Bundessozialgericht Urteil, 29. Nov. 2017 - B 6 KA 32/16 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:291117UB6KA3216R0
bei uns veröffentlicht am29.11.2017

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. März 2016 und des Sozialgerichts München vom 12. März 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2012 aufgehoben.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens jeweils zur Hälfte mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6. Die Beklagte trägt die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 6.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme von Genehmigungen zur Teilnahme am Disease-Management-Programm (DMP) Diabetes mellitus Typ 2 als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt sowie zur Teilnahme an zwei Diabetesvereinbarungen.

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Der Kläger nimmt als Arzt für Innere Medizin an der hausärztlichen Versorgung teil. Er verfügt über die Anerkennung als Diabetologe nach den Richtlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) sowie die Zusatzbezeichnung Diabetologie nach der Weiterbildungsordnung der Bayerischen Landesärztekammer. Mit Bescheid vom 15.12.2008 erteilte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) dem Kläger die Genehmigung zur Teilnahme am DMP-Vertrag als koordinierender Arzt (§ 3 Abs 2 iVm Anl 1 DMP-Vertrag) sowie als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt (§ 4 Abs 2 iVm Anl 2 DMP-Vertrag), mit Bescheid vom 23.3.2009 die Genehmigung zur Teilnahme an der Diabetesvereinbarung nach § 43 SGB V zwischen der Beklagten und der AOK Bayern und mit Bescheid vom 15.12.2010 die Genehmigung zur Teilnahme an der Diabetesvereinbarung zwischen der Beklagten und dem BKK Landesverband, der Knappschaft, der Vereinigten IKK, dem Verband der Ersatzkassen (vdek) und der Krankenkasse für Landwirte (LKK).

3

Mit Bescheid vom 19.9.2011 hob die Beklagte die dem Kläger erteilte Genehmigung zur Teilnahme am DMP-Vertrag als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt sowie die beiden Genehmigungen zur Teilnahme als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt an den beiden og Diabetesvereinbarungen auf, soweit sie die Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 betraf. Erhalten blieb damit die Genehmigung zur Teilnahme als koordinierender Arzt gemäß § 3 des DMP-Vertrages Diabetes mellitus Typ 2 sowie die Genehmigung zur Teilnahme an den beiden Diabetesvereinbarungen, soweit sie die Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 zum Gegenstand hatte. Zur Begründung führte die Beklage aus, dass in den rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass der Genehmigungsbescheide vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Der DMP-Vertrag vom 1.9.2008 in der Fassung vom 25.3.2009 sei mWv 1.7.2010 durch einen neuen DMP-Vertrag vom 10.6.2010 ersetzt worden und auch die Diabetesvereinbarungen seien mWv 1.1.2011 durch Vereinbarungen vom 30.11.2010 ersetzt worden. Nach § 7 Abs 6 des neugefassten DMP-Vertrages blieben zwar die bereits erteilten Genehmigungen bestehen. Voraussetzung für das Fortbestehen der Genehmigung als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt sei jedoch der Nachweis, dass in dem Jahreszeitraum der Quartale III/2010 bis II/2011 durchschnittlich mindestens 250 gesetzlich krankenversicherte Patienten mit einem Diabetes mellitus (Typ 1 und/oder Typ 2) pro Quartal behandelt worden sind. Andernfalls sei die Genehmigung zu "widerrufen". Der Kläger habe im Durchschnitt der genannten Quartale nur 136,25 gesetzlich krankenversicherte Patienten mit Diabetes mellitus behandelt. Damit lägen auch die Voraussetzungen für die Rücknahme der Genehmigung zur Teilnahme an den beiden og Diabetesvereinbarungen als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt für die Betreuung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (Abrechnungsnummern 97320, 97321, 97323, 97276 für die Betreuung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2) vor. Voraussetzung für die Berechtigung zur Abrechnung der genannten Gebührenordnungspositionen sei die Teilnahme am DMP Diabetes mellitus Typ 2 als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt.

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Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.4.2012 zurück. Entgegen der Auffassung des Klägers ersetzten die DMP-Programme und die Diabetesvereinbarungen nicht die Regelungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä). Vielmehr werde die Vergütung nach den DMP-Programmen und den Diabetesvereinbarungen zusätzlich gewährt. Die Vergütung erfolge in den DMP-Programmen auch nicht als Teil der Gesamtvergütung. Bei der Festsetzung der Mindestpatientenzahlen handele es sich um eine zulässige Berufsausübungsregelung. Der Kernbereich der vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers sei nicht verletzt. Dieser könne auch ohne die streitgegenständlichen Genehmigungen als Facharzt für Innere Medizin tätig sein. Der Kläger werde damit auch nicht von der Versorgung von Diabetespatienten ausgeschlossen. Auch ein DMP-Patient könne von einem Arzt, der nicht am DMP teilnimmt, behandelt werden. Nach § 15 Abs 2 DMP-Vertrag schränke das DMP die freie Arztwahl nicht ein. Außerdem könne der Kläger weiterhin als koordinierender Arzt am DMP im Rahmen der ersten Versorgungsebene teilnehmen. Hierbei könne er weiterhin die gleichen Pauschalen abrechnen wie der diabetologisch besonders qualifizierte Arzt. Der DMP-Vertrag und die Diabetesvereinbarungen verstießen im Übrigen weder gegen Art 14 GG noch gegen Art 3 Abs 1 GG. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Rechtsprechung des BSG zu Mindestmengen bezogen auf bestimmte Krankenhausleistungen auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar, weil die Unterschreitung der Mindestmenge bei Krankenhausbehandlungen ein Leistungsverbot zur Folge habe, während der Kläger von der Behandlung von Diabetikern nicht ausgeschlossen werde.

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Die dagegen gerichtete Klage hat das SG München mit Urteil vom 12.3.2014 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X für eine Aufhebung der dem Kläger erteilten Genehmigung zur Teilnahme an dem Diabetes-Vertrag und an den Diabetesvereinbarungen lägen vor. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen für eine weitere Teilnahme nicht.

6

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Widerruf der Genehmigungen des Klägers sei rechtmäßig. Im vorliegenden Fall habe sich der DMP-Vertrag und damit die Rechtsgrundlage, welche der Teilnahme zugrunde lag, zum 1.7.2010 geändert. Demnach sei nunmehr die Behandlung von durchschnittlich mindestens 250 GKV-Patienten mit der Diagnose Diabetes mellitus (Typ 1 und 2) je Quartal Eingangsvoraussetzung für die Teilnahme. Diese neuen Kriterien der Teilnahme würden auch für den Kläger gelten. Um den Alt-Genehmigungsinhabern eine lückenlose Teilnahme zu gewähren und nicht aufgrund dieser rechtlichen Änderung zunächst die alte Genehmigung widerrufen und eine neue unter dem Vorbehalt der Erfüllung der Einstiegskriterien (hier: Mindestpatientenzahlen) erteilen zu müssen, sei zugunsten der Ärzte in § 7 Abs 6 Buchst a DMP-Vertrag alter Fassung (aF) insoweit eine Übergangsregelung geschaffen worden, die jedoch wegen der Unterschreitung der Fallzahlen nicht zugunsten des Klägers eingreife. Die den Widerruf der Genehmigungen begründenden neuen Kriterien beruhten auf einer rechtlich nicht zu beanstandenden gesamtvertraglichen Rechtsgrundlage, nämlich dem DMP-Vertrag und den Diabetes-Vereinbarungen. Bei den abgeschlossenen Verträgen hätten sich die Vertragsparteien auf die §§ 73a(aufgehoben durch Gesetz vom 16.7.2015, BGBl I 1211 - mWv 23.7.2015) und § 83 SGB V als Rechtsgrundlage gestützt. Bezüglich der Ausgestaltung der strukturierten Behandlungsprogramme komme den Vertragspartnern ein weiter Gestaltungsspielraum zu, den die Vertragspartner hier mit dem Erfordernis von 250 Patienten mit Diabetes mellitus (Typ 1 und/oder Typ 2) als Voraussetzung für das Fortbestehen der Genehmigung nicht überschritten hätten. Das Erfordernis einer Mindestpatientenzahl verstoße insbesondere nicht gegen Art 12 GG. Die Anforderung einer Mindestpatientenzahl verbleibe auf der Stufe einer Berufsausübungsregelung, die auch nicht faktisch in die Nähe einer subjektiven oder objektiven Berufswahlregelung komme. Die Praxis eines Internisten könne auch ohne die Genehmigung zur Teilnahme als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt am DMP-Vertrag und an den Diabetes-Vereinbarungen betrieben werden. Die Regelung führe nicht zu einer Einschränkung der Abrechnungsmöglichkeit von Leistungen nach Maßgabe des EBM-Ä, sondern schränke lediglich die Abrechnung einer Reihe von Vergütungspauschalen ein, die außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und zusätzlich zur Vergütung nach dem EBM-Ä erfolge. Beschränkungen der Berufsausübung seien nach der Rechtsprechung des BVerfG bereits dann rechtmäßig, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls den Eingriff rechtfertigten. Das Erfordernis einer Mindestpatientenzahl von 250 Diabetes-Patienten verstoße auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Abschluss und die Ausgestaltung des DMP-Vertrages habe zum Ziel, durch eine über den Leistungskatalog des EBM-Ä hinaus optimierte Koordination von Diagnostik und Therapie sowie eine adäquate und konsequente Betreuung den Gesundheitszustand, die Lebensqualität und Folgeerkrankungen der Patienten mit einer derartigen chronischen Erkrankung positiv zu beeinflussen. Diesem Ziel solle auch das Erfordernis der Behandlung von mindestens 250 Diabetes-Patienten im Quartal dienen. Die Vertragspartner gingen insoweit davon aus, dass immer dann, wenn bestimmte Krankheitsbilder in einem größeren Umfang behandelt werden, die Behandlungs- und Diagnosesicherheit zunehme, dass in den Praxen eine stärkere Schulung des Behandlungspersonals einschließlich des Vertragsarztes selbst vorgenommen werde und dass sich die Praxisausstattung stärker an dem besonderen Krankheitsspektrum orientiere. Die Anforderung einer Mindestmenge an Diabetes-Patienten verstoße schließlich auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Die Ungleichbehandlung knüpfe an ein Kriterium an, das der Kläger selbst beeinflussen könne, indem er den Umfang seiner Praxis von einer etwa halben Praxistätigkeit auf eine durchschnittliche Praxis mit dann ohne Weiteres zu erreichenden 250 Diabetes-Patienten steigere oder indem er innerhalb der vorhandenen Patientenzahl eine noch stärkere Ausrichtung auf die Behandlung von Diabetes-Patienten vornehme. Mit den Behandlungszahlen werde eine Spezialisierung in Bezug auf die tatsächliche Ausrichtung angestrebt, die ständig erneuert bzw fortgeführt werden müsse und die nicht durch eine Zusatzqualifikation erworben werden könne. Dass die vorgesehenen Mindestpatientenzahlen realistischerweise erreicht werden könnten, ergebe sich nicht zuletzt daraus, dass 90 bis 95 % der ursprünglich teilnehmenden Ärzte dieses Kriterium erfüllten.

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Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Das LSG unterstelle in der angegriffenen Entscheidung zu Unrecht, dass die Festlegung von Mindestfallzahlen im DMP-Vertrag für ihn keine objektive Berufszulassungsregelung oder Marktzugangsbeschränkung darstelle, sondern ihn lediglich in seiner Berufsausübung betreffe. Ziel des DMP-Vertrages sei eine indikationsgesteuerte und systematische Koordination der Behandlung von chronisch kranken Versicherten mit Diabetes mellitus und deren Einbindung in ein qualitätsgesichertes und geschlossenes Behandlungsprogramm. Das Ziel einer verbesserten Versorgung der chronisch Kranken solle durch die Steuerung des Patienten innerhalb dieses Systems erreicht werden. Überweisungen erfolgten deshalb ausschließlich innerhalb des Systems. Da mindestens 75 % der gesetzlich versicherten Diabetiker im DMP-Programm eingeschrieben seien, komme sein Ausschluss als diabetologische Schwerpunktpraxis faktisch einem Ausschluss von der Versorgung gesetzlich versicherter Diabetiker gleich. Die Mindestmengenregelung greife daher in die durch Art 12 Abs 1 GG geschützte berufliche Betätigungsfreiheit ein. Ein solcher Eingriff bedürfe einer gesetzlichen Grundlage. Daran fehle es. Die für DMP maßgebende gesetzliche Grundlage in § 137f SGB V sehe Mindestmengen als Mittel der Qualitätssicherung nicht vor.

