aus vor oder nach seiner Bestellung bezogenen Leistungen (s. oben II.2.a bb und II.2.b) zu einer zweiten Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG. Auch dies kann im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen.

36

Die zweite Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG mindert den Steueranspruch und ist im Fall einer nachfolgenden Insolvenzeröffnung bei der Berechnung der sich für den Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeit anspruchsmindernd zu berücksichtigen.

37

d) Die Rechtsprechung zur Uneinbringlichkeit (s. oben II.2.a) verstößt entgegen einer hieran geübten Kritik (vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 2. April 2014  7 K 7337/12, EFG 2014, 1427) nicht gegen das Unionsrecht.

38

Nach Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) ist die Steuerbemessungsgrundlage insbesondere im Fall der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen zu vermindern. Die Bestimmung ist ohne inhaltliche Änderung an die Stelle von Art. 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG getreten. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) lässt die Regelung einen "Gestaltungsspielraum bei der Festlegung der Maßnahmen zur Bestimmung des Betrags der Minderung" (EuGH-Urteil vom 3. September 2014 C-589/12, GMAC, Deutsches Steuerrecht 2014, 1921, Rdnr. 32). Ohne dass es insoweit einer eigenständigen Regelung für den Insolvenzfall bedarf, gehört zu den Bedingungen i.S. von Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL auch § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG und die Anwendung dieser Vorschrift im Insolvenzeröffnungsverfahren unter Berücksichtigung der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Befugnisse. Zudem sind die Mitgliedstaaten nach Art. 273 MwStSystRL berechtigt, weitere Pflichten vorzusehen, um eine genaue Erhebung der Steuer und damit die zutreffende Berechnung der Mehrwertsteuer-Eigenmittel der EU nach Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1553/89 vom 29. Mai 1989 über die endgültige einheitliche Regelung für die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 155 vom 7. Juni 1989, 9) auch in Insolvenzfällen sicherzustellen.

39

3. Im Streitfall ist das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG Folgendes zu berücksichtigen haben:

40

a) Es ist zunächst festzustellen, in welcher Höhe der Umsatzsteueranspruch für die beiden Voranmeldungszeiträume entstanden ist.

41

aa) Dabei ist davon auszugehen, dass die der KG zustehenden Entgeltansprüche aus den von ihr erbrachten Leistungen wie auch die von ihr geschuldeten Entgelte für die von ihr bezogenen Leistungen mit der Bestellung des Klägers als vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt und Einziehungsbefugnis uneinbringlich geworden sind (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Uneinbringlichkeit liegt auch in Bezug auf die während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbrachten und bezogenen Leistungen vor.

42

Für den Fall, dass das Insolvenzgericht entsprechend dem Insolvenzgutachten des Klägers nach § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO auch angeordnet hat, dass Forderungen, die die KG zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hatte, nicht von den Gläubigern eingezogen werden dürfen, sondern vom Kläger einzuziehen sind, tritt Uneinbringlichkeit auch für diese Entgeltansprüche ein.

43

bb) Soweit Uneinbringlichkeit gegeben ist, führt die Vereinnahmung von Leistungsentgelten durch den Kläger zu einer zweiten Berichtigung des Steueranspruchs (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG) als Masseverbindlichkeit. War der Kläger z.B. nach § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO befugt, Entgeltansprüche einzuziehen, die die KG sicherungshalber abgetreten hatte, gilt dies auch für den Fall der Sicherungszession.

44

Die durch den Kläger veranlasste Zahlung auf Leistungsbezüge begründet eine zweite Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG), die sich masseverbindlichkeitsmindernd auswirkt.

45

cc) Bei der Aufteilung des Steueranspruchs für den Voranmeldungszeitraum in Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit ist zu beachten, dass sich für einen Bereich (z.B. im vorinsolvenzrechtlichen Teil des § 38 InsO) ein Vergütungsbetrag ergeben kann, der durch eine Verbindlichkeit im anderen Bereich (z.B. dem Masseteil i.S. von § 55 Abs. 4 InsO) ausgeglichen wird. Die Summe der Aufteilungsbeträge muss allerdings der für sich den Voranmeldungszeitraum ergebenden Steuerschuld entsprechen (BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.c aa).

46

b) Bei der Berechnung der Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO nicht zu berücksichtigen sind Berichtigungsansprüche, die wie z.B. § 15a UStG auf anderen Umständen als dem Forderungseinzug durch den vorläufigen Insolvenzverwalter oder den durch ihn veranlassten Zahlungen beruhen. Nicht zu berücksichtigen sind zudem Entgelte, die erst der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung für Leistungen vereinnahmt, die das Unternehmen während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbracht hat. Die dann mit der Vereinnahmung vorzunehmende zweite Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG führt entsprechend dem Senatsurteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 zu einer Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

47

c) Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass das FA berechtigt war, den sich für einen Voranmeldungszeitraum des Insolvenzeröffnungsverfahrens als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO ergebenden Umsatzsteueranspruch nach der Insolvenzeröffnung durch Steuerbescheid festzusetzen (vgl. hierzu allgemein BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1.). Unerheblich ist dabei, dass --wie im Streitfall-- für denselben Voranmeldungszeitraum bereits vor der Insolvenzeröffnung ein Vorauszahlungsbescheid vorlag, der sich gemäß § 168 Satz 1 AO auch aus einer Steueranmeldung ergeben kann, der einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht.

48

Maßgeblich ist insoweit, dass unter den besonderen Bedingungen des Insolvenzverfahrens die doppelte Geltendmachung desselben Steueranspruchs trotz Vorliegens mehrerer Steuerbescheide für einen Voranmeldungszeitraum ausgeschlossen ist. Denn nach § 89 InsO ist eine Vollstreckung aus der vor Insolvenzeröffnung ergangenen Steuerfestsetzung ausgeschlossen. Zudem ist das FA nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats verpflichtet, der Anmeldung zur Insolvenztabelle (§§ 174 ff. InsO) eine auf das Kalenderjahr bezogene Steuerberechnung zugrunde zu legen (zum nur vorläufigen Charakter der Steuerberechnung für den Voranmeldungszeitraum im Verhältnis zur Steuerberechnung für den Besteuerungszeitraum vgl. auch BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76, unter II.3.a aa). Bei der Berechnung der Jahressteuer als Insolvenzforderung sind nur die Besteuerungsgrundlagen zu erfassen, die dem Insolvenzbereich des § 38 InsO zuzuordnen sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, unter II.2.b).

49

Das FA kann danach den Steueranspruch, so wie er sich aus dem vor Insolvenzeröffnung ergangenen Steuerbescheid für einen Voranmeldungszeitraum des Insolvenzeröffnungsverfahrens ergab, nur nach Korrektur um den als Masseverbindlichkeit festzusetzenden Teil des Steueranspruchs zur Insolvenztabelle anmelden. Im Hinblick auf das Erfordernis einer auf das Kalenderjahr bezogenen Tabellenanmeldung des Steueranspruchs erübrigt sich zudem die Frage, ob der Steuerfestsetzung für einen Voranmeldungszeitraum Titelfunktion i.S. von § 179 Abs. 2 InsO zukommt.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbehörde hat dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts zu übermitteln. Satz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
ein Verwaltungsakt nach § 129 der Abgabenordnung berichtigt wird oder
2.
ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen unwirksamen Verwaltungsakts tritt.

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemäß. Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn

1.
das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2.
für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3.
eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht worden ist;
4.
der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 führt;
5.
Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getätigt werden.

(3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 8 gilt sinngemäß.

(4) Werden die Entgelte für unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam geändert (z.B. Jahresboni, Jahresrückvergütungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfänger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die Änderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsätze verteilt.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B-GmbH (GmbH).

2

Die GmbH schloss am 2. Januar 2004, vertreten durch den Kläger als vorläufigem Insolvenzverwalter, mit einer KG, für die der Kläger bereits zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, einen Vertrag, nach dem die GmbH der KG ihren Fuhrpark gegen monatliche Zahlung von 20.906,18 € zzgl. 3.344,99 € Umsatzsteuer (24.251,17 € brutto) zur Nutzung überlassen sollte und tatsächlich überließ; der Vertrag lief bis 29. Februar 2004. Die Wirksamkeit der Vereinbarung war von der Genehmigung eines durch das Insolvenzgericht einzusetzenden Sonderverwalters abhängig.

3

Über das Vermögen der GmbH, die ihre Umsätze zunächst nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des im Streitjahr 2005 geltenden Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) versteuerte, wurde am 4. März 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 6. April 2004 gestattete das zuständige Finanzamt (FA S) den vom Kläger beantragten Wechsel zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 20 UStG.

4

Am 19. Mai 2005 genehmigte der Sonderverwalter der GmbH den Vertrag vom 2. Januar 2004. Daraufhin wurde die vereinbarte Miete für die vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen --Nutzungsüberlassung des Fuhrparks für Januar und Februar 2004-- in Höhe von 48.502,34 € brutto gezahlt und am 14. Juli 2005 vom Kläger vereinnahmt.

5

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging das FA S davon aus, dass es sich bei den nach Insolvenzeröffnung vereinnahmten Entgelten aus den zuvor erbrachten Leistungen um Masseverbindlichkeiten handele, und setzte durch den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 2005 vom 6. Dezember 2005 hierfür Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

6

Nach der Erhebung der Klage zum Finanzgericht (FG) erließ das FA S am 24. Mai 2007 im Schätzungsweg den Umsatzsteuerjahresbescheid 2005, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde.

7

Das FG gab der Klage statt, mit der sich der Kläger gegen die Berücksichtigung des vereinnahmten Entgelts als Masseforderung wendet. Das Insolvenzverfahren sei im März 2004 und damit nach Ablauf der Voranmeldungszeiträume, in denen die Leistungen erbracht wurden, eröffnet worden. Der Tatbestand des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UStG sei damit bereits vor Verfahrenseröffnung vollständig erfüllt gewesen, so dass die Umsatzsteuerverbindlichkeiten als Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden seien. Hieran ändere der nach Verfahrenseröffnung beantragte und gewährte Wechsel der Besteuerungsart nichts. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung müsse eine Besteuerung der nach dem Übergang zur Istbesteuerung vereinnahmten Entgelte entfallen, wenn ---wie hier-- die Umsätze bereits vor dem Übergang zur Istbesteuerung der Sollbesteuerung unterlegen hätten. Der Unternehmer habe deshalb in den Voranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume, in denen solche Außenstände eingehen, die bereits versteuerten Beträge von den vereinnahmten Entgelten abzusetzen. Dies gelte unabhängig von den Gründen, aus denen eine Anmeldung und Versteuerung zunächst tatsächlich unterblieben sei. Da die Umsatzsteuer unter der Geltung der Sollbesteuerung entstanden sei, könne nach dem Wechsel zur Istbesteuerung keine Rückabwicklung erfolgen. Durch den Wechsel der Besteuerungsart werde der bereits vollständig verwirklichte und abgeschlossene Umsatzsteuertatbestand rückwirkend wieder "unbegründet".

8

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1845 veröffentlicht.

9

Mit seiner Revision macht das FA S Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks seien nicht zur Sollbesteuerung angemeldet worden, so dass keine Sollbesteuerung erfolgt sei. Nach dem FG-Urteil unterbleibe die Besteuerung dieser Umsätze völlig. Zumindest müsse der Wechsel zur Istbesteuerung auch für die Umsätze gelten, die nicht erklärt worden seien.

10

Nach Einlegung der Revision wurde das FA S mit dem FA E, dem Beklagten und Revisionskläger (FA) zusammengelegt.

11

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

13

Es sei unerheblich, dass die Umsätze aus der Fuhrparkvermietung nicht erklärt worden seien, da dies der Sollbesteuerung nicht entgegenstehe. Das FA könne die ihm nunmehr bekannten Forderungen zur Tabelle anmelden.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision des FA ist begründet.

15

Der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Organisationsakt der Verwaltung führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2008 V R 73/07, BFHE 223, 546, BStBl II 2009, 612).

16

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks begründen entgegen dem Urteil des FG eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO); unerheblich ist insoweit, ob die Umsätze der Ist- oder der Sollbesteuerung unterlagen.

17

1. Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S. von § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner "begründeten" Vermögensansprüche nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dementsprechend sind nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) Insolvenzforderungen während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern nur erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt festzustellen. Diese Einschränkung gilt nicht für Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 InsO, die durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen sind. Es handelt sich dabei gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO um die Verbindlichkeiten, die "durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören".

18

Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Unerheblich ist demgegenüber der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Welche Anforderungen im Einzelnen an die vollständige Tatbestandsverwirklichung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach Insolvenzrecht. Kommt es zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1., m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung)

19

2. Das FG hat keine hinreichenden Feststellungen getroffen, anhand derer der Senat entscheiden kann, ob die Steuer für die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG (Sollbesteuerung) oder nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG (Istbesteuerung) entstanden ist.

20

Das FA hatte dem Kläger durch Bescheid vom 6. April 2004 gestattet, die Umsätze der GmbH der Istbesteuerung zu unterwerfen. Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine derartige Gestattung ohne Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot auch noch während des Kalenderjahrs mit Rückwirkung auf den Jahresbeginn erteilt werden (BFH-Urteil vom 10. Dezember 2008 XI R 1/08, BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.3.b bb (2)).

21

Der Senat kann auf der Grundlage der Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob der Kläger das ihm eingeräumte Recht auf Istbesteuerung ausgeübt hat. Da es sich bei der Gestattung der Istbesteuerung um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt und die Sollbesteuerung der gesetzliche Regelfall ist, steht es dem Unternehmer frei, von der Gestattung zur Istbesteuerung keinen Gebrauch zu machen und zur Sollbesteuerung "zurückzukehren", ohne dass es hierfür eines Antrags des Steuerpflichtigen oder einer Erlaubnis des FA bedarf (BFH-Urteil in BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.2.). Eine Rückkehr zur Sollbesteuerung ist dabei bis zur Unanfechtbarkeit (formellen Bestandkraft) der Jahressteuerfestsetzung möglich (BFH-Urteil in BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.3.c). Hierzu hat das FG keine Feststellungen getroffen, obwohl der Kläger im Verfahren vor dem FG vorgetragen hat, dass es für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung bei der Sollbesteuerung geblieben und deshalb die Steuerforderung als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden sei.

22

3. Der Senat kann gleichwohl in der Sache entscheiden. Erbringt der Unternehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen eine Leistung, für die erst der Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmt, begründet die Entgeltvereinnahmung eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wobei unerheblich ist, ob der Umsatz der Ist- oder der Sollbesteuerung unterliegt. Für den Fall der Istbesteuerung ergibt sich dies aus dem Senatsurteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, auf das der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt. Im Fall der Sollbesteuerung beruht die Masseverbindlichkeit auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG.

23

a) Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Diese Vorschrift gilt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen.

24

Uneinbringlichkeit setzt nach ständiger BFH-Rechtsprechung voraus, dass der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (z.B. BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1). Zumindest im Sonderfall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann sich die fehlende Durchsetzbarkeit für den Leistenden aus Umständen ergeben, die in seiner Person oder in der Person des Leistungsempfängers begründet sind. Wird über das Vermögen eines Unternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, tritt daher hinsichtlich der noch nicht entrichteten Leistungsentgelte Uneinbringlichkeit ein. Unerheblich ist, ob es sich um ein Entgelt für eine vom Unternehmer bezogene oder erbrachte Leistung handelt.

25

b) Hat der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung bezogen und das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt nicht entrichtet, wird die der Umsatzsteuer unterliegende Entgeltforderung gegen ihn als Leistungsempfänger spätestens mit Verfahrenseröffnung unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote in voller Höhe uneinbringlich; bei einer nachträglichen Zahlung auf das uneinbringlich gewordene Entgelt ist der Umsatzsteuerbetrag nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erneut zu berichtigen (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 V R 14/08, BFHE 227, 513, BFH/NV 2010, 773, Leitsätze 1 und 2).

26

Maßgeblich ist hierfür, dass Entgeltforderungen gegen den Unternehmer mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen von Rechts wegen gegen ihn persönlich als Insolvenzschuldner nicht durchsetzbar sind, sondern nur zur Tabelle nach §§ 174 ff. InsO angemeldet werden können. Ohne Bedeutung ist dabei, ob den Vermögensansprüchen gegen den Leistungsempfänger, den Insolvenzschuldner, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch ein wirtschaftlicher Wert zukommt, so dass Uneinbringlichkeit selbst dann in vollem Umfang eintritt, wenn mit einer quotalen Befriedigung der Insolvenzforderungen zu rechnen ist (BFH-Urteil vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, unter II.2.c).

