Bundesverwaltungsgericht Urteil, 20. März 2018 - 6 C 1/17

ECLI:ECLI:DE:BVerwG:2018:200318U6C1.17.0
20.03.2018

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltssozietät in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie wird unter der Firmenbezeichnung "..., Rechtsanwälte" seit November 2005 mit einem Teilnehmerkonto bei dem Beklagten geführt. Der Beklagte setzte für die Betriebsstätte der Klägerin einen Übergangsbeitrag für die Zeit von Januar 2013 bis März 2013 von 53,94 € nebst 8 € Säumniszuschlag fest. Im Widerspruchsverfahren teilte die Klägerin mit, dass sie nicht mehr als acht Beschäftigte habe. Der Beklagte hob daraufhin mit dem Widerspruchsbescheid die Beitragsfestsetzung in Höhe von 35,97 € auf. Gegen den verbliebenen festgesetzten Rundfunkbeitrag nebst Säumniszuschlag richtet sich die Anfechtungsklage, die in den Vorinstanzen erfolglos geblieben ist.

2

Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Klägerin sei die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Rundfunkbeitrag sei auch im Hinblick auf die hier einschlägigen Regelungen für die Heranziehung von Freiberuflern verfassungsgemäß. Bei dem Rundfunkbeitrag handele es sich um eine nichtsteuerliche Abgabe, deren Regelung in die Gesetzgebungskompetenz der Länder falle. Sie diene der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie der Finanzierung der Aufgaben nach § 40 RStV und fließe nicht in den allgemeinen staatlichen Haushalt. Der Beitrag werde nicht voraussetzungslos geschuldet, sondern als Gegenleistung für das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben. Die Zweckgebundenheit des Beitrags komme in dessen tatbestandlicher Ausgestaltung noch hinreichend zum Ausdruck. Der Anknüpfung vornehmlich an die Betriebsstätte liege die gesetzgeberische Erwägung zugrunde, dass die Inhaber als Adressaten des Programmangebots den Rundfunk typischerweise in einer der beitragspflichtigen Raumeinheiten nutzten oder nutzen könnten und deshalb das Innehaben einer solchen Raumeinheit ausreichende Rückschlüsse auf den abzugeltenden Vorteil zulasse. Anhaltspunkte für die Annahme eines Härtefalls in analoger Anwendung des § 4 Abs. 6 RBStV lägen nicht vor. Der Umstand, dass in der Betriebsstätte kein Rundfunk genutzt werde, sei unbeachtlich, da es auf den Nutzungswillen oder die tatsächliche Nutzung nicht ankomme.

3

Der Vorteilsausgleich beziehe sich auf den strukturellen Vorteil, den jede Person im Einwirkungsbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ziehe, und den individuellen Vorteil der Möglichkeit der Inanspruchnahme. Dies gelte auch für den unternehmerischen Bereich, dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk spezifische, die Unternehmenszwecke fördernde Vorteile biete, sei es zur Informationsgewinnung, sei es zur Unterhaltung der Beschäftigten oder Kunden.

4

Der Beitrag sei als vergleichsweise geringfügige Belastung anzusehen, die nicht unverhältnismäßig sei. Gegen eine Überfinanzierung oder verdeckte Steuer habe der Gesetzgeber hinreichend effektive Vorkehrungen getroffen, insbesondere weil Überschüsse am Ende der Beitragsperiode vom Finanzbedarf für die folgende Beitragsperiode abzuziehen seien. Er habe angesichts der mit dem Modellwechsel verbundenen Prognoseunsicherheiten bei der Beitragsbemessung nicht davon ausgehen müssen, dass die zu erwartenden Einnahmen den Finanzbedarf beachtlich und auf Dauer übersteigen.

5

Der Rundfunkbeitrag beachte die für nichtsteuerliche Abgaben einzuhaltenden Vorgaben. Seine besondere sachliche Rechtfertigung sei in der Finanzierungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk begründet. Das Aufkommen werde gruppennützig verwendet. Dass die Gruppe der Beitragspflichtigen mit der Allgemeinheit nahezu deckungsgleich sei, liege in der Natur des spezifischen Sondervorteils, den die zumindest nahezu flächendeckende Versorgung mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk bringe.

6

Die Beitragspflicht im nicht privaten Bereich verletze wegen der verhältnismäßig niedrigen Zahlungsverpflichtung nicht die Informationsfreiheit. Sie verstoße ferner nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Kriterien für die Beitragspflicht seien auch unter Berücksichtigung der höchst unterschiedlichen Strukturen im unternehmerischen Bereich hinreichend realitätsgerecht und ausreichend differenziert, um den beitragsauslösenden Vorteil abzubilden und die Beitragslasten im Verhältnis der Abgabepflichtigen untereinander angemessen zu verteilen. Der Gesetzgeber habe die Beitragspflicht grundsätzlich unwiderleglich und insbesondere nicht gerätebezogen ausgestalten dürfen. Der Vorteil werde durch die Beitragshöhe angemessen abgegolten.

7

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt. Ihrer Auffassung nach ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag materiell verfassungswidrig. Der Gesetzgeber habe nicht die Rundfunknutzung in allen Betriebsstätten unwiderleglich vermuten dürfen. In der Kanzlei finde keine Rundfunknutzung statt. Die dort vorhandenen Personalcomputer (PC) würden ausschließlich beruflich genutzt. Die Kanzlei sei wegen der gesetzlichen Pflichten zur elektronischen Übermittlung der Steuerdaten und zur Einrichtung eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs gezwungen, PC vorzuhalten. Die Rundfunkbeitragspflicht greife in nicht gerechtfertigter Weise in die Freiheit der Berufsausübung ein, weil der Beitrag den Zugang zu einem berufswesentlichen Arbeitsmittel erschwere.

8

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Der Senat entscheidet über die Revision mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten gemäß § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.

10

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Berufungsurteil verletzt weder Bundesrecht noch Bestimmungen des revisiblen Rundfunkbeitragsstaatsvertrags - RBStV - in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Dezember 2011 des mit Zustimmung des Landtags Nordrhein-Westfalen geschlossenen Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags (veröffentlicht in GV. NRW S. 675).

11

Der angefochtene Bescheid ist durch die Bestimmungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags über die Erhebung des Rundfunkbeitrags im nicht privaten Bereich gedeckt (1.). Die Beitragsschuldner können eine umfassende Prüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung und insoweit auch der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags verlangen (2.). Die Erhebung des Betriebsstättenbeitrags ist verfassungsgemäß, auch soweit die Klägerin zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen internetfähige PC als Arbeitsmittel vorhalten muss (3.).

12

1. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 RBStV ist im nicht privaten Bereich für jede Betriebsstätte von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag nach Maßgabe der in Satz 2 festgelegten Staffelung zu entrichten. Danach bemisst sich die Höhe des zu leistenden Rundfunkbeitrags nach der Zahl der neben dem Inhaber Beschäftigten und beträgt bis zu 180 Beiträge. Der Rundfunkbeitrag ist monatlich geschuldet. Er ist in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten (§ 7 Abs. 3 RBStV). Rückständige Beiträge werden durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt; die Festsetzungsbescheide werden im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt (§ 10 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 RBStV).

13

Die Voraussetzungen für die Festsetzung des Rundfunkbeitrags durch den angefochtenen Bescheid liegen vor. Als Betriebsstätteninhaber schuldete die Klägerin aufgrund der von ihr angegebenen Beschäftigtenzahl in dieser Betriebsstätte gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 RBStV monatlich ein Drittel des Rundfunkbeitrags. Die Klägerin war im maßgebenden Zeitraum Inhaberin der in dem Bescheid aufgeführten Betriebsstätte.

14

Inhaber einer Betriebsstätte ist nach § 6 Abs. 2 Satz 1 RBStV die natürliche oder juristische Person, die die Betriebsstätte im eigenen Namen nutzt oder in deren Namen die Betriebsstätte genutzt wird. Mit dieser Legaldefinition hat der Gesetzgeber den hinter der Betriebsstätte stehenden Inhaber als Beitragsschuldner erfassen wollen (LT-Drs. NW 15/1303 S. 47). Inhaber einer durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführten Betriebsstätte sind nicht die Gesellschafter, sondern ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie nimmt am Rechtsverkehr teil, ist (teil-)rechtsfähig und kann klagen oder verklagt werden (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00 - BGHZ 146, 341; Schäfer, in: Münchner Kommentar, BGB, 7. Aufl. 2017, Schuldrecht Besonderer Teil IV, Vor § 705 Rn. 11 und § 705 Rn. 303, 320). Aufgrund dessen ist sie juristische Person im rundfunkbeitragsrechtlichen Sinne. Dieser Begriff ist weit auszulegen und erfasst nicht nur körperschaftlich verfasste juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts.

15

Die Regelung des Inhabers der Betriebsstätte ist von dem den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag mitprägenden Gedanken getragen, den zuständigen Rundfunkanstalten weitestgehend ohne erheblichen Ermittlungsaufwand die Feststellung des Beitragsschuldners und die Festsetzung des Beitrags zu ermöglichen. Die Rundfunkanstalten sollen - wie auch die gesetzliche Vermutung der Inhaberschaft in § 6 Abs. 2 Satz 2 RBStV zeigt - keine Vertretungsberechtigungen, Haftungsfragen, gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen oder einen Wechsel von Gesellschaftern vor der Beitragsfestsetzung prüfen müssen. Schuldner des Rundfunkbeitrags ist, wer im Rechtsverkehr als Inhaber der Betriebsstätte auftritt. Dies ist im Fall einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts diese selbst.

16

Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nunmehr auf die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Beitragsschuldner hat abstellen wollen. Gesellschaften bürgerlichen Rechts waren bereits unter der Geltung des Rundfunkgebührenstaatsvertrags Rundfunkteilnehmer und dementsprechend Schuldner der Rundfunkgebühr (vgl. dazu VG Köln, Urteil vom 17. Januar 2013 - 6 K 7011/11 - juris Rn. 23 f. m.w.N.; Naujock, in: Hahn/Vesting [Hrsg.], Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 1 RGebStV Rn. 30). An diesen weiten Begriff des Rundfunkteilnehmers haben die Landesgesetzgeber ersichtlich angeknüpft. Mit der Übergangsregelung des § 14 Abs. 3 Satz 1 RBStV haben sie die Beitragspflicht der bereits gemeldeten nicht privaten Rundfunkteilnehmer, die ihren Anzeigepflichten nicht nachkommen, unabhängig von ihrer Rechtsform nach Maßgabe von § 6 RBStV vermutet und sie auf diese Weise vollständig in das System der nunmehr geltenden Beitragspflicht integriert.

17

2. Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Beitragspflicht greift in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit der Beitragsschuldner ein. Der Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG erfasst die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, auf die sich gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts berufen kann. Daher können die Beitragsschuldner eine umfassende Prüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung und damit auch der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags für den nicht privaten Bereich verlangen.

18

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Rundfunkbeitragspflicht für die Inhaber von Betriebsstätten nach §§ 5 und 6 RBStV mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Diese Rechtsprechung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

19

a) Die Regelungen sind von der Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Rundfunkrecht gedeckt, die auch die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Erhebung einer nichtsteuerlichen Abgabe umfasst. Die Regelungen der Finanzverfassung nach Art. 105 ff. GG sind nicht anwendbar, weil der Rundfunkbeitrag nach seinem materiellen Gehalt ebenso wenig wie die frühere Rundfunkgebühr die Merkmale einer Steuer aufweist. Weder wird er voraussetzungslos erhoben noch ist er dazu bestimmt, den allgemeinen staatlichen Finanzbedarf nach Maßgabe der Verwendungsentscheidungen der Haushaltsgesetzgeber zu decken. Vielmehr stellt der Rundfunkbeitrag wie die frühere Rundfunkgebühr eine Vorzugslast dar, die als Gegenleistung für den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit erhoben wird. Dementsprechend ist das Beitragsaufkommen dazu bestimmt, die funktionsgerechte Finanzausstattung der Rundfunkanstalten sicherzustellen, um diesen die Ausstrahlung von Rundfunkprogrammen zu ermöglichen (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2016 - 6 C 49.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:071216U6C49.15.0] - BVerwGE 156, 358 Rn. 24 f.).

20

b) Die Rundfunkbeitragspflicht als zusätzliche Belastung neben der Steuerpflicht ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Rundfunkbeitrag stellt ein geeignetes Mittel dar, um den unmittelbar in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Anspruch der Rundfunkanstalten auf eine funktionsgerechte Finanzierung ihres Programmauftrags zu erfüllen, die weder vom Marktgeschehen noch vom Willen der Haushaltsgesetzgeber abhängt. Daher können ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten diejenigen Personen als Beitragsschuldner herangezogen werden, die die Rundfunkempfangsmöglichkeit nutzen können. Der Rundfunkbeitrag wird erhoben, um den individuellen Nutzungsvorteil abzugelten (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2016 - 6 C 49.15 - BVerwGE 156, 358 Rn. 26).

21

c) Die verfassungsrechtlich erforderliche Rechtfertigung der Rundfunkbeitragspflicht nach §§ 5 und 6 RBStV setzt auch voraus, dass der Rundfunkbeitrag als Vorzugslast ausgestaltet sein muss, d.h. die Gegenleistung für die Möglichkeit des Empfangs der Programmangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darstellt. Dieser abzugeltende Vorteil muss dem Beitragsschuldner individuell zugerechnet werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2016 - 6 C 49.15 - BVerwGE 156, 358 Rn. 27). Er besteht darin, dass der Betriebsstätteninhaber den Rundfunk nutzen kann, indem er entweder Informationen aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebot für den Betrieb beschafft bzw. betrieblich genutzte Gegenstände mit Empfangsgeräten für seine Beschäftigten oder Kunden ausstattet oder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Unterhaltung oder Information seiner Beschäftigten bzw. Kunden einsetzt (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2016 - 6 C 49.15 - BVerwGE 156, 358 Rn. 27 ff.). Da die Beitragspflicht als Vorzugslast ausgestaltet ist, ist der vom Berufungsgericht herangezogene strukturelle Vorteil, den jede Person im Einwirkungsbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ziehe, zu ihrer Rechtfertigung nicht geeignet. Insoweit fehlt es an der individuellen Zurechenbarkeit des Vorteils der Rundfunkempfangsmöglichkeit.

22

Der individuell zurechenbare Vorteil wird durch das Innehaben einer Betriebsstätte erfasst, weil die Betriebsstätten nahezu lückenlos mit Empfangsgeräten ausgestattet sind. Es liegen hinreichende Erkenntnisse vor, die die tatsächliche Annahme der nahezu flächendeckenden Verbreitung von Rundfunkempfangsgeräten in Betriebsstätten stützen. Zu verweisen ist zum einen auf die Angaben des Statistischen Bundesamts über die Ausstattung mit internetfähigen PC und zum anderen auf die Verbreitung von internetfähigen mobilen Empfangsgeräten sowie Hörfunk- und Fernsehgeräten in den Betriebsstätten, die sich aus den Anmeldezahlen nicht privater Rundfunkteilnehmer herleiten lässt (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2016 - 6 C 49.15 - BVerwGE 156, 358 Rn. 31 ff.). Die Landesgesetzgeber durften das "vorteilsnähere" Erfassungsmerkmal des Bereithaltens eines funktionstauglichen Empfangsgeräts aufgeben, weil der Umstand, dass der Nachweis des Gerätebesitzes in Betriebsstätten unabhängig von der Beweislastverteilung nicht verlässlich erbracht werden kann, zunehmend dazu führte, dass die Rundfunkprogramme genutzt wurden, ohne ein Empfangsgerät anzumelden und die Rundfunkgebühr zu entrichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2016 - 6 C 49.15 - BVerwGE 156, 358 Rn. 40 ff.). Aufgrund dessen kann unwiderleglich vermutet werden, dass sich in Betriebsstätten ein Gerät für den Empfang von Rundfunkprogrammen befindet und ein Betriebsstätteninhaber den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen kann. Es kommt für die Beitragspflicht des Betriebsstätteninhabers nicht darauf an, ob und aus welchen Gründen ein Empfangsgerät in der Betriebsstätte vorhanden ist oder wie vorhandene Empfangsgeräte tatsächlich genutzt werden. Der Einwand der Klägerin, sie sei zur Vorhaltung von internetfähigen PC gesetzlich verpflichtet, ist für die Beitragspflicht unbeachtlich.

23

d) Die gestaffelte Beitragsbemessung nach der Beschäftigtenzahl (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RBStV) verletzt nicht das in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltene abgabenrechtliche Gebot der Belastungsgleichheit. Die Länder waren befugt, die Beitragspflicht dem Grunde nach ohne Differenzierung nach den tatsächlichen Vorteilen, Branchen oder Tätigkeitsbereichen auszugestalten. Die degressive Staffelung der Beitragshöhe in Abhängigkeit von der Beschäftigtenzahl bildet den abzugeltenden Vorteil mit Blick auf die Nutzenproportionalität am Maßstab des Vorteilsausgleichs hinreichend ab. Da sich der Vorteil für den Betriebsinhaber nicht in einer Nutzungsmöglichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Beschäftigten erschöpft, sondern vielgestaltig ist, durften die Landesgesetzgeber davon ausgehen, dass der abzugeltende Vorteil in seinem "Wert für den Betrieb" nicht mit wachsender Beschäftigungszahl linear steigt, sondern sich relativiert. Dem entspricht die degressive Staffelung des Beitrags, die zugleich vor einer unverhältnismäßigen Belastung schützt (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2016 - 6 C 49.15 - BVerwGE 156, 358 Rn. 59 ff.).