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Im Übrigen sei es nach § 137f Abs 2 SGB V aF Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), Anforderungen an die Ausgestaltung der Programme zu benennen, insbesondere an die durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen, und zwar unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Abs 2 Nr 1 und 2 SGB V aF. Anforderungen an die Strukturqualität dürften also nicht aus der Luft gegriffen sein, sondern müssten auf den Ergebnissen der nach § 137a SGB V erarbeiteten Verfahren zur Messung und Darstellung der Versorgungsqualität für die Durchführung der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung beruhen. Mindestmengen, die ohne derartige Evidenz eingeführt würden, verstießen gegen die Vorgaben des § 137f SGB V. Zudem gebe es bezogen auf die sprechende Medizin keine Evidenz dafür, dass ein Mehr an Patientenversorgung auch tatsächlich zu einer besseren Versorgungsqualität führe. Die Behandlung in der Diabetologie bestehe in erster Linie aus Einzelgesprächen und Beratungen sowie Schulungen. Es gelte, eine gute Compliance beim Patienten herzustellen, um seine Lebensführung zu verändern und seine Lebenssituation zu verbessern. Nach der - soweit bekannt - bislang einzig aktuellen Kohortenstudie zur Qualität in der Diabetologie würden die Therapieziele am besten erreicht, wenn der Diabetiker in kurzen Abständen regelmäßig den Hausarzt konsultiere. Gute Ergebnisse würden bei einem Arzt-Patienten-Kontakt im Abstand von zwei Wochen erzielt. Solche häufigen Arztkontakte setzten eine räumliche und zeitliche Erreichbarkeit des Arztes für die Patienten voraus, die bei kleinen Praxen besser als bei großen Praxen mit hoher Fallzahl zu erreichen seien. Das Fehlen belastbarer Studien und Forschungsergebnisse zum Thema Mindestmengen sei dem GBA bewusst gewesen. Zu erklären sei die Empfehlung des GBA aus seinem Beschluss vom 18.1.2005 allein mit sachwidrigen Interessen der "Experten". Letztlich diene die Anhebung der Mindestmenge auf 250 Patienten im Quartal nicht der Qualitätssicherung, sondern der Marktbereinigung. Andere Bundesländer hätten ganz andere Fallzahlen vereinbart. Die Rechtswidrigkeit der Regelung ergebe sich auch aus dem Umstand, dass der Verlust der Teilnahmeberechtigung endgültig sei und der Vertragsarzt selbst bei Erreichen der Mindestzahl in Zukunft faktisch keine Möglichkeit mehr habe, die Genehmigung wiederzuerlangen. Nach § 4 DMP-Vertrag setze die Erteilung der Genehmigung eine mindestens einjährige diabetologische Tätigkeit in einer Diabeteseinrichtung innerhalb von fünf Jahren vor Antragstellung voraus. Wenn er - der Kläger - aufgrund der willkürlich festgesetzten Mindestmenge den Status als diabetologische Schwerpunktpraxis verliere und die Praxis im Laufe der Jahre wachse, liege bei erneuter Antragstellung die einjährige Tätigkeit so weit zurück, dass diese Anforderung nicht mehr erfüllt werden könne. Aufgrund des Fehlens einer Regelung zum Bestandsschutz werde er auch in seinem Eigentumsrecht aus Art 14 Abs 1 GG verletzt.

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Auch wenn die in der Rechtsprechung zu den Mindestmengen in der Krankenhausversorgung entwickelten Maßstäbe auf den vorliegenden Fall übertragen würden, ergebe sich die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung zu Mindestmengen, weil hier eine Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs zwischen Behandlungsmenge und -qualität nach wissenschaftlichen Maßstäben gefordert werde.

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Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen LSG vom 16.3.2016 und des SG München vom 12.3.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.9.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.4.2012 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Die Rücknahme der Genehmigung zur Teilnahme des Klägers am DMP-Vertrag und an den Diabetesvereinbarungen sei rechtmäßig. Anstelle der geforderten mindestens 250 Patienten habe der Kläger im Durchschnitt der Quartale III/2010 bis II/2011 nur 134 Patienten behandelt. Die Regelung zu den Mindestpatientenzahlen als Voraussetzung für die Teilnahme als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt sei rechtmäßig. Die grundsätzliche Rechtmäßigkeit von Mindestmengenregelungen sei vom BSG für den stationären Bereich bereits bestätigt worden. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Festsetzung von Mindestpatientenzahlen im DMP-Vertrag sei die nach § 137f SGB V geforderte Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit bei der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung chronisch Kranker. Der GBA habe dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) - seinem gesetzlichen Auftrag nach § 137f SGB V aF entsprechend - Empfehlungen zu Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme gegeben, welche das BMG in der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) aF umgesetzt habe. Die Empfehlungen des GBA zu den Anforderungen an ein DMP für die Diagnose Diabetes mellitus Typ 2 sei im Jahr 2005 überarbeitet worden. Der dem Beschluss zugrunde liegende Entwurf sei durch den Unterausschuss DMP und eine Arbeitsgruppe mit Fachexperten erarbeitet worden. Der DMP-Vertrag sei auf der Grundlage der Empfehlungen des GBA von den Vertragspartnern in Bayern angepasst und dem Bundesversicherungsamt zur Akkreditierung vorgelegt worden. Mit der Festlegung der Mindestpatientenzahl auf 250 hätten die Vertragspartner des DMP-Vertrages den ihnen zukommenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Ein Zusammenhang zwischen Mindestpatientenzahl und Qualität im Bereich der Behandlung von Diabetikern sei grundsätzlich nicht zu bestreiten, selbst wenn es sich im Wesentlichen um Leistungen der sog "sprechenden Medizin" handele. Eine größere Patientenzahl führe zu einer besseren Diagnose- und Behandlungssicherheit. Außerdem sei die Mindestpatientenzahl Voraussetzung für die Vergleichbarkeit der am DMP-Vertrag teilnehmenden Praxen und damit der im DMP-Vertrag vorgesehenen Überprüfung der Qualitätsziele.

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Mit der Rücknahme der Genehmigung zur Teilnahme am DMP-Vertrag werde der Kläger nicht in seinen Möglichkeiten zur Abrechnung von Leistungen im EBM-Ä eingeschränkt. Durch den DMP-Vertrag seien auch keine neuen, noch nicht im EBM-Ä enthaltenen Leistungen eingeführt worden, sondern nur Vorgaben zur Verbesserung der Qualität und Effizienz. Die Vergütung nach der DMP-Vereinbarung erfolge außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und zusätzlich zur Vergütung nach dem EBM-Ä. Der Kläger habe seinen Honorarumsatz aus Leistungen nach dem DMP-Vertrag und den Diabetesvereinbarungen zutreffend mit durchschnittlich etwa 17 % im Jahr 2010 beziffert. Daraus werde deutlich, dass es sich um "On-Top-Leistungen" handele. Der Kernbereich der hausärztlichen Tätigkeit des Klägers werde durch die Mindestmengenregelung nicht tangiert. In der breit aufgestellten hausärztlichen Praxis des Klägers verblieben genügend Tätigkeitsfelder, um diese wirtschaftlich erfolgreich zu betreiben. Letztlich handele es sich um eine unternehmerische Entscheidung des Klägers, ob er hausärztlich tätig sein wolle oder seine diabetologische Schwerpunktpraxis weiter ausbaue.

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Das Erfordernis einer Mindestpatientenzahl im DMP-Vertrag verstoße auch nicht gegen die Grundrechte des Klägers aus Art 12, 14 und 3 GG. Mit dem Erfordernis einer Mindestpatientenzahl von 250 Diabetespatienten pro Quartal verfolgten die Vertragspartner des DMP-Vertrages einen legitimen Zweck. Sie gingen davon aus, dass in den Praxen, in denen eine Spezialisierung auf die Behandlung von Diabetespatienten vorliege, eine intensivere Schulung des Vertragsarztes und seines Praxisteams erfolge. Insoweit werde auf eine Spezialisierung abgestellt, die nicht durch eine Zusatzqualifikation allein erworben werden könne, sondern auch in der Praxis ständig aktualisiert werden müsse. Eine Praxis mit diabetologischem Schwerpunkt könne auch ohne Teilnahme am DMP-Vertrag und den Diabetesvereinbarungen betrieben werden.

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Die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Das Vorbringen des Klägers, nach dem Patienten aus der Regelversorgung in die Versorgung nach dem DMP-Vertrag abwanderten, treffe nicht zu. Die DMP-Vereinbarung regele keine Vollversorgung, die an die Stelle der Regelversorgung trete, und sie schaffe kein eigenes Leistungsrecht. Die Funktion liege vielmehr in der Koordinierung der Leistungen. Das Vorbringen des Klägers, nach dem ihm die Behandlung von Diabetikern auf dem Niveau einer Schwerpunktpraxis nur im Rahmen des DMP möglich sei, treffe daher nicht zu. Außerdem sei der Kern des hausärztlichen Fachgebiets so vielschichtig, dass er seine Tätigkeit als Vertragsarzt weiterhin ausüben könne. Er könne darüber hinaus im Rahmen seiner fachärztlichen Tätigkeit für innere Medizin weiterhin tätig sein. Zudem könne er nach wie vor Diabetespatienten behandeln, auch solche, die am DMP teilnehmen. Auf der ersten Versorgungsebene seien diese Behandlungen für ihn auch abrechenbar.

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Die zu Mindestmengen im Krankenhaus ergangene Rechtsprechung sei auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar, weil bei Unterschreitung der Mindestmengen im Krankenhaus ein Fachbereich völlig wegfalle und sich dieser Umstand auf den Bestand des Hauses auswirken könne. Auch Auswirkungen auf die Krankenhausplanung der Länder seien möglich. Hier gehe es dagegen um Koordinierungsleistungen als sog "On-Top-Leistungen". Auch bei Nichterreichen der Voraussetzungen für die Teilnahme am DMP-Vertrag bleibe der Status als vertragsärztlicher Leistungserbringer unberührt. Die Abrechenbarkeit konkreter EBM-Ziffern werde nicht eingeschränkt.

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Der zu 6. beigeladene GBA hat - ohne einen Antrag zu stellen - die bisher zum DMP-Diabetes mellitus abgegebenen Empfehlungen und die dazu später beschlossenen Richtlinien dargestellt. Die weitere Konkretisierung der gesetzlichen und untergesetzlichen Anforderungen an die Ausgestaltung von DMP sei Angelegenheit der Vertragspartner. Vor diesem Hintergrund habe der GBA die Mindestpatientenzahl im DMP-Programm Diabetes mellitus Typ 2 ausschließlich in die Begründung zum Beschluss vom 18.1.2005 aufgenommen. Die Mindestpatientenzahl sei nicht Gegenstand der an das BMG gerichteten Empfehlung selbst geworden und sei auch in späteren Beschlüssen des GBA zu Aktualisierungsempfehlungen und zu den Richtlinien nicht erneut thematisiert worden. Dem folgend habe auch die RSAV aF keine Regelungen zu Mindestpatientenzahlen als Anforderung für die Teilnahme von Ärzten am DMP-Programm Diabetes mellitus Typ 2 beinhaltet. Dass der GBA dem BMG Mindestpatientenzahlen nicht als verbindlich zu regelnde Strukturanforderungen empfohlen habe, beruhe auf der Überlegung, dass die Möglichkeit bestehen sollte, regionale Versorgungsgegebenheiten und bereits aufgebaute Strukturen im DMP Diabetes mellitus Typ 2 zu berücksichtigen. Die Aufnahme der Mindestpatientenzahl bloß in der Begründung gewährleistete dies, da die hier genannten personellen, räumlichen und apparativen Strukturanforderungen allein Anhaltspunkte für die Umsetzung auf vertraglicher Ebene seien. Grundlage für die Aufnahme der Mindestpatientenzahl in die Begründung sei für den GBA der Konsens der bei der Beratung einbezogenen Experten gewesen. Entsprechende schriftliche Unterlagen lägen jedoch nicht vor.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist begründet. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der dem Kläger erteilten Genehmigungen zur Teilnahme als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt am DMP-Vertrag und an den Diabetesvereinbarungen liegen nicht vor, weil die Vertragspartner des DMP-Vertrages die Teilnahme nicht davon abhängig machen durften, dass der Arzt im Jahresdurchschnitt mindestens 250 gesetzlich krankenversicherte Diabetiker pro Quartal behandelt. Die entsprechende Vereinbarung zur Mindestpatientenzahl ist rechtswidrig und damit unwirksam.

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1. Grundlage der Regelung im streitbefangenen Bescheid vom 19.9.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.4.2012, mit dem die dem Kläger erteilte Genehmigung zur Teilnahme an dem Vertrag zur Durchführung des Strukturierten Behandlungsprogramms nach § 137f SGB V Diabetes mellitus Typ 2(sog DMP-Vertrag) als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt mit Wirkung zum 1.10.2011 aufgehoben und mit dem außerdem die Genehmigungsbescheide vom 23.3.2009 sowie vom 15.12.2010 zur Teilnahme an Diabetesvereinbarungen teilweise - bezogen auf die Betreuung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 - aufgehoben wurden, ist § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Soweit die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden - im Anschluss an die Formulierung in § 7 Abs 6 DMP-Vertrag - anstelle des Begriffs der Aufhebung den Begriff des Widerrufs verwendet, weicht sie damit von den Begrifflichkeiten des SGB X ab. Nach § 47 Abs 1 SGB X darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, soweit 1. der Wiederruf durch Rechtsvorschriften zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist, 2. mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstige diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Das Vorliegen dieser oder der in § 47 Abs 2 SGB X angesprochenen Umstände steht hier nicht in Frage und wird auch von der Beklagten nicht behauptet.

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Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der erteilten Genehmigungen nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X liegen nicht vor. Zwar handelt es sich bei den dem Kläger zunächst erteilten Genehmigungen zur Teilnahme am DMP und an den Diabetesvereinbarungen um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung. Auch haben die Partner des DMP-Vertrages unter dem 10.6.2010 Änderungen ua in Gestalt einer Erhöhung der Mindestpatientenzahl als Voraussetzung für die Teilnahme am DMP vereinbart, bei der es sich - ihre Wirksamkeit unterstellt - um eine im vorliegenden Zusammenhang wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen handeln würde (nachfolgend 2.). Die entsprechenden Regelungen des DMP-Vertrages zu den Mindestpatientenzahlen sind indes unwirksam, sodass keine wesentliche Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist (nachfolgend 3.).

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2. a) Der DMP-Vertrag unterscheidet bezogen auf die Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 zwischen zwei Versorgungsebenen. Auf der ersten Ebene wird der koordinierende Arzt tätig und auf der zweiten Ebene der diabetologisch besonders qualifizierte Arzt (Schwerpunktpraxis). Der streitbefangene Aufhebungsbescheid hat die Teilnahme des Klägers auf der zweiten Versorgungsebene nach dem DMP-Vertrag sowie die daran anknüpfende Berechtigung zur Teilnahme an zwei Diabetesvereinbarungen zum Gegenstand.