27

c) Erbringt der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, tritt gleichfalls mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Uneinbringlichkeit ein.

28

aa) Zwar gilt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Unternehmereinheit, das Unternehmen besteht jedoch nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen (vgl. BFH-Urteil vom 1. September 2010 VII R 35/08, BFHE 230, 490; Der Betrieb --DB-- 2010, 2596, unter II.2.), zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des leistenden Unternehmers kommt es zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile, bei denen es sich z.B. um die Insolvenzmasse und das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen handeln kann. So sind z.B. weitere Vorsteuerbeträge, die sich für die Insolvenzmasse ergeben, nicht nach § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG von der Steuer, die sich aus Leistungen für den insolvenzfreien Unternehmensteil ergeben, abzusetzen und können daher trotz einer Steuerschuld für den insolvenzfreien Unternehmensteil zu einem Vorsteuerüberschuss und damit zu einer Umsatzsteuervergütung für die dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters unterliegende Insolvenzmasse führen. Zur Wahrung des Grundsatzes der Unternehmenseinheit reicht es aus, dass die Summe der für alle Unternehmensteile insgesamt festgesetzten oder angemeldeten Umsatzsteuer der Umsatzsteuer für das gesamte Unternehmen entspricht (BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99, BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639, unter II.1. und 5.).

29

Neben der Insolvenzmasse und dem vom Insolvenzverwalter freigegebenen Vermögen besteht auch ein vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil. Die diesen Unternehmensteil betreffenden Umsatzsteueransprüche können nur zur Tabelle (§§ 174 ff. InsO) angemeldet, nicht aber wie z.B. Masseverbindlichkeiten durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt werden. Dementsprechend kann auch hier z.B. ein Vorsteueranspruch des massezugehörigen Unternehmensteils nicht gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG mit einem Steueranspruch gegen den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil verrechnet werden (vgl. §§ 95, 96 InsO).

30

bb) Ist im Insolvenzfall trotz Fortbestehens eines Gesamtunternehmens von mehreren eigenständigen Unternehmensteilen auszugehen, werden die bei Verfahrenseröffnung noch nicht vereinnahmten Entgelte aus vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil aus Rechtsgründen uneinbringlich, da der Entgeltanspruch ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr durch diesen Unternehmensteil vereinnahmt werden kann. Denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht nach § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter über (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85, unter II.1., m.w.N.). Der Unternehmer ist somit aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da diese in die Insolvenzmasse zu leisten sind. Damit korrespondiert auch, dass dieser Unternehmensteil rechtlich nicht mehr befugt ist, "öffentliche Gelder" entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21).

31

cc) Wird demnach die Entgeltforderung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich, begründet die spätere Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter eine erneute Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Diese Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen. Die erste Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil und die zweite Steuerberichtigung aufgrund der Vereinnahmung führen somit zu einer zutreffenden Besteuerung des Gesamtunternehmens.

32

Die aufgrund der Vereinnahmung entstehende Steuerberichtigung begründet eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch ist erst mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1. zur Istbesteuerung). Für dieses Ergebnis spricht auch das Erfordernis, die Besteuerungsgleichheit zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu wahren; dies ist bei der Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFH/NV 2010, 161, unter II.4.b dd (1), Deutsches Steuerrecht 2010, 2349). Mit diesem Erfordernis wäre es nicht zu vereinbaren, bei einer Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu differenzieren.

33

dd) Nicht zu entscheiden hat der Senat im Streitfall, ob entsprechend der Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit beim leistenden Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, auch der Leistungsempfänger mit Verfahrenseröffnung den Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen hat. Selbst wenn eine derartige Berichtigungspflicht bestünde, würde der Leistungsempfänger hierdurch nicht beschwert, da er im Hinblick auf die von ihm noch zu leistenden Zahlungen ohnehin prüfen muss, ob über das Vermögen seiner Gläubiger das Insolvenzverfahren eröffnet wird, um sicherzustellen, dass er Zahlungen nur an den Insolvenzverwalter leistet, da eine Zahlung an den Insolvenzschuldner selbst keine schuldbefreiende Wirkung hat (s. oben II.3.c bb).

34

Im Übrigen ist die Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger nicht erforderlich, wenn er das von ihm geschuldete Entgelt noch in dem für ihn maßgeblichen Voranmeldungszeitraum zahlt, in dem auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen seines Gläubigers eröffnet wird. Denn ein Entgelt kann nicht in ein und demselben Voranmeldungszeitraum uneinbringlich und vereinnahmt (entrichtet) werden, da sich zwei Berichtigungen nach § 17 UStG, die im selben Voranmeldungszeitraum erfolgen, gegenseitig aufheben.

35

4. Der Beurteilung der Steuerschuld aufgrund einer nach Verfahrenseröffnung erfolgten Entgeltvereinnahmung für eine vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistung als Masseverbindlichkeit steht nicht die Rechtsprechung des VII. Senats des BFH zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren entgegen, wie der erkennende Senat für den Fall der Istbesteuerung bereits mit Urteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.4. entschieden hat, und worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt.

36

Gleiches gilt für die mit Verfahrenseröffnung im Rahmen der Sollbesteuerung eintretende Uneinbringlichkeit der Entgeltforderung des Unternehmers, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Erbringt ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, für die auch der Insolvenzverwalter das Entgelt nicht vereinnahmen kann, geht der VII. Senat des BFH davon aus, dass das FA gegen einen der Insolvenzmasse zustehenden Berichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG mit der zuvor im Rahmen der Sollbesteuerung entstandenen Steuerforderung aufrechnen kann, ohne dass dem insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote entgegenstehen (BFH-Urteil vom 17. April 2004 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, unter II.3.). Gleiches gilt, wenn der Berichtigungsanspruch aufgrund der Uneinbringlichkeit --wie im Streitfall-- bereits mit Verfahrenseröffnung entsteht. Auch in diesem Fall kommt es zu der vom VII. Senat des BFH für erforderlich gehaltenen Aufrechnung, die darauf gestützt wird, dass es "schwerlich gerechtfertigt sein [würde], anzunehmen, die Finanzbehörde müsse eine (Umsatz-) Steuererstattung an die Insolvenzmasse leisten, könne aber ihre korrespondierende, unbefriedigte Steuerforderung lediglich als Insolvenzforderung geltend machen und müsse hinnehmen, mit ihr möglicherweise ganz oder teilweise auszufallen" (BFH-Urteil in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, unter II.3.).

37

Eine Abweichung zur Rechtsprechung des VII. Senats des BFH besteht auch nicht insoweit, als dieser für Zwecke der Aufrechnung keine "fiktive Veranlagung auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung" vornimmt (BFH-Urteil vom 16. Januar 2007 VII R 7/06, BFHE 216, 390, BStBl II 2007, 745), da der VII. Senat hinsichtlich des Bestehens mehrerer Unternehmensteile im Insolvenzfall im Sinne des Senatsurteils in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 zwischen "Veranlagung" und "Aufrechenbarkeit" differenziert (BFH-Urteil in BFHE 230, 490, DB 2010, 2596, unter II.2., und vom 9. April 2002 VII R 108/00, BFHE 198, 294, BStBl II 2002, 562, unter II.3.).

38

5. Danach war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

39

a) Die GmbH hat im Streitfall Vermietungsleistungen bereits vor Verfahrenseröffnung erbracht. Dass der dieser Vermietung zugrunde liegende Vertrag erst nach Verfahrenseröffnung durch einen Sonderverwalter genehmigt wurde, steht dem nicht entgegen. Denn die Leistung wurde tatsächlich durch eine Nutzungsüberlassung vor Verfahrenseröffnung ausgeführt, wobei es nach §§ 40, 41 AO unerheblich ist, ob die Leistungserbringung ohne Genehmigung durch den Sonderverwalter gegen ein gesetzliches Verbot verstieß oder die Unwirksamkeit des der Leistung zugrunde liegenden Vertrags begründete.

40

b) Lag somit eine vor Verfahrenseröffnung ausgeführte Leistung vor, für die erst der Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmte, war das FA sowohl im Fall der Ist- als auch im Fall der Sollbesteuerung berechtigt, die Umsatzsteuer für die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch Steuerbescheid festzusetzen.

(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemäß. Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn

1.
das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2.
für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3.
eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht worden ist;
4.
der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 führt;
5.
Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getätigt werden.

(3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 8 gilt sinngemäß.

(4) Werden die Entgelte für unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam geändert (z.B. Jahresboni, Jahresrückvergütungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfänger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die Änderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsätze verteilt.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 118/08
Verkündet am:
16. Juli 2009
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit
an den Schuldner geleistet worden, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse
zu erfüllen war, so wird der Leistende nicht befreit, wenn er zu einer
Zeit, als er den Leistungserfolg noch zu verhindern vermochte, von der Verfahrenseröffnung
Kenntnis erlangt hat.
BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - IX ZR 118/08 - LG Neubrandenburg
AG Neubrandenburg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die Richter
Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Neubrandenburg vom 22. Mai 2008 wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der zugesprochene Betrag mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Verwalter in dem am 10. Februar 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH (fortan Schuldnerin). Die Eröffnung wurde am 11. Februar 2005 im Internet und am 23. Februar 2005 im Bundesanzeiger veröffentlicht.
2
Die Schuldnerin war bei der Beklagten gegen Schäden aus Einbruchsdiebstahl versichert. Zur Regulierung eines vor Insolvenzeröffnung eingetretenen Versicherungsfalls übersandte die Beklagte an die Postanschrift der Schuldnerin am 25. Februar 2005 einen Scheck über 2.853 €. Mit einem spätestens am 3. März 2005 zugegangenen Schreiben vom 28. Februar 2005 zeigte der Kläger der Beklagten die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an und for- derte sie zur Zahlung der Versicherungsleistung auf. Am 8. März 2005 wurde der Scheck eingelöst, ohne dass der Kläger den Einlösungsbetrag erhielt.
3
Die auf Zahlung von 2.853 € nebst Zinsen gerichtete Klage war in beiden Instanzen erfolgreich. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision ist mit Ausnahme der angegriffenen Zinshöhe unbegründet.

I.


5
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte könne sich für die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Zahlung nicht mit Erfolg auf den Schutz des guten Glaubens nach § 82 Satz 1 InsO berufen. Die fehlende Kenntnis von der Verfahrenseröffnung habe die Beklagte darzulegen und zu beweisen. Sie sei ihrer Darlegungslast aber nicht nachgekommen. Bei einer Zahlung durch Scheck trete die Erfüllung erst mit Einlösung des Schecks durch Barzahlung oder Gutschrift ein. Dieser Zeitpunkt sei maßgeblich dafür, ob die Beklagte keine Kenntnis von der Verfahrenseröffnung gehabt habe. Am 8. März 2005 habe die Beklagte bereits Kenntnis von der Insolvenzeröffnung gehabt, weil ihr das Schreiben des Klägers spätestens am 3. März 2005 zugegangen sei. Auch wenn bei einem Versicherungsunternehmen die Organisationsstrukturen möglicherweise nicht derart ausgestaltet seien, dass jede eingehende Information dem Sachbearbeiter unverzüglich vorgelegt würde, sei bei einem Zeitraum von fünf Tagen eine eingegangene Information als der Beklagten zugegangen zu bewerten.

II.