24

e) Die Erhebung des Betriebsstättenbeitrags stellt keinen Eingriff in die von Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit dar. Hierzu müsste die Regelung in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes stehen und objektiv deutlich eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvF 3/11 [ECLI:DE:BVerfG:2014:fs20141105.1bvf000311] - BVerfGE 137, 350 Rn. 69 sowie Nichtannahmebeschluss vom 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 [ECLI:DE:BVerfG:2012:rk20120716.1bvr298310] - NVwZ 2012, 1535 <1536> m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Die Rundfunkbeitragspflicht weist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RBStV mit ihrer Anknüpfung an das Innehaben einer Betriebsstätte keinen unmittelbaren Bezug zur beruflichen Tätigkeit auf. Der Umstand, dass die Klägerin aufgrund anderweitiger gesetzlicher Verpflichtungen in ihrer Rechtsanwaltskanzlei einen internetfähigen PC vorhalten muss, rechtfertigt nicht die gegenteilige Annahme. Die Rundfunkbeitragspflicht erschwert nicht den Zugang zu einem Arbeitsmittel und greift nicht in ungerechtfertigter Weise in die Berufsausübungsfreiheit ein (vgl. dazu bereits unter der Geltung des Rundfunkgebührenstaatsvertrags BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 22. August 2012 - 1 BvR 199/11 [ECLI:DE:BVerfG:2012:rk20120822.1bvr019911] - BVerfGK 20, 37 Rn. 19). Dieser Auffassung hat sich der Senat für die Beitragspflicht der Betriebsstätteninhaber angeschlossen, da sie die Betriebsstätteninhaber nicht zu einem bestimmten beruflichen Verhalten bewegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 2017 - 6 C 34.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:270917U6C34.16.0] - juris Rn. 36 f.).

25

f) Die Beitragspflicht im nicht privaten Bereich ist schließlich mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG sowie mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Die Ablösung der Rundfunkgebühr durch den Rundfunkbeitrag bedurfte nicht nach Art. 108 AEUV der Zustimmung der Europäischen Kommission, weil sich dadurch die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht in ihrem Kern verändert hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2016 - 6 C 49.15 - BVerwGE 156, 358 Rn. 90 m.w.N.).

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Tenor Die Klage wird abgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand 1 Die Klägerin, eine Gemeinschaftspraxis zweier Ärztinnen, wendet sich gegen ihre Heranziehung als Betriebsstätteninhaberin zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen.2

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(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
und
VERSÄ UMNISURTEIL
II ZR 331/00 Verkündet am:
29. Januar 2001
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts besitzt Rechtsfähigkeit, soweit
sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten
begründet.

b) In diesem Rahmen ist sie zugleich im Zivilprozeß aktiv- und passiv parteifähig.

c) Soweit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts persönlich haftet, entspricht das Verhältnis zwischen der Verbindlichkeit
der Gesellschaft und der Haftung des Gesellschafters derjenigen
bei der OHG (Akzessorietät) - Fortführung von BGHZ 142, 315.
BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00 – OLG Nürnberg
LG Ansbach
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht, die
Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 15. März 2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und hinsichtlich der Abweisung der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten zu 1 gegen das Vorbehaltsurteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ansbach vom 26. November 1999 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte zu 1 neben den Beklagten zu 2 und 3 wie eine Gesamtschuldnerin verurteilt wird.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 4 trägt die Klägerin. Die Beklagten zu 1, 2 und 3 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Hinsichtlich des ersten Rechtszuges tragen die Beklagten zu 2 und 3 gesamtschuldnerisch und daneben die Beklagte zu 1 wie eine Gesamtschuldnerin 3/4 und die Klägerin 1/4 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in den Rechts- mittelinstanzen sowie die Gerichtskosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin und die Beklagte zu 1 je zur Hälfte. Die Gerichtskosten der Revisionsinstanz tragen die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1 zu 1/5.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin klagt im Wechselprozeß auf Zahlung der Wechselsumme von 90.000,00 DM zuzüglich Nebenforderungen gegen die Beklagte zu 1, eine bauwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft (ARGE) in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, als Wechselakzeptantin und die früheren Beklagten zu 2 und 3 als deren Gesellschafterinnen. Die Haftung des Beklagten zu 4 für die Wechselforderung leitet sie aus Rechtsscheinsgesichtspunkten her. Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß gesamtschuldnerisch zur Zahlung verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 4 auf deren Berufung hin abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:


Da die Beklagte zu 1 im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die sie betreffende Revision der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 82).
Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage wendet. Im übrigen ist sie unbegründet.

A.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage gegen die Beklagte zu 1 unzulässig, weil es sich bei dieser um eine nicht parteifähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts handele. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Der Senat hält es unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung für geboten, die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts in dem Umfang als im Zivilprozeß parteifähig anzusehen (§ 50 ZPO), in dem sie als Teilnehmer am Rechtsverkehr Träger von Rechten und Pflichten sein kann.
I. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gesamthandsgemeinschaft ihrer Gesellschafter im Rechtsverkehr grundsätzlich, das heißt soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen, jede Rechtsposition einnehmen (BGHZ 116, 86, 88; 136, 254, 257; im Ansatz auch bereits BGHZ 79, 374, 378 f.). Soweit sie in
diesem Rahmen eigene Rechte und Pflichten begründet, ist sie (ohne juristische Person zu sein) rechtsfähig (vgl. § 14 Abs. 2 BGB).
1. Über die Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts finden sich im Gesetz keine umfassenden und abschließenden Regeln. Im ersten Entwurf des BGB war die Gesellschaft nach römischrechtlichem Vorbild als ein ausschließlich schuldrechtliches Rechtsverhältnis unter den Gesellschaftern ohne eigenes, von dem ihrer Gesellschafter verschiedenen, Gesellschaftsvermögen gestaltet (vgl. Mot. II 591 = Mugdan II 330). Die zweite Kommission konstituierte hingegen ein Gesellschaftsvermögen als Gesamthandsvermögen (vgl. die heutigen §§ 718, 719 BGB), ohne jedoch die aus dem Gesamthandsprinzip folgenden Konsequenzen im einzelnen zu regeln. Es ist vielmehr im wesentlichen bei der Regelung des Gesellschaftsverhältnisses als Schuldverhältnis geblieben, dem in unvollständiger Weise das Gesamthandsprinzip "darüber gestülpt" wurde (Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Bd. I/1 1977, S. 3 f.; vgl. auch Ulmer, FS Robert Fischer 1979, S. 785, 788 f.). Zum Inhalt des Gesamthandsprinzips heißt es in den Protokollen lediglich, die Meinungen "darüber, wie die Rechtsgemeinschaft der gesammten Hand theoretisch zu konstruiren sei und was man als das charakteristische Merkmal derselben anzusehen habe, (gingen) auseinander" (Prot. II 429 = Mugdan II 990). "Die Kom. glaubte, zu der wissenschaftlichen Streitfrage über das Wesen der gesammten Hand nicht Stellung nehmen zu sollen, vielmehr nur entscheiden zu müssen, welche Bestimmungen sachlich den Vorzug verdienen" (Prot. II 430 = Mugdan II 990).
2. Die Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung und das erkennbare Bestreben des historischen Gesetzgebers, eine konkrete Festlegung zu ver-
meiden, lassen Raum für eine an den praktischen Bedürfnissen der Verwirklichung des Gesamthandsprinzips orientierte Beurteilung der Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Danach verdient die Auffassung von der nach außen bestehenden beschränkten Rechtssubjektivität der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft den Vorzug. Diese Auffassung geht auf die deutschrechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts zurück (vgl. Otto Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 1 1895, S. 663 ff., 682). Sie wurde maßgeblich von Flume (aaO S. 50 ff.; ZHR 136 [1972], 177 ff.) in die moderne Diskussion eingeführt und hat sich im neueren Schrifttum weitgehend durchgesetzt (vgl. vor allem MünchKommBGB/Ulmer, 3. Aufl. § 705 Rdn. 130 ff. m.w.N. in Fn. 373; ders. AcP 198 [1998], 113 ff.; ebenso K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 3. Aufl. § 8 III, S. 203 ff.; Wiedemann, WM 1994 Sonderbeilage 4, S. 6 ff.; Huber, FS Lutter 2000, 107, 122 ff.; Hüffer, Gesellschaftsrecht 5. Aufl. S. 47 ff.; DaunerLieb , Die BGB-Gesellschaft im System der Personengesellschaften, in: Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaften [Schriftenreihe der Bayer-Stiftung für deutsches und internationales Arbeits- und Wirtschaftsrecht ] 1999, S. 95, 99 ff.; Reiff, ZIP 1999, 517, 518; Mülbert, AcP 1999, 39, 43 ff.; Wertenbruch, Die Haftung von Gesellschaften und Gesellschaftsanteilen in der Zwangsvollstreckung 2000, S. 211 ff.).

a) Dieses Verständnis der Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Gesamthandsgemeinschaft bietet ein praktikables und weitgehend widerspruchsfreies Modell für die vom Gesetz (§§ 718-720 BGB) gewollte rechtliche Absonderung des Gesellschaftsvermögens vom Privatvermögen der Gesellschafter. Die sogenannte traditionelle Auffassung, die ausschließlich die einzelnen Gesellschafter als Zuordnungssubjekte der die Gesellschaft betreffenden Rechte und Pflichten ansieht (vgl. Zöllner, FS Gernhuber 1993, S. 563 ff.; ders. FS
Kraft 1998, S. 701 ff.; Hueck, FS Zöllner 1998, S. 275 ff.) weist demgegenüber konzeptionelle Schwächen auf. Betrachtet man die Gesellschaftsverbindlichkeiten lediglich als gemeinschaftliche Verbindlichkeiten der Gesellschafter gemäß § 427 BGB, widerspricht dies dem Gesamthandsprinzip. Der einzelne Gesellschafter kann, wenn sich der geschuldete Gegenstand im Gesellschaftsvermögen befindet, die Leistung wegen § 719 BGB nicht als Gesamtschuldner allein erbringen. Dies führt dazu, daß auch die Vertreter der traditionellen Auffassung zwischen der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterschuld differenzieren müssen. Bei der für die "Gesellschaft" abgeschlossenen Verbindlichkeit handele es sich um eine "einheitliche Verpflichtung mit doppelter Wirkung" in Bezug auf einerseits das Gesamthandsvermögen, andererseits das persönliche Vermögen der Gesellschafter (vgl. Hueck, FS Zöllner, S. 293; Zöllner, FS Gernhuber, S. 573). Dies verwischt aber die Grenzen zwischen Schuld und Haftung, denn eine Schuld kann immer nur Subjekte, nicht aber Vermögensmassen treffen (Aderhold, Das Schuldmodell der BGB-Gesellschaft 1981, S. 110 f.; Dauner-Lieb aaO, S. 100 ff.).

b) Ein für die Praxis bedeutsamer Vorzug der nach außen bestehenden Rechtssubjektivität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im oben beschriebenen Sinne besteht darin, daß danach ein Wechsel im Mitgliederbestand keinen Einfluß auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hat (vgl. Senat, BGHZ 79, 374, 378 f.). Bei strikter Anwendung der traditionellen Auffassung müßten Dauerschuldverhältnisse mit der "Gesellschaft" bei jedem Wechsel im Mitgliederbestand von den Vertragsparteien neu geschlossen bzw. bestätigt werden. Wenn die Gesellschaft im Außenverhältnis nur ein Schuldverhältnis darstellt, können zwei aus verschiedenen Mitgliedern bestehende Schuldverhältnisse nicht identisch sein. Das Erfordernis von
Neuabschlüssen von Dauerschuldverhältnissen bei einem Gesellschafterwechsel ist aber ohne innere Rechtfertigung und würde die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft im Rechtsverkehr erheblich beeinträchtigen. Die traditionelle Auffassung vermag im übrigen keine befriedigende Erklärung dafür zu liefern, warum auch ein neu in die Gesellschaft eintretender Gesellschafter mit dem Gesellschaftsvermögen für Altschulden haften sollte. Die dafür angebotene Begründung, wonach der neue Gesellschafter in einer Art Gesamtrechtsnachfolge "in alle bestehenden Rechts- und Vertragspositionen hineinwachse" (Zöllner, FS Kraft, S. 715), läßt sich mit der Auffassung der Gesellschaft als reines Schuldverhältnis der Gesellschafter im Grunde nicht vereinbaren (dazu auch Ulmer, AcP 198 [1998], 113, 142).

c) Die hier vertretene Auffassung ist zudem eher in der Lage, identitätswahrende Umwandlungen von Gesellschaften bürgerlichen Rechts in andere Rechtsformen und aus anderen Rechtsformen zu erklären. Betreibt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Gewerbe, dann wird sie von Gesetzes wegen ohne jeden Publizitätsakt zu einer personen- und strukturgleichen OHG, sobald das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 105 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 HGB). Da der OHG jedenfalls Rechtssubjektivität im oben beschriebenen Sinne zukommt (vgl. § 124 Abs. 1 HGB), würden sich bei konsequenter Anwendung der traditionellen Auffassung die Eigentumsverhältnisse an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen mit der Umwandlung zur OHG ändern. Dies würde für die Praxis insbesondere deshalb schwierige Probleme bereiten (vgl. Reiff, ZIP 1999, 517, 518 f.), weil für den Übergang von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur OHG infolge des wertungsabhängigen Kriteriums des Erfordernisses eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs ein genauer
Zeitpunkt der Umwandlung kaum ausgemacht werden kann. Auch der Umstand , daß im neuen Umwandlungsrecht (§§ 190 ff., 226 ff. UmwG) Kapitalgesellschaften im Wege des identitätswahrenden Formwechsels in Personengesellschaften - auch in Gesellschaften bürgerlichen Rechts, vgl. § 191 Abs. 2 Nr. 1 UmwG - umgewandelt werden können, läßt sich auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung ohne weiteres, aus Sicht der traditionellen Auffassung aber - wenn überhaupt - nur mit Mühe erklären (vgl. dazu Wiedemann, ZGR 1996, 286, 289 f.; Mülbert, AcP 199 [1999], 38, 60 ff.; Timm, NJW 1995, 3209 ff.; Hueck, FS Zöllner, S. 280 ff.; Zöllner, FS Claussen 1997, 423, 429 ff.).

d) Schließlich unterstützt die Tatsache, daß der Gesetzgeber mittlerweile die Insolvenzfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt hat (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO wie auch schon § 1 Abs. 1 GesO), die Gesellschaft mithin als Träger der Insolvenzmasse ansieht, ebenfalls die Annahme der Rechtssubjektivität.
3. Gegen diese Auffassung läßt sich nicht mit dem Gesetzeswortlaut insbesondere des § 714 BGB argumentieren. Zwar zeigt der Umstand, daß dort nur von einer Vertretungsmacht für die Gesellschafter, nicht aber für die "Gesellschaft" die Rede ist, daß bei der Formulierung der Norm an eine Verselbständigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu einer verpflichtungsfähigen Organisation nicht gedacht worden ist (Senat, BGHZ 142, 315, 319 f.). Bedenkt man aber, daß die Vorschrift im Kern unverändert aus § 640 Abs. 1 des ersten Entwurfs (abgedruckt bei Mugdan II CVI) in das BGB übernommen wurde und dieser erste Entwurf das Gesamthandsprinzip noch nicht kannte, gibt der Wortlaut für eine Deutung der Rechtsnatur der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft nichts her. Der Senat braucht insoweit nicht der Frage nachzugehen,
ob bereits der historische Gesetzgeber in Ansehung der deutschrechtlichen Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft als ungeschriebenes geltendes Recht angesehen hat (dazu Wertenbruch aaO, S. 34 ff.). Entscheidend ist, daß er jedenfalls eine solche Annahme nicht hat ausschließen wollen.
4. In der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft liegt kein Widerspruch zu den §§ 21, 22, 54 BGB, wo mit Rechtsfähigkeit offensichtlich die Fähigkeit der Gesellschaft gemeint ist, Träger von Rechten und Pflichten aufgrund eigener Rechtspersönlichkeit und damit "als solcher" und nicht als Gruppe ihrer gesamthänderisch verbundenen Mitglieder zu sein. Wie § 14 Abs. 2 BGB zeigt, geht aber das Gesetz davon aus, daß es auch Personengesellschaften gibt, die Rechtsfähigkeit besitzen. So ist es praktisch unbestritten, daß OHG und KG Träger von Rechten und Pflichten sein können und damit rechtsfähig sind, ohne als Gesamthandsgemeinschaften den Status einer juristischen Person zu besitzen. Entsprechendes gilt nach ständiger Rechtsprechung (BGHZ 80, 129, 132; 117, 323, 326) für die Vorgesellschaften von Kapitalgesellschaften.
II. Erkennt man die Fähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts an, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, kann ihr die Parteifähigkeit im Zivilprozeß , die gemäß § 50 ZPO mit der Rechtsfähigkeit korrespondiert, nicht abgesprochen werden.
1. Die Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die notwendige prozeßrechtliche Konsequenz der Anerkennung der Rechtssubjektivität der Gesellschaft im Verhältnis zu Dritten (bejahend auch Wiedemann
aaO, S. 9 f.; Hüffer, FS Stimpel 1985, S. 165, 168 ff.; Soergel/Hadding, BGB 11. Aufl. § 714 BGB Rdn. 52; Wertenbruch aaO, S. 213 ff.; MünchKomm ZPO/Lindacher, § 50 Rdn. 23 ff.; Musielak/Weth, ZPO 2. Aufl. § 50 Rdn. 22; für die Mitunternehmer-Gesellschaft auch K. Schmidt aaO, § 60 IV 1, S. 1805 ff.). Im Zivilprozeß ist aktivlegitimiert, das heißt "richtige" Partei, wer Inhaber des geltend gemachten Rechts ist; derjenige ist passivlegitimiert, also "richtiger" Beklagter, der Verpflichteter aus dem geltend gemachten Recht ist. Dieser Sachbefugnis entspricht - von den Fällen der Prozeßstandschaft abgesehen - grundsätzlich auch die Prozeßführungsbefugnis. Da nicht die einzelnen Gesellschafter , sondern die Gesellschaft materiell Rechtsinhaberin oder Verpflichtete ist, ist diese "richtige" Partei eines Rechtsstreits um eine Gesellschaftsforderung oder -verpflichtung und insoweit parteifähig und prozeßführungsbefugt.
2. Die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist dem bisher praktizierten Modell, wonach die aktive und passive Prozeßführungsbefugnis hinsichtlich das Gesellschaftsvermögen betreffender Forderungen und Verbindlichkeiten bei den eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 62 Abs. 1 ZPO bildenden Gesellschaftern liegt (vgl. Senat, BGHZ 30, 195, 197; Urt. v. 12. März 1990 - II ZR 312/88, ZIP 1990, 715, 716; MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 42 f.; Stein/Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. § 50 Rdn. 17; Heller, Der Zivilprozeß der Gesellschaft bürgerlichen Rechts 1989, S. 56 ff., 110 ff.), in mehrfacher Hinsicht vorzuziehen.