23

Nach § 8 Abs 1 S 1 DMP-Vertrag entscheidet die KÄV über Anträge eines Arztes auf Teilnahme am DMP. Die zusprechende Entscheidung wird als "Genehmigung" bezeichnet (vgl § 9 DMP-Vertrag). Die Änderung, die die Beklagte zur teilweisen Aufhebung der dem Kläger erteilten Genehmigungen veranlasst hat, besteht hier in dem Abschluss eines geänderten DMP-Vertrages vom 10.6.2010 in der Fassung des ersten Nachtrags vom 30.11.2010. Grundlage der Erteilung der Genehmigung zur Teilnahme des Klägers als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt war der DMP-Vertrag in der Fassung vom 25.3.2009. Nach Anlage 2c dieses Vertrages sind auch Ärzte, die wie der Kläger an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen, gleichzeitig zur Teilnahme am DMP Diabetes mellitus Typ 2 als koordinierender Arzt (erste Versorgungsebene) und als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt (zweite Versorgungsebene) berechtigt. Die Anforderungen an die Strukturqualität wurden für Allgemeinärzte und Internisten im Wesentlichen gleichlautend dahin festgelegt, dass der Arzt über die Anerkennung als Diabetologe DDG (alternativ: Fortbildung nach dem 80-stündigen Curriculum der DDG) oder über die Berechtigung zum Führen der Schwerpunktbezeichnung "Endokrinologie" bzw "Endokrinologie und Diabetologie" oder der Zusatzbezeichnung "Diabetologie" verfügen musste. Ferner wurde eine mindestens einjährige Tätigkeit in einer Diabeteseinrichtung und der Nachweis einer Behandlung von mindestens 40 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 im Quartal oder die regelmäßige Behandlung von mindestens 250 Diabetespatienten im Quartal vorausgesetzt.

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Anders als der DMP-Vertrag vom 25.3.2009 setzt der Vertrag vom 10.6.2010 in der Fassung des Nachtrags vom 30.11.2010 in Anlage 2c neben dem Nachweis einer mindestens einjährigen diabetologischen Tätigkeit in einer Diabeteseinrichtung und dem Nachweis der Behandlung von mindestens 100 gesetzlich Krankenversicherten mit Diabetes mellitus vor der Antragstellung ua voraus, dass der Arzt während der Teilnahme ua die Behandlung von mindestens 250 verschiedenen gesetzlich Krankenversicherten mit Diabetes mellitus (Typ 1 und/oder Typ 2) pro Quartal nachweist. Dabei wird auf den Durchschnitt von vier Quartalen abgestellt. Diese Anforderung muss erstmalig im fünften Quartal nach dem Quartal, in dem die DMP-Teilnahme erfolgte, erfüllt werden. Darüber hinaus wird die kontinuierliche Behandlung von mindestens 35 verschiedenen GKV-Patienten mit einem Diabetes mellitus Typ 1 über vier Quartale durch den leistungserbringenden Arzt (erstmals im zweiten Jahr nach Beginn der DMP-Teilnahme) gefordert. Die Übergangsregelung in § 7 Abs 6 DMP-Vertrages sieht zwar grundsätzlich vor, dass die im Rahmen des DMP-Vertrages in der Fassung vom 25.3.2009 erteilten Genehmigungen bestehen bleiben. Vorausgesetzt wird aber, dass der leistungserbringende Arzt in dem Jahreszeitraum der Quartale III/2010 bis II/2011 durchschnittlich mindestens 250 GKV-Versicherte mit Diabetes mellitus (Typ 1 und/oder Typ 2) pro Quartal betreut hat. Die Übergangregelung befreit damit im Ergebnis gerade nicht von der für Ärzte mit einer mindestens einjährigen Tätigkeit in einer Diabeteseinrichtung auf 250 festgelegten Mindestpatientenzahl, sondern betrifft weitere im DMP-Vertrag vereinbarte Änderungen der Teilnahmevoraussetzungen und sie gewährleistet, dass nicht allen teilnehmenden Ärzten aufgrund des geänderten Vertrages neue Bescheide erteilt werden müssen. Für den Fall, dass die genannte Mindestpatientenzahl nicht erreicht wird, sieht § 7 Abs 6 Buchst a S 2 DMP-Vertrag ausdrücklich den "Widerruf" der Genehmigung vor.

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Die Teilnahme am DMP-Vertrag als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt ist Voraussetzung auch für die ebenfalls streitgegenständliche Teilnahme des Klägers als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt an den beiden og Diabetesvereinbarungen vom 30.11.2010.

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b) Der DMP-Vertrag, der zwischen der Beklagten und den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen geschlossen worden ist, findet seine gesetzliche Grundlage in § 137f iVm § 73a, § 83 SGB V aF. Nach § 137f Abs 1 S 1 SGB V in der hier noch maßgebenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) und Art 256 Nr 1 der Neunten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.10.2006 (BGBl I 2407) empfiehlt der GBA dem BMG für die Abgrenzung der Versichertengruppen nach § 267 Abs 2 S 4 SGB V nach Maßgabe von § 137f Abs 1 S 2 SGB V geeignete chronische Krankheiten, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern.

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Die Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme (DMP) für Diabetes mellitus Typ 2 waren im hier maßgebenden Zeitraum Gegenstand der mit der Vierten Verordnung zur Änderung der RSAV vom 27.6.2002 (BGBl I 2286) eingeführten Anlage 1 zu §§ 28b bis 28g RSAV, in der Fassung der Zwanzigsten Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung vom 23.6.2009 (BGBl I 1542). Die Verordnungsermächtigung findet sich in § 266 Abs 7 S 1 Nr 3 iVm § 137f Abs 2 SGB V(zur Verfassungsmäßigkeit vgl BVerfG Beschluss vom 18.7.2005 - 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167, 271 f = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 240 ff). Anlage 1 RSAV aF gibt keine Behandlungsprogramme für chronisch Kranke vor, sondern regelt allein die Voraussetzungen, die DMP für Diabetes mellitus Typ 2 erfüllen müssen, damit sie vom Bundesversicherungsamt zugelassen werden können (vgl Grüne in Halbe/Schirmer, Handbuch Kooperationen im Gesundheitswesen, B 1600 RdNr 15).

28

Zu der Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern zur Umsetzung von DMP gestaltet werden, enthalten die mit dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10.12.2001 (BGBl I 3465) eingeführten §§ 137f, 137g SGB V keine Vorgaben. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/6432 S 10; vgl dazu auch Roters, KassKomm, vor §§ 137f, 137g SGB V RdNr 12; Grüne, aaO RdNr 18; Vollmöller, NZS 2004, 63, 64) wird die Offenheit für alle im 4. Kapitel des SGB V aufgeführten Vertragstypen betont. Vorliegend haben sich die Vertragspartner in dem DMP-Vertrag auf § 83 SGB V (Vertrag der beklagten KÄV mit der der AOK sowie bestimmten Ersatzkassen) und - soweit die BKK Landesverband Bayern, die Knappschaft - Verwaltungsstelle München, die Vereinigte IKK Vertragspartner der KÄV geworden sind - auf § 73a SGB V aF gestützt.

29

c) Bei der Änderung eines Vertrags, den die Vertragspartner nach § 73a aF iVm § 83 SGB V oder unmittelbar auf der Grundlage des § 83 SGB V zur Umsetzung von DMP-Programmen iS des § 137f SGB V schließen, handelt es sich um eine "Änderung in rechtlichen Verhältnissen" iS des § 48 SGB X(zu Vereinbarungen nach § 135 Abs 2 SGB V vgl bereits BSG Urteil vom 18.3.1998 - B 6 KA 23/97 R - BSGE 82, 55, 63 = SozR 3-2500 § 135 Nr 9 S 46 = Juris RdNr 28). Gesamtverträge, die auf der Grundlage des § 83 SGB V geschlossen werden, enthalten zunächst obligatorische Bestandteile, also solche, die allein zwischen den KÄVen und den vertragsschließenden Landesverbänden der Krankenkassen wirken(zum obligatorischen Charakter von Gesamtverträgen auch BSG Urteil vom 31.8.2005 - B 6 KA 6/04 R - BSGE 95, 86 = SozR 4-2500 § 85 Nr 21 RdNr 19 mwN). Zugleich enthalten diese aber auch normative Bestandteile, die kraft spezieller gesetzlicher Anordnung auch Personen (Vertragsärzte) und Institutionen (Krankenkassen) binden, die nicht am Vertragsschluss beteiligt sind (BSG Urteil vom 28.9.2005 - B 6 KA 71/04 R - BSGE 95, 141 RdNr 10 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2; grundlegend zur Normsetzung durch Vertrag im Vertragsarztrecht: BSG Urteil vom 9.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 65 ff, 78 ff).

30

Bei der in der Anlage des DMP-Vertrages vereinbarten Festlegung der Mindestpatientenzahl auf 250 anstelle von bisher 40 für Ärzte, die mindestens ein Jahr in einer Diabeteseinrichtung tätig waren, würde es sich - die Wirksamkeit der Regelung unterstellt - um eine im vorliegenden Zusammenhang wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 S 1 SGB X handeln, weil der Kläger deutlich weniger als 250 gesetzlich krankenversicherte Patienten mit einem Diabetes mellitus pro Quartal betreut, sodass er die Teilnahmevoraussetzungen nicht mehr erfüllen würde. Das wird von ihm auch nicht in Zweifel gezogen. Im Durchschnitt der Quartale III/2010 bis II/2011 hat er 136,25 entsprechende Patienten pro Quartal behandelt. Unter diesen Umständen hätte ihm die Genehmigung nach dem Wortlaut des DMP-Vertrages vom 10.6.2010 in der Fassung des Nachtrags vom 30.11.2010 nicht mehr erteilt werden dürfen und auch die in § 7 Abs 6 des Vertrages getroffene Übergangsregelung greift nicht mehr zu seinen Gunsten ein.

31

3. Indes liegen die Voraussetzungen für eine Aufhebung der dem Kläger erteilten Genehmigungen nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X nicht vor, weil der DMP-Vertrag vom 10.6.2010 in der Fassung des Nachtrags vom 30.11.2010 rechtswidrig und damit nichtig ist, soweit die Teilnahme des Arztes an diesem Vertrag in Anlage 2c Ziffer 4. d <1> davon abhängig gemacht wird, dass der Arzt - im Durchschnitt von vier Quartalen - mindestens 250 gesetzlich krankenversicherte Diabetespatienten pro Quartal betreut und soweit der Fortbestand der bereits auf der Grundlage des DMP-Vertrages vom 25.3.2009 erteilten Genehmigungen § 7 Abs 6 Buchst a DMP-Vertrag(Fassung vom 10.6.2010) davon abhängig gemacht wird, dass der Arzt in dem Jahreszeitraum der Quartale III/2010 bis II/2011 durchschnittlich mindestens 250 gesetzlich Versicherte mit einem Diabetes mellitus (Typ 1 und/oder Typ 2) pro Quartal behandelt hat.

32

a) Entgegen der Auffassung des Klägers sind die genannten Regelungen allerdings nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil die Vertragspartner des DMP-Vertrages generell nicht berechtigt wären, die Teilnahme von Ärzten am DMP im Sinne einer Mindestmenge von der Zahl der behandelten gesetzlich Versicherten abhängig zu machen. Auch der Umstand, dass keine ausdrückliche bundesrechtliche Vorgabe zur Einführung von Mindestpatientenzahlen als Voraussetzung für die Teilnahme von Ärzten am DMP existiert, schließt eine solche Regelung nicht von vornherein aus.

33

aa) Nach § 137f Abs 2 SGB V aF hatte der GBA dem BMG Anforderungen an die Ausgestaltung der strukturierten Behandlungsprogramme zu empfehlen. § 137f Abs 2 S 2 SGB V bestimmte in Form von Regelbeispielen ("insbesondere"), auf welche Fragen sich die Empfehlungen zu erstrecken hatten. Danach hat der GBA dem BMG für die Rechtsverordnung nach § 266 Abs 7 SGB V Anforderungen zu bezeichnen an die Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors (Nr 1), die durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Abs 2 Nr 1 und 2 SGB V aF(Nr 2), die Voraussetzungen und das Verfahren für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm, einschließlich der Dauer der Teilnahme (Nr 3), Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten (Nr 4), die Dokumentation (Nr 5) und die Bewertung der Wirksamkeit und der Kosten (Evaluation) sowie die zeitlichen Abstände zwischen den Evaluationen eines Programms sowie die Dauer seiner Zulassung durch das Bundesversicherungsamt nach § 137g SGB V(Nr 6). Die in den Empfehlungen genannten Kriterien dienten der Vorbereitung entsprechender Regelungen in der Rechtsverordnung nach § 266 Abs 7 SGB V in der hier noch maßgebenden Fassung vor der Änderung durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl I 2983). In der auf dieser Grundlage erlassenen RSAV wird nach § 266 Abs 7 Nr 3 SGB V aF ua das Nähere zu den Anforderungen an die Zulassung der DMP festgelegt.