6
Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Die Beklagte ist von ihrer Leistungsverpflichtung aus dem Versicherungsverhältnis nicht fei geworden.
7
1. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahren geht nach § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter über (Jaeger/Windel, InsO § 82 Rn. 2; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 2. Aufl. § 82 Rn. 3; HK-InsO/Kayser, 5. Aufl. § 82 Rn. 6). Die Parteien haben nicht vorgetragen , dass die Scheckzahlung der Beklagten als eine nach dem Versicherungsvertrag zulässige Leistung an Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB erbracht worden ist. Deshalb konnte die Beklagte den Scheck mangels Einigung mit dem Kläger nur erfüllungshalber hingeben und ihre Deckungspflicht erst erfüllen , wenn der Scheck ordnungsgemäß eingelöst wurde (vgl. BGHZ 44, 178, 179 f; 131, 66, 74). Entsprechend § 270 Abs. 1 BGB trug die Beklagte Gefahr und Kosten der Scheckübermittlung an den Gläubiger (vgl. BGH, Urt. v. 12. Juli 2000 - VIII ZR 99/99, ZIP 2000, 1719, 1721 unter II. 2. d). Diese Übermittlung an den Kläger ist im Streitfall nur insoweit gescheitert, als der Scheck in die Hände eines Organwalters der nicht mehr empfangszuständigen Insolvenzschuldnerin gelangt und von diesem nicht an den Kläger weitergeleitet, sondern eingelöst worden ist. Ob die Beklagte aufgrund der Einlösung durch die Insolvenzschuldnerin von ihrer Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag freige- worden ist oder von dem Kläger auf nochmalige Leistung in Anspruch genommen werden kann, beurteilt sich nach § 82 Satz 1 InsO, nicht nach dem allgemeinen Gefahrtragungsgrundsatz des § 270 Abs. 1 BGB, wie die Revisionserwiderung meint. Nach § 82 Satz 1 InsO wird der Leistende befreit, wenn er zur Zeit der Leistung an den Insolvenzschuldner die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte.
8
a) Die Beklagte trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gekannt hat, weil sie ihre Leistungshandlung - Übersendung des Schecks - nach der öffentlichen Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung vorgenommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 15. Dezember 2005 - IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138, 140 Rn. 12). Maßgeblich für den Übergang der Beweislast ist der Zeitpunkt, an dem die Bekanntmachung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO als bewirkt gilt (HK-InsO/Kayser, aaO § 82 Rn. 20). Die öffentliche Bekanntmachung ist durch die Veröffentlichung im Internet erfolgt. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat von der durch § 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 InsO in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung in Verbindung mit § 1 Satz 1 der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet vom 12. Februar 2002 (BGBl. I, S. 677) eingeräumten Möglichkeit zu einer entsprechenden Veröffentlichung Gebrauch gemacht. Nach Ziffer I. 3. der Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums MecklenburgVorpommern vom 2. September 2003 (III 150/1518 - 42 SH/5, AmtsBl. M-V 2003, 931) erfolgten ab dem 1. Januar 2004 die öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren ausschließlich im Internet. Auf die von § 30 Abs. 1 Satz 2 InsO in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung daneben vorgeschriebene und hier erst am 23. Februar 2005 erfolgte Veröffentlichung im Bundesanzeiger kommt es für den Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 9 Abs. 3 InsO nicht an (vgl. Keller ZIP 2003, 149, 153). Die öffentliche Bekanntmachung ist demzufolge durch Internetveröffentlichung mit Ablauf des 14. Februar 2005 (Montag) bewirkt worden (§ 9 Abs. 1 Satz 3, § 4 InsO, § 222 Abs. 2 ZPO).
9
b) Der Leistende wird in seinem Vertrauen auf die Empfangszuständigkeit eines Gläubigers nach § 82 InsO nur geschützt, wenn ihm die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen solange unbekannt geblieben ist, wie er den Leistungserfolg noch zu verhindern vermag (Jaeger/Windel, aaO § 82 Rn. 48; HK-InsO/Kayser, aaO § 82 Rn. 16; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 82 Rn. 11; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 82 Rn. 23; FK-InsO/App, 5. Aufl. § 82 Rn. 9; HmbKomm-InsO/Kuleisa, 2. Aufl. § 82 Rn. 27; Braun/Kroth, InsO 3. Aufl. § 82 Rn. 10; Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO § 82 Rn. 18; Smid, InsO 2. Aufl. § 82 Rn. 9; Graf-Schlicker/Scherer, InsO § 82 Rn. 5; Hess, Insolvenzrecht § 82 InsO Rn. 14; Häsemeyer, Insolvenzrecht 4. Aufl. Rn. 10.15 Fußn. 57; ebenso zum früheren Recht Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 8 Rn. 59). Die hiervon abweichende Ansicht, die den Zeitpunkt der Leistungshandlung für maßgeblich hält (MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, aaO Rn. 13; zum früheren Recht ebenso Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 8 KO Anm. 2) und sich hierfür auf den mit § 407 BGB übereinstimmenden Schutzzweck beruft, berücksichtigt die Unterschiede zwischen § 407 BGB und § 82 Satz 1 InsO nicht hinreichend.
10
aa) Der Vorschrift des § 407 BGB kann nicht das allgemeine Prinzip entnommen werden, dass der Schuldner stets geschützt werden soll, wenn er sich im Zeitpunkt seiner letzten Leistungshandlung in Unkenntnis der wirklichen Rechtslage befunden hat (Jaeger/Windel, aaO). Der maßgebliche Zeitpunkt ist vielmehr für jede dem Schuldnerschutz dienende Vorschrift aus ihrem Normzweck abzuleiten. § 407 BGB liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Schuld- ner, ohne dessen Zutun die Abtretung erfolgt ist, in seiner Rechtsstellung möglichst nicht beeinträchtigt werden soll (BGHZ 105, 358, 360; BGH, Urt. v. 18. März 2004 - IX ZR 177/03, WM 2004, 981, 984 f). Er soll vor den Nachteilen der Abtretung geschützt werden; ihn sollen aber keine zusätzlichen Verpflichtungen treffen (BGHZ 105, 358, 360 f).
11
bb) Bei § 407 BGB und § 82 Satz 1 InsO sind die Risikolagen und die Schutzzwecke verschieden.
12
In den Fällen des § 407 BGB gibt die Kenntnis des Schuldners, die seinen Leistungsschutz begrenzt, dem Individualinteresse eines Zessionars Vorrang , der die wirksame Leistung an den Zedenten vorher zwar gemäß § 816 Abs. 2 BGB von diesem herausverlangen kann, dem aber die Gefahr einer anspruchsvereitelnden Verfügung des Zedenten im ordentlichen Geschäftsverkehr , eines Vollstreckungszugriffs von Gläubigern des Zedenten und das Risiko von dessen Insolvenz droht. Vergleichbare Gefahren drohen dem Insolvenzverwalter nicht. Anders als nach der Konkursordnung fällt auch die Leistung des Drittschuldners an den Insolvenzschuldner gemäß § 35 Abs. 1 InsO in die Masse. Trotz seiner Fehlleitung unterliegt der Leistungsgegenstand nicht der Zwangsvollstreckung durch den Neugläubiger des Insolvenzschuldners (§ 89 Abs. 1 InsO). Dritte können daran keine Rechte erwerben (§ 91 Abs. 1 InsO). Die Risikolage, welcher § 82 InsO Rechnung tragen will und der in den Fällen des § 407 BGB nichts Entsprechendes gegenüber steht, liegt darin, dass dem Insolvenzverwalter der nach § 80 Abs. 1 InsO seiner Verfügungsmacht unterstehenden Leistungsgegenstand von einem ungetreuen Insolvenzschuldner vorenthalten wird. So soll es auch im Streitfall gewesen sein.
13
Der durch § 82 Satz 1 InsO den Drittschuldnern aus Billigkeitsgründen eingeräumte Gutglaubensschutz gewährt deshalb nicht wie § 407 BGB ein Mindestmaß an Sicherheit; er stellt sich vielmehr als eine besondere Vergünstigung dar (so schon BGHZ 140, 54, 58 f zu § 8 Abs. 2 und 3 KO) und dient zugleich dem öffentlichen Interesse an einem effektiven Insolvenzverfahren. Diesem Regelungsziel entspricht es, dem Leistenden weitergehende Obliegenheiten als nach § 407 BGB aufzuerlegen und darauf abzustellen, ob der Drittschuldner seine Leistung noch zurückrufen und so dem Risiko eines treuwidrigen Verfahrensschuldners vorbeugen kann (vgl. Jaeger/Windel, aaO; HK-InsO/Kayser, aaO).
14
cc) Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die gesetzliche Wertung für den Fall, dass ein gutgläubiger Schuldner nicht an den wirklichen Erben, sondern an den Erbscheinserben als Gläubiger geleistet hat. Abweichend von § 407 Abs. 1 BGB ist für die Kenntnis des Schuldners von der Unrichtigkeit des Erbscheins bei Leistung an den Erbscheinserben (§§ 2367, 2366 BGB) der Zeitpunkt entscheidend , an dem sich der Leistungserfolg vollendet (Staudinger/ Schilken, BGB Neubearbeitung 2004, § 2366 Rn. 8; MünchKomm-BGB/Mayer, 4. Aufl. § 2366 Rn. 17; Siegmann/Höger in Bamberger/Roth, BGB 2. Aufl. § 2366 Rn. 14; Erman/Schlüter, BGB 12. Aufl. § 2366 Rn. 4; Palandt/Edenhofer , BGB 68. Aufl. § 2366 Rn. 3). Dort gelangt der Leistungsgegenstand kraft dinglicher Surrogation in Rechtsanalogie zu § 718 Abs. 2, § 1418 Abs. 2 Nr. 3, § 1473 Abs. 1, § 1638 Abs. 2, §§ 2041, 2111 Abs. 1 BGB unmittelbar in den Nachlass. Der Erbscheinserbe ist dem wirklichen Erben als Erbschaftsbesitzer nach § 2018 BGB zur Herausgabe verpflichtet. Die Zwangsvollstreckung von Gläubigern des Erbschaftsbesitzers in Nachlasssurrogate kann vom wirklichen Erben nach § 771 ZPO abgewehrt werden (MünchKomm-BGB/Helms, 4. Aufl. § 2019 Rn. 1 a.E.). Zusätzlich wird der wirkliche Erbe durch § 2019 Abs. 1 BGB geschützt. Auch hier ist demzufolge die Gefahr im Falle einer Fehlleitung der Leistung wesentlich geringer als das Gläubigerrisiko von Zessionar oder Schuldner, die gegen den Zedenten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung vorgehen müssen. Das Hauptrisiko liegt ähnlich wie bei § 82 InsO in einem unredlichen Empfänger, dort dem Insolvenzschuldner , hier dem Erbscheinserben. Die Folgerung ist hier wie in den Fällen des § 82 InsO, dass das geringere Regressrisiko des leistenden Schuldners es rechtfertigt, von ihm auch Bemühungen zur Verhinderung des Leistungserfolges zu erwarten und den Schutz der Unkenntnis von der fehlenden Empfangszuständigkeit des Scheingläubigers nur dann zu gewähren, wenn sie bis zur Unabwendbarkeit des Leistungserfolges andauert. Für die abweichende Ansicht spricht entgegen der Auffassung der Revision auch nicht entscheidend die in § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 892 Abs. 2 BGB getroffene Regelung, weil sie darauf beruht, dass der Erwerber auf den Gang des Grundbuchverfahrens keinen Einfluss hat (Jaeger/Windel, aaO). Diese Regel ist bei § 82 InsO ebenso wenig anwendbar wie bei den §§ 2366, 2367 BGB (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 12. Oktober 1970 - III ZR 254/68, WM 1971, 54; ferner BGHZ 57, 341, 343).
15
2. Danach konnte die Beklagte nur dann von der Verpflichtung zur erneuten Leistung frei werden, wenn sie zu dem Zeitpunkt, bis zu dem sie die Einlösung des Schecks noch durch dessen Sperrung verhindern konnte, keine Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte. Dies ist auf der Grundlage ihres eigenen Vortrags nicht der Fall.
16
a) Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation muss im Rahmen des ihr Zumutbaren sicherstellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen unverzüglich an die entscheidenden Personen weitergeleitet und von diesen zur Kenntnis genommen werden (BGHZ 140, 54, 62; BGH, Urt. v. 15. Dezember 2005, - IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138, 140 Rn. 13). Entgegen der Auffassung der Revision beschränkt sich diese Rechtsprechung nicht auf den Bankenbereich (vgl. BGHZ 140, 54). Ob sich die Organisation , wenn es an einem darartigen internen Informationssystem fehlt, das Wissen einzelner Mitarbeiter, die nicht zu den Entscheidungsträgern gehören, etwa bei der Posteingangsstelle beschäftigt sind, unmittelbar zurechnen lassen muss (vgl. BGH, Urt. v. 15. Dezember 2005, aaO), mag dahinstehen. Jedenfalls müssen sich die Entscheidungsträger so behandeln lassen, als hätten sie das Wissen gehabt, wenn die Zeit verstrichen ist, die bei Bestehen eines effizienten internen Informationssystems benötigt worden wäre, um ihnen die Kenntnis zu verschaffen. Diese Zeitspanne ist angesichts des Standes der modernen Büround Kommunikationstechnik als gering zu veranschlagen.
17
b) Nach dem Vortrag der Beklagten sei es von ihr innerhalb der "assekuranzüblichen und angemessenen Bearbeitungszeit von mindestens neun Arbeitstagen" nicht zu erwarten gewesen, nach Erhalt der Eröffnungsanzeige des Klägers am 3. März 2005 geeignete Maßnahmen gegen die drohende Scheckeinlösung zu ergreifen. Die Beklagte hat damit nicht vorgetragen, dass sie eine Organisationsstruktur geschaffen hat, die eine kurzfristige Kenntnisnahme des Inhaltes eilbedürftiger Schreiben durch die Entscheidungsträger ermöglicht. Dies hat nichts mit der Frage nach der angemessenen Bearbeitungsfrist für den eine Sachverhaltsaufklärung erfordernden Leistungsantrag eines Versicherten zu tun (hierzu LG Köln VersR 1982, 389). Aus dem Nachweis der Insolvenzeröffnung ergab sich vielmehr unmittelbar, dass laufende Zahlungsvorgänge an die Schuldnerin sofort anzuhalten waren. Ob es solche Vorgänge gab, konnte auf dem Bildschirm in kürzester Zeit festgestellt werden. Da diese Kenntnisnahme mangels entsprechender organisatorischer Vorsorge nicht gewährleistet war, muss sich die Beklagte so behandeln lassen, wie wenn sie am 7. März 2005, als sie den am Folgetag eingelösten Scheck noch sperren lassen konnte, Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehabt hätte.

III.


18
Der Ausspruch zur Zinshöhe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Amtsgericht hat dem Kläger Zinsen nach § 288 Abs. 2 BGB zuerkannt. Bei der Klageforderung handelt es sich indes nicht um eine Entgeltforderung nach dieser Vorschrift. § 286 Abs. 3 BGB setzt die Vorgaben der Richtlinie 2000/35/EG vom 29. Juni 2000 um (Palandt/Grüneberg, aaO § 286 Rn. 1).
Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie unterfallen ihr nicht Zahlungen von Versicherungsgesellschaften. Es bewendet daher bei der Zinshöhe des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Ganter Raebel Kayser
Pape Grupp
Vorinstanzen:
AG Neubrandenburg, Entscheidung vom 20.03.2007 - 12 C 238/06 -
LG Neubrandenburg, Entscheidung vom 22.05.2008 - 1 S 39/07 -

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer KG. Die 1999 gegründete KG erbrachte Speditionsleistungen. Die KG beantragte am 6. Oktober 2011 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

2

Mit Beschluss vom 7. Oktober 2011 bestellte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung --InsO--) und ordnete an, dass Verfügungen der KG über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des Klägers wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO). Das Insolvenzgericht verbot zudem den Schuldnern der KG, an diese zu zahlen und ermächtigte den Kläger, Bankguthaben und sonstige Forderungen der KG einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Schuldner der KG wurden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO). Das Insolvenzgericht untersagte auch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die KG (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO).

3

Die KG führte ihren Geschäftsbetrieb zunächst weiter, da Insolvenzgeld vorfinanziert wurde und der Kläger Gespräche mit den Hauptauftraggebern führte. Die bei der Stellung des Insolvenzantrags offenen Forderungen der KG in Höhe von 40.066,29 € konnten im Insolvenzeröffnungsverfahren bis zum 28. Dezember 2011 in Höhe von 36.880,09 € eingezogen werden.

4

Die KG stellte ihren Geschäftsbetrieb zum 31. Dezember 2011 ein und kündigte mit Zustimmung des Klägers die noch bestehenden Arbeitsverhältnisse. Das Insolvenzgericht eröffnete das Insolvenzverfahren durch Beschluss vom 1. Januar 2012.

5

Die KG hatte bereits am 9. Dezember 2011 Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Oktober und November 2011 abgegeben. Für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2011 ergab sich eine Steuerschuld von 7.219,36 €. Für den Voranmeldungszeitraum November 2011 belief sich die Umsatzsteuer auf 3.453,30 €. Am 5. März 2012 gab die KG eine geänderte Umsatzsteuervoranmeldung November 2011 ab, nach der sich eine niedrigere Umsatzsteuer von 3.247,38 € ergab.

6

Mit Bescheid vom 20. März 2012 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Steuer für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2011 auf 4.548,88 € fest. Mit Bescheid vom 3. April 2012 verringerte das FA die Steuer für den Vorauszahlungszeitraum November 2011 --entsprechend der geänderten Voranmeldung vom 5. März 2012-- auf 3.247,38 €. Beide Steuerfestsetzungen erfolgten unter Verwendung einer zweiten, für die Masse der KG vergebenen Steuernummer.

7

Der Kläger legte gegen die Vorauszahlungsbescheide Oktober und November 2011 vom 20. März 2012 und vom 3. April 2012 Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren änderte das FA durch Bescheid vom 31. Juli 2012 den Vorauszahlungsbescheid Oktober 2011, so dass sich die Steuer auf 2.874,97 € verminderte. Dieser Bescheid wurde gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Nachdem der Kläger am 26. Juli 2012 dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte, wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 16. August 2012 als unbegründet zurück.

8

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 69 veröffentlichten Urteil des FG kann das FA die vom späteren Insolvenzschuldner nach der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters angemeldeten und zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht gezahlten Umsatzsteuervorauszahlungen, die sich zudem der Höhe nach geändert haben, gemäß § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeit gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festsetzen, wenn der schwache Insolvenzverwalter offensichtlich mit der Fortführung des Unternehmens im Insolvenzeröffnungsverfahren ausdrücklich einverstanden war. Für die Zustimmung i.S. von § 55 Abs. 4 InsO reiche es aus, dass sich der schwache vorläufige Insolvenzverwalter mit der Fortführung der Umsatztätigkeit im Insolvenzeröffnungsverfahren aktiv oder konkludent einverstanden erklärt.

9

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision, die er auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Der Begriff der Zustimmung i.S. von § 55 Abs. 4 InsO sei im Zusammenhang mit dem Zustimmungsvorbehalt auszulegen. Die Zustimmung könne sich nur auf das beziehen, was aufgrund des Zustimmungsvorbehalts zustimmungsbedürftig sei und damit nur auf Verfügungen, nicht aber auch --wie im Streitfall-- auf die Erbringung von Dienstleistungen. Erteile der vorläufige Insolvenzverwalter seine Zustimmung nur im Rahmen der allgemeinen Verpflichtung, die Masse zu sichern, reiche dies nicht aus. Dass sich der Kläger für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes und die Zustimmung der Agentur für Arbeit eingesetzt habe, sei daher ohne Bedeutung. Der Fiskus sei im Übrigen auch nicht als Zwangsgläubiger anzusehen. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Dezember 2010 V R 22/10 (BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) zum Einzug von Altforderungen und dem sich hieraus ergebenden Berichtigungsanspruch sei für das Insolvenzeröffnungsverfahren ohne Bedeutung. § 55 Abs. 4 InsO sei im Kontext mit § 55 Abs. 1 und 2 InsO auszulegen. Die Ausübung einer bloßen Überwachungs- und Kontrollfunktion reiche für die Entstehung der Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO nicht aus. Aus der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts ergebe sich nicht die Übernahme einer Betriebsfortführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter. Der vorläufige Insolvenzverwalter übe keine faktische Unternehmensleitung aus.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG und die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Oktober und November 2011 vom 20. März 2012, vom 3. April 2012 und vom 31. Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. August 2012 aufzuheben.