a) Die notwendige Streitgenossenschaft der Gesellschafter kann nicht als adäquater Ersatz für die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft angesehen werden, weil das Instrument der notwendigen Streitgenossenschaft
nicht die angemessenen prozessualen Konsequenzen aus den gesellschaftsrechtlichen Gesamthandsregeln zieht. Zwar stimmen notwendige Streitgenossenschaft und Gesamthandsprinzip insoweit überein, als die Klage nur gegen alle Gesamthänder erhoben werden kann und das Urteil einheitlich ergehen muß. Im übrigen gewährleistet aber die notwendige Streitgenossenschaft keine den Besonderheiten der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand entsprechende Prozeßführung, denn bei der notwendigen Streitgenossenschaft betreibt jeder Streitgenosse seinen eigenen Prozeß (§ 63 ZPO). Die Verbindung mit den anderen Streitgenossen besteht lediglich in der erforderlichen Einheitlichkeit des Urteils und der Zurechnung des Verhandelns der anderen Streitgenossen im Falle der Säumnis eines Teils der Streitgenossen (§ 62 Abs. 1 ZPO). Es gibt bei der notwendigen Streitgenossenschaft aber keine Verpflichtung zur gemeinschaftlichen Vornahme von Prozeßhandlungen. Vielmehr kann jeder Streitgenosse unabhängig von den anderen Prozeßhandlungen mit Wirkung für sein Prozeßrechtsverhältnis vornehmen (BGHZ 131, 376, 379) und kann jeder Streitgenosse auch einen eigenen Prozeßbevollmächtigten bestellen. Sich widersprechenden Vortrag verschiedener Streitgenossen kann das Gericht gemäß § 286 ZPO frei würdigen (MünchKommZPO/Schilken, § 62 Rdn. 48; Heller aaO, S. 159). Jeder der Streitgenossen kann gesondert Rechtsmittel mit der Folge einlegen, daß das Urteil auch gegenüber den anderen Streitgenossen nicht rechtskräftig wird (BGHZ 131, 376, 382).
Es bestehen somit wesentliche Unterschiede zur materiellrechtlichen Vertretungs- und Verfügungsbefugnis bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Wenn beispielsweise nur ein Gesellschafter geschäftsführungsbefugt ist, können die anderen Gesellschafter materiellrechtlich für die Gesellschaft
keine wirksamen Erklärungen abgeben; wenn zwei nur gemeinschaftlich geschäftsführungsbefugte Gesellschafter sich widersprechende materiellrechtliche Erklärungen abgeben, kann keine davon wirksam sein. Das Modell der notwendigen Streitgenossenschaft ist also nicht in der Lage, eine den materiellrechtlichen Verhältnissen adäquate Prozeßführung zu gewährleisten, weil die Prozeßführung bei einer notwendigen Streitgenossenschaft anderen Regeln unterliegt als sie für die Vertretung der Gesellschaft gelten.
Dieses Ergebnis ließe sich allenfalls dadurch umgehen, daß man die materiellrechtliche Vertretungsbefugnis auf die Prozeßführungsbefugnis der Gesamthänder als Streitgenossen überträgt, die Gesellschafter prozessual als "Gruppe", vertreten durch ihren Geschäftsführer, behandelt und nur vom Geschäftsführer vorgenommene Prozeßhandlungen als wirksam anerkennt. Eine solche Lösung wäre jedoch mit den Grundprinzipien der notwendigen Streitgenossenschaft nicht vereinbar. Die Bevollmächtigung des Geschäftsführers im Gesellschaftsvertrag kann dem einzelnen als Streitgenossen verklagten Gesellschafter nicht die Prozeßführungsbefugnis in einem Prozeß nehmen, in dem er selbst Partei ist. Im Ergebnis liefe ein derartiger Korrekturversuch auf eine verschleierte Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft hinaus. Geht man hingegen offen von der Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus, läßt sich die gewünschte Übereinstimmung von Prozeßführungsund gesellschaftsrechtlicher Vertretungsbefugnis zwanglos und ohne Verletzung prozessualer Grundsätze erreichen. Es sind dann von vornherein nur diejenigen Prozeßhandlungen wirksam, die in Übereinstimmung mit den gesellschaftsrechtlichen Vertretungsregeln erfolgen.

b) Gegen das Modell der notwendigen Streitgenossenschaft der Gesellschafter spricht des weiteren, daß unter seiner Geltung sowohl im Aktiv- als auch im Passivprozeß immer sämtliche gegenwärtigen Mitglieder der Gesellschaft verklagt werden und klagen müssen, um einen Titel gegen und für die Gesamthand zu erhalten. Das kann den Gesellschaftsgläubigern bei größeren Gesellschaften und bei solchen mit häufigem Mitgliederwechsel erfahrungsgemäß erhebliche Probleme bereiten. Als Beispiele hierfür sei auf die den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 12. März 1990 (Senat aaO, ZIP 1990, 715) und vom 15. Oktober 1999 (V ZR 141/98, ZIP 1999, 2009) zugrundeliegenden Sachverhalte verwiesen. Der Senat ist im erstgenannten Fall dem klagenden Gesellschaftsgläubiger, der aus eigener Kenntnis nicht über die Namen der inzwischen mehr als 70 Gesellschafter verfügte, dadurch entgegengekommen, daß er die korrekte Einbeziehung aller Gesellschafter in die Klage lediglich als einen Akt der Rubrumsberichtigung aufgefaßt hat (Senat aaO, ZIP 1990, 715, 716). Diese Lösung verläßt im Grunde bereits die Auffassung von den Gesellschaftern als notwendigen Streitgenossen, denn die unterbliebene Benennung aller aus materiellrechtlichen Gründen notwendigen Streitgenossen hätte zur Unzulässigkeit der Klage führen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 25. Oktober 1991 - V ZR 196/90, WM 1992, 313, 315; Stein/Jonas/Bork aaO, § 62 Rdn. 20 f., 25; Musielak/Weth aaO, § 62 Rdn. 11). Im Ergebnis ist dieser Fall bereits so behandelt worden, als sei die Gesellschaft selbst die beklagte Partei und mithin parteifähig. Vor ähnlichen Schwierigkeiten stehen die Beteiligten auf der Grundlage der Streitgenossenschaftslösung auch in den nicht seltenen Fällen, in denen die Mitgliedschaft eines Gesellschafters unklar und streitig ist. In diesen Fällen muß - sei es im Aktivverfahren oder im Passivverfahren - vor einer Entscheidung in der Sache zunächst die mit dem Kern des Rechtsstreits in keiner Weise zusammenhängende Frage geklärt werden, inwiefern die fragliche
Person wirksam Mitglied geworden ist, bzw. inwiefern sie wirksam ausgeschieden ist. Auch hier hat sich die Rechtsprechung damit zu behelfen versucht, daß bei irrtümlich unterbliebener Aufführung eines Gesellschafters lediglich das Rubrum unrichtig sei (BGH, Beschl. v. 10. Oktober 1996 - IX ZR 135/95, NJW 1997, 1236; vgl. auch OLG Hamburg LZ 1917, 78). Diese Hilfskonstruktionen der bisherigen Rechtsprechung, die es im Interesse der Sachgerechtigkeit ermöglichen sollten, trotz formalen Festhaltens am Streitgenossenschaftsmodell die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als parteifähig zu behandeln, können aber letztlich nicht überzeugen. Insbesondere versagen sie im Stadium der Zwangsvollstreckung, denn der Gerichtsvollzieher hat in Zweifelsfällen nicht die Möglichkeit zu prüfen, ob es sich bei den in einem Titel aufgeführten Gesellschaftern um sämtliche Gesellschafter handelt. Die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist demgegenüber sowohl im Erkenntnis-, als auch im Vollstreckungsverfahren die einfachere und konsequentere Lösung.

c) Zu erheblichen Problemen, die praktisch nicht befriedigend gelöst werden können, kommt die Streitgenossenschaftslösung auch im Falle des Neueintritts und des Mitgliederwechsels während des Erkenntnis- und des Vollstreckungsverfahrens im Gesamthandsschuldprozeß. Die Vertreter der Streitgenossenschaftslösung gehen bei einem während des Erkenntnisverfahrens eingetretenen Parteiwechsel analog §§ 239, 241, 246 ZPO von einem gesetzlichen Parteiwechsel aus (MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 60 ff.; Heller aaO, S. 200 f.): Auf Antrag sei der Prozeß in diesem Fall analog § 246 ZPO bis zur Aufnahme des Verfahrens durch den neuen Gesellschafter zu unterbrechen; das Rubrum sei vom Gericht zu berichtigen; bleibe ein nach Rechtshängigkeit erfolgter Neueintritt oder Mitgliederwechsel bis zum Abschluß
des Erkenntnisverfahrens unbekannt, könne der Titel nachträglich analog § 727 ZPO auf den neueingetretenen Gesellschafter umgeschrieben werden; gleiches gelte für den nach Abschluß des Erkenntnisverfahrens und vor Beginn der Zwangsvollstreckung neu eingetretenen Gesellschafter.
Dieser Lösungsvorschlag ist in praktischer Hinsicht unzulänglich. So ist eine Titelumschreibung gemäß § 727 ZPO jedenfalls dann nicht mehr möglich, wenn der unerkannte Neueintritt oder Mitgliederwechsel vor Rechtshängigkeit der Klage erfolgt ist. Die Vorschrift ist nur auf nach Rechtshängigkeit eingetretene Rechtsänderungen anwendbar (BGHZ 120, 387, 392). Die Möglichkeit der Titelumschreibung versagt zudem, wenn der Gläubiger den Neueintritt nicht in der gemäß § 727 ZPO erforderlichen Art und Weise (Offenkundigkeit bei Gericht oder öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden) nachweisen kann. Er müßte dann erst Klage auf Klauselerteilung gemäß § 731 ZPO erheben. Im übrigen ist zu bedenken, daß bei Bekanntwerden eines vom Titel abweichenden Bestandes der Gesellschafter zunächst in jedem Fall erst einmal das Zwangsvollstreckungsverfahren eingestellt werden müßte. Etwa bereits eingeleitete Forderungspfändungen und andere Zwangsmaßnahmen gingen ins Leere und die Gesellschaft könnte inzwischen anderweitig über die zur Zwangsvollstreckung ausersehenen Gegenstände verfügen. Im übrigen könnte die Gesellschaft - die Gefahr ist insbesondere bei Publikumsgesellschaften gegeben - die Vollstreckung durch sukzessive Bekanntgabe immer weiterer Veränderungen im Gesellschafterbestand nahezu gänzlich unmöglich machen (vgl. Wiedemann aaO, S. 5). Die Streitgenossenschaftslösung kann demnach die infolge des Auseinanderfallens von materieller Berechtigung (die der Gesellschaft zukommt) und Prozeßführungsbefugnis (die bei den Gesellschaftern liegen soll) unweigerlich auftretenden Probleme nicht befriedigend lösen, sondern
verlagert sie lediglich vom Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren. Bei Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft hindert eine Veränderung im Gesellschafterbestand - sei sie vor, während oder nach dem Prozeß erfolgt - die Rechtsdurchsetzung hingegen in keiner Weise.
3. Die Regelung des § 736 ZPO, wonach zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich ist, steht der Anerkennung der Parteifähigkeit nicht entgegen. Ein gegen die Gesamtheit der gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter als Partei ergangenes Urteil ist ein Urteil "gegen alle Gesellschafter" im Sinne des § 736 ZPO. Die Vorschrift verlangt weder vom Wortlaut noch vom Zweck her ein Urteil gegen jeden einzelnen Gesellschafter.

a) Aus der Entstehungsgeschichte des § 736 ZPO folgt, daß Zweck dieser Regelung die Verhinderung der Vollstreckung von Privatgläubigern einzelner Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen, nicht aber der Ausschluß der Parteifähigkeit der Gesellschaft ist (ausführlich Wertenbruch aaO, S. 122 ff.; vgl. auch Wiedemann aaO, S. 10). Nach § 645 des ersten Entwurfs (E I) zum BGB (abgedruckt bei Mugdan II CVII), der die Gesellschaft als römischrechtliche Bruchteilsgemeinschaft gestaltete, war die Verfügung des Gesellschafters über seinen Anteil nicht dinglich, sondern nur schuldrechtlich ausgeschlossen. Privatgläubiger einzelner Gesellschafter hätten im Rahmen der Zwangsvollstreckung also direkt Zugriff auf deren Anteile am Gesellschaftsvermögen gehabt. Um eine solche Vollstreckung von Privatgläubigern einzelner Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen zu verhindern, beschloß die zweite Kommission zunächst "in eventueller Abstimmung, für den Fall der Beibehaltung des § 645 des Entwurfs" (Prot. II 428 = Mugdan II 989) folgenden § 645 a:

"Die Zwangsvollstreckung in die gemeinschaftlichen Gegenstände findet nur aufgrund eines gegen sämmtliche Gesellschafter vollstreckbaren Schuldtitels statt. Aufgrund eines nur gegen einen Gesellschafter vollstreckbaren Schuldtitels findet die Zwangsvollstreckung nur in dasjenige statt, was dem Gesellschafter als Gewinnantheil oder bei der Auseinandersetzung zukommt. ..." (Prot. II 426 = Mugdan II 988). Im weiteren Verlauf der Beratungen entschied sich die zweite Kommission , an Stelle des § 645 E I das Prinzip der gesamten Hand zu setzen (Prot. II 428 ff. = Mugdan II 990 ff.), welches in § 658 des zweiten Entwurfs (abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs Bd. III 1983, S. 296) seinen Ausdruck fand. § 658 E II entspricht dem heutigen § 719 BGB und enthielt zunächst zusätzlich folgenden Absatz 3:
"Die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen findet nur aufgrund eines gegen sämmtliche Gesellschafter vollstreckbaren Schuldtitels statt." Später wurde dieser Abs. 3 aus dem zweiten Entwurf zum BGB gestrichen. "Als Ersatz" sollte "im Art. 11 des Einführungsgesetzes vor dem § 671 a folgender § 671 in die Civilprozeßordnung eingestellt werden" (Jakobs /Schubert aaO, S. 297 Fn. 20):
"Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer nach § 745 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingegangenen Gesellschaft ist ein gegen alle Gesellschafter vollstreckbares Urtheil erforderlich." Hieraus wurde schließlich die Bestimmung des § 736 ZPO.
Diese Entwicklung zeigt, daß die Regelung eine Ausprägung des Prinzips der gesamthänderischen Bindung des Gesellschaftsvermögens darstellt, mit dessen Übernahme der historische Gesetzgeber erreichen wollte, daß der einzelne Gesellschafter nicht über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen verfügen (§ 719 Abs. 1 BGB), daß er sich nicht durch Aufrechnung mit einer ihm nur gegen einen der anderen Gesellschafter zustehenden Forderung aus einer Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft befreien (§ 719 Abs. 2 BGB) und daß nicht ein Gläubiger nur eines Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen vollstrecken können soll (§ 736 ZPO). Diese Zielsetzung ist in der dem Reichstag mit dem Gesetzentwurf des BGB vom Reichsjustizamt vorgelegten Denkschrift (Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs 1896, S. 87 f.) ausdrücklich in diesem Sinne formuliert worden. Die Regelung in § 736 ZPO stellt mithin als Ausdruck der gesamthänderischen Vermögensbindung das vollstreckungsrechtliche Pendant zu § 719 Abs. 1 BGB dar und wird treffend auch als "§ 719 Abs. 3 BGB" (Wertenbruch aaO, S. 124, 129) bezeichnet.
Das Ziel der Verhinderung einer Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen durch Gläubiger nur einzelner Gesellschafter wird bei Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft mindestens ebenso gut erreicht wie bei Zulassung von Klagen nur gegen die einzelnen Gesellschafter. Es kann deshalb nicht festgestellt werden, daß die Regelung des § 736 ZPO zum Ziel hat, die Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Zivilprozeß auszuschließen. Die Parteifähigkeit der Gesellschaft ist vom Gesetzgeber ebensowenig abschließend geregelt worden wie das "Wesen der Gesamthand" allgemein. Dementsprechend hat Gottlieb Planck, Generalreferent der zweiten Kommission, bereits in der im Jahre 1900 erschienenen ersten Auflage seines
Kommentars zum BGB trotz Ablehnung der Parteifähigkeit ausgeführt, die §§ 736, 859 ZPO berührten die Parteifähigkeit der Gesellschaft nicht, sie seien lediglich mit Rücksicht auf das Gesamthandsprinzip in das Gesetz aufgenommen worden (vor § 705 Anm. II 2, S. 453).