34

Die an strukturierte Behandlungsprogramme zu stellenden Qualitätsanforderungen werden in den für die RSAV abgegebenen Empfehlungen des GBA und auch in der RSAV nicht abschließend geregelt. Vielmehr wird die nähere Ausgestaltung den Vertragspartnern übertragen. So bestimmt § 28c S 1 RSAV aF, dass in dem strukturierten Behandlungsprogramm - als Voraussetzung für dessen Zulassung - Ziele und Maßnahmen der Qualitätssicherung festgelegt und die jeweiligen Ziele und Maßnahmen mit den beteiligten Leistungserbringern oder Versicherten vereinbart werden. Die dabei nach § 28c S 2 RSAV aF zu beachtende Anlage 1 Ziffer 2 S 1 RSAV aF bestimmt speziell für den DMP-Vertrag Diabetes mellitus Typ 2, dass als Grundlage der Qualitätssicherung nachvollziehbare und relevante Ziele, die durch die Qualitätssicherung angestrebt werden, zu vereinbaren und zu dokumentieren sind. Nach Anlage 1 Ziffer 2 S 2 RSAV gehört dazu auch die "Einhaltung der in Verträgen zu vereinbarenden Anforderungen an die Strukturqualität". Der Verordnungsgeber der RSAV setzt also voraus, dass die Partner des DMP-Vertrages Anforderungen an die Strukturqualität vereinbaren. Gegenüber dem Bundesversicherungsamt haben die Vertragspartner nach Anlage 1 Ziffer 2 S 3 RSAV nachzuweisen, welche Maßnahmen sie zur Umsetzung der oben genannten Ziele beziehungsweise zur Dokumentation der Qualitätsindikatoren getroffen haben. Weitere Kernziele für die Qualitätssicherung soll der GBA dem BMG nach Anlage 1 Ziffer 2 S 4 RSAV "als Bestandteil seiner Empfehlungen zum Aktualisierungsbedarf … empfehlen". Nach Anlage 1 Ziffer 2 S 5 RSAV vereinbaren die Vertragspartner "im Sinne des Patientenschutzes und der Qualitätssicherung" auf der Grundlage der bereits bestehenden Qualitätssicherungsvereinbarungen in den jeweiligen Versorgungssektoren einheitliche Anforderungen an die Qualifikation der beteiligten Leistungserbringer und des medizinischen Personals, an die technische, apparative und ggfs räumliche Ausstattung sowie die organisatorischen Voraussetzungen bei diagnostischen und therapeutischen Interventionen.

35

Vergleichbare Vorgaben enthält im Übrigen auch die inzwischen geltende - hier allerdings noch nicht maßgebende - Richtlinie des GBA zur Zusammenführung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme nach § 137f Abs 2 SGB V (DMP-A-RL) in der Fassung vom 20.3.2014, zuletzt geändert am 19.10.2017 (BAnz AT 17.11.2017 B2). Diese Richtlinie bestimmt in § 2 Abs 2 S 1, dass die Vertragspartner "mindestens die in Ziffer 2 der indikationsspezifischen Anlagen aufgeführten Qualitätsziele und Qualitätsindikatoren vertraglich festzulegen" haben. Darüber hinaus können nach § 2 Abs 2 S 2 weitere Qualitätsziele und Qualitätsindikatoren vereinbart werden. In den "Tragenden Gründen" zu dem Beschluss vom 20.3.2014 wird dazu ausgeführt, dass als Grundlage der Qualitätssicherung "nachvollziehbare und relevante Ziele, die durch die Qualitätssicherung angestrebt werden, zu vereinbaren und zu dokumentieren" sind. Dazu gehören nach dem Inhalt der "Tragenden Gründe" auch Anforderungen an die Strukturqualität.

36

bb) Den genannten Regelungen kann ein umfassender Auftrag an die Vertragspartner des DMP-Vertrages entnommen werden, Maßnahmen der Qualitätssicherung zu vereinbaren, um - entsprechend der in § 137f Abs 1 SGB V genannten Zielsetzung - den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker zu verbessern. Eine Beschränkung auf bestimmte Instrumente zur Qualitätssicherung findet nicht statt. Vielmehr obliegt die nähere Ausgestaltung den DMP-Vertragspartnern.

37

Als Maßnahmen der Qualitätssicherung kommen auch geeignete Vorgaben zu Mindestpatientenzahlen in Betracht. Dass Mindestmengen grundsätzlich ein Instrument der Qualitätssicherung sein können, unterliegt keinem Zweifel (vgl zB BSG Urteil vom 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R - BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 29 ff). Den Vertragspartnern von DMP-Verträgen kommt auch bezogen auf die zu vereinbarenden Maßnahmen der Qualitätssicherung nach der oben dargestellten gesetzlichen Konzeption ein weiter Gestaltungsspielraum zu, sodass es nicht gerechtfertigt ist, Mindestpatientenzahlen als Instrument der Qualitätssicherung von vornherein auszuschließen.

38

Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V aF(seit der Änderung durch das Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung - Krankenhausstrukturgesetz - KHSG vom 10.12.2015, BGBl I 2229 mWv 1.1.2016 in veränderter Fassung als § 136b Abs 1 S 1 Nr 2 SGB V) zwar für Krankenhausleistungen unter bestimmten Voraussetzungen die Festlegung von Mindestmengen vorsieht, dass eine entsprechende Regelung aber für die Erbringung von Leistungen im Rahmen von DMP nicht besteht. Allein aus der in § 137 Abs 3 SGB V getroffenen speziellen Regelung zu Mindestmengen als Voraussetzung für die Erbringung bestimmter Leistungen durch Krankenhäuser kann nicht gefolgert werden, dass Mindestmengen in allen anderen Bereichen als Instrument der Qualitätssicherung vollständig ausgeschlossen wären. Damit übereinstimmend geht die wohl herrschende Meinung in der Literatur davon aus, dass etwa im Bereich der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung aus der fehlenden gesetzlichen Regelung zu Mindestmengen nach § 116b SGB V nicht auf die generelle Unzulässigkeit entsprechender untergesetzlicher Vorgaben geschlossen werden kann(zu entsprechenden Vorgaben in Richtlinien des GBA vgl Blöcher, Hauck/Noftz, Stand 2/2017, K § 116b SGB V RdNr 82 f; Köhler-Hohmann, JurisPK SGB V, 3. Aufl 2016, § 116b RdNr 83; Stollmann, NZS 2012, 485, 488; Waßer, GesR 2015, 587, 590 ff; aA Bohle, GesR 2010, 587, 598 f; Becker, Becker/Kingreen, SGB V, 5. Aufl 2017, § 116b RdNr 14).

39

b) Aus den genannten Gründen sind Mindestmengen als Instrument der Qualitätssicherung im Bereich von DMP nicht generell ausgeschlossen. Der Umstand, dass die Teilnahme am DMP von Qualitätsanforderungen abhängig gemacht werden darf und dass es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung zu den Voraussetzungen für die Festlegung von Mindestpatientenzahlen gibt, hat allerdings zur Folge, dass Mindestpatientenzahlen nur als Instrument der Qualitätssicherung und nicht unabhängig davon zur Erreichung anderer, gesetzlich nicht geregelter Ziele eingeführt werden dürfen. Aus diesem Grund begegnen Mindestpatientenzahlen als Voraussetzung für die Teilnahme an einem DMP-Vertrag nur dann keinen Bedenken, wenn sie entsprechend der gesetzlich vorgegebenen Zielsetzung erhebliche Qualitätsvorteile erwarten lassen und diese Vorteile durch weniger belastende Vorgaben der Qualitätssicherung nicht ebenso erreicht werden können (im Ergebnis ähnlich zur Krankenhausbehandlung, vgl BSG Urteil vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 33).

40

aa) Dass die Beteiligung an der Versorgung gesetzlich Versicherter an besondere Anforderungen zur Sicherung der Qualität geknüpft werden darf, ist nicht zweifelhaft. Solange die Erbringung und Abrechnung von bestimmten Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausgeschlossen und der ärztliche Leistungserbringer nicht im Kernbereich seines Fachgebietes eingeschränkt wird, verbleiben die Qualitätsanforderungen auf der Ebene der Berufsausübung (vgl BSG Urteil vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 33 mwN). Ungeachtet der Frage, ob dadurch immer der Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG tangiert ist, sind Abgrenzungen zwischen Gruppen verschiedener Leistungserbringer mit unterschiedlicher Qualifikation jedenfalls von vernünftigen Gründen des Gemeinwohls gedeckt, wenn sie vom fachlich medizinischen Standpunkt aus sachgerecht sind und der betroffene Leistungserbringer in der auf sein Fachgebiet beschränkten Tätigkeit weiterhin eine ausreichende Erwerbsgrundlage finden kann.

41

bb) Der Anforderung, dass die festgesetzten Mindestpatientenzahlen erhebliche Qualitätsvorteile erwarten lassen müssen, kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass in dem Ausschluss von der Teilnahme am DMP als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt keine wesentliche Einschränkung in den Möglichkeiten der beruflichen Betätigung liege. Verträge, die die Gesamtvertragspartner zur Umsetzung strukturierter Behandlungsprogramme abschließen, unterscheiden sich dadurch erheblich von anderen Vereinbarungen zB zu Modellvorhaben nach § 63 SGB V oder von Strukturverträgen nach § 73a SGB V aF, die ohne Bezug zu strukturierten Behandlungsprogrammen geschlossen werden, dass der Ermessensspielraum bezogen auf die Frage, ob ein solcher Vertrag abgeschlossen wird, durch gesetzliche Vorgaben beschränkt ist. § 137f Abs 1 S 1 SGB V gibt vor, dass für bestimmte - nach der hier noch maßgebenden Rechtslage in der RSAV festzulegende chronische Krankheiten - strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen. Diese Soll-Vorgabe ist von den Gesamtvertragspartnern im Bezirk der beklagten KÄV umgesetzt worden.

42

Jedenfalls bezogen auf den Diabetes mellitus Typ 2 ist ferner zu berücksichtigen, dass ein hoher Anteil der Versicherten mit dieser chronischen Erkrankung am DMP teilnimmt. Nach den Darlegungen des Klägers, deren Richtigkeit auch die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat, nehmen im Bezirk der beklagten KÄV mehr als 75 % der gesetzlich Krankenversicherten mit Diabetes mellitus Typ 2 am DMP teil. Das hat zur Folge, dass ein Arzt, der wie der Kläger über eine besondere Qualifikation im Bereich der Behandlung von Diabetikern verfügt und der seine Praxis darauf ausgerichtet hat, durch den Ausschluss von der Teilnahme am DMP in seiner vertragsärztlichen Tätigkeit im Bereich dieser Spezialisierung erheblich eingeschränkt wird.

43

Zwar wendet die Beklagte im Grundsatz zutreffend ein, dass auch ein Arzt, der nicht am DMP teilnimmt, gesetzlich krankenversicherte Diabetiker vertragsärztlich behandeln darf. Auch unterliegt er bezogen auf die Abrechnung der Gebührenordnungspositionen nach dem EBM-Ä aufgrund des Ausschlusses vom DMP keinen Beschränkungen, weil mit dem DMP-Vertrag und den darauf aufbauenden Diabetesvereinbarungen lediglich zusätzliche Gebührentatbestände eingeführt worden sind. Ferner sind die am DMP teilnehmenden Versicherten jedenfalls nach dem Inhalt des hier zu beurteilenden Vertrages in ihrem Recht zur freien Arztwahl nicht eingeschränkt (vgl § 15 Abs 2 DMP-Vertrag). All das ändert jedoch nichts daran, dass der Ausschluss von der Teilnahme am DMP als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt aufgrund der den strukturierten Behandlungsprogrammen nach § 137 f SGB V zugrunde liegenden Konzeption und des hohen Anteils der teilnehmenden Versicherten faktisch mit Beschränkungen verbunden ist, die weit über den Ausschluss von der Abrechnung zusätzlicher GOP hinausgehen: Nach § 1 Abs 1 des DMP-Vertrages ist die indikationsgesteuerte und systematische Koordination der Behandlung chronisch Kranker gerade das Ziel des Vertrags. Bezogen auf die Behandlung von gesetzlich krankenversicherten Diabetikern wird dieses Ziel umgesetzt, indem festgelegt wird, dass der nach § 3 des Vertrages teilnehmende Arzt (sog koordinierender Arzt) die Koordination der Behandlung der Versicherten insbesondere im Hinblick auf die Beteiligung anderer vertraglich eingebundener Leistungserbringer übernimmt(vgl § 3 Abs 5 Nr 1 des Vertrages). Bei Vorliegen bestimmter Indikationen ist der koordinierende Arzt verpflichtet, den Patienten an einen am DMP-Vertrag teilnehmenden besonders qualifizierten Arzt zu überweisen (vgl Anlage 2a des Vertrages iVm Anlage 1 Ziffer 1.8.2 RSAV). Unter diesen Umständen unterliegt es keinem Zweifel, dass durch den Ausschluss eines auf die Behandlung von Patienten mit Diabetes spezialisierten Arztes von der Teilnahme am DMP Diabetes mellitus Typ 2 in dessen durch Art 12 Abs 1 GG geschützte Freiheit der Berufsausübung eingegriffen werden kann. Zudem unterliegen öffentlich-rechtliche Institutionen nach der Rechtsprechung des Senats auch zB bei der Ausformung von Strukturverträgen insoweit einer Begrenzung, als sie die Grenze der Sachwidrigkeit (Art 3 Abs 1 GG) zu beachten haben (BSG Beschluss vom 22.6.2005 - B 6 KA 20/05 B - Juris RdNr 11; vgl auch BSG Urteil vom 28.6.2017 - B 6 KA 12/16 R - RdNr 20 - für SozR 4 vorgesehen).