11

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

§ 55 Abs. 4 InsO bezwecke, dass der Fiskus mit den während der vorläufigen Insolvenzverwaltung begründeten Steuerforderungen im nachfolgenden Insolvenzverfahren nicht ausfalle. Daher reiche es aus, dass der schwache vorläufige Insolvenzverwalter mit der Fortführung der Geschäftstätigkeit einverstanden sei. Für den Fiskus bestünden während der vorläufigen Insolvenzverwaltung keine privilegierten Sicherungsmaßnahmen. Hilfsweise sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die bei Stellung des Insolvenzantrags offenen Forderungen in Höhe von 36.880,09 € einziehen konnte. Da die Vereinnahmungszuständigkeit durch den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 7. Oktober 2011 auf den Kläger übergegangen sei, führe diese Forderungsvereinnahmung nach dem BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 zu einer Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (UStG) als Masseverbindlichkeit. Diese Rechtsprechung sei auch auf die Forderungsvereinnahmung durch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zu übertragen. Dies sei im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Soll- und Istbesteuerung im Insolvenzeröffnungsverfahren geboten. In Betracht komme auch das Entstehen einer Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 InsO, wenn das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter zum Forderungseinzug ermächtigt. Maßgeblich sei die vollständige Tatbestandsverwirklichung im Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründetheit. Der Anwendungsbereich des § 55 Abs. 4 InsO beschränke sich nicht auf Neugeschäfte. Die Vorschrift verfolge das Ziel, steuermindernde Gestaltungen zu verhindern. Auf eine faktische Unternehmensleitung komme es nicht an. Ebenso spiele die Bemessung der Verwaltervergütung keine Rolle. Auch Altgeschäfte könnten § 55 Abs. 4 InsO unterliegen. Es habe eine gerichtliche Anordnung zur Einziehung von Altforderungen bestanden. An der Titelfunktion der Umsatzsteuer-Voranmeldung sei festzuhalten.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision des Klägers ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil des FG kommt es für die Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO auf die rechtlichen Befugnisse an, die dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehen. Ist Zustimmungsvorbehalt angeordnet (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 InsO) und ist der vorläufige Insolvenzverwalter zum Forderungseinzug berechtigt, entsteht die Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO insoweit, als der vorläufige Insolvenzverwalter Entgelte aus Leistungen des Unternehmers vereinnahmt. Dabei sind vom vorläufigen Insolvenzverwalter veranlasste Zahlungen auf zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungsbezüge masseverbindlichkeitsmindernd zu berücksichtigen. Es ist im Insolvenzeröffnungsverfahren nicht zwischen den vor und nach der Verwalterbestellung erbrachten oder bezogenen Leistungen zu unterscheiden.

14

1. Nach § 55 Abs. 4 InsO gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit.

15

a) Verbindlichkeiten werden vom vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters nur im Rahmen der für den vorläufigen Verwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet.

16

aa) § 55 Abs. 4 InsO erweitert die Tatbestände, nach denen Masseverbindlichkeiten entstehen. Für diese kommt es auf die nach dem Insolvenzrecht bestehenden rechtlichen Befugnisse an. So sind Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur die Verbindlichkeiten, "die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden". § 55 Abs. 2 InsO setzt Verbindlichkeiten voraus, "die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist". § 55 Abs. 4 InsO dient zwar dazu, die nach § 55 Abs. 1 und 2 InsO bestehenden Tatbestände zu erweitern. Dies steht aber wie bei § 55 Abs. 1 und 2 InsO unter dem Vorbehalt, dass hierfür die für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse zu berücksichtigen sind.

17

bb) Nach Maßgabe der dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehenden rechtlichen Befugnisse ist für das Entstehen von Masseverbindlichkeiten bei umsatzsteuerrechtlichen Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nicht auf die lediglich zeitliche Verbindlichkeitsbegründung "nach der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters" (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 17. Januar 2012, BStBl I 2012, 120, Rz 11) abzustellen. Die Annahme, dass hiervon ausgenommen nur die Umsatzsteuerverbindlichkeiten seien, die "auf Umsätzen beruhen, denen der schwache vorläufige Insolvenzverwalter ausdrücklich widersprochen hat" (BMF-Schreiben in BStBl I 2012, 120, Rz 11), ist mit den insolvenzrechtlichen Anforderungen an die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO nicht vereinbar. Insbesondere ist der Insolvenzordnung eine von der Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters nach den §§ 21 ff. InsO abweichende "tatsächliche" Zustimmung oder eine "faktische" Unternehmensfortführung neben einer Unternehmensfortführung i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO fremd. Ohne Einschränkung durch die einem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragenen Befugnisse kann der Schuldner frei entscheiden (vgl. Schmidt/Hölzle, InsO, 18. Aufl., 2013, § 21 Rz 6). Das Erfordernis einer "tatsächlichen" Zustimmung mit dessen Handlungen führt demgegenüber zwangsläufig zu nicht nachprüfbaren Unterstellungen. Auf einen fehlenden Widerspruch kann daher nur in dem Umfang abgestellt werden, als ein Recht zum Widerspruch besteht.

18

b) Ob eine umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeit aus dem Steuerschuldverhältnis Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO ist, entscheidet sich nach der Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter.

19

aa) § 55 Abs. 4 InsO ist entsprechend dem Willen des historischen Gesetzgebers auf Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis nach dem Umsatzsteuergesetz anzuwenden. Nach der amtlichen Gesetzesbegründung dient § 55 Abs. 4 InsO dazu, die Durchsetzung des Umsatzsteueranspruchs im Insolvenzeröffnungsverfahren zu sichern (BTDrucks 17/3030, S. 43 f.: zur "ungerechtfertigte[n] Benachteiligung des Fiskus", dem durch die Neuregelung "ein Riegel vorgeschoben" werden sollte).

20

bb) Kommt es für die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO auf die rechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters an (s. oben II.1.a), ist bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG) --ebenso wie bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG)-- auf die Entgeltvereinnahmung, nicht aber auf die Leistungserbringung abzustellen.

21

(1) Das Insolvenzgericht kann den vorläufigen Insolvenzverwalter --wie im Streitfall-- zum Forderungseinzug ermächtigen. Der Forderungseinzug erfolgt zumindest in diesem Fall im Rahmen der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse und kann dementsprechend dazu führen, dass umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis, die mit dem Forderungseinzug im Zusammenhang stehen, zur Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO werden. Ob sich dies auch bereits aufgrund des allgemeinen Zustimmungsvorbehalts, der sich auf Verfügungen bezieht, ergeben kann, hat der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden.

22

(2) Demgegenüber kann nicht auf das Erbringen steuerbarer Leistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG abgestellt werden. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt --wie im Streitfall-- selbst keine Leistungen erbringt.

23

Für die Verbindlichkeitsbegründung i.S. von § 55 Abs. 4 InsO ist auch unter Berücksichtigung des für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Zustimmungsvorbehalts (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO) nicht die steuerbare Leistungserbringung maßgeblich. Denn dieser Zustimmungsvorbehalt bezieht sich nur auf "Verfügungen". Im Hinblick auf diese Rechtsstellung wäre es zwar denkbar, vom Schuldner erbrachte Lieferungen und damit die Verschaffung der Verfügungsmacht an Gegenständen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG als masseverbindlichkeitsbegründend i.S. von § 55 Abs. 4 InsO anzusehen, wenn dies mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgt. § 55 Abs. 4 InsO wäre dann aber auf Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) zu beschränken, da es bei der Erbringung sonstiger Leistungen i.S. von § 3 Abs. 9 UStG jedenfalls an einem vergleichbaren Verfügungselement fehlte. Eine auf Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) beschränkte Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO ist aber bereits deshalb ausgeschlossen, da die Auslegung des § 55 Abs. 4 InsO nicht dazu führen darf, dass es im Insolvenzeröffnungsverfahren eines Schuldners, der als Händler zustimmungspflichtige Lieferungen ausführt, zum Entstehen von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO kommt, während keine Masseverbindlichkeiten im Insolvenzeröffnungsverfahren eines Dienstleistungsunternehmens entstehen. Eine derartige Differenzierung hätte zur Folge, dass durch den unterschiedlichen Umfang, in dem Masseverbindlichkeiten entstünden, die Fortführung und Sanierung (vgl. § 1 Satz 1 InsO) von Dienstleistungsunternehmen erleichtert und von Handelsunternehmen erschwert würde. Dies wäre mangels sachgerechten Differenzierungsgrundes mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (vgl. hierzu allgemein z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2011  1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49) unvereinbar.

24

2. Die für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Befugnisse sind auch umsatzsteuerrechtlich von Bedeutung. Bestellt das Insolvenzgericht --wie im Streitfall-- für einen Unternehmer einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug für die Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht und bezogen hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen. Gleiches gilt für den Steuerbetrag und den Vorsteuerabzug aus Leistungen, die das Unternehmen danach bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt und bezieht.

25

a) Aufgrund der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO) und mit Recht zum Forderungseinzug (§§ 22 Abs. 2, 23 InsO) werden die noch ausstehenden Entgelte für zuvor erbrachte Leistungen uneinbringlich.

26

aa) Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag für steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist.

27

(1) Wie der erkennende Senat bereits für das eröffnete Insolvenzverfahren entschieden hat, werden die Entgelte für Leistungen, die der Unternehmer bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht hat und die der Unternehmer bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht vereinnahmt hat, im Augenblick vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich. Maßgeblich ist hierfür, dass gemäß § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, die auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter übergeht und dass der Unternehmer somit aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem eigenen vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da sie im Rahmen der Masseverwaltung und Masseverwertung zu vereinnahmen sind und damit zum Bereich der Masseverbindlichkeiten gehören (vgl. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.c, und vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, unter II.5.b).

28

(2) Ebenso ist es im Insolvenzeröffnungsverfahren, worüber der Senat bisher noch nicht zu entscheiden hatte. Zwar ergibt sich das Recht zum Forderungseinzug hier nicht aus den einem Insolvenzverwalter gemäß §§ 80 ff. InsO zustehenden Befugnissen. Erlässt das Insolvenzgericht aber entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 3 InsO bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt das Verbot an Drittschuldner, an den Schuldner zu zahlen, und ermächtigt es den vorläufigen Insolvenzverwalter, Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen (§ 22 Abs. 2 InsO), wird damit das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem vorläufigen Insolvenzverwalter gegenüber Drittschuldnern gemäß § 24 Abs. 1 InsO in einer Weise geregelt, die § 80 Abs. 1 und § 82 InsO entspricht (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Februar 2007 IX ZR 2/06, Der Betrieb 2007, 1079, unter II.1.b).

29

Ordnet das Insolvenzgericht daher wie im Streitfall an, dass der Kläger als vorläufiger Insolvenzverwalter berechtigt ist, Bankguthaben und sonstige Forderungen des Insolvenzschuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen und verbietet es zudem den Drittschuldnern an den Insolvenzschuldner zu zahlen, führt dies wie im eröffneten Insolvenzverfahren zur Uneinbringlichkeit der dem Unternehmer zustehenden Entgelte. Denn auch im Insolvenzeröffnungsverfahren ist es dann dem Unternehmer aufgrund der auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangenen Einziehungsbefugnis nicht mehr möglich, das Entgelt für die zuvor entstandene Steuerschuld zu erlangen. Ob es zu einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, ist als erst nachträglich eintretender Umstand für die steuerrechtliche Beurteilung unerheblich.

30

bb) Zu berichtigen ist auch der Vorsteuerabzug. Der erkennende Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass der Vorsteuerberichtigungsanspruch aus nicht bezahlten Leistungsbezügen nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 UStG mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt entsteht (BFH-Urteile vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, Leitsatz 2, und vom 3. Juli 2014 V R 32/13, juris, Leitsatz). Der Gläubiger des Schuldners, für den der vorläufige Insolvenzverwalter bestellt wird, kann dann seinen Entgeltanspruch aus der an den Schuldner erbrachten Leistung --selbst wenn es nachfolgend zu keiner Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, sondern diese z.B. mangels Masse unterbleibt-- zumindest für die Dauer des Eröffnungsverfahrens und damit im Regelfall über einen längeren Zeitraum von ungewisser Dauer nicht mehr durchsetzen (BFH-Urteil in BFHE 242, 433, unter II.4.c bb). Dies gilt nicht nur für Entgeltansprüche eines Organträgers gegenüber der (bisherigen) Organgesellschaft --wie z.B. in der dem BFH-Urteil in BFHE 242, 433 zugrunde liegenden Fallgestaltung--, sondern allgemein für die gegen das Unternehmen gerichteten Entgeltansprüche aus Leistungen an das Unternehmen.

31

b) Uneinbringlich werden auch die Entgelte für die Leistungen, die der Unternehmer nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und Recht zum Forderungseinzug bis zur Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens (§§ 26, 27 InsO) erbringt oder bezieht. Für eine differenzierende Betrachtung nach den Leistungen, die das Unternehmen vor der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters erbringt oder bezieht und den Leistungen, die das Unternehmen nach dessen Bestellung bis zur Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt oder bezieht, besteht insbesondere unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters kein sachlicher Rechtfertigungsgrund. Erbringt der Unternehmer Leistungen, ist die Befugnis, die hierfür geschuldeten Entgelte zu vereinnahmen, in beiden Fällen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen. Anders als bei Leistungen, die durch einen verwaltungs- und verfügungsberechtigten vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 InsO) oder nach Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter erbracht werden, kommt es damit zu einer Trennung von Leistungserbringung und Entgeltvereinnahmung.

32

c) Im Anschluss an die Uneinbringlichkeit kommt es durch die Entgeltentrichtung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung.

33

aa) Vereinnahmt der vorläufige Insolvenzverwalter mit Recht zum Forderungseinzug und allgemeinem Zustimmungsvorbehalt ein zuvor uneinbringlich gewordenes Entgelt aus einer Ausgangsleistung vor seiner Bestellung (s. oben II.2.a aa) oder nach seiner Bestellung (s. oben II.2.b), führt die Entgeltvereinnahmung zu einer zweiten Berichtigung des Steuerbetrags nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG. Dem steht nicht entgegen, dass die erste Berichtigung aufgrund Uneinbringlichkeit und die zweite Berichtigung aufgrund nachfolgender Vereinnahmung ggf. im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen (BFH-Urteil vom 24. Oktober 2013 V R 31/12, BFHE 243, 451, unter II.2.d).

34

Die zweite Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG ist --im Gegensatz zur ersten Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG-- aufgrund einer späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich bei der Berechnung der sich für den Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO zu berücksichtigen, da es hierfür auf die rechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters und damit auf das ihm eingeräumte Recht zum Forderungseinzug und zur Entgeltvereinnahmung ankommt (s. oben II.1.b bb).

35

bb) Ebenso führt die durch den vorläufigen Insolvenzverwalter --im Rahmen seines Zustimmungsvorbehalts-- veranlasste Zahlung von Entgelten aus vor oder nach seiner Bestellung bezogenen Leistungen (s. oben II.2.a bb und II.2.b) zu einer zweiten Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG. Auch dies kann im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen.

36

Die zweite Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG mindert den Steueranspruch und ist im Fall einer nachfolgenden Insolvenzeröffnung bei der Berechnung der sich für den Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeit anspruchsmindernd zu berücksichtigen.

37

d) Die Rechtsprechung zur Uneinbringlichkeit (s. oben II.2.a) verstößt entgegen einer hieran geübten Kritik (vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 2. April 2014  7 K 7337/12, EFG 2014, 1427) nicht gegen das Unionsrecht.

38

Nach Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) ist die Steuerbemessungsgrundlage insbesondere im Fall der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen zu vermindern. Die Bestimmung ist ohne inhaltliche Änderung an die Stelle von Art. 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG getreten. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) lässt die Regelung einen "Gestaltungsspielraum bei der Festlegung der Maßnahmen zur Bestimmung des Betrags der Minderung" (EuGH-Urteil vom 3. September 2014 C-589/12, GMAC, Deutsches Steuerrecht 2014, 1921, Rdnr. 32). Ohne dass es insoweit einer eigenständigen Regelung für den Insolvenzfall bedarf, gehört zu den Bedingungen i.S. von Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL auch § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG und die Anwendung dieser Vorschrift im Insolvenzeröffnungsverfahren unter Berücksichtigung der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Befugnisse. Zudem sind die Mitgliedstaaten nach Art. 273 MwStSystRL berechtigt, weitere Pflichten vorzusehen, um eine genaue Erhebung der Steuer und damit die zutreffende Berechnung der Mehrwertsteuer-Eigenmittel der EU nach Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1553/89 vom 29. Mai 1989 über die endgültige einheitliche Regelung für die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 155 vom 7. Juni 1989, 9) auch in Insolvenzfällen sicherzustellen.