b) Kein durchgreifendes Argument gegen die Anerkennung einer Parteifähigkeit kann auch der amtlichen Begründung der CPO-Novelle zu § 670 b CPO (später § 736 ZPO) aus dem Jahre 1897 (Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 8. Band, 1898, S. 138 f.) entnommen werden. Soweit es darin heißt, die Gesellschaft könne nicht "als solche" verklagt werden, muß das nicht im Sinne einer Ablehnung der Parteifähigkeit gemeint sein. Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert galt der Begriff "Gesellschaft als solche" - wie Wertenbruch (aaO S. 9 ff.; 46 ff.; 132) nachgewiesen hat - als Umschreibung für juristische Person. So hieß es in Art. 231 ADHGB zur Aktiengesellschaft, diese könne "als solche" klagen und verklagt werden (vgl. auch den heutigen § 41 Abs. 1 AktG). Bei der OHG hingegen wurde der Zusatz, die Gesellschaft habe "als solche" ihre Rechte und Pflichten und ihr besonderes Vermögen, wie er noch in Art. 87 des preußischen Entwurfs zum ADHGB aus dem Jahre 1857 enthalten war, nicht in den späteren Art. 111 ADHGB (heute § 124 HGB) übernommen, weil darin eine Definition der juristischen Person zu sehen sei (vgl. Lutz, Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches 1858, S. 156). Daß die Formulierung "als solche" in bezug auf die Aktiengesellschaft die Gestaltung als juristische Person zum Ausdruck bringen soll, geht auch aus den Ausführungen von Makower (HGB Band I 13. Aufl. 1906, § 210 Anm. I a) und Flechtheim (in Düringer/Hachenburg, HGB 3. Aufl. 1934, § 210 Anm. 2) hervor.

c) Die Bestimmung des § 736 ZPO wird durch die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft nicht überflüssig. Versteht man die Bestimmung so, daß der Gläubiger nicht nur mit einem Titel gegen die Gesellschaft als Partei in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken kann, sondern auch mit einem Titel gegen alle einzelnen Gesellschafter aus ihrer persönlichen Mithaftung (vgl. auch MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 54), behält sie durchaus einen eigenständigen Regelungsgehalt. Die Rechtslage bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist insoweit anders als bei der OHG, wo gemäß § 124 Abs. 2 HGB eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ausschließlich mit einem gegen die Gesellschaft lautenden Titel möglich ist.
4. Auch der Umstand der fehlenden Registerpublizität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts hindert nicht die Anerkennung ihrer Parteifähigkeit. Der Senat verkennt zwar nicht, daß es wegen der fehlenden Publizität in einigen Fällen schwierig werden könnte, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Prozeß so klar zu bezeichnen, daß eine eindeutige Identifizierung - vor allem auch im Vollstreckungsverfahren - möglich ist. Auch ist von außen nicht immer leicht zu ermitteln, inwieweit ein Zusammenschluß mehrerer tatsächlich als (Außen -)Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert ist (vgl. K. Schmidt aaO, § 60 IV 1, S. 1806 f.). Diese Schwierigkeiten wiegen aber nicht so schwer, daß daran die Anerkennung der Parteifähigkeit scheitern müßte.
Im Aktivprozeß der Gesellschaft ist es den für die Gesellschaft auftretenden Personen ohne weiteres zumutbar, die Gesellschaft - beispielsweise durch die möglichst exakte Bezeichnung der Gesellschafter, der gesetzlichen Vertreter und der Bezeichnung, unter der die Gesellschaft im Verkehr auftritt - identifizierbar zu beschreiben. Sollte sich im Verlauf des Prozesses heraus-
stellen, daß tatsächlich keine Außengesellschaft existiert, müßte zumindest derjenige für die Prozeßkosten aufkommen, der im Namen der vermeintlichen Gesellschaft den Prozeß als deren Vertreter ausgelöst hat. Im Falle des Auftretens für eine nicht existierende Partei trägt der in deren Namen auftretende und die Existenz der Partei behauptende Vertreter als Veranlasser des unzulässigen Verfahrens die Prozeßkosten (Sen.Urt. v. 25. Januar 1999 - II ZR 383/96, ZIP 1999, 489, 491 m.w.N.). Es ist also immer zumindest eine natürliche Person als Kostenschuldner vorhanden.
Im Passivprozeß ist es wegen der persönlichen Gesellschafterhaftung für den Kläger - wie bei der OHG (vgl. Behr, NJW 2000, 1137, 1139) - praktisch immer ratsam, neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter persönlich zu verklagen. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn nicht sicher ist, ob eine wirkliche Außengesellschaft mit Gesamthandsvermögen existiert. Stellt sich während des Prozesses heraus, daß die Gesellschafter nicht als Gesamthandsgemeinschaft verpflichtet sind, sondern nur einzeln als Gesamtschuldner aus einer gemeinschaftlichen Verpflichtung schulden (§ 427 BGB), wird nur die Klage gegen die Gesellschaft - nicht aber die gegen die Gesellschafter persönlich - abgewiesen. Stellt sich erst während der Zwangsvollstreckung heraus, daß überhaupt kein Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, bleiben dem Gläubiger noch die Titel gegen die einzelnen Gesellschafter. Es besteht also bei Annahme einer Parteifähigkeit der Gesellschaft kein Unterschied zur Situation, wie sie sich auf der Grundlage der Streitgenossenschaftslösung darstellt, denn auch hier wird zwischen der Klage gegen die Gesamthand (Gesamthandsschuldklage ) und gegen die Gesellschafter (Gesamtschuldklage) unterschieden (MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 47 ff.; Heller aaO, S. 73 ff.). Im übrigen bleibt es dem Gesellschaftsgläubiger auch bei Anerkennung der Par-
teifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unbenommen, ausschließlich die Gesellschafter persönlich in Anspruch zu nehmen. Dem Gesellschaftsgläubiger wird die Rechtsverfolgung demnach durch die Anerkennung der Parteifähigkeit in keiner Weise erschwert.

B.


Die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage ist auch begründet. Insbesondere ist die Beklagte zu 1 wechselfähig. Die Gründe, die vom Bundesgerichtshof zur Begründung der Scheckfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts herangezogen worden sind (BGHZ 136, 254, 257 f.), sprechen in gleichem Maße auch für deren Wechselfähigkeit (vgl. auch Flume, Allgemeiner Teil aaO, S. 108 f.; Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 21. Aufl. Einl. WG Rdn. 20 a).
Damit erweist sich das landgerichtliche Urteil, soweit es die Verurteilung der Beklagten zu 1, 2 und 3 betrifft, im Grunde als zutreffend. Im Urteilstenor war jedoch kenntlich zu machen, daß zwischen den Ansprüchen gegen die Beklagte zu 1 einerseits und denen gegen die Beklagten zu 2 und 3 andererseits kein echtes Gesamtschuldverhältnis besteht, jedoch die Beklagte zu 1 neben den ihrerseits untereinander gesamtschuldnerisch haftenden Gesellschafterinnen wie eine Gesamtschuldnerin verpflichtet ist. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 27. September 1999 (BGHZ 142, 315, 318 ff.) die Frage der rechtlichen Einordnung der Gesellschafterhaftung noch offengelassen. Sie ist nunmehr in Konsequenz der Anerkennung der beschränkten Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne einer akzessorischen Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu entscheiden. So-
weit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch persönlich haftet (BGHZ 142, 315, 318), ist der jeweilige Bestand der Gesellschaftsschuld also auch für die persönliche Haftung maßgebend. Insoweit entspricht das Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterhaftung damit der Rechtslage in den Fällen der akzessorischen Gesellschafterhaftung gemäß §§ 128 f. HGB bei der OHG. Danach ist eine unmittelbare Anwendung der §§ 420 ff. BGB nicht möglich, weil kein echtes Gesamtschuldverhältnis besteht; es ist aber zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der jeweils verschiedenartigen Interessen der Beteiligten der Rechtsgedanke der §§ 420 ff. BGB im Einzelfall zur Anwendung kommt oder nicht (BGHZ 39, 319, 329; 44, 229, 233; 47, 376, 378 ff.; 104, 76, 78). Für die Gesellschaft als originär Verpflichtete ist die entsprechende Anwendung der Gesamtschuldregeln im Verhältnis zur Gesellschafterhaftung grundsätzlich angebracht. Stehen den Gesellschaftern beispielsweise individuelle Einreden im Sinne des § 425 BGB gegen ihre persönliche Inanspruchnahme zu, wäre es nicht gerechtfertigt, daß sich auch die Gesellschaft darauf berufen könnte.

C.


Hinsichtlich der Abweisung der gegen den Beklagten zu 4 gerichteten Klage auf Haftung kraft Rechtsscheins hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision stand. Eine Rechtsscheinhaftung des Beklagten zu 4 für die Wechselverbindlichkeit der Beklagten zu 1 käme in Betracht, wenn er gegenüber der Klägerin in zurechenbarer Weise den Eindruck erweckt hätte, er sei selbst Mitglied der ARGE und folglich persönlich haftender Gesellschafter (vgl. BGHZ 17, 13, 15). Das Berufungsgericht ist aber zu Recht davon ausgegangen , daß die von der Klägerin dargelegten Umstände nicht den Schluß darauf zulassen, der als Architekt tätige Beklagte zu 4 sei ihr gegenüber als Gesellschafter der ARGE aufgetreten.
Insbesondere reicht es für eine solche Schlußfolgerung nicht aus, daß der Beklagte zu 4 in dem von der ARGE gegenüber der Klägerin - die als Nachunternehmerin der ARGE beauftragt war - verwendeten Briefkopf aufgeführt ist. Dieser Briefkopf ist in der Form gestaltet, daß dort unter der hervorgehobenen Überschrift "Arbeitsgemeinschaft W. " die Beklagten zu 2 und 3 - beides Gesellschaften mit beschränkter Haftung - als "Technische Geschäftsführung" (Beklagte zu 2) und als "Kaufm. Geschäftsführung" (Beklagte zu 3) sowie der Beklagte zu 4 als "Bauleitung" bezeichnet werden. Läßt sich ein Architekt in dieser Weise im Briefkopf einer bauwirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft aufführen, muß er nicht damit rechnen, daß bei deren Nachunternehmern , denen gegenüber der Briefkopf verwendet wird, der Eindruck entsteht , er sei selbst Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft. Bei "technischer Geschäftsführung", "kaufmännischer Geschäftsführung" und "Bauleitung" handelt es sich gemäß § 5 des Mustervertrages des Hauptverbandes der Deut-
schen Bauindustrie für Arbeitsgemeinschaften (ARGE-Vertrag, abgedruckt bei Burchardt/Pfülb, ARGE-Kommentar, 3. Aufl.), der seit vielen Jahren verwendet wird, im Baugewerbe weit verbreitet ist (vgl. Langen in Kapellmann/Vygen, Jahrbuch Baurecht 1999, S. 64, 69) und auch im vorliegenden Fall zur Anwendung kam, um die nach außen in Erscheinung tretenden "Organe" der in Teilen körperschaftlich strukturierten Arbeitsgemeinschaften. Es ist deshalb anzunehmen , daß der baugewerbliche Rechtsverkehr bei einer Auflistung dieser Bezeichnungen im allgemeinen an eine Benennung der Gesellschaftsorgane, nicht aber an eine Benennung der Gesellschafter denkt. Zwar trifft es zu, daß nach dem personengesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Selbstorganschaft als technische und kaufmännische Geschäftsführer nur Personen in Frage kommen, die auch Gesellschafter sind. Es würde aber zu weit gehen, würde man dem Rechtsverkehr ein Verständnis dahingehend unterstellen, daß die Nennung von Geschäftsführung und Bauleitung in einem Briefkopf darauf schließen ließe, auch der Bauleiter müsse Gesellschafter sein. Üblicherweise wird nämlich die Bauleitung auf solche Personen übertragen, die zwar Mitarbeiter eines Gesellschafters, nicht aber selbst Gesellschafter sind (Burchardt/Pfülb aaO, § 9 Rdn. 7, 12 ff.). In diese Richtung weist im vorliegenden Fall zudem der Umstand, daß im Vertragsformular des der Hingabe des Wechsels zugrunde liegenden Nachunternehmervertrages zwischen Klägerin und Beklagter zu 1 ausdrücklich zwischen der ARGE als "Auftraggeber und Bauherr i.S. dieses Vertrages" und dem Beklagten zu 4, der unter der Rubrik "Planung und Bauleitung" aufgeführt ist, differenziert wird.
Der Umstand, daß der Beklagte zu 4 nach dem Vortrag der Klägerin sämtliche Vertragsverhandlungen mit ihr geführt und auch das streitgegenständliche Wechselakzept im Namen der Beklagten zu 1 unterschrieben hat,
reicht für die Begründung einer Rechtsscheinhaftung ebenfalls nicht aus. Der Beklagte zu 4 war Geschäftsführer der ihrerseits als technische Geschäftsführerin der ARGE eingesetzten Beklagten zu 2 und in dieser Funktion allgemein zum Abschluß von Nachunternehmerverträgen für die ARGE befugt (§ 7.45 ARGE-Vertrag). Selbst wenn die Klägerin keine Kenntnis von dieser Funktion des Beklagten zu 4 gehabt hätte, hätte dessen Handeln nicht zwangsläufig darauf schließen lassen müssen, daß er in eigener Person Gesellschafter der ARGE ist. Es wäre vielmehr auch denkbar - wenn nicht sogar naheliegender - gewesen, daß Abschluß und Abwicklung des Nachunternehmervertrages von der Geschäftsführung der ARGE auf den Bauleiter als Unterbevollmächtigten weiterdelegiert worden ist, was durchaus zulässig gewesen wäre (vgl. Burchardt/Pfülb aaO, § 9 Rdn. 9) und ebenfalls nicht zu einer persönlichen Haftung des Beklagten zu 4 geführt hätte. Der von der Revision zur Begründung der Rechtsscheinhaftung schließlich noch herangezogene Vortrag der Klägerin, wonach der Beklagte zu 4 sämtliche Bankgeschäfte der ARGE erledigt habe, vermag eine Rechtsscheinhaftung gegenüber der Klägerin schon
deshalb nicht zu begründen, weil nicht ersichtlich ist, inwiefern es sich bei einem solchen Handeln des Beklagten zu 4 gegenüber Dritten um einen im Verhältnis zur Klägerin gesetzten Rechtsschein gehandelt haben könnte.

Röhricht Henze Goette
Kurzwelly Münke

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

§ 1, § 2 Nummern 4 und 5, § 4, § 5 Nummern 2, 4c und 5, §§ 10 und 11 sowie die Anlagen 1 und 2 des Luftverkehrsteuergesetzes vom 9. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 1885) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes sowie zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes vom 5. Dezember 2012 (Bundesgesetzblatt I Seite 2436) sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Die abstrakte Normenkontrolle betrifft das Gesetz über die Erhebung einer Luftverkehrsteuer auf in Deutschland startende gewerbliche Passagierflüge.

I.

2

Im Juni 2010 beschloss die Bundesregierung als Teil eines Maßnahmepakets zur Konsolidierung des Bundeshaushalts die Einführung einer Luftverkehrsteuer mit dem Ziel, Einnahmen für den Bund in Höhe von 1 Milliarde Euro jährlich zu erzielen. Daneben beabsichtigte die Bundesregierung auch eine Verstärkung der Anreize für umweltgerechtes Verhalten durch die Einbeziehung des Flugverkehrs in eine Mobilitätsbesteuerung. Der Deutsche Bundestag verabschiedete am 28. Oktober 2010 das Luftverkehrsteuergesetz als Artikel 1 des Haushaltsbegleitgesetzes 2011. Es wurde am 14. Dezember 2010 verkündet (BGBl I S. 1885) und trat mit Ausnahme des § 5 Nr. 5 (Steuerbefreiung für bestimmte Flüge zu und von Nordseeinseln) am folgenden Tag in Kraft.

II.

3

Das Luftverkehrsteuergesetz (LuftVStG) begründet eine Steuerpflicht für die in Deutschland ab dem 1. Januar 2011 startenden Abflüge von Fluggästen, die von einem gewerblichen Luftverkehrsunternehmen transportiert werden. Steuergegenstand ist der "Rechtsvorgang, der zum Abflug eines Fluggastes von einem inländischen Startort mit einem Flugzeug oder Drehflügler durch ein Luftfahrtverkehrsunternehmen zu einem Zielort berechtigt" (§ 1 Abs. 1 LuftVStG), ersatzweise die "Zuweisung eines Sitzplatzes … an einen Fluggast" (§ 1 Abs. 2 LuftVStG). Die Steuer entsteht mit dem Abflug des Fluggastes von einem inländischen Startort (§ 4 LuftVStG). Steuerschuldner ist grundsätzlich das Luftverkehrsunternehmen (§ 6 LuftVStG).

4

Ausgenommen von der Steuerpflicht werden durch § 2 Nummern 4 und 5 LuftVStG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 LuftVStG Abflüge von einem inländischen Startort im Rahmen von Transit- und Transferflügen mit kurzem Zwischenstopp, der je nach Zielort des Flugzeugs bis zu 12 oder 24 Stunden betragen darf (sog. Umsteigerprivileg), es sei denn, dem Abflug nach der Zwischenlandung in Deutschland liege ein eigener Rechtsvorgang zugrunde, etwa ein bei einem anderen Luftverkehrsunternehmen gesondert gebuchtes Ticket. Steuerbefreit sind darüber hinaus nach § 5 LuftVStG insbesondere Flüge zu medizinischen und zu militärischen oder anderen hoheitlichen Zwecken, erneute Abflüge nach Flugabbrüchen, Flüge zu inländischen Inseln für Bewohner dieser Inseln, Flüge zwischen Nordseeinseln ohne tidenunabhängigen Straßen- oder Gleisanschluss oder zwischen diesen Inseln und einem küstennahen Festlandflughafen, Rundflüge in Leichtflugzeugen sowie Flüge von Personen unter zwei Jahren ohne eigenen Sitzplatz und solche von Flugbesatzungen.