44

cc) Der Umstand, dass Mindestmengen als Maßnahme der Qualitätssicherung im Bereich der DMP - anders als im Bereich der Krankenhausversorgung - nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt sind, kann vor diesem Hintergrund nicht zur Folge haben, dass im Bereich der DMP geringere Anforderungen an die Zulässigkeit von Mindestmengen gestellt werden als im Bereich der Krankenhausbehandlung. Da § 137f SGB V und die auf der Grundlage des § 266 Abs 7 SGB V erlassene RSAV Maßnahmen der Qualitätssicherung zulassen und dabei - anders als § 137 Abs 3 SGB V für bestimmte Bereiche der Krankenhausversorgung - Mindestmengen nicht ausdrücklich vorsehen, kann die Teilnahme von Ärzten an einer solchen Vereinbarung unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben(Art 12 Abs 1, Art 3 Abs 1 GG) nur zulässig sein, wenn ein Zusammenhang zwischen Patientenzahlen und Qualität der Versorgung hergestellt werden kann. Gerade weil der Senat davon ausgeht, dass die gesamtvertragliche Vereinbarung von Mindestpatientenzahlen auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zulässig ist, kann auf eine gerichtliche Kontrolle entsprechender untergesetzlicher Regelungen am Maßstab der Grundrechte des betroffenen Leistungserbringers nicht verzichtet werden. Eine Beschränkung der Teilnahme durch Vorgaben zu Mindestmengen die vorrangig dem Ziel der Begrenzung der Zahl der teilnehmenden Ärzte und nicht dem Ziel der Qualitätssicherung dienen, wäre nicht zulässig, weil das Gesetz den DMP-Vertragspartnern keine Aufgaben im Bereich der Bedarfsplanung überträgt.

45

Dabei geht der Senat davon aus, dass Mindestmengen häufig stärker in die Freiheit der Berufsausübung eingreifen als andere Qualitätsvorgaben, weil sie vom Leistungserbringer nur schwer beeinflusst werden können (ebenso bezogen auf die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nach § 116b SGB V: Waßer, GesR 2015, 587, 589; ebenso zu Mindestmengen nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V aF: BSG Urteil vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 38). Das wird gerade an der vorliegend getroffenen Regelung über eine Mindestzahl von Patienten deutlich, die von Berufsanfängern oder zB von Ärzten mit einem halben Versorgungsauftrag nur schwer erreicht werden kann: Nach den dem Senat von der Beklagten übermittelten Daten behandelten an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Internisten in München in den Quartalen III/2010 bis IV/2011 durchschnittlich zwischen etwa 600 und 650 Patienten im Quartal. Bei einem vollen Versorgungsauftrag und einer durchschnittlichen Patientenzahl könnte die Mindestzahl von 250 gesetzlich Krankenversicherten mit Diabetes mellitus deshalb nur erreicht werden, wenn mehr als ca 40 % der behandelten gesetzlich krankenversicherten Patienten Diabetiker sind. In kleinen Praxen wie der des Klägers mit etwa 400 bis 450 gesetzlich krankenversicherten Patienten pro Quartal erhöht sich der erforderliche Anteil auf etwa 60 % und in einer Praxis mit halbem Versorgungsauftrag müssten bei entsprechend geringerer Patientenzahl zu mehr als ca 80 % Diabetiker behandelt werden, damit die Mindestpatientenzahl für die Teilnahme als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt am DMP-Vertrag erreicht wird. Darüber hinaus erschweren Mindestpatientenzahlen die Teilnahme von Jungpraxen und von Praxen, die sich im Bereich der Versorgung speziell von Diabetikern erst noch etablieren wollen, erheblich.

46

Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass die Einführung von Mindestmengen im Bereich von DMP als Instrument der Qualitätssicherung - wie im Bereich der Krankenhausbehandlung - einen nach wissenschaftlichen Maßstäben wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität voraussetzt (zur Krankenhausbehandlung vgl BSG Urteil vom 17.11.2015 - B 1 KR 15/15 R - SozR 4-2500 § 137 Nr 6 RdNr 28 f; BSG Urteil vom 14.10.2014 - B 1 KR 33/13 R - BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 34 ff; BSG Urteil vom 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R - BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 31 ff). Im Übrigen wird auch in der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 137f SGB V mit dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung(BT-Drucks 14/6432 S 11) darauf hingewiesen, dass Disease-Management verbindliche und aufeinander abgestimmte Behandlungs- und Betreuungsprozesse erfordert, die auf der Grundlage medizinischer Evidenz festgelegt werden. Danach ist Voraussetzung für die Einführung von Mindestpatientenzahlen auch im Bereich von DMP, dass eine Studienlage besteht, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität wahrscheinlich macht. Es ist nicht erforderlich, dass die "Studien" einen Kausalzusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne zwischen Behandlungsmenge und -ergebnis beweisen; ausreichend ist, dass vorliegende Studien auf einen solchen Zusammenhang hinweisen. Nicht ausreichend ist jedoch die "landläufige Erfahrung", dass eine routinierte Praxis im Allgemeinen eine bessere Ergebnisqualität sichert als deren Fehlen (ebenso zur Krankenhausbehandlung vgl BSG Urteil vom 17.11.2015 - B 1 KR 15/15 R - SozR 4-2500 § 137 Nr 6 RdNr 29; BSG Urteil vom 14.10.2014 - B 1 KR 33/13 R - BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 36; BSG Urteil vom 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R - BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 33; generell für "Verschärfungen" von Qualitäts- und Strukturvoraussetzungen bei DMP durch die Vertragspartner: Grüne, Disease-Management-Programme in Halbe/Schirmer, Handbuch Kooperationen im Gesundheitswesen, B 1600 RdNr 113).

47

dd) Den genannten Anforderungen wird die hier von den Gesamtvertragspartnern im DMP-Vertrag Diabetes mellitus Typ 2 getroffene Festlegung auf eine Mindestpatientenzahl von 250 je Quartal im Jahresdurchschnitt als Teilnahmevoraussetzung nicht gerecht. Sie ist daher insoweit rechtswidrig und damit nichtig. Ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen Qualität und Leistungsmenge ist nach wissenschaftlichen Maßstäben nicht belegt.

48

Die Beklagte bezieht sich zum Beleg dafür, dass es sich bei der Mindestpatientenzahl von 250 gesetzlich Versicherten mit Diabetes mellitus um eine geeignete Maßnahme der Qualitätssicherung handelt, in erster Linie auf einen Beschluss des GBA vom 18.1.2005 (Empfehlung zur Aktualisierung von Anlage 1 der Vierten Verordnung zur Änderung der RSAV vom 27.6.2002). Allerdings hat der GBA eine Mindestpatientenzahl nicht zum Gegenstand des Beschlusses selbst gemacht, der nach der hier noch maßgebenden Rechtslage zudem lediglich die Vorbereitung der Rechtsverordnung des BMG nach § 266 Abs 7 SGB V diente(vgl § 137f Abs 2 S 1 SGB V aF). Auch ist eine Mindestpatientenzahl nicht in die auf der Grundlage des § 266 Abs 7 SGB V erlassene RSAV aufgenommen worden. Vielmehr hat der GBA lediglich in der Begründung des Beschlusses unter der Überschrift "A. Diabetologisch besonders qualifizierter Arzt/Einrichtung (2. Ambulante Versorgungsebene)" formuliert: "Empfehlung: Behandlung von ca 250 Patienten (ambulant und stationär) pro Quartal". Zur Erläuterung hat der GBA in der Begründung des Beschlusses vom 18.1.2005 ausgeführt, dass es sich insbesondere bei den Angaben von Mindestzahlen zur Betreuung von Patienten um Empfehlungen zur Strukturqualität handeln würde, die auf einem Expertenkonsens basierten, da in der Regel keine entsprechenden Studien verfügbar seien. Die genannten Zahlen dienten deshalb als Orientierungshilfe für die vertragliche Umsetzung. Gegenüber dem Senat hat der GBA die Aufnahme der Mindestpatientenzahl lediglich in die Begründung der Empfehlung dahingehend erläutert, dass es Aufgabe der Vertragspartner sei, die gesetzlichen und untergesetzlichen Anforderungen zu konkretisieren. Den Vertragspartnern habe die Möglichkeit gegeben werden sollen, regionale Versorgungsgegebenheiten und bereits aufgebaute Strukturen im DMP Diabetes mellitus Typ 2 zu berücksichtigen. Wissenschaftliche Studien, die bezogen auf die Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 einen Zusammenhang zwischen Menge und Qualität belegen könnten, hat auch der GBA nicht bezeichnet. Grundlage für die Aufnahme der Mindestpatientenzahl von 250 in die Begründung der Empfehlung des GBA war nach dessen gegenüber dem Senat abgegebener Stellungname allein ein "Konsens" unter den in die Beratung einbezogenen Experten. Schriftliche Unterlagen dazu, wie dieser Konsens genau festgestellt worden ist und welche Stellungnahmen mit welchem Inhalt dabei Berücksichtigung gefunden haben, liegen nach Auskunft des GBA nicht vor.

49

Zudem war der angesprochene Expertenkonsens Anfang des Jahres 2005 und damit bereits vor der Erteilung der Genehmigung zur Teilnahme des Klägers am DMP-Vertrag Ende des Jahres 2008 und mehr als fünf Jahre vor der Neuregelung zu den Mindestpatientenzahlen durch den für den Bezirk der Beklagten vereinbarten DMP-Vertrag vom 10.6.2010 erzielt worden. In nachfolgenden Beschlüssen des GBA, die Qualitätsanforderungen im DMP Diabetes mellitus Typ 2 zum Gegenstand hatten (Empfehlungen des GBA an das BMG vom 15.5.2008, Beschluss des GBA vom 21.1.2016, BAnz AT 24.5.2016 B2), sind Regelungen zu Mindestpatientenzahlen nicht mehr thematisiert worden. Ferner ist nichts dafür ersichtlich, dass sich im Rahmen der nach § 137f Abs 4 S 1 SGB V vorgeschriebenen Evaluation der DMP "auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards" Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Patientenzahlen und Qualität der Behandlung von Diabetikern ergeben hätten. Das ist auch von der Beklagten nicht geltend gemacht worden. Auch im Übrigen sind keine Studien ersichtlich, die einen Zusammenhang zwischen Menge und Qualität bei der Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 wenigstens wahrscheinlich erscheinen lassen. In dem Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) vom 7.11.2011 zu einer im Auftrag des GBA erstellten "systematischen Leitlinienrecherche und -bewertung sowie Extraktion neuer und relevanter Empfehlungen für das DMP Diabetes mellitus Typ 2" wird ein Aktualisierungs- und Ergänzungsbedarf im Hinblick auf Mindestpatientenzahlen ebenfalls nicht bezeichnet.

50

Im Übrigen könnte der Umstand, dass es sich bei dem Diabetes mellitus Typ 2 um eine relativ häufig auftretende Erkrankung handelt, eher gegen die Notwendigkeit sprechen, durch hohe Mindestpatientenzahlen ein besonders ausgeprägtes Maß an Erfahrungen des einzelnen Arztes und seiner Angestellten zu gewährleisten. Insoweit unterscheidet sich die Behandlung im Rahmen von DMP (die gerade auf die Behandlung von Krankheiten mit hoher Prävalenz ausgerichtet sind, vgl BT-Drucks 14/6432 S 11, zu § 137 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V)grundlegend von der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach § 116b SGB V. Im Unterschied zu den Krankenhausbehandlungen, für die in Richtlinien des GBA Mindestmengen vorgegeben worden sind, handelt es sich bei der Behandlung von Diabetes mellitus nicht um eine hochspezialisierte und komplexe Leistung, die ein besonders hohes Maß an Übung und Erfahrung voraussetzt. Deshalb müsste bei der Prüfung eines möglichen Zusammenhangs zwischen Menge und Qualität auch die Bedeutung des Arzt-Patienten-Kontakts gerade bei der Behandlung von Diabetes und damit auch einer wohnortnahen Versorgung berücksichtigt werden. Zu prüfen wäre dabei auch, ob sich die Einbeziehung eines weiteren Arztes neben dem Hausarzt in die Versorgung von Diabetikern möglicherweise nachteilig auf die Qualität auswirken kann. Jedenfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Frage, ob über Mindestmengen ein Beitrag zur Qualitätssicherung zu erreichen ist, bezogen auf strukturierte Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten wie dem Diabetes mellitus Typ 2 anders zu beantworten ist als bezogen auf die Krankenhausbehandlungen und die Behandlungen im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung, für die Mindestmengen festgelegt worden sind.

51

4. Für den Fall, dass ein Zusammenhang zwischen Menge und Qualität künftig aufgrund von wissenschaftlichen Studien belegt werden kann, weist der Senat darauf hin, dass die Einführung oder Erhöhung der Mindestpatientenzahl regelmäßig eine Übergangsregelung voraussetzen wird, die die berechtigten Interessen der bereits am DMP teilnehmenden Ärzte ausreichend schützt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes eine Verpflichtung des grundrechtseinschränkenden Gesetzgebers zur Schaffung von Übergangsregelungen für diejenigen, die eine künftig unzulässige Tätigkeit in der Vergangenheit in erlaubter Weise ausgeübt haben (BSG Urteil vom 18.3.1998 - B 6 KA 23/97 R - BSGE 82, 55, 62 = SozR 3-2500 § 135 Nr 9 S 45 = Juris RdNr 26 mwN; BVerfG Urteil vom 27.10.1998 - 1 BvR 2306/96 - BVerfGE 98, 265, 309 = Juris RdNr 188; vgl die umfänglichen Nachweise in BVerfG Beschluss vom 5.5.1987 - 1 BvR 724/81, ua - BVerfGE 75, 246, 279; einschränkend allerdings bezogen auf Qualifikationsanforderungen, die nicht den Kernbereich des Fachgebiets betreffen: BSG Urteil vom 6.9.2000 - B 6 KA 36/99 R - SozR 3-2500 § 135 Nr 15 S 78 = Juris RdNr 22). Regelmäßig liegt es nicht im Ermessen des Gesetzgebers, ob er sich zu Übergangsregelungen entschließt; sofern das Gesetz nicht akute Missstände in der Berufswelt unterbinden soll, steht dem Gesetzgeber lediglich die Ausgestaltung der Übergangsregelung frei (vgl BVerfG Beschluss vom 28.7.1971 - 1 BvR 40/69, ua - BVerfGE 32, 1, 38; BVerfG Beschluss vom 28.11.1984 - 1 BvL 13/81 - BVerfGE 68, 272, 287). Für Diabetiker ist insoweit zu beachten, dass sich eine Struktur von spezialisierten Praxen entwickelt hat, in denen die betroffenen Patienten nach dem Willen des Gesetzgebers und den im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung zuständigen Vertragspartnern versorgt werden sollen. Das macht eine strikte Abgrenzung an Hand des Kriteriums "Kernbereich des Fachgebietes", die etwa dem Senatsurteil vom 6.9.2000 (B 6 KA 36/99 R - SozR 3-2500 § 135 Nr 15 S 78 f = Juris RdNr 22 ff) zugrunde liegt, problematisch. In diesem Urteil ging es um die Anforderungen an die Qualität von arthroskopischen Operationen, von denen der Senat angenommen hat, sie gehörten nicht zu den das Fachgebiet der Chirurgie prägenden Leistungen. Das lässt sich so auf einen Vertragsarzt, der die Zusatzbezeichnung Diabetologie führt, nicht übertragen.