39

3. Im Streitfall ist das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG Folgendes zu berücksichtigen haben:

40

a) Es ist zunächst festzustellen, in welcher Höhe der Umsatzsteueranspruch für die beiden Voranmeldungszeiträume entstanden ist.

41

aa) Dabei ist davon auszugehen, dass die der KG zustehenden Entgeltansprüche aus den von ihr erbrachten Leistungen wie auch die von ihr geschuldeten Entgelte für die von ihr bezogenen Leistungen mit der Bestellung des Klägers als vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt und Einziehungsbefugnis uneinbringlich geworden sind (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Uneinbringlichkeit liegt auch in Bezug auf die während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbrachten und bezogenen Leistungen vor.

42

Für den Fall, dass das Insolvenzgericht entsprechend dem Insolvenzgutachten des Klägers nach § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO auch angeordnet hat, dass Forderungen, die die KG zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hatte, nicht von den Gläubigern eingezogen werden dürfen, sondern vom Kläger einzuziehen sind, tritt Uneinbringlichkeit auch für diese Entgeltansprüche ein.

43

bb) Soweit Uneinbringlichkeit gegeben ist, führt die Vereinnahmung von Leistungsentgelten durch den Kläger zu einer zweiten Berichtigung des Steueranspruchs (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG) als Masseverbindlichkeit. War der Kläger z.B. nach § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO befugt, Entgeltansprüche einzuziehen, die die KG sicherungshalber abgetreten hatte, gilt dies auch für den Fall der Sicherungszession.

44

Die durch den Kläger veranlasste Zahlung auf Leistungsbezüge begründet eine zweite Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG), die sich masseverbindlichkeitsmindernd auswirkt.

45

cc) Bei der Aufteilung des Steueranspruchs für den Voranmeldungszeitraum in Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit ist zu beachten, dass sich für einen Bereich (z.B. im vorinsolvenzrechtlichen Teil des § 38 InsO) ein Vergütungsbetrag ergeben kann, der durch eine Verbindlichkeit im anderen Bereich (z.B. dem Masseteil i.S. von § 55 Abs. 4 InsO) ausgeglichen wird. Die Summe der Aufteilungsbeträge muss allerdings der für sich den Voranmeldungszeitraum ergebenden Steuerschuld entsprechen (BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.c aa).

46

b) Bei der Berechnung der Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO nicht zu berücksichtigen sind Berichtigungsansprüche, die wie z.B. § 15a UStG auf anderen Umständen als dem Forderungseinzug durch den vorläufigen Insolvenzverwalter oder den durch ihn veranlassten Zahlungen beruhen. Nicht zu berücksichtigen sind zudem Entgelte, die erst der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung für Leistungen vereinnahmt, die das Unternehmen während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbracht hat. Die dann mit der Vereinnahmung vorzunehmende zweite Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG führt entsprechend dem Senatsurteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 zu einer Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

47

c) Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass das FA berechtigt war, den sich für einen Voranmeldungszeitraum des Insolvenzeröffnungsverfahrens als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO ergebenden Umsatzsteueranspruch nach der Insolvenzeröffnung durch Steuerbescheid festzusetzen (vgl. hierzu allgemein BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1.). Unerheblich ist dabei, dass --wie im Streitfall-- für denselben Voranmeldungszeitraum bereits vor der Insolvenzeröffnung ein Vorauszahlungsbescheid vorlag, der sich gemäß § 168 Satz 1 AO auch aus einer Steueranmeldung ergeben kann, der einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht.

48

Maßgeblich ist insoweit, dass unter den besonderen Bedingungen des Insolvenzverfahrens die doppelte Geltendmachung desselben Steueranspruchs trotz Vorliegens mehrerer Steuerbescheide für einen Voranmeldungszeitraum ausgeschlossen ist. Denn nach § 89 InsO ist eine Vollstreckung aus der vor Insolvenzeröffnung ergangenen Steuerfestsetzung ausgeschlossen. Zudem ist das FA nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats verpflichtet, der Anmeldung zur Insolvenztabelle (§§ 174 ff. InsO) eine auf das Kalenderjahr bezogene Steuerberechnung zugrunde zu legen (zum nur vorläufigen Charakter der Steuerberechnung für den Voranmeldungszeitraum im Verhältnis zur Steuerberechnung für den Besteuerungszeitraum vgl. auch BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76, unter II.3.a aa). Bei der Berechnung der Jahressteuer als Insolvenzforderung sind nur die Besteuerungsgrundlagen zu erfassen, die dem Insolvenzbereich des § 38 InsO zuzuordnen sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, unter II.2.b).

49

Das FA kann danach den Steueranspruch, so wie er sich aus dem vor Insolvenzeröffnung ergangenen Steuerbescheid für einen Voranmeldungszeitraum des Insolvenzeröffnungsverfahrens ergab, nur nach Korrektur um den als Masseverbindlichkeit festzusetzenden Teil des Steueranspruchs zur Insolvenztabelle anmelden. Im Hinblick auf das Erfordernis einer auf das Kalenderjahr bezogenen Tabellenanmeldung des Steueranspruchs erübrigt sich zudem die Frage, ob der Steuerfestsetzung für einen Voranmeldungszeitraum Titelfunktion i.S. von § 179 Abs. 2 InsO zukommt.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. April 2014  7 K 7337/12 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A-GmbH (GmbH).

2

Im Juni 2012 ordnete das Amtsgericht (AG) über das Vermögen der GmbH die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestimmte den Kläger zum sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter, indem es der GmbH gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 der Insolvenzordnung (InsO) ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegte. Das AG eröffnete im Juli 2012 das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

3

Der Kläger vereinnahmte nach seiner Bestellung zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter bis zum 31. Dezember 2012 Entgelte in Höhe von 26.529,54 € (netto) für Leistungen, die die GmbH vor der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ausgeführt hatte. Die darauf entfallende Umsatzsteuer erklärte er in den von ihm unter der Massesteuernummer der GmbH eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 22/10 (BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) als umsatzsteuererhöhenden Steuerbetrag gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Zugleich aber legte der Kläger hiergegen Einsprüche ein, mit denen er geltend machte, die Umsatzsteuer sei --entgegen dieser BFH-Rechtsprechung-- nicht zu berichtigen. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Daraufhin erhob der Kläger Klage.

4

Den vom Kläger gestellten Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer für den Monat Juli 2012 lehnte der Senat --nachdem das Finanzgericht (FG) diesem Antrag stattgegeben hatte-- mit Beschluss vom 11. Juli 2013 XI B 41/13 (BFH/NV 2013, 1647, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2013, 917) ab. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides.

5

Während des Klageverfahrens stimmte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) am 11. März 2013 der vom Kläger erstellten Umsatzsteuererklärung für 2012 (festgesetzte Steuer: 13.592,16 €) zu.

6

Das FG gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 1427 veröffentlichtem Urteil statt und setzte die Umsatzsteuer für 2012 antragsgemäß auf 9.363,99 € fest.

7

Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die gemäß § 168 der Abgabenordnung einer Umsatzsteuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehende Umsatzsteuererklärung für 2012 des Klägers entspreche zwar dem BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996. Diesem Urteil sei aber nicht zu folgen. Ein Wechsel in der Vertretungs- und/oder Verfügungsmacht des Forderungsgläubigers begründe vielmehr keine Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bezüglich der zuvor dem Insolvenzschuldner zustehenden Entgelte. Auch in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge oder des Wegfalls einer Organschaft führe der Wechsel der Verfügungsmacht über eine Entgeltforderung für einen steuerpflichtigen Umsatz nicht zu einer Berichtigung nach dieser Vorschrift.

8

Die in dem bezeichneten BFH-Urteil vertretene Rechtsauffassung verstoße zudem gegen Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens falle nicht unter diese Bestimmung. Nur der nationale Gesetzgeber sei berechtigt, eine Regelung zu treffen, die eine Umsatzsteuerberichtigung im Anschluss an die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorsehe. Dies sehe § 17 UStG jedoch nicht vor.

9

Das FA rügt mit seiner Revision eine Abweichung von der Rechtsprechung des BFH.

10

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11

Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

12

Er verweist auf die nach seiner Ansicht zutreffende Begründung des FG. Ergänzend macht er u.a. geltend, dass der Insolvenzschuldner auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen Träger der Unternehmereigenschaft bleibe. Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters im Rahmen seines Amtes werde dem Insolvenzschuldner zugerechnet; es finde kein Rechtsträgerwechsel statt. Die vom BFH vorgenommene Aufteilung in "Unternehmensteile" mit materieller umsatzsteuerrechtlicher Wirkung finde keine Stütze im Umsatzsteuergesetz.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

14

Entgegen der Auffassung des FG sind die Entgelte für die von der GmbH vor der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung erbrachten steuerpflichtigen Leistungen durch die Bestellung des Klägers zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich geworden (erste Berichtigung). Die nachfolgende Vereinnahmung der Entgelte für diese Leistungen durch den Kläger führt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung und begründet gemäß § 55 InsO Masseverbindlichkeiten. Die vom FG geäußerte Kritik an der Rechtsprechung des BFH greift nicht durch.

15

1. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag für steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt für eine uneinbringliche Forderung nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Diese erneute Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen.

16

a) Uneinbringlich ist ein Entgelt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1; vom 12. August 2009 XI R 4/08, BFH/NV 2010, 393, Rz 20; vom 24. Oktober 2013 V R 31/12, BFHE 243, 451, BStBl II 2015, 674, Rz 19).

17

b) Nach der Rechtsprechung des V. Senats des BFH werden noch ausstehende Entgelte für zuvor erbrachte steuerpflichtige Leistungen eines Unternehmers gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich, wenn über sein Vermögen gemäß § 27 InsO das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Denn gemäß § 80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwerten oder über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Folglich ist der Unternehmer dann aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem eigenen vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da sie im Rahmen der Masseverwaltung und Masseverwertung zu vereinnahmen sind und damit zum Bereich der Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 InsO gehören (vgl. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 30; vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 51 ff.; vom 24. September 2014 V R 48/13, BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 27).

18

c) Auch wenn das Insolvenzgericht --vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO)-- gemäß § 21 InsO einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug bestellt, ist der Steuerbetrag für die steuerpflichtigen Leistungen, die der Unternehmer vor oder nach der Verwalterbestellung bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbracht hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Leitsatz 2).

19

Zwar ergibt sich das Recht zum Forderungseinzug hier nicht aus den einem Insolvenzverwalter gemäß §§ 80 ff. InsO zustehenden Befugnissen. Erlässt das Insolvenzgericht aber entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 3 InsO bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 InsO) das Verbot an Drittschuldner, an den Schuldner zu zahlen, und ermächtigt es den vorläufigen Insolvenzverwalter, Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen (§ 22 Abs. 2 InsO), wird damit das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem vorläufigen Insolvenzverwalter gegenüber Drittschuldnern gemäß § 24 Abs. 1 InsO in einer Weise geregelt, die § 80 Abs. 1 und § 82 InsO entspricht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 28, m.w.N.).

20

d) Nichts anderes gilt für die im Streitfall vorliegende Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 InsO). Auch hierdurch ist das Rechtsverhältnis zwischen dem Insolvenzschuldner und dem (starken) vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß § 24 Abs. 1 InsO in einer Weise geregelt worden, die § 80 Abs. 1 und § 82 InsO entspricht.

21

Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 InsO), so geht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den (starken) vorläufigen Insolvenzverwalter über (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. Februar 2008 V R 44/06, BFHE 221, 415, BStBl II 2008, 586, unter II.4.b cc, Rz 52 ff.). Die Bestimmungen in §§ 81 und 82 InsO gelten entsprechend (§ 24 Abs. 1 InsO). Die rechtlichen Befugnisse des starken vorläufigen Insolvenzverwalters entsprechen denjenigen eines Insolvenzverwalters, der ebenfalls berechtigt ist, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners zu verwalten und über es zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO; vgl. z.B. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11. Januar 2007 IX ZB 271/04, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2007, 267, unter III.2.b cc (b), Rz 17; FK-InsO/Schmerbach, § 22 Rz 8; MünchKommInsO/Haarmeyer, 3. Aufl., § 22 Rz 36; Böhm in Braun, Insolvenzordnung, 6. Aufl., § 22 Rz 9).

22

2. Nach diesen Grundsätzen sind die von der GmbH vor der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung erbrachten Leistungen durch die Bestellung des Klägers zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH uneinbringlich geworden. Vereinnahmt der Kläger danach Entgelte für diese Leistungen, ist die Umsatzsteuer (zum zweiten Mal) zu berichtigen. Die dadurch entstehende Umsatzsteuer stellt eine Masseverbindlichkeit dar.

23

a) Die Umsatzsteuer für die von der GmbH ausgeführten steuerpflichtigen Leistungen ist mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Leistungsausführung entstanden (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG). Die Steuerbeträge sind allerdings durch die Bestellung des starken vorläufigen Insolvenzverwalters uneinbringlich geworden und nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 52; in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 26 ff.; BFH-Beschluss vom 11. März 2014 V B 61/13, BFH/NV 2014, 920, Rz 6).

24

b) Die Vereinnahmung der zuvor uneinbringlich gewordenen Entgelte durch den Kläger führt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 31; in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 33).

25

c) Die aufgrund dieser Vereinnahmung entstehende Umsatzsteuer stellt eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 InsO dar.

26

aa) Masseverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO gelten als Masseverbindlichkeiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist. Ebenso gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 4 InsO).

27

bb) Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO) begründet die aufgrund der Vereinnahmung der ausstehenden Entgelte durch den Kläger (als Insolvenzverwalter) gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG entstehende Umsatzsteuer eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch ist mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 32, m.w.N.). Für die Umsatzsteuer, die aufgrund der vom Kläger zuvor (als starker vorläufiger Insolvenzverwalter) vereinnahmten Entgelte entsteht, folgt die Einstufung als Masseverbindlichkeiten aus § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Deswegen braucht hier nicht auf § 55 Abs. 4 InsO eingegangen zu werden.

28

3. Die vom FG und vom Kläger an dieser Rechtsprechung geübte Kritik dringt nicht durch.

29

a) Entgegen der Auffassung des FG kommt es nach der Rechtsprechung des BFH für den Eintritt der Uneinbringlichkeit nicht auf den (formellen) Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter an. Maßgeblich ist vielmehr das damit einhergehende rechtliche Unvermögen der GmbH (als Gläubigerin und spätere Insolvenzschuldnerin), die ausstehenden Forderungen für die von ihr ausgeführten Leistungen einzuziehen. Das rechtliche Unvermögen des Gläubigers, seine Forderung durchzusetzen, steht --anders als das FG und der Kläger meinen-- wirtschaftlich der Zahlungsunfähigkeit oder dem mangelnden Zahlungswillen des Schuldners gleich, die die Hauptanwendungsfälle des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bilden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. März 1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, BStBl II 1983, 389, unter 3., Rz 14; vom 7. Januar 1998 V B 106/97, BFH/NV 1998, 1003; Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; s. auch BFH-Beschluss vom 26. Februar 2008 XI B 169/07, BFH/NV 2008, 830, unter 3., Rz 10 f.).

30

b) Diese --hier allein maßgebliche-- Auslegung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG verstößt entgegen der Auffassung des FG weder gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (§ 1 InsO) noch führt sie zu einer ungerechtfertigten Privilegierung des Fiskus (vgl. dazu BFH-Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.2.c, Rz 20 ff.; in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 54; BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 920, Rz 7).

31

c) Soweit der Kläger der Auffassung ist, die Aufteilung in "Unternehmensteile" finde keine Stütze im Umsatzsteuergesetz, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

32

Der Grundsatz der Unternehmenseinheit nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers fort. Bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts besteht das Unternehmen nach Verfahrenseröffnung jedoch aus mehreren Unternehmensteilen (vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil, Insolvenzmasse und insolvenzfreies Vermögen), zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 28 f.; in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 11; vom 20. Dezember 2012 V R 23/11, BFHE 240, 377, BStBl II 2013, 334, Rz 9; jeweils m.w.N.).