5

Grundlage der Bemessung der Steuer sind nach § 10 LuftVStG die geographische Lage des gewählten Zielorts, pauschaliert nach Distanzklassen entsprechend dem Abstand des Flughafens Frankfurt am Main zum wichtigsten Flughafen des Ziellandes, und die Anzahl der beförderten Fluggäste (BTDrucks 17/3030, S. 39). Das Luftverkehrsteuergesetz sieht in § 11 Abs. 1 LuftVStG in Verbindung mit den Anlagen 1 und 2 drei nach Distanzklassen gegliederte Steuersätze vor:

- Kurzstrecken bis maximal 2500 km (Länder der Anlage 1),

- Mittelstrecken zwischen 2500 und maximal 6000 km (Länder der Anlage 2),

- Langstrecken über 6000 km (nicht in den Anlagen genannte Länder).

6

Die Steuer betrug anfänglich je Fluggast 8 Euro für Kurzstrecken, 25 Euro für Mittelstrecken und 45 Euro für Langstrecken (§ 11 Abs. 1 LuftVStG i.V.m. den Anlagen 1 und 2). Der Gesetzgeber wollte allerdings bei der steuerlichen Belastung auch die finanzielle Last des Luftverkehrs aus dem Treibhausgasemissionszertifikatehandel berücksichtigen und hat deshalb insgesamt das Aufkommen aus beiden Systemen auf 1 Milliarde Euro im Jahr begrenzt (§ 11 Abs. 2 Satz 2 LuftVStG). Seit dem 1. Januar 2012 gelten wegen dieser Einbeziehung niedrigere Steuersätze von 7,50 Euro, 23,43 Euro und 42,18 Euro für die drei Distanzklassen. Die Absenkung der Steuersätze erfolgte zunächst durch die Verordnung zur Absenkung der Steuersätze nach § 11 Abs. 2 des Luftverkehrsteuergesetzes im Jahr 2012 (Luftverkehrsteuer-Absenkungsverordnung 2012) vom 16. Dezember 2011 (BGBl I S. 2732) für die Zeit ab dem 1. Januar 2012. Diese Steuersätze wurden durch Gesetz zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes sowie zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes vom 5. Dezember 2012 (BGBl I S. 2436) mit Wirkung zum 1. Januar 2013 in das Luftverkehrsteuergesetz aufgenommen und für die Zeit ab dem 1. Januar 2014 durch die Verordnung zur Festlegung der Steuersätze im Jahr 2014 nach § 11 Abs. 2 des Luftverkehrsteuergesetzes (Luftverkehrsteuer-Festlegungsverordnung 2014 - LuftVStFestV 2014 - vom 19. Dezember 2013, BGBl I S. 4383) erneut und unverändert festgesetzt.

7

Die heute maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1

Steuergegenstand

(1) Der Luftverkehrsteuer unterliegt ein Rechtsvorgang, der zum Abflug eines Fluggastes von einem inländischen Startort mit einem Flugzeug oder Drehflügler durch ein Luftverkehrsunternehmen zu einem Zielort berechtigt.

(2) Als Rechtsvorgang im Sinne des Absatzes 1 gilt auch die Zuweisung eines Sitzplatzes in einem Flugzeug oder Drehflügler an einen Fluggast, wenn kein anderer Rechtsvorgang im Sinne dieses Gesetzes vorausgegangen ist.

§ 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes ist oder sind:

(…)

4. Zielort:

der inländische oder ausländische Ort, auf dem gemäß dem Rechtsvorgang die Flugreise des Fluggastes planmäßig enden soll. Wird die Flugreise planmäßig auf einem inländischen Flugplatz nach § 6 Absatz 1 des Luftverkehrsgesetzes oder Grundstück, für das eine Erlaubnis nach § 25 Absatz 1 Satz 1 des Luftverkehrsgesetzes notwendig ist, durch eine Zwischenlandung nach Nummer 5 unterbrochen, so gilt der inländische Flugplatz nach § 6 Absatz 1 des Luftverkehrsgesetzes oder das Grundstück, für das eine Erlaubnis nach § 25 Absatz 1 Satz 1 des Luftverkehrsgesetzes notwendig ist, auf dem die Zwischenlandung erfolgt, als der Zielort, auf dem die Flugreise des Fluggastes endet, und der Weiterflug als neuer Abflug zu einem Zielort im Sinne von § 4;

5. Zwischenlandung:

Flugunterbrechungen von:

a) mehr als zwölf Stunden bei Flügen, die zu einem Zielort in einem Land nach Anlage 1 führen,

b) mehr als 24 Stunden bei Flügen, die zu einem Zielort in einem nicht in Anlage 1 genannten Land führen;

(…)

§ 4

Entstehung der Steuer

Die Steuer nach § 1 entsteht mit dem Abflug des Fluggastes von einem inländischen Startort.

§ 5

Steuerbefreiungen

Von der Besteuerung ausgenommen sind die folgenden Rechtsvorgänge, die zu einem Abflug von einem inländischen Startort berechtigen:

(…)

2. Abflüge von Fluggästen in Flugzeugen oder Drehflüglern, wenn der Flug ausschließlich militärischen oder anderen hoheitlichen Zwecken dient;

(…)

4. Abflüge von Fluggästen,

(…)

c) die hoheitliche Aufgaben auf einer inländischen Insel wahrnehmen

von und zu dieser inländischen Insel, vorausgesetzt, die Insel ist nicht über einen tidenunabhängigen Straßen- oder Gleisanschluss mit dem Festland verbunden und der Start- oder Zielort auf dem Festland ist nicht weiter als 100 Kilometer Luftlinie von der Küste entfernt oder befindet sich auf einer anderen inländischen Insel;

5. Abflüge von Fluggästen, die nicht bereits gemäß Nummer 4 steuerbefreit sind, von und zu einer inländischen, dänischen oder niederländischen Nordseeinsel, die nicht über einen tidenunabhängigen Straßen- oder Gleisanschluss mit dem Festland verbunden ist, wenn der Start- oder Zielort

a) auf dem Festland nicht weiter als 100 Kilometer Luftlinie von der Küste entfernt ist oder

b) sich auf einer anderen inländischen, dänischen oder niederländischen Nordseeinsel befindet;

(…)

§ 10

Bemessungsgrundlage

Die Steuer bemisst sich nach der Lage des jeweils gewählten Zielorts und der Anzahl der beförderten Fluggäste.

§ 11

Steuersatz

(1) Die Steuer beträgt je Fluggast für Flüge mit einem Zielort

1.

in einem Land der Anlage 1 zu diesem Gesetz

7,50 Euro

2.

in einem Land der Anlage 2 zu diesem Gesetz

23,43 Euro

3.

in anderen Ländern

42,18 Euro.

(2) Das Bundesministerium der Finanzen wird ab 2013 ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Steuersätze nach Absatz 1 jeweils mit Wirkung zu Beginn eines Kalenderjahres prozentual abzusenken. Die prozentuale Absenkung errechnet sich aus dem Verhältnis der jeweiligen Einnahmen des Vorjahres aus der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten zu 1 Milliarde Euro. Die Einnahmen aus der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten werden auf Basis der Einnahmen des jeweils ersten Halbjahres des Vorjahres geschätzt. Der abgesenkte Steuersatz wird auf volle Cent gerundet.

III.

8

Die Landesregierung des Landes Rheinland-Pfalz beantragt im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle die Feststellung der Nichtigkeit des Luftverkehrsteuergesetzes. Sie rügt die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes und im Einzelnen Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG durch § 1 Abs. 1, § 2 Nummern 4 und 5, § 4, § 5 Nummern 2, 4c und 5 sowie § 11 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 LuftVStG.

9

1. Soweit die Bundesregierung in der Gesetzesbegründung die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass des Luftverkehrsteuergesetzes auf Art. 105 Abs. 2 Alt. 1 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG gestützt habe, bestünden Zweifel an der Einordnung der Luftverkehrsteuer als Verkehrsteuer, weil der Gesetzeswortlaut nicht klar erkennen lasse, ob ein rechtlicher - so § 1 Abs. 1 LuftVStG - oder ein tatsächlicher Vorgang - so § 1 Abs. 2 und § 4 LuftVStG - Anknüpfungspunkt der Steuerpflicht sei. Aber auch bei Annahme einer Verkehrsteuer sei die Auffassung vertretbar, dass die Luftverkehrsteuer keine "sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuer" im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG sei, weil sich dieser Begriff nur auf motorisierte Verkehrsmittel des Straßenverkehrs beziehe. Auf andere Kompetenzvorschriften könne sich der Bund nicht berufen.

10

2. Die Ermächtigung des Bundesministeriums der Finanzen in § 11 Abs. 2 LuftVStG, zur Vermeidung einer Doppelbelastung der Luftverkehrsunternehmen durch Luftverkehrsteuer und Treibhausgasemissionshandelssystem durch Rechtsverordnung die Steuersätze mit Wirkung zu Beginn eines Kalenderjahres prozentual abzusenken, sei unvereinbar mit dem Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG). Die Ermächtigung überlasse dem Verordnungsgeber die ausschließliche Entscheidung darüber, ob eine Senkung der Steuer erfolgen solle.

11

3. Die Regelungen des Luftverkehrsteuergesetzes verletzen nach Auffassung der Antragstellerin den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

12

Die Luftverkehrsteuer erfasse alleine den gewerblichen Passagierluftverkehr; Fracht- und Privatflüge würden nicht belastet.

13

Die länderbezogene Pauschalierung der Steuer in § 11 Abs. 1 LuftVStG verletze Art. 3 Abs. 1 GG. Sie führe zu einer mit dem Gebot der Folgerichtigkeit unvereinbaren Ungleichbehandlung der gewerblichen Luftverkehrsunternehmen untereinander. Der Steuersatz sei ausweislich der Gesetzesbegründung nicht abhängig von tatsächlich zurückgelegten Flugkilometern, sondern von der Entfernung zwischen dem Flughafen Frankfurt am Main und dem größten Verkehrsflughafen des Staates, auf dessen Gebiet der Zielflughafen liege. Diese unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung möglicherweise sinnvoll erscheinende Anknüpfung sei nicht realitätsgerecht. Dadurch würden Flüge mit vergleichbarer Entfernung verschieden oder sogar kürzere Distanzen höher als längere Distanzen besteuert. So unterliege beispielsweise die Steuer für den circa 6000 km weiten Flug von Frankfurt am Main nach New York dem höchsten Steuersatz; der circa 8500 km weite Flug nach Wladiwostok werde hingegen nur mit dem niedrigsten Steuertarif belastet, weil für die Einstufung des in der Russischen Föderation gelegenen Flugziels der Flughafen in Moskau maßgeblich sei. Nach dem Lenkungszweck, Anreize für ein umweltgerechteres Verhalten zu setzen, müssten die Steuersätze sich aber wenigstens annähernd proportional zur Flugstrecke verhalten. Für die Konzeption des Steuersatzes liefere der Gesetzgeber keine konkrete ökologische oder andere Erklärung. Der von ihm angeführte Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung überzeuge nicht.

14

Die Luftverkehrsteuer belaste die Anbieter und die Passagiere von preisgünstigen Kurzstreckenflügen deutlich stärker als solche von Langstreckenflügen, weil der Preisaufschlag durch die Steuer im Verhältnis zum Ticketpreis wesentlich höher sei als bei Langstreckenflügen. Dies steigere den Anreiz vor allem für sogenannte Low-Cost-Airlines, ihr Flugangebot in das benachbarte Ausland zu verlagern, in dem keine Luftverkehrsteuer erhoben werde. Auch die steuerliche Privilegierung von touristischen Flügen von und zu Nordseeinseln nach § 5 Nummern 4c und 5 LuftVStG im Vergleich zu anderen innerdeutschen Flügen sei nicht gerechtfertigt.

15

Das aus § 2 Nummern 4 und 5 LuftVStG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 LuftVStG resultierende sogenannte Umsteigerprivileg führe dazu, dass überhaupt keine Luftverkehrsteuer entrichte, wer auf dem Weg von einem ausländischen Flughafen zu einem anderen ausländischen Flughafen auf einem deutschen Flughafen für weniger als 12 oder 24 Stunden zwischenlande. Damit könne die Steuer durch Ausweichen auf einen Start von einem Flughafen im benachbarten Ausland völlig umgangen werden, selbst wenn ein Weiterflug von einem deutschen Flughafen erfolge. Hierdurch seien die bei Hin- und Rückflug jeweils besteuerten innerdeutschen Flüge doppelt benachteiligt.

16

4. Das Luftverkehrsteuergesetz beeinträchtige in unverhältnismäßiger Weise die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Luftverkehrsunternehmen. Es ziele darauf, den Personenverkehr vom Luftverkehr weg und hin zu ökologisch günstigeren Verkehrsträgern zu bewegen und habe damit berufsregelnde Tendenz. Diesen Lenkungszweck erreiche das Gesetz trotz erheblicher Belastung einzelner Gruppen von Steuerpflichtigen kaum.

IV.

17

Zu dem Antrag haben sich das Bundesministerium der Finanzen für die Bundesregierung, der Deutsche ReiseVerband e.V. (DRV), der Board of Airline Representatives in Germany e.V. (BARIG), die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV), der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften e.V. (BDF) und die Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH geäußert.

18

1. Das Bundesministerium der Finanzen hält das Luftverkehrsteuergesetz für formell und materiell verfassungsmäßig.

19

a) Die Luftverkehrsteuer sei eine auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuer, für die nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes bestehe. Bei der Bestimmung der Steuerart seien die Begründung des Steuerschuldverhältnisses durch den Rechtsvorgang und die Entstehung der Steuerpflicht durch den Abflug zu unterscheiden. Nur bei der Entstehung werde an einen tatsächlichen Akt angeknüpft. Der Begriff der motorisierten Verkehrsmittel in Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG umfasse nach Wortlaut und Zweck der Grundgesetzänderung im Jahr 2009, die Mobilitätsbesteuerung weitreichend neu zu gestalten, auch den Luftverkehr.

20

b) Die Verordnungsermächtigung in § 11 Abs. 2 LuftVStG sei hinreichend bestimmt. Die durch Rechtsverordnung jährlich festzusetzenden Steuersätze stünden nicht im Ermessen des Bundesministeriums der Finanzen. Die Ermächtigung verpflichte lediglich zur jährlichen Anpassung und gebe dafür alle wesentlichen Elemente vor.

21

c) Eine Art. 3 Abs. 1 GG widersprechende Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte durch das Luftverkehrsteuergesetz liege nicht vor.

22

Die länderbezogene Zuweisung der drei Steuersätze stelle eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Verwaltungsvereinfachung dar. Sie entspreche dem Regelfall der Flugentfernung von Deutschland in das Zielland. Grundentscheidung sei die Staffelung der Steuer in Relation zu der im Regelfall zurückgelegten Entfernung. Bei der Anknüpfung an die Entfernung des größten Verkehrsflughafens eines Landes als Kriterium für die Zuordnung zu einer der drei Kategorien (Entfernung bis 2500 km, bis 6000 km oder über 6000 km) habe der Gesetzgeber davon ausgehen dürfen, dass diese Entfernung dem Regelfall eines Fluges von Deutschland in dieses Land entspreche. Einzelne Ausnahmen, wie von der Antragstellerin aufgeführt, seien nach dem tatsächlichen Flugaufkommen unbedeutend und atypisch; sie änderten nichts an der grundsätzlich folgerichtigen länderbezogenen Einteilung. Eine zielortbezogene Bemessung wäre nicht handhabbar, weil jedem Zielort ein Abflugort aus den über 400 deutschen Startorten für Passagierflugzeuge zugeordnet werden müsse und die genaue Flugroute vor Abflug nicht feststehe. Eine weitere Differenzierung der Steuersätze nach den Entfernungen schade der Transparenz und Berechenbarkeit der Steuer. Die länderbezogene Typisierung sei gerade im Bereich der Kurzstrecken wettbewerbsneutral.

23

Die Steuerbefreiung für Inselflüge sei sachlich gerechtfertigt durch die Gewährleistung einer Daseinsvorsorge für die Inselbewohner. Die Befreiung betreffe nur Inseln, die keinen tidenunabhängigen Straßen- oder Gleisanschluss zum Festland besäßen, und nur kurze Flugverbindungen zu Flughäfen mit weniger als 100 km Entfernung von der Küste. Die Befreiung sei nicht auf die Inselbewohner begrenzt, weil eine Besteuerung der touristischen Passagiere auf diesen Routen die Flugverbindungen insgesamt wirtschaftlich gefährden würde.

24

Das Umsteigerprivileg werde durch den Sachgrund getragen, eine Doppelbesteuerung für in Deutschland startende Zubringerflüge zu Langstreckenflügen zu vermeiden. Der Wegfall der Steuer für im Ausland startende Zubringerflüge sei dadurch begründet, dass die Steuer die Wettbewerbsfähigkeit von deutschen Flughäfen als internationale Drehkreuze nicht beeinträchtigen solle.

25

d) Das Luftverkehrsteuergesetz verstoße nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Die Luftverkehrsteuer wirke nicht berufsregelnd auf Luftverkehrsunternehmen. Das Grundrecht schütze nicht bestimmte Wettbewerbsstrategien. Die Steuer werde letztlich von den Passagieren getragen. Die mit ihr verbundenen Registrierungs- und Aufzeichnungspflichten seien auf ein Minimum beschränkt, dienten der Sicherung der Besteuerungsgrundlage, seien nicht unangemessen und damit gerechtfertigt. Die meisten Daten würden von den Luftfahrtgesellschaften ohnehin erhoben.

26

2. Der Deutsche ReiseVerband e.V. (DRV), der Board of Airline Representatives in Germany e.V. (BARIG), die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV), der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e.V. (BDL), der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften e.V. (BDF) und die Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH schließen sich dem Vorbringen der Antragstellerin zur formellen und materiellen Verfassungswidrigkeit des Luftverkehrsteuergesetzes an. Die Verbände tragen vor, die unterschiedliche Besteuerung von der Entfernung her vergleichbarer Zielorte führe zu einer Verlagerung von Fluggastströmen oder, falls sich die Steuer nicht an den Passagier weitergeben lasse, zu Streckenstreichungen. Bedingt durch den hohen Marktanteil am innerdeutschen Flugverkehr trügen die deutschen Fluggesellschaften 70 % der im nationalen Alleingang eingeführten Luftverkehrsteuer. Dadurch bestünden Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Fluggesellschaften in Deutschland und im Ausland, weil diese durch die Luftverkehrsteuer weniger belastet seien. Insgesamt habe die Luftverkehrsteuer zu einem geringeren Wachstum oder sogar zum Rückgang von Passagierzahlen an kleinen und mittleren Flughäfen im Vergleich zu den großen Flughäfen und zu solchen mit Drehkreuzfunktion geführt, aber auch gegenüber grenznahen ausländischen Flughäfen mit hohem Low-Cost-Carrier-Anteil.

B.

27

§ 1, § 2 Nummern 4 und 5, § 4, § 5 Nummern 2, 4c und 5 und §§ 10 und 11 LuftVStG sowie deren Anlagen 1 und 2 sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

28

Diese Vorschriften des Luftverkehrsteuergesetzes, auf die sich der Antrag der Sache nach beschränkt, sind formell verfassungsgemäß. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass der angegriffenen Normen folgt aus Art. 105 Abs. 2 Alt. 1 GG in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG. Nach Art. 105 Abs. 2 Alt. 1 GG hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über Steuern unter anderem, wenn ihm ihr Aufkommen ganz oder zum Teil zusteht. Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG weist dem Bund das Aufkommen der Straßengüterverkehrsteuer, der Kraftfahrzeugsteuer und sonstiger auf motorisierte Verkehrsmittel bezogener Verkehrsteuern zu. Der Kompetenztitel für das Steuerrecht erlaubt es auch, mit der Erhebung der Luftverkehrsteuer Lenkungsziele zu verfolgen (vgl. allgemein dazu BVerfGE 98, 106 <118>).

29

1. Bei der Luftverkehrsteuer handelt es sich um eine Steuer im Sinne der Finanzverfassung, weil sie zur Erzielung von Einnahmen für den Bund den Steuerschuldnern eine Geldzahlungspflicht ohne konkrete Gegenleistung hoheitlich auferlegt. Sie ist dem Typus der Verkehrsteuer zuzuordnen. Die Verkehrsteuer knüpft an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs an (vgl. BVerfGE 7, 244 <260>; 16, 64 <73>).

30

§ 1 Abs. 1 LuftVStG knüpft die Luftverkehrsteuer an den Rechtsakt, der zum Abflug eines Fluggastes berechtigt, und definiert damit den Steuergegenstand. Der maßgebliche Rechtsvorgang ist in der Regel der Abschluss eines (entgeltlichen) Beförderungsvertrags (so z.B. BTDrucks 17/3030, S. 36 f.). Soweit § 1 Abs. 2 LuftVStG als Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 LuftVStG die Zuweisung eines Sitzplatzes in einem Flugzeug oder Drehflügler an einen Fluggast fingiert, wenn kein anderer Rechtsvorgang im Sinne des Gesetzes vorangegangen ist, sollen damit Gesetzeslücken durch Abflugberechtigungen vermieden werden, die möglicherweise zwar nicht als Rechtsvorgänge zu beurteilen sind, solchen aber in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis im Wesentlichen gleich kommen. Es stößt nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken, atypische Fälle zur Vermeidung von Ertragslücken in Auffangtatbeständen zu erfassen, die im Einzelfall dem Steuertyp nicht mehr entsprechen. Zur Änderung der Gesamteinordnung des Steuertyps und der damit verbundenen Gesetzgebungskompetenz führt das nicht.

31

2. Die Luftverkehrsteuer ist eine sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuer im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG. Der Begriff des Verkehrsmittels umfasst neben demjenigen des Straßenverkehrs auch solche des Schiffs-, Bahn- und Flugverkehrs. Eine Beschränkung der Gesetzgebungskompetenz auf den straßengebundenen Verkehr lässt sich weder dem Wortlaut noch dem Normzweck entnehmen. Dass die erstgenannten Tatbestandsalternativen des Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG, die Straßengüterverkehrsteuer und die Kraftfahrzeugsteuer - anders als die hier maßgebliche dritte Tatbestandsalternative - nur den Straßenverkehr betreffen, erlaubt nicht den Rückschluss, dass auch sie sich allein auf den Straßenverkehr beziehe. Im Gegenteil wäre eine Einengung des Kompetenztitels auf straßenverkehrsmittelbezogene Steuern mit dem Zweck seiner Erweiterung im Jahr 2009 "auf sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern" nicht in Einklang zu bringen, wonach dem Bund eine umfassende Kompetenz für die Mobilitätsbesteuerung zur Entwicklung eines in sich geschlossenen Konzepts zur Verkehrsbesteuerung gegeben werden sollte (vgl. BTDrucks 16/11741, S. 1, 4).

II.

32

§ 11 Abs. 2 LuftVStG ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt wird, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Steuersätze nach § 11 Abs. 1 LuftVStG jeweils mit Wirkung zu Beginn eines Kalenderjahres prozentual abzusenken (1.). Die Vorschrift genügt den Anforderungen, die das Grundgesetz an eine gesetzliche Ermächtigung der Exekutive zum Erlass von Rechtsverordnungen im Bereich des Steuerrechts stellt. Die Verwaltung kann danach zwar unmittelbar die wesentliche Entscheidung über den Steuertarif treffen, ist dabei aber vom Gesetz ohne jegliches Ermessen auf Rechenoperationen aufgrund vorgegebener Daten beschränkt und zur jährlichen Neuberechnung verpflichtet (2.).

33

1. a) Der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss und sie nicht anderen Normgebern überlassen darf (vgl. BVerfGE 49, 89 <146 f.>; 84, 212 <226>). Im Steuerrecht, dessen Steuerbelastungsentscheidungen weitgehend vom Willen des Gesetzgebers zu Belastungsgegenstand und Tarif abhängen, ist von einem strengen Gesetzesvorbehalt auszugehen. Das Steuerrecht lebt insoweit aus dem "Diktum des Gesetzgebers" (vgl. BVerfGE 13, 318 <328> m.w.N.).

34

b) Diesen Anforderungen genügt das Luftverkehrsteuergesetz. Es regelt die Erhebung der Luftverkehrsteuer in ausreichendem Maße selbst. Der Gesetzgeber hat in den §§ 1, 4, 5, 6, 10 und 11 Abs. 1 LuftVStG die steuerliche Belastung im Hinblick auf Steuerschuldner, Steuertatbestand, Steuerbemessungsgrundlage und Steuertarif ausreichend vorgezeichnet. Die Verordnungsermächtigung in § 11 Abs. 2 LuftVStG räumt dem Verordnungsgeber keine hiervon abweichende Entscheidung über das "Ob" oder das "Wie" der Senkung der Luftverkehrsteuer ein, sondern überlässt ihm nur die Neuberechnung der Steuersätze nach genau bestimmten Vorgaben.

35

Dem steht nicht entgegen, dass § 11 Abs. 2 LuftVStG den Verordnungsgeber nicht ausdrücklich zum Erlass der Absenkungsverordnung verpflichtet. Der Gesetzgeber ist von einer Verpflichtung zum jährlichen Gebrauch der Ermächtigung ausgegangen. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird "die durch Rechtsverordnung festzusetzende Absenkung des Steuersatzes" erwähnt und ausgeführt, "die gültigen Steuersätze werden jährlich nach dem Vorliegen der Einnahmen für das erste Halbjahr aus der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten durch das Bundesministerium der Finanzen festgesetzt" (jeweils BTDrucks 17/3030, S. 40). Auch das Ziel eines Aufkommens von insgesamt 1 Milliarde Euro pro Jahr aus dem Zertifikatehandel und der Luftverkehrsteuer gelingt nur bei einer entsprechenden jährlichen Neuberechnung des Steuertarifs.

36

Der vom Gesetzgeber in § 11 Abs. 2 LuftVStG ermächtigte Verordnungsgeber erachtet die Vorschrift ebenfalls als zwingend. In seiner schriftlichen Stellungnahme und in der mündlichen Verhandlung hat das Bundesministerium der Finanzen ausdrücklich ein Ermessen des Verordnungsgebers sowohl hinsichtlich der Erforderlichkeit einer jährlichen Anpassung des Steuertarifs als auch bei der Berechnung ausgeschlossen. Dementsprechend wurden bislang jährlich - mit Ausnahme des Jahres 2013, für das der Gesetzgeber selbst durch Gesetz zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes sowie zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes vom 5. Dezember 2012 die Höhe der Steuertarife festgelegt hatte - Verordnungen zur Absenkung der Steuersätze nach § 11 Abs. 2 des Luftverkehrsteuergesetzes erlassen, zuletzt die Verordnung zur Festlegung der Steuersätze im Jahr 2014 nach § 11 Abs. 2 des Luftverkehrsteuergesetzes (Luftverkehrsteuer-Festlegungsverordnung 2014 - LuftVStFestV 2014) vom 19. Dezember 2013 (BGBl I S. 4383).

37

2. Die Verordnungsermächtigung in § 11 Abs. 2 LuftVStG genügt den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG.

38

Hiernach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Im Bereich der Steuern ist eine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn der steuerliche Belastungstatbestand - der Steuerschuldner, der Steuergegenstand, die Bemessungsgrundlage und der Steuersatz - im Parlamentsgesetz festgelegt wird.

39

Die Verordnungsermächtigung des § 11 LuftVStG enthält alle wesentlichen Vorgaben für die Erhebung der Luftverkehrsteuer. Sie gibt sowohl die Grundlage als auch den Modus der Berechnung der Steuerabsenkung vor. Nach § 11 Abs. 2 LuftVStG hat der Verordnungsgeber von den in § 11 Abs. 1 LuftVStG festgelegten Steuersätzen auszugehen und die Absenkung im Verhältnis der jeweiligen Einnahmen des Vorjahres aus der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Treibhausgasemissionshandel zu dem nach der Gesetzesbegründung als Einnahme durch die Luftverkehrsteuer angestrebten Betrag von 1 Milliarde Euro zu berechnen. Ergibt sich hieraus eine Steuerabsenkung, so ist sie das Ergebnis dieser gesetzlich abschließend vorgegebenen Berechnung mit jährlich zu ermittelnden, vom Willen des Verordnungsgebers unabhängigen Faktoren, nicht aber Folge einer Ermessensausübung des Verordnungsgebers.

III.

40

Die zur verfassungsrechtlichen Überprüfung gestellten Vorschriften sind mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Auswahl des Steuergegenstandes in § 1 Abs. 1 LuftVStG (1), die steuerlichen Privilegierungen durch § 5 Nummern 2, 4c und 5 LuftVStG und durch § 2 Nummern 4 und 5 LuftVStG (2) sowie die Ausgestaltung des Steuertarifs durch § 10 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 LuftVStG und den Anlagen 1 und 2 (3) sind nicht zu beanstanden.

41

Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 121, 108 <120>; 126, 400 <417>). Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes (vgl. BVerfGE 123, 1 <19>; stRspr). Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich indessen ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands, vgl. BVerfGE 117, 1 <30 f.>; 120, 1 <29>; 121, 108 <120>; 126, 400 <417>). Demgemäß bedürfen sie eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 117, 1 <31>; 120, 1 <29>; 126, 400 <417>; 132, 179 <189, Rn. 32>), der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag.

42

1. a) Dass § 1 Abs. 1 LuftVStG den gewerblichen Passagierluftverkehr als Steuergegenstand bestimmt, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 21, 12 <26 f.>; 117, 1 <30>; 120, 1 <29>; 122, 210 <230>; 123, 1 <19>; 127, 224 <245>). Die Befugnis des Gesetzgebers zur Definition des Steuerobjekts stützt sich auf seine demokratische Legitimation für die Steuerpolitik. Steuerwürdigkeitsentscheidungen beruhen wesentlich auf politischen Wertungen, die nach dem Grundgesetz der Legislative zustehen und von ihr im Wege der Gesetzgebung getroffen werden müssen. Deshalb wird bei diesen Entscheidungen der Gleichheitssatz bereits eingehalten, wenn der Gesetzgeber einen Sachgrund für seine Wahl des Steuergegenstandes vorbringen kann, die Berücksichtigung sachwidriger, willkürlicher Erwägungen ausgeschlossen ist (vgl. BVerfGE 120, 1 <29>) und die konkrete Belastungsentscheidung für ein Steuerobjekt nicht mit anderen Verfassungsnormen in Konflikt gerät.

43

b) Die Belastung mit Finanzzwecksteuern ist an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen auszurichten (vgl. BVerfGE 61, 319 <343 f.>; 82, 60 <86>; 89, 346 <352>; 122, 210 <231>; 126, 400 <417>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 -, juris, Rn. 56 f.). Der Gesetzgeber darf eine Steuerkompetenz grundsätzlich auch ausüben und damit Differenzierungen verfolgen, um Lenkungswirkungen zu erzielen (vgl. BVerfGE 93, 121 <147>; 99, 280 <296>; 105, 73 <112>; 110, 274 <292>; 116, 164 <182>; 117, 1 <31 f.>; stRspr). Er darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Der Bürger wird dann nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, erhält aber durch Sonderbelastung eines unerwünschten Verhaltens oder durch steuerliche Verschonung eines erwünschten Verhaltens ein finanzwirtschaftliches Motiv, sich für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu entscheiden (vgl. BVerfGE 98, 106 <117>; 117, 1 <31 f.>). Wenn solche Förderungs- und Lenkungsziele von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen werden, sind sie geeignet, rechtfertigende Gründe für steuerliche Belastungen oder Entlastungen zu liefern (vgl. BVerfGE 105, 73 <112 f.>; 110, 274 <293>; 116, 164 <182>; 117, 1 <32>). Dabei genügt es, wenn die gesetzgeberischen Entscheidungen anhand der üblichen Auslegungsmethoden festgestellt werden können. Lenkungszwecke können sich etwa aus den Gesetzesmaterialien ergeben (vgl. BVerfGE 116, 164 <191 ff.>). Möglich ist auch, den Zweck aus einer Gesamtschau der jeweils vom Gesetzgeber normierten Steuervorschriften zu erschließen (vgl. BVerfGE 110, 274 <296 f.>).

44

c) Daneben kommt es für die Besteuerungsgleichheit auch auf die Eigenart der jeweiligen Steuer an. Bei indirekten Steuern ist nicht nur dem Gedanken einer möglichst gleichmäßigen Belastung des Steuerschuldners durch gleichheitsgerechte Ausformung des Belastungsgrundes Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 21, 12 <27>; 110, 277 <292>). Vielmehr ist auch der End- oder Letztverbraucher, der die indirekte Steuerlast - über eine oder mehrere Handelsstufen vermittelt - tragen soll (Steuerträger), in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 110, 274 <292>).

45

d) Nach diesen Grundsätzen steht die Auswahl des gewerblichen Passagierluftverkehrs als Steuergegenstand mit Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang. Die Luftverkehrsteuer ist eine Finanzlast, die das Ziel der Staatsfinanzierung mit einem Umweltschutzzweck kombiniert (aa). Dies rechtfertigt die steuerliche Belastung des Luftverkehrs (bb). Auch die Begrenzung auf den gewerblichen Passagierluftverkehr ohne Einbeziehung von privatem Luftverkehr und Luftfrachtverkehr ist sachlich gerechtfertigt (cc).

46

aa) Das Ziel, mit der Luftverkehrsteuer neben der Gewinnung von Staatseinnahmen zum Schutz der Umwelt, insbesondere des Klimas, Flugkilometer zu begrenzen, ergibt sich hinreichend deutlich aus der Anknüpfung des Steuertarifs in §§ 10, 11 LuftVStG an die durch den besteuerten Flug zurückgelegte Distanz. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die nach seiner Auffassung umweltschädigenden Auswirkungen des gewerblichen Passagierluftverkehrs zu beeinflussen, geht ebenfalls aus der Begründung des Gesetzentwurfes hervor. Danach bezweckt das Gesetz die Einbeziehung des Flugverkehrs in die - für andere Verkehrsträger bereits durch die Belastung mit der verbrauchsorientierten Energiesteuer erfolgende - Mobilitätsbesteuerung, um Anreize für umweltgerechteres Verhalten zu setzen; ökologische Belange seien bei der Besteuerung zu berücksichtigen (BTDrucks 17/3030, S. 36).

47

Bei dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel des Umweltschutzes handelt es sich um einen Sachgrund, dessen Legitimität sich unter anderem aus dem in Art. 20a GG enthaltenen Auftrag ergibt, in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (vgl. BVerfGE 118, 79 <110>; 128, 1 <37>). Dieser Auftrag kann sowohl Gefahrenabwehr gebieten als auch Risikovorsorge legitimieren. Zu den nach Art. 20a GG geschützten Umweltgütern gehört auch ein mit der Besteuerung beabsichtigter Klimaschutz.

48

bb) Mit der Belastung von gewerblichen Passagierflügen hat der Gesetzgeber den Steuergegenstand in verfassungsgemäßer Weise gewählt. Die Luftverkehrsteuer ist mittlerweile sogar in Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG verfassungsrechtlich anerkannt. Derartige Flüge belasten die Umwelt, ihre steuerliche Lenkung dient dem Klimaschutz.

49

Die Besteuerung des gewerblichen Passagierluftverkehrs führt im Übrigen auch nicht im Vergleich zu anderen Verkehrsarten zu einer gleichheitswidrigen Doppelbelastung im Hinblick auf die ab 2012 erfolgende Belastung des Luftverkehrs durch den Emissionsrechtehandel. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 11 Abs. 2 LuftVStG ohnehin sichergestellt, dass die kumulierte Belastung aus beiden den allein für die Luftverkehrsteuer vorgesehenen, in der Praxis auch tatsächlich erzielbaren Betrag von 1 Milliarde Euro jährlich nicht überschreitet. Zudem ist der gewerbliche Luftverkehr in Deutschland derzeit nicht mit einer Energiesteuer ("Kerosinsteuer") belegt, was nach Schätzungen zu Steuerersparnissen für die Unternehmen in Höhe von jährlich 680 Millionen Euro allein im innerdeutschen Flugverkehr führt.

50

cc) Der Gesetzgeber war nicht aus Gleichheitsgründen gehalten, zugleich auch den privaten Flugverkehr und Frachtflüge mit der Luftverkehrsteuer zu belegen.

51

Bei der Auswahl des gewerblichen Passagierluftverkehrs handelt es sich um eine Bestimmung des Steuergegenstandes, die lediglich auf einem nachvollziehbaren Sachgrund beruhen muss. Bereits aus der engen Fassung des Steuergegenstandes in § 1 Abs. 1 LuftVStG als zentraler Norm des Gesetzes ergibt sich, dass der Gesetzgeber den gewerblichen Passagierluftverkehr als abgrenzbaren, im Vergleich zu anderen Luftverkehren gesondert steuerbaren Sachverhalt ansieht. Seine Entscheidung, den privaten Luftverkehr und den Frachtverkehr im Gegensatz zum gewerblichen Passagierluftverkehr aus der Belastung mit der Luftverkehrsteuer auszuklammern, ist deshalb nur darauf zu überprüfen, ob es für die getroffene Unterscheidung einen sachlichen Grund gibt, der bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht als willkürlich angesehen werden kann (vgl. BVerfGE 26, 1 <8>; 46, 224 <233, 239 f.>; 120, 1 <31>). Er wird wegen seines weitgehenden Spielraums zur Auswahl von Steuergegenständen durch den Gleichheitssatz aber nicht gezwungen, nach einer einmal getroffenen Entscheidung für ein bestimmtes Steuerobjekt zugleich auch alle anderen, ähnlichen, für den Steuerzweck ebenfalls geeigneten Steuerobjekte in die Belastung einzubeziehen.

52

Diesen ihm zustehenden Spielraum bei der Bestimmung des Steuergegenstandes hat der Gesetzgeber nicht überschritten. Gegenüber dem privaten Luftverkehr führt die Begründung des Gesetzentwurfs zur Rechtfertigung aus, dass dieser bereits mit Energiesteuer belastet ist, gegenüber der Luftfracht die unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen auf getrennten Märkten für Passagier- und Frachtverkehr (BTDrucks 17/3030, S. 36). Es handelt sich dabei um mit dem Grundsatz der Belastungsgleichheit vereinbare Unterscheidungen nach der finanziellen Belastbarkeit der betroffenen Gruppen. Die Einschätzung, dass der private Luftverkehr weniger belastbar ist, weil er bereits anderweitig besteuert wird, und dass die finanzielle Belastbarkeit des Frachtverkehrs mit seinen ganz anderen Marktbedingungen eingeschränkt ist, überschreitet den dem Gesetzgeber eingeräumten Spielraum nicht, welche Steuerquelle er überhaupt erschließen möchte.

53

2. Die in § 5 Nummern 2, 4c und 5 LuftVStG und in § 2 Nummern 4 und 5 LuftVStG getroffenen Ausnahmeregelungen sind ebenfalls mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Nachdem der Steuergegenstand ausgewählt ist, unterliegt der Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 1 GG engeren Bindungen. Die Abweichung von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen Belastungsentscheidung beruht auf besonderen sachlichen Gründen, die die Ungleichbehandlungen zu rechtfertigen vermögen.

54

a) Die in § 5 Nr. 5 LuftVStG bestimmte Steuerentlastung von Inselflügen begründet eine ungleiche Belastung. Die Privilegierung erfolgt unabhängig von der auch nur typisiert angenommenen Flugentfernung. Die mit dem Abschluss des Beförderungsvertrags verbundenen Kosten sind nicht abhängig vom Wohnsitz des Passagiers. Die privilegierten Flüge sind auch nicht weniger umweltschädlich als die besteuerten Flüge.

55

Die in einer Steuerbefreiung bestimmte Begünstigung genügt jedoch dem Gleichheitsgebot, weil sie von einem Sachgrund getragen wird, der ein Abgehen vom Finanzierungs- und Lenkungszweck der Steuer rechtfertigt. Will der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten der Bürger fördern, das ihm aus wirtschafts-, sozial-, umwelt- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist, hat er eine große Gestaltungsfreiheit. In der Entscheidung darüber, welche Personen oder Unternehmen durch finanzielle Zuwendung des Staates gefördert werden sollen, ist der Gesetzgeber weitgehend frei (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 93, 319 <350>). Zwar bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen ihm aber in weitem Umfang zu Gebote, solange die Regelung sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>). Diese Erwägungen gelten auch, wenn der Gesetzgeber eine Subvention steuerrechtlich erbringt, statt sie direkt finanziell zuzuwenden (vgl. BVerfGE 110, 274 <293>).

56

Die Herabsetzung der Luftverkehrsteuer für Flüge von und zu inländischen, dänischen und niederländischen Nordseeinseln ohne tidenunabhängigen Verkehrsanschluss mit dem Festland auf 20 % des jeweiligen gültigen Steuersatzes nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 LuftVStG5 Nr. 5 LuftVStG i.V.m. der Genehmigung der Europäischen Kommission ) wird durch den Zweck der Sicherstellung einer verkehrsmäßigen Erschließung der betroffenen Inseln getragen (BTDrucks 17/3030, S. 38). Dies rechtfertigt auch die steuerliche Verschonung des touristischen Verkehrs. Die betroffenen Inseln sind wegen der Witterungsbedingungen und des Tidenhubs bei fehlender Anbindung an das Festland über Schiene oder Straße zeitweise nicht oder nur schwer zu erreichen. Die Sicherung der Daseinsvorsorge für die Inselbewohner darf der Gesetzgeber als Ziel verfolgen. Die Annahme einer Gefährdung der jederzeitigen Erreichbarkeit wegen ihrer Insellage und deren Beseitigung durch eine Steuerprivilegierung des Transportmittels Flugzeug liegen innerhalb des ihm eingeräumten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums. Zudem fällt das Ausmaß der Steuerbefreiung kaum ins Gewicht, denn nach den Angaben des Statistischen Bundesamts entfällt auf dieses Privileg nur 0,026 % des gesamten Passagieraufkommens in Deutschland (vgl. Statistisches Bundesamt, Finanzen und Steuern, Luftverkehrsteuer, Ausgabe 2012, Fachserie 14, Reihe 9.6, S. 7).

57

b) Die Befreiung von Flügen zu militärischen und anderen hoheitlichen Zwecken (§ 5 Nummern 2 und 4c LuftVStG) rechtfertigt sich bereits aus dem gewählten Gegenstand der Besteuerung. Flüge zu militärischen und anderen hoheitlichen Zwecken durfte der Gesetzgeber als nicht zu den gewerblichen Passagierflügen gehörend ausgrenzen. Sie ist ferner dadurch gerechtfertigt, dass die Erhebung der Steuer wegen der bezweckten Abwälzung auf den Passagier letztlich ihren Einnahmezweck verfehlt. Die Besteuerung dienstlicher Flüge würde letztlich vom Staatshaushalt getragen. So würde die Steuerbelastung nur zu einer Verschiebung von Finanzmitteln zwischen verschiedenen öffentlichen Haushalten oder innerhalb eines öffentlichen Haushalts führen. Einnahmen für den Staat würden gar nicht generiert. Auch das Ausmaß der Ungleichbehandlung ist äußerst gering. Der Anteil der steuerbefreiten Flüge zu militärischen oder anderen hoheitlichen Zwecken betrug nach Angaben des Statistischen Bundesamtes für 2012 nur 0,28 % des gesamten Passagieraufkommens in Deutschland (vgl. Statistisches Bundesamt, Finanzen und Steuern, Luftverkehrsteuer, Ausgabe 2012, Fachserie 14, Reihe 9.6, S. 7).

58

c) Das Umsteigerprivileg (§ 2 Nummern 4 und 5 LuftVStG i.V.m. § 1 Abs. 1 LuftVStG) ist mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

59

aa) Liegt einer Flugreise, die im Ausland begonnen hat, im Inland zu einer Zwischenlandung führt und mit oder ohne Umstieg zu einem Zielort im In- oder Ausland fortgesetzt wird, ein einziger Rechtsvorgang - in der Regel also ein einziger Ticketkauf - zugrunde, wird die Abflugberechtigung für den inländischen Abflug nach der Zwischenlandung nicht besteuert; der Start im Ausland bleibt schon nach dem Grundtatbestand des § 1 Abs. 1 LuftVStG mangels "inländischen Startorts" steuerfrei. Im Ergebnis werden derartige Flüge überhaupt nicht belastet. Bei einem Zubringerflug aus dem Inland fällt nur für diesen, nicht aber für den Wiederabflug die Luftverkehrsteuer an, das heißt es wird nur einmal besteuert. Die steuerbefreiten Wiederabflüge von deutschen Flughäfen und -plätzen nach Zwischenlandungen im Sinne des § 2 Nr. 5 LuftVStG unterscheiden sich hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der befreiten Passagiere oder der durch sie entstehenden Umweltbelastung aber nicht erkennbar von Flügen, die mit der Luftverkehrsteuer belastet sind. Das Umsteigerprivileg des § 2 Nummern 4 und 5 LuftVStG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 LuftVStG führt mithin zu einer Ungleichbehandlung von Flügen.

60

bb) Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die eine ungleiche Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart begründet, so kann eine solche Steuerentlastung vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will (vgl. BVerfGE 93, 121 <147>). Bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe kann die Entlastung dabei in verfassungsrechtlich zulässiger Weise sogar dazu führen, dass bestimmte Steuergegenstände vollständig von der Besteuerung ausgenommen werden (vgl. BVerfGE 117, 1 <32>).

61

cc) Hieran gemessen hält die Ausnahme von der Besteuerung durch das Umsteigerprivileg der verfassungsrechtlichen Prüfung stand; denn sie wird von legitimen wirtschaftspolitischen Zwecken getragen. Es sollen die deutschen Flughäfen als internationale Drehkreuze geschützt werden, indem sie in dieser Funktion durch die Luftverkehrsteuer geringer Belastung unterliegen (vgl. BTDrucks 17/3030, S. 4). Insbesondere für die Flughäfen in Frankfurt am Main und in München als typische Startorte für Interkontinentalflüge, für die vielfach Zubringerflüge notwendig werden, droht bei Erhebung der Steuer auf den Weiterflug die Gefahr einer Verlagerung des Umsteigeorts in das Ausland wegen erhöhter Kosten für den Umstieg in Deutschland.

62

3. Die angegriffene Ausgestaltung des Steuertarifs in § 10, § 11 Abs. 1 LuftVStG verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz nicht. Der Gesetzgeber hat mit der Anknüpfung der Besteuerung an die mit dem Flug zurückgelegte Distanz einen geeigneten und hinreichend realitätsgerechten Besteuerungsmaßstab gewählt. Die durch die Normierung verursachten Verwerfungen sind aus Vereinfachungsgründen noch tragbar.

63

a) Der Gesetzgeber hat in § 10 LuftVStG die Lage des jeweils gewählten Zielorts zum Maßstab der Besteuerung bestimmt. In der Zusammenschau mit § 11 LuftVStG und seinen beiden Anlagen lässt sich als Belastungsentscheidung aus dem Gesetz ableiten, dass die Höhe der für jeden Fluggast vom Luftverkehrsunternehmen zu entrichtenden und bei Überwälzung von jedem Fluggast zu tragenden Luftverkehrsteuer grundsätzlich mit der Länge der Flugstrecke steigt. Diese Ausgestaltung entspricht dem Umweltschutzzweck des Luftverkehrsteuergesetzes.

64

b) aa) Die für die Höhe des Steuertarifs maßgebliche Anknüpfung in § 11 Abs. 1 LuftVStG an den größten Verkehrsflughafen des Ziellandes statt an den tatsächlichen Zielflughafen bewirkt allerdings, dass bei Ländern der Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 LuftVStG, die sehr groß sind oder zu denen Überseegebiete gehören, vom Entfernungsmaßstab abweichende steuerliche Begünstigungen auftreten können. Denn bei solchen Ländern liegen zwar die den Steuersatz bestimmenden größten Verkehrsflughäfen jeweils in einer Entfernung von weniger als 2500 km zum Flughafen in Frankfurt am Main, nicht aber ausnahmslos alle weiteren Flughäfen. Wird einer dieser weit vom größten Verkehrsflughafen desselben Landes entfernte Flughafen aufgrund eines einheitlichen Rechtsvorgangs (Direktflug oder Kettenflug mit einheitlicher Buchung) angeflogen, fällt lediglich der niedrigste, für Länder der Anlage 1 geltende Steuersatz an, auch wenn seine Entfernung zum deutschen Startort die Obergrenze von 2500 km Entfernung für diese Länder überschreitet.

65

bb) Die hierdurch begründeten ungleichen Belastungen führen nicht zur Unvereinbarkeit des vom Gesetzgeber bestimmten Steuermaßstabes mit Art. 3 Abs. 1 GG. Der für die Besteuerung maßgebliche Flughafen des Ziellandes mit dem größten Verkehrsaufkommen ist für einen erheblichen Teil der besteuerten Flüge der tatsächliche Zielflughafen und gibt dann den Distanzmaßstab korrekt wieder. Soweit der angeflogene Zielort nicht mit dem größten Verkehrsflughafen identisch ist, liegt er in den meisten Fällen zumindest innerhalb eines Umkreises von 2500 km zu Frankfurt am Main. Zu Verwerfungen kommt es nur bei wenigen sehr großen Ländern oder beim Flug in überseeische Territorien einiger weniger Länder.

66

Diese Verwerfungen sind aus Vereinfachungsgründen gleichheitsrechtlich noch tragbar. Der Steuergesetzgeber darf aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung Steuersätze typisierend bestimmen und dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen, wenn die daraus erwachsenden Vorteile im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (vgl. BVerfGE 110, 274 <292>; 117, 1 <31>; 120, 1 <30>; 123, 1 <19>), er sich realitätsgerecht am typischen Fall orientiert (vgl. BVerfGE 117, 1 <31>; 120, 1 <30>; 123, 1 <19>; 132, 39 <49, Rn. 29>) und ein vernünftiger, einleuchtender Grund vorhanden ist (vgl. BVerfGE 123, 1 <19>). Hier orientiert sich das Luftverkehrsteuergesetz realitätsgerecht am Flughafen mit dem höchsten Verkehrsaufkommen im jeweiligen Land, auf dem die meisten Flüge landen. Diese vereinfachte Normierung zugunsten eines grob gerasterten Katalogs von Zielländern vermeidet es, bei jedem Flug die tatsächliche Entfernung zwischen jeweils zwei Flughäfen exakt zu ermitteln. Auch im Interesse der betroffenen Luftverkehrsunternehmen als Steuerschuldner wird damit die tarifliche Einstufung der Flüge in diesen Massenvorgängen des Steuerrechts erleichtert. Vor allem sind aber die davon hervorgerufenen Ungleichheiten im geregelten Tarif mit drei Distanzzonen nach ihrer Anzahl sehr gering. Der Hauptstrom der Flüge landet in Hauptstädten und Industriezentren; der Anflug überseeischer Inselbesitzungen oder von größeren Verkehrsflughäfen in einer weiter entfernten als der angesetzten Entfernungskategorie ist in der Steuergruppe der Länder nach Anlage 1 nach der unbestrittenen Auskunft des Bundesministeriums der Finanzen nur marginal.

67

cc) Dass diese Verwerfungen bei einer theoretisch möglichen, exakten Ausgestaltung des Steuertarifs nach tatsächlichen Entfernungskilometern vermeidbar wären, ist für die Verfassungsmäßigkeit der Regelung nicht von Belang. Die Feinheit der Ausdifferenzierung des Steuertatbestandes unterfällt grundsätzlich dem Gestaltungsspielraum des Steuergesetzgebers. Eine optimale Lösung muss er nicht finden. Dies gilt ebenso für die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob nicht statt des vom Gesetzgeber gewählten Drei-Zonen-Modells für die Bestimmung des Steuertarifs ein von der genauen Kilometerzahl der angesetzten Entfernung abhängiger, stufenloser Steuersatz oder ein Ansatz mit mehr Entfernungszonen, insbesondere mit einer größeren Ausdifferenzierung innerhalb der Länder der Anlage 1 (bis 2500 km Entfernung), zu einer höheren Steuergerechtigkeit geführt hätte und noch praktikabel gewesen wäre.

IV.

68

Die Besteuerung des Passagierluftverkehrs nach § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 LuftVStG verletzt weder die Berufsfreiheit der Luftverkehrsunternehmen als Steuerschuldner noch die Berufsfreiheit der - bei tatsächlicher Abwälzung der Steuer als Steuerträger betroffenen - Passagiere.

69

1. Für den Fluggast stellt die Luftverkehrsteuer keinen Eingriff in seine Berufsfreiheit dar, weil ihr insoweit ein berufsregelnder Bezug fehlt. Die Erhebung von Steuern und sonstigen Abgaben greift in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG ein, wenn sie in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes steht und objektiv deutlich eine berufsregelnde Tendenz erkennen lässt (vgl. BVerfGE 37, 1 <17>; 98, 106 <117>; 110, 274 <288>). Eine solche berufsregelnde Tendenz ist dann nicht gegeben, wenn die Steuer alle Verbraucher ungeachtet ihrer beruflichen Betätigung trifft (vgl. BVerfGE 110, 274 <288 f.>). Dies trifft auf die Passagiere regelmäßig zu; Touristen, Berufstätige, Personen in der Ausbildung, Fluggäste zu Familienbesuchen und andere sind unterschiedslos betroffen. Auch soweit die berufliche Tätigkeit eines Fluggastes mit einer hohen Zahl von Flügen verbunden ist, entfaltet die Steuer wegen der geringen Höhe im Vergleich zu den übrigen Flugkosten keine berufsregelnde Wirkung.

70

2. Eine objektiv berufsregelnde Tendenz der Luftverkehrsteuer besteht hingegen für die Luftverkehrsunternehmen wegen ihres Lenkungszwecks. Der damit einhergehende Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung (a) ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (b).

71

a) Ziel des Gesetzes ist es, Anreize für ein umweltgerechteres Verhalten zu setzen. Zu diesem Zweck verteuert der Gesetzgeber die von den Luftverkehrsunternehmen angebotenen Dienstleistungen in unterschiedlicher Höhe, um so die Gesamtanzahl der Flugbewegungen zu reduzieren. Damit steuert er auch das berufliche Verhalten der Luftverkehrsunternehmen. Mit welchen Angeboten ein Unternehmen am Markt auftritt, unterfällt der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit. Auch aus dem in der Gesetzesbegründung angeführten Aspekt, dem von der verbrauchsorientierten Energiesteuer befreiten gewerblichen Luftverkehr Anreiz zum energiesparenden Einsatz von Kraftstoffen zu geben, folgt, dass der Gesetzgeber eine Lenkung des beruflichen Verhaltens der Luftverkehrsunternehmen beabsichtigt, beispielsweise dahingehend, ihre Angebote am Markt auf Treibstoffeffizienz hin auszurichten.

72

b) Die Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit der Luftverkehrsunternehmen wird durch den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck des Umweltschutzes gerechtfertigt.

73

Die Belastung mit der Luftverkehrsteuer ist geeignet, durch den von ihr verursachten Kostendruck Luftverkehrsunternehmen zur besseren Auslastung von Flügen oder zu einer Reduzierung ineffizienter Flüge zu bewegen. Im Bereich der steuerlichen Lenkung darf der Gesetzgeber in Kauf nehmen, dass das Lenkungsziel nicht verlässlich erreicht wird (vgl. BVerfGE 98, 106 <121>). Im Vergleich zu unmittelbar rechtlich wirkenden Verboten ohne Ausweichmöglichkeit ist die Besteuerung das mildere Mittel, weil sie dem Besteuerten die Wahl zwischen dem vom Gesetzgeber gewünschten Verhalten und der Zahlung lässt. Die Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit steht nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der Verhaltenslenkung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die mit der Lenkung durch die Steuer verbundene Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit der Luftverkehrsunternehmen relativ gering ist und dass sie juristische Personen betrifft, bei denen die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte persönliche Entfaltung geringeres Gewicht hat, während den klimapolitischen Zielen in Art. 20a GG ein hoher Stellenwert eingeräumt werden darf. Eingriffszweck und Eingriffsintensität stehen damit in einem angemessenen Verhältnis zueinander.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Erhebung von Rundfunkgebühren für internetfähige PCs.

2

1. a) Der Beschwerdeführer hat in seiner Rechtsanwaltskanzlei einen PC, den er unter anderem für Internetanwendungen verwendet. Er empfängt damit keine Rundfunksendungen und verfügt nicht über herkömmliche Rundfunkempfangsgeräte. Die Rundfunkanstalt setzte für den internetfähigen PC Rundfunkgebühren fest und wies Widersprüche des Beschwerdeführers gegen die zugrundeliegenden Bescheide zurück.

3

b) Die mit der Klage des Beschwerdeführers angegriffenen Bescheide wurden vom Verwaltungsgericht aufgehoben, weil er seinen internetfähigen PC nicht "zum Empfang" von Rundfunksendungen bereithalte. Auf die hiergegen eingelegte Berufung hob das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und wies die Klage des Beschwerdeführers ab, weil der in seiner Kanzlei eingesetzte PC mit Internetzugang ein Rundfunkempfangsgerät sei, das zum Empfang bereitgehalten werde, und die Rundfunkgebührenpflicht für Rechner mit Internetzugang keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegne.

4

c) Die vom Beschwerdeführer gegen die Berufungsentscheidung eingelegte Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht durch das angegriffene Urteil zurückgewiesen. Der vom Beschwerdeführer eingesetzte internetfähige PC sei ein Rundfunkempfangsgerät, das im Rechtssinne bereitgehalten werde.

5

Die Rundfunkgebührenbescheide verstießen außerdem nicht gegen Verfassungsrecht. Ein Eingriff in die Informationsfreiheit sei gerechtfertigt, weil die Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG darstellten und die Erstreckung der Rundfunkgebührenpflicht auf internetfähige PCs nicht unverhältnismäßig sei. Sie sei ein geeignetes Mittel zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weil die Anknüpfung an das Bereithalten eines internetfähigen PCs die Finanzierungsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verbreitere und zugleich eine drohende "Flucht aus der Rundfunkgebühr" verhindere. Ein Registrierungsmodell und ein Modell der Selbstanzeige der Rundfunknutzung stellten angesichts der kaum abschätzbaren Umgehungsrisiken keine gleich wirksamen Mittel dar. Die Erhebung einer generellen Rundfunkgebührenpflicht für internetfähige PCs sei zudem angesichts des gewichtigen Ziels einer Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf der einen Seite und ihrer nur geringen Höhe auf der anderen Seite nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne. Dass die Rundfunkanstalten ihr Angebot "aufdrängten", wirke sich angesichts der Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht entscheidend aus.

6

Eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes liege nicht vor. Die Gleichbehandlung von Besitzern multifunktionaler internetfähiger PCs und Besitzern monofunktionaler Rundfunkempfangsgeräte sei gerechtfertigt, weil für die Gebührenerhebung die gleiche Möglichkeit zum Empfang maßgeblich sei. Die Differenzierung zwischen Personen, die ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithielten, und solchen, die dies nicht täten, beruhe mit dem Zweck der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf sachlichen Gründen. Die in der Zugangsbeschränkung zu einem berufswesentlichen Arbeitsmittel liegende mittelbare Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit sei aus den im Rahmen der Informationsfreiheit genannten Gründen gerechtfertigt. Art. 14 Abs. 1 GG sei nicht verletzt, weil er nicht vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten schütze, und eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit liege nicht vor, weil diese nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze gewährleistet sei, wozu auch die mit der Verfassung im Einklang stehenden Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages zählten.

7

2. Der Beschwerdeführer hat gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG.

8

Die Rundfunkgebühr greife als Zugangsschranke zu Informationsquellen außerhalb des Rundfunks in die Informationsfreiheit ein, was nicht durch verfassungsrechtliche Gründe gerechtfertigt sei. Zunächst habe den Ländern die Gesetzgebungskompetenz gefehlt, weil es sich bei der Rundfunkgebühr um eine Zwecksteuer handele und sie dem Telekommunikationsrecht zuzuordnen sei. Die Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages seien außerdem mangels Erkennbarkeit der Abgabenpflicht für den Betroffenen nicht hinreichend bestimmt. Zudem sei die undifferenzierte Unterwerfung neuartiger Empfangsgeräte unter die Gebührenpflicht nicht erforderlich, um das gesetzgeberische Ziel der Verhinderung einer "Flucht aus der Rundfunkgebühr" zu erreichen, da dies durch geeignete Zugangsschranken zum Rundfunk im Internet gesichert werden könne und eine solche Flucht auch dann nicht zu erwarten sei, wenn man die Rundfunkgebühr für internetfähige PCs auf Privatpersonen beschränke.

9

Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG liege sowohl in der Gleichbehandlung der Besitzer neuartiger multifunktionaler Rundfunkempfangsgeräte mit den Besitzern herkömmlicher monofunktionaler Geräte als auch in der Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die über kein Rundfunkempfangsgerät verfügten. Eine Rechtfertigung der Gleichbehandlung liege nicht darin, dass derjenige zur Finanzierung von Rundfunkveranstaltungen herangezogen werde, der sich durch das Bereithalten eines Empfangsgerätes die Möglichkeit zur Nutzung verschafft habe, weil diese Annahme mangels Kongruenz zwischen Gerätebesitzer und Rundfunkkonsument heute nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Die Ungleichbehandlung sei ebenfalls nicht gerechtfertigt, weil zwischen den Gruppen derjenigen, die kein eigenes Rundfunkempfangsgerät besäßen, und jener, die nur über ein eigenes neuartiges Rundfunkempfangsgerät verfügten, keine tragfähigen sachlichen Unterschiede mehr bestünden. Die Mitglieder beider Gruppen könnten sich Zugang zum Rundfunkempfang verschaffen, bei beiden sei dies jedoch nicht wahrscheinlich. Eine Rechtfertigung ergebe sich ebenfalls nicht aus einer typisierenden Betrachtung, da sich die Gebührennorm nicht am Regelfall orientiere. Der Gleichheitssatz sei außerdem durch ein strukturelles Erhebungsdefizit verletzt.

10

Darüber hinaus werde die Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers verletzt, weil die Gebührenpflicht den Zugang zu einem berufswesentlichen Arbeitsmittel erschwere, ohne dass dieser Eingriff gerechtfertigt sei. Schließlich liege eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit vor.

II.

11

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

12

1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), weil die durch die Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen bereits durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt sind.

13

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

14

a) Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten aus Art. 5 Abs. 1 GG. Allerdings liegt ein Eingriff in die von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG geschützte Informationsfreiheit darin, dass der Beschwerdeführer durch die Rundfunkgebühr für seinen internetfähigen PC in der Beschaffung und Entgegennahme von Informationen aus dem Internet behindert wird. Eine Zugangsbeschränkung muss sich zwar nicht an Art. 5 Abs. 2 GG messen lassen, wenn sie vom Recht zur Bestimmung des Zugangs zu einer im staatlichen Verantwortungsbereich liegenden Informationsquelle gedeckt ist (vgl. BVerfGE 103, 44 <61>). Dies ist beim Rundfunkgesetzgeber jedoch jedenfalls im Hinblick auf die sonstigen Informationsangebote des Internets nicht der Fall.

15

Dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Bei § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 RGebStV handelt es sich um ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG. Bei dessen Anwendung ist zu klären, ob die Güterabwägung zu einem Vorrang des Schutzes des Rechtsguts führt, dem das allgemeine Gesetz dient (vgl. BVerfGE 117, 244 <260>). Es muss deshalb seinerseits im Lichte des beschränkten Grundrechts ausgelegt (vgl. BVerfGE 7, 198 <208>; 82, 43 <50>; stRspr) und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angewendet werden (vgl. BVerfGE 71, 162 <181>; 74, 297 <337>). Diesen Anforderungen wird die Auslegung und Anwendung des § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 RGebStV durch das Bundesverwaltungsgericht gerecht.

16

Die Rundfunkgebühren für internetfähige PCs werden auf einer formell verfassungsmäßigen Grundlage erhoben. Zunächst hatten die Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung der Rundfunkgebühr. Bei der Rundfunkgebühr handelt es sich nicht um eine voraussetzungslose Steuer zur Finanzierung des Gemeinwesens, sondern um eine Vorzugslast. Denn sie ist für eine Begünstigung durch eine Leistung der Rundfunkanstalten zu zahlen, indem sie an den durch das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes begründeten Status als Rundfunkteilnehmer geknüpft wird (vgl. BVerfGE 90, 60 <91>; 119, 181 <219>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 6. September 1999 - 1 BvR 1013/99 -, NJW 2000, S. 649). Die Rundfunkgebühr ist außerdem dem der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegenden Bereich des Rundfunks (vgl. Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG, BVerfGE 90, 60 <105>; 92, 203 <238>; 121, 30 <46>) zuzuordnen.

17

§ 1 Abs. 1 und § 5 Abs. 3 RGebStV verstoßen nicht gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Bestimmtheitsgebot. Internetfähige PCs lassen sich zwanglos unter die Definition des Rundfunkempfangsgerätes in § 1 Abs. 1 Satz 1 RGebStV subsumieren. Für die Betroffenen ist außerdem sowohl in technischer Hinsicht als auch im Hinblick auf den Übertragungsweg Internet erkennbar, dass sie ihre internetfähigen PCs zum Empfang von Rundfunk im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV bereithalten, während die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe, deren Verwendung dem Gesetzgeber auch im Abgabenrecht nicht schlechthin verwehrt ist (vgl. BVerfGE 80, 103 <108>), Teil der gewöhnlichen Gesetzesauslegung und -anwendung ist.

18

Die Erhebung von Rundfunkgebühren für den internetfähigen PC des Beschwerdeführers ist, wie das Bundesverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend begründet hat, außerdem nicht unverhältnismäßig. Sie ist zunächst ein geeignetes Mittel zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, da sie mit der Verbreiterung der Gebührenbasis und der Verhinderung einer drohenden "Flucht aus der Rundfunkgebühr" die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherstellt. Die gebührenrechtliche Heranziehung von Personen, die mittels internetfähiger PCs Rundfunksendungen empfangen können, ist zur Erreichung des Ziels mangels eines milderen, gleich wirksamen Mittels auch erforderlich. Zugangssperren stellen schon deshalb kein gleich wirksames Mittel dar, weil in technischer Hinsicht Zweifel an einer umgehungssicheren Ausgestaltung bestehen. Zudem wäre eine Zugangsbeschränkung in rechtlicher Hinsicht problematisch, weil sie mit dem Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kollidieren würde (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 24. März 2009 - RO 3 K 8.01829 -, juris). Mag inzwischen auch mit dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag eine Neuordnung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfolgt sein, war der Rundfunkgesetzgeber angesichts des ihm zukommenden politischen Gestaltungsspielraumes dennoch nicht verpflichtet, bereits zuvor ein völlig neuartiges Finanzierungskonzept nur zur Vermeidung eines Eingriffs in die Informationsfreiheit der Internetnutzer zu entwickeln. Die generelle Rundfunkgebührenpflicht für internetfähige PCs ist außerdem nicht unangemessen. Die Beeinträchtigung der Informationsfreiheit ist nur gering, weil der Beschwerdeführer nicht unmittelbar daran gehindert wird, sich aus dem sonstigen Angebot des Internets zu informieren, sondern hierfür lediglich mit einer verhältnismäßig niedrigen Zahlungsverpflichtung in Höhe der Grundgebühr belastet wird. Dieser nur geringen Beeinträchtigung steht mit der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (vgl. BVerfGE 119, 181 <214> m.w.N.) in einer effektiven und am Gleichheitsgrundsatz orientierten Weise ein Zweck von einigem Gewicht gegenüber.

19

b) Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer ebenfalls nicht in seinen Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG, weil die Abgabenpflicht für den als Arbeitsmittel verwendeten internetfähigen PC mangels unmittelbaren Bezugs zur beruflichen Tätigkeit oder einer objektiv berufsregelnden Tendenz schon kein Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt.

20

c) Zudem liegt keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes vor. Die Gleichbehandlung von Besitzern herkömmlicher und neuartiger Rundfunkempfangsgeräte beruht auf dem vernünftigen, einleuchtenden Grund (vgl. BVerfGE 76, 256 <329>; 90, 226 <239>; 123, 1 <19>), einer drohenden "Flucht aus der Rundfunkgebühr" zu begegnen und dadurch eine funktionsadäquate Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Die Ungleichbehandlung der Inhaber internetfähiger PCs gegenüber Personen, die nicht über Rundfunkempfangsgeräte verfügen, ist ebenfalls gerechtfertigt, weil der in der Bereithaltung eines Empfangsgeräts liegende Nutzungsvorteil wie bisher (vgl. dazu etwa BVerfGE 90, 60 <106>) auch bei internetfähigen PCs ein sachliches Differenzierungskriterium darstellt.

21

Darüber hinaus ist ein gleichheitswidriges, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßendes Erhebungsdefizit aufgrund struktureller, im Rundfunkgebührenstaatsvertrag angelegter Erhebungsmängel auch bei entsprechender Anwendung der Maßstäbe zur Beurteilung der Gleichheitswidrigkeit einer Steuererhebung (vgl. BVerfGE 84, 239 <268 ff.>; 110, 94 <112 ff.>) auf die Erhebung von Rundfunkgebühren nicht erkennbar. Denn die Nichtanzeige anzeigepflichtiger Rundfunkempfangsgeräte ist aufgrund der im Rundfunkgebührenstaatsvertrag vorgesehenen Kontrollinstrumente mit einem angemessenen Entdeckungsrisiko verbunden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. März 2011 - 1 BvR 3255/08 -, NVwZ-RR 2011, S. 465 <466>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Februar 2011 - 1 BvR 2480/08 -, NVwZ-RR 2011, S. 466).

22

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

23

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.