52

Den genannten Anforderungen dürften die im DMP-Vertrag vom 10.6.2010 in der Fassung des Nachtrags vom 30.11.2010 formulierten Vorgaben zu Mindestpatientenzahlen - jedenfalls bezogen auf Ärzte, die wie der Kläger gesetzlich krankenversicherte Diabetiker in nennenswertem Umfang behandelt haben - nicht gerecht werden. § 7 Abs 6 DMP-Vertrag enthält zwar formal eine Übergangsregelung. Wie bereits oben dargelegt, betrifft diese aber nicht die auf 250 je Quartal im Jahresschnitt festgelegte Mindestpatientenzahl. Die mit DMP-Vertrag vom 10.6.2010 mWv 1.7.2010 vereinbarte Mindestpatientenzahl musste nach § 7 Abs 6 Buchst a DMP-Vertrag bereits im Durchschnitt der ersten vier Quartale erreicht werden, die auf das Inkrafttreten des neuen DMP-Vertrages folgten. Ein Arzt mit einer besonderen Qualifikation im Bereich der Behandlung von Diabetikern, der, wie der Kläger, als Altrechtsinhaber deutlich weniger als die ab dem 1.7.2010 geforderten 250 Patienten im Jahresdurchschnitt behandelt hat, hatte deshalb keine realistische Chance seine Patientenzahl kurzfristig so zu steigern, dass er die Mindestpatientenzahl in den vier Quartalen nach Inkrafttreten des geänderten DMP-Vertrages (III/2010 bis II/2011) hätte erreichen können. Für akute Missstände, auf die mit der geänderten Festlegung zur Mindestpatientenzahl zu reagieren war, gibt es keine Hinweise.

53

Jedenfalls sind Übergangsregelungen nicht ausreichend, soweit niedergelassene Vertragsärzte, die die Mindestpatientenzahl nicht erreichen, keine realistische Aussicht haben, die Voraussetzung für die Teilnahme durch eine Erhöhung der Patientenzahl wieder zu erfüllen. Dem entsprechend hat es das BVerfG grundsätzlich nicht für zulässig gehalten, die Fortsetzung einer bisher rechtmäßig ausgeübten ärztlichen Tätigkeit davon abhängig zu machen, dass der Arzt die volle Weiterbildung zum Facharzt nachholt (vgl BVerfG Urteil vom 27.10.1998 - 1 BvR 2306/96 - BVerfGE 98, 265, 310 = Juris RdNr 189). An einer realistischen Möglichkeit für Vertragsärzte, die Teilnahmevoraussetzungen wieder zu erfüllen, würde es auch fehlen, wenn die Auffassung des Klägers zutreffen würde, nach der eine erneute Genehmigung zur Teilnahme am DMP davon abhängig wäre, dass der Arzt "innerhalb von fünf Jahren vor Antragstellung" mindestens ein Jahr eine diabetologische Tätigkeit in einer Diabeteseinrichtung verrichtet hat (vgl Anlage 2c a <4> DMP-Vertrag). Ein niedergelassener Vertragsarzt, dessen Tätigkeit in einer Diabeteseinrichtung zum Zeitpunkt der erneuten Antragstellung bereits mehr als fünf Jahre zurückliegt, hat regelmäßig nicht die Möglichkeit, seine Tätigkeit für ein Jahr zu unterbrechen, um erneut in einer Diabeteseinrichtung tätig zu werden. Die Beklagte vertritt indes - ohne Hinweis auf die ihrer Ansicht nach insoweit einschlägigen Regelungen - die Auffassung, dass der Zeitrahmen von fünf Jahren nur bei erstmaliger Beantragung der Genehmigung zur Teilnahme am DMP-Vertrag maßgebend sei. Zweifelhaft erscheint jedoch, ob der Wortlaut des DMP-Vertrages eine solche Auslegung zulässt.

54

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Da sich neben dem unterlegenen Beklagten auch die Beigeladene zu 1. im Revisionsverfahren durch ihre Antragstellung am Kostenrisiko beteiligt hat, haben der Beklagte und die Beigeladene zu 1. die Kosten des Revisionsverfahrens - mit Ausnahme der Kosten der übrigen Beigeladenen, die keine Anträge gestellt haben (vgl § 162 Abs 3 VwGO) - je zur Hälfte zu tragen (§ 154 Abs 1, Abs 3 VwGO). Im Klage- und im Berufungsverfahren haben die Beigeladenen keine Anträge gestellt, sodass der unterlegene Beklagte die Kosten insoweit alleine trägt.

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(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Förderung der Qualität ein gestuftes System von Folgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen nach den §§ 136 bis 136c festzulegen. Er ist ermächtigt, neben Maßnahmen zur Beratung und Unterstützung b

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(1) Die Krankenkassen und ihre Verbände können im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung zur Verbesserung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Versorgung Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Verfahrens-, Organisations-, Finanzierungs-

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(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizi

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(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 gründet ein fachlich unabhängiges, wissenschaftliches Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen. Hierzu errichtet er eine Stiftung des privaten Rechts, die Trägerin des Instituts

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Die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk einschließlich de

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(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss fasst für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patientinnen und Patienten auch Beschlüsse über1.die im Abstand von fünf Jahren zu erbringenden Nachweise über die Erfüllung der Fortbildungspfl

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(1) Für die Durchführung und Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs übermitteln die Krankenkassen für jedes Jahr bis zum 15. August des jeweiligen Folgejahres je Versicherten1.die Versichertentagea)mit den Risikomerkmalen nach § 266 Absatz 2

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 43 Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation


(1) Die Krankenkasse kann neben den Leistungen, die nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 sowie nach §§ 73 und 74 des Neunten Buches als ergänzende Leistungen zu erbringen sind, 1. solche Leistungen zur Rehabilitation ganz oder teilweise erbringen oder förder

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 137g Zulassung strukturierter Behandlungsprogramme


(1) Das Bundesamt für Soziale Sicherung hat auf Antrag einer oder mehrerer Krankenkassen oder eines Verbandes der Krankenkassen die Zulassung von Programmen nach § 137f Abs. 1 zu erteilen, wenn die Programme und die zu ihrer Durchführung geschlossene

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(1) Die Krankenkasse kann neben den Leistungen, die nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 sowie nach §§ 73 und 74 des Neunten Buches als ergänzende Leistungen zu erbringen sind,

1.
solche Leistungen zur Rehabilitation ganz oder teilweise erbringen oder fördern, die unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um das Ziel der Rehabilitation zu erreichen oder zu sichern, aber nicht zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder den Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung gehören,
2.
wirksame und effiziente Patientenschulungsmaßnahmen für chronisch Kranke erbringen; Angehörige und ständige Betreuungspersonen sind einzubeziehen, wenn dies aus medizinischen Gründen erforderlich ist,
wenn zuletzt die Krankenkasse Krankenbehandlung geleistet hat oder leistet.

(2) Die Krankenkasse erbringt aus medizinischen Gründen in unmittelbarem Anschluss an eine Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs. 1 oder stationäre Rehabilitation erforderliche sozialmedizinische Nachsorgemaßnahmen für chronisch kranke oder schwerstkranke Kinder und Jugendliche, die das 14. Lebensjahr, in besonders schwerwiegenden Fällen das 18. Lebensjahr, noch nicht vollendet haben, wenn die Nachsorge wegen der Art, Schwere und Dauer der Erkrankung notwendig ist, um den stationären Aufenthalt zu verkürzen oder die anschließende ambulante ärztliche Behandlung zu sichern. Die Nachsorgemaßnahmen umfassen die im Einzelfall erforderliche Koordinierung der verordneten Leistungen sowie Anleitung und Motivation zu deren Inanspruchnahme. Angehörige und ständige Betreuungspersonen sind einzubeziehen, wenn dies aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt das Nähere zu den Voraussetzungen sowie zu Inhalt und Qualität der Nachsorgemaßnahmen.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen; die Landesverbände der Krankenkassen schließen die Gesamtverträge mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Für die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gilt Satz 1 entsprechend, soweit die ärztliche Versorgung durch die Kassenärztliche Vereinigung sichergestellt wird. § 82 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Kassenindividuelle oder kassenartenspezifische Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Gesamtverträge sein; § 71 Absatz 6 gilt entsprechend. Satz 4 gilt nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 gründet ein fachlich unabhängiges, wissenschaftliches Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen. Hierzu errichtet er eine Stiftung des privaten Rechts, die Trägerin des Instituts ist.

(2) Der Vorstand der Stiftung bestellt die Institutsleitung mit Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit. Das Bundesministerium für Gesundheit entsendet ein Mitglied in den Vorstand der Stiftung.

(3) Das Institut arbeitet im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses an Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur Darstellung der Versorgungsqualität im Gesundheitswesen. Es soll insbesondere beauftragt werden,

1.
für die Messung und Darstellung der Versorgungsqualität möglichst sektorenübergreifend abgestimmte risikoadjustierte Indikatoren und Instrumente einschließlich Module für Patientenbefragungen auch in digitaler Form zu entwickeln,
2.
die notwendige Dokumentation für die einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung unter Berücksichtigung des Gebotes der Datensparsamkeit zu entwickeln,
3.
sich an der Durchführung der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung zu beteiligen und dabei, soweit erforderlich, die weiteren Einrichtungen nach Satz 3 einzubeziehen,
4.
die Ergebnisse der Qualitätssicherungsmaßnahmen in geeigneter Weise und in einer für die Allgemeinheit verständlichen Form zu veröffentlichen,
5.
auf der Grundlage geeigneter Daten, die in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser veröffentlicht werden, einrichtungsbezogen vergleichende risikoadjustierte Übersichten über die Qualität in maßgeblichen Bereichen der stationären Versorgung zu erstellen und in einer für die Allgemeinheit verständlichen Form im Internet zu veröffentlichen; Ergebnisse nach Nummer 6 sollen einbezogen werden,
6.
für die Weiterentwicklung der Qualitätssicherung zu ausgewählten Leistungen die Qualität der ambulanten und stationären Versorgung zusätzlich auf der Grundlage geeigneter Sozialdaten darzustellen, die dem Institut von den Krankenkassen nach § 299 Absatz 1a auf der Grundlage von Richtlinien und Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses übermittelt werden, sowie
7.
Kriterien zur Bewertung von Zertifikaten und Qualitätssiegeln, die in der ambulanten und stationären Versorgung verbreitet sind, zu entwickeln und anhand dieser Kriterien über die Aussagekraft dieser Zertifikate und Qualitätssiegel in einer für die Allgemeinheit verständlichen Form zu informieren.
In den Fällen, in denen weitere Einrichtungen an der Durchführung der verpflichtenden Maßnahmen der Qualitätssicherung nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 mitwirken, haben diese dem Institut nach Absatz 1 auf der Grundlage der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung die für die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach Satz 2 erforderlichen Daten zu übermitteln. Bei der Entwicklung von Patientenbefragungen nach Satz 2 Nummer 1 soll das Institut vorhandene national oder international anerkannte Befragungsinstrumente berücksichtigen.

(4) Die den Gemeinsamen Bundesausschuss bildenden Institutionen, die unparteiischen Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses, das Bundesministerium für Gesundheit und die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen maßgeblichen Organisationen auf Bundesebene können die Beauftragung des Instituts beim Gemeinsamen Bundesausschuss beantragen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann das Institut unmittelbar mit Untersuchungen und Handlungsempfehlungen zu den Aufgaben nach Absatz 3 für den Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragen. Das Institut kann einen Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit ablehnen, es sei denn, das Bundesministerium für Gesundheit übernimmt die Finanzierung der Bearbeitung des Auftrags. Das Institut kann sich auch ohne Auftrag mit Aufgaben nach Absatz 3 befassen; der Vorstand der Stiftung ist hierüber von der Institutsleitung unverzüglich zu informieren. Für die Tätigkeit nach Satz 4 können jährlich bis zu 10 Prozent der Haushaltsmittel eingesetzt werden, die dem Institut zur Verfügung stehen. Die Ergebnisse der Arbeiten nach Satz 4 sind dem Gemeinsamen Bundesausschuss und dem Bundesministerium für Gesundheit vor der Veröffentlichung vorzulegen.

(5) Das Institut hat zu gewährleisten, dass die Aufgaben nach Absatz 3 auf Basis der maßgeblichen, international anerkannten Standards der Wissenschaften erfüllt werden. Hierzu ist in der Stiftungssatzung ein wissenschaftlicher Beirat aus unabhängigen Sachverständigen vorzusehen, der das Institut in grundsätzlichen Fragen berät. Die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats werden auf Vorschlag der Institutsleitung einvernehmlich vom Vorstand der Stiftung bestellt. Der wissenschaftliche Beirat kann dem Institut Vorschläge für eine Befassung nach Absatz 4 Satz 4 machen.