33

d) Die unter II.2. dargelegte Rechtsprechung des BFH ist --entgegen der Auffassung des FG-- mit Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL vereinbar. Das hat der V. Senat des BFH bereits im Einzelnen dargelegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 38; ebenso BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 920, Rz 12). Dem schließt sich der erkennende Senat an.

34

e) Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (vgl. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. August 2010  1 BvR 1631/08, Neue Juristische Wochenschrift 2011, 288, unter B.II.1.; BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 XI R 36/10, BFHE 239, 534, BStBl II 2013, 412, Rz 39 ff., m.w.N.) besteht trotz der im österreichischen Recht möglicherweise abweichenden insolvenzrechtlichen Behandlung von Umsatzsteuerverbindlichkeiten (vgl. dazu Kahlert, Deutsches Steuerrecht 2015, 1485, 1488) nicht (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 920, Rz 12).

35

4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung, aber vor der Bestellung des Klägers zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter ausgeführten Umsätze die Höhe der im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid festgesetzten Umsatzsteuer beeinflusst.

36

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

(1) Der Schuldner ist berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. Für das Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist.

(2) Die Vorschriften dieses Teils sind auf Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 nicht anzuwenden.

Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.

(1) Der Schuldner ist berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. Für das Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist.

(2) Die Vorschriften dieses Teils sind auf Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 nicht anzuwenden.

(1) Bei der Prüfung der Forderungen können außer den Insolvenzgläubigern der Schuldner und der Sachwalter angemeldete Forderungen bestreiten. Eine Forderung, die ein Insolvenzgläubiger, der Schuldner oder der Sachwalter bestritten hat, gilt nicht als festgestellt.

(2) Die Verteilungen werden vom Schuldner vorgenommen. Der Sachwalter hat die Verteilungsverzeichnisse zu prüfen und jeweils schriftlich zu erklären, ob nach dem Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind.

(1) Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung nicht entgegen.

(2) Das Insolvenzgericht trägt für jede angemeldete Forderung in die Tabelle ein, inwieweit die Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach festgestellt ist oder wer der Feststellung widersprochen hat. Auch ein Widerspruch des Schuldners ist einzutragen. Auf Wechseln und sonstigen Schuldurkunden ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die Feststellung zu vermerken.

(3) Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 30/13 Verkündet am:
10. Oktober 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Schuldner kann seinen Widerspruch gegen den angemeldeten, nicht titulierten
Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung bereits vor Aufhebung
des Insolvenzverfahrens mit der negativen Feststellungsklage gegen den
Gläubiger weiter verfolgen.
Der eigenverwaltende Schuldner kann seinen Widerspruch auf den Rechtsgrund der
vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beschränken.
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 - IX ZR 30/13 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Oktober 2013 durch den Richter Vill, die Richterin Lohmann, die Richter
Dr. Fischer, Dr. Pape und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 19. Dezember 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Mit Urteil des zuständigen Oberlandesgerichts vom 12. November 2009 wurde der Kläger verurteilt, an die Beklagte Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.943 € für die Zeit von Juni bis Dezember 2003 und monatlich 2.405 € für die Zeit ab Januar 2004 bis Februar 2009 abzüglich bis einschließlich Februar 2009 monatlich gezahlter 1.300 € zu zahlen. Am 13. Januar 2010 beantragte der Kläger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und legte den Entwurf eines Insolvenzplans vor. Am 24. Februar 2010 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom 28. April 2010 wurde Eigenverwaltung angeordnet. Die Be- klagte meldete titulierten Unterhalt in Höhe von 101.871 € zur Tabelle an. Am 16. Juni 2010 meldete sie hierfür nachträglich den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung an. Die Forderung als solche wurde zur Tabelle festgestellt; der Kläger widersprach jedoch der beantragten Ergänzung zum Rechtsgrund. Der Insolvenzplan, der keine Ausnahmeregelungen für Forderungen aus unerlaubter Handlung vorsah, wurde mit Beschluss vom 9. Juli 2010 bestätigt. Die Beklagte legte sofortige Beschwerde ein, über die - nachdem der Senat den der Beschwerde stattgebenden Beschluss des Landgerichts mit Beschluss vom 19. Juli 2012 (IX ZB 250/11) aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen hat - noch nicht abschließend entschieden worden ist.
2
Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die angemeldete Forderung in Höhe von 101.871 € im Insolvenzverfahren über sein Vermögen nicht aus dem Forderungsgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrührt. Das Landgericht hat antragsgemäß entschieden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


4
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der negativen Feststellungsklage fehle das Feststellungsinteresse. Der Kläger habe in seiner Eigenschaft als Verfahrensschuldner dem Schuldgrund der unerlaubten Handlung widersprochen. Da dieser Schuldgrund nicht tituliert sei, obliege es der Beklagten, den Widerspruch mit einer Feststellungsklage zu beseitigen. Solange dies nicht geschehen sei, hindere der Widerspruch die Vollstreckung aus der Tabelle; die Beklagte könne sich bis zur gerichtlichen Feststellung des Rechtsgrundes auch nicht auf den Ausnahmetatbestand des § 302 Nr. 1 InsO berufen.

II.


5
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das rechtliche Interesse des Klägers daran, dass alsbald über die Berechtigung seines Widerspruchs entschieden wird (§ 256 Abs. 1 ZPO), folgt aus § 302 Nr. 1 InsO.
6
1. Durch die Restschuldbefreiung wird der Schuldner nach Maßgabe der §§ 287 bis 303 InsO von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit (§ 286 InsO). Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung werden jedoch von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hat (§ 302 Nr. 1 InsO); die Tatsachen, die nach Einschätzung des Gläubigers den Schluss auf eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung tragen, können gemäß § 177 Abs. 1 Satz 3 InsO nachgemeldet werden (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 - IX ZR 220/06, NZI 2008, 250 Rn. 12). Widerspricht der Schuldner dem angemeldeten Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 18. September 2003 - IX ZB 44/03, WM 2003, 2342, 2343; Urteil vom 18. Januar 2007 - IX ZR 176/05, NZI 2007, 416 Rn. 10), kann der Gläubiger bereits während des laufenden Insolvenzverfahrens Klage auf Feststellung dieses Rechtsgrundes erheben (BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04, NZI 2006, 536 Rn. 8 ff; vom 25. Juni 2009 - IX ZR 154/08, NZI 2009, 612 Rn. 8; vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337 Rn. 8). Das Feststellungsinteresse folgt aus dem Widerspruch als solchen. Der Streit, ob die betroffene Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, ist nach Anmeldung zur Tabelle und Widerspruch des Schuldners früher oder später zu erwarten. Es besteht kein sachlicher Grund dafür, diesen Streit auf die Zeit nach der Erteilung der Restschuldbefreiung zu verschieben, im Ergebnis also die Austragung des Streits einer Vollstreckungsgegenklage des Schuldners nach § 767 ZPO zu überlassen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2010, aaO).
7
2. Ebenso wie der Gläubiger ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Feststellung hat, dass seine Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, hat der Schuldner ein Interesse an der Feststellung, dass dies nicht der Fall ist. Dass diese Feststellung "alsbald", also bereits vor der Erteilung der Restschuldbefreiung getroffen wird, liegt typischerweise ebenso im Interesse des Schuldners wie des Gläubigers (BGH, Urteil vom 18. Mai 2006, aaO Rn. 10; vom 18. Januar 2007 - IX ZR 176/05, NZI 2007, 416 Rn. 11; vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 124/08, NZI 2009, 189 Rn. 12). Der Schuldner, der die gegen alle Insolvenzgläubiger wirkende Restschuldbefreiung anstrebt (§ 301 InsO), tritt die pfändbaren Forderungen auf Be- züge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder ab (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO). Von der Aufhebung des Insolvenzverfahrens an (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - IX ZB 249/07, NZI 2009, 191 Rn. 8 ff) bis zum Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung treffen ihn zudem die Obliegenheiten des § 295 InsO. Für ihn würde es eine erhebliche Härte bedeuten, wenn er erst nach dem Ablauf der Wohlverhaltensperiode erführe, dass eine Forderung, die unter Umständen sogar seine wesentliche Verbindlichkeit ausmacht, von der Restschuldbefreiung ausgenommen wäre. Aus diesem Grund ordnet § 174 Abs. 2 InsO in der Fassung des Gesetzes vom 26. Oktober 2001 (BGBl. I, 2720, 2712) an, dass der Gläubiger, der sich auf § 301 Nr. 1 InsO berufen will, seine Forderung als solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung anzumelden hat; das Insolvenzgericht hat den Schuldner sodann auf die Rechtsfolgen des § 302 InsO und auf die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen (§ 175 Abs. 2 InsO i.d.F. des Gesetzes vom 26. Oktober 2001, aaO; vgl. BT-Drucks. 14/5680, S. 27).
8
3. Endgültige Gewissheit kann der Schuldner dann, wenn eine Forderung als Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet worden ist, nur durch ein rechtskräftiges Urteil gegen (oder für) den jeweiligen Insolvenzgläubiger erlangen. Er hat zwar die Möglichkeit des Widerspruchs gegen den angemeldeten Rechtsgrund. Der Widerspruch wird in die Tabelle eingetragen (§ 178 Abs. 2 Satz 2 InsO). Gleichwohl könnte der Gläubiger aus dem vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirkten Titel (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2006, aaO Rn. 9; vom 11. Juli 2013 - IX ZR 286/12, WM 2013, 1563 Rn. 9) oder aus der Eintragung in die Tabelle (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO, die Zwangsvollstreckung betreiben. Der Schuldner muss sich dann im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) zur Wehr setzen. Der Widerspruch gegen die Anmeldung ist damit gegenüber der Feststellungsklage der einfachere, schnellere und kostengünstigere Weg. Anders als die Revisionserwiderung meint, bietet er jedoch nicht den gleichen effektiven Rechtsschutz.
9
4. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (ebenso OLG Hamm, ZIP 2003, 2311 f; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 184 Rn. 9; MünchKommInsO /Schumacher, 2. Aufl., § 184 Rn. 8; Braun/Specovius, InsO, 5. Aufl., § 184 Rn. 6; HmbKomm-InsO/Herchen, 4. Aufl., § 184 Rn. 18; aA - die Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage bejahend - etwa OLG Celle, NZI 2009, 329, 330; LG Osnabrück, Urteil vom 28. Februar 2012 - 8 S 537/11, nv; K. Schmidt/Jungmann, InsO, 18. Aufl., § 184 Rn. 16; Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl., § 184 Rn. 10; HK-InsO/Depré, 6. Aufl., § 184 Rn. 5) ist die negative Feststellungsklage nicht durch die Vorschriften des § 184 Abs. 1 und 2 InsO ausgeschlossen. Grundsätzlich obliegt es dem Gläubiger, Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner zu erheben, wenn der Schuldner die Forderung wirksam bestritten hat (§ 184 Abs. 1 InsO). Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dagegen dem Schuldner, den Widerspruch zu verfolgen; für diese Klage gilt eine Frist von einem Monat ab Prüfungstermin oder mit dem Bestreiten im schriftlichen Verfahren (§ 184 Abs. 2 InsO). Diese Bestimmungen hat der Senat entsprechend auf den Widerspruch gegen den Rechtsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung angewandt (BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04, NZI 2006, 536 Rn. 10). Ist nicht nur die Forderung selbst, sondern auch ihr Rechtsgrund in einem vollstreckbaren Schuldtitel festgestellt worden, ist der Widerspruch innerhalb der Frist des § 184 Abs. 2 InsO vom Schuldner zu verfolgen; ist dies nicht der Fall, trifft die Feststellungslast den Gläubiger. "Tituliert" im Sinne von § 184 Abs. 2 InsO ist der Anspruch jedoch nur dann, wenn der Schuldner nicht nur zur Zahlung verurteilt, sondern auch der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung festgestellt worden ist; nur dann obliegt es dem Schuldner, den Widerspruch innerhalb der Monatsfrist des § 184 Abs. 2 InsO zu verfolgen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 41/10, ZIP 2011, 39 Rn. 12 f). Für die ergänzende Feststellungsklage des Gläubigers gilt § 184 Abs. 2 InsO nicht; diese Klage ist vielmehr an keine Frist gebunden und unterliegt nicht den Verjährungsvorschriften (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337 Rn. 12 ff).
10
5. Ob der Schuldner außerhalb des Anwendungsbereichs des § 184 Abs. 2 InsO negative Feststellungsklage gegen den Insolvenzgläubiger erheben darf, ist in § 184 Abs. 2 InsO nicht geregelt. Dem Berufungsgericht ist zuzugeben , dass die Insolvenzordnung Klagen des Schuldners, die dessen Nachhaftung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens betreffen, überwiegend nicht vorsieht. Die nach § 240 ZPO unterbrochenen Passivprozesse des Schuldners können gemäß § 86 InsO nur ausnahmsweise und nur vom Verwalter oder vom Gegner aufgenommen werden (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2003 - II ZA 9/02, NZI 2004, 54; Jaeger/Windel, InsO, § 86 Rn. 21). Der klagende Insolvenzgläubiger muss seine Forderung im Übrigen nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahrens verfolgen (§ 87 InsO). Im Anmeldeverfahren (§§ 174 ff InsO) wird die angemeldete Forderung zur Tabelle festgestellt, wenn weder vom Verwalter noch von einem anderen Insolvenzgläubiger Widerspruch erhoben wird (§ 178 Abs. 1 Satz 1 InsO). Wird die Forderung bestritten, hat der Gläubiger die Feststellung der Forderung gegen den Bestreitenden zu betreiben (§ 179 Abs. 1 InsO); liegt für die Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu betreiben (§ 179 Abs. 2 InsO). Dieses Verfahren dient zunächst der Klärung der Frage, ob die fragliche Forderung an der Verteilung teilnimmt (vgl. § 189 InsO). Die Beseitigung des Widerspruchs ist jedoch auch Voraussetzung für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der Tabelle (§ 201 Abs. 2 Satz 2 InsO), aus welcher der Gläubiger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben kann (§ 201 Abs. 1 InsO). Gleichwohl kann der Schuldner bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens nur Widerspruch erheben, welcher der Feststellung des Anspruchs zur Tabelle nicht entgegen steht (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO), aber die spätere Vollstreckung aus dem beglaubigten Tabellenauszug hindert. Eine rechtskräftige Entscheidung über den Bestand der Forderung kann er hingegen auf diese Weise nicht herbeiführen (§ 184 Abs. 1 Satz 2 InsO; vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO, § 184 Rn. 18; K. Schmidt/Jungmann, InsO, 18. Aufl., § 184 Rn. 6).
11
Durch die Vorschrift des § 184 Abs. 2 InsO hat dieser Grundsatz allerdings bereits eine gewisse Durchbrechung erfahren. Nach dieser Vorschrift obliegt es dem Schuldner, seinen Widerspruch gegen eine titulierte Forderung innerhalb einer Frist von einem Monat ab dem Prüfungstermin zu verfolgen, also während des laufenden Verfahrens. Diese Vorschrift dient zwar eher den Interessen des Gläubigers als denjenigen des Schuldners. Es erschien unbillig, dass der Gläubiger trotz eines erstrittenen Titels nochmals prozessieren musste und Gefahr lief, wegen der wirtschaftlichen Situation des Schuldners seine Kostenerstattungsansprüche nicht oder nur schwer durchsetzen zu können (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 2. November 2006, BT-Drucks. 16/3227, S. 21 zu Nr. 23). Die Befristung dient - ebenfalls vorrangig im Interesse des Gläubigers - dazu, alsbald Rechtsklarheit über die Wirkung des Widerspruchs zu erhalten (aaO). Die Frage der Nachhaftung des Schuldners nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens hat mit der Einführung der Vorschriften über die Restschuldbefreiung (§§ 286 ff InsO, vgl. auch § 1 Satz 2 InsO) wesentlich an Bedeutung gewonnen. Der Umfang der nach Aufhebung des Konkursverfahrens verbleibenden Schulden dürfte aus Sicht des weiterhin wirtschaftlich nicht leistungsfähigen Schuldners oft von untergeordneter Bedeutung gewesen sein; ob der mit der (vollständigen) Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung beabsichtigte wirtschaftliche Neubeginn gelingen kann, ist dagegen regelmäßig von existentieller Bedeutung. Aus Sicht des Gläubigers mag es sinnvoll sein, mit der Erhebung der titelergänzenden Feststellungsklage zuzuwarten, bis abzusehen ist, ob sich der mit dem weiteren Rechtsstreit verbundene zusätzliche Aufwand an Zeit und Kosten lohnt, zumal der Anspruch des Gläubigers auf Feststellung des Rechtsgrundes nicht nach den Vorschriften verjährt, welche für die Verjährung des Leistungsanspruchs gelten (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337 Rn. 12 ff). Dieses Interesse übersteigt jedoch nicht dasjenige des Schuldners an einer alsbaldigen Klärung der Rechtslage.
12
6. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in zulässiger Weise nachträglich zur Tabelle angemeldet (§ 177 Abs. 1 Satz 3 InsO; vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 - IX ZR 220/06, NZI 2008, 250 Rn. 12). Der Kläger hat der Anmeldung auf den Rechtsgrund beschränkt widersprochen. Hierzu war er auch als Eigenverwalter (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO) berechtigt. Die Vorschrift des § 283 Abs. 1 InsO steht dieser Annahme nicht entgegen. Nach § 283 Abs. 1 InsO führt das Bestreiten des eigenverwaltenden Schuldners zwar dazu, dass die Forderung als nicht festgestellt gilt. Dem Widerspruch dieses Schuldners kommt danach die nämliche Wirkung zu wie demjenigen des Verwalters oder eines Insolvenzgläubigers. Ob der Schuldner sein Widerspruchsrecht "spalten", insbesondere eine Forderung als Eigenverwalter für die Zwecke des Insolvenzverfahrens anerkennen , als Schuldner hinsichtlich seiner Nachhaftung dagegen bestreiten kann, ist in der Literatur umstritten (für ein doppeltes Widerspruchsrecht etwa Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 8.16; MünchKomm-InsO/Schumacher, 2. Aufl., § 178 Rn. 30; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 283 Rn. 4; dagegen MünchKomm-InsO/Wittig/Tetzlaff, aaO § 283 Rn. 11; HK-InsO/Landfermann , 6. Aufl., § 283 Rn. 5; K. Schmidt/Undritz, InsO, 18. Aufl., § 283 Rn. 2; Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl., § 283 Rn. 5; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 283 Rn. 2; HmbKomm-InsO/Fiebig, 4. Aufl., § 283 Rn. 3; Pape in Kübler/Prütting/ Bork, InsO, 2011, § 283 Rn. 19).
13
Für ein mehrfaches Widerspruchsrecht sprechen die unterschiedlichen Auswirkungen, welche "der Widerspruch" des eigenverwaltenden Schuldners nach sich ziehen kann. Im Insolvenzverfahren hat der nicht beseitigte Widerspruch zur Folge, dass die Forderung des betroffenen Gläubigers nicht an der Schlussverteilung teilnimmt (§ 283 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, §§ 187 ff InsO). Mit der Nachhaftung des Schuldners und der Möglichkeit des Gläubigers, aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den früheren Insolvenzschuldner zu betreiben (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO), hat das nichts zu tun. Ein widersprüchliches Verhalten kann man dem Schuldner, der ein und dieselbe Forderung zur Tabelle feststellt, aber zur Meidung seiner persönlichen Nachhaftung bestreitet, jedenfalls dann nicht vorwerfen , wenn Gegenstand der Feststellung nur das Recht des Gläubigers auf Teilnahme an der Verteilung ist, nicht aber der Bestand der Forderung (vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO, § 178 Rn. 31, 67 ff mit Nachweisen auch der gegenteiligen Ansicht; ebenso Gomille, KTS 2013, 174, 175 unter 2). Unabhängig von der dogmatischen Einordnung der Feststellung zur Tabelle kann der Schuldner ein rechtlich unbedenkliches Interesse daran haben, durch die rein auf das Verfahren bezogene Anerkennung der Forderung unnötige Verzögerungen zu vermeiden , um das Verfahren endgültig zum Abschluss zu bringen, die persönliche Nachhaftung aber von einer gerichtlichen Prüfung der Forderung abhängig zu machen. Ob eine Forderung eine solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ist, wirkt sich ebenfalls nicht im Insolvenzverfahren aus, sondern erlangt Bedeutung erst nach erteilter Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1 InsO). Jedenfalls insoweit ist der Schuldner befugt, sein Bestreiten auf den Rechtsgrund und damit auf die Frage der Nachhaftung nach erteilter Restschuldbefreiung zu beschränken, unabhängig davon, ob das Vorsatzdelikt notwendige Voraussetzung des geltend gemachten Zahlungsanspruch ist oder nicht.
14
7. Die Befugnis des Klägers, den Widerspruch im Wege der negativen Feststellungsklage zu verfolgen, ist hier schließlich auch nicht wegen des bereits eingeleiteten Planverfahrens ausgeschlossen. Ob der Plan in der vorgelegten Fassung bestätigt und das Insolvenzverfahren aufgehoben werden wird, so dass es auf den Rechtsgrund der Forderung der Beklagten nicht ankommt, steht derzeit noch nicht fest.

III.


15
Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird sich nunmehr mit dem Rechtsgrund des zur Tabelle angemeldeten Anspruchs befassen müssen.
Vill Lohmann Fischer
Pape Möhring

Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 30.12.2010 - 11 O 131/10 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 19.12.2012 - 13 U 18/11 -

(1) Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll der Schuldner nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen. Auch Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll er nicht eingehen, wenn der Sachwalter widerspricht.

(2) Der Sachwalter kann vom Schuldner verlangen, daß alle eingehenden Gelder nur vom Sachwalter entgegengenommen und Zahlungen nur vom Sachwalter geleistet werden.

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer KG. Die 1999 gegründete KG erbrachte Speditionsleistungen. Die KG beantragte am 6. Oktober 2011 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

2

Mit Beschluss vom 7. Oktober 2011 bestellte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung --InsO--) und ordnete an, dass Verfügungen der KG über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des Klägers wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO). Das Insolvenzgericht verbot zudem den Schuldnern der KG, an diese zu zahlen und ermächtigte den Kläger, Bankguthaben und sonstige Forderungen der KG einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Schuldner der KG wurden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO). Das Insolvenzgericht untersagte auch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die KG (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO).

3

Die KG führte ihren Geschäftsbetrieb zunächst weiter, da Insolvenzgeld vorfinanziert wurde und der Kläger Gespräche mit den Hauptauftraggebern führte. Die bei der Stellung des Insolvenzantrags offenen Forderungen der KG in Höhe von 40.066,29 € konnten im Insolvenzeröffnungsverfahren bis zum 28. Dezember 2011 in Höhe von 36.880,09 € eingezogen werden.

4

Die KG stellte ihren Geschäftsbetrieb zum 31. Dezember 2011 ein und kündigte mit Zustimmung des Klägers die noch bestehenden Arbeitsverhältnisse. Das Insolvenzgericht eröffnete das Insolvenzverfahren durch Beschluss vom 1. Januar 2012.

5

Die KG hatte bereits am 9. Dezember 2011 Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Oktober und November 2011 abgegeben. Für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2011 ergab sich eine Steuerschuld von 7.219,36 €. Für den Voranmeldungszeitraum November 2011 belief sich die Umsatzsteuer auf 3.453,30 €. Am 5. März 2012 gab die KG eine geänderte Umsatzsteuervoranmeldung November 2011 ab, nach der sich eine niedrigere Umsatzsteuer von 3.247,38 € ergab.

6

Mit Bescheid vom 20. März 2012 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Steuer für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2011 auf 4.548,88 € fest. Mit Bescheid vom 3. April 2012 verringerte das FA die Steuer für den Vorauszahlungszeitraum November 2011 --entsprechend der geänderten Voranmeldung vom 5. März 2012-- auf 3.247,38 €. Beide Steuerfestsetzungen erfolgten unter Verwendung einer zweiten, für die Masse der KG vergebenen Steuernummer.

7

Der Kläger legte gegen die Vorauszahlungsbescheide Oktober und November 2011 vom 20. März 2012 und vom 3. April 2012 Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren änderte das FA durch Bescheid vom 31. Juli 2012 den Vorauszahlungsbescheid Oktober 2011, so dass sich die Steuer auf 2.874,97 € verminderte. Dieser Bescheid wurde gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Nachdem der Kläger am 26. Juli 2012 dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte, wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 16. August 2012 als unbegründet zurück.

8

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 69 veröffentlichten Urteil des FG kann das FA die vom späteren Insolvenzschuldner nach der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters angemeldeten und zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht gezahlten Umsatzsteuervorauszahlungen, die sich zudem der Höhe nach geändert haben, gemäß § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeit gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festsetzen, wenn der schwache Insolvenzverwalter offensichtlich mit der Fortführung des Unternehmens im Insolvenzeröffnungsverfahren ausdrücklich einverstanden war. Für die Zustimmung i.S. von § 55 Abs. 4 InsO reiche es aus, dass sich der schwache vorläufige Insolvenzverwalter mit der Fortführung der Umsatztätigkeit im Insolvenzeröffnungsverfahren aktiv oder konkludent einverstanden erklärt.

9

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision, die er auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Der Begriff der Zustimmung i.S. von § 55 Abs. 4 InsO sei im Zusammenhang mit dem Zustimmungsvorbehalt auszulegen. Die Zustimmung könne sich nur auf das beziehen, was aufgrund des Zustimmungsvorbehalts zustimmungsbedürftig sei und damit nur auf Verfügungen, nicht aber auch --wie im Streitfall-- auf die Erbringung von Dienstleistungen. Erteile der vorläufige Insolvenzverwalter seine Zustimmung nur im Rahmen der allgemeinen Verpflichtung, die Masse zu sichern, reiche dies nicht aus. Dass sich der Kläger für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes und die Zustimmung der Agentur für Arbeit eingesetzt habe, sei daher ohne Bedeutung. Der Fiskus sei im Übrigen auch nicht als Zwangsgläubiger anzusehen. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Dezember 2010 V R 22/10 (BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) zum Einzug von Altforderungen und dem sich hieraus ergebenden Berichtigungsanspruch sei für das Insolvenzeröffnungsverfahren ohne Bedeutung. § 55 Abs. 4 InsO sei im Kontext mit § 55 Abs. 1 und 2 InsO auszulegen. Die Ausübung einer bloßen Überwachungs- und Kontrollfunktion reiche für die Entstehung der Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO nicht aus. Aus der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts ergebe sich nicht die Übernahme einer Betriebsfortführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter. Der vorläufige Insolvenzverwalter übe keine faktische Unternehmensleitung aus.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG und die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Oktober und November 2011 vom 20. März 2012, vom 3. April 2012 und vom 31. Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. August 2012 aufzuheben.

11

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

§ 55 Abs. 4 InsO bezwecke, dass der Fiskus mit den während der vorläufigen Insolvenzverwaltung begründeten Steuerforderungen im nachfolgenden Insolvenzverfahren nicht ausfalle. Daher reiche es aus, dass der schwache vorläufige Insolvenzverwalter mit der Fortführung der Geschäftstätigkeit einverstanden sei. Für den Fiskus bestünden während der vorläufigen Insolvenzverwaltung keine privilegierten Sicherungsmaßnahmen. Hilfsweise sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die bei Stellung des Insolvenzantrags offenen Forderungen in Höhe von 36.880,09 € einziehen konnte. Da die Vereinnahmungszuständigkeit durch den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 7. Oktober 2011 auf den Kläger übergegangen sei, führe diese Forderungsvereinnahmung nach dem BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 zu einer Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (UStG) als Masseverbindlichkeit. Diese Rechtsprechung sei auch auf die Forderungsvereinnahmung durch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zu übertragen. Dies sei im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Soll- und Istbesteuerung im Insolvenzeröffnungsverfahren geboten. In Betracht komme auch das Entstehen einer Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 InsO, wenn das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter zum Forderungseinzug ermächtigt. Maßgeblich sei die vollständige Tatbestandsverwirklichung im Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründetheit. Der Anwendungsbereich des § 55 Abs. 4 InsO beschränke sich nicht auf Neugeschäfte. Die Vorschrift verfolge das Ziel, steuermindernde Gestaltungen zu verhindern. Auf eine faktische Unternehmensleitung komme es nicht an. Ebenso spiele die Bemessung der Verwaltervergütung keine Rolle. Auch Altgeschäfte könnten § 55 Abs. 4 InsO unterliegen. Es habe eine gerichtliche Anordnung zur Einziehung von Altforderungen bestanden. An der Titelfunktion der Umsatzsteuer-Voranmeldung sei festzuhalten.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision des Klägers ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil des FG kommt es für die Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO auf die rechtlichen Befugnisse an, die dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehen. Ist Zustimmungsvorbehalt angeordnet (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 InsO) und ist der vorläufige Insolvenzverwalter zum Forderungseinzug berechtigt, entsteht die Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO insoweit, als der vorläufige Insolvenzverwalter Entgelte aus Leistungen des Unternehmers vereinnahmt. Dabei sind vom vorläufigen Insolvenzverwalter veranlasste Zahlungen auf zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungsbezüge masseverbindlichkeitsmindernd zu berücksichtigen. Es ist im Insolvenzeröffnungsverfahren nicht zwischen den vor und nach der Verwalterbestellung erbrachten oder bezogenen Leistungen zu unterscheiden.

14

1. Nach § 55 Abs. 4 InsO gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit.

15

a) Verbindlichkeiten werden vom vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters nur im Rahmen der für den vorläufigen Verwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet.

16

aa) § 55 Abs. 4 InsO erweitert die Tatbestände, nach denen Masseverbindlichkeiten entstehen. Für diese kommt es auf die nach dem Insolvenzrecht bestehenden rechtlichen Befugnisse an. So sind Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur die Verbindlichkeiten, "die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden". § 55 Abs. 2 InsO setzt Verbindlichkeiten voraus, "die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist". § 55 Abs. 4 InsO dient zwar dazu, die nach § 55 Abs. 1 und 2 InsO bestehenden Tatbestände zu erweitern. Dies steht aber wie bei § 55 Abs. 1 und 2 InsO unter dem Vorbehalt, dass hierfür die für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse zu berücksichtigen sind.

17

bb) Nach Maßgabe der dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehenden rechtlichen Befugnisse ist für das Entstehen von Masseverbindlichkeiten bei umsatzsteuerrechtlichen Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nicht auf die lediglich zeitliche Verbindlichkeitsbegründung "nach der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters" (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 17. Januar 2012, BStBl I 2012, 120, Rz 11) abzustellen. Die Annahme, dass hiervon ausgenommen nur die Umsatzsteuerverbindlichkeiten seien, die "auf Umsätzen beruhen, denen der schwache vorläufige Insolvenzverwalter ausdrücklich widersprochen hat" (BMF-Schreiben in BStBl I 2012, 120, Rz 11), ist mit den insolvenzrechtlichen Anforderungen an die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO nicht vereinbar. Insbesondere ist der Insolvenzordnung eine von der Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters nach den §§ 21 ff. InsO abweichende "tatsächliche" Zustimmung oder eine "faktische" Unternehmensfortführung neben einer Unternehmensfortführung i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO fremd. Ohne Einschränkung durch die einem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragenen Befugnisse kann der Schuldner frei entscheiden (vgl. Schmidt/Hölzle, InsO, 18. Aufl., 2013, § 21 Rz 6). Das Erfordernis einer "tatsächlichen" Zustimmung mit dessen Handlungen führt demgegenüber zwangsläufig zu nicht nachprüfbaren Unterstellungen. Auf einen fehlenden Widerspruch kann daher nur in dem Umfang abgestellt werden, als ein Recht zum Widerspruch besteht.

18

b) Ob eine umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeit aus dem Steuerschuldverhältnis Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO ist, entscheidet sich nach der Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter.

19

aa) § 55 Abs. 4 InsO ist entsprechend dem Willen des historischen Gesetzgebers auf Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis nach dem Umsatzsteuergesetz anzuwenden. Nach der amtlichen Gesetzesbegründung dient § 55 Abs. 4 InsO dazu, die Durchsetzung des Umsatzsteueranspruchs im Insolvenzeröffnungsverfahren zu sichern (BTDrucks 17/3030, S. 43 f.: zur "ungerechtfertigte[n] Benachteiligung des Fiskus", dem durch die Neuregelung "ein Riegel vorgeschoben" werden sollte).

20

bb) Kommt es für die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO auf die rechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters an (s. oben II.1.a), ist bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG) --ebenso wie bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG)-- auf die Entgeltvereinnahmung, nicht aber auf die Leistungserbringung abzustellen.

21

(1) Das Insolvenzgericht kann den vorläufigen Insolvenzverwalter --wie im Streitfall-- zum Forderungseinzug ermächtigen. Der Forderungseinzug erfolgt zumindest in diesem Fall im Rahmen der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse und kann dementsprechend dazu führen, dass umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis, die mit dem Forderungseinzug im Zusammenhang stehen, zur Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO werden. Ob sich dies auch bereits aufgrund des allgemeinen Zustimmungsvorbehalts, der sich auf Verfügungen bezieht, ergeben kann, hat der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden.

22

(2) Demgegenüber kann nicht auf das Erbringen steuerbarer Leistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG abgestellt werden. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt --wie im Streitfall-- selbst keine Leistungen erbringt.

23

Für die Verbindlichkeitsbegründung i.S. von § 55 Abs. 4 InsO ist auch unter Berücksichtigung des für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Zustimmungsvorbehalts (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO) nicht die steuerbare Leistungserbringung maßgeblich. Denn dieser Zustimmungsvorbehalt bezieht sich nur auf "Verfügungen". Im Hinblick auf diese Rechtsstellung wäre es zwar denkbar, vom Schuldner erbrachte Lieferungen und damit die Verschaffung der Verfügungsmacht an Gegenständen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG als masseverbindlichkeitsbegründend i.S. von § 55 Abs. 4 InsO anzusehen, wenn dies mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgt. § 55 Abs. 4 InsO wäre dann aber auf Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) zu beschränken, da es bei der Erbringung sonstiger Leistungen i.S. von § 3 Abs. 9 UStG jedenfalls an einem vergleichbaren Verfügungselement fehlte. Eine auf Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) beschränkte Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO ist aber bereits deshalb ausgeschlossen, da die Auslegung des § 55 Abs. 4 InsO nicht dazu führen darf, dass es im Insolvenzeröffnungsverfahren eines Schuldners, der als Händler zustimmungspflichtige Lieferungen ausführt, zum Entstehen von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO kommt, während keine Masseverbindlichkeiten im Insolvenzeröffnungsverfahren eines Dienstleistungsunternehmens entstehen. Eine derartige Differenzierung hätte zur Folge, dass durch den unterschiedlichen Umfang, in dem Masseverbindlichkeiten entstünden, die Fortführung und Sanierung (vgl. § 1 Satz 1 InsO) von Dienstleistungsunternehmen erleichtert und von Handelsunternehmen erschwert würde. Dies wäre mangels sachgerechten Differenzierungsgrundes mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (vgl. hierzu allgemein z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2011  1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49) unvereinbar.

24

2. Die für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Befugnisse sind auch umsatzsteuerrechtlich von Bedeutung. Bestellt das Insolvenzgericht --wie im Streitfall-- für einen Unternehmer einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug für die Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht und bezogen hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen. Gleiches gilt für den Steuerbetrag und den Vorsteuerabzug aus Leistungen, die das Unternehmen danach bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt und bezieht.

25

a) Aufgrund der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO) und mit Recht zum Forderungseinzug (§§ 22 Abs. 2, 23 InsO) werden die noch ausstehenden Entgelte für zuvor erbrachte Leistungen uneinbringlich.

26

aa) Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag für steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist.

27

(1) Wie der erkennende Senat bereits für das eröffnete Insolvenzverfahren entschieden hat, werden die Entgelte für Leistungen, die der Unternehmer bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht hat und die der Unternehmer bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht vereinnahmt hat, im Augenblick vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich. Maßgeblich ist hierfür, dass gemäß § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, die auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter übergeht und dass der Unternehmer somit aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem eigenen vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da sie im Rahmen der Masseverwaltung und Masseverwertung zu vereinnahmen sind und damit zum Bereich der Masseverbindlichkeiten gehören (vgl. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.c, und vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, unter II.5.b).

28

(2) Ebenso ist es im Insolvenzeröffnungsverfahren, worüber der Senat bisher noch nicht zu entscheiden hatte. Zwar ergibt sich das Recht zum Forderungseinzug hier nicht aus den einem Insolvenzverwalter gemäß §§ 80 ff. InsO zustehenden Befugnissen. Erlässt das Insolvenzgericht aber entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 3 InsO bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt das Verbot an Drittschuldner, an den Schuldner zu zahlen, und ermächtigt es den vorläufigen Insolvenzverwalter, Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen (§ 22 Abs. 2 InsO), wird damit das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem vorläufigen Insolvenzverwalter gegenüber Drittschuldnern gemäß § 24 Abs. 1 InsO in einer Weise geregelt, die § 80 Abs. 1 und § 82 InsO entspricht (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Februar 2007 IX ZR 2/06, Der Betrieb 2007, 1079, unter II.1.b).

29

Ordnet das Insolvenzgericht daher wie im Streitfall an, dass der Kläger als vorläufiger Insolvenzverwalter berechtigt ist, Bankguthaben und sonstige Forderungen des Insolvenzschuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen und verbietet es zudem den Drittschuldnern an den Insolvenzschuldner zu zahlen, führt dies wie im eröffneten Insolvenzverfahren zur Uneinbringlichkeit der dem Unternehmer zustehenden Entgelte. Denn auch im Insolvenzeröffnungsverfahren ist es dann dem Unternehmer aufgrund der auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangenen Einziehungsbefugnis nicht mehr möglich, das Entgelt für die zuvor entstandene Steuerschuld zu erlangen. Ob es zu einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, ist als erst nachträglich eintretender Umstand für die steuerrechtliche Beurteilung unerheblich.

30

bb) Zu berichtigen ist auch der Vorsteuerabzug. Der erkennende Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass der Vorsteuerberichtigungsanspruch aus nicht bezahlten Leistungsbezügen nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 UStG mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt entsteht (BFH-Urteile vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, Leitsatz 2, und vom 3. Juli 2014 V R 32/13, juris, Leitsatz). Der Gläubiger des Schuldners, für den der vorläufige Insolvenzverwalter bestellt wird, kann dann seinen Entgeltanspruch aus der an den Schuldner erbrachten Leistung --selbst wenn es nachfolgend zu keiner Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, sondern diese z.B. mangels Masse unterbleibt-- zumindest für die Dauer des Eröffnungsverfahrens und damit im Regelfall über einen längeren Zeitraum von ungewisser Dauer nicht mehr durchsetzen (BFH-Urteil in BFHE 242, 433, unter II.4.c bb). Dies gilt nicht nur für Entgeltansprüche eines Organträgers gegenüber der (bisherigen) Organgesellschaft --wie z.B. in der dem BFH-Urteil in BFHE 242, 433 zugrunde liegenden Fallgestaltung--, sondern allgemein für die gegen das Unternehmen gerichteten Entgeltansprüche aus Leistungen an das Unternehmen.

31

b) Uneinbringlich werden auch die Entgelte für die Leistungen, die der Unternehmer nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und Recht zum Forderungseinzug bis zur Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens (§§ 26, 27 InsO) erbringt oder bezieht. Für eine differenzierende Betrachtung nach den Leistungen, die das Unternehmen vor der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters erbringt oder bezieht und den Leistungen, die das Unternehmen nach dessen Bestellung bis zur Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt oder bezieht, besteht insbesondere unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters kein sachlicher Rechtfertigungsgrund. Erbringt der Unternehmer Leistungen, ist die Befugnis, die hierfür geschuldeten Entgelte zu vereinnahmen, in beiden Fällen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen. Anders als bei Leistungen, die durch einen verwaltungs- und verfügungsberechtigten vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 InsO) oder nach Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter erbracht werden, kommt es damit zu einer Trennung von Leistungserbringung und Entgeltvereinnahmung.

32

c) Im Anschluss an die Uneinbringlichkeit kommt es durch die Entgeltentrichtung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung.

33

aa) Vereinnahmt der vorläufige Insolvenzverwalter mit Recht zum Forderungseinzug und allgemeinem Zustimmungsvorbehalt ein zuvor uneinbringlich gewordenes Entgelt aus einer Ausgangsleistung vor seiner Bestellung (s. oben II.2.a aa) oder nach seiner Bestellung (s. oben II.2.b), führt die Entgeltvereinnahmung zu einer zweiten Berichtigung des Steuerbetrags nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG. Dem steht nicht entgegen, dass die erste Berichtigung aufgrund Uneinbringlichkeit und die zweite Berichtigung aufgrund nachfolgender Vereinnahmung ggf. im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen (BFH-Urteil vom 24. Oktober 2013 V R 31/12, BFHE 243, 451, unter II.2.d).

34

Die zweite Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG ist --im Gegensatz zur ersten Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG-- aufgrund einer späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich bei der Berechnung der sich für den Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO zu berücksichtigen, da es hierfür auf die rechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters und damit auf das ihm eingeräumte Recht zum Forderungseinzug und zur Entgeltvereinnahmung ankommt (s. oben II.1.b bb).

35

bb) Ebenso führt die durch den vorläufigen Insolvenzverwalter --im Rahmen seines Zustimmungsvorbehalts-- veranlasste Zahlung von Entgelten aus vor oder nach seiner Bestellung bezogenen Leistungen (s. oben II.2.a bb und II.2.b) zu einer zweiten Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG. Auch dies kann im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen.

36

Die zweite Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG mindert den Steueranspruch und ist im Fall einer nachfolgenden Insolvenzeröffnung bei der Berechnung der sich für den Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeit anspruchsmindernd zu berücksichtigen.

37

d) Die Rechtsprechung zur Uneinbringlichkeit (s. oben II.2.a) verstößt entgegen einer hieran geübten Kritik (vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 2. April 2014  7 K 7337/12, EFG 2014, 1427) nicht gegen das Unionsrecht.

38

Nach Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) ist die Steuerbemessungsgrundlage insbesondere im Fall der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen zu vermindern. Die Bestimmung ist ohne inhaltliche Änderung an die Stelle von Art. 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG getreten. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) lässt die Regelung einen "Gestaltungsspielraum bei der Festlegung der Maßnahmen zur Bestimmung des Betrags der Minderung" (EuGH-Urteil vom 3. September 2014 C-589/12, GMAC, Deutsches Steuerrecht 2014, 1921, Rdnr. 32). Ohne dass es insoweit einer eigenständigen Regelung für den Insolvenzfall bedarf, gehört zu den Bedingungen i.S. von Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL auch § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG und die Anwendung dieser Vorschrift im Insolvenzeröffnungsverfahren unter Berücksichtigung der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Befugnisse. Zudem sind die Mitgliedstaaten nach Art. 273 MwStSystRL berechtigt, weitere Pflichten vorzusehen, um eine genaue Erhebung der Steuer und damit die zutreffende Berechnung der Mehrwertsteuer-Eigenmittel der EU nach Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1553/89 vom 29. Mai 1989 über die endgültige einheitliche Regelung für die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 155 vom 7. Juni 1989, 9) auch in Insolvenzfällen sicherzustellen.

39

3. Im Streitfall ist das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG Folgendes zu berücksichtigen haben:

40

a) Es ist zunächst festzustellen, in welcher Höhe der Umsatzsteueranspruch für die beiden Voranmeldungszeiträume entstanden ist.

41

aa) Dabei ist davon auszugehen, dass die der KG zustehenden Entgeltansprüche aus den von ihr erbrachten Leistungen wie auch die von ihr geschuldeten Entgelte für die von ihr bezogenen Leistungen mit der Bestellung des Klägers als vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt und Einziehungsbefugnis uneinbringlich geworden sind (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Uneinbringlichkeit liegt auch in Bezug auf die während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbrachten und bezogenen Leistungen vor.

42

Für den Fall, dass das Insolvenzgericht entsprechend dem Insolvenzgutachten des Klägers nach § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO auch angeordnet hat, dass Forderungen, die die KG zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hatte, nicht von den Gläubigern eingezogen werden dürfen, sondern vom Kläger einzuziehen sind, tritt Uneinbringlichkeit auch für diese Entgeltansprüche ein.

43

bb) Soweit Uneinbringlichkeit gegeben ist, führt die Vereinnahmung von Leistungsentgelten durch den Kläger zu einer zweiten Berichtigung des Steueranspruchs (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG) als Masseverbindlichkeit. War der Kläger z.B. nach § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO befugt, Entgeltansprüche einzuziehen, die die KG sicherungshalber abgetreten hatte, gilt dies auch für den Fall der Sicherungszession.

44

Die durch den Kläger veranlasste Zahlung auf Leistungsbezüge begründet eine zweite Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG), die sich masseverbindlichkeitsmindernd auswirkt.

45

cc) Bei der Aufteilung des Steueranspruchs für den Voranmeldungszeitraum in Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit ist zu beachten, dass sich für einen Bereich (z.B. im vorinsolvenzrechtlichen Teil des § 38 InsO) ein Vergütungsbetrag ergeben kann, der durch eine Verbindlichkeit im anderen Bereich (z.B. dem Masseteil i.S. von § 55 Abs. 4 InsO) ausgeglichen wird. Die Summe der Aufteilungsbeträge muss allerdings der für sich den Voranmeldungszeitraum ergebenden Steuerschuld entsprechen (BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.c aa).

46

b) Bei der Berechnung der Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO nicht zu berücksichtigen sind Berichtigungsansprüche, die wie z.B. § 15a UStG auf anderen Umständen als dem Forderungseinzug durch den vorläufigen Insolvenzverwalter oder den durch ihn veranlassten Zahlungen beruhen. Nicht zu berücksichtigen sind zudem Entgelte, die erst der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung für Leistungen vereinnahmt, die das Unternehmen während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbracht hat. Die dann mit der Vereinnahmung vorzunehmende zweite Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG führt entsprechend dem Senatsurteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 zu einer Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

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c) Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass das FA berechtigt war, den sich für einen Voranmeldungszeitraum des Insolvenzeröffnungsverfahrens als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO ergebenden Umsatzsteueranspruch nach der Insolvenzeröffnung durch Steuerbescheid festzusetzen (vgl. hierzu allgemein BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1.). Unerheblich ist dabei, dass --wie im Streitfall-- für denselben Voranmeldungszeitraum bereits vor der Insolvenzeröffnung ein Vorauszahlungsbescheid vorlag, der sich gemäß § 168 Satz 1 AO auch aus einer Steueranmeldung ergeben kann, der einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht.

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Maßgeblich ist insoweit, dass unter den besonderen Bedingungen des Insolvenzverfahrens die doppelte Geltendmachung desselben Steueranspruchs trotz Vorliegens mehrerer Steuerbescheide für einen Voranmeldungszeitraum ausgeschlossen ist. Denn nach § 89 InsO ist eine Vollstreckung aus der vor Insolvenzeröffnung ergangenen Steuerfestsetzung ausgeschlossen. Zudem ist das FA nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats verpflichtet, der Anmeldung zur Insolvenztabelle (§§ 174 ff. InsO) eine auf das Kalenderjahr bezogene Steuerberechnung zugrunde zu legen (zum nur vorläufigen Charakter der Steuerberechnung für den Voranmeldungszeitraum im Verhältnis zur Steuerberechnung für den Besteuerungszeitraum vgl. auch BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76, unter II.3.a aa). Bei der Berechnung der Jahressteuer als Insolvenzforderung sind nur die Besteuerungsgrundlagen zu erfassen, die dem Insolvenzbereich des § 38 InsO zuzuordnen sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, unter II.2.b).

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Das FA kann danach den Steueranspruch, so wie er sich aus dem vor Insolvenzeröffnung ergangenen Steuerbescheid für einen Voranmeldungszeitraum des Insolvenzeröffnungsverfahrens ergab, nur nach Korrektur um den als Masseverbindlichkeit festzusetzenden Teil des Steueranspruchs zur Insolvenztabelle anmelden. Im Hinblick auf das Erfordernis einer auf das Kalenderjahr bezogenen Tabellenanmeldung des Steueranspruchs erübrigt sich zudem die Frage, ob der Steuerfestsetzung für einen Voranmeldungszeitraum Titelfunktion i.S. von § 179 Abs. 2 InsO zukommt.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.