Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 29. Sept. 2015 - 1 BvR 1292/15

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2015:rk20150929.1bvr129215
bei uns veröffentlicht am29.09.2015

Tenor

1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. Mai 2015 - II-1 UF 35/15 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes, soweit er ihre Beschwerde gegen den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zurückweist.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. Mai 2015 - II-1 UF 35/15 - wird in diesem Umfang aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

2. Das Land Nordrhein-Westfalen hat der Beschwerdeführerin ein Drittel ihrer notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) und für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 12.500 € (in Worten: zwölftausendfünfhundert Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Entscheidung über den Entzug wesentlicher Teile des elterlichen Sorgerechts im Wege einer einstweiligen Anordnung.

2

1. a) Die Beschwerdeführerin ist die Mutter eines im Juni 2002 in Belgien ehelich geborenen Sohnes. Die Eltern trennten sich im April 2007. Seitdem lebt das Kind im Haushalt der Beschwerdeführerin, die nach der Trennung nach Deutschland übersiedelte. In der Folge kam es zwischen den Eltern zu Streit über die Ausgestaltung des Umgangs- und Sorgerechts. Der Vater beantragte schließlich, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind allein zu übertragen. Das Amtsgericht erließ daraufhin in einem Hauptsacheverfahren zur elterlichen Sorge einen Beweisbeschluss und beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zur künftigen Ausgestaltung des Sorgerechts. Zudem wurde ein Verfahrensbeistand für das Kind bestellt. Mit Schriftsatz vom 7. November 2014 wandte sich der Verfahrensbeistand an das Amtsgericht und teilte diesem mit, der Sachverständige habe ihm mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin das Kind völlig anders sehe, als dieses tatsächlich sei. Das Kind komme in der Schule überhaupt nicht zurecht, die Situation sei eine "einzige Katastrophe". Besonders dramatisch sei die Situation deshalb, weil die Beschwerdeführerin geäußert habe, dass sie kurzfristig nach Berlin ziehen wolle. Der Sachverständige halte es für unbedingt nötig, einen solchen Umzug zu vermeiden, da das Kind die Schule bereits mehrfach gewechselt habe.

3

b) Bei dem Kind war es während der Grundschulzeit zu insgesamt drei Schulwechseln und zwei Zurückstufungen gekommen. Zum Ende der Grundschulzeit erhielt es eine Hauptschulempfehlung. Dennoch wurde es 2014 von der Beschwerdeführerin auf einem Gymnasium eingeschult. Dort kam es schon kurze Zeit nach Beginn des Schuljahres zu erheblichen Schwierigkeiten im Verhalten und bei den Leistungen des Kindes.

4

c) Mit Beschluss vom 7. November 2014 entzog das Amtsgericht - wegen Dringlichkeit ohne vorherige Anhörung - den Eltern im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge für die Teilbereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge, schulische Angelegenheiten und das Recht, Anträge auf Hilfe zur Erziehung zu stellen. Insoweit wurde Ergänzungspflegschaft angeordnet und ein Ergänzungspfleger bestellt. Die Entscheidung beruhe auf §§ 1666, 1666a BGB. Nach dem Bericht des Verfahrensbeistandes in dem Hauptsacheverfahren habe das Kind erhebliche schulische Rückstände und komme auf dem Gymnasium nicht zurecht. Nunmehr habe die Beschwerdeführerin mitgeteilt, kurzfristig nach Berlin ziehen zu wollen. Angesichts dieser Darstellung sei den Kindeseltern im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge in Teilbereichen zu entziehen. Mit dem beabsichtigten Umzug würde dem Kind ein weiterer Schulwechsel zugemutet. Zudem befinde sich das Kind in Behandlung bei einem Kinder- und Jugendpsychiater. Auch diese Maßnahme würde durch einen kurzfristigen Umzug unterwandert.

5

d) Die Beschwerdeführerin stellte daraufhin den Antrag, aufgrund mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden. Das Kind besuche nun seit dem 1. Dezember 2014 eine staatlich anerkannte private Ergänzungsschule, in der es mit nur zwei weiteren Klassenkameraden intensiv beschult werde. Unter dem 6. Januar 2015 erstattete der Sachverständige im Hauptsacheverfahren ein ausdrücklich als solches bezeichnetes "Zwischengutachten". In diesem stellte er fest, dass das Kind ausschließlich für den "häuslichen Gebrauch" sozialisiert worden sei. Im Sozialkontakt mit anderen fremden Menschen sei es hilflos. Die Beschwerdeführerin habe keinen erzieherischen Zugriff auf das Kind und sei ausschließlich an ihren eigenen Bedürfnissen, Interessen und Träumen orientiert. Dem Kind fehle es an einer vertrauensvollen Bindung zu seinem Vater. Es sei daher eine außerfamiliäre Unterbringung des Kindes für einen begrenzten Zeitraum von etwa sechs Monaten notwendig, um sodann eine Begutachtung unter veränderten Bedingungen fortführen zu können.

6

e) Mit angegriffenem Beschluss des Amtsgerichts vom 22. Januar 2015 wurde die einstweilige Anordnung vom 7. November 2014 aufrechterhalten. Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen sei der teilweise Entzug des Sorgerechts zur Abwehr einer konkreten Kindeswohlgefährdung notwendig. Das Kind sei massiv verhaltensauffällig. Auf dem Gymnasium sei das Kind leistungsmäßig überfordert gewesen und habe die Namen von Lehrern und Mitschülern nicht gekannt. Die Beschwerdeführerin habe diese Problematik nur eingeschränkt erkannt. Die Absicht der Beschwerdeführerin, nach Berlin zu verziehen, zeige, dass diese ihre Entscheidungen nicht ausschließlich am Kindeswohl orientiert treffe. Ein milderes Mittel als der Entzug von Teilbereichen der elterlichen Sorge sei nicht gegeben. Das Kind benötige eine fachlich geschulte Erziehungsperson, die es in seinen Besonderheiten wahrnehmen könne. Die Beschwerdeführerin sei hierzu unverschuldet nicht in der Lage.

7

f) Hiergegen legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein. Das Oberlandesgericht holte ergänzende Stellungnahmen des Jugendamtes, des Verfahrensbeistandes sowie des Ergänzungspflegers ein. Der Ergänzungspfleger teilte mit, dass das Kind zwischenzeitlich nach übereinstimmenden Schilderungen aller seiner Lehrer in der Schule erhebliche Fortschritte mache, sowohl in schulischer Hinsicht als auch in Bezug auf sein Sozialverhalten. Während die Klassenlehrerin noch im Januar 2015 berichtet habe, dass das Kind praktisch nicht beschulbar sei und überhaupt keine Leistungsbereitschaft zeige, habe diese Ende März 2015 nur noch Gutes über das schulische Verhalten berichtet. Das Kind komme mit dem Tagesablauf und den Strukturen der Schule gut zurecht und halte sich gut an die Regeln. Die Leistungen seien durchweg gut, das Schriftbild habe sich verbessert. Auch die übrigen Lehrer hätten über Verhalten und Leistung des Kindes überwiegend positiv berichtet. In dem Leistungszwischenbericht vom 27. März 2015 wurden die Leistungen in allen Schulfächern mit den Noten "gut" oder "befriedigend" bewertet. Der Verfahrensbeistand teilte mit, dass ein Umzug nach Berlin durchaus noch ein Thema sei, wie das Kind ihm berichtet habe.

8

g) Mit angegriffenem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 6. Mai 2015 wurde die Beschwerde der Beschwerdeführerin ohne mündliche Anhörung zurückgewiesen. Die Beschwerde sei unbegründet. Das Amtsgericht habe die Teilbereiche der elterlichen Sorge zu Recht gemäß §§ 1666, 1666a BGB entzogen. Eine Gefährdung des Kindeswohls ergebe sich aus den massiv zu Tage getretenen Verhaltensauffälligkeiten des Kindes im Rahmen des Schulbesuches. Aus einem Bericht der Grundschule vom 20. Mai 2014 ergebe sich, dass das Kind im Kontakt mit anderen Kindern stets unsicher und misstrauisch sei. Auch kleinere Streitigkeiten würden vor der gesamten Klasse ausgetragen. Häufig habe es seine Hausaufgaben nicht erledigt. Auf der Abschlussfeier sei es zu einem heftigen Streit mit Klassenkameraden gekommen. Der Sachverständige sei in seinem Gutachten vom 6. Januar 2015 zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um ein extrem verhaltensauffälliges Kind handele. Das Kind sei danach bereits erheblich geschädigt. Dies sei auf ein Verhalten der Beschwerdeführerin zurückzuführen, was sich zur Überzeugung des Senats schon daraus ergebe, dass sich diese Auffälligkeiten entwickelt hätten, während sich das Kind in deren Obhut befand. Dabei falle insbesondere der von der Beschwerdeführerin veranlasste häufige Schulwechsel ins Gewicht. Aufgrund dieses Verhaltens der Beschwerdeführerin könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie ohne das Eingreifen des Gerichts in der Lage und bereit wäre, die Gefahr für das Kind abzuwenden. Trotz anders lautender verbaler Erklärungen sei unter diesen Umständen nicht von einer ernsthaften Bereitschaft zur Veränderung des Erziehungsverhaltens auszugehen. Daraus folge zugleich, dass mildere Mittel als der Teilentzug des Sorgerechts mit der Möglichkeit einer vorübergehenden Fremdunterbringung nicht ausreichten. Der Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhilfe könne auch bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht verantwortet werden. Die Beschwerdeführerin habe in der Vergangenheit deutliche "Fluchttendenzen" gezeigt, vor Problemen sei sie immer weggelaufen und wollte auch anlässlich des vorliegenden Verfahrens nach Berlin umziehen. Dazu ergebe sich aus dem aktuellen Bericht des Verfahrensbeistandes vom 4. April 2015, dass der "Umzug nach Berlin" nach wie vor Thema sei. Nach Angaben des Kindes dürfe man allerdings im Moment nicht umziehen, weil der Ergänzungspfleger "das zu bestimmen habe". Die Mutter habe daher keineswegs von ihrer gegenwärtig dem Kindeswohl widersprechenden Idee, nach Berlin ziehen zu wollen, Abstand genommen, so dass angesichts der bislang gezeigten Fluchttendenzen die nicht auszuschließende Gefahr bestehe, dass sie ihre Absicht in die Tat umsetze, wenn sie die rechtliche Möglichkeit hierzu hätte. Vor diesem Hintergrund liege auch das nach § 49 Abs. 1 FamFG erforderliche dringende Regelungsbedürfnis vor.

9

Was die vom Sachverständigen im Zeitpunkt der Gutachtenerstattung für einen begrenzten Zeitraum für notwendig gehaltene Unterbringung anbelange, erscheine allerdings inzwischen auch eine andere Lösung denkbar. Denn nach den insoweit übereinstimmenden Berichten der übrigen Verfahrensbeteiligten habe das Kind in seiner aktuellen schulischen Situation schon Fortschritte gemacht. Es erfülle dort die Leistungsanforderungen und auch sein Sozialverhalten sei deutlich besser geworden. Auch einem Besuch beim Vater stehe es nicht mehr völlig ablehnend gegenüber. Angesichts dieser Entwicklung erscheine es fraglich, ob eine vorübergehende Fremdunterbringung noch notwendig sei, um den Sachverständigen in die Lage zu versetzen, seine Begutachtung unter veränderten Bedingungen fortführen zu können. Möglicherweise reichten dazu die weitere Beschulung in der Privatschule und der Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhilfe aus. Hierüber zu entscheiden - gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem Sachverständigen und/oder weiterer neuer Erkenntnisse - sei allerdings Sache des Ergänzungspflegers.

10

h) Das Kind befindet sich und befand sich während des gesamten Verfahrens in der Obhut der Mutter. Der Ergänzungspfleger hat von einer Fremdunterbringung während des laufenden Verfahrens bislang Abstand genommen.