(6) Zur Erledigung der Aufgaben nach Absatz 3 kann das Institut im Einvernehmen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss insbesondere Forschungs- und Entwicklungsaufträge an externe Sachverständige vergeben; soweit hierbei personenbezogene Daten übermittelt werden sollen, gilt § 299.

(7) Bei der Entwicklung der Inhalte nach Absatz 3 sind zu beteiligen:

1.
die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen,
2.
die Deutsche Krankenhausgesellschaft,
3.
der Spitzenverband Bund der Krankenkassen,
4.
der Verband der Privaten Krankenversicherung,
5.
die Bundesärztekammer, die Bundeszahnärztekammer und die Bundespsychotherapeutenkammer,
6.
die Berufsorganisationen der Krankenpflegeberufe,
7.
die wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften,
8.
das Deutsche Netzwerk Versorgungsforschung,
9.
die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen maßgeblichen Organisationen auf Bundesebene,
10.
der oder die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten,
11.
zwei von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder zu bestimmende Vertreter sowie
12.
die Bundesoberbehörden im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit, soweit ihre Aufgabenbereiche berührt sind.

(8) Für die Finanzierung des Instituts gilt § 139c entsprechend.

(9) Zur Sicherstellung der fachlichen Unabhängigkeit des Instituts hat der Stiftungsvorstand dafür Sorge zu tragen, dass Interessenkonflikte von Beschäftigten des Instituts sowie von allen anderen an der Aufgabenerfüllung nach Absatz 3 beteiligten Personen und Institutionen vermieden werden.

(10) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann das Institut oder eine andere an der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung beteiligte Stelle beauftragen, die bei den verpflichtenden Maßnahmen der Qualitätssicherung nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erhobenen Daten auf Antrag eines Dritten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und der Weiterentwicklung der Qualitätssicherung auszuwerten. Jede natürliche oder juristische Person kann hierzu beim Gemeinsamen Bundesausschuss oder bei einer nach Satz 1 beauftragten Stelle einen Antrag auf Auswertung und Übermittlung der Auswertungsergebnisse stellen. Das Institut oder eine andere nach Satz 1 beauftragte Stelle übermittelt dem Antragstellenden nach Prüfung des berechtigten Interesses die anonymisierten Auswertungsergebnisse, wenn dieser sich bei der Antragstellung zur Übernahme der entstehenden Kosten bereit erklärt hat. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in der Verfahrensordnung für die Auswertung der nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erhobenen Daten und die Übermittlung der Auswertungsergebnisse unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben und des Gebotes der Datensicherheit ein transparentes Verfahren sowie das Nähere zum Verfahren der Kostenübernahme nach Satz 3. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Verbesserung des Datenschutzes und der Datensicherheit das für die Wahrnehmung der Aufgaben nach den Sätzen 1 und 3 notwendige Datenschutzkonzept regelmäßig durch unabhängige Gutachter prüfen und bewerten zu lassen; das Ergebnis der Prüfung ist zu veröffentlichen.

(11) Der Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt das Institut, die bei den verpflichtenden Maßnahmen der Qualitätssicherung nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erhobenen Daten den für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden oder von diesen bestimmten Stellen auf Antrag für konkrete Zwecke der qualitätsorientierten Krankenhausplanung oder ihrer Weiterentwicklung, soweit erforderlich auch einrichtungsbezogen sowie versichertenbezogen, in pseudonymisierter Form zu übermitteln. Die Landesbehörde hat ein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung der Daten darzulegen und sicherzustellen, dass die Daten nur für die im Antrag genannten konkreten Zwecke verarbeitet werden. Eine Übermittlung der Daten durch die Landesbehörden oder von diesen bestimmten Stellen an Dritte ist nicht zulässig. In dem Antrag ist der Tag, bis zu dem die übermittelten Daten aufbewahrt werden dürfen, genau zu bezeichnen. Absatz 10 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, soweit

1.
der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist,
2.
mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, der eine Geld- oder Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes zuerkennt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn

1.
die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird,
2.
mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
Der Verwaltungsakt darf mit Wirkung für die Vergangenheit nicht widerrufen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einem Widerruf schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zum Widerruf des Verwaltungsaktes geführt haben. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen; die Landesverbände der Krankenkassen schließen die Gesamtverträge mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Für die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gilt Satz 1 entsprechend, soweit die ärztliche Versorgung durch die Kassenärztliche Vereinigung sichergestellt wird. § 82 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Kassenindividuelle oder kassenartenspezifische Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Gesamtverträge sein; § 71 Absatz 6 gilt entsprechend. Satz 4 gilt nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

(1) Für die Durchführung und Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs übermitteln die Krankenkassen für jedes Jahr bis zum 15. August des jeweiligen Folgejahres je Versicherten

1.
die Versichertentage
a)
mit den Risikomerkmalen nach § 266 Absatz 2 mit Ausnahme der Morbidität und der regionalen Merkmale,
b)
mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Länderkennzeichens,
c)
mit Wahl der Kostenerstattung für den Bereich der ärztlichen Versorgung, differenziert nach § 13 Absatz 2 und § 53 Absatz 4,
2.
den amtlichen Gemeindeschlüssel des Wohnorts,
3.
die Leistungsausgaben in der Gliederung und nach den Bestimmungen des Kontenrahmens,
4.
die bei Krankenhausentlassung maßgeblichen Haupt- und Nebendiagnosen nach § 301 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 in der Verschlüsselung nach § 301 Absatz 2 Satz 1,
5.
die Diagnosen nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 sowie die Angaben nach § 295 Absatz 1 Satz 4, bei der Abrechnung von Leistungen im Rahmen von Verträgen nach den §§ 73b und 140a einschließlich der Vertragsnummer nach § 293a Absatz 1 Satz 4,
6.
die Arzneimittelkennzeichen nach § 300 Absatz 3 Satz 1 einschließlich der vereinbarten Sonderkennzeichen sowie jeweils die Anzahl der Verordnungen,
7.
die Angabe über die Durchführung von extrakorporalen Blutreinigungsverfahren
nach Maßgabe dieser Vorschrift an das Bundesamt für Soziale Sicherung. Eine unmittelbare oder mittelbare Einwirkung der Krankenkassen auf den Inhalt der Leistungsdaten nach den §§ 294 bis 303 und die Art und Weise der Aufzeichnung insbesondere unter Verstoß gegen § 71 Absatz 6 Satz 10, § 73b Absatz 5 Satz 7, § 83 Satz 4, § 140a Absatz 2 Satz 10 und § 303 Absatz 4 ist unzulässig, soweit sie in diesem Buch nicht vorgeschrieben oder zugelassen ist.

(2) Für die Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs übermitteln die Krankenkassen für jedes Jahr bis zum 15. August des jeweiligen Folgejahres je Versicherten die Versichertentage mit Bezug einer Erwerbsminderungsrente an das Bundesamt für Soziale Sicherung.

(3) Die Krankenkassen übermitteln die Daten nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 in pseudonymisierter und maschinenlesbarer Form über den Spitzenverband Bund der Krankenkassen an das Bundesamt für Soziale Sicherung. Der Schlüssel für die Herstellung des Pseudonyms ist vom Beauftragten für den Datenschutz der Krankenkasse aufzubewahren und darf anderen Personen nicht zugänglich gemacht werden. Die Herstellung des Versichertenbezugs ist bei den Daten nach Absatz 1 Satz 1 zulässig, soweit dies für die Klärung doppelter Versicherungsverhältnisse oder für die Prüfung der Richtigkeit der Daten erforderlich ist. Über die Pseudonymisierung in der Krankenkasse und über jede Herstellung des Versichertenbezugs ist ein Protokoll anzufertigen, das bei dem Beauftragten für den Datenschutz der Krankenkasse aufzubewahren ist.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit bestimmt in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 das Nähere zu den Fristen der Datenübermittlung und zum Verfahren der Verarbeitung der nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 zu übermittelnden Daten. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Soziale Sicherung das Nähere zum Verfahren nach Absatz 3 Satz 1.

(5) Die Kosten für die Datenübermittlung nach dieser Vorschrift werden von den betroffenen Krankenkassen getragen.

(6) Zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs analysiert das Bundesamt für Soziale Sicherung den Zusammenhang zwischen den Leistungsausgaben eines Versicherten in den vorangegangenen drei Jahren und den Leistungsausgaben eines Versicherten im Ausgleichsjahr 2019. Hierfür übermitteln die Krankenkassen bis zum 15. August 2020 für die Berichtsjahre 2016 bis 2018 die Daten nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung an das Bundesamt für Soziale Sicherung; Absatz 3 gilt entsprechend. Das Nähere über das Verfahren der Datenmeldung bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Soziale Sicherung in der Bestimmung nach Absatz 4 Satz 2. Das Ergebnis der Untersuchung nach Satz 1 ist dem Bundesministerium für Gesundheit spätestens mit Übergabe des ersten Gutachtens nach § 266 Absatz 10 vorzulegen.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten nicht für die landwirtschaftliche Krankenkasse.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

(1) Die Krankenkassen erhalten als Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds (§ 271) zur Deckung ihrer Ausgaben eine Grundpauschale und risikoadjustierte Zu- und Abschläge zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen und Zuweisungen für sonstige Ausgaben (§ 270). Mit den risikoadjustierten Zuweisungen wird jährlich ein Risikostrukturausgleich durchgeführt. Durch diesen werden die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden zwischen den Krankenkassen ausgeglichen, die sich aus der Verteilung der Versicherten auf nach Risikomerkmalen getrennte Risikogruppen gemäß Absatz 2 ergeben.

(2) Die Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen erfolgt anhand der Risikomerkmale Alter, Geschlecht, Morbidität, regionalen Merkmalen und danach, ob die Mitglieder Anspruch auf Krankengeld nach § 44 haben. Die Morbidität der Versicherten wird auf der Grundlage von Diagnosen, Diagnosegruppen, Indikationen, Indikationengruppen, medizinischen Leistungen oder Kombinationen dieser Merkmale unmittelbar berücksichtigt. Regionale Merkmale sind solche, die die unterschiedliche Ausgabenstruktur der Region beeinflussen können.

(3) Die Grundpauschale und die risikoadjustierten Zu- und Abschläge dienen zur Deckung der standardisierten Leistungsausgaben der Krankenkassen.

(4) Die Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben nach Absatz 3 orientiert sich an der Höhe der durchschnittlichen krankheitsspezifischen Leistungsausgaben der den Risikogruppen zugeordneten Versicherten. Dabei bleiben außer Betracht

1.
die von Dritten erstatteten Ausgaben,
2.
Aufwendungen für satzungsgemäße Mehr- und Erprobungsleistungen sowie für Leistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.
Die Aufwendungen für die Leistungen der Knappschaftsärzte und -zahnärzte werden in der gleichen Weise berechnet wie für Vertragsärzte und -zahnärzte.

(5) Die Bildung der Risikogruppen nach Absatz 2 und die Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben nach Absatz 3 erfolgt nach Kriterien, die zugleich

1.
Anreize zu Risikoselektion verringern und
2.
keine Anreize zu medizinisch nicht gerechtfertigten Leistungsausweitungen setzen.

(6) Das Bundesamt für Soziale Sicherung ermittelt die Höhe der Zuweisungen und weist die entsprechenden Mittel den Krankenkassen zu. Es gibt für die Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 jährlich bekannt

1.
die Höhe der standardisierten Leistungsausgaben aller am Ausgleich beteiligten Krankenkassen je Versicherten, getrennt nach Risikogruppen nach Absatz 2, und
2.
die Höhe der risikoadjustierten Zu- und Abschläge.
Das Bundesamt für Soziale Sicherung kann zum Zwecke der einheitlichen Zuordnung und Erfassung der für die Berechnung maßgeblichen Daten über die Vorlage der Geschäfts- und Rechnungsergebnisse hinaus weitere Auskünfte und Nachweise verlangen.

(7) Das Bundesamt für Soziale Sicherung stellt im Voraus für ein Kalenderjahr die Werte nach Absatz 6 Satz 2 Nr. 1 und 2 vorläufig fest. Es legt bei der Berechnung der Höhe der monatlichen Zuweisungen die Werte nach Satz 1 und die zuletzt erhobenen Versichertenzahlen der Krankenkassen je Risikogruppe nach Absatz 2 zugrunde. Nach Ablauf des Kalenderjahres ist die Höhe der Zuweisungen für jede Krankenkasse vom Bundesamt für Soziale Sicherung aus den für dieses Jahr erstellten Geschäfts- und Rechnungsergebnissen und den für dieses Jahr erhobenen Versichertenzahlen der beteiligten Krankenkassen zu ermitteln. Die nach Satz 2 erhaltenen Zuweisungen gelten als Abschlagszahlungen. Sie sind nach der Ermittlung der endgültigen Höhe der Zuweisung für das Geschäftsjahr nach Satz 3 auszugleichen. Werden nach Abschluss der Ermittlung der Werte nach Satz 3 sachliche oder rechnerische Fehler in den Berechnungsgrundlagen festgestellt, hat das Bundesamt für Soziale Sicherung diese bei der nächsten Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach den dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen. Klagen gegen die Höhe der Zuweisungen im Risikostrukturausgleich einschließlich der hierauf entfallenden Nebenkosten haben keine aufschiebende Wirkung.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über

1.
die Ermittlung der Höhe der Grundpauschale nach Absatz 1 Satz 1, der Werte nach Absatz 6 sowie die Art, den Umfang und den Zeitpunkt der Bekanntmachung der für die Durchführung des Risikoausgleichsverfahrens erforderlichen Berechnungswerte,
2.
die Abgrenzung und die Verfahren der Standardisierung der Leistungsausgaben nach den Absätzen 3 bis 6; dabei können für Risikogruppen, die nach dem Anspruch der Mitglieder auf Krankengeld zu bilden sind, besondere Standardisierungsverfahren und Abgrenzungen für die Berücksichtigung des Krankengeldes geregelt werden,
2a.
die Abgrenzung und die Verfahren der Standardisierung der sonstigen Ausgaben nach § 270, die Kriterien der Zuweisung der Mittel zur Deckung dieser Ausgaben sowie das Verfahren der Verarbeitung der nach § 270 Absatz 2 zu übermittelnden Daten,
2b.
die Abgrenzung der zu berücksichtigenden Risikogruppen nach Absatz 2 einschließlich der Altersabstände zwischen den Altersgruppen, auch abweichend von Absatz 2; hierzu gehört auch die Festlegung des Verfahrens zur Auswahl der regionalen Merkmale,
3.
die Festlegung der Anforderungen an die Zulassung der Programme nach § 137g hinsichtlich des Verfahrens der Einschreibung der Versicherten einschließlich der Dauer der Teilnahme und des Verfahrens der Verarbeitung der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten,
4.
die Berechnungsverfahren sowie die Durchführung des Zahlungsverkehrs,
5.
die Fälligkeit der Beträge und die Erhebung von Säumniszuschlägen,
6.
das Verfahren und die Durchführung des Ausgleichs einschließlich des Ausschlusses von Risikogruppen, die anhand der Morbidität der Versicherten gebildet werden, mit den höchsten relativen Steigerungsraten,
7.
die Umsetzung der Vorgaben nach Absatz 5 und 12,
8.
die Vergütung des wissenschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung für die Erstellung von Gutachten nach Absatz 10,
9.
die Prüfung der von den Krankenkassen mitzuteilenden Daten durch die mit der Prüfung nach § 274 befassten Stellen einschließlich der Folgen fehlerhafter Datenlieferungen oder nicht prüfbarer Daten sowie das Verfahren der Prüfung und der Prüfkriterien, auch abweichend von § 274.
Abweichend von Satz 1 können die Verordnungsregelungen zu Satz 1 Nr. 3 ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden.

(9) Die landwirtschaftliche Krankenkasse nimmt am Risikostrukturausgleich nicht teil.

(10) Die Wirkungen des Risikostrukturausgleichs insbesondere auf den Wettbewerb der Krankenkassen und die Manipulationsresistenz des Risikostrukturausgleichs sind regelmäßig, mindestens alle vier Jahre, durch den wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung in einem Gutachten zu überprüfen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann den Gegenstand des Gutachtens näher bestimmen; im Jahr 2023 sind gesondert die Wirkungen der regionalen Merkmale als Risikomerkmal im Risikostrukturausgleich zu untersuchen. Die Wirkungen des Ausschlusses von Risikogruppen nach § 18 Absatz 1 Satz 4 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung insbesondere auf die Manipulationsresistenz und Zielgenauigkeit des Risikostrukturausgleichs einschließlich der Einhaltung der Vorgaben des § 266 Absatz 5 sind zusätzlich zu dem Gutachten nach Satz 2 zweiter Halbsatz durch den wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung im Jahr 2023 zu untersuchen. Für den Zweck des Gutachtens nach Satz 3 ist auch die Veränderung der Häufigkeit der Diagnosen nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 unter Berücksichtigung der Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen zu untersuchen.

(11) Die Krankenkassen erhalten die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für die Ausgleichsjahre 2019 und 2020 nach Maßgabe der §§ 266 bis 270 in der bis zum 31. März 2020 geltenden Fassung. Die Anpassung der Datenmeldung nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung gemäß § 7 Absatz 1 Satz 3 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung ist ab dem Ausgleichsjahr 2021 bei den Zuweisungen nach Absatz 3 zu berücksichtigen. Die Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen, die nach dem Anspruch der Mitglieder auf Krankengeld zu bilden sind, erfolgt für das Ausgleichsjahr 2020 danach, ob die Mitglieder Anspruch auf Krankengeld nach den §§ 44 und 45 haben.

(12) Bei den Zuweisungen nach Absatz 3 werden die finanziellen Auswirkungen der Bildung von Risikogruppen anhand von regionalen Merkmalen nach Absatz 2 durch Zu- und Abschläge im Ausgleichsjahr 2021 auf 75 Prozent begrenzt. Die Begrenzung erfolgt für alle Länder jeweils einheitlich für die Summe der Zuweisungen nach Absatz 3 für die Versicherten mit Wohnsitz in einem Land. Durch die Zu- und Abschläge werden 25 Prozent der Differenz der hypothetischen Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 ohne Bildung von Risikogruppen anhand von regionalen Merkmalen und der Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 einheitlich auf die Versicherten mit Wohnsitz in einem Land verteilt.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

(1) Das Bundesamt für Soziale Sicherung hat auf Antrag einer oder mehrerer Krankenkassen oder eines Verbandes der Krankenkassen die Zulassung von Programmen nach § 137f Abs. 1 zu erteilen, wenn die Programme und die zu ihrer Durchführung geschlossenen Verträge die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f und in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 genannten Anforderungen erfüllen. Dabei kann es wissenschaftliche Sachverständige hinzuziehen. Die Zulassung kann mit Auflagen und Bedingungen versehen werden. Die Zulassung ist innerhalb von drei Monaten zu erteilen. Die Frist nach Satz 4 gilt als gewahrt, wenn die Zulassung aus Gründen, die von der Krankenkasse zu vertreten sind, nicht innerhalb dieser Frist erteilt werden kann. Die Zulassung wird mit dem Tage wirksam, an dem die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f und in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 genannten Anforderungen erfüllt und die Verträge nach Satz 1 geschlossen sind, frühestens mit dem Tag der Antragstellung, nicht jedoch vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinien und Verordnungsregelungen. Für die Bescheiderteilung sind Kosten deckende Gebühren zu erheben. Die Kosten werden nach dem tatsächlich entstandenen Personal- und Sachaufwand berechnet. Zusätzlich zu den Personalkosten entstehende Verwaltungsausgaben sind den Kosten in ihrer tatsächlichen Höhe hinzuzurechnen. Soweit dem Bundesamt für Soziale Sicherung im Zusammenhang mit der Zulassung von Programmen nach § 137f Abs. 1 notwendige Vorhaltekosten entstehen, die durch die Gebühren nach Satz 7 nicht gedeckt sind, sind diese aus dem Gesundheitsfonds zu finanzieren. Das Nähere über die Berechnung der Kosten nach den Sätzen 8 und 9 und über die Berücksichtigung der Kosten nach Satz 10 im Risikostrukturausgleich regelt das Bundesministerium für Gesundheit ohne Zustimmung des Bundesrates in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1. In der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 kann vorgesehen werden, dass die tatsächlich entstandenen Kosten nach den Sätzen 8 und 9 auf der Grundlage pauschalierter Kostensätze zu berechnen sind. Klagen gegen die Gebührenbescheide des Bundesamtes für Soziale Sicherung haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Die Programme und die zu ihrer Durchführung geschlossenen Verträge sind unverzüglich, spätestens innerhalb eines Jahres an Änderungen der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f und der in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 genannten Anforderungen anzupassen. Satz 1 gilt entsprechend für Programme, deren Zulassung bei Inkrafttreten von Änderungen der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f und der in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 genannten Anforderungen bereits beantragt ist. Die Krankenkasse hat dem Bundesamt für Soziale Sicherung die angepassten Verträge unverzüglich vorzulegen und es über die Anpassung der Programme unverzüglich zu unterrichten. Abweichend von § 140a Absatz 1 Satz 4 müssen Verträge, die nach § 73a, § 73c oder § 140a in der jeweils am 22. Juli 2015 geltenden Fassung zur Durchführung der Programme geschlossen wurden, nicht bis zum 31. Dezember 2024 durch Verträge nach § 140a ersetzt oder beendet werden; wird ein solcher Vertrag durch einen Vertrag nach § 140a ersetzt, folgt daraus allein keine Pflicht zur Vorlage oder Unterrichtung nach Satz 3.

(3) Die Zulassung eines Programms ist mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn das Programm und die zu seiner Durchführung geschlossenen Verträge die rechtlichen Anforderungen nicht mehr erfüllen. Die Zulassung ist mit Wirkung zum Beginn des Bewertungszeitraums aufzuheben, für den die Evaluation nach § 137f Absatz 4 Satz 1 nicht gemäß den Anforderungen nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f durchgeführt wurde. Sie ist mit Wirkung zum Beginn des Kalenderjahres aufzuheben, für das ein Qualitätsbericht nach § 137f Absatz 4 Satz 2 nicht fristgerecht vorgelegt worden ist.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

(1) Das Bundesamt für Soziale Sicherung hat auf Antrag einer oder mehrerer Krankenkassen oder eines Verbandes der Krankenkassen die Zulassung von Programmen nach § 137f Abs. 1 zu erteilen, wenn die Programme und die zu ihrer Durchführung geschlossenen Verträge die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f und in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 genannten Anforderungen erfüllen. Dabei kann es wissenschaftliche Sachverständige hinzuziehen. Die Zulassung kann mit Auflagen und Bedingungen versehen werden. Die Zulassung ist innerhalb von drei Monaten zu erteilen. Die Frist nach Satz 4 gilt als gewahrt, wenn die Zulassung aus Gründen, die von der Krankenkasse zu vertreten sind, nicht innerhalb dieser Frist erteilt werden kann. Die Zulassung wird mit dem Tage wirksam, an dem die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f und in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 genannten Anforderungen erfüllt und die Verträge nach Satz 1 geschlossen sind, frühestens mit dem Tag der Antragstellung, nicht jedoch vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinien und Verordnungsregelungen. Für die Bescheiderteilung sind Kosten deckende Gebühren zu erheben. Die Kosten werden nach dem tatsächlich entstandenen Personal- und Sachaufwand berechnet. Zusätzlich zu den Personalkosten entstehende Verwaltungsausgaben sind den Kosten in ihrer tatsächlichen Höhe hinzuzurechnen. Soweit dem Bundesamt für Soziale Sicherung im Zusammenhang mit der Zulassung von Programmen nach § 137f Abs. 1 notwendige Vorhaltekosten entstehen, die durch die Gebühren nach Satz 7 nicht gedeckt sind, sind diese aus dem Gesundheitsfonds zu finanzieren. Das Nähere über die Berechnung der Kosten nach den Sätzen 8 und 9 und über die Berücksichtigung der Kosten nach Satz 10 im Risikostrukturausgleich regelt das Bundesministerium für Gesundheit ohne Zustimmung des Bundesrates in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1. In der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 kann vorgesehen werden, dass die tatsächlich entstandenen Kosten nach den Sätzen 8 und 9 auf der Grundlage pauschalierter Kostensätze zu berechnen sind. Klagen gegen die Gebührenbescheide des Bundesamtes für Soziale Sicherung haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Die Programme und die zu ihrer Durchführung geschlossenen Verträge sind unverzüglich, spätestens innerhalb eines Jahres an Änderungen der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f und der in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 genannten Anforderungen anzupassen. Satz 1 gilt entsprechend für Programme, deren Zulassung bei Inkrafttreten von Änderungen der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f und der in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 genannten Anforderungen bereits beantragt ist. Die Krankenkasse hat dem Bundesamt für Soziale Sicherung die angepassten Verträge unverzüglich vorzulegen und es über die Anpassung der Programme unverzüglich zu unterrichten. Abweichend von § 140a Absatz 1 Satz 4 müssen Verträge, die nach § 73a, § 73c oder § 140a in der jeweils am 22. Juli 2015 geltenden Fassung zur Durchführung der Programme geschlossen wurden, nicht bis zum 31. Dezember 2024 durch Verträge nach § 140a ersetzt oder beendet werden; wird ein solcher Vertrag durch einen Vertrag nach § 140a ersetzt, folgt daraus allein keine Pflicht zur Vorlage oder Unterrichtung nach Satz 3.

(3) Die Zulassung eines Programms ist mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn das Programm und die zu seiner Durchführung geschlossenen Verträge die rechtlichen Anforderungen nicht mehr erfüllen. Die Zulassung ist mit Wirkung zum Beginn des Bewertungszeitraums aufzuheben, für den die Evaluation nach § 137f Absatz 4 Satz 1 nicht gemäß den Anforderungen nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f durchgeführt wurde. Sie ist mit Wirkung zum Beginn des Kalenderjahres aufzuheben, für das ein Qualitätsbericht nach § 137f Absatz 4 Satz 2 nicht fristgerecht vorgelegt worden ist.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen; die Landesverbände der Krankenkassen schließen die Gesamtverträge mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Für die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gilt Satz 1 entsprechend, soweit die ärztliche Versorgung durch die Kassenärztliche Vereinigung sichergestellt wird. § 82 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Kassenindividuelle oder kassenartenspezifische Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Gesamtverträge sein; § 71 Absatz 6 gilt entsprechend. Satz 4 gilt nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen; die Landesverbände der Krankenkassen schließen die Gesamtverträge mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Für die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gilt Satz 1 entsprechend, soweit die ärztliche Versorgung durch die Kassenärztliche Vereinigung sichergestellt wird. § 82 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Kassenindividuelle oder kassenartenspezifische Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Gesamtverträge sein; § 71 Absatz 6 gilt entsprechend. Satz 4 gilt nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

Die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen; die Landesverbände der Krankenkassen schließen die Gesamtverträge mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Für die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gilt Satz 1 entsprechend, soweit die ärztliche Versorgung durch die Kassenärztliche Vereinigung sichergestellt wird. § 82 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Kassenindividuelle oder kassenartenspezifische Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Gesamtverträge sein; § 71 Absatz 6 gilt entsprechend. Satz 4 gilt nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

(1) Die Krankenkassen erhalten als Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds (§ 271) zur Deckung ihrer Ausgaben eine Grundpauschale und risikoadjustierte Zu- und Abschläge zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen und Zuweisