Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 08. Juli 2010 - 2 BvR 2485/07, 2 BvR 2513/07, 2 BvR 2548/07

bei uns veröffentlicht am08.07.2010

Tenor

Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. September 2007 - 5 StR 116/01 und 5 StR 475/02 - verletzt den Beschwerdeführer zu I. in seinem Grundrecht auf ein faires Verfahren (Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Der Beschluss wird insoweit aufgehoben, als er die Revision des Beschwerdeführers zu I. als unbegründet verwirft (Tenor Ziffer 3. des Beschlusses). Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Revision des Beschwerdeführers zu I. an einen anderen Strafsenat des Bundesgerichtshofs zurückverwiesen.

Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu II. und zu III. werden nicht zur Entscheidung angenommen.

...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage, ob der Bundesgerichtshof in dem angegriffenen Beschluss seiner verfassungsrechtlichen Pflicht zur Berücksichtigung der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs über die Rechte aus Art. 36 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (WÜK, BGBl 1969 II S. 1585) nachgekommen ist.

A. I.

2

1. a) Nach Art. 36 Abs. 1 Buchstaben b und c WÜK haben die Behörden im Fall der Festnahme eines Ausländers unverzüglich die konsularische Vertretung seines Heimatstaats zu benachrichtigen. Die Konsularbeamten sind berechtigt, mit dem Festgenommenen Kontakt aufzunehmen und für seine rechtliche Vertretung zu sorgen. Über die in dieser Bestimmung gewährleisteten Rechte ist der Festgenommene nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK unverzüglich zu unterrichten. Nach Art. 36 Abs. 2 WÜK muss das innerstaatliche Recht ermöglichen, die Zwecke der in Absatz 1 vorgesehenen Rechte vollständig zu verwirklichen (s. im Einzelnen bereits BVerfGK 9, 174 <175 f.>).

3

b) Durch Fälle, in denen Ausländer in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) zum Tode verurteilt wurden, ohne dass sie dem Konsularrechtsübereinkommen entsprechend belehrt worden waren und ohne dass die konsularische Vertretung des Heimatstaats benachrichtigt worden war, rückte die Frage, ob und gegebenenfalls welche rechtlichen Konsequenzen aus einem völkerrechtlichen Verstoß gegen das Konsularrechtsübereinkommen für das innerstaatliche Strafverfahren zu ziehen sind, in den Fokus des Interesses. Durch Klagen zunächst Deutschlands (LaGrand-Fall) und später Mexikos (Avena-Fall) gegen die USA vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) erhielt dieser Gelegenheit, sich zu Völkerrechtsverletzungen und ihren möglichen innerstaatlichen Konsequenzen zu äußern (IGH, LaGrand Case, Germany v. United States of America, Judgment of 27 June 2001, ICJ Reports 2001, S. 464; IGH, Case concerning Avena and other Mexican Nationals, Mexico v. United States of America, Judgment of 31 March 2004, ICJ Reports 2004, S. 12; vgl. auch die nähere Darstellung in BVerfGK 9, 174 <176 f.>).

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2. a) Der Beschwerdeführer zu I. ist türkischer Staatsbürger. Er wurde wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge vom Landgericht Hamburg am 5. April 2002 zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt. Im Rahmen der Beweiswürdigung stützte sich das Landgericht auch auf eine im Wesentlichen geständige Einlassung des Beschwerdeführers zu I., die dieser im Anschluss an seine Festnahme bei der Polizei gemacht hatte und die durch zeugenschaftliche Vernehmung des Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt wurde. In der Hauptverhandlung hatte der Beschwerdeführer zu I. später teilweise abweichende Angaben gemacht. Weder bei seiner Festnahme noch zu einem späteren Zeitpunkt war der Beschwerdeführer zu I. nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK über seine Rechte aus dem Konsularrechtsübereinkommen belehrt worden; die Belehrungen nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO wurden ordnungsgemäß erteilt (vgl. die nähere Darstellung in BVerfGK 9, 174 <181 f.>).

5

b) Der Beschwerdeführer zu II. ist deutscher, der Beschwerdeführer zu III. serbischer Staatsangehöriger. Sie wurden vom Landgericht Braunschweig durch Urteil vom 5. Juli 2000 wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. In der Beweiswürdigung stützt sich das Urteil des Landgerichts auch auf Angaben, die einer der in der Hauptverhandlung schweigenden Beteiligten, ein türkischer Staatsangehöriger, im Verlauf des Ermittlungsverfahrens gegenüber der Polizei gemacht hatte und die durch zeugenschaftliche Vernehmung der Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt worden waren. Eine Belehrung dieses Beteiligten nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK erfolgte weder vor der polizeilichen Vernehmung noch im weiteren Verlauf des Strafverfahrens; die Belehrungen nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO wurden auch hier ordnungsgemäß erteilt (vgl. die nähere Darstellung in BVerfGK 9, 174 <179 f.>).

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c) Die von den Beschwerdeführern gegen die Strafurteile jeweils eingelegten Revisionen blieben in beiden Verfahren ohne Erfolg (BGH, Beschluss vom 7. November 2001 - 5 StR 116/01 -, NStZ 2002, S. 168; BGH, Beschluss vom 29. Januar 2003 - 5 StR 475/02 -; vgl. zu den ersten Revisionsverfahren bereits BVerfGK 9, 174 <180 ff.>).

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3. Gemeinsam mit weiteren Verurteilten erhoben die Beschwerdeführer gegen die beiden Revisionsbeschlüsse des Bundesgerichtshofs Verfassungsbeschwerden (vgl. zum damaligen Vortrag BVerfGK 9, 174 <182 ff.>), denen das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. September 2006 (BVerfGK 9, 174 ff.) stattgab, nachdem es die Verfassungsbeschwerden zuvor zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hatte. Die Revisionsbeschlüsse des Bundesgerichtshofs wurden aufgehoben und die Sachen zur erneuten Revisionsentscheidung an ihn zurückverwiesen.

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4. Mit nunmehr angegriffenem Beschluss vom 25. September 2007 (BGHSt 52, 48) verband der Bundesgerichtshof die Revisionsverfahren ebenfalls zur gemeinsamen Entscheidung. Er verwarf sämtliche Revisionen erneut als unbegründet, diejenige des Beschwerdeführers zu I., in dessen Person der Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK begangen worden war, mit der Maßgabe, dass von der verhängten elfjährigen Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gälten.

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a) Der Bundesgerichtshof führte aus, eine Gesetzesverletzung liege darin, dass der Beschwerdeführer zu I. sowie der Mitangeklagte der Beschwerdeführer zu II. und III. nach ihrer Festnahme nicht nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK belehrt worden seien. Ein Beruhen der Beweiswürdigung in den angefochtenen Urteilen auf den Ergebnissen der in dieser Situation erfolgten Vernehmungen könne der Senat nicht ausschließen, wenn sie auch in beiden Fällen eher fern liege (vgl. BGHSt 52, 48 <52>). Die Beschwerdeführer zu II. und III. könnten aus der Verletzung des subjektiven Rechts ihres Mitangeklagten für sich allerdings von vornherein keine Verletzung eigener Verfahrensrechte herleiten. Die Belehrungspflicht knüpfe individuell an die fremde Staatsangehörigkeit und Festnahmesituation des unmittelbar Betroffenen an, sodass der Rechtskreis des Mitbeschuldigten von einem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK nicht berührt werde (vgl. BGHSt 52, 48 <52 f.>). Aber auch für die unmittelbar Verletzten ziehe der Verstoß gegen das Konsularrechtsübereinkommen kein Beweisverwertungsverbot nach sich, welches anzunehmen Völker- oder Verfassungsrecht nicht geböten. Die Rechtslage stelle sich unter Berücksichtigung von Art und Gewicht der Rechtsverletzung anders dar als im Fall des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO, für den von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen werde. Durch letztere Bestimmung würden wesentliche Rechte des Beschuldigten unmittelbar bezogen auf eine Vernehmungssituation zentral geschützt. Dem sei die Belehrungspflicht nach Art. 36 Abs. 1 WÜK nicht hinreichend ähnlich: Diese knüpfe an die Verhaftung und nicht den Beginn einer Vernehmung an, und es werde lediglich ein ergänzender Schutz für den inhaftierten ausländischen Beschuldigten geboten, eine "standardisierte Rechtsposition", an die angesichts dieses Charakters ein Beweisverwertungsverbot von vornherein nicht geknüpft werden könne. In seinen knappen Ausführungen zur Frage des Beweisverwertungsverbots geht der Bundesgerichtshof nur in seinem letzten Satz kurz auf die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs ein (vgl. BGHSt 52, 48 <54 f.>).

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b) Allerdings erachtete es der Bundesgerichtshof für angezeigt, die "Rechtsverletzung zu kompensieren" (BGHSt 52, 48 <55 ff.>): Der Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK dürfe auch bei der Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots nicht folgenlos bleiben; denn nach dem Internationalen Gerichtshof sei eine "effektive Revisibilität" sicherzustellen. Dadurch liege - ähnlich wie in den Fällen der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung - ein Grund für eine Kompensation vor, durch die der Verletzte eine Wiedergutmachung erhalte. Die Kompensation sei nicht auf der Strafzumessungsebene, sondern auf der Vollstreckungsebene vorzunehmen; so komme die Kompensation etwa auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten zugute. Das Maß der als vollstreckt geltenden Strafe sei für den Beschwerdeführer zu I. mit sechs Monaten zu bestimmen (s. BGHSt 52, 48 <58>). Eine weitere Kompensation sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer überlangen Verfahrensdauer geboten.

II.

11

Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführer nunmehr gegen die erneute Revisionsverwerfung durch den Bundesgerichtshof.

12

1. Der Beschwerdeführer zu I. sieht sich durch den angegriffenen Revisionsbeschluss in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot verletzt.

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Er macht geltend, der Bundesgerichtshof habe in der Auseinandersetzung mit der Frage, ob aus einer Verletzung von Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK ein Beweisverwertungsverbot folge, erneut die einschlägigen Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs in Sachen LaGrand und Avena nicht hinreichend berücksichtigt und dadurch sein Grundrecht auf ein faires Verfahren verletzt. Überdies werde die vom Internationalen Gerichtshof festgestellte herausragende Bedeutung der subjektiven Rechtsposition aus Art. 36 Abs. 1 WÜK vom Bundesgerichtshof ebenso verkannt wie die besondere Bedeutung, die der Internationale Gerichtshof bereits in dem LaGrand-Urteil dem Gebot des Art. 36 Abs. 2 WÜK zugemessen habe, wonach die Zwecke der in Art. 36 Abs. 1 WÜK vorgesehenen Rechte vollständig zu verwirklichen seien. Mit diesen Ausführungen des Internationalen Gerichtshofs sei die Feststellung, es handle sich bei dem Recht auf konsularischen Beistand nur um eine "standardisierte Rechtsposition", welche lediglich ergänzenden Schutz vermittle, unvereinbar. Die Herabstufung der Rechtsposition aus Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK zu einem "pauschalen Sonderrecht" verstoße überdies gegen das Willkürverbot; es sei nicht Aufgabe der Fachgerichte, völkerrechtliche Gebote in ihrem Wesensgehalt herabzustufen, damit einem ausländischen Beschuldigten nicht sämtliche rechtsstaatliche Verteidigungsstandards zugute kämen. Die Kompensationslösung auf der Ebene der Strafvollstreckung finde keine Stütze im Gesetz und sei deshalb ebenfalls als willkürlich anzusehen, zumal es an einer nachvollziehbaren Berücksichtigung des Ausmaßes des kompensierten Verfahrensverstoßes fehle.

14

Zudem beruft sich der Beschwerdeführer zu I. auf eine rechtsstaatswidrige überlange Verfahrensdauer, aus der der Bundesgerichtshof unter Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip keine weitere Kompensation auf der Rechtsfolgenebene gefolgert habe

15

2. Die Beschwerdeführer zu II. und zu III. sehen sich durch den angegriffenen Revisionsbeschluss ebenfalls in ihrem Grundrecht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt und rügen überdies Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot.

III.

16

Die Bundesregierung, der Bundesgerichtshof und der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hatten Gelegenheit, sich zu den von den Verfassungsbeschwerden aufgeworfenen Rechtsfragen zu äußern. Das Bundesministerium der Justiz hat namens der Bundesregierung von einer Stellungnahme abgesehen. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat Stellungnahmen der Vorsitzenden des 2., des 3. und des 5. Strafsenats übersandt, die auf ihre Rechtsprechung verweisen und von darüber hinausgehenden Stellungnahmen zu den verfassungsrechtlichen Fragen absehen. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hält in seiner ausführlichen Stellungnahme die Verfassungsbeschwerden für unbegründet.

B.

17

Von den zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden gibt die Kammer der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu I. statt, weil sie teilweise zulässig und insoweit auch offensichtlich begründet ist und die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 (BVerfGK 9, 174 ff.) bereits entschieden ist, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG (dazu I.). Demgegenüber werden die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu II. und zu III. nicht zur Entscheidung angenommen; sie haben keine Aussicht auf Erfolg (dazu II.).

I.

18

1. a) Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu I. ist unzulässig, soweit er eine Verletzung seines Grundrechts auf ein faires Verfahren dadurch rügt, dass der Bundesgerichtshof keine rechtsstaatswidrige überlange Verfahrensdauer festgestellt und kompensiert hat. Diese Rüge ist nicht entsprechend den Anforderungen nach § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG hinreichend substantiiert begründet.

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Ob die Dauer eines Strafverfahrens noch angemessen ist, muss nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. nur BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. März 1992 - 2 BvR 1/91 -, NJW 1992, S. 2472 <2473>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. April 1993 - 2 BvR 1487/90 -, NJW 1993, S. 3254 <3255>). Diese Beurteilung hat dabei nicht absolut, das heißt lediglich durch Verweis auf eine Gesamtverfahrensdauer, zu erfolgen, sondern vielmehr relativ nach den Umständen des konkreten Falles (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Februar 2003 - 2 BvR 29/03 -, juris, Absatz-Nr. 4).

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Deshalb gehört es grundsätzlich zu den Begründungsanforderungen einer Rüge überlanger Verfahrensdauer, dass ein Beschwerdeführer nicht nur Angaben zur Verfahrensdauer, sondern auch substantiierte Ausführungen dazu macht, aus welchen Gründen diese Verfahrensdauer nach den konkreten Umständen des Verfahrens als unverhältnismäßig lang angesehen werden muss. Dabei mögen die Anforderungen an den Vortrag des Beschwerdeführers mit steigender Verfahrensdauer sinken, und es mögen auch besonders gelagerte Ausnahmefälle denkbar sein, in denen der bloße Verweis auf eine ganz besonders lange Verfahrensdauer ausreicht; ein solcher Fall liegt hier angesichts einer Verfahrensdauer von weniger als sechs Jahren bis zur angegriffenen Entscheidung aber ersichtlich nicht vor. Macht ein Beschwerdeführer indes - wie hier - überhaupt keine Ausführungen zu der Frage, warum die Verfahrensdauer in Relation zum Tatvorwurf und insbesondere zu den - hier aufgrund der völkerrechtlichen Implikationen des Falles bestehenden - Schwierigkeiten des Falles als nicht mehr angemessen ansehen kann, fehlt es deshalb an einer hinreichend substantiierten Rügebegründung. Deshalb bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die Dauer des ersten Revisionsverfahrens (vgl. hierzu insbesondere BVerfGK 7, 21 <36 f.>) beziehungsweise des Verfassungsbeschwerdeverfahrens (vgl. einerseits BVerfGK 8, 260 <262>; andererseits EGMR, Metzger v. Germany, Urteil vom 31. Mai 2001, Beschwerdenr. 37591/97, NJW 2002, S. 2856, Ziff. 34) bei der Bestimmung der Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen wären.

21

b) Soweit der Beschwerdeführer zu I. im Übrigen einen Verstoß gegen sein Grundrecht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig, insbesondere entsprechend den Anforderungen nach § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG begründet.

22

2. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts auf ein faires Verfahren dadurch rügt, dass der Bundesgerichtshof in seinen Ausführungen zu den aus einer Verletzung von Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK resultierenden Konsequenzen nicht in hinreichender Weise die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs zum Konsularrechtsübereinkommen berücksichtigt habe, ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet.

23

a) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 19. September 2006 (BVerfGK 9, 174 ff.) zur verfassungsrechtlichen Pflicht zur Berücksichtigung bestimmter Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs eingehend Stellung genommen. Der in diesem Beschluss entwickelte Maßstab (s. BVerfGK 9, 174 <187 ff.>), der hier erneut zugrunde zu legen ist, lässt sich wie folgt zusammenfassen:

24

aa) Das Grundgesetz legt die deutsche öffentliche Gewalt programmatisch auf die internationale Zusammenarbeit (Art. 24 GG) und die europäische Integration (Art. 23 GG) fest und bindet sie darüber hinaus an das Völkervertrags- (Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG) und Völkergewohnheitsrecht (Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 25 GG). Es ist Ausdruck der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, dass dieses nach Möglichkeit so auszulegen ist, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht entsteht. Hieraus ergibt sich eine verfassungsunmittelbare Pflicht der deutschen Gerichte, einschlägige Judikate der für Deutschland zuständigen internationalen Gerichte zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

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bb) Eine solche Berücksichtigungspflicht trifft die Fachgerichte auch hinsichtlich der hier relevanten Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs auf dem Gebiet des Konsularrechts. Diese Pflicht ergibt sich aus dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes in Verbindung mit der Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 59 Abs. 2 GG), welche die Entscheidungen eines völkerrechtlich ins Leben gerufenen internationalen Gerichts nach Maßgabe des Inhalts des inkorporierten völkerrechtlichen Vertrags umfasst. Würde eine Berücksichtigungspflicht hinsichtlich der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs dabei auf den unter deutscher Beteiligung entschiedenen Einzelfall begrenzt, könnte vor dem Hintergrund der jedenfalls faktischen Präzedenzwirkung seiner Entscheidungen regelmäßig nicht verhindert werden, dass Konflikte zwischen den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland und dem nationalen Recht entstehen. Solche Konflikte will das Grundgesetz mit seinen nach außen blickenden Verfassungsbestimmungen jedoch gerade vermeiden (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 111, 307 <318>). Deshalb muss der Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags durch den Internationalen Gerichtshof über den entschiedenen Einzelfall hinaus eine normative Leitfunktion beigemessen werden, an der sich die Vertragsparteien zu orientieren haben. Voraussetzung hierfür ist, dass die Bundesrepublik Deutschland Partei des einschlägigen, die in Rede stehenden materiell-rechtlichen Vorgaben enthaltenen völkerrechtlichen Vertrags ist und sich, wie im Fall des Konsularrechtsübereinkommens, der Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs unterworfen hat.

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cc) Inhaltlich bedeutet die Pflicht, die einschlägigen Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs zu berücksichtigen, dass sich die Fachgerichte mit seinen Ausführungen auseinandersetzen und gegebenenfalls abweichende eigene Auffassungen offenlegen müssen. Eine solche Abweichung von der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs kann die nach dem Vorstehenden zu vermeidenden Konflikte mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auslösen und widerspricht insoweit dem Verfassungsgrundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit. Deshalb muss in einem solchen Abweichensfall dargelegt werden, warum Grundrechte Dritter oder sonstige Verfassungsbestimmungen ein Abweichen erforderlich machen (vgl. bereits BVerfGK 9, 174 <195 f.>; BVerfGE 111, 307 <329>).

27

Dabei ist auch im Rahmen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle den Schwierigkeiten fachgerichtlicher Auseinandersetzungen mit Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs Rechnung zu tragen. Diese Entscheidungen sind in der Regel umfangreich begründet, doch bringen es nicht zuletzt die Eigenheiten der Völkerrechtsordnung mit sich, dass Zweifel über den genauen Inhalt der gerichtlichen Feststellungen und die aus ihnen zu ziehenden Folgerungen verbleiben können. Eine zusätzliche Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass Urteile des Internationalen Gerichtshofs in der amtlichen Sammlung nur in englischer und französischer Sprache erhältlich sind und es regelmäßig nur auszugsweise und nicht-amtliche deutsche Übersetzungen gibt. Oft wird hinzukommen, dass einschlägige Urteile - wie hier die Entscheidungen in Sachen LaGrand und Avena - zu einer anderen Rechtsordnung ergangen sind und die Frage, wie einzelnen Feststellungen des Internationalen Gerichtshofs gerade in der deutschen Rechtsordnung Rechnung zu tragen ist, nicht immer zweifelsfrei zu beantworten sein wird. Deshalb kann es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts sein, zunächst eine internationale Entscheidung in all ihren Einzelheiten auszuwerten und die Berücksichtigung dieser Entscheidung durch die Fachgerichte dann an einer solcherart eingehenden Würdigung zu messen. Insofern ist es für die verfassungsrechtliche Berücksichtigungspflicht von zentraler Bedeutung, dass das Fachgericht offenlegt, die einschlägige Judikatur zur Kenntnis genommen und sich mit ihr auseinandergesetzt zu haben. Geht es dann um die Frage, ob ein Fachgericht einer Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs auch den richtigen Inhalt beigemessen hat, kann ein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Berücksichtigungspflicht nur bei einer erkennbar fehlerhaften Rezeption angenommen werden. Nur so kann den aus der zunehmenden überstaatlichen Einbindung der deutschen Rechtsordnung auch und gerade für die Fachgerichte resultierenden Schwierigkeiten bei der verfassungsgerichtlichen Kontrolle Rechnung getragen werden.

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dd) Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet in Verbindung mit der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG das Recht des Beschuldigten auf ein rechtsstaatliches, faires Strafverfahren (BVerfGE 26, 66 <71>; 38, 105 <111>; 40, 95 <99>; 65, 171 <174>; 66, 313 <318>; 77, 65 <76>; 86, 288 <317 f.>). Die Ausgestaltung dieses Grundrechts ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers. Die Fachgerichtsbarkeit hat sodann den Schutzgehalt der jeweils in Frage stehenden Verfahrensnorm und anschließend die Rechtsfolgen ihrer Verletzung zu bestimmen. Die Verkennung des Schutzgehalts einer verletzten Verfahrensnorm kann danach ebenso in das Recht des Beschuldigten eingreifen wie eine Überspannung der weiteren Voraussetzungen für die Annahme eines Verwertungsverbots hinsichtlich rechtswidrig gewonnener Beweise. Das faire Verfahren wird allerdings nicht nur durch die Normen der Strafprozessordnung, sondern auch durch völkervertragsrechtliche Vorschriften ausgestaltet. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen völkerrechtliche Verträge wie das Konsularrechtsübereinkommen, denen die Bundesrepublik Deutschland durch Zustimmungsgesetz beigetreten ist, nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG im Range eines Bundesgesetzes (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 82, 106 <120>; 111, 307 <317>). Diese Rangzuweisung führt in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG dazu, dass deutsche Gerichte das anwendbare Völkervertragsrecht wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben (vgl. nur BVerfGE 111, 307 <317>). Art. 36 WÜK, der in der deutschen Rechtsordnung damit im Range eines Bundesgesetzes gilt, enthält Vorgaben, die unmittelbar für den deutschen Strafprozess einschließlich des Ermittlungsverfahrens relevant sind, wenn - wie vorliegend - Staatsangehörige eines anderen Vertragsstaats verfolgt werden. Die Norm ist hinreichend bestimmt, um von den Strafverfolgungsbehörden unmittelbar angewendet zu werden; sie bedarf keiner Ausführungsgesetzgebung, sondern ist "self-executing".

29

Deshalb kann ein Beschwerdeführer die Missachtung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung, bei der Auslegung und Anwendung des Konsularrechtsübereinkommens die einschlägige Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihr auseinanderzusetzen, als Verstoß gegen sein Grundrecht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip rügen.

30

b) Gemessen an diesem Maßstab ist der Bundesgerichtshof in dem angegriffenen Beschluss seiner verfassungsunmittelbaren Pflicht zur Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs bei der Frage der aus einer Verletzung von Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK resultierenden Konsequenzen nicht in hinreichender Weise nachgekommen.

31

aa) In seinem LaGrand-Urteil hat der Internationale Gerichtshof festgestellt, dass es in der Folge eines Verstoßes gegen Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK von Völkerrechts wegen im innerstaatlichen Verfahren möglich sein muss, strafrechtliche Verurteilungen in Schuld- und Strafausspruch unter Einbeziehung der Verletzung des Konsularrechtsübereinkommens einer Überprüfung und Neubewertung zu unterziehen (IGH, a.a.O., Ziff. 125).

32

Zu der Frage der näheren Ausgestaltung dieser Überprüfung und Neubewertung von Schuldspruch und Strafausspruch hat der Internationale Gerichtshof vor allem in seinem Avena-Urteil näher Stellung genommen (IGH, a.a.O., insbesondere Ziff. 115-143). Mexiko hatte als klagender Staat geltend gemacht, der Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 WÜK müsse in den Strafverfahren gegen die verurteilten mexikanischen Staatsbürger zwingend zur Aufhebung der Verurteilungen führen. Die USA schuldeten restitutio in integrum, welche nur durch Herstellung des status quo ante geleistet werden könne. Ferner sei sicherzustellen, dass der Verstoß gegen das Konsularrechtsübereinkommen sich nicht auf das weitergehende Verfahren auswirke. Deshalb dürften Aussagen aus der Zeit vor der konsularischen Belehrung keinesfalls im späteren Verfahrensverlauf verwertet werden; damit war die Frage eines Beweisverwertungsverbots angesprochen (vgl. IGH, a.a.O., Ziff. 116 f.). Der Internationale Gerichtshof führte hierzu aus, der Inhalt der völkerrechtlich geschuldeten Wiedergutmachung für den Verstoß gegen das Konsularrechtsübereinkommen könne nur mit Blick auf die konkrete Fallkonstellation ermittelt werden. Die zwingende Aufhebung aller Verurteilungen sei völkerrechtlich nicht geschuldet, schon weil nicht diese Verurteilungen, sondern eine Verletzung des Konsularrechtsübereinkommens durch die USA Verfahrensgegenstand seien. In diesem Kontext finden sich mehrere Feststellungen zu den völkerrechtlichen Anforderungen an die Überprüfung und Neubewertung der Verurteilungen (vgl. IGH, a.a.O., Ziff. 121 f. sowie Ziff. 138 ff.).

33

Der Internationale Gerichtshof stellt insoweit unmissverständlich klar, dass im Rahmen der Überprüfung und Neubewertung von Schuldspruch und Strafausspruch in jedem Einzelfall untersucht werden muss, ob dem Betroffenen aus dem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 WÜK im weiteren Verfahrensverlauf ein Nachteil entstanden ist (vgl. auch Esser, JR 2008, S. 271). Dabei sind die einzelnen tatsächlichen Umstände des jeweiligen Falles von den Gerichten näher zu prüfen. Der Internationale Gerichtshof lehnt einen Automatismus zugunsten einer Aufhebung von unter Verletzung des Konsularrechtsübereinkommens zustande gekommenen Verurteilungen ab; er will diese Frage einer Einzelfallprüfung überlassen. Danach ist die Überprüfung und Neubewertung der Verurteilung nur dann nach Maßgabe von Art. 36 Abs. 2 WÜK effektiv, wenn dabei die Frage beantwortet wird, ob sich durch die unterbliebene Belehrung die verfahrensrechtliche Stellung des Betroffenen tatsächlich verschlechtert hat, ihm aus dem Verstoß gegen das Konsularrechtsübereinkommen also ein Nachteil erwachsen ist. Dies macht der Internationale Gerichtshof auch in Bezug auf seine Ablehnung eines aus einem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 WÜK im innerstaatlichen Recht automatisch folgenden Beweisverwertungsverbots deutlich (IGH, a.a.O., Ziff. 127).

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bb) Die insoweit völkerrechtlich geforderte Einzelfallkontrolle hinsichtlich der Frage des dem Betroffenen aus der fehlenden Belehrung nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK im weiteren Verfahrensverlauf entstandenen Nachteils hat der Bundesgerichtshof nicht gewährleistet.

35

Er befasst sich im Rahmen der Erörterung eines Beweisverwertungsverbots - wie bereits in seinen durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 aufgehobenen Beschlüssen - ausschließlich mit der Schutzrichtung der konsularrechtlichen Belehrung. Indem er diese als "pauschales Sonderrecht" des Ausländers qualifiziert, welches keine hinreichende Ähnlichkeit mit den in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrungen habe und insoweit in keiner funktionellen Beziehung zu möglichen selbstbelastenden Aussagen stehe, schließt der Bundesgerichtshof die vom Internationalen Gerichtshof in aller Deutlichkeit geforderte - ergebnisneutrale - Prüfung der Frage, ob dem Betroffenen im konkreten Fall im Verlauf des Strafverfahrens aus der unterbliebenen Belehrung ein Nachteil entstanden ist, gerade aus. Wenn und weil ein Beweisverwertungsverbot bereits auf der vorgelagerten Normebene abgelehnt wird, bleibt für die Frage, ob ein solches aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls, das heißt wegen eines aus der fehlenden Belehrung entstandenen Nachteils im weiteren Verfahrensverlauf, anzunehmen ist, kein Raum (vgl. auch Esser, JR 2008, S. 271 <275>; Kreß, GA 2007, S. 297 <305 f.>; Schomburg/Schuster, NStZ 2008, S. 593 <595>). Im Übrigen hatte das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 19. September 2006 darauf hingewiesen, dass der Internationale Gerichtshof Art. 36 Abs. 1 WÜK als subjektives Recht auf konsularische Unterstützung bei der effektiven Wahrnehmung der eigenen Verteidigungsrechte bezeichnet hat und dass dieses Recht nach den Ausführungen des Internationalen Gerichtshofs insoweit die verfahrensrechtliche Stellung des Beschuldigten konstituiere (vgl. BVerfGK 9, 174 <194>). Diesen Ausführungen hat der Bundesgerichtshof trotz dieser verfassungsgerichtlichen Beanstandung erneut nicht hinreichend Rechnung getragen. Sein bloßer Verweis auf das LaGrand-Urteil vermag eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Feststellung, es handle sich bei Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK um ein "für die Ausgestaltung der Verteidigung nicht zentrales pauschales Sonderrecht" (BGHSt 52, 48 <55>), mit den Ausführungen des Internationalen Gerichthofs vereinbar ist, nicht zu ersetzen.

36

cc) Zwar mag dieser Widerspruch zwischen den Vorgaben des Internationalen Gerichtshofs und dem Prüfungsansatz des Bundesgerichtshofs nicht bereits für sich genommen verfassungswidrig sein. Denn das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem Beschluss vom 19. September 2006 festgestellt, dass eine Abweichung von den Vorgaben des Internationalen Gerichtshofs mit Blick auf Grundrechte Dritter oder sonstige Verfassungsbestimmungen erforderlich sein kann (vgl. BVerfGK 9, 174 <195 f.>). Hier ist indes nicht ersichtlich, dass eine Abweichung von den im Avena-Urteil aufgestellten Anforderungen an die Überprüfung und Neubewertung strafgerichtlicher Verurteilungen etwa deshalb zwingend geboten wäre, weil diese Anforderungen sich von vornherein einer Einpassung in das deutsche Strafverfahren entziehen und insofern die Effektivität der Strafrechtspflege beeinträchtigen könnten, auf deren wesentliche Bedeutung im Rahmen eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens das Bundesverfassungsgericht wiederholt hingewiesen hat (vgl. nur BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 109, 279 <336>; 122, 248 <272 f.>). Solche grundlegenden Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Vorgaben des Internationalen Gerichtshofs werden vom Bundesgerichtshof nicht geltend gemacht und sind auch nicht ohne weiteres erkennbar. Den durch einen Verstoß gegen die Belehrungspflicht verursachten Nachteilen kann bereits im Rahmen der Beweiserhebung und Beweiswürdigung Rechnung getragen werden (vgl. Esser, JR 2008, S. 271 <276 f.>). Nach der verfassungsrechtlich unbedenklichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu nicht speziell geregelten Beweisverwertungsverboten hat im Kern eine Abwägung stattzufinden zwischen dem durch den Verfahrensverstoß bewirkten Eingriff in die Rechtsstellung des Beschuldigten einerseits und den Strafverfolgungsinteressen des Staates andererseits. Dabei stellt der Bundesgerichtshof auf den Schutzzweck der verletzten Verfahrensnorm ebenso ab wie auf die Umstände, Hintergründe und Auswirkungen der Rechtsverletzung im Einzelfall (vgl. zu Verstößen gegen Belehrungspflichten BGHSt 47, 172 <173 ff.>; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2005 - 1 StR 117/05 -, NStZ-RR 2006, S. 181 <182>; BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2005 - 1 StR 114/05 -, NStZ 2006, S. 236 <237>; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - 4 StR 455/08 -, NStZ 2009, S. 281 f.). Auf die grundsätzliche Anwendbarkeit dieser Abwägungslösung hatte das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 19. September 2006 verwiesen (vgl. BVerfGK 9, 174 <196>). Danach wäre die Frage nach einem Beweisverwertungsverbot nicht abstrakt mit Blick auf den Schutzzweck von Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK zu beantworten, wobei bereits Ausführungen zum Schutzzweck dieser Bestimmung zukünftig die entsprechenden Vorgaben des Internationalen Gerichtshofs zu berücksichtigen hätten (vgl. bereits BVerfGK 9, 174 <194>). Vielmehr würde es die Abwägungskonzeption ermöglichen, bei der Frage nach einem aus der Verletzung von Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK folgenden Beweisverwertungsverbot die konkreten Umstände des einzelnen Falls in die Bewertung einfließen zu lassen (vgl. Kreß, GA 2007, S. 296 <305 f.>). Der Generalbundesanwalt hatte dies in seinem Antrag auf Verwerfung der Revision vom 18. Dezember 2008 allgemein und bezogen auf den konkreten Fall ausgeführt. Auch im Revisionsverfahren lassen sich die Vorgaben des Internationalen Gerichtshofs umsetzen. Gemäß § 337 Abs. 1 StPO kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Wenn und soweit dagegen auszuschließen ist, dass das mit der Revision angegriffene Urteil auf dem Verstoß gegen das Konsularrechtsübereinkommen beruht, hat der Betroffene durch den Verfahrensverstoß im Sinne der Ausführungen des Internationalen Gerichtshofs auch keinen Nachteil erlitten (vgl. BGHSt 52, 110 <117 f.>; BGH, Beschluss vom 27. August 2008 - 2 StR 263/08 -, juris; BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - 2 StR 169/08 -, juris; Esser, JR 2008, S. 271 <277 f.>).

37

Die Frage nach einer möglicherweise von Verfassungs wegen gebotenen Abweichung von den Vorgaben des Internationalen Gerichtshofs stellt sich hier letztlich auch deshalb nicht, weil der Bundesgerichtshof sich mit der Unvereinbarkeit seines Ansatzes mit den klaren und mehrfach wiederholten Feststellungen des Internationalen Gerichtshofs in der Avena-Entscheidung jedenfalls hätte auseinandersetzen, seine Abweichung also offenlegen und begründen müssen. Daran fehlt es, weil der Bundesgerichtshof auf die hier in Bezug genommenen zentralen Aussagen der Avena-Entscheidung nicht einmal eingeht. Er stellt im Anschluss an den Internationalen Gerichtshof und den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 zwar fest, aus Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK folge ein subjektives Recht des festgenommenen Ausländers, welches durch die fehlende Belehrung des Beschwerdeführers verletzt worden sei. Soweit er sich im weiteren Verlauf der Entscheidung dann der Frage eines aus dieser Verletzung folgenden Beweisverwertungsverbots widmet, geht er auf die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs aber nicht mehr ein, obwohl sich dieser im Avena-Urteil gerade mit der Frage der innerstaatlichen Auswirkungen eines Belehrungsverstoßes auseinandergesetzt hat, weil Mexiko als klagender Staat auch geltend gemacht hatte, ein solches Beweisverwertungsverbot stelle eine allgemeine Regel sowohl im common law als auch im civil law dar (vgl. IGH, a.a.O., Ziff. 126). Der Internationale Gerichtshof war der Auffassung, hierauf wegen seiner Vorgaben für die in jedem Einzelfall vorzunehmende Prüfung, ob der Betroffene durch den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK im Verlauf des Verfahrens einen Nachteil erlitten habe, nicht mehr generell eingehen zu müssen (IGH, a.a.O., Ziff. 127). Durch die unterbliebene Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs hat der Bundesgerichtshof den Beschwerdeführer zu I. erneut in seinem Grundrecht auf ein faires Verfahren verletzt.

38

dd) Die sich aus dem Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Berücksichtigungspflicht ergebenden innerstaatlichen Rechtsfolgen sind allerdings von Verfassungs wegen nicht festgelegt (vgl. bereits BVerfGK 9, 174 <196>). Grund für die verfassungsrechtliche Beanstandung der angegriffenen Entscheidung ist nicht ihr Ergebnis, sondern die fehlende Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs bei der Herleitung dieses Ergebnisses. Dass die Berücksichtigungspflicht nicht auf das vom Fachgericht erzielte Ergebnis fokussiert, zeigt sich schon daran, dass eine Abweichung von den Vorgaben der Rechtsprechung eines internationalen Gerichts unter Berücksichtigung der hierfür geltenden verfassungsrechtlichen Vorgaben grundsätzlich möglich bleibt. Insofern kommt es angesichts des dargestellten Prüfungsmaßstabs für die verfassungsrechtliche Berücksichtigungspflicht nicht darauf an, ob die Argumentation aus der Sicht des innerstaatlichen Rechts plausibel erscheint oder ob sie möglicherweise auch unter Berücksichtigung der Anforderungen des Internationalen Gerichtshofs für die Überprüfung und Neubewertung der Verurteilung als Ergebnis Bestand haben kann. Ob Letzteres in Fällen anders zu sehen sein könnte, in denen gesichert erscheint, dass auch bei der geforderten Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs kein anderes Ergebnis erzielt werden könnte, kann dahinstehen, weil dies hier nicht der Fall ist. Es ist nicht von vornherein ersichtlich, dass die vom Internationalen Gerichtshof geforderte Prüfung, ob dem Beschwerdeführer im konkreten Fall im weiteren Verlauf des Verfahrens durch den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK ein Nachteil entstanden ist, im innerstaatlichen Revisionsverfahren nur zur Verneinung eines Beweisverwertungsverbots oder der Beruhensfrage führen kann. Dafür sprechen zwar die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinem Antrag auf Verwerfung der Revision vom 18. Dezember 2008. Es handelt sich jedoch um eine Frage der Anwendung einfachen Rechts, die das Fachgericht zu beantworten hat (vgl. BVerfGK 9, 174 <197 f.>).

39

ee) An der festgestellten Grundrechtsverletzung vermag die Kompensationslösung auf der Strafvollstreckungsebene, die der Bundesgerichtshof gewählt hat, um den Völkerrechtsverstoß im innerstaatlichen Recht nicht ohne jede Konsequenz sein zu lassen, nichts zu ändern. Ob eine hinreichende Kompensation des Verstoßes gegen Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK auf der völkerrechtlichen Ebene im Einzelfall in der Lage sein könnte, den Verstoß gegen das Grundrecht auf ein faires Verfahren durch die fehlende Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs bei der Auslegung und Anwendung des Konsularrechtsübereinkommens auszuräumen, bedarf hier keiner Entscheidung.

40

3. Das Bundesverfassungsgericht macht von der Möglichkeit nach § 95 Abs. 2 BVerfGG Gebrauch, die Sache im Umfang der Aufhebung an einen anderen Strafsenat des Bundesgerichtshofs zurückzuverweisen (vgl. BVerfGE 46, 202 <213>).

41

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Weil die Rüge des Beschwerdeführers zu I. einer Verletzung seines Grundrechts auf ein faires Verfahren zur vollständigen Aufhebung der ihn betreffenden Revisionsentscheidung führt, hält die Kammer es trotz der Unzulässigkeit der Rüge betreffend eine rechtsstaatswidrige überlange Verfahrensdauer für angemessen, auf der Grundlage von § 34a Abs. 2 BVerfGG die volle Auslagenerstattung anzuordnen.

II.

42

Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu II. und zu III. werden nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen hier nicht vor. Die Verfassungsbeschwerden haben keine grundsätzliche Bedeutung, und ihre Annahme zur Entscheidung ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG bezeichneten Rechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerden sind teilweise bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet.

43

1. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu II. und zu III. sind teilweise mangels Beschwerdebefugnis unzulässig.

44

Dies betrifft zum einen die Beanstandung der Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur Frage des aus der Verletzung von Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK folgenden Beweisverwertungsverbots, in denen die Beschwerdeführer zu II. und zu III. Verstöße gegen ihr Grundrecht auf ein faires Verfahren und gegen das Willkürverbot erkennen. Diese Ausführungen tragen die Verwerfung der Revisionen der Beschwerdeführer zu II. und zu III. nicht, weil der Bundesgerichtshof zu ihren Revisionen auf einer vorgelagerten Ebene festgestellt hat, die Mitangeklagten könnten aus der Verletzung des subjektiven Rechts ihrer Mitbeschuldigten aus dem Konsularrechtsübereinkommen für sich von vornherein keine Verletzung eigener Verfahrensrechte herleiten. Damit sind die Beschwerdeführer zu II. und zu III. von der Ablehnung eines aus der Verletzung von Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK folgenden Beweisverwertungsverbots von vornherein nicht beschwert, sodass eine Verletzung ihrer Grundrechte nicht in Betracht kommt. Gleiches gilt, soweit sich die Beschwerdeführer zu II. und zu III. gegen die Kompensationslösung des Bundesgerichtshofs wenden: Denn diese Lösung wurde auf ihre Revisionen nicht angewendet, sodass auch insoweit eine Beschwer und damit Grundrechtsverletzungen ausscheiden.

45

2. Soweit die Beschwerdeführer zu II. und zu III. geltend machen, die Feststellung des Bundesgerichtshofs, ihr Rechtskreis sei nicht betroffen, sei willkürliche Dezision, weil jeder Angeklagte einen Anspruch auf ein prozessordnungsgemäßes Verfahren habe, sind ihre Verfassungsbeschwerden jedenfalls unbegründet.

46

a) Willkürlich ist ein Richterspruch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen; schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (vgl. nur BVerfGE 89, 1 <13 f.>; 96, 189 <203>).

47

b) Nach diesem Maßstab liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) hier nicht vor. Die Auffassung, eine Verletzung des Belehrungsrechts aus dem Konsularrechtsübereinkommen betreffe nicht den Rechtskreis eines Mitbeschuldigten, für den das Belehrungsrecht selbst nicht gilt, ist mit dem Verweis auf die individuelle Anknüpfung in Art. 36 Abs. 1 WÜK an Staatsangehörigkeit und Festnahmesituation nachvollziehbar begründet und lässt sachfremde Erwägungen nicht erkennen. Daraus zu folgern, dass die Mitbeschuldigten nicht in eigenen Verfahrensrechten verletzt sind, ist jedenfalls plausibel und entspricht der bekannten Rechtsprechungslinie der Strafgerichte, auf die das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 19. September 2006 verwiesen hatte (vgl. BVerfGK 9, 174 <197>). Mit der Frage, ob generelle Belange der Prozessordnungsmäßigkeit des Verfahrens eine andere Betrachtung veranlassen könnten, hat sich der Bundesgerichtshof erkennbar auseinandergesetzt; er hat diese Frage unter Verweis auf seine Rechtsprechung zu den §§ 53, 53a StPO verneint (vgl. BGHSt 33, 148 <154>). Auch dies ist jedenfalls nachvollziehbar und lässt damit Willkür nicht erkennen.

48

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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als verbüßt anzurechnen ist.
BGH, Beschluss vom 25. September 2007 – 5 StR 116/01
5 StR 475/02
LG Braunschweig
LG Hamburg –
5 StR 475/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. September 2007
in den Strafsachen
I. gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Mordes u. a.
II. gegen
wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2007

beschlossen:
1. Die Verfahren 5 StR 116/01 und 5 StR 475/02 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Revisionen der Angeklagten S. , F. und Sa. gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 5. Juli 2000 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, die Revision des Angeklagten S. mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), dass von der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
Jeder dieser Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, die Angeklagten S. , F. und Sa. zudem die den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen.
3. Die Revision des Angeklagten D. gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. April 2002 wird auf Kosten des Beschwerdeführers nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass von der verhängten Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
4. Das Verfahren gegen den verstorbenen Angeklagten T. wird nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt.
Insofern fallen die Auslagen der Staatskasse dieser zur Last. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen dieses Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
G r ü n d e

A


1
Die vorliegende Entscheidung ergeht in zwei zu verbindenden Verfahren jeweils im zweiten Verfahrensdurchgang, nachdem das Bundesverfassungsgericht in beiden Verfahren – nach § 349 Abs. 2 StPO ergangene – Beschlüsse des Senates aufgehoben hat.

I.


2
Das Landgericht Braunschweig hat am 5. Juli 2000 den Angeklagten S. wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Angeklagten F. und Sa. sowie den inzwischen verstorbenen T. hat es wegen Anstiftung zum Mord sowie wegen Nötigung, die Angeklagten F. und T. darüber hinaus wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Nötigung und den Angeklagten Sa. zudem wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Betreffend die Angeklagten F. , Sa. und T. hat das Landgericht die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
3
Mit ihren Revisionen haben die Angeklagten S. (türkischer Staatsangehöriger ), F. (deutscher Staatsangehöriger), Sa. und T. (beide serbisch-montenegrinische Staatsangehörige) mit der Verfahrensrüge beanstandet, dass der damals vorläufig festgenommene Beschuldigte S. vor seiner polizeilichen Vernehmung nicht gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24. April 1963 (BGBl II 1969 S. 1585) belehrt worden sei.
4
Der Senat hat durch Beschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 (BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1, StV 2003, 57 m. Anm.
Paulus) die Revisionen der Angeklagten nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

II.


5
Das Landgericht Hamburg hat am 5. April 2002 den Angeklagten D. wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt.
6
Der Angeklagte D. (türkischer Staatsangehöriger) hat im Rahmen seiner Revision mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, dass er vor seiner polizeilichen Vernehmung nicht gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrt worden sei.
7
Der Senat hat durch Beschluss vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – die Revision des Angeklagten D. nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

III.


8
Das Bundesverfassungsgericht – 1. Kammer des Zweiten Senats – hat durch Beschluss vom 19. September 2006 (NJW 2007, 499, m. Bespr. Walter JR 2007, 99 und Kreß GA 2007, 296 sowie Anm. Burchard JZ 2007, 891) die Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der Angeklagten zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, die Beschlüsse des Senats vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – betreffend die Beschwerdeführer wegen deren Verletzung in ihrem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) aufgehoben und die Sachen insoweit an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

B


9
Danach hat der Senat über die Revisionen aller Angeklagten erneut zu entscheiden.

I.


10
Dies kann im Beschlusswege erfolgen.
11
1. Über die Revisionen der Angeklagten S. , F. , Sa. und D. kann im Verfahren nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO befunden werden.
12
Durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 sind beide Verfahren in denjenigen Stand zurückversetzt worden, den sie vor dem Senatsbeschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und demjenigen vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – hatten. Soweit durch die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Rechtsfragen der Wirkung eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK – hierauf konzentriert und auf die in Betracht kommenden Gesichtspunkte hinweisend – zur erneuten Entscheidung gestellt sind, haben der Generalbundesanwalt mit seinen Antragsschriften vom 12. Dezember 2006 in der Sache 5 StR 116/01 und vom 18. Dezember 2006 in der Sache 5 StR 475/02 sowie die Verteidiger aller Angeklagten und der Vertreter der Nebenkläger Stellung genommen.
13
Eine Entscheidung im Beschlussverfahren ist auch nicht deshalb ausgeschlossen , weil zur erneuten Senatsentscheidung eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führt. Die hiernach unter notwendig revidierter Sicht erneut zu entscheidende Frage ist eng begrenzt und von den Verfahrensbeteiligten schriftsätzlich ausführlich behandelt worden. Sie ist auch unter Berücksichtigung der veränderten Vorgaben aus Sicht des Senats letzt- lich eindeutig zu beantworten. In der nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO geforderten Einstimmigkeit, bei § 349 Abs. 2 StPO zudem im notwendigen Einklang mit dem Ergebnis des Antrags des Generalbundesanwalts finden sich ausreichende Korrektive (vgl. auch BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 6). Es ist daran zu erinnern, dass auch sonst höchstrichterlich umstrittene Fragen (§ 132 Abs. 2 GVG) und Fragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG) durch Beschluss entschieden werden können (§ 138 Abs. 1 Satz 2 GVG) und regelmäßig in dieser Verfahrensweise entschieden werden, ohne dass den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme auch in einer Hauptverhandlung gegeben würde.
14
2. Die Entscheidung betreffend den verstorbenen Angeklagten T. hat nach § 206a Abs. 1 StPO durch Beschluss zu erfolgen.

II.


15
Die Revisionen der Angeklagten S. und D. sind weitgehend, die der Angeklagten F. und Sa. in vollem Umfang unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
16
1. Soweit die Revisionen jeweils mit der Verfahrensrüge eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend machen, führt dies lediglich zu einem geringen Teilerfolg der Revisionen der Angeklagten S. und D. .
17
a) Allerdings liegt in jedem der beiden Fälle eine Gesetzesverletzung darin, dass der Angeklagte S. und der Angeklagte D. jeweils nach ihrer Festnahme nicht durch die Polizeibeamten über ihre Rechte gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrt worden sind.
18
Die Bundesrepublik Deutschland und die Türkei sind Vertragsstaaten des genannten Übereinkommens (BGBl II 1969 S. 1585, 1671).
19
Zur Belehrung eines Festgenommenen mit fremder Staatsangehörigkeit gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK über sein subjektives Recht, die unverzügliche Benachrichtigung seiner konsularischen Vertretung zu verlangen , sind bereits die Polizeibeamten nach Festnahme verpflichtet (BVerfG – Kammer – NJW 2007, 499, 503 unter Berufung auf IGH, Urteil vom 27. Juni 2001, ICJ-Reports 2001, 464 – „LaGrand“ – [Übersetzung in EuGRZ 2001, 287] sowie vom 31. März 2004, ILM 43 [2004], 581 – „Avena“). Die durch den Senat vormals vorgenommene, an den nationalen Konkretisierungen im Haftrecht nach Art. 104 GG, §§ 115, 115a, 128 StPO orientierte Auslegung, welche die Pflicht auf den Richter beschränkt (BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1), erweist sich danach als zu eng und ist ausdrücklich zu revidieren. Die Belehrungspflicht knüpft – standardisiert – an die fremde Staatsangehörigkeit des Beschuldigten und an seine Festnahmesituation an. Sie gilt also auch für den Fall, dass der Beschuldigte seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat. Eine darüber hinausgehende ausländerspezifische oder situationsbedingte Hilflosigkeit ist nicht Voraussetzung für die sich aus Völkervertragsrecht im Range eines Bundesgesetzes ergebende Belehrungspflicht. Ebenso führt bei einem Beschuldigten, der nicht ausländischer Angehöriger eines Vertragsstaats des Wiener Übereinkommens ist, eine gleichgeartete besondere Hilflosigkeit in der Festnahmesituation nicht zu hieraus abzuleitenden entsprechenden Unterstützungspflichten.
20
Damit ist festzustellen, dass die Angeklagten D. und S. durch die unterbliebene Belehrung seitens der Polizeibeamten, die ihre erste Vernehmung durchgeführt haben, in ihren subjektiven Rechten auf konsularische Unterstützung bei der effektiven Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte in der Haftsituation verletzt worden sind. Ein Beruhen der Beweiswürdigung in den angefochtenen Urteilen auf den Ergebnissen der in dieser Situation erfolgten Vernehmungen kann der Senat nicht ausschließen, wenn sie auch in beiden Fällen eher fernliegen mag.
21
b) Die Mitangeklagten des Angeklagten S. , die Beschwerdeführer Sa. (serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger) und F. (deutscher Staatsangehöriger), können aus dieser Verletzung des subjektiven Rechts ihres Mitbeschuldigten für sich von vornherein keine Verletzung eigener Verfahrensrechte herleiten. Die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK knüpft individuell an fremde Staatsangehörigkeit und Festnahmesituation des unmittelbar betroffenen Beschuldigten an. Seine Verletzung berührt noch weniger als eine Verletzung der Rechte aus § 136 Abs. 1 StPO (vgl. dazu BGHSt 47, 233, 234; BGHR StPO § 136 Belehrung 5; BGH wistra 2000, 311, 313; vgl. auch Nack StraFo 1998, 366, 372 f.) den Rechtskreis eines Mitbeschuldigten. Grundlegende generelle Belange der Prozessordnungsmäßigkeit des Verfahrens, die eine abweichende Betrachtung veranlassen könnten (vgl. BGHSt 33, 148, 154 m.w.N.), sind nicht berührt. Bei dieser Sachlage bedarf die Frage keiner Vertiefung, ob als Ergebnis der maßgeblichen Abwägung zwischen den Belangen rechtsstaatlich geforderter Wahrheitsfindung und effektiver Wahrung unverletzlicher Verfahrenspositionen schon die bislang vom Bundesgerichtshof anerkannten Drittwirkungen – namentlich bei so persönlich geprägten Rechtspositionen wie denen aus dem Bereich des § 52 StPO – als eher zu weitgehend angesehen werden müssen.
22
c) Die von den Verstößen gegen die Belehrungspflicht selbst betroffenen Beschwerdeführer S. und D. sind mit revisionsrechtlichen Beanstandungen gegen eine Verletzung des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK nicht etwa in Ermangelung eines Widerspruchs ausgeschlossen. Sie haben in ihren Revisionsbegründungen jeweils vorgetragen, dass sie in der Hauptverhandlung bis zu dem in § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt Widerspruch gegen die Verwertung ihrer Angaben in den Beschuldigtenvernehmungen, für die sie eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend machen können, erhoben haben (hervorgehoben von BVerfG – Kammer – aaO S. 500; vgl. zum Widerspruchserfordernis BGH, Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Aller- dings erfolgte dieser Widerspruch „generell“ (S. ) bzw. bezogen auf ganz andere, nicht durchgreifende Verfahrensbeanstandungen nach §§ 136, 137 StPO (D. ). Dies wird den Erfordernissen eines spezifizierten Widerspruchs , wie ihn der 1. Strafsenat in seinem Beschluss vom 11. September 2007 in Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur „Widerspruchslösung“ verlangt hat, nicht gerecht. Das bleibt aber vorliegend für die unmittelbar von dem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK betroffenen Beschwerdeführer S. und D. unschädlich. Denn anders als in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall ist die in Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK vorgesehene Belehrung hier in beiden Fällen nie nachgeholt, der Verstoß mithin nicht später geheilt worden. Unter diesen Voraussetzungen sieht sich der Senat nach den maßgeblich zu beachtenden Grundsätzen des „LaGrand“-Urteils des Internationalen Gerichtshofs (BVerfG – Kammer – aaO S. 501 ff.) außerstande, den im Fall der Heilung erwägenswerten, vom 1. Strafsenat verlangten spezifizierten Widerspruch als Rügevoraussetzung zu fordern. Denn der Internationale Gerichtshof hatte einen Ausschluss der Revisibilität („review und reconsideration“) einer Verletzung dieses Rechts mangels rechtzeitiger Erhebung von nach nationalem Recht verlangten Einwänden – dort betreffend die USamerikanische „procedural default rule“ – jedenfalls dann als Verstoß gegen Art. 36 Abs. 2 WÜK betrachtet und deswegen missbilligt, wenn die Unterrichtung über das sich aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK ergebende Recht solange nicht erfolgte, wie diese Einwände prozessrechtlich hätten erhoben werden müssen (IGH – „LaGrand“ – aaO S. 497 sowie – „Avena“ – aaO S. 613; vgl. hierzu auch Simma in Festschrift für Tomuschat S. 423, 428 ff.). Ob ohne Heilung des Verstoßes jeglicher Widerspruch entbehrlich wäre, bedarf angesichts des hier jeweils generell erfolgten Widerspruchs keiner Vertiefung.
23
d) Indes zieht der Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK kein Verwertungsverbot nach sich, das anzunehmen Völker- oder Verfassungsrecht nicht gebieten (BVerfG – Kammer – aaO S. 503 f.; vgl. auch Kreß GA 2007, 296, 304; Walter JR 2007, 99, 101; Paulus StV 2003, 57, 58 f.; ferner Burchard JZ 2007, 891, 893 f.). Insoweit stellt sich die Rechtslage in Abwägung der widerstreitenden Interessen namentlich unter Berücksichtigung von Art und Gewicht des Verstoßes und von wesentlichen Belangen der Urteilsfindung im Strafverfahren (vgl. BGHSt 44, 243, 249 m.w.N.; BGH NJW 2007, 2269, 2271, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt ) anders dar als bei der in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung über das Schweigerecht und das Verteidigerkonsultationsrecht. Hierdurch werden die wesentlichen Rechte des Beschuldigten auf Selbstbelastungsfreiheit und effektive Verteidigung unmittelbar bezogen auf die Vernehmungssituation zentral geschützt. Die einem Beschuldigten aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK zu erteilende Belehrung ist diesen Belehrungspflichten hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und – was für die Annahme eines Verwertungsverbots wesentlich sein kann – hinsichtlich ihrer Bedeutung für ein mögliches Beweisergebnis zu Lasten des Beschuldigten nicht ausreichend ähnlich. So knüpft die Belehrungspflicht des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK schon nicht an den Beginn der Vernehmung an, sondern es wird allein auf die Inhaftierung abgestellt. Zudem wird durch das Unterrichtungsrecht nach Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK lediglich ein ergänzender Schutz für jeden inhaftierten Beschuldigten mit einer fremden Staatsangehörigkeit geboten, dem in der Haftsituation und unter deren besonderer Berücksichtigung eine allein staatsangehörigkeitsbezogene weitergehende Verbesserung seiner Verteidigungschancen eingeräumt werden soll. Durch diese standardisierte Rechtsposition wird, wie dargelegt, auch nicht etwa besonders auf eine mögliche ausländerspezifische Hilflosigkeit abgestellt. Liegt eine solche vor, ist dem eben nicht etwa durch eine hervorgehobene Bewertung oder weitergehende Ausgestaltung der Rechte aus Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK Rechnung zu tragen, sondern durch eine geeignete besondere Rücksicht auf die Wahrnehmung des Schweigerechts und des Verteidigerkonsultationsrechts, insbesondere bei der Ausgestaltung der nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung (vgl. BGHSt 42, 15). Den betroffenen ausländischen Beschuldigten kommen sonst unvermindert sämtliche rechtsstaatlichen Ver- teidigungsstandards zugute. An eine Verletzung des subjektiven Rechts aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (vgl. IGH – „LaGrand“ – aaO S. 494), das zwar beachtlich ist, indes ein für die Ausgestaltung der Verteidigung nicht zentrales pauschales Sonderrecht darstellt, ist danach, anders als bei § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO möglich, kein Beweisverwertungsverbot zu knüpfen.
24
e) Jedoch erachtet der Senat es für angezeigt, die Rechtsverletzung zu kompensieren.
25
Trotz Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots darf der festzustellende Verstoß gegen die völkerrechtlich verankerte Unterrichtungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK grundsätzlich nicht folgenlos bleiben. Nach der vom Internationalen Gerichtshof geforderten Auslegung des Art. 36 Abs. 2 zweiter Halbsatz WÜK – die gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu beachten ist (BVerfG – Kammer – aaO S. 501) – muss es möglich sein, eine effektive Revisibiliät („full effect“, IGH – „La Grand“ – aaO S. 498) sicherzustellen. Daraus folgt zum einen, dass das Revisionsgericht auf eine Verfahrensrüge des betroffenen ausländischen Angeklagten eine Rechtsverletzung zu prüfen und gegebenenfalls festzustellen hat. Zudem ist zu beachten , dass die Angeklagten S. und D. in ihren persönlichen und prozessualen Rechten verletzt worden sind und die – dem deutschen Revisionsverfahren ohnehin fremde – alleinige Feststellung der Rechtsverletzung dies nicht stets angemessen auszugleichen vermag. Ähnlich wie in den Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung (vgl. die Darstellung der Rechtsentwicklung im Vorlagebeschluss des 3. Strafsenats vom 23. August 2007 – 3 StR 50/07) und im Fall der Verleitung einer unverdächtigen und zunächst nicht tatgeneigten Person zu einer Straftat durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise (BGHSt 45, 321; 47, 44, 52) liegt ein Grund für eine Kompensation vor (vgl. hierzu Simma aaO S. 432). Damit wird sichergestellt, dass der Verletzte, sofern dies angemessen ist, eine Wiedergutmachung für die von ihm erlittene Beeinträchtigung seiner Rechtsposition aus Art. 36 WÜK im sachnächsten nationalen Verfahren erhalten kann.
26
Eine derartige Kompensation erscheint jedenfalls dann angezeigt und gar geboten, wenn der betroffene Angeklagte eine erhebliche Bestrafung erfährt und der Verstoß nicht – wie in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall angesichts alsbald anschließender Belehrung durch den Haftrichter – nur kurzfristig fortgewirkt hat. Beide Voraussetzungen sind vorliegend bei den unmittelbar betroffenen Beschwerdeführern S. und D. erfüllt.
27
f) Der Senat nimmt diese Kompensation nicht – wie die bisherige Rechtsprechung in den genannten Fällen – durch eine Herabsetzung der verhängten Strafe (Strafzumessungslösung) vor, sondern in Form des Ausspruchs , dass ein zahlenmäßig bestimmter Teil der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt (Vollstreckungslösung). Er sieht sich als befugt an, in der vorstehenden Weise zu entscheiden, ohne von bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen, da bislang nicht entschieden worden ist, in welcher Form die Kompensation einer Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK und damit die angezeigte effektive Geltendmachung der Verletzung dieses Rechts vorzunehmen ist. Er orientiert sich an der auf eine analoge Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB gestützten „Vollstreckungslösung“ , wie sie der 3. Strafsenat im Vorlagebeschluss vom 23. August 2007 – 3 StR 50/07 (vgl. auch Basdorf, Tagungsbericht zum Karlsruher Strafrechtsdialog 2007) nunmehr für Fälle überlanger Verfahrensdauer für vorzugswürdig hält. Diese Lösung ist – anders als die Strafzumessungslösung – nicht mit dem Widerspruch behaftet, durch eine Reduktion der schuldangemessenen Strafe Verfahrensfehler der Strafverfolgungsbehörden, die mit der Schuld des Angeklagten in keiner Beziehung stehen, hiermit in Korrelation zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 – 5 StR 83/07, zur Veröffentlichung in BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 fair-trail 5 bestimmt). Sie entspricht vielmehr dem objektiv orientierten Modell des § 51 StGB. Damit ist auch eine höhere Transparenz der Rechtsfolgenentscheidung in dem Sinne gewährleistet, dass die Tatschuld im Strafausspruch zutreffend ausgewiesen wird und in dieser Weise unvermindert bei späteren Entscheidungen berücksichtigt werden kann.
28
Die neue Fallkonstellation erlaubt eine solche abweichende Methodik selbst für den Fall, dass sie sich – entgegen der Auffassung auch des 5. Strafsenats – bei auf überlanger Verfahrensdauer beruhenden Verstößen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK nicht durchsetzen sollte. Jene Fälle haben einen weit größeren Anwendungsbereich und betreffen – im Gegensatz zu der hier zu entscheidenden Fallkonstellation mit regelmäßig nicht übermäßig schwerwiegenden Verstößen – Fälle unterschiedlichsten Gewichts mit einem ganz individuell zu bemessenden Ausmaß einer gebotenen Kompensation.
29
Die neue, vorliegend vom Senat bereits angewendete Methodik hat überdies den Vorteil, dass eine effektive Revisibilität auch einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Angeklagten zugute kommt, abweichend von der Lösung über die Strafzumessung, deren insoweit negative Konsequenz von der Rechtsprechung freilich gebilligt worden ist (BVerfG – Kammer – NStZ 2006, 680; BGH NStZ 2006, 346). So wird infolge der „Vollstreckungslösung“ hier der Angeklagte S. durch eine bezifferte Anrechnung eines als verbüßt geltenden Teils der Strafe analog § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB den Zeitpunkt der Mindestverbüßung nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB früher erreichen.
30
Der Senat lässt offen, ob in Fällen geringerer Schwere eine mittels Anwendung des nationalen Rechts mögliche Kompensation auch auf andere Weise, etwa durch Gewährung einer Entschädigung in analoger Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) oder durch Kostennachlass, etwa analog § 465 Abs. 2 StPO, in Betracht zu ziehen wäre. Bei Strafen geringeren Gewichts und im Falle der späteren Heilung des Verfahrensverstoßes durch alsbald nachgeholte Belehrung gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Sep- tember 2007 – 1 StR 273/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) mag eine Kompensation gänzlich entbehrlich sein.
31
g) Der Senat bestimmt das Maß der als vollstreckt geltenden Strafe angesichts des jeweiligen Gewichts des Verstoßes und seiner Auswirkungen sowie der jeweiligen Tatvorwürfe bei beiden Beschwerdeführern jeweils mit sechs Monaten.
32
2. Im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten S. , F. und Sa. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 21. Juni 2001 sowie die Revision des Angeklagten D. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 13. November 2002 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
33
3. Irgendeine Herabsetzung oder weitergehende partielle Kompensation der gegen die Angeklagten S. , F. , Sa. und D. verhängten Strafen unter dem Gesichtspunkt der besonders langen Verfahrensdauer ist nicht vorzunehmen. Der Senat vermag eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht zu konstatieren.
34
a) Soweit es etwa um die Behandlung der beiden Sachen zwischen der Erhebung der Verfassungsbeschwerden und dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 gehen kann, neigt der Senat zu der Ansicht, dass einem Gericht grundsätzlich nicht die Möglichkeit eröffnet ist, einen durch ein höherrangiges Gericht begangenen Verstoß der genannten Art gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK festzustellen und zu berücksichtigen , wenn nicht etwa dieses Gericht entsprechende Hinweise gegeben hat. Dies dürfte bereits aus der Verfassung des Gesamtgefüges der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland folgen und findet zumindest seine verfahrenspraktische Bestätigung darin, dass dem Gericht geringeren Ranges Kenntnisse zum erfolgten Verfahrensgang beim höherrangigen Gericht fehlen.
35
b) Die Behandlung der Sachen beim Senat war nicht verzögerlich. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 ist beim Senat am 26. Oktober 2006 eingegangen. Auf die Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 12. Dezember 2006 (in der Sache 5 StR 116/01) und vom 18. Dezember 2006 (in der Sache 5 StR 475/02) haben die Verfahrensbeteiligten bis zum 7. März 2007 Stellung genommen. Die gegen den Vorsitzenden, den Berichterstatter und ein weiteres Senatsmitglied gerichteten Ablehnungsgesuche des Angeklagten D. vom 17. Januar 2007 hat der Senat nach den gebotenen Anhörungen durch Beschluss vom 11. April 2007 zurückgewiesen. Darin, dass das Revisionsgericht in seiner sich erst aus jener Senatsentscheidung ergebenden Besetzung nicht schon früher entschieden hat, liegt keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (vgl. zudem zur fehlenden Rechtsstaatswidrigkeit längerer Verfahrensdauer in umfänglichen und schwierigen Verfahren BGH NJW 2007, 853, 857).
36
c) Eine solche Verfahrensverzögerung findet sich auch nicht etwa darin , dass das Bundesverfassungsgericht hier zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wegen Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires Verfahren aufgehoben hat, wodurch ein weiterer fast ein Jahr währender Verfahrensgang vor dem Bundesgerichtshof notwendig geworden ist. Anzuknüpfen ist an das Urteil des 3. Strafsenats vom 7. Februar 2006 – 3 StR 460/98 (NJW 2006, 1529), wonach eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht allein deshalb vorliegt, weil das Revisionsgericht zur Korrektur eines dem Tatrichter unterlaufenen – nicht eklatanten – Rechtsfehlers dessen Urteil aufheben und die Sache zu neuer – zeitaufwändiger – Bearbeitung an die Vorinstanz zurückverweisen muss; denn solcher Verfahrensgang ist Ausfluss eines rechtsstaatlichen Rechtsmittelsystems. Die Grundsätze dieses Urteils, denen der Senat in vollem Umfang zustimmt, sind auf die vorliegende Konstellation der Aufhebung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs durch das Bundesverfassungsgericht sinngemäß zu übertragen. Als eklatante Gesetzesverletzung, die eine abweichende Beurteilung erfordern könnte (vgl. BGH aaO S. 1532 m.w.N.), wertet der Senat sei- ne erste, nunmehr freilich nach Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts zu revidierende Entscheidung nicht.
37
4. Der Teilerfolg, den die Angeklagten S. und D. auf ihre unbeschränkten Revisionen mit der Anrechnung von sechs Monaten Freiheitsstrafe auf die verbüßten Strafen erzielen, ist derart gering, dass es unter den Billigkeitsgesichtspunkten des § 473 Abs. 4 StPO nicht angezeigt erscheint, eine Kostenteilung vorzunehmen.

III.


38
Auf die Revision des Angeklagten T. ist das Verfahren einzustellen. Dieser Angeklagte ist am 7. September 2004 verstorben. Da das Bundesverfassungsgericht den Beschluss des Senats vom 7. November 2001 auch betreffend den Angeklagten T. aufgehoben hat, stellt der Senat das Verfahren insoweit nach § 206a Abs. 1 StPO ein (vgl. BGHSt 45, 108).
39
Die Kostenentscheidung hat im Fall des Todes des Angeklagten nach denjenigen Grundsätzen zu erfolgen, die bei Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses allgemein anzuwenden sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 464 Rdn. 14, § 465 Rdn. 12). Deshalb fallen die Auslagen der Staatskasse dieser nach § 467 Abs. 1 StPO zur Last. Jedoch wird nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Ausla- gen des Angeklagten T. der Staatskasse aufzuerlegen. Aus den obigen Ausführungen folgt, dass dieser Angeklagte nur deshalb nicht rechtskräftig verurteilt wird, weil mit seinem Tod ein Verfahrenshindernis eingetreten ist.
Basdorf RiBGH Häger ist erkrankt Gerhardt und daher verhindert zu unterschreiben Basdorf Brause Schaal

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

5 StR 116/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 7. November 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. November 2001

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 5. Juli 2000 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts merkt der Senat an: Die Rüge einer etwaigen Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b) des Wiener Übereinkommens vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24. April 1963 (BGBl. II 1969 S. 1585) bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerdeführer machen geltend, daß der vorläufig festgenommene Angeklagte S vor seiner polizeilichen Vernehmung, in der er sich teilgeständig zeigte, nicht über seine Rechte nach dem WÜK belehrt worden sei.
Zwar enthält die genannte Bestimmung nicht nur zwischenstaatliche Bestimmungen , sondern sie kann unter den dort genannten Voraussetzungen auch subjektive Rechte eines einzelnen Staatsangehörigen begründen (vgl. Urteil des Internationalen Gerichtshofs vom 27. Juni 2001 im “LaGrand Case” Germany v. United States of America; nichtamtliche Übersetzung in EuGRZ 2001, 287, 290, Nr. 77). Dafür spricht insbesondere der Wortlaut der genannten Regelung, nach dem die konsularische Vertretung des Entsen- destaates (nur) “auf Verlangen des Betroffenen” über dessen Festnahme etc. zu unterrichten ist (im englischen Vertragstext: “if he so requests”) und “diese Behörden haben den Betroffenen ... über seine Rechte ... zu unterrichten” (“The said authorities shall inform the person concerned ... of his rights”). Zudem dürfen Konsularbeamte nach Art. 36 Abs. 1 lit. c) WÜK für einen festgehaltenen Staatsangehörigen dann nicht tätig werden, wenn der Betroffene ausdrücklich Einspruch dagegen erhebt (“if he expressly opposes such action”).
Gleichwohl hat die Verfahrensrüge keinen Erfolg. So ist schon zweifelhaft, ob neben dem Angeklagten S die weiteren Angeklagten ihre Revision auf einen etwaigen Verstoß gegen das WÜK stützen können, da die genannten Bestimmungen nur dem Festgenommenen selbst bestimmte Rechte gewähren (vgl. dazu BGHSt 11, 213; BGHR StPO § 136 – Belehrung 5; siehe aber auch BGHSt 33, 148). Indes kommt es hierauf nicht an.
Der unmittelbar Betroffene soll durch die genannte Vorschrift nicht vor eigenen unbedachten Äußerungen geschützt werden, die er vor der Kontaktaufnahme mit dem für ihn zuständigen Konsularbeamten bzw. der entsprechenden Belehrung über seine diesbezüglichen Rechte gemacht hat. Insoweit gewährt das WÜK keinen über § 136 StPO hinausgehenden Schutz; mögliche sprachliche Defizite eines ausländischen Beschuldigten werden durch die unentgeltliche Unterstützung eines Dolmetschers nach Art. 6 Abs. 3 lit.
e) EMRK ausgeglichen (vgl. dazu BGHSt 46, 178). Durch die Benachrichtigung der konsularischen Vertretung soll vielmehr verhindert werden, daß Angehörige eines Entsendestaates, die außerhalb ihrer Heimat vielfach nur über geringe oder gar keine Sozialkontakte verfügen, dort aufgrund staatlichen Zugriffs spurlos aus der Öffentlichkeit verschwinden (vgl. Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 114b Rdn. 1). Allein insoweit ergänzt das WÜK deutsches Strafverfahrensrecht, insbesondere – bei ansonsten identischer Zielrichtung – Art. 104 Abs. 4 GG und § 114b StPO (vgl. zu den beiden letztgenannten Bestimmungen: Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 4. Aufl. Art. 104 Rdn. 71; Boujong in KK 4. Aufl. § 114b Rdn. 1). Für eine zusätzliche Privilegierung von Angehörigen der dem WÜK beigetretener Staaten gegenüber anderen ± deutschen wie nichtdeutschen ± Beschuldigten gibt das Übereinkommen nichts her.
Schlieûlich hat die Verfahrensrüge auch deshalb keinen Erfolg, weil ªzuständige Behördeº für die Belehrung des Festgenommenen und die Benachrichtigung dessen konsularischer Vertretung nach Art. 36 Abs. 1 lit. b) WÜK nicht die unmittelbar festnehmende Polizei, sondern der in §§ 115, 115a, 128 StPO genannte Richter ist. Dafür spricht schon der Wortlaut der Bestimmung , nach der ± was anderenfalls zumindest nahegelegen hätte ± nicht etwa die festnehmenden Polizeibeamten, sondern die (nach nationalem Recht) zuständigen Behörden des Empfangsstaates zur Belehrung und Benachrichtigung verpflichtet werden (im englischen Vertragstext: ªthe competent authoritiesº bzw. später darauf Bezug nehmend: ªthe said authoritiesº). Nach deutschem Recht ist aber ausschlieûlich der Richter für die Benachrichtigung Dritter zuständig ± er also im Sinne des WÜK auch zuständige Behörde ±, wenn ein Beschuldigter nach den §§ 112 ff. StPO festgenommen wurde (vgl. § 114b Abs. 1 Satz 2 StPO). Da nach Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. § 115 Abs. 1, § 115a Abs. 1 und § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO der Festgenommene ªunverzüglichº dem zuständigen Richter vorgeführt werden muû, ist auch gewährleistet, daû der Betroffene ohne Verzögerung über se ine Rechte aus dem WÜK von diesem Richter belehrt wird und er seine konsularische Vertretung von seiner Festnahme unterrichten lassen kann.
Harms Häger Raum Brause Schaal
5 StR 475/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 29. Januar 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2003

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten S , D und Ö gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. April 2002 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
G r ü n d e Die Revisionen der Angeklagten haben aus den vom Generalbundes- anwalt in der Antragsschrift angegebenen Gründen keinen Erfolg.
Ergänzend bemerkt der Senat: Für die vom Angeklagten Ö erhobene Besetzungsrüge gelten die Ausführungen des Generalbundesanwalts im Antrag vom 13. November 2002 (B. I. 1.) entsprechend. Keinen Erfolg hat auch die Rüge des Angeklagten D , die polizeilichen Vernehmungsbeamten hätten ihm nach seiner Festnahme nicht vorenthalten dürfen, daß sich für ihn bereits ein Rechtsanwalt als möglicher Verteidiger gemeldet habe, mit der etwaigen Folge, daß seine damaligen Angaben nicht hätten verwertet werden dürfen (vgl. dazu BGH NStZ 1997, 502; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 136 Rdn. 10; Lüderssen in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 137 Rdn. 67). Die Verfahrensrüge genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, da die Revision verschweigt, daß der Angeklagte sich am 20. November 2001 – nach Konsultation seines Verteidigers – er- neut zur Sache eingelassen und die Richtigkeit seiner früheren Angaben bestätigt hat (Sachakten Bl. 619-621).
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

(1) Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen.

(1a) Soweit die Länder für die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen übertragen.

(2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.

(3) Zur Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten wird der Bund Vereinbarungen über eine allgemeine, umfassende, obligatorische, internationale Schiedsgerichtsbarkeit beitreten.

(1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen. Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, gilt Artikel 79 Abs. 2 und 3.

(1a) Der Bundestag und der Bundesrat haben das Recht, wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts der Europäischen Union gegen das Subsidiaritätsprinzip vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Klage zu erheben. Der Bundestag ist hierzu auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder verpflichtet. Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können für die Wahrnehmung der Rechte, die dem Bundestag und dem Bundesrat in den vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union eingeräumt sind, Ausnahmen von Artikel 42 Abs. 2 Satz 1 und Artikel 52 Abs. 3 Satz 1 zugelassen werden.

(2) In Angelegenheiten der Europäischen Union wirken der Bundestag und durch den Bundesrat die Länder mit. Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten.

(3) Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union. Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahmen des Bundestages bei den Verhandlungen. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(4) Der Bundesrat ist an der Willensbildung des Bundes zu beteiligen, soweit er an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären.

(5) Soweit in einem Bereich ausschließlicher Zuständigkeiten des Bundes Interessen der Länder berührt sind oder soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat, berücksichtigt die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates. Wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betroffen sind, ist bei der Willensbildung des Bundes insoweit die Auffassung des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren. In Angelegenheiten, die zu Ausgabenerhöhungen oder Einnahmeminderungen für den Bund führen können, ist die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich.

(6) Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder auf den Gebieten der schulischen Bildung, der Kultur oder des Rundfunks betroffen sind, wird die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder übertragen. Die Wahrnehmung der Rechte erfolgt unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren.

(7) Das Nähere zu den Absätzen 4 bis 6 regelt ein Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

(1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Bundes die Verträge mit auswärtigen Staaten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten.

(2) Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. Für Verwaltungsabkommen gelten die Vorschriften über die Bundesverwaltung entsprechend.

Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Bundes die Verträge mit auswärtigen Staaten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten.

(2) Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. Für Verwaltungsabkommen gelten die Vorschriften über die Bundesverwaltung entsprechend.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 117/05
vom
19. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Oktober 2005 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München II vom 6. Dezember 2004 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:


Der Angeklagte lebte seit längerer Zeit aus nichtigem Anlass mit seiner Ehefrau im Streit. Aus Verärgerung stach er plötzlich und für sie unerwartet mindestens fünf Mal mit einem Messer auf ihren Oberkörper ein. Sie konnte die Stiche allerdings weit gehend abwehren, zumal ihr Familienmitglieder zur Hilfe eilten und sich auch noch das Messer verformte. Sie war am Ende nur geringfügig an der Hand verletzt. Der Angeklagte hat geltend gemacht, er habe sie nur „so richtig erschrecken wollen“ und Stiche nur vorgetäuscht. Die Strafkammer hat dies nicht geglaubt. Der Angeklagte hat nämlich bei seiner polizeilichen Vernehmung „… eingeräumt, im Moment des Zustechens gedacht zu haben, dass er seine Frau jetzt umbringe… . In dem Moment, als er auf sie eingestochen habe, habe er gewollt, dass sie sterbe.“ Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde er wegen heimtückisch begangenen Mordversuchs in Tateinheit mit
de er wegen heimtückisch begangenen Mordversuchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer zeitigen Freiheitsstrafe verurteilt.

I.

Die auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gest ützte Revision des Angeklagten bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO). Der näheren Ausführung bedarf nur folgendes: 1. Die Revision wendet sich gegen die Verwertbarkeit de r genannten Angaben des Angeklagten bei der Polizei.
a) Bereits in der Hauptverhandlung war geltend gemach t worden, bei dieser Vernehmung sei gegen §§ 136, 136a StPO verstoßen worden. Nach der Belehrung , jederzeit einen Verteidiger zuziehen zu dürfen, sei ihm auf seine Frage nach einem Anwalt erklärt worden, einen Anspruch auf einen Anwalt hätte er nur, wenn er diesen auch bezahlen könne. Auf seine anschließende Frage nach einem Pflichtverteidiger sei ihm erklärt worden, auch hierauf habe er keinen Anspruch , wenn er nicht zahlen könne. „Kein Geld, kein Anwalt“. Die Strafkammer hat nach Einvernahme des kriminalpolizeilichen Vernehmungsbeamten H. festgestellt, dass diese Behauptungen nicht zutreffen. Vielmehr hat der Angeklagte nach ordnungsgemäßer Belehrung erklärt, er könne gegenwärtig keinen Rechtsanwalt bezahlen, wolle aber trotzdem Angaben zum Tatvorwurf machen. Eine vorherige anwaltliche Beratung hat er nicht verlangt.
b) In der Revisionsbegründung wird - nach wie vor - gel tend gemacht, der Wunsch des Angeklagten nach einem Anwalt sei im Hinblick auf die Äußerungen der Polizei „abgeblockt“ worden.

c) Da bei der genannten Vernehmung auch der Staatsanw alt L. anwesend war, hat der Senat vorsorglich eine dienstliche Äuße rung von ihm eingeholt. Der Staatsanwalt bestätigt die Angaben H. s, die auch der Niederschrift über die polizeiliche Vernehmung entsprechen und von denen die Strafkammer ausgegangen ist.
d) Zu der dienstlichen Erklärung angehört, hat die Re vision erwidert, die Behauptungen des Kriminalbeamten und des Staatsanwalts seien ein „lebensfremdes Konstrukt“, außerdem sei, so der Angeklagte, der Staatsanwalt bei dem in Rede stehenden Teil der Vernehmung überhaupt nicht anwesend gewesen. Selbst wenn aber, so die Revision weiter, von der Richtigkeit dieses Vorbringens auszugehen sei, hätte die Polizei ihre Pflichten verletzt, was zur Unverwertbarkeit der Aussage führe.
e) Mit alledem kann die Revision hier schon im Ansatz nich t gehört werden. Die Revision macht zwar insgesamt geltend, wegen Rechtsfehlern im Zusammenhang mit der Beschuldigtenbelehrung sei die anschließende Vernehmung unverwertbar; in tatsächlicher Hinsicht schließen sich jedoch das Vorbringen , - die Polizei habe die Realisierung des vom Angeklagten geäußerten Wunsch nach einem Verteidiger mit dem Hinweis auf seine fehlenden Geldmittel verhindert und das Vorbringen, - die Polizei habe nicht reagiert, als der Angeklagte erklärt habe, er könne keinen Rechtsanwalt bezahlen, wolle aber trotzdem Angaben machen einander aus.
Deshalb sind insoweit insgesamt die Anforderungen an ei nen zulässigen Revisionsvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) nicht erfüllt (vgl. BGHSt 17, 337; BGH NStZ 1998, 52; Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 26; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 344 Rdn. 24).
f) An alledem ändert sich auch dann nichts, wenn vorgebr acht wird, der ursprüngliche Vortrag bleibe zwar aufrecht erhalten, hilfsweise werde ein Rechtsfehler auch für den Fall geltend gemacht, dass nicht von den selbst vorgetragenen Tatsachen auszugehen sei, sondern von denen, die die Strafkammer zu Grunde gelegt habe. (1) Der dem „Hauptantrag“ zu Grunde liegende Vortra g ist nicht bewiesen, wie dies für eine erfolgreiche Verfahrensrüge erforderlich wäre (vgl. MeyerGoßner aaO § 337 Rdn. 10, 12 m. w. N.). Der Senat hält das Vorbringen der Revision im Hinblick auf die jetzt zusätzlich durch die Angaben von Staatsanwalt L. bestätigte Vernehmungsniederschrift und die dementsprechenden Angaben des Kriminalbeamten ebenso wie die Strafkammer für widerlegt. (2) Hilfsweise erhobene Verfahrensrügen sind nicht zulässi g (vgl. MeyerGoßner aaO § 344 Rdn. 12; Sarstedt/Hamm, Revision in Strafsachen 6. Aufl. Rdn. 220).
g) Der Senat bemerkt jedoch zu alledem folgendes: Bei der ersten Vernehmung musste der Sachverhalt hinsichtlich des dringenden Tatverdachts eines Kapitalverbrechens erst noch abgeklärt werden (z.B. hinsichtlich der Abgrenzung zwischen bloßem Körperverletzungsvorsatz und Tötungsvorsatz sowie - bei Tötungsvorsatz - zwischen freiwilligem Rücktritt und gescheitertem Versuch ). Schon allein deshalb bestand, auch wenn ein Staatsanwalt anwesend war, keine Veranlassung, mit der Vernehmung des nach Belehrung aussagebe-
reiten Angeklagten bis zur Bestellung eines Pflichtverteidigers zuzuwarten (vgl. BGHSt 47, 172, 176; Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2005 - 1 StR 114/05 m. N.). Allerdings ist davon auszugehen, dass sich der Angeklagte (d amals Beschuldigter ) erkennbar der Hilfe eines Verteidigers bedienen wollte, hierzu aber aus wirtschaftlichen Gründen keine Möglichkeit sah. Hierbei irrte er. Jedenfalls wenn die Möglichkeit eines Kapitaldelikts (und damit die häufig alsbald beantragte Bestellung zum Pflichtverteidiger) im Raum steht, gibt es erfahrungsgemäß Rechtsanwälte, die bereit sind, auch mittellosen Beschuldigten sofort beizustehen , sie zumindest telefonisch zu beraten. Die Kenntnis dieser dem Angeklagten damals unbekannten Praxis kann bei Kriminalbeamten, erst Recht einem Staatsanwalt, ohne weiteres vorausgesetzt werden. Es wäre unter den gegebenen Umständen nach Auffassung des Senats hier angezeigt gewesen, den Angeklagten (Beschuldigten) darauf hinzuweisen, dass ihm trotz seiner fehlenden Mittel Gelegenheit gegeben werden könne, bei einem Rechtsanwalt seines Vertrauens bzw. dem (ausweislich der dienstlichen Äußerung de s Staatsanwalts hier vorhandenen) anwaltlichen Notdienst anzurufen. Gleichwohl handelt es sich bei der kommentarlosen Hinnah me des aufgezeigten Irrtums des nach Maßgabe von § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrten Beschuldigten nicht um eine Täuschung i. S. d. § 136a StPO (vgl. Meyer-Goßner aaO § 136a Rdn. 16 m. w. N.). Unabhängig davon, ob letztlich von einem Verfahrensverstoß auszugehen wäre, läge aber jedenfalls die Annahme eines daraus resultierenden Verwertungsverbots nicht nahe. Bei der Frage, ob ein Verfahrensverstoß im Zusammenhang mit einer Vernehmung zu einem Verwertungsverbot führt, ist sein Gewicht mit dem Interesse an der Aufklärung von, zumal wie hier schwerwiegenden, Straftaten abzuwägen (vgl. BGHSt 47, 172, 179 m.
w. N.). Hier liegt seitens der Strafverfolgungsbehörden kein aktives, zielgerichtet betriebenes Verhalten vor. Dies erscheint jedenfalls von geringerem Gewicht, als eine den Anforderungen von § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht entsprechende Belehrung, die im Grundsatz zu einem Verwertungsverbot führt (vgl. zu alledem näher Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2005 - 1 StR 114/05 m. w. N.). Einer Entscheidung hierzu bedarf es aber letztlich nicht, weil es aus den dargelegten Gründen (vgl. I 1 e und f) hier schon an einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge fehlt. 2. Die Ehefrau des Angeklagten hat zwar (im Hauptverha ndlungstermin vom 24. November 2004) von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO) Gebrauch gemacht, sie hat aber "der Verwertung des Inhalts ihrer polizeilichen Vernehmung … ausdrücklich zugestimmt." Darauf hat die Strafkammer (im Termin vom 6. Dezember 2004) die Polizeibeamtin als Zeugin gehört , die damals die Ehefrau als Zeugin vernommen hatte. Die Revision bezweifelt nicht, dass ein solches Vorgehen gr undsätzlich möglich ist (vgl. BGHSt 45, 203; w. N, auch für die gegenteilige Ansicht b. Meyer -Goßner aaO § 252 Rdn. 16a). Sie macht aber geltend, die Polizeibeamtin hätte hier wegen Unwirksamkeit der Einverständniserklärung der Ehefrau nicht vernommen werden dürfen, da die Ehefrau diese Erklärung nicht in der Hauptverhandlung abgegeben habe. Die Strafkammer hätte sich nicht, so wie geschehen , auf eine von der Zeugin am 26. November 2004 abgegebene und im Hauptverhandlungstermin vom 6. Dezember 2004 verlesene schriftliche Einverständniserklärung mit der Verwertung ihrer polizeilichen Angaben stützen dürfen. Mit einer weiteren Verfahrensrüge macht die Revision g eltend, die Strafkammer hätte sich nicht damit begnügen dürfen, die Polizeibeamtin zum Inhalt
der Aussage der Ehefrau zu vernehmen, sie hätte auch den "Versuch unternehmen" müssen, die Niederschrift der polizeilichen Aussage zu verlesen. Eine Verlesung hätte zu entscheidungserheblichen neuen Erkenntnissen geführt.
a) Im Kern macht die Revision mit alledem geltend, di e Strafkammer hätte über den Inhalt der polizeilichen Aussage der Ehefrau keinen Beweis erheben dürfen und sie hätte über den Inhalt dieser Aussage zusätzlich weitere Beweise erheben müssen. Beides ist miteinander unvereinbar; darauf, dass es sich innerhalb der Revisionsbegründung um unterschiedliche Verfahrensrügen handelt , kommt es nicht an, Vorbringen zur Begründung einer Revision ist insgesamt als Einheit zu werten. Letztlich wird mit solchem Vorbringen nur ein Sachverhal t geschildert und das Revisionsgericht aufgefordert, zu prüfen, ob in irgendeiner Richtung - sei es, dass kein Beweis hätte erhoben werden dürfen, sei es, dass mehr Beweis hätte erhoben werden müssen - ein Rechtsfehler vorliege. Erforderlich ist jedoch die Behauptung eines bestimmten Verfahrensmangels (vgl. nur BGHSt 12, 33; Sarstedt /Hamm aaO m. w. N.).
b) Unabhängig davon gibt es aber auch keinen Rechtssatz, w onach ein Verzicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht - auch in der Form des Einverständnisses mit der Beweiserhebung über den Inhalt einer polizeilichen Vernehmung - nicht auch außerhalb einer Hauptverhandlung erklärt werden könnte (vgl. BGH Urteil vom 7. März 1995 - 1 StR 523/94; BGH NStZ 1986, 181 für den vergleichbaren Fall einer außerhalb der Hauptverhandlung abgegebenen Erklärung eines Zeugen, im Hinblick auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht keine Angaben machen zu wollen).

c) Der Generalbundesanwalt hat im Übrigen in seinem A ntrag aus der in der Hauptverhandlung verlesenen, zu den Akten genommenen Erklärung der Zeugin zitiert. Zu der insgesamt unbehelflichen Erwiderung der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) hierauf ist lediglich zu bemerken, dass es gegebenenfalls ihre Sache gewesen wäre, diese Erklärung rechtzeitig (§ 345 StPO) und umfassend (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) vorzutragen. Die offenbar von ihr vertretene Auffassung, hieran ändere sich etwas, weil der Wortlaut dieser Erklärung nicht in das Protokoll aufgenommen worden sei, geht fehl. Gleiches gilt für die Auffassung , das Gericht hätte der Verteidigung - die offenbar keinerlei Wünsche in dieser Richtung geäußert hat, jedenfalls trägt die Revision dies nicht vor - die in ihrer Anwesenheit in der Hauptverhandlung verlesene Erklärung von sich aus übergeben müssen. Unabhängig von alledem vermag aber auch das Vorbringen, es bliebe "offen", ob die Erklärung der Ehefrau "zuzuordnen" sei, es sei auch nicht ersichtlich, wie die Erklärung zu Gericht gelangt sei und der Generalbundesanwalt habe von einer "eventuellen Grußformel" nichts mitgeteilt, Ansatzpunkte für mögliche Zweifel an Echtheit oder Wirksamkeit dieser Erklärung nicht zu verdeutlichen.
d) Was die unterbliebene Verlesung bzw. den Versuch hie rzu betrifft, fehlt schon entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO die Mitteilung über den Inhalt der Niederschrift, soweit er über die von der Strafkammer durch die Aussage der Polizeibeamtin festgestellten Inhalt der Aussage der Ehefrau hinausgehen soll.
e) Im Übrigen führt das wirksame Einverständnis eines aussa geverweigerungsberechtigten Zeugen mit der Verwertung einer früheren nichtrichterlichen Vernehmung dazu, dass - wie hier geschehen - die frühere Aussage durch die Vernehmung der Verhörsperson in die Hauptverhandlung eingeführt werden darf (Schlüchter in SK-StPO § 252 Rdn. 22 m.w.N.). Ob auch in anderer Weise Be-
weis über den Inhalt der früheren Aussage zu erheben ist, richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen. Mit dem Vorbringen, die Strafkammer hätte den "Versuch" einer Verlesung der polizeilichen Vernehmung machen müssen, ist ersichtlich gemeint, die Strafkammer hätte eine Verlesung dieser Vernehmung im allseitigen Einvernehmen (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO nF) anstreben sollen. Es erscheint im Ansatz fraglich, in wieweit das Gericht durch die Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) zu dem Versuch einer Beweiserhebung gehalten sein kann, die von den Verfahrensbeteiligten ohne weiteres, nämlich durch Versagung der erforderlichen Zustimmung verhindert werden kann. Dies wird vorliegend besonders deutlich, weil in einer identischen Verfahrenssituation - auch die Schwiegermutter des Angeklagten hatte von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, war aber mit der Verwertung ihrer polizeilichen Aussage einverstanden - die vom Gericht angeregte Verlesung von deren polizeilichen Aussage daran scheiterte, dass die Verteidigung ihre Zustimmung versagte. Unter diesen Umständen ist umso weniger erkennbar, warum die Strafkammer hinsichtlich der Aussage der Ehefrau einen erneuten Versuch hätte unternehmen sollen, auf ein Einverständnis i.S.d. § 251 Abs.1 Nr. 1 StPO nF hinzuwirken. Auch die Revision trägt hierzu nichts vor. Näher nachzugehen braucht der Senat aber alledem nicht, weil das Vorbringen der Revision im Zusammenhang mit der polizeilichen Aussage der Ehefrau schon aus den oben dargelegten Gründen (vgl. oben I 2 a bis d) scheitert.

II.

Auch im Übrigen hat die auf Grund des Revisionsvorbringe ns gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts Bezug, die auch durch die Erwiderung der Revision nicht entkräftet werden. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 114/05
vom
18. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2005 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Regensburg vom 13. September 2004 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:


Das Landgericht Regensburg hat den Angeklagten - nach ze hnmonatiger Hauptverhandlung an 42 Verhandlungstagen - am 13. September 2004 wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der Angeklagte, ein Deutscher, der seinerzeit in Rumänien lebte, am 28. September 2001 in T. seinen Geschäftspartner, den deutschen Autohändler Sp. , bei einem Streit über die ausstehende Bezahlung einer Restforderung gegen den Angeklagten in Höhe von 4.500,-- DM, zur Verdeckung einer vorhergegangenen Körperverletzung , die anzuzeigen der Geschädigte gedroht hatte; er werde ihn - den Angeklagten - jetzt für immer ins Gefängnis bringen. Die Revision, die die Verletzung materiellen sowie for mellen Rechts rügt, ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO), in Teilen der Revisionsbegründung - soweit sie vom Angeklagten selbst verfasst wurde - bereits unzulässig (§ 349
Abs. 1 StPO). Hierzu wird zunächst auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 29. März 2005 verwiesen. Lediglich zu folgenden Punkten ist ergänzend etwas zu bem erken: A. Zur Revisionsbegründung der Verteidiger, Rechtsanwäl te H. und B. aus R. , vom 3. Januar 2005 (Revisionsbegründung Seite 1 bis 456 = Gerichtsakte Blatt 1337 bis 1792). 1. Behauptung des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 3 StPO, da der Befangenheitsantrag gegen den Schöffen Re. Unrecht zu als unbegründet zurückgewiesen worden sei. Der Befangenheitsantrag vom 30. Juli 2004 (am 37. Ver handlungstag) stützte sich insbesondere darauf, dass der Schöffe am 5. Verhandlungstag (13. November 2003) im Fahrstuhl des Gerichtsgebäudes einem Journalisten gegenüber gesagt haben soll: "DerM. ist der Täter, davon bin ich überzeugt , der soll gestehen, dann dauert das Verfahren nicht so lang." Zwei bis drei Wochen später (also spätestens im Dezember 2003) hat der Verteidiger - so der Vortrag in der Revisionsbegründung - während eines Gesprächs mit dem Journalisten beiläufig davon erfahren. "Herr M. [der Angeklagte] ist über dieses Gespräch, welches Rechtsanwalt B. mit Herrn St. [richtig: St. , der Journalist] geführt hatte, nie informiert worden", so der Verteidiger in der Begründung des Befangenheitsantrags. Ausgehend von der unterbliebenen Unterrichtung des Man danten war die Antragsstellung nicht verspätet (§ 25 Abs. 2 Nr. 2 StPO), wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, da es nach herrschender Meinung auf die Kenntnis des Angeklagten ankommt (vgl. BGHSt 37, 264 [265]; Wendisch in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 25 Rdn. 20; Pfeiffer in Karlsruher Kom-
mentar zur StPO 5. Aufl. § 25 Rdn. 3, Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 25 Rdn. 7 - ob daran festzuhalten ist, kann hier dahinstehen). Allerdings ist es kaum nachvollziehbar, dass ein gewissenhaft er (§ 43 Abs. 1 Satz 1 BRAO) und den Interessen seines Mandanten verpflichteter Verteidiger jenen nicht unverzüglich über einen ihm zugetragenen, den Eindruck der Befangenheit eines Richters begründenden Sachverhalt unterrichtet und stattdessen ohne Beratung mit dem Mandanten zulässt, dass über diesen ein aus seiner Sicht möglicherweise befangener Schöffe noch monatelang zu Gericht sitzt. Bei einem so schwerwiegenden Verdacht gegen die Unbefangenheit eines Schöffen hätte sich, worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist, für eine sachgerechte Verteidigung die zeitnahe Ablehnung eines Mitglieds des Gerichts geradezu aufgedrängt, damit - gegebenenfalls - eine neue Hauptverhandlung ohne größere Verzögerungen mit einem unbefangenen Gericht hätte begonnen werden können. Darauf kommt es im vorliegenden Fall allerdings letztlich nicht an. Denn die Strafkammer lehnte den Befangenheitsantrag zu Recht als unbegründet ab, da ein die Befangenheit des Schöffen begründender Umstand nicht glaubhaft gemacht wurde, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat. Es kann hier auch dahinstehen, ob bei der langen Verha ndlungsdauer zwischen dem Vorfall, der Grundlage des Befangenheitsantrags war, und dem Zeitpunkt, als dieser gestellt wurde, in der Revisionsbegründung nicht dazu hätte etwas mitgeteilt werden müssen (§ 344 Abs. 1 Satz 2 StPO), dass zwischenzeitlich keine Umstände eingetreten sind, die den - behaupteten - Eindruck der Voreingenommenheit des Schöffen jedenfalls wieder beseitigten.
Dieser Befangenheitsantrag gibt Anlass zu dem Hinweis, d er Vorsitzende einer Strafkammer möge die ehrenamtlichen Richter bei der anempfohlenen (vgl. RiStBV Nr. 126 Abs. 1) Belehrung über mögliche Befangenheitsgründe vor einer Verhandlung jedenfalls in spektakulären Fällen ermahnen, Außenstehenden gegenüber Äußerungen über das Verfahren tunli chst zu unterlassen. Auch völlig unverfängliche Bemerkungen können missverstanden werden oder können bei mündlicher Weitergabe sinnentstellende Veränderungen erfahren (vgl. BGH wistra 2002, 267 [266]), die dann - wenn auch zu Unrecht - den Eindruck der Befangenheit vermitteln. 2. Rüge der Verletzung der §§ 163a Abs. 3 Satz 2, 136 Abs. 1 Satz 2, 141 Abs. 3 Satz 1 StPO, Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK.
a) Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrund e: aa) Zum Verfahrensgang im Ermittlungsverfahren: Am 26. August 2002 war in einem Appartement in T. zer- die stückelte Leiche des lange vermissten Sp. aufgefunden worden. Mieter des Appartements war der Angeklagte, der sich während dieses Zeitraums nicht in Rumänien aufhielt. Darüber war am Abend im rumänischen Fernsehen berichtet worden. Dies hatte das Bundeskriminalamt zur Rückfrage bei der Direktion der rumänischen Kriminalpolizei veranlasst. Das Bundeskriminalamt informierte die Kriminalpolizeiinspektion L. , die dann unter Anregung umfangreicher strafprozessualer Maßnahmen, darunter die Beantragung eines - deutschen - Haftbefehls, die Staatsanwaltschaft R. unterrichtete. Das Amtsgericht in T. hatte bereits am 27. August 2002 Haftbefehl gegen den Angeklagten erlassen.
Nach Einleitung von Fahndungsmaßnahmen seitens der Staa tsanwaltschaft konnte der Angeklagte bereits am 28. August 2002 um etwa 01.00 Uhr in der Wohnung seiner geschiedenen Frau in N. festgenommen werden. Gegen 01.30 Uhr wurden hiervon Staatsanwältin D. telefonisch und seitens der Polizeidirektion L. um 03.06 Uhr verschiedene andere polizeiliche Dienststellen, darunter die Lagezentrale beim Polizeipräsidium in R. und das Bayerische Landeskriminalamt in München per Fax unter richtet. Noch am selben Tag wurde der Angeklagte um etwa 11.00 Uhr Kriminalhauptkommissar E. und Kriminalhauptkommissar C. von der Polizeidirektion L. zur Beschuldigtenvernehmung vorgeführt. Das Landgericht hat hierzu in den Urteilsgründen Folge ndes ausgeführt: ".... steht weiter fest, dass vor der förmlichen Vernehmung des Angeklagten ....... ein ca. 10 Minuten dauerndes Vorgespräch geführt worden ist. Eingangs dieses Vorgesprächs wurde dem Angeklagten dabei eröffnet, dass ihm die Tötung des Sp. zur Last liege. Er wurde darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe , Angaben zur Sache zu machen oder nicht auszusagen und dass er jederzeit einen Verteidiger befragen könne. Daraufhin äußerte der Angeklagte, dass er keine Angaben zur Sache machen wolle. Als ihn KHK C. darauf hinwies, er könne nun sein Gewissen erleichtern, begann der Angeklagte zu weinen; er äußerte, er wolle nun sagen wie es passiert sei und habe den Tatablauf in groben Zügen geschildert. Daraufhin wurde das Vorgespräch unterbrochen und der Angeklagte noch einmal förmlich als Beschuldigter belehrt ... .
Die daraufhin durchgeführte Beschuldigtenvernehmung lief so ab, wie in der Niederschrift protokolliert." Die Vernehmungsniederschrift hat eingangs folgenden Inhalt: Ort der Vernehmung: 84028 L. Tag der Vernehmung: 28. 08. 2002 Vernehmungsbeginn: 11.14 Uhr Vernehmungsende: 13.40 Uhr
"Zur Sache: Vorhalt: Herr M. , Sie werden beschuldigt Herrn Sp. getötet zu haben. Sie haben das Recht, zur Sache auszusagen bzw. keine Aussage zu machen. Sie können einen Rechtsanwalt ihrer Wahl mit ihrer Vertretung beauftragen und Sie haben das Recht Beweiserhebungen zu beantragen , die zu ihrer Entlastung dienen. Fr.: Haben Sie diese Belehrung verstanden und wollen Sie aussagen ? Aw.: Ich habe diese Belehrung verstanden und will auch aussagen, ich weiß aber nicht ob ich das schaffe. Fr.: Wollen Sie einen Rechtsanwalt nehmen? Aw.: Ich habe kein Geld und ich kann mir deshalb keinen RA nehmen. Fr.: Herr M. Sie wurden schon in dieser Sache als Zeuge vernommen. Geben Sie bitte noch einmal an wie Sie Herrn Sp. kennen gelernt haben? Aw.: Wie ich Herrn Sp. kennen gelernt habe, das entspricht der Wahrheit, wie ich es damals angegeben habe."
In der Folge gestand der Beschuldigte die Tat unter S childerung des Geschehens im Detail einschließlich der Vorgeschichte sowie der Verwahrung des Toten in seiner Wohnung und der Zerstückelung der Leiche nach etwa zehn Monaten zum Transport in eine andere Wohnung unter Mithilfe seiner Freundin. Am nächsten Tag, dem 29. August 2002, wurde der Angekl agte der Haftrichterin vorgeführt. Die Vernehmungsniederschrift hat - soweit hier von Bede utung - folgenden Wortlaut: "Dem Beschuldigten wird eröffnet, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Dem Beschuldigten wird mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft beantragt habe, Haftbefehl zu erlassen. Sodann wurde der Beschuldigte belehrt, dass es ihm freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor der Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen, und dass er zur Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen könne. Der Beschuldigte erklärte: Mir tut das alles so leid. Ich habe das alles so nicht gewollt. Ich möchte nach Rumänien ausgeliefert werden und dort in Haft gehen. Ich habe das alles ja auch dort gemacht. Bevor ich Angaben zur Sache mache, möchte ich mich erst mit einem Pflichtverteidiger besprechen. … Ich möchte im Moment keine weiteren Angaben machen. Ich beantrage, dass mir ein Pflichtverteidiger bestellt wird. Ich habe nicht mehr vor mich umzubringen. Ich habe das im Dezember 2001 und im April 2002 in Rumänien versucht. Jetzt habe
ich das nicht mehr vor, weil die Tat aufgeklärt ist. Der Druck ist weg. …"
bb) In der Hauptverhandlung bestritt der Angeklagte d ie Tat. Auf der Vernehmung der Polizeibeamten über die Angaben des Angeklagten bei seiner polizeilichen Vernehmung am 28. August 2002 beruhen die Urteilsfeststellungen über die Ursachen und den Ablauf der Tat sowie zum Nachtatverhalten. Zu den Angaben des Beschuldigten bei der Vorführung am 29. August 2002 wurde die Ermittlungsrichterin gehört. Der Vernehmung der genannten Zeugen und der Verwertung von deren Angaben widersprach der Verteidiger in der Hauptverhandlung. Fehlende Pflichtverteidigerbestellung und unzureichende Belehrung des Beschuldigten über sein Recht zur Verteidigerkonsultation verböten es, auf diese Beweismittel zurückzugreifen. Bei der Vorführung vor der Haftrichterin hätte der Beschuldigte darüber hinaus qualifiziert dahingehend belehrt werden müssen, dass auf seine Angaben bei der Polizei am Vortag wegen des Verwertungsverbotes nicht zurückgegriffen werden kann.
b) Die Angaben des Beschuldigten in seiner polizeilichen Vernehmung vom 28. August 2002 wie auch bei seiner Vorführung bei der Haftrichterin am 29. August 2002 sind trotz eines Belehrungsdefizits bei der polizeilichen Vernehmung verwertbar.
aa) Allerdings wäre es, nachdem der Angeklagte bei sein er polizeilichen Vernehmung am 28. August 2002 auf die Frage, ob er einen Rechtsanwalt nehmen wolle, dies nicht verneinte, sondern lediglich erklärte, er könne sich keinen Rechtsanwalt leisten, und damit klar geworden war, dass der Angeklagte eigentlich einen Rechtsanwalt konsultieren wollte, sich dazu aber allein durch
durch seine Mittellosigkeit gehindert sah, angezeigt gewesen, den so inzident geäußerten Wunsch des Angeklagten nach einem Verteidiger nicht zu übergehen. Der Angeklagte hätte zunächst darüber belehrt werden sollen, dass fehlende Mittel einen ersten Kontakt zu einem Rechtsanwalt nicht ausschließen, da dieser in Fällen der vorliegenden Art in der Regel trotzdem im Hinblick auf die später zu erwartende Pflichtverteidigerbestellung sofort tätig wird, und dass dem Beschuldigten deshalb die Möglichkeit gegeben werden kann, einen Rechtsanwalt seines Vertrauens zu kontaktieren oder - gegebenenfalls - den anwaltlichen Notdienst anzurufen.
Der Tatvorwurf richtete sich auf ein Verbrechen, seinerze it Verdacht zumindest des Totschlags gemäß § 212 StGB, einem Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO. Dies stand zum Zeitpunkt der Vernehmung für die polizeilichen Ermittlungsbeamten auch zweifelsfrei fest. Der Sachverhalt musste hinsichtlich des dringenden Tatverdachts nicht erst noch abgeklärt werden (vgl. BGHSt 47, 172 [176]). Aus den vielfältigen Aktivitäten vor und nach der Festnahme des Angeklagten war den Polizeibeamten die Bedeutung und das Gewicht des Tatvorwurfs auch im Übrigen vor Augen geführt worden. Der Beschuldigte wollte sich der Hilfe eines Verteidigers bedienen, sah hierzu aber allein aus wirtschaftlichen Gründen keine Möglichkeit. Hierbei irrte er. Denn Rechtsanwälte sind grundsätzlich bereit, jedenfalls bei Verbrechens -, gar Tötungsvorwürfen, auch mittellosen Beschuldigten sofort beizustehen , zumindest diese telefonisch zu beraten, im Hinblick auf eine alsbaldige Bestellung zum Pflichtverteidiger; diese zu veranlassen, sie dann auch in der Regel sofort bei der Staatsanwaltschaft beantragen. Dem Beschuldigten war dies bei seiner polizeilichen Vernehmung - anders als einen Tag später bei der Haftrichterin - ersichtlich nicht bekannt, während bei den Vernehmungsbeam-
ten - beide Kriminalhauptkommissare - die Kenntnis dieser Praxis vorausgesetzt werden kann. Deshalb wäre es hier angezeigt gewesen, den Angeklagten , damals Beschuldigten, dahingehend zu belehren, dass ihm auch im Hinblick auf eine später zu erwartende Pflichtverteidigerbestellung Gelegenheit gegeben werden könne, bei einem Rechtsanwalt seines Vertrauens bzw. beim anwaltlichen Notdienst anzurufen, auch wenn er selbst nicht die Mittel hat, den Verteidiger selbst zu bezahlen (vgl. entsprechende Erwägungen des 5. Strafsenats des BGH zur effektiven Ermöglichung des Rechts auf Verteidigerkonsultation bei vergleichbarer Situation in BGHSt 47, 233 [235] und im Beschluss vom 11. August 2005 - 5 StR 200/05 -).
bb) Auch dies führte hier jedoch nicht zur Unverwertbarke it der danach gemachten Angaben des Beschuldigten bei der Polizei am 28. August 2002. Hier steht kein Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO im Raum, der im Grundsatz zu einem Verwertungsverbot führt. Der Angeklagte war vor seiner Vernehmung ordnungsgemäß auf sein Recht zu Schweigen und zur Verteidigerkonsultation hingewiesen worden, sowohl vor dem "Vorgespräch", als auch nochmals vor dem Beginn der Fertigung der Vernehmungsniederschrift. Seine Unkenntnis über die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit einem Rechtsanwalt auch im Hinblick auf eine spätere Pflichtverteidigerbestellung trat erst zu Tage, nachdem die Polizeibeamten - fürsorglich, ohne dass dies damals zwingend geboten gewesen wäre - die Frage nach dem Wunsch nach einem Verteidiger nochmals wiederholten. Als damit das Informationsdefizit des Angeklagten offenbar geworden war, hätte dies durch einen entsprechenden Hinweis behoben werden sollen.
Dass dieses unterblieb, kommt im Gewicht einer völlig feh lenden Belehrung nicht annähernd gleich. Aber nur gravierende Verfahrensverstöße können ein Verwertungsverbot auslösen, da auch dem unabweisbaren Bedürfnis einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung, dem Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren, insbesondere der wirksamen Aufklärung gerade schwerer Straftaten Verfassungsrang zukommt (vgl. BGHSt 47, 172 [179]). Dieses Aufklärungsinteresse ist mit dem hier vorliegenden Verfahrensgeschehen abzuwägen. Dabei ist hier ausschlaggebend , dass gezielte Irreführung - wie schon der geschilderte Ablauf zeigt - ausgeschlossen werden kann. Das Interesse an einer umfassenden Aufklärung der Tat überwiegt deshalb hier bei weitem. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass der Angeklagte während des ersten Vernehmungsteils (Vorgespräch) nach ordnungsgemäßer Belehrung die Tötung bereits in den Grundzügen geschildert hatte und auch bei der Vernehmung durch die Haftrichterin - an deren Verwertbarkeit kein Zweifel besteht - einen Tag später nach Belehrung und - nun in Kenntnis einer möglichen Pflichtverteidigerbestellung - seine Tat nochmals pauschal gestand. Seine Äußerungen bei der Ermittl ungsrichterin waren auch nicht lediglich Folge des umfassenden Geständnisses bei der Polizei am Tag davor, sondern Ausdruck seiner Erleichterung, der inneren Befreiung durch die Aufdeckung der Tat, "der Druck ist weg".
cc) Dahinstehen kann auch, ob mit der Vernehmung des nach Belehrung gemäß § 136 StPO aussagebereiten Angeklagten nicht überhaupt bis zu einer Pflichtverteidigerbestellung zugewartet werden musste (vgl. hierzu BGHSt 47, 172 einerseits, BGHSt 47, 233 andererseits), da dies bei der dann gebotenen Abwägung (vgl. BGHSt 47, 172 [179 f.]) im vorliegenden Fall jedenfalls nicht zu einem Verwertungsverbot führen könnte.

B. Die weitergehende, zwei Ordner umfassende Revisionsbe gründung (Seiten 457 bis 1538 = Gerichtsakte Blatt 1793 bis 2874) entspricht, wie der Generalbundesanwalt bereits dargelegt hat, nicht der Form des § 345 Abs. 2 StPO. Ergänzend wird auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. Juli 2005 - 3 StR 36/05 - verwiesen.
Dieser gesonderte Teil der Revisionsbegründung stammt er sichtlich nicht von den Verteidigern des Angeklagten. Auch wenn der Angeklagte eingangs erklärt, er gebe "die nachfolgende, in Zusammenarbeit mit meinen Verteidigern erstellte Revisionsbegründung" ab, erscheint es ausgeschlossen, dass diese an der Abfassung dieses Konvoluts ernsthaft gestaltend mitgewirkt haben. Dass sie auf der letzten Seite unter der vorangestellten Unterschrift des Angeklagten ihre Unterschriften beifügten, genügt nicht. Die Schrift wurde unter dem auf der ersten Seite oben vermerkten Namen des Angeklagten mit einer - nicht immer funktionstüchtigen - mechanischen Schreibmaschine zu Papier gebracht, soweit es sich nicht um Kopien aus den Verfahrensakten handelt. In Form, Inhalt und Darstellung unterscheidet sich diese Revisionsbegründung völlig von der von den Verteidigern unter dem Briefkopf der Kanzlei gekonnt verfassten Revisionsbegründung. Diese Bewertung wird durch die Darlegung der Verteidiger in der Gegenerklärung zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht entkräftet. Literatur zur Verfügung zu stellen, genügt nicht. Dies zeigt vielmehr, dass der Angeklagte selbstständig handeln sollte. Die Behauptungen , die Verteidiger hätten die gesamte Revisionsbegründung begleitet und ihrer Kontrollfunktion insofern Genüge geleistet und beide Verteidiger hätten für den Inhalt und auch die Form die volle Verantwortung für die Revisionsbe-
gründung übernommen, sind nicht substanziiert und stehen im Widerspruch zu dem vom Angeklagten abgelieferten Schriftsatz.
Im Übrigen ergab die gleichwohl vorgenommene Durchsicht keine Anhaltspunkte für einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
Nack Wahl Hebenstreit Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 455/08
vom
18. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wird ein Tatverdächtiger zunächst zu Unrecht als Zeuge vernommen, so ist
er wegen des Belehrungsverstoßes (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO) bei Beginn
der nachfolgenden Vernehmung als Beschuldigter auf die Nichtverwertbarkeit
der früheren Angaben hinzuweisen („qualifizierte“ Belehrung).
2. Unterbleibt die „qualifizierte“ Belehrung, sind trotz rechtzeitigen Widerspruchs
die nach der Belehrung als Beschuldigter gemachten Angaben
nach Maßgabe einer Abwägung im Einzelfall verwertbar.
3. Neben dem in die Abwägung einzubeziehenden Gewicht des Verfahrensverstoßes
und des Sachaufklärungsinteresses ist maßgeblich darauf abzustellen
, ob der Betreffende nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung davon
ausgegangen ist, von seinen früheren Angaben nicht mehr abrücken zu
können [im Anschluss an BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07 = StV
2007, 450, 452].
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 – 4 StR 455/08 – Landgericht Arnsberg
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1. bis 3. versuchten schweren Raubes u.a.
zu 4. Beihilfe zum versuchten schweren Raub
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten Sch. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten T. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin für den Angeklagten C. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten A. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 4. März 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revisionen der Angeklagten T. und C. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
Es wird davon abgesehen, diesen Angeklagten die Kosten ihrer Rechtsmittel aufzuerlegen. Jedoch haben sie die durch ihre Rechtsmittel dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten Sch. , T. und C. jeweils des (gemeinschaftlich begangenen) versuchten schweren Raubes, den Angeklagten Sch. darüber hinaus der tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung , für schuldig befunden. Den Angeklagten Sch. hat es zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten T. zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und den Angeklagten C. zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten A. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum (gemeinschaftlich begangenen) versuchten schweren Raub eine Jugendstrafe von einem Jahr verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewäh- rung ausgesetzt hat. Ferner hat das Landgericht ein Messer und einen Kabelschlagstock eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen, mit denen sie beanstandet, dass das Landgericht die Angeklagten nicht auch wegen eines versuchten Tötungsdelikts bzw. der Beteiligung daran für schuldig befunden hat. Die Angeklagten T. und C. rügen mit ihren Revisionen ebenfalls die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Der Angeklagte C. greift insoweit insbesondere die Beweiswürdigung und die Strafzumessung des angefochtenen Urteils an. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Dagegen erweisen sich die Revisionen der Angeklagten T. und C. als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
Die Angeklagten Sch. , T. und C. fassten im Verlauf des 30. Mai 2007 den Entschluss, durch einen Überfall auf den Kiosk der Eheleute S. zu Geld zu kommen, um sich anschließend Kokain zu besorgen. Sie vereinbarten, dass ein Messer eingesetzt werden sollte, um damit den Kioskinhaber S. bedrohen zu können. In diesem Zusammenhang forderte der Angeklagte T. den Angeklagten Sch. auf, aus seiner Wohnung ein Messer zu holen, das lang und spitz sein müsse, weil das stark übergewichtige Opfer so dick sei. Dementsprechend holte der Angeklagte Sch. aus seiner Wohnung ein Steakmesser mit 12,5 cm langer, spitz zulaufender und einseitig gezahnt geschliffener Klinge. Sodann rief absprachegemäß der Angeklagte C. den mit ihm befreundeten Angeklagten A. an und bat ihn, mit dem Pkw zu ihnen zu kommen, was A. auch tat. Gemeinsam fuhren sie dann am Kiosk der Eheleute S. vorbei, wobei A. erst zu diesem Zeitpunkt in den Tatplan eingeweiht wurde. Ob dabei auch über das Messer und dessen geplante Verwendung gesprochen wurde, vermochte das Landgericht nicht festzustellen. Der Angeklagte A. stellte den Pkw in der Nähe des vorgesehenen Tatortes ab und verblieb beim Fahrzeug, während die drei anderen Angeklagten auf dem Weg zum Kiosk die konkreten Einzelheiten der bis dahin nur grob geplanten Tat besprachen. Der Angeklagte T. überredete den Angeklagten Sch. , den Kioskbetreiber S. mit dem Messer "in Schach zu halten" und ihm "auf die Ohren zu boxen", falls dieser anfange zu schreien. Der Angeklagte Sch. traf als erster auf den Kioskbetreiber S. , als dieser sich gerade vor seinem Kiosk befand. Kurz bevor der Angeklagte Sch. ihn erreichte, richtete sich S. auf und drehte sich mit dem Oberkörper in Richtung des Angeklagten. Dieser "stach - enthemmt von dem fortdauernden Verlangen nach weiteren Drogen und überrascht und überfordert davon, dass der Geschädigte sich plötzlich in seine Richtung drehte - ungezielt mit nicht erheblichem Kraftaufwand auf den Geschädigten ein. Er fühlte sich dabei 'wie im Film'". Der Stich drang knapp oberhalb der rechten Gesäßhälfte maximal 3 cm in dessen Rücken ein. "Aus Panik und Überforderung mit der Situation" stach der Angeklagte Sch. mindestens drei weitere Male ungezielt auf sein Opfer ein, das blutüberströmt zu Boden sank. S. erlitt eine mindestens 15cm tiefe Stichwunde im Epigastrium mit Penetration des Bauchfells sowie Eröffnung der Bauchhöhle mit linksseitiger Verletzung der Leber, ferner einen ca. 6 cm tiefen Stich in den rechten Brustkorb sowie einen ca. 3 cm tiefen Stich in den linken Unterbauch; er verlor noch am Tatort 1,5 bis 2 Liter Blut. "Bei sämtlichen Stichen hatte der Angeklagte Sch. nicht den Tod des Geschädigten gewollt und nicht billigend in Kauf genommen und auch diese Möglichkeiten nicht in sein Bewusstsein aufgenommen". Während dessen begab sich der Angeklagte T. durch die seitliche Eingangstür in den Kiosk, gefolgt von dem Angeklagten C. . Dabei trafen die Angeklagten auf die Ehefrau des Geschädigten, die auf die Hilferufe ihres Mannes aus ihrem Wohnhaus in den angrenzenden Kiosk geeilt war. Auf ihren Zuruf: "Was wollt ihr hier? Macht, dass ihr rauskommt!" flüchteten beide Angeklagte aus dem Kiosk und rannten mit dem Angeklagten Sch. weg. Der Angeklagte A. hatte das Geschehen aus der Nähe beobachtet. Ihm war bewusst, dass die Ausführung des Raubes gescheitert war. Deshalb rannte er zu seinem Pkw und fuhr davon; er erhielt aber kurz darauf einen Anruf des Angeklagten C. , holte ihn ab und fuhr ihn nach Hause. Der blutüberströmt vor dem Kiosk liegende Geschädigte wurde von der Fahrerin eines vorbeifahrenden Linienbusses bemerkt, die den Notarzt und die Polizei verständigte. Die Stichverletzungen waren nicht unmittelbar lebensbedrohlich.

II.


4
Revision der Staatsanwaltschaft
5
Die Beschwerdeführerin hat schon mit ihren Verfahrensbeschwerden Erfolg. Mit diesen beanstandet sie, dass das Landgericht entgegen den Anträgen der Staatsanwaltschaft die Kriminalbeamten Schu. und B. sowie den Richter am Amtsgericht J. nicht als Zeugen zu den Angaben der Angeklagten C. und A. bei ihren Vernehmungen am 21. Juni 2007 vernommen und diese Angaben auch nicht verwertet hat. Daraus hätte sich ergeben, dass unter den Angeklagten Sch. , T. und C. von vornherein abgesprochen worden war, das mitgeführte Tatmesser gegen den Geschädigten S. einzusetzen, und der Angeklagte A. hiervon auch wusste.
6
Das Landgericht hat insoweit ein Beweiserhebungsverbot angenommen, weil die Polizeibeamten die Angeklagten C. und A. trotz gegen sie bereits bestehenden Tatverdachts als Zeugen vernommen und deshalb nicht ordnungsgemäß nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt hätten. Auch habe der Kriminalbeamte Schu. den Angeklagten C. im späteren Verlauf der Vernehmung ebenso wie der Ermittlungsrichter die beiden Angeklagten zwar als Beschuldigte belehrt; die Vernehmungspersonen hätten dabei aber den Hinweis auf die Unverwertbarkeit der bei den Vernehmungen als Zeugen gemachten Angaben unterlassen ("qualifizierte" Belehrung; vgl. Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 136 Rdn. 9 m.N.).
7
Die deshalb unterbliebene Beweiserhebung zu den Angaben der Angeklagten C. und A. im Ermittlungsverfahren rügt die Beschwerdeführerin im Ergebnis zu Recht.
8
1. Allerdings ist die Strafkammer zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte C. bereits auf Grund der Auswertung des von ihm noch in der Tatnacht mit dem Mitangeklagten T. geführten SMS-Verkehrs der Tatbeteiligung verdächtig war und er deshalb bereits zu Beginn seiner polizeilichen Vernehmung als Beschuldigter hätte belehrt werden müssen, auch wenn gegen ihn noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet war und er nicht die Stellung eines formell Beschuldigten hatte.
9
a) Zwar begründet nicht jeder Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft mit der Folge einer entsprechenden Belehrungspflicht; vielmehr kommt es auf die Stärke des Tatverdachts an. Es obliegt der Strafverfolgungsbehörde , nach pflichtgemäßer Beurteilung darüber zu befinden, ob ein Tatverdacht sich bereits so verdichtet hat, dass die vernommene Person ernstlich als Täter oder Beteiligter der untersuchten Straftat in Betracht kommt (st. Rspr.; BGHSt 37, 48, 51 f.; 51, 367, 371; Senatsurteil vom 25. Februar 2004 - 4 StR 475/03). Falls der Tatverdacht aber so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde anderenfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn der Betreffende dennoch als Zeuge und nicht als Beschuldigter vernommen wird (vgl. BGHSt aaO).
10
So verhält es sich hier hinsichtlich des Angeklagten C. . Denn aus der Auswertung der SMS-Nachrichten und der Erklärung des C. anlässlich der Durchsuchung am frühen Morgen noch vor Beginn seiner Zeugenvernehmung, er habe die fraglichen SMS-Nachrichten an den Mitangeklagten T. versandt, ergab sich bereits zweifelsfrei, dass außer T. auch der Angeklagte C. am Tatort gewesen war und sie dort gemeinsam hatten Beute machen wollen. Zu Recht hat deshalb das Landgericht – nach Widerspruch – ein Beweiserhebungs - und Verwertungsverbot jedenfalls hinsichtlich der Angaben des Angeklagten C. angenommen, die dieser bei seiner Vernehmung durch den Kriminalbeamten Schu. vor der Beschuldigtenbelehrung als Zeuge gemacht hat (st. Rspr.; BGHSt 38, 214, 224 f.; 47, 172, 173 a.E.). Denn der Verstoß gegen die Belehrungspflicht wurde nicht dadurch geheilt, dass der Angeklagte C. anschließend nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt wurde und danach erneut aussagte (BGHSt 51, 367, 376 m. Anm. Roxin JR 2008, 16 ff.).
11
b) Daraus folgt jedoch noch nicht ohne Weiteres, dass auch die Angaben , die der Angeklagte C. im Ermittlungsverfahren nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung gemacht hat, einem Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot unterlagen.
12
aa) Allerdings hätte der Angeklagte C. – was nicht erfolgt ist – bei Beginn der Beschuldigtenvernehmung zusammen mit der Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO darauf hingewiesen werden müssen, dass wegen der bisher unterbliebenen Belehrung als Beschuldigter die vorangehende Zeugenaussage unverwertbar sei (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452, insoweit in BGHSt 51, 367 nicht abgedruckt; ferner BGH, Urteil vom 19. September 2000 – 1 StR 205/00 [der 1. Strafsenat ersichtlich unter Abweichung von seiner Entscheidung BGHSt 22, 129]; Diemer in KK-StPO 6. Aufl. § 136 Rdn. 27 m.w.N.; Gleß in Löwe-Rosenberg StPO 26. Aufl. § 136 Rdn. 106; Lesch in KMR StPO § 136, Rdn. 28; Roxin aaO S. 17; wohl auch Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 9 m.w.N.).
13
Das Recht zu schweigen und das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen („nemo tenetur“-Grundsatz), gehören zum „Kernstück des von Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierten fairen Verfahrens“ (EGMR NJW 2002, 499, 501; JR 2005, 423 m. Anm. Gaede; dazu weiter BGHSt – GS – 42, 139, 151 ff.). Gerade deshalb muss die rechtsstaatliche Ordnung Vorkehrungen in Form einer „qualifizierten“ Belehrung treffen, die verhindert, dass ein Beschuldigter auf sein Aussageverweigerungsrecht nur deshalb verzichtet, weil er möglicherweise glaubt, eine frühere, unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Selbstbelastung nicht mehr aus der Welt schaffen zu können (Roxin aaO). Zwar ergibt sich ein gewisser Widerspruch insofern, als die Rechtsprechung bislang bei den – schwerer wiegenden – Verstößen nach § 136 a StPO eine solche „qualifizierte“ Belehrung nicht verlangt (vgl. Meyer-Goßner aaO § 136 a Rdn. 30 m.N.); ob daran festzuhalten ist, hat der Senat hier jedoch nicht zu entscheiden.
14
bb) Der Verstoß gegen die Pflicht zur "qualifizierten" Belehrung hat allerdings nicht dasselbe Gewicht wie der Verstoß gegen die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO. Deshalb ist in einem solchen Fall die Verwertbarkeit der weiteren Aussagen nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln (BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452; krit. dazu Roxin aaO S. 17; Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 9 a.E.).
15
Bei einer solchen Abwägung ist zum einen auf das Gewicht des Verfahrensverstoßes abzustellen und dabei insbesondere zu berücksichtigen, ob die Vernehmung als Zeuge - wofür hier nichts spricht - in bewusster Umgehung der Belehrungspflichten erfolgt ist; weiter muss das Interesse an der Sachaufklärung Beachtung finden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 aaO; BGHSt 42, 139, 157 [Hörfalle]; 47, 172, 179 f.; BGH NJW 2007, 3138, 3142). Darüber hinaus ist maßgeblich darauf abzustellen, ob sich aus den Umständen des Falles ergibt, dass der Vernommene davon ausgegangen ist, von seinen vor der Beschuldigtenbelehrung gemachten Angaben als Zeuge bei seiner weiteren Vernehmung als Beschuldigter nicht mehr abrücken zu können. Dies wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn sich die Beschuldigtenvernehmung inhaltlich als bloße Wiederholung oder Fortsetzung der in der Zeugenvernehmung gemachten Angaben darstellt. So verhält es sich hier jedoch nicht. Denn der Angeklagte C. hat nach seiner Belehrung als Beschuldigter gerade nicht seine früheren Angaben lediglich im Wesentlichen wiederholt. Er hat auch nicht nur weiterhin – nunmehr allerdings detailliert – die Mitangeklagten Sch. und T. belastet. Vielmehr hat er erstmals auch sich selbst massiv belastende Angaben gemacht, denen zufolge Sch. das Opfer "auf jeden Fall abstechen" sollte und ihm, C. , "absolut klar (war), dass der Mann dabei sterben kann". Angesichts dessen liegt die Annahme eher fern, dass sich der Angeklagte C.
seiner Entscheidungsfreiheit nach ordnungsgemäßer Beschuldigtenbelehrung nicht bewusst war und dass deshalb der ursprüngliche Belehrungsverstoß fortwirkte. Jedenfalls spricht danach die – vom Landgericht unterlassene – Abwägung hier gegen das von der Jugendkammer angenommene Beweiserhebungsund -verwertungsverbot hinsichtlich der nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung gemachten Angaben des Angeklagten C. ; das Gericht hätte deshalb den entsprechenden Anträgen der Staatsanwaltschaft auf Vernehmung des Kriminalbeamten Schu. und des Ermittlungsrichters stattgeben müssen.
16
2. Soweit die Beschwerdeführerin die unterbliebene Beweiserhebung und -verwertung hinsichtlich der Angaben des Angeklagten A. beanstandet, die dieser bei seinen Vernehmungen als Zeuge durch den Kriminalbeamten B. am 21. Juni 2006 und nachfolgend als Beschuldigter bei seiner richterlichen Vernehmung am selben Tage gemacht hat, dringt die Rüge schon deshalb durch, weil der vom Landgericht auch insoweit angenommene Belehrungsverstoß nicht vorliegt. Anders als bei dem Angeklagten C. bestand gegen ihn bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung noch kein solcher Verdacht der Beteiligung an dem Überfall auf den Kiosk, dass nach den aufgezeigten Maßstäben der vernehmende Beamte die Grenzen seines Beurteilungsspielraums willkürlich überschritt, indem er den Angeklagten A. nicht von vornherein als Beschuldigten vernahm (vgl. BGH NStZ 2008, 48). Denn bezüglich A. stand selbst nach Auswertung der zwischen den Angeklagten C. und T. ausgewerteten SMS-Nachrichten vom Tattag nur fest, dass er Anschlussinhaber des von dem Angeklagten C. benutzten Mobil-Telefons war. Das allein genügte jedoch nicht, um einen hinreichenden Tatverdacht der Beteiligung an dem Überfall gegen ihn zu begründen. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, musste der Vernehmungsbeamte auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Strafbarkeit nach § 138 StGB zu einer Beschuldigtenvernehmung übergehen, nachdem der Angeklagte seine Anwesenheit am Tatort eingeräumt hatte. Denn A. hatte weiter angegeben, er habe mit der Sache nichts zu tun haben wollen und habe noch versucht, den Anderen die Tat auszureden. Insoweit war die erfolgte Belehrung nach § 55 StPO durch den Vernehmungsbeamten ausreichend, um den Angeklagten vor einer übereilten, sich selbst belastenden Aussage zu schützen (vgl. BGH aaO). Hinderungsgründe, die der Beweisaufnahme und der Verwertung seiner Angaben im Ermittlungsverfahren entgegengestanden hätten, lagen danach nicht vor.
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3. Auf der unterbliebenen Beweiserhebung zu den Angaben des Angeklagten C. nach seiner Belehrung als Beschuldigter und denjenigen des Angeklagten A. im Ermittlungsverfahren beruht das angefochtene Urteil (§ 337 StPO). Denn es liegt nahe, dass der Tatrichter, hätte er die Vernehmungspersonen gehört und die betreffenden Angaben der Angeklagten verwertet, sich entgegen der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil die Überzeugung verschafft hätte, dass es dem Plan der Angeklagten entsprach, dass der Angeklagte Sch. auf den Geschädigten S. auch um den Preis seines Todes einstechen sollte.
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4. Dringen die Verfahrensbeschwerden der Staatsanwaltschaft somit schon deshalb durch, weil das Landgericht zu Unrecht Angaben der Angeklagten C. und A. im Ermittlungsverfahren für unverwertbar erachtet hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Auffassung zu folgen ist, dass ein Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht jeweils nur zu Gunsten desjenigen Angeklagten wirkt, demgegenüber der Verstoß begangen wurde, nicht aber auch zu Gunsten von Mitbeschuldigten und Mitangeklagten (so aber BGH NStZ 1994, 595, 596; ebenso BGH wistra 2000, 311, 313; NJW 2002, 1279; zustimmend Diemer aaO § 136 Rdn. 26; Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 20; a.A. Gleß in Löwe-Rosenberg aaO Rdn. 90 m.w.N.).

III.


19
Revisionen der Angeklagten T. und C.
20
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen der beiden Beschwerdeführer hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen Antragsschriften vom 14. Oktober 2008 nach § 349 Abs. 2 StPO.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Mutzbauer

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.

(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,

a)
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.

(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.

(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt

1.
Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
2.
Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3.
Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist; für Syndikusrechtsanwälte (§ 46 Absatz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung) und Syndikuspatentanwälte (§ 41a Absatz 2 der Patentanwaltsordnung) gilt dies vorbehaltlich des § 53a nicht hinsichtlich dessen, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3a.
Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3b.
Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit in einer Beratungsstelle, die eine Behörde oder eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt oder bei sich eingerichtet hat, über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
4.
Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Bundesversammlung, des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landtages über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst;
5.
Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben.
Die in Satz 1 Nr. 5 genannten Personen dürfen das Zeugnis verweigern über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen. Dies gilt nur, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.

(2) Die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 3b Genannten dürfen das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind. Die Berechtigung zur Zeugnisverweigerung der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 Genannten über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand entsprechender Wahrnehmungen entfällt, wenn die Aussage zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen soll oder wenn Gegenstand der Untersuchung

1.
eine Straftat des Friedensverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats oder des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 80a, 85, 87, 88, 95, auch in Verbindung mit § 97b, §§ 97a, 98 bis 100a des Strafgesetzbuches),
2.
eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1 des Strafgesetzbuches oder
3.
eine Geldwäsche nach § 261 des Strafgesetzbuches, deren Vortat mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist,
ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der Zeuge kann jedoch auch in diesen Fällen die Aussage verweigern, soweit sie zur Offenbarung der Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten oder der ihm im Hinblick auf seine Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 gemachten Mitteilungen oder deren Inhalts führen würde.

(1) Den Berufsgeheimnisträgern nach § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 stehen die Personen gleich, die im Rahmen

1.
eines Vertragsverhältnisses einschließlich der gemeinschaftlichen Berufsausübung,
2.
einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder
3.
einer sonstigen Hilfstätigkeit
an deren beruflicher Tätigkeit mitwirken. Über die Ausübung des Rechts dieser Personen, das Zeugnis zu verweigern, entscheiden die Berufsgeheimnisträger, es sei denn, dass diese Entscheidung in absehbarer Zeit nicht herbeigeführt werden kann.

(2) Die Entbindung von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit (§ 53 Absatz 2 Satz 1) gilt auch für die nach Absatz 1 mitwirkenden Personen.