11

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihres Elterngrundrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Das vom Oberlandesgericht gewählte Verfahren sei nicht geeignet gewesen, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen. So habe es von einer Anhörung der Beteiligten abgesehen, weil eine weitere Sachaufklärung nicht zu erwarten sei. Dies habe aber offensichtlich nicht zugetroffen, da das Oberlandesgericht selbst Zweifel zum Ausdruck gebracht habe, ob der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zum Zwecke einer Fremdunterbringung des Kindes noch unbedingt erforderlich war. Es hätte daher den Sachverhalt weiter aufklären müssen und weitere Ermittlungen nicht dem Ergänzungspfleger überlassen dürfen. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts entspreche zudem nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Das Gericht habe festgestellt, dass es zu erheblichen Verbesserungen der Leistungen sowie des Sozialverhaltens des Kindes gekommen sei. Es hätte daher selbst entscheiden müssen, ob aufgrund der veränderten Umstände die weitere Beschulung in der Privatschule als milderes Mittel zu einer Fremdunterbringung in Betracht komme und auch diese Entscheidung nicht dem Ergänzungspfleger überlassen dürfen.

12

3. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 23. Juni 2015 im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollstreckung der angegriffenen Beschlüsse insoweit ausgesetzt, als der Beschwerdeführerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht auch für den Fall entzogen wurde, dass sie mit ihrem Sohn an ihrem bisherigen Wohnort verbleibt.

13

4. Das Bundesverfassungsgericht hat der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, dem Verfahrensbeistand des Kindes, dem Jugendamt, dem Ergänzungspfleger und dem Vater Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

14

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Entscheidung an und gibt ihr insoweit statt, weil dies zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Elternrechts der Beschwerdeführerin angezeigt ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Diese Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde danach in diesem Umfang offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

15

1. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist nicht mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar, soweit sie die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zurückweist.

16

a) aa) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Allerdings kann der Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramts den Eltern das grundrechtlich geschützte Sorgerecht entziehen, wenn und soweit dies zur Wahrung des Kindeswohls erforderlich ist (vgl. § 1666 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 6, § 1666a BGB).

17

Soweit es um die Trennung des Kindes von seinen Eltern geht, sind an die Annahme einer Gefährdung des Kindeswohls nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 GG hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfGE 136, 382 <386> m.w.N.). Eine Trennung des Kindes von seinen Eltern setzt voraus, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>). Dies ist der Fall, wenn bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder eine Gefahr gegenwärtig in einem solchen Maße besteht, dass sich bei ihrer weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. August 2014 - 1 BvR 1822/14 -, juris, Rn. 25 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 -, juris, Rn. 11). Maßnahmen, die eine Trennung des Kindes von seinen Eltern ermöglichen, dürfen zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (vgl. BVerfGE 60, 79 <89>).

18

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hält die erstinstanzlich bereits erfolgte Entziehung des Sorgerechts aufrecht und greift daher mit hoher Intensität in das Elterngrundrecht der Beschwerdeführerin ein. Dass der Ergänzungspfleger das Kind bislang in ihrem Haushalt belassen hat, ändert daran nichts. Auf der Grundlage des ihm übertragenen Aufenthaltsbestimmungsrechts hat er die Möglichkeit, das Kind ohne weitere Mitwirkung des Familiengerichts aus ihrem Haushalt herauszunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. August 2014 - 1 BvR 1822/14 -, juris, Rn. 23 m.w.N.).

19

bb) Neben den materiellrechtlichen Vorgaben kommt auch der Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens hohe Bedeutung für die Gewährleistung effektiven Grundrechtsschutzes zu (vgl. BVerfGE 63, 131 <143>). In Sorgerechtsverfahren haben die Familiengerichte das Verfahren so zu gestalten, dass es geeignet ist, eine möglichst zuverlässige Grundlage zu schaffen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>). Steht wie hier eine Entscheidung im Eilverfahren in Rede, bleiben die praktisch verfügbaren Aufklärungsmöglichkeiten angesichts der spezifischen Eilbedürftigkeit dieser Verfahren allerdings regelmäßig hinter den im Hauptsacheverfahren bestehenden Möglichkeiten zurück. Ein Sorgerechtsentzug aufgrund summarischer Prüfung im Wege der einstweiligen Anordnung ist damit indessen nicht ausgeschlossen, er unterliegt jedoch spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 20).

20

Im Eilverfahren bemessen sich die Möglichkeiten des Gerichts, das Aufenthaltsbestimmungsrecht ohne abschließende Ermittlung des Sachverhalts zu entziehen, einerseits nach dem Recht der Eltern und des Kindes, von einer unberechtigten Trennung verschont zu bleiben und andererseits nach dem Recht des Kindes, durch die staatliche Gemeinschaft vor nachhaltigen Gefahren geschützt zu werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 22). Die Anforderungen an die Sachverhalts-ermittlung sind hier umso höher, je geringer der möglicherweise eintretende Schaden des Kindes wiegt, in je größerer zeitlicher Ferne der zu erwartende Schadenseintritt liegt und je weniger wahrscheinlich dieser ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 23). Einfachrechtlich drückt sich diese Anforderung in der Vorschrift des § 49 Abs. 1 FamFG aus, die ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden erfordert, was voraussetzt, dass ein Abwarten bis zur Hauptsacheentscheidung nicht möglich ist, weil diese zu spät kommen würde, um die zu schützenden Interessen (hier: das Kindeswohl) zu wahren.

21

b) Gemessen daran verstößt die Entscheidung des Oberlandesgerichts gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 GG, soweit damit die Beschwerde gegen den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zurückgewiesen wird.

22

aa) Der Entscheidung des Oberlandesgerichts lässt sich nicht hinreichend deutlich entnehmen, dass das Wohl des Kindes im Zeitpunkt der Entscheidung im Falle des Verbleibs im mütterlichen Haushalt noch nachhaltig gefährdet und eine Fremdunterbringung des Kindes erforderlich war.

23

(1) Gegen die Annahme, dass dem Kind im Falle des Verbleibs bei der Mutter weiterhin eine die Trennung des Kindes rechtfertigende Gefahr droht, spricht, dass sich nach den Mitteilungen der Verfahrensbeteiligten deutliche Verbesserungen im Sozialverhalten und Leistungsbild des Kindes gezeigt haben, seit das Kind die private Ergänzungsschule besucht, obwohl sich dieses durchgehend in der Obhut der Beschwerdeführerin befand. Auch die Entscheidung des Ergänzungspflegers, das Kind in der Obhut der Mutter zu belassen, spricht gegen das Vorliegen beziehungsweise Fortbestehen einer akuten und konkreten Gefährdung des Kindes bei Verbleib bei der Mutter (vgl. hierzu Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 14. April 2014 - 10 UF 19/14 -, juris, Rn. 37). Sofern das Gericht in Betracht gezogen hat, eine vorübergehende Fremdunterbringung könne weiterhin erforderlich sein, "um den Sachverständigen in die Lage zu versetzen, seine Begutachtung unter veränderten Bedingungen fortführen zu können", genügt dieser vom Gericht nur angedeutete Begründungsansatz nicht, um im Rahmen der verfassungsgerichtlichen Überprüfung annehmen zu können, die hohen Anforderungen, die nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 GG an die Trennung des Kindes von seiner Mutter zu stellen sind, seien erfüllt.

24

Aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts ergibt sich auch nicht mit hinreichender Deutlichkeit, dass ein die Trennung des Kindes von der Mutter vorbereitender Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zur Abwendung einer eventuell fortbestehenden Kindeswohlgefährdung noch erforderlich war und nicht mildere Mittel, insbesondere der Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhilfe, zur Abwendung eventuell verbliebener Gefahren ausreichen.

25

(2) Das Oberlandesgericht zweifelt selbst daran, dass eine Fremdunterbringung des Kindes noch erforderlich ist, ohne aber eine weitere Sachverhaltsklärung vorzunehmen oder daraus auf sonstige Weise die verfassungsrechtlich gebotenen Konsequenzen zu ziehen.

26

Weil es in dem Zeitraum zwischen der letzten Entscheidung des Amtsgerichts im Januar 2015 und der des Oberlandesgerichts im Mai 2015 nach den Berichten der übrigen Verfahrensbeteiligten zu einer deutlichen Verbesserung der Situation des Kindes gekommen war, erschien dem Gericht "auch eine andere Lösung denkbar" als "die vom Sachverständigen im Zeitpunkt der Gutachtenerstellung für einen begrenzten Zeitraum für notwendig gehaltene außerfamiliäre Unterbringung". Zwar führt das Oberlandesgericht an anderer Stelle aus, dass mildere Mittel als der Teilentzug des Sorgerechts mit der Möglichkeit einer Fremdunterbringung nicht bestünden. Insbesondere der Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhilfe könne unter den gegebenen Umständen - auch nicht bis zur Entscheidung in der Hauptsache - verantwortet werden. An späterer Stelle des Beschlusses heißt es dann aber, dass es statt einer Fremdunterbringung möglichweise ausreiche, wenn das Kind weiter privat beschult werde und es zu dem Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhilfe komme.

27

Das Gericht hat diesen Zweifeln keine weitere Sachverhaltsaufklärung folgen lassen. Es hat davon abgesehen, eine Anhörung durchzuführen oder sonstige weitere Ermittlungen dazu anzustellen, ob unter den seit der amtsgerichtlichen Entscheidung veränderten Umständen eine Fremdunterbringung tatsächlich noch zwingend erforderlich ist. Zwar ist ein Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts aufgrund vorläufiger Sachverhaltsermittlung auch dann nicht zwangsläufig ausgeschlossen, wenn das Gericht selbst noch gewisse Zweifel an der Notwendigkeit der Fremdunterbringung hat, die es im Eilverfahren nicht aufklären kann (oben a bb). Es müsste dann aber deutlich werden, warum die Fremdunterbringung trotz verbleibender sachlicher Zweifel so dringlich ist, dass die mit dem Abwarten der abschließenden Sachverhaltsaufklärung in der Hauptsache verbundenen Risiken für das Kind nicht hingenommen werden können. Dies ist hier nicht erkennbar. Erkennbar ist auch nicht, warum dem Oberlandesgericht die aus seiner Sicht notwendige weitere Sachverhaltsaufklärung hier nicht bereits im Eilverfahren möglich gewesen sein sollte. Die Aufklärung, "ob eine vorübergehende Fremdunterbringung noch notwendig ist", oder aber "die weitere Beschulung in der Privatschule und der Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhilfe aus[reichen]", hat es dem Ergänzungspfleger überlassen: "Hierüber zu entscheiden - ggf. nach Rücksprache mit dem Sachverständigen und/oder weiterer neuer Erkenntnisse - ist […] Sache des Ergänzungspflegers". Das Gericht kann nicht angenommen haben, einer Aufklärung im gerichtlichen Eilverfahren stehe die Dringlichkeit der Fremdunterbringung entgegen, wenn es zugleich davon ausging, es könne damit zugewartet werden, bis der Ergänzungspfleger die erforderlichen Klärungen herbeigeführt hat, was nicht weniger Zeit in Anspruch nehmen dürfte als die Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht selbst. Es ist daher nicht ersichtlich, warum es die dem Ergänzungspfleger überlassene Aufklärung nicht selbst hätte vornehmen können.

28

bb) Ob es dem Oberlandesgericht auch darum gegangen ist, durch den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts einen das Kindeswohl (erneut) gefährdenden Wegzug der Mutter mit dem Kind zu verhindern, und dass es darin einen den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts selbständig tragenden Grund gesehen hat, lässt sich dem Beschluss nicht mit Sicherheit entnehmen. Allerdings würde dies den vollständigen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts hier ohnehin nicht rechtfertigen. Zwar ist die Einschätzung des Gerichts ohne Weiteres nachvollziehbar, dass dem Kind im Fall des Wegzugs eine schwerwiegende Gefahr drohte, weil es damit erneut aus seinem Umfeld herausgenommen würde, obwohl gerade die jetzige Schulsituation die zuvor nicht hinnehmbare Lage des Kindes verbessert hat. Das Gericht hat jedoch nicht dargelegt, weswegen als milderes Mittel gegenüber einem vollständigen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht eine Beschränkung beziehungsweise ein bloßer Teilentzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts - bezogen auf die Frage des Wegzugs vom bisherigen Wohn-ort - in Betracht kam. Einen solchen Teilentzug lässt die Regelung des § 1666 Abs. 3 Nr. 6 BGB nach verbreiteter Einschätzung zu (vgl. Coester, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 1666 Rn. 226; Olzen, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 1666 Rn. 196; Y. Döll, in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 1666 Rn. 18; OLG Dresden, Beschluss vom 15. Juli 2003 - 20 UF 401/03 -, juris, Rn. 24 - insoweit von BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 -, juris, Rn. 19 nicht beanstandet).

29

c) Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 6. Mai 2015 beruht auf diesen Verstößen gegen das Elternrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht bei verfassungsgemäßer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entscheidung zugunsten der Beschwerdeführerin getroffen hätte.

30

2. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 6. Mai 2015 wegen des Entzugs weiterer Teile des Sorgerechts wendet, wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die insoweit an Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, nicht aber an Art. 6 Abs. 3 GG zu messende Aufrechterhaltung des Sorgerechtsentzugs ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

31

3. Auch soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die amtsgerichtliche Entscheidung richtet, wird ihre Verfassungsbeschwerde nicht angenommen. Dass diese unter Zugrundelegung der obigen Maßstäbe den verfassungsrechtlichen Rahmen überschreiten könnte, hat die Beschwerdeführerin nicht aufgezeigt.

32

4. Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 6. Mai 2015 wird gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG im genannten Umfang aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

33

5. Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG.

34

6. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

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(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Dies gilt auch, wenn einem Elternteil vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Nutzung der Familienwohnung untersagt werden soll. Wird einem Elternteil oder einem Dritten die Nutzung der vom Kind mitbewohnten oder einer anderen Wohnung untersagt, ist bei der Bemessung der Dauer der Maßnahme auch zu berücksichtigen, ob diesem das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück zusteht, auf dem sich die Wohnung befindet; Entsprechendes gilt für das Wohnungseigentum, das Dauerwohnrecht, das dingliche Wohnrecht oder wenn der Elternteil oder Dritte Mieter der Wohnung ist.

(2) Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Dies gilt auch, wenn einem Elternteil vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Nutzung der Familienwohnung untersagt werden soll. Wird einem Elternteil oder einem Dritten die Nutzung der vom Kind mitbewohnten oder einer anderen Wohnung untersagt, ist bei der Bemessung der Dauer der Maßnahme auch zu berücksichtigen, ob diesem das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück zusteht, auf dem sich die Wohnung befindet; Entsprechendes gilt für das Wohnungseigentum, das Dauerwohnrecht, das dingliche Wohnrecht oder wenn der Elternteil oder Dritte Mieter der Wohnung ist.

(2) Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.

(2) Die Maßnahme kann einen bestehenden Zustand sichern oder vorläufig regeln. Einem Beteiligten kann eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Verfügung über einen Gegenstand untersagt werden. Das Gericht kann mit der einstweiligen Anordnung auch die zu ihrer Durchführung erforderlichen Anordnungen treffen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Dies gilt auch, wenn einem Elternteil vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Nutzung der Familienwohnung untersagt werden soll. Wird einem Elternteil oder einem Dritten die Nutzung der vom Kind mitbewohnten oder einer anderen Wohnung untersagt, ist bei der Bemessung der Dauer der Maßnahme auch zu berücksichtigen, ob diesem das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück zusteht, auf dem sich die Wohnung befindet; Entsprechendes gilt für das Wohnungseigentum, das Dauerwohnrecht, das dingliche Wohnrecht oder wenn der Elternteil oder Dritte Mieter der Wohnung ist.

(2) Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 166/03
vom
15. Dezember 2004
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 1666; MSA Artt. 3, 8
Die Gefahr, daß bei einem Mädchen gambischer Staatsangehörigkeit während eines
Aufenthalts in Gambia eine Beschneidung vorgenommen wird, rechtfertigt es, der
Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht gem. § 1666 Abs. 1 BGB insoweit zu entziehen
, als es um die Entscheidung geht, ob das Kind nach Gambia verbracht wird.
Ob diese Maßnahme allein ausreicht, um einen effektiven Schutz des Kindes zu gewährleisten
, hat der Tatrichter im Rahmen seines Auswahlermessens zu entscheiden.
BGH, Beschluß vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 - OLG Dresden
AG Dresden
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2004 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des 20. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Juli 2003 wird zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 wird der vorgenannte Beschluß bezüglich der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten und insoweit aufgehoben, als in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Dresden vom 8. Mai 2003 die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind abgelehnt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerden ergeht gerichtsgebührenfrei. Beschwerdewert: 3.000 €.

Gründe:

I.

Die am 2. Juli 1998 geborene J. T. ist die Tochter der weiteren Beteiligten zu 1. Sie besitzt, ebenso wie ihre nicht mit einander verheirateten Eltern, die gambische Staatsangehörigkeit. Der Vater lebt in Gambia. Die Mutter heiratete am 24. November 2000 in Gambia einen deutschen Staatsangehörigen und folgte ihm zusammen mit ihrer Tochter im März 2001 nach Deutschland. Da die Mutter hier eine Ausbildung zur Altenpflegerin absolviert und sich deshalb gehindert sah, das Kind zu betreuen, beabsichtigte sie, dieses am 8. Januar 2003 durch ihren Ehemann und dessen Vater nach Gambia verbringen zu lassen. J. sollte in Gambia von der Familie der Mutter betreut werden und eine Vorschule besuchen. Das Jugendamt Dresden (weiterer Beteiligter zu 3), das über die bevorstehende Reise informiert worden war, veranlaßte am 6. Januar 2003 die Inobhutnahme des Kindes gemäß § 42 SGB VIII, weil es befürchtete, diesem drohe bei einem Aufenthalt in Gambia die Beschneidung. Auf Antrag des Jugendamtes entzog das Amtsgericht der Mutter zunächst vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitssorge und bestellte insoweit das Jugendamt zum Pfleger. Mit Beschluß vom 8. Mai 2003 hat das Amtsgericht auch in der Hauptsache entsprechend der vorläufigen Anordnung entschieden. Hiergegen hat die Mutter befristete Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hat eine "mündliche Verhandlung" durchgeführt und anschließend eine vorläufige Anordnung erlassen, nach der das Kind der Mutter unverzüglich herauszugeben ist, dieser aber untersagt wird, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit dem Kind zu verlassen oder zu gestatten, daß ihre Tochter mit
Dritten das Land verläßt. Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht den angefochtenen Beschluß teilweise abgeändert und dieser das Aufenthaltsbestimmungsrecht nur insoweit entzogen, als es um die Entscheidung geht, ob das Kind - zu Urlaubszwecken oder für einen längeren Aufenthalt - nach Gambia verbracht wird. Insoweit hat es Pflegschaft angeordnet und den weiteren Beteiligten zu 3) als Pfleger eingesetzt. Hiergegen richten sich die - zugelassenen - Rechtsbeschwerden der Mutter und der Landeshauptstadt Dresden - Ortsamt Plauen - (weiterer Beteiligter zu 2, im folgenden: Ortsamt). Die Mutter erstrebt die vollständige Abweisung des Antrags, während das Ortsamt die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts insgesamt erreichen möchte.

II.

Die Rechtsbeschwerde der Mutter ist unbegründet. Auf die Rechtsbeschwerde des Ortsamtes ist der Beschluß im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Sache insoweit an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. A. Rechtsbeschwerde der Mutter 1. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2003, 1862 ff. veröffentlicht ist, hat seine internationale Zuständigkeit sowie die Anwendbarkeit deutschen Rechts ohne weitere Ausführungen bejaht. Das begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Die - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte richtet sich nach den Vorschriften des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom
5. Oktober 1961 (BGBl. 1971 II 217; im folgenden: MSA). Nach Art. 1 MSA sind die Gerichte des Staates, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorbehaltlich der Artt. 3, 4 und 5 Abs. 3 MSA dafür zuständig, Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen zu treffen. Nach Art. 13 Abs. 1 MSA ist das Übereinkommen auf alle Minderjährigen anzuwenden, die - wie hier das Kind J. - ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Vertragsstaaten haben, ohne daß der Minderjährige die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates besitzen müßte (Staudinger/Kropholler BGB, 13. Bearb. - 1994 - Vorbemerkung zu Art. 19 EGBGB Rdn. 525 m.w.N.). Einen einschränkenden Vorbehalt gegenüber Angehörigen von Nichtvertragsstaaten nach Art. 13 Abs. 3 MSA hat die Bundesrepublik Deutschland nicht erklärt. Hinsichtlich der von den inländischen Gerichten zu treffenden Schutzmaßnahmen, zu denen die im Streit stehende Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1666 BGB gehört (Staudinger/Kropholler aaO Rdn. 217), ist gemäß Art. 2 MSA innerstaatliches, hier also deutsches Recht anzuwenden. Gemäß Art. 3 MSA ist allerdings ein nach dem Recht des Heimatstaates des Kindes kraft Gesetzes bestehendes Gewaltverhältnis anzuerkennen. Ein Eingriff in ein solches Gewaltverhältnis liegt vor, wenn das ausländische Heimatrecht des Minderjährigen eine derartige Maßnahme nicht zuläßt (Palandt /Heldrich BGB 63. Aufl. Anh. zu Art. 24 EGBGB Rdn. 25). Dies macht die Rechtsbeschwerde der Mutter in bezug auf das gambische Recht geltend, ohne ihren Einwand zu konkretisieren. Dessen Richtigkeit entzieht sich infolgedessen einer Beurteilung. Feststellungen zu dem gambischen Recht hat das OLG nicht getroffen. Die Frage, ob der Einwand gerechtfertigt ist, bedarf indessen keiner Entscheidung. Ein eventuell bestehendes Gewaltverhältnis schließt es nämlich nach Art. 8 MSA nicht aus, daß die Behörden des Aufenthaltsstaates, also auch die deutschen Gerichte, Maßnahmen zum Schutz des Minderjährigen treffen, soweit er in seiner Person oder seinem Vermögen ernstlich gefährdet ist. Mit
solchen Schutzmaßnahmen kann deshalb auch in ein grundsätzlich anzuerkennendes Gewaltverhältnis eingegriffen werden. In den Fällen, in denen nach den §§ 1666 ff. BGB Maßnahmen zu treffen sind, ist in der Regel auch das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 8 MSA anzunehmen (BGHZ 60, 68, 73 f.). 2. In der Sache hat das Beschwerdegericht ein Eingreifen nach § 1666 BGB für erforderlich gehalten. Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Durchführung der Beschneidung von Mädchen stelle eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls dar. Es handele sich um Genitalverstümmelungen, in denen eine schwere Menschenrechtsverletzung zu sehen sei und die in ihrer Intensität den gravierendsten Erscheinungsformen asylerheblicher Verfolgungsmaßnahmen , wie der Folter, nicht nachstehe. Die Gefahr, als Mädchen in Gambia beschnitten zu werden, sei groß. Gambia sei der UN-Kinderrechtskonvention nicht beigetreten. Aus den vom Jugendamt vorgelegten Unterlagen gehe hervor, daß nach Auskunft lokal tätiger Nichtregierungsorganisationen in Gambia fast alle ethnischen Gruppen Genitalverstümmelungen praktizierten und zwischen 80 bis 90 % der weiblichen Bevölkerung beschnitten seien. Die Beschneidung könne Mädchen jeden Alters drohen, einer Dreijährigen ebenso wie einer 16-jährigen. Auch die Mutter habe bei ihrer Anhörung bestätigt, daß es keine Altersgrenze gebe, von der an ein Kind selbst entscheiden könne, ob es beschnitten werde oder nicht. Die traditionell begründete Beschneidung drohe dem Kind deshalb, sobald es sich in Gambia aufhalte. Insofern bestehe auch eine gegenwärtige, begründete Besorgnis der Schädigung. Die Mutter sei derzeit nicht in der Lage, ihre Tochter vor einer solchen Körperverletzung ausreichend zu schützen. Soweit sie bei ihrer Anhörung erklärt habe, sie wünsche nicht, daß ihrem Kind eine Beschneidung widerfahre, sei diese ablehnende Äußerung unter dem Druck des vorliegenden Verfahrens zustande gekommen und beruhe (noch) nicht auf eigener Erkenntnis. Denn die mehrfach geäußerte Auffassung , das Kind könne mit 14 Jahren selbst entscheiden, ob es beschnitten
werde, mache deutlich, daß die Mutter die Genitalverstümmelung nicht in dem erforderlichen Maße als bedrohliche Gefahr für ihre Tochter erkannt habe. Angesichts der Brutalität des Eingriffs und der möglichen physischen und psychischen Folgen hätte andererseits eine klare Ablehnung der Beschneidung in bezug auf ihr Kind erfolgen müssen. Die eigene Erfahrung der - ihrerseits beschnittenen - Mutter belege, daß selbst ein 13 Jahre altes Mädchen durch gezielte unrichtige Informationen dazu gebracht werden könne, sich die grausame Verstümmelung sogar selbst zu wünschen. Wenn die Mutter gleichwohl daran festhalte, die Entscheidung über die Beschneidung dem Kinde selbst zu überlassen , habe sie den Fehler ihrer eigenen Mutter wiederholt und damit gezeigt, daß sie nicht fähig sei, die Gefahr von ihrem Kind abzuwenden. Dies sei indessen umsomehr notwendig, als nach den zu den Akten gelangten Informationen traditionell die Großfamilie mitentscheide, ob eine Beschneidung durchgeführt werde. Da die Mutter gleichwohl geplant habe, daß das Kind während der Dauer ihrer Ausbildung in Gambia leben solle und es damit der Gefahr einer Genitalverstümmelung (schutzlos) ausgeliefert hätte, müsse ihr Verhalten als unverschuldetes Versagen, aber auch als Form von Vernachlässigung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB angesehen werden. Richtig verstandenes elterliches Sorgerecht hätte von ihr nicht passives Verhalten, sondern aktives Tun verlangt. Die Gefährdung sei auch gegenwärtig. Die Mutter habe zwar erklärt, daß ihre Tochter sich nicht mehr ohne ihre Begleitung in Gambia aufhalten solle. Es sei jedoch zu besorgen, daß sie an diesem Entschluß nicht festhalte, sondern das Kind doch zu ihrer Familie nach Gambia bringe, wenn sie sich wegen der auf sie zukommenden Prüfungen zur Altenpflegerin außerstande sehe, neben ihrer Arbeit zu lernen und ihre Tochter ausreichend zu betreuen. Diese Gefahr werde durch die Bekanntschaft mit in der Nähe ihrer Wohnung lebenden gambischen Familien nicht aufgehoben. Die danach vorzunehmende Abwägung zwischen dem Elternrecht der Mutter einerseits und dem Recht des Kindes auf Schutz
seiner Menschenwürde und seiner körperlichen Unversehrtheit andererseits führe zu der Notwendigkeit der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts insoweit, als es um Reisen des Kindes nach Gambia oder um Aufenthalte dort gehe. Angesichts des Ausmaßes der drohenden Gefahr müsse auch das Recht des Kindes, seine Verwandtschaft in seinem Heimatstaat zu besuchen, zurücktreten. Auf andere Weise könne ein hinreichend sicherer Schutz nicht gewährleistet werden. Auch der Respekt vor einer anderen Kultur rechtfertige keine abweichende Entscheidung. Die mit der Ausländereigenschaft von Mutter und Kind verbundenen Vorstellungen von Kultur, Tradition, Religion und Erziehung, denen grundsätzlich Bedeutung beizumessen sei, müßten zurücktreten, wenn die drohende Schädigung entsprechend der ordre-public-Klausel des Art. 6 EGBGB unter keinem Gesichtspunkt zu tolerieren sei. 3. Diese Ausführungen halten der im Verfahren der Rechtsbeschwerde allein möglichen rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche , geistige oder seelische Wohl eines Kindes durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Versagen eines Dritten gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden , die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Als derartige Maßnahme kommt insbesondere auch die Entziehung des Rechts zur Aufenthaltsbestimmung als Teil des Personensorgerechts (§§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB) in Betracht. Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, daß sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen läßt (BGH Beschluß vom 14. Juli 1956 - IV ZB 32/56 - FamRZ 1956, 350,
351; BayObLG DAVorm 1981, 897, 898 f.; Staudinger/Coester BGB 13. Bearb. - 2004 - § 1666 Rdn. 79; MünchKomm/Olzen 4. Aufl. § 1666 Rdn. 49).
b) Daß die Beschneidung eines Mädchens als eine das Kindeswohl in ganz erheblicher Weise beeinträchtigende Behandlung zu beurteilen ist, hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der Genitalverstümmelung um einen schweren Eingriff, der bleibende physische und psychische Schäden zur Folge hat. Dies gilt auch dann, wenn der Eingriff nicht - wie zumeist - unter unhaltbaren hygienischen Bedingungen, ohne Betäubung und mit grausamen Hilfsmitteln, wie Glasscherben oder Rasierklingen als Schneidewerkzeug, durchgeführt wird, sondern selbst wenn er nach allen Regeln ärztlichen Könnens erfolgt. Es bleibt ein radikaler Eingriff in die körperliche Integrität und psychische Befindlichkeit der Frau. Dabei verbietet sich eine Unterscheidung nach der Art der Verstümmelung (Klitorisbeschneidung , Excision oder Infibulation), denn in allen Fällen liegt eine grausame, folgenschwere und durch nichts zu rechtfertigende Mißhandlung vor (vgl. Bumke NVwZ 2002, 423, 426 m.w.N., sowie Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Beschneidung von Mädchen und Frauen BT-Drucks. 13/10682 S. 3 ff.). Auch die Rechtsbeschwerde der Mutter erhebt gegen die Beurteilung der Beschneidung durch das Berufungsgericht keine Einwendungen.
c) Sie rügt aber, das Beschwerdegericht habe eine hieraus resultierende gegenwärtige Gefahr für das Kind zu Unrecht bejaht. Es habe nicht berücksichtigt , daß die Mutter ihrem Vorbringen zufolge nicht gegen ihren Willen oder auf Druck ihrer Eltern, eines Elternteils oder naher Verwandter beschnitten worden sei, sondern aufgrund eigener Entscheidung, und zwar nach von dritter Seite erhaltener, heute als falsch und irreführend erkannter Informationen. In den Vorgang sei sie aber nicht als Kleinkind, sondern als Mädchen, das die Pubertät
durchlaufen habe, involviert gewesen. Daraus folge, daß niemand aus der Familie der Mutter Anstalten getroffen habe, sie als Kind oder ohne ihre Einwilligung als herangereiftes Mädchen beschneiden zu lassen, auch nicht ihr eigener Vater, in dessen Stamm noch Beschneidungen vorgenommen würden und der dieses Ritual befürwortet habe. Auf diesen sei ohnehin nicht abzustellen, da die Großmutter sich vor 20 Jahren von ihm habe scheiden lassen und inzwischen wieder verheiratet sei. J. habe aber bei der Großmutter und nicht bei ihrem leiblichen Großvater leben sollen. Daneben habe sie, als sie noch in Gambia gelebt habe, engen Kontakt zu ihrem leiblichen Vater und dessen Familie unterhalten , die nicht weit von der Großmutter entfernt lebten. Die Großmutter sei nicht beschnitten und lehne diesen Brauch ab. Sie habe auch ihrer Tochter verboten , sich dem Ritual zu unterziehen. Deshalb sei kein Anhaltspunkt dafür auszumachen, daß das Kind während eines Aufenthalts bei der Großmutter der Gefahr ausgesetzt wäre, diese könne eine Beschneidung veranlassen oder zulassen. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, daß die Großmutter das Mädchen nicht vor Übergriffen Dritter schützen könne, denn sie habe ihre Tochter bis zu deren eigener Entscheidung vor einer zwangsweisen Beschneidung bewahrt. Auch von der Seite der Familie des leiblichen Vaters sei fürJ. nicht die Gefahr einer Beschneidung auszumachen. Zwar seien in dem Stamm, dem der Vater angehöre, Beschneidungen noch üblich. Der Vater und seine Familie lehnten, wie die Mutter bei ihrer Anhörung ausgeführt habe, aber Beschneidungen ab, weshalb in dieser Familie niemand beschnitten sei. Warum J. in einer solchen Familie der Gefahr ausgesetzt sein solle, als Kind fremdbestimmt beschnitten zu werden, sei nicht ersichtlich. Damit vermag die Rechtsbeschwerde der Mutter nicht durchzudringen. Das Beschwerdegericht hat den betreffenden Sachvortrag nicht übergangen , sondern in seine von Amts wegen (§ 12 FGG) zu treffenden Feststel-
lungen einbezogen. Es hat seiner Entscheidung die Umstände der eigenen Beschneidung der Mutter zugrunde gelegt, dem Gesichtspunkt, daß in der Familie des Vaters - entgegen den Gepflogenheiten ihres Stammes - Beschneidungen nicht üblich seien, aber ersichtlich keine Bedeutung beigemessen. Nach den von dem Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen entscheiden nämlich nicht die Eltern oder deren Familien allein über eine Beschneidung, sondern hierzu ist traditionell die Großfamilie mitberufen. Aus dieser Gestaltung ist letztlich auch zu erklären, daß die Großmutter die eigene Tochter nicht vor einer Beschneidung zu bewahren vermochte, obwohl letztere damals erst 13 Jahre alt war und ihr deshalb die Einsichtsfähigkeit und Reife für die von ihr zugunsten einer Beschneidung getroffene Entscheidung fehlte und die Großmutter diese Verstümmelung selbst ablehnt. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die Großmutter könne in einer anderen Situation, nämlich bei Vorliegen anderer Umstände hinsichtlich der Beschneidung der Enkelin, bedingt durch äußere Einflüsse abermals versagen, stellt sich deshalb als vertretbare tatrichterliche Würdigung dar, gegen die aus Rechtsgründen nichts zu erinnern ist. Denn die hohe Beschneidungsquote von 80 - 90 % der weiblichen Bevölkerung Gambias kann, wenn sich die Ablehnung der Genitalverstümmelungen wie von der Rechtsbeschwerde geltend gemacht, durchsetzen ließe, nicht erklärt werden. Von daher ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht von einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Beschneidung des Kindes bei einem Aufenthalt in Gambia ausgegangen ist.
d) Die Rechtsbeschwerde der Mutter wendet sich schließlich gegen die Annahme, dem Kind drohe eine gegenwärtige Gefahr, weil zu besorgen sei, daß die Mutter es im Zusammenhang mit den im Rahmen ihrer Ausbildung abzulegenden Prüfungen entgegen den abgegebenen Erklärungen doch nach Gambia verbringen werde. Sie beruft sich insoweit auf den Vortrag der Mutter,
mit ihrem Arbeitgeber Arbeitszeiten vereinbart zu haben, die eine Betreuung des Kindes erlaubten. Auch das vermag die Entscheidung, soweit sie zum Nachteil der Mutter ergangen ist, nicht in Frage zu stellen. Das Berufungsgericht hat nicht bezweifelt, daß die Mutter in der Lage sein wird, den normalen Alltag mit der Betreuung des Kindes in Einklang zu bringen. Seine Annahme, es sei zu befürchten, daß sich die Einstellung der Mutter unter dem Prüfungsdruck ändere, ist indessen eine von der Lebenserfahrung getragene tatrichterliche Würdigung. Für deren Berechtigung sprechen zudem die Mitteilungen der beiden Pflegefamilien, in denen das Kind sich aufgehalten hat. Danach ist J. nicht oder kaum in der Lage, sich selbst zu beschäftigen , sondern erheischt permanent Aufmerksamkeit. 4. Bei dieser Sachlage ist das Berufungsgericht zu Recht von einer gegenwärtigen , in einem solchen Maße vorhandenen Gefahr ausgegangen, daß sich im weiteren Verlauf eine erhebliche Schädigung des Kindes in Form einer Beschneidung mit hinreichender Sicherheit voraussehen läßt. Denn die Mutter ist, wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, derzeit jedenfalls noch nicht in der Lage, die Gefahr, die ihrem Kind in Gambia droht, realistisch einzuschätzen und dürfte deshalb bei zu erwartenden Betreuungsengpässen nicht davor zurückschrecken, ihr derzeit erklärtermaßen aufgegebenes Vorhaben einer Verbringung des Kindes nach Gambia doch noch in die Tat umzusetzen. Dem ist nach § 1666 Abs. 1 BGB durch die erforderlichen Maßnahmen zu begegnen. Insoweit stellt sich die angeordnete teilweise Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts jedenfalls als einerseits gebotener, andererseits aber auch verhältnismäßiger Eingriff in das Elternrecht dar, um das Kind vor einem irreparablen Schaden seiner psychischen und physischen Unversehrtheit
zu bewahren. Dessen Interesse, seine Verwandten in Gambia zu besuchen, oder das Bedürfnis, der heimatlichen Kultur und Tradition verbunden zu bleiben, müssen dahinter zurücktreten. B. Rechtsbeschwerde des Ortsamtes 1. Das Berufungsgericht hat es abgelehnt, weitere Maßnahmen zum Schutz des Kindes zu treffen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der vollständige Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Unterbringung des Kindes in einer deutschen Pflegefamilie seien unverhältnismäßig. 2. Demgegenüber bringt die Beschwerde des Ortsamtes vor: Der Teilentzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts sei nicht ausreichend, um die Gefahr der Genitalverstümmelung weitgehend zu verhindern. Die angeordnete Pflegschaft könne praktisch nicht verhindern, daß die Mutter oder ein Dritter das Kind über einen Mitgliedsstaat der EU nach Gambia verbringe. Sie könne sich in der jeweiligen gambischen Botschaft einen Ersatzpaß für J. anfertigen lassen, während das Original bei der Amtspflegerin hinterlegt bleibe. Die begründete Besorgnis ergebe sich daraus, daß die Mutter sowohl im Verfahren vor dem Amtsgericht als auch vor dem Oberlandesgericht nicht habe erkennen lassen, daß sie aufgrund eigener Überzeugung ihre Tochter vor einer drohenden Genitalverstümmelung schützen wolle bzw. könne. Diesem Einwand ist ein Erfolg nicht zu versagen. Es erscheint nicht fernliegend, daß die Mutter, von der nach Auffassung des Oberlandesgerichts zu besorgen ist, sie werde im Prüfungsdruck ihr Kind doch noch nach Gambia verbringen, sich über die bisher getroffenen Maßnahmen hinwegsetzt und von dem von der Rechtsbeschwerde aufgezeigten Weg Gebrauch macht. Ziel der Maßnahmen nach § 1666 BGB muß aber die effekti-
ve Gefahrenabwehr für das Kind sein. Zwar steht jeder Eingriff in das Elternrecht unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere ist eine Trennung des Kindes von seinen Eltern nur dann zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, insbesondere durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann (§ 1666 a Abs. 1 Satz 1 BGB). Damit, daß das Berufungsgericht als weitergehende Maßnahmen von vornherein aber nur die vollständige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts in Verbindung mit der Unterbringung in einer Pflegefamilie erwogen hat, hat es sich den Blick dafür verstellt, die Geeignetheit anderer, weniger gravierender Maßnahmen in seine Beurteilung einzubeziehen und in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt auch die Möglichkeit öffentlicher Hilfen, etwa im Sinne einer beaufsichtigenden Pflegschaft , zu prüfen, um auf diesem Weg einen auch tatsächlich wirkungsvollen Schutz des Kindes zu gewährleisten. 3. Da das Oberlandesgericht somit von seinem Auswahlermessen (vgl. hierzu Staudinger/Coester aaO § 1666 Rdn. 177) keinen fehlerfreien Gebrauch gemacht hat, kann die Entscheidung im Umfang der Anfechtung durch das Ortsamt keinen Bestand haben. Der Beschluß ist insoweit aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit es die unterlassene Prüfung, welche weitergehenden Maßnahmen zu ergreifen sind, in tatrichterlicher Verantwortung nachholen kann. Im weiteren Verfahren wird das Ortsamt
auch Gelegenheit haben, das Begehren zu wiederholen, der Mutter möge aufgegeben werden, das Kind regelmäßig einem Kinderarzt vorzustellen (vgl. zu entsprechenden Auflagen etwa Children's Protection Act 1993 - South Australia

