Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2004 - XII ZB 166/03

published on 15/12/2004 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2004 - XII ZB 166/03
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 166/03
vom
15. Dezember 2004
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 1666; MSA Artt. 3, 8
Die Gefahr, daß bei einem Mädchen gambischer Staatsangehörigkeit während eines
Aufenthalts in Gambia eine Beschneidung vorgenommen wird, rechtfertigt es, der
Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht gem. § 1666 Abs. 1 BGB insoweit zu entziehen
, als es um die Entscheidung geht, ob das Kind nach Gambia verbracht wird.
Ob diese Maßnahme allein ausreicht, um einen effektiven Schutz des Kindes zu gewährleisten
, hat der Tatrichter im Rahmen seines Auswahlermessens zu entscheiden.
BGH, Beschluß vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 - OLG Dresden
AG Dresden
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2004 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des 20. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Juli 2003 wird zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 wird der vorgenannte Beschluß bezüglich der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten und insoweit aufgehoben, als in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Dresden vom 8. Mai 2003 die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind abgelehnt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerden ergeht gerichtsgebührenfrei. Beschwerdewert: 3.000 €.

Gründe:

I.

Die am 2. Juli 1998 geborene J. T. ist die Tochter der weiteren Beteiligten zu 1. Sie besitzt, ebenso wie ihre nicht mit einander verheirateten Eltern, die gambische Staatsangehörigkeit. Der Vater lebt in Gambia. Die Mutter heiratete am 24. November 2000 in Gambia einen deutschen Staatsangehörigen und folgte ihm zusammen mit ihrer Tochter im März 2001 nach Deutschland. Da die Mutter hier eine Ausbildung zur Altenpflegerin absolviert und sich deshalb gehindert sah, das Kind zu betreuen, beabsichtigte sie, dieses am 8. Januar 2003 durch ihren Ehemann und dessen Vater nach Gambia verbringen zu lassen. J. sollte in Gambia von der Familie der Mutter betreut werden und eine Vorschule besuchen. Das Jugendamt Dresden (weiterer Beteiligter zu 3), das über die bevorstehende Reise informiert worden war, veranlaßte am 6. Januar 2003 die Inobhutnahme des Kindes gemäß § 42 SGB VIII, weil es befürchtete, diesem drohe bei einem Aufenthalt in Gambia die Beschneidung. Auf Antrag des Jugendamtes entzog das Amtsgericht der Mutter zunächst vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitssorge und bestellte insoweit das Jugendamt zum Pfleger. Mit Beschluß vom 8. Mai 2003 hat das Amtsgericht auch in der Hauptsache entsprechend der vorläufigen Anordnung entschieden. Hiergegen hat die Mutter befristete Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hat eine "mündliche Verhandlung" durchgeführt und anschließend eine vorläufige Anordnung erlassen, nach der das Kind der Mutter unverzüglich herauszugeben ist, dieser aber untersagt wird, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit dem Kind zu verlassen oder zu gestatten, daß ihre Tochter mit
Dritten das Land verläßt. Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht den angefochtenen Beschluß teilweise abgeändert und dieser das Aufenthaltsbestimmungsrecht nur insoweit entzogen, als es um die Entscheidung geht, ob das Kind - zu Urlaubszwecken oder für einen längeren Aufenthalt - nach Gambia verbracht wird. Insoweit hat es Pflegschaft angeordnet und den weiteren Beteiligten zu 3) als Pfleger eingesetzt. Hiergegen richten sich die - zugelassenen - Rechtsbeschwerden der Mutter und der Landeshauptstadt Dresden - Ortsamt Plauen - (weiterer Beteiligter zu 2, im folgenden: Ortsamt). Die Mutter erstrebt die vollständige Abweisung des Antrags, während das Ortsamt die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts insgesamt erreichen möchte.

II.

Die Rechtsbeschwerde der Mutter ist unbegründet. Auf die Rechtsbeschwerde des Ortsamtes ist der Beschluß im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Sache insoweit an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. A. Rechtsbeschwerde der Mutter 1. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2003, 1862 ff. veröffentlicht ist, hat seine internationale Zuständigkeit sowie die Anwendbarkeit deutschen Rechts ohne weitere Ausführungen bejaht. Das begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Die - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte richtet sich nach den Vorschriften des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom
5. Oktober 1961 (BGBl. 1971 II 217; im folgenden: MSA). Nach Art. 1 MSA sind die Gerichte des Staates, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorbehaltlich der Artt. 3, 4 und 5 Abs. 3 MSA dafür zuständig, Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen zu treffen. Nach Art. 13 Abs. 1 MSA ist das Übereinkommen auf alle Minderjährigen anzuwenden, die - wie hier das Kind J. - ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Vertragsstaaten haben, ohne daß der Minderjährige die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates besitzen müßte (Staudinger/Kropholler BGB, 13. Bearb. - 1994 - Vorbemerkung zu Art. 19 EGBGB Rdn. 525 m.w.N.). Einen einschränkenden Vorbehalt gegenüber Angehörigen von Nichtvertragsstaaten nach Art. 13 Abs. 3 MSA hat die Bundesrepublik Deutschland nicht erklärt. Hinsichtlich der von den inländischen Gerichten zu treffenden Schutzmaßnahmen, zu denen die im Streit stehende Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1666 BGB gehört (Staudinger/Kropholler aaO Rdn. 217), ist gemäß Art. 2 MSA innerstaatliches, hier also deutsches Recht anzuwenden. Gemäß Art. 3 MSA ist allerdings ein nach dem Recht des Heimatstaates des Kindes kraft Gesetzes bestehendes Gewaltverhältnis anzuerkennen. Ein Eingriff in ein solches Gewaltverhältnis liegt vor, wenn das ausländische Heimatrecht des Minderjährigen eine derartige Maßnahme nicht zuläßt (Palandt /Heldrich BGB 63. Aufl. Anh. zu Art. 24 EGBGB Rdn. 25). Dies macht die Rechtsbeschwerde der Mutter in bezug auf das gambische Recht geltend, ohne ihren Einwand zu konkretisieren. Dessen Richtigkeit entzieht sich infolgedessen einer Beurteilung. Feststellungen zu dem gambischen Recht hat das OLG nicht getroffen. Die Frage, ob der Einwand gerechtfertigt ist, bedarf indessen keiner Entscheidung. Ein eventuell bestehendes Gewaltverhältnis schließt es nämlich nach Art. 8 MSA nicht aus, daß die Behörden des Aufenthaltsstaates, also auch die deutschen Gerichte, Maßnahmen zum Schutz des Minderjährigen treffen, soweit er in seiner Person oder seinem Vermögen ernstlich gefährdet ist. Mit
solchen Schutzmaßnahmen kann deshalb auch in ein grundsätzlich anzuerkennendes Gewaltverhältnis eingegriffen werden. In den Fällen, in denen nach den §§ 1666 ff. BGB Maßnahmen zu treffen sind, ist in der Regel auch das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 8 MSA anzunehmen (BGHZ 60, 68, 73 f.). 2. In der Sache hat das Beschwerdegericht ein Eingreifen nach § 1666 BGB für erforderlich gehalten. Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Durchführung der Beschneidung von Mädchen stelle eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls dar. Es handele sich um Genitalverstümmelungen, in denen eine schwere Menschenrechtsverletzung zu sehen sei und die in ihrer Intensität den gravierendsten Erscheinungsformen asylerheblicher Verfolgungsmaßnahmen , wie der Folter, nicht nachstehe. Die Gefahr, als Mädchen in Gambia beschnitten zu werden, sei groß. Gambia sei der UN-Kinderrechtskonvention nicht beigetreten. Aus den vom Jugendamt vorgelegten Unterlagen gehe hervor, daß nach Auskunft lokal tätiger Nichtregierungsorganisationen in Gambia fast alle ethnischen Gruppen Genitalverstümmelungen praktizierten und zwischen 80 bis 90 % der weiblichen Bevölkerung beschnitten seien. Die Beschneidung könne Mädchen jeden Alters drohen, einer Dreijährigen ebenso wie einer 16-jährigen. Auch die Mutter habe bei ihrer Anhörung bestätigt, daß es keine Altersgrenze gebe, von der an ein Kind selbst entscheiden könne, ob es beschnitten werde oder nicht. Die traditionell begründete Beschneidung drohe dem Kind deshalb, sobald es sich in Gambia aufhalte. Insofern bestehe auch eine gegenwärtige, begründete Besorgnis der Schädigung. Die Mutter sei derzeit nicht in der Lage, ihre Tochter vor einer solchen Körperverletzung ausreichend zu schützen. Soweit sie bei ihrer Anhörung erklärt habe, sie wünsche nicht, daß ihrem Kind eine Beschneidung widerfahre, sei diese ablehnende Äußerung unter dem Druck des vorliegenden Verfahrens zustande gekommen und beruhe (noch) nicht auf eigener Erkenntnis. Denn die mehrfach geäußerte Auffassung , das Kind könne mit 14 Jahren selbst entscheiden, ob es beschnitten
werde, mache deutlich, daß die Mutter die Genitalverstümmelung nicht in dem erforderlichen Maße als bedrohliche Gefahr für ihre Tochter erkannt habe. Angesichts der Brutalität des Eingriffs und der möglichen physischen und psychischen Folgen hätte andererseits eine klare Ablehnung der Beschneidung in bezug auf ihr Kind erfolgen müssen. Die eigene Erfahrung der - ihrerseits beschnittenen - Mutter belege, daß selbst ein 13 Jahre altes Mädchen durch gezielte unrichtige Informationen dazu gebracht werden könne, sich die grausame Verstümmelung sogar selbst zu wünschen. Wenn die Mutter gleichwohl daran festhalte, die Entscheidung über die Beschneidung dem Kinde selbst zu überlassen , habe sie den Fehler ihrer eigenen Mutter wiederholt und damit gezeigt, daß sie nicht fähig sei, die Gefahr von ihrem Kind abzuwenden. Dies sei indessen umsomehr notwendig, als nach den zu den Akten gelangten Informationen traditionell die Großfamilie mitentscheide, ob eine Beschneidung durchgeführt werde. Da die Mutter gleichwohl geplant habe, daß das Kind während der Dauer ihrer Ausbildung in Gambia leben solle und es damit der Gefahr einer Genitalverstümmelung (schutzlos) ausgeliefert hätte, müsse ihr Verhalten als unverschuldetes Versagen, aber auch als Form von Vernachlässigung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB angesehen werden. Richtig verstandenes elterliches Sorgerecht hätte von ihr nicht passives Verhalten, sondern aktives Tun verlangt. Die Gefährdung sei auch gegenwärtig. Die Mutter habe zwar erklärt, daß ihre Tochter sich nicht mehr ohne ihre Begleitung in Gambia aufhalten solle. Es sei jedoch zu besorgen, daß sie an diesem Entschluß nicht festhalte, sondern das Kind doch zu ihrer Familie nach Gambia bringe, wenn sie sich wegen der auf sie zukommenden Prüfungen zur Altenpflegerin außerstande sehe, neben ihrer Arbeit zu lernen und ihre Tochter ausreichend zu betreuen. Diese Gefahr werde durch die Bekanntschaft mit in der Nähe ihrer Wohnung lebenden gambischen Familien nicht aufgehoben. Die danach vorzunehmende Abwägung zwischen dem Elternrecht der Mutter einerseits und dem Recht des Kindes auf Schutz
seiner Menschenwürde und seiner körperlichen Unversehrtheit andererseits führe zu der Notwendigkeit der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts insoweit, als es um Reisen des Kindes nach Gambia oder um Aufenthalte dort gehe. Angesichts des Ausmaßes der drohenden Gefahr müsse auch das Recht des Kindes, seine Verwandtschaft in seinem Heimatstaat zu besuchen, zurücktreten. Auf andere Weise könne ein hinreichend sicherer Schutz nicht gewährleistet werden. Auch der Respekt vor einer anderen Kultur rechtfertige keine abweichende Entscheidung. Die mit der Ausländereigenschaft von Mutter und Kind verbundenen Vorstellungen von Kultur, Tradition, Religion und Erziehung, denen grundsätzlich Bedeutung beizumessen sei, müßten zurücktreten, wenn die drohende Schädigung entsprechend der ordre-public-Klausel des Art. 6 EGBGB unter keinem Gesichtspunkt zu tolerieren sei. 3. Diese Ausführungen halten der im Verfahren der Rechtsbeschwerde allein möglichen rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche , geistige oder seelische Wohl eines Kindes durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Versagen eines Dritten gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden , die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Als derartige Maßnahme kommt insbesondere auch die Entziehung des Rechts zur Aufenthaltsbestimmung als Teil des Personensorgerechts (§§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB) in Betracht. Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, daß sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen läßt (BGH Beschluß vom 14. Juli 1956 - IV ZB 32/56 - FamRZ 1956, 350,
351; BayObLG DAVorm 1981, 897, 898 f.; Staudinger/Coester BGB 13. Bearb. - 2004 - § 1666 Rdn. 79; MünchKomm/Olzen 4. Aufl. § 1666 Rdn. 49).
b) Daß die Beschneidung eines Mädchens als eine das Kindeswohl in ganz erheblicher Weise beeinträchtigende Behandlung zu beurteilen ist, hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der Genitalverstümmelung um einen schweren Eingriff, der bleibende physische und psychische Schäden zur Folge hat. Dies gilt auch dann, wenn der Eingriff nicht - wie zumeist - unter unhaltbaren hygienischen Bedingungen, ohne Betäubung und mit grausamen Hilfsmitteln, wie Glasscherben oder Rasierklingen als Schneidewerkzeug, durchgeführt wird, sondern selbst wenn er nach allen Regeln ärztlichen Könnens erfolgt. Es bleibt ein radikaler Eingriff in die körperliche Integrität und psychische Befindlichkeit der Frau. Dabei verbietet sich eine Unterscheidung nach der Art der Verstümmelung (Klitorisbeschneidung , Excision oder Infibulation), denn in allen Fällen liegt eine grausame, folgenschwere und durch nichts zu rechtfertigende Mißhandlung vor (vgl. Bumke NVwZ 2002, 423, 426 m.w.N., sowie Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Beschneidung von Mädchen und Frauen BT-Drucks. 13/10682 S. 3 ff.). Auch die Rechtsbeschwerde der Mutter erhebt gegen die Beurteilung der Beschneidung durch das Berufungsgericht keine Einwendungen.
c) Sie rügt aber, das Beschwerdegericht habe eine hieraus resultierende gegenwärtige Gefahr für das Kind zu Unrecht bejaht. Es habe nicht berücksichtigt , daß die Mutter ihrem Vorbringen zufolge nicht gegen ihren Willen oder auf Druck ihrer Eltern, eines Elternteils oder naher Verwandter beschnitten worden sei, sondern aufgrund eigener Entscheidung, und zwar nach von dritter Seite erhaltener, heute als falsch und irreführend erkannter Informationen. In den Vorgang sei sie aber nicht als Kleinkind, sondern als Mädchen, das die Pubertät
durchlaufen habe, involviert gewesen. Daraus folge, daß niemand aus der Familie der Mutter Anstalten getroffen habe, sie als Kind oder ohne ihre Einwilligung als herangereiftes Mädchen beschneiden zu lassen, auch nicht ihr eigener Vater, in dessen Stamm noch Beschneidungen vorgenommen würden und der dieses Ritual befürwortet habe. Auf diesen sei ohnehin nicht abzustellen, da die Großmutter sich vor 20 Jahren von ihm habe scheiden lassen und inzwischen wieder verheiratet sei. J. habe aber bei der Großmutter und nicht bei ihrem leiblichen Großvater leben sollen. Daneben habe sie, als sie noch in Gambia gelebt habe, engen Kontakt zu ihrem leiblichen Vater und dessen Familie unterhalten , die nicht weit von der Großmutter entfernt lebten. Die Großmutter sei nicht beschnitten und lehne diesen Brauch ab. Sie habe auch ihrer Tochter verboten , sich dem Ritual zu unterziehen. Deshalb sei kein Anhaltspunkt dafür auszumachen, daß das Kind während eines Aufenthalts bei der Großmutter der Gefahr ausgesetzt wäre, diese könne eine Beschneidung veranlassen oder zulassen. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, daß die Großmutter das Mädchen nicht vor Übergriffen Dritter schützen könne, denn sie habe ihre Tochter bis zu deren eigener Entscheidung vor einer zwangsweisen Beschneidung bewahrt. Auch von der Seite der Familie des leiblichen Vaters sei fürJ. nicht die Gefahr einer Beschneidung auszumachen. Zwar seien in dem Stamm, dem der Vater angehöre, Beschneidungen noch üblich. Der Vater und seine Familie lehnten, wie die Mutter bei ihrer Anhörung ausgeführt habe, aber Beschneidungen ab, weshalb in dieser Familie niemand beschnitten sei. Warum J. in einer solchen Familie der Gefahr ausgesetzt sein solle, als Kind fremdbestimmt beschnitten zu werden, sei nicht ersichtlich. Damit vermag die Rechtsbeschwerde der Mutter nicht durchzudringen. Das Beschwerdegericht hat den betreffenden Sachvortrag nicht übergangen , sondern in seine von Amts wegen (§ 12 FGG) zu treffenden Feststel-
lungen einbezogen. Es hat seiner Entscheidung die Umstände der eigenen Beschneidung der Mutter zugrunde gelegt, dem Gesichtspunkt, daß in der Familie des Vaters - entgegen den Gepflogenheiten ihres Stammes - Beschneidungen nicht üblich seien, aber ersichtlich keine Bedeutung beigemessen. Nach den von dem Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen entscheiden nämlich nicht die Eltern oder deren Familien allein über eine Beschneidung, sondern hierzu ist traditionell die Großfamilie mitberufen. Aus dieser Gestaltung ist letztlich auch zu erklären, daß die Großmutter die eigene Tochter nicht vor einer Beschneidung zu bewahren vermochte, obwohl letztere damals erst 13 Jahre alt war und ihr deshalb die Einsichtsfähigkeit und Reife für die von ihr zugunsten einer Beschneidung getroffene Entscheidung fehlte und die Großmutter diese Verstümmelung selbst ablehnt. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die Großmutter könne in einer anderen Situation, nämlich bei Vorliegen anderer Umstände hinsichtlich der Beschneidung der Enkelin, bedingt durch äußere Einflüsse abermals versagen, stellt sich deshalb als vertretbare tatrichterliche Würdigung dar, gegen die aus Rechtsgründen nichts zu erinnern ist. Denn die hohe Beschneidungsquote von 80 - 90 % der weiblichen Bevölkerung Gambias kann, wenn sich die Ablehnung der Genitalverstümmelungen wie von der Rechtsbeschwerde geltend gemacht, durchsetzen ließe, nicht erklärt werden. Von daher ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht von einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Beschneidung des Kindes bei einem Aufenthalt in Gambia ausgegangen ist.
d) Die Rechtsbeschwerde der Mutter wendet sich schließlich gegen die Annahme, dem Kind drohe eine gegenwärtige Gefahr, weil zu besorgen sei, daß die Mutter es im Zusammenhang mit den im Rahmen ihrer Ausbildung abzulegenden Prüfungen entgegen den abgegebenen Erklärungen doch nach Gambia verbringen werde. Sie beruft sich insoweit auf den Vortrag der Mutter,
mit ihrem Arbeitgeber Arbeitszeiten vereinbart zu haben, die eine Betreuung des Kindes erlaubten. Auch das vermag die Entscheidung, soweit sie zum Nachteil der Mutter ergangen ist, nicht in Frage zu stellen. Das Berufungsgericht hat nicht bezweifelt, daß die Mutter in der Lage sein wird, den normalen Alltag mit der Betreuung des Kindes in Einklang zu bringen. Seine Annahme, es sei zu befürchten, daß sich die Einstellung der Mutter unter dem Prüfungsdruck ändere, ist indessen eine von der Lebenserfahrung getragene tatrichterliche Würdigung. Für deren Berechtigung sprechen zudem die Mitteilungen der beiden Pflegefamilien, in denen das Kind sich aufgehalten hat. Danach ist J. nicht oder kaum in der Lage, sich selbst zu beschäftigen , sondern erheischt permanent Aufmerksamkeit. 4. Bei dieser Sachlage ist das Berufungsgericht zu Recht von einer gegenwärtigen , in einem solchen Maße vorhandenen Gefahr ausgegangen, daß sich im weiteren Verlauf eine erhebliche Schädigung des Kindes in Form einer Beschneidung mit hinreichender Sicherheit voraussehen läßt. Denn die Mutter ist, wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, derzeit jedenfalls noch nicht in der Lage, die Gefahr, die ihrem Kind in Gambia droht, realistisch einzuschätzen und dürfte deshalb bei zu erwartenden Betreuungsengpässen nicht davor zurückschrecken, ihr derzeit erklärtermaßen aufgegebenes Vorhaben einer Verbringung des Kindes nach Gambia doch noch in die Tat umzusetzen. Dem ist nach § 1666 Abs. 1 BGB durch die erforderlichen Maßnahmen zu begegnen. Insoweit stellt sich die angeordnete teilweise Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts jedenfalls als einerseits gebotener, andererseits aber auch verhältnismäßiger Eingriff in das Elternrecht dar, um das Kind vor einem irreparablen Schaden seiner psychischen und physischen Unversehrtheit
zu bewahren. Dessen Interesse, seine Verwandten in Gambia zu besuchen, oder das Bedürfnis, der heimatlichen Kultur und Tradition verbunden zu bleiben, müssen dahinter zurücktreten. B. Rechtsbeschwerde des Ortsamtes 1. Das Berufungsgericht hat es abgelehnt, weitere Maßnahmen zum Schutz des Kindes zu treffen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der vollständige Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Unterbringung des Kindes in einer deutschen Pflegefamilie seien unverhältnismäßig. 2. Demgegenüber bringt die Beschwerde des Ortsamtes vor: Der Teilentzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts sei nicht ausreichend, um die Gefahr der Genitalverstümmelung weitgehend zu verhindern. Die angeordnete Pflegschaft könne praktisch nicht verhindern, daß die Mutter oder ein Dritter das Kind über einen Mitgliedsstaat der EU nach Gambia verbringe. Sie könne sich in der jeweiligen gambischen Botschaft einen Ersatzpaß für J. anfertigen lassen, während das Original bei der Amtspflegerin hinterlegt bleibe. Die begründete Besorgnis ergebe sich daraus, daß die Mutter sowohl im Verfahren vor dem Amtsgericht als auch vor dem Oberlandesgericht nicht habe erkennen lassen, daß sie aufgrund eigener Überzeugung ihre Tochter vor einer drohenden Genitalverstümmelung schützen wolle bzw. könne. Diesem Einwand ist ein Erfolg nicht zu versagen. Es erscheint nicht fernliegend, daß die Mutter, von der nach Auffassung des Oberlandesgerichts zu besorgen ist, sie werde im Prüfungsdruck ihr Kind doch noch nach Gambia verbringen, sich über die bisher getroffenen Maßnahmen hinwegsetzt und von dem von der Rechtsbeschwerde aufgezeigten Weg Gebrauch macht. Ziel der Maßnahmen nach § 1666 BGB muß aber die effekti-
ve Gefahrenabwehr für das Kind sein. Zwar steht jeder Eingriff in das Elternrecht unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere ist eine Trennung des Kindes von seinen Eltern nur dann zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, insbesondere durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann (§ 1666 a Abs. 1 Satz 1 BGB). Damit, daß das Berufungsgericht als weitergehende Maßnahmen von vornherein aber nur die vollständige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts in Verbindung mit der Unterbringung in einer Pflegefamilie erwogen hat, hat es sich den Blick dafür verstellt, die Geeignetheit anderer, weniger gravierender Maßnahmen in seine Beurteilung einzubeziehen und in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt auch die Möglichkeit öffentlicher Hilfen, etwa im Sinne einer beaufsichtigenden Pflegschaft , zu prüfen, um auf diesem Weg einen auch tatsächlich wirkungsvollen Schutz des Kindes zu gewährleisten. 3. Da das Oberlandesgericht somit von seinem Auswahlermessen (vgl. hierzu Staudinger/Coester aaO § 1666 Rdn. 177) keinen fehlerfreien Gebrauch gemacht hat, kann die Entscheidung im Umfang der Anfechtung durch das Ortsamt keinen Bestand haben. Der Beschluß ist insoweit aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit es die unterlassene Prüfung, welche weitergehenden Maßnahmen zu ergreifen sind, in tatrichterlicher Verantwortung nachholen kann. Im weiteren Verfahren wird das Ortsamt
auch Gelegenheit haben, das Begehren zu wiederholen, der Mutter möge aufgegeben werden, das Kind regelmäßig einem Kinderarzt vorzustellen (vgl. zu entsprechenden Auflagen etwa Children's Protection Act 1993 - South Australia

).


Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

6 Referenzen - Gesetze

moreResultsText

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn 1. das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder2. eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhut
15 Referenzen - Urteile

moreResultsText

{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 26/10/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 247/11 vom 26. Oktober 2011 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 1666, 1666a, 1684; FamFG §§ 18, 26 a) Die Regelung in § 18 FamFG ist verfassungskonform dahin ausz
published on 17/02/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 68/09 vom 17. Februar 2010 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja GG Art. 6; BGB § 1666; FGG §§ 12, 33; FamFG §§ 26, 29, 33 a) In Verfahren nach § 1666 BGB kann ein Elternteil
published on 28/04/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 81/09 vom 28. April 2010 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB §§ 1671, 1626, 1684; GG Artt. 2, 6; FGG §§ 12, 50, 50 b; FamFG §§ 26, 158, 159 a) Beabsichtigt bei gemeinsamer
published on 03/02/2017 00:00

Tenor 1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Oktober 2016 (erlassen am 13. Oktober 2016) - 21 UF 56/16 - verletzt das betroffene Kind in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1, Abs
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.