).


Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.

(2) Die Maßnahme kann einen bestehenden Zustand sichern oder vorläufig regeln. Einem Beteiligten kann eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Verfügung über einen Gegenstand untersagt werden. Das Gericht kann mit der einstweiligen Anordnung auch die zu ihrer Durchführung erforderlichen Anordnungen treffen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

Auf die Beschwerde der Kindeseltern wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 20. Januar 2014 aufgehoben.

Von der Erhebung von Gerichtskosten für den ersten Rechtszug und das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtlichen Kosten für den ersten Rechtszug und das Beschwerdeverfahren werden zwischen den Beteiligten nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Die Kindeseltern wenden sich mit ihrer Beschwerde jeweils gegen den Entzug ihres Aufenthaltsbestimmungsrechts im einstweiligen Anordnungsverfahren für das gemeinsame Kind A., geb. am 16. Oktober 2005.

2

Der am 30. September 1961 geborene Kindesvater und die am 1. April 1973 geborene Kindesmutter führen eine langjährige Beziehung. Ihnen steht die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind A. gemeinsam zu.

3

Der Kindesvater arbeitet vormittags stundenweise als Gebäudereiniger. Die Kindesmutter ist derzeit arbeitssuchend. Es wird vom Arbeitsamt derzeit überprüft, ob und wenn ja, in welchem Umfang sie noch arbeitsfähig ist. Die Familie erhält ergänzende Leistungen nach dem SGB II. Sie lebt in einer 3-Zimmer-Wohnung in Kiel - Wellsee.

4

Sowohl die Kindesmutter wie auch der Kindesvater haben in der Vergangenheit Drogen- und Alkoholmissbrauch betrieben. Die Kindesmutter wird derzeit in der Praxis L. substituiert. Die Kindesmutter hatte ihre letzte Entgiftung im Zeitraum 21. Januar 2014 bis zum 6. Februar 2014.

5

Das Kind A. besucht derzeit die Grundschule in K. . Die Kindeseltern haben noch einen zweiten Sohn namens S., geb. am 11. September 2009, der nach der Geburt zunächst bei der Großmutter mütterlicherseits und seit Mai 2010 bei der Schwester der Mutter im Rahmen einer Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII betreut wird.

6

Zur Vorgeschichte ist weiter Folgendes auszuführen:

7

Am 8. Oktober 2010 gab es bei den Kindeseltern einen polizeilichen Einsatz aufgrund einer Meldung aus der Nachbarschaft. Eine Nachbarin meldete sich bei der Polizei und berichtete, dass die Kindesmutter mit A. draußen gewesen sei und einen so betrunkenen Eindruck mache, dass sie das Kind nicht altersangemessen betreuen könne. Die Eltern konnten von der Polizei anschließend zu Hause angetroffen werden. Durchgeführte Atemalkoholkontrollen ergaben bei der Kindesmutter einen Wert von 0,75 Promille; bei dem Kindesvater einen Wert von über 1 Promille. Im September/Oktober 2010 wurden aufgrund der eingehenden Meldungen dann vermehrt Gespräche mit den Kindeseltern von Seiten des Jugendamtes geführt. Die Kindesmutter wirkte bei den Gesprächen, die meist nachmittags stattfanden, auffallend müde, unkoordiniert in ihren Bewegungsabläufen. Auch von Seiten der Kindertagesstätte wurde auf einen stark verschlechterten Zustand des Kindes hingewiesen. So erschien das Kind zum damaligen Zeitpunkt stark verängstigt und auffällig. Weiterhin wirkte es verwahrlost.

8

Am 26. November 2010 wurde das Kind vom Jugendamt in Obhut genommen. Es erging ein Beschluss im einstweiligen Anordnungsverfahren, nach dem den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen wurde. Am 29. Februar 2011 wurde das Kind in die Familie zurückgeführt. Der Familie wurde zur Unterstützung Hilfe zur Erziehung in Form einer intensiven sozialpädagogischen Familienhilfe bewilligt. Die Kindesmutter wurde daraufhin im Laufe eines halben Jahres mehrfach rückfällig bezüglich des Alkoholmissbrauchs. Ein Entgiftungsversuch führte nur kurz zum Erfolg.

9

Im September 2011 lebte das Kind A. zwei Tage bei seiner Tante und danach bei einer befreundeten Familie, da der Kindesvater ins Krankenhaus musste und die Kindesmutter eine erneute Entgiftung und Therapie machte. Am 1. März 2012 kehrte A. in den elterlichen Haushalt zurück. Bis Mitte September 2012 wurde die Familie für zwei Stunden in der Woche von einer sozialpädagogischen Familienhilfe betreut. Im Rahmen dieser Hilfe stabilisierte sich die Situation zunächst, so dass die Familienhilfe beendet werden konnte.

10

Am 17. Oktober 2013 kam es erneut zu einer Gefährdungsmeldung, in welcher von einem starken Alkoholkonsum beider Eltern, der Verwahrlosung von A. und häuslicher Gewalt berichtet wurde. Ende August 2013 gab es dann einen Polizeieinsatz in K., bei dem die Kindesmutter betrunken und bewusstlos auf der Straße aufgefunden und in die Ausnüchterungszelle gebracht wurde. Bei dem am gleichen Tage vorgenommenen Hausbesuch fanden die Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes der ….Stadt K. eine verwahrloste Wohnsituation vor.

11

Am 12. November 2013 kam es zu massiven Streitigkeiten zwischen den Kindeseltern, so dass das Kind Hilfe wollte. Am 29. November 2013 gab es eine Meldung der Grundschule in W., dass das Kind A. einen verwahrlosten Eindruck mache. Es käme bezogen auf das Wetter mit unangemessener und Kleidung und rieche extrem stark.

12

Zur Ergänzung nimmt der Senat auf den ausführlichen Jugendamtsbericht vom 2. Januar 2014 Bezug.

13

Aufgrund einer Gefährdungsmeldung des Jugendamtes hat das Amtsgericht - Familiengericht - Kiel durch Beschluss vom 20. Januar 2014 den Kindeseltern im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und auf das Amt für Familie und Soziales der Landeshauptstadt K. als Ergänzungspfleger übertragen. In der Begründung hat das Familiengericht ausgeführt, dass die Anordnung erforderlich sei, um dem Jugendamt die Möglichkeit zu geben, kurzfristig einzugreifen, sobald es wieder zu einer erneuten Krise in der Familie komme.

14

Das Kind verblieb auch nach dem Erlass des Beschlusses durch das Familiengericht in der Obhut der Eltern. Das Familiengericht hat das Kind A. vor seiner Entscheidung nicht persönlich angehört.

15

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Kindeseltern jeweils mit ihrer Beschwerde.

16

Sie sind der Auffassung, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht eingehalten worden sei. Insbesondere bestehe keine akute Gefahr, so dass der Beschluss des Familiengerichts lediglich ein Vorratsbeschluss sei. Im Übrigen seien sie bereit und willens eine Sozialpädagogische Familienhilfe in Anspruch zu nehmen.

17

Die Kindeseltern beantragen jeweils,

18

den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 20. Januar 2014 aufzuheben.

19

Die übrigen Verfahrensbeteiligten haben keine förmlichen Anträge gestellt.

20

Im Termin vor dem Senat hat der Vertreter des Jugendamtes erklärt, dass eine akute Gefährdung derzeit nicht vorläge. Die Situation habe sich verbessert. Insbesondere erfolge eine Zusammenarbeit mit der Sozialpädagogischen Familienhilfe. Angebotene Termine würden die Kindeseltern wahrnehmen. Derzeit würden von Seiten des Jugendamtes die Voraussetzungen einer Inobhutnahme nicht gesehen. Die Verfahrensbeiständin hat ergänzend ausgeführt, dass sowohl in der Schule wie auch im Hort alle Beteiligten auf Anzeichen für eine drohende Kindeswohlgefährdung achten würden und untereinander in Verbindung stehen würden.

21

Der Senat hat das Kind A. am 1. April 2014 persönlich im Beisein der Verfahrensbeiständin angehört. Weiterhin wurden die Kindeseltern persönlich, der Vertreter des Jugendamtes und die Verfahrensbeiständin im Termin persönlich angehört.

22

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Akteninhalt verwiesen.

II.

23

Die gemäß §§ 57 Satz 2 Nr. 1, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 FamFG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde der Kindeseltern hat in der Sache Erfolg.

24

Die einstweilige Anordnung, mit der den Kindeseltern vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind A. entzogen und auf das Amt für Familie und Soziales der Landeshauptstadt K. als Ergänzungspfleger übertragen worden ist, ist sachlich nicht gerechtfertigt.

1.

25

Zunächst hat das Familiengericht es verfahrensfehlerhaft unterlassen, gemäß § 159 Abs. 2 FamFG das Kind A. persönlich anzuhören.

26

Nach § 159 Abs. 2 FamFG ist das Familiengericht verpflichtet, das Kind persönlich, also mündlich, anzuhören, wenn die Neigungen, Bindung oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind. Dies ist in der Regel der Fall bei Verfahren gemäß §§ 1666, 1666 a BGB (Keidel/Engelhard, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 159 Rn. 8). Diese Verpflichtung zur Anhörung gilt auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung (MüKo/Schumann, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 159 Rn. 3). Dafür spricht insbesondere die Regelung des § 159 Abs. 3 S. 2 FamFG, nach der bei der typischerweise im Rahmen von einstweiligen Anordnungsverfahren vorliegenden Gefahr im Verzug, die Anhörung unverzüglich nachzuholen ist. In diesem Zusammenhang ist eine persönliche Anhörung auch bei kleineren Kindern, etwa ab einem Alter von drei Jahren, erforderlich (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 1622; OLG Hamm FamRZ 2011, 55).

27

Nach § 159 Abs. 3 Satz 1 FamFG darf das Gericht nur aus schwerwiegenden Gründen von der nach § 159 Abs. 1 oder Abs. 2 FamFG grundsätzlich gebotenen Anhörung absehen. Solche schwerwiegenden Gründe sind hier weder vom Familiengericht dargelegt noch für den Senat ersichtlich.

28

Der Senat hat im Beschwerdeverfahren die persönliche Anhörung des Kindes A. nachgeholt.

2.

29

In der Sache liegen die Voraussetzungen für einen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts gemäß §§ 1666, 1666 a BGB im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 49 FamFG nicht vor.

30

Ein Eingriff in die Personensorge setzt nach §§ 1666, 1666 a BGB das Vorliegen einer erwiesenen Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Kindeswohls voraus und den Umstand, dass die Eltern nicht bereit oder nicht in der Lage sind, diese Gefahr von dem Kind abzuwenden. Eine solche Kindeswohlgefährdung liegt dann vor, wenn eine gegenwärtig in einem solchen Maß vorhandene Gefahr besteht, dass sich bei seiner weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (Palandt/Götz, BGB, 73. Auflage 2014, § 1666 Rn. 8).

31

Einstweilige Anordnungen können gemäß § 49 FamFG ergehen, wenn sie nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges gerichtliches Einschreiten besteht. An den Entzug des Sorgerechts im Wege der einstweiligen Anordnung sind angesichts der Regelungen der §§ 1666, 1666 a BGB vor dem Hintergrund des Elternrechts aus Art. 6 GG hohe Anforderungen zu stellen. Je einschneidender eine Maßnahme ist, umso höher sind die Anforderungen an das Bedürfnis einer Regelung im Wege der einstweiligen Anordnung (BayOblG FamRZ 1997, 387).

32

Für die leiblichen Eltern ist die Trennung von ihrem Kind der stärkste vorstellbare Eingriff in ihr Elternrecht, der nur bei strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit dem Grundgesetz vereinbar ist (BVerfG, Beschluss vom 24.3.2014 - Az. 1 BvR 160/14 -, juris; BVerfG FamRZ 2002, 1021).

33

Eine solche vorläufige Maßnahme kommt nur dann in Betracht, wenn sie zum Wohle der Kinder unumgänglich und die Sache derart eilbedürftig ist, dass sie bereits im Wege der vorläufigen Anordnung getroffen werden muss (vgl. OLG Jena FamRZ 2006, 280). Dies kommt regelmäßig bei unmittelbaren Gefahren für das körperliche oder seelische Wohl der Kinder wie z. B. Verwahrlosung, Missbrauch, Kindesmisshandlung in Betracht, denen durch sofortige Maßnahmen begegnet werden muss, (Kammergericht, FamRZ 2010, 1749 Rn. 5; OLG Jena FamRZ 2006, 280). Im Ergebnis kommt ein Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Wege der einstweiligen Anordnung nur bei akuten und unmittelbar bestehenden bzw. bevorstehenden erheblichen Gefährdungen des Kindeswohls in Betracht, bei denen ein Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden kann (vgl. BVerfG ZKJ 2011, 133; EGMR FamRZ 2005, 585).

34

Daraus folgt auch, dass sogenannte „Vorratsbeschlüsse“ rechtlich nicht statthaft sind. Denn insoweit fehlt es an einer akuten und unmittelbaren Gefährdung des Kindes, welche ein sofortiges Handeln notwendig macht. Ebenso reicht für den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts keine latente Kindeswohlgefährdung aus, da dieser regelmäßig durch ein entsprechendes Hauptsacheverfahren entgegengewirkt werden kann.

3.

35

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für einen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Wege der einstweiligen Anordnung nicht vor.

36

Dagegen spricht schon die Begründung des Familiengerichts, nach der die einstweilige Anordnung dazu dienen soll, um für den Fall weiterer krisenhafter Zuspitzungen ein sofortiges Eingreifen des Jugendamtes möglich zu machen. Daraus folgt, dass das Familiengericht selbst nicht von einer akuten und unmittelbaren Gefährdung des Kindes ausgegangen ist.

37

Weiter dagegen spricht, dass das Kind nach der fachlichen Einschätzung des Jugendamtes zunächst weiter in der Obhut der Kindeseltern belassen werden konnte. Wenn und soweit das Kind mangels akuter und konkreter Gefährdung nach dem Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts im einstweiligen Anordnungsverfahren weiter in der Obhut der Kindeseltern verbleibt, spricht dies regelmäßig dafür, dass für eine solche Eilmaßnahme i.S.d. § 49 FamFG kein dringendes Bedürfnis bestand.

38

Im Übrigen verstieße eine solche einstweilige Anordnung auch gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, da sie nicht geeignet wäre, um eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Denn eine Entziehung und Übertragung des Sorgerechts für ein Kind ist grundsätzlich nur dann anzuordnen, wenn der Ergänzungspfleger mithilfe des übertragenen Sorgerechts konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation des Kindes einleiten, d.h. den als gefährlich definierten Zustand beenden oder wenigstens zu seiner Beendigung beitragen kann (BVerfG, Beschluss vom 17.03.2014 - 1 BvR 2695/13 -, juris; BGH NJW - RR 1986, 1264 Rn. 17ff). Bei der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist diese konkrete Maßnahme regelmäßig eine Ortsveränderung des Kindes, um dadurch eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Dies war und ist allerdings weder vom Ergänzungspfleger beabsichtigt, noch Zielrichtung des familiengerichtlichen Beschlusses gewesen.

39

Zwar geht der Senat davon aus, dass ein massiver Alkohol- und Drogenmissbrauch durch die Kindeseltern eine latente Gefährdung für das Kindeswohl darstellt (vgl. Berzewski, Suchterkrankungen, FPR 2003, 312 ff.). Wie schwerwiegend diese Gefährdung ist und ob ihr nicht ggf. durch mildere Maßnahmen entgegengewirkt werden kann, bedarf einer Aufklärung im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens.

40

Auch aus den im Beschwerdeverfahren zur Verfügung stehenden aktuellen Erkenntnissen ergibt sich keine akute und unmittelbare Gefährdung des Kindeswohls.

41

Nach übereinstimmenden Berichten des Jugendamtes und der Verfahrensbeiständin hat sich die Situation im Haushalt der Kindeseltern gebessert. Insbesondere ist die Wohnung nicht mehr verwahrlost und es kommt derzeit nicht zu massivem Alkoholmissbrauch. Auch arbeiten die Kindeseltern im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit der Sozialpädagogischen Familienhilfe zusammen. Der regelmäßige Schulbesuch des Kindes ist gewährleistet und es kann durch die Pädagogen in der Schule und die zuständigen Mitarbeiter im Hort unmittelbar auf eine krisenhafte Zuspitzung reagiert werden.

4.

42

Im Übrigen bedürfte es keiner vorsorglichen Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, damit das Jugendamt tätig werden kann.

43

Insbesondere hat das Jugendamt nach § 42 SGB VIII die Befugnis und die Verpflichtung, bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen das Kind vorläufig in Obhut zu nehmen. Selbst bei einem Widerspruch der Personensorgeberechtigten ist eine Inobhutnahme solange möglich, wie die notwendige familiengerichtliche Entscheidung nicht eingeholt werden kann. Das Jugendamt ist nach § 42 SGB VIII bei Vorliegen der Voraussetzungen berechtigt und verpflichtet, das Kind vorläufig unterzubringen (MüKo/Tillmanns, BGB 6. Aufl. 2012, § 42 SGB VIII Rn. 7). Eine insoweit notwendige familiengerichtliche Entscheidung kann dann unverzüglich nachgeholt werden.

5.

44

Von der Anordnung von Auflagen gemäß § 1666 Abs. 3 BGB hat der Senat abgesehen, da die Kindeseltern im Anhörungstermin glaubhaft ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Sozialpädagogischen Familienhilfe erklärt haben und nach Aussagen des Jugendamtes dies derzeit auch der Fall ist. Allerdings weist der Senat die Kindeseltern darauf hin, dass sie weiter im Interesse des Kindes alle angebotenen Hilfsmaßnahmen wahrnehmen sollten, um eine erneute krisenhafte Zuspitzung der Situation zu vermeiden.

45

Die Kostenentscheidung folgt aus § 20 FamGKG i.V.m. § 81 FamFG.

46

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst, § 70 Abs. 4 FamFG.


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 166/03
vom
15. Dezember 2004
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 1666; MSA Artt. 3, 8
Die Gefahr, daß bei einem Mädchen gambischer Staatsangehörigkeit während eines
Aufenthalts in Gambia eine Beschneidung vorgenommen wird, rechtfertigt es, der
Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht gem. § 1666 Abs. 1 BGB insoweit zu entziehen
, als es um die Entscheidung geht, ob das Kind nach Gambia verbracht wird.
Ob diese Maßnahme allein ausreicht, um einen effektiven Schutz des Kindes zu gewährleisten
, hat der Tatrichter im Rahmen seines Auswahlermessens zu entscheiden.
BGH, Beschluß vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 - OLG Dresden
AG Dresden
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2004 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des 20. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Juli 2003 wird zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 wird der vorgenannte Beschluß bezüglich der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten und insoweit aufgehoben, als in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Dresden vom 8. Mai 2003 die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind abgelehnt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerden ergeht gerichtsgebührenfrei. Beschwerdewert: 3.000 €.

Gründe:

I.

Die am 2. Juli 1998 geborene J. T. ist die Tochter der weiteren Beteiligten zu 1. Sie besitzt, ebenso wie ihre nicht mit einander verheirateten Eltern, die gambische Staatsangehörigkeit. Der Vater lebt in Gambia. Die Mutter heiratete am 24. November 2000 in Gambia einen deutschen Staatsangehörigen und folgte ihm zusammen mit ihrer Tochter im März 2001 nach Deutschland. Da die Mutter hier eine Ausbildung zur Altenpflegerin absolviert und sich deshalb gehindert sah, das Kind zu betreuen, beabsichtigte sie, dieses am 8. Januar 2003 durch ihren Ehemann und dessen Vater nach Gambia verbringen zu lassen. J. sollte in Gambia von der Familie der Mutter betreut werden und eine Vorschule besuchen. Das Jugendamt Dresden (weiterer Beteiligter zu 3), das über die bevorstehende Reise informiert worden war, veranlaßte am 6. Januar 2003 die Inobhutnahme des Kindes gemäß § 42 SGB VIII, weil es befürchtete, diesem drohe bei einem Aufenthalt in Gambia die Beschneidung. Auf Antrag des Jugendamtes entzog das Amtsgericht der Mutter zunächst vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitssorge und bestellte insoweit das Jugendamt zum Pfleger. Mit Beschluß vom 8. Mai 2003 hat das Amtsgericht auch in der Hauptsache entsprechend der vorläufigen Anordnung entschieden. Hiergegen hat die Mutter befristete Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hat eine "mündliche Verhandlung" durchgeführt und anschließend eine vorläufige Anordnung erlassen, nach der das Kind der Mutter unverzüglich herauszugeben ist, dieser aber untersagt wird, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit dem Kind zu verlassen oder zu gestatten, daß ihre Tochter mit
Dritten das Land verläßt. Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht den angefochtenen Beschluß teilweise abgeändert und dieser das Aufenthaltsbestimmungsrecht nur insoweit entzogen, als es um die Entscheidung geht, ob das Kind - zu Urlaubszwecken oder für einen längeren Aufenthalt - nach Gambia verbracht wird. Insoweit hat es Pflegschaft angeordnet und den weiteren Beteiligten zu 3) als Pfleger eingesetzt. Hiergegen richten sich die - zugelassenen - Rechtsbeschwerden der Mutter und der Landeshauptstadt Dresden - Ortsamt Plauen - (weiterer Beteiligter zu 2, im folgenden: Ortsamt). Die Mutter erstrebt die vollständige Abweisung des Antrags, während das Ortsamt die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts insgesamt erreichen möchte.

II.

Die Rechtsbeschwerde der Mutter ist unbegründet. Auf die Rechtsbeschwerde des Ortsamtes ist der Beschluß im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Sache insoweit an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. A. Rechtsbeschwerde der Mutter 1. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2003, 1862 ff. veröffentlicht ist, hat seine internationale Zuständigkeit sowie die Anwendbarkeit deutschen Rechts ohne weitere Ausführungen bejaht. Das begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Die - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte richtet sich nach den Vorschriften des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom
5. Oktober 1961 (BGBl. 1971 II 217; im folgenden: MSA). Nach Art. 1 MSA sind die Gerichte des Staates, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorbehaltlich der Artt. 3, 4 und 5 Abs. 3 MSA dafür zuständig, Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen zu treffen. Nach Art. 13 Abs. 1 MSA ist das Übereinkommen auf alle Minderjährigen anzuwenden, die - wie hier das Kind J. - ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Vertragsstaaten haben, ohne daß der Minderjährige die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates besitzen müßte (Staudinger/Kropholler BGB, 13. Bearb. - 1994 - Vorbemerkung zu Art. 19 EGBGB Rdn. 525 m.w.N.). Einen einschränkenden Vorbehalt gegenüber Angehörigen von Nichtvertragsstaaten nach Art. 13 Abs. 3 MSA hat die Bundesrepublik Deutschland nicht erklärt. Hinsichtlich der von den inländischen Gerichten zu treffenden Schutzmaßnahmen, zu denen die im Streit stehende Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1666 BGB gehört (Staudinger/Kropholler aaO Rdn. 217), ist gemäß Art. 2 MSA innerstaatliches, hier also deutsches Recht anzuwenden. Gemäß Art. 3 MSA ist allerdings ein nach dem Recht des Heimatstaates des Kindes kraft Gesetzes bestehendes Gewaltverhältnis anzuerkennen. Ein Eingriff in ein solches Gewaltverhältnis liegt vor, wenn das ausländische Heimatrecht des Minderjährigen eine derartige Maßnahme nicht zuläßt (Palandt /Heldrich BGB 63. Aufl. Anh. zu Art. 24 EGBGB Rdn. 25). Dies macht die Rechtsbeschwerde der Mutter in bezug auf das gambische Recht geltend, ohne ihren Einwand zu konkretisieren. Dessen Richtigkeit entzieht sich infolgedessen einer Beurteilung. Feststellungen zu dem gambischen Recht hat das OLG nicht getroffen. Die Frage, ob der Einwand gerechtfertigt ist, bedarf indessen keiner Entscheidung. Ein eventuell bestehendes Gewaltverhältnis schließt es nämlich nach Art. 8 MSA nicht aus, daß die Behörden des Aufenthaltsstaates, also auch die deutschen Gerichte, Maßnahmen zum Schutz des Minderjährigen treffen, soweit er in seiner Person oder seinem Vermögen ernstlich gefährdet ist. Mit
solchen Schutzmaßnahmen kann deshalb auch in ein grundsätzlich anzuerkennendes Gewaltverhältnis eingegriffen werden. In den Fällen, in denen nach den §§ 1666 ff. BGB Maßnahmen zu treffen sind, ist in der Regel auch das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 8 MSA anzunehmen (BGHZ 60, 68, 73 f.). 2. In der Sache hat das Beschwerdegericht ein Eingreifen nach § 1666 BGB für erforderlich gehalten. Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Durchführung der Beschneidung von Mädchen stelle eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls dar. Es handele sich um Genitalverstümmelungen, in denen eine schwere Menschenrechtsverletzung zu sehen sei und die in ihrer Intensität den gravierendsten Erscheinungsformen asylerheblicher Verfolgungsmaßnahmen , wie der Folter, nicht nachstehe. Die Gefahr, als Mädchen in Gambia beschnitten zu werden, sei groß. Gambia sei der UN-Kinderrechtskonvention nicht beigetreten. Aus den vom Jugendamt vorgelegten Unterlagen gehe hervor, daß nach Auskunft lokal tätiger Nichtregierungsorganisationen in Gambia fast alle ethnischen Gruppen Genitalverstümmelungen praktizierten und zwischen 80 bis 90 % der weiblichen Bevölkerung beschnitten seien. Die Beschneidung könne Mädchen jeden Alters drohen, einer Dreijährigen ebenso wie einer 16-jährigen. Auch die Mutter habe bei ihrer Anhörung bestätigt, daß es keine Altersgrenze gebe, von der an ein Kind selbst entscheiden könne, ob es beschnitten werde oder nicht. Die traditionell begründete Beschneidung drohe dem Kind deshalb, sobald es sich in Gambia aufhalte. Insofern bestehe auch eine gegenwärtige, begründete Besorgnis der Schädigung. Die Mutter sei derzeit nicht in der Lage, ihre Tochter vor einer solchen Körperverletzung ausreichend zu schützen. Soweit sie bei ihrer Anhörung erklärt habe, sie wünsche nicht, daß ihrem Kind eine Beschneidung widerfahre, sei diese ablehnende Äußerung unter dem Druck des vorliegenden Verfahrens zustande gekommen und beruhe (noch) nicht auf eigener Erkenntnis. Denn die mehrfach geäußerte Auffassung , das Kind könne mit 14 Jahren selbst entscheiden, ob es beschnitten
werde, mache deutlich, daß die Mutter die Genitalverstümmelung nicht in dem erforderlichen Maße als bedrohliche Gefahr für ihre Tochter erkannt habe. Angesichts der Brutalität des Eingriffs und der möglichen physischen und psychischen Folgen hätte andererseits eine klare Ablehnung der Beschneidung in bezug auf ihr Kind erfolgen müssen. Die eigene Erfahrung der - ihrerseits beschnittenen - Mutter belege, daß selbst ein 13 Jahre altes Mädchen durch gezielte unrichtige Informationen dazu gebracht werden könne, sich die grausame Verstümmelung sogar selbst zu wünschen. Wenn die Mutter gleichwohl daran festhalte, die Entscheidung über die Beschneidung dem Kinde selbst zu überlassen , habe sie den Fehler ihrer eigenen Mutter wiederholt und damit gezeigt, daß sie nicht fähig sei, die Gefahr von ihrem Kind abzuwenden. Dies sei indessen umsomehr notwendig, als nach den zu den Akten gelangten Informationen traditionell die Großfamilie mitentscheide, ob eine Beschneidung durchgeführt werde. Da die Mutter gleichwohl geplant habe, daß das Kind während der Dauer ihrer Ausbildung in Gambia leben solle und es damit der Gefahr einer Genitalverstümmelung (schutzlos) ausgeliefert hätte, müsse ihr Verhalten als unverschuldetes Versagen, aber auch als Form von Vernachlässigung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB angesehen werden. Richtig verstandenes elterliches Sorgerecht hätte von ihr nicht passives Verhalten, sondern aktives Tun verlangt. Die Gefährdung sei auch gegenwärtig. Die Mutter habe zwar erklärt, daß ihre Tochter sich nicht mehr ohne ihre Begleitung in Gambia aufhalten solle. Es sei jedoch zu besorgen, daß sie an diesem Entschluß nicht festhalte, sondern das Kind doch zu ihrer Familie nach Gambia bringe, wenn sie sich wegen der auf sie zukommenden Prüfungen zur Altenpflegerin außerstande sehe, neben ihrer Arbeit zu lernen und ihre Tochter ausreichend zu betreuen. Diese Gefahr werde durch die Bekanntschaft mit in der Nähe ihrer Wohnung lebenden gambischen Familien nicht aufgehoben. Die danach vorzunehmende Abwägung zwischen dem Elternrecht der Mutter einerseits und dem Recht des Kindes auf Schutz
seiner Menschenwürde und seiner körperlichen Unversehrtheit andererseits führe zu der Notwendigkeit der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts insoweit, als es um Reisen des Kindes nach Gambia oder um Aufenthalte dort gehe. Angesichts des Ausmaßes der drohenden Gefahr müsse auch das Recht des Kindes, seine Verwandtschaft in seinem Heimatstaat zu besuchen, zurücktreten. Auf andere Weise könne ein hinreichend sicherer Schutz nicht gewährleistet werden. Auch der Respekt vor einer anderen Kultur rechtfertige keine abweichende Entscheidung. Die mit der Ausländereigenschaft von Mutter und Kind verbundenen Vorstellungen von Kultur, Tradition, Religion und Erziehung, denen grundsätzlich Bedeutung beizumessen sei, müßten zurücktreten, wenn die drohende Schädigung entsprechend der ordre-public-Klausel des Art. 6 EGBGB unter keinem Gesichtspunkt zu tolerieren sei. 3. Diese Ausführungen halten der im Verfahren der Rechtsbeschwerde allein möglichen rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche , geistige oder seelische Wohl eines Kindes durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Versagen eines Dritten gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden , die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Als derartige Maßnahme kommt insbesondere auch die Entziehung des Rechts zur Aufenthaltsbestimmung als Teil des Personensorgerechts (§§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB) in Betracht. Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, daß sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen läßt (BGH Beschluß vom 14. Juli 1956 - IV ZB 32/56 - FamRZ 1956, 350,
351; BayObLG DAVorm 1981, 897, 898 f.; Staudinger/Coester BGB 13. Bearb. - 2004 - § 1666 Rdn. 79; MünchKomm/Olzen 4. Aufl. § 1666 Rdn. 49).
b) Daß die Beschneidung eines Mädchens als eine das Kindeswohl in ganz erheblicher Weise beeinträchtigende Behandlung zu beurteilen ist, hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der Genitalverstümmelung um einen schweren Eingriff, der bleibende physische und psychische Schäden zur Folge hat. Dies gilt auch dann, wenn der Eingriff nicht - wie zumeist - unter unhaltbaren hygienischen Bedingungen, ohne Betäubung und mit grausamen Hilfsmitteln, wie Glasscherben oder Rasierklingen als Schneidewerkzeug, durchgeführt wird, sondern selbst wenn er nach allen Regeln ärztlichen Könnens erfolgt. Es bleibt ein radikaler Eingriff in die körperliche Integrität und psychische Befindlichkeit der Frau. Dabei verbietet sich eine Unterscheidung nach der Art der Verstümmelung (Klitorisbeschneidung , Excision oder Infibulation), denn in allen Fällen liegt eine grausame, folgenschwere und durch nichts zu rechtfertigende Mißhandlung vor (vgl. Bumke NVwZ 2002, 423, 426 m.w.N., sowie Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Beschneidung von Mädchen und Frauen BT-Drucks. 13/10682 S. 3 ff.). Auch die Rechtsbeschwerde der Mutter erhebt gegen die Beurteilung der Beschneidung durch das Berufungsgericht keine Einwendungen.
c) Sie rügt aber, das Beschwerdegericht habe eine hieraus resultierende gegenwärtige Gefahr für das Kind zu Unrecht bejaht. Es habe nicht berücksichtigt , daß die Mutter ihrem Vorbringen zufolge nicht gegen ihren Willen oder auf Druck ihrer Eltern, eines Elternteils oder naher Verwandter beschnitten worden sei, sondern aufgrund eigener Entscheidung, und zwar nach von dritter Seite erhaltener, heute als falsch und irreführend erkannter Informationen. In den Vorgang sei sie aber nicht als Kleinkind, sondern als Mädchen, das die Pubertät
durchlaufen habe, involviert gewesen. Daraus folge, daß niemand aus der Familie der Mutter Anstalten getroffen habe, sie als Kind oder ohne ihre Einwilligung als herangereiftes Mädchen beschneiden zu lassen, auch nicht ihr eigener Vater, in dessen Stamm noch Beschneidungen vorgenommen würden und der dieses Ritual befürwortet habe. Auf diesen sei ohnehin nicht abzustellen, da die Großmutter sich vor 20 Jahren von ihm habe scheiden lassen und inzwischen wieder verheiratet sei. J. habe aber bei der Großmutter und nicht bei ihrem leiblichen Großvater leben sollen. Daneben habe sie, als sie noch in Gambia gelebt habe, engen Kontakt zu ihrem leiblichen Vater und dessen Familie unterhalten , die nicht weit von der Großmutter entfernt lebten. Die Großmutter sei nicht beschnitten und lehne diesen Brauch ab. Sie habe auch ihrer Tochter verboten , sich dem Ritual zu unterziehen. Deshalb sei kein Anhaltspunkt dafür auszumachen, daß das Kind während eines Aufenthalts bei der Großmutter der Gefahr ausgesetzt wäre, diese könne eine Beschneidung veranlassen oder zulassen. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, daß die Großmutter das Mädchen nicht vor Übergriffen Dritter schützen könne, denn sie habe ihre Tochter bis zu deren eigener Entscheidung vor einer zwangsweisen Beschneidung bewahrt. Auch von der Seite der Familie des leiblichen Vaters sei fürJ. nicht die Gefahr einer Beschneidung auszumachen. Zwar seien in dem Stamm, dem der Vater angehöre, Beschneidungen noch üblich. Der Vater und seine Familie lehnten, wie die Mutter bei ihrer Anhörung ausgeführt habe, aber Beschneidungen ab, weshalb in dieser Familie niemand beschnitten sei. Warum J. in einer solchen Familie der Gefahr ausgesetzt sein solle, als Kind fremdbestimmt beschnitten zu werden, sei nicht ersichtlich. Damit vermag die Rechtsbeschwerde der Mutter nicht durchzudringen. Das Beschwerdegericht hat den betreffenden Sachvortrag nicht übergangen , sondern in seine von Amts wegen (§ 12 FGG) zu treffenden Feststel-
lungen einbezogen. Es hat seiner Entscheidung die Umstände der eigenen Beschneidung der Mutter zugrunde gelegt, dem Gesichtspunkt, daß in der Familie des Vaters - entgegen den Gepflogenheiten ihres Stammes - Beschneidungen nicht üblich seien, aber ersichtlich keine Bedeutung beigemessen. Nach den von dem Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen entscheiden nämlich nicht die Eltern oder deren Familien allein über eine Beschneidung, sondern hierzu ist traditionell die Großfamilie mitberufen. Aus dieser Gestaltung ist letztlich auch zu erklären, daß die Großmutter die eigene Tochter nicht vor einer Beschneidung zu bewahren vermochte, obwohl letztere damals erst 13 Jahre alt war und ihr deshalb die Einsichtsfähigkeit und Reife für die von ihr zugunsten einer Beschneidung getroffene Entscheidung fehlte und die Großmutter diese Verstümmelung selbst ablehnt. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die Großmutter könne in einer anderen Situation, nämlich bei Vorliegen anderer Umstände hinsichtlich der Beschneidung der Enkelin, bedingt durch äußere Einflüsse abermals versagen, stellt sich deshalb als vertretbare tatrichterliche Würdigung dar, gegen die aus Rechtsgründen nichts zu erinnern ist. Denn die hohe Beschneidungsquote von 80 - 90 % der weiblichen Bevölkerung Gambias kann, wenn sich die Ablehnung der Genitalverstümmelungen wie von der Rechtsbeschwerde geltend gemacht, durchsetzen ließe, nicht erklärt werden. Von daher ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht von einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Beschneidung des Kindes bei einem Aufenthalt in Gambia ausgegangen ist.
d) Die Rechtsbeschwerde der Mutter wendet sich schließlich gegen die Annahme, dem Kind drohe eine gegenwärtige Gefahr, weil zu besorgen sei, daß die Mutter es im Zusammenhang mit den im Rahmen ihrer Ausbildung abzulegenden Prüfungen entgegen den abgegebenen Erklärungen doch nach Gambia verbringen werde. Sie beruft sich insoweit auf den Vortrag der Mutter,
mit ihrem Arbeitgeber Arbeitszeiten vereinbart zu haben, die eine Betreuung des Kindes erlaubten. Auch das vermag die Entscheidung, soweit sie zum Nachteil der Mutter ergangen ist, nicht in Frage zu stellen. Das Berufungsgericht hat nicht bezweifelt, daß die Mutter in der Lage sein wird, den normalen Alltag mit der Betreuung des Kindes in Einklang zu bringen. Seine Annahme, es sei zu befürchten, daß sich die Einstellung der Mutter unter dem Prüfungsdruck ändere, ist indessen eine von der Lebenserfahrung getragene tatrichterliche Würdigung. Für deren Berechtigung sprechen zudem die Mitteilungen der beiden Pflegefamilien, in denen das Kind sich aufgehalten hat. Danach ist J. nicht oder kaum in der Lage, sich selbst zu beschäftigen , sondern erheischt permanent Aufmerksamkeit. 4. Bei dieser Sachlage ist das Berufungsgericht zu Recht von einer gegenwärtigen , in einem solchen Maße vorhandenen Gefahr ausgegangen, daß sich im weiteren Verlauf eine erhebliche Schädigung des Kindes in Form einer Beschneidung mit hinreichender Sicherheit voraussehen läßt. Denn die Mutter ist, wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, derzeit jedenfalls noch nicht in der Lage, die Gefahr, die ihrem Kind in Gambia droht, realistisch einzuschätzen und dürfte deshalb bei zu erwartenden Betreuungsengpässen nicht davor zurückschrecken, ihr derzeit erklärtermaßen aufgegebenes Vorhaben einer Verbringung des Kindes nach Gambia doch noch in die Tat umzusetzen. Dem ist nach § 1666 Abs. 1 BGB durch die erforderlichen Maßnahmen zu begegnen. Insoweit stellt sich die angeordnete teilweise Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts jedenfalls als einerseits gebotener, andererseits aber auch verhältnismäßiger Eingriff in das Elternrecht dar, um das Kind vor einem irreparablen Schaden seiner psychischen und physischen Unversehrtheit
zu bewahren. Dessen Interesse, seine Verwandten in Gambia zu besuchen, oder das Bedürfnis, der heimatlichen Kultur und Tradition verbunden zu bleiben, müssen dahinter zurücktreten. B. Rechtsbeschwerde des Ortsamtes 1. Das Berufungsgericht hat es abgelehnt, weitere Maßnahmen zum Schutz des Kindes zu treffen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der vollständige Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Unterbringung des Kindes in einer deutschen Pflegefamilie seien unverhältnismäßig. 2. Demgegenüber bringt die Beschwerde des Ortsamtes vor: Der Teilentzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts sei nicht ausreichend, um die Gefahr der Genitalverstümmelung weitgehend zu verhindern. Die angeordnete Pflegschaft könne praktisch nicht verhindern, daß die Mutter oder ein Dritter das Kind über einen Mitgliedsstaat der EU nach Gambia verbringe. Sie könne sich in der jeweiligen gambischen Botschaft einen Ersatzpaß für J. anfertigen lassen, während das Original bei der Amtspflegerin hinterlegt bleibe. Die begründete Besorgnis ergebe sich daraus, daß die Mutter sowohl im Verfahren vor dem Amtsgericht als auch vor dem Oberlandesgericht nicht habe erkennen lassen, daß sie aufgrund eigener Überzeugung ihre Tochter vor einer drohenden Genitalverstümmelung schützen wolle bzw. könne. Diesem Einwand ist ein Erfolg nicht zu versagen. Es erscheint nicht fernliegend, daß die Mutter, von der nach Auffassung des Oberlandesgerichts zu besorgen ist, sie werde im Prüfungsdruck ihr Kind doch noch nach Gambia verbringen, sich über die bisher getroffenen Maßnahmen hinwegsetzt und von dem von der Rechtsbeschwerde aufgezeigten Weg Gebrauch macht. Ziel der Maßnahmen nach § 1666 BGB muß aber die effekti-
ve Gefahrenabwehr für das Kind sein. Zwar steht jeder Eingriff in das Elternrecht unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere ist eine Trennung des Kindes von seinen Eltern nur dann zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, insbesondere durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann (§ 1666 a Abs. 1 Satz 1 BGB). Damit, daß das Berufungsgericht als weitergehende Maßnahmen von vornherein aber nur die vollständige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts in Verbindung mit der Unterbringung in einer Pflegefamilie erwogen hat, hat es sich den Blick dafür verstellt, die Geeignetheit anderer, weniger gravierender Maßnahmen in seine Beurteilung einzubeziehen und in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt auch die Möglichkeit öffentlicher Hilfen, etwa im Sinne einer beaufsichtigenden Pflegschaft , zu prüfen, um auf diesem Weg einen auch tatsächlich wirkungsvollen Schutz des Kindes zu gewährleisten. 3. Da das Oberlandesgericht somit von seinem Auswahlermessen (vgl. hierzu Staudinger/Coester aaO § 1666 Rdn. 177) keinen fehlerfreien Gebrauch gemacht hat, kann die Entscheidung im Umfang der Anfechtung durch das Ortsamt keinen Bestand haben. Der Beschluß ist insoweit aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit es die unterlassene Prüfung, welche weitergehenden Maßnahmen zu ergreifen sind, in tatrichterlicher Verantwortung nachholen kann. Im weiteren Verfahren wird das Ortsamt
auch Gelegenheit haben, das Begehren zu wiederholen, der Mutter möge aufgegeben werden, das Kind regelmäßig einem Kinderarzt vorzustellen (vgl. zu entsprechenden Auflagen etwa Children's Protection Act 1993 - South Australia

).


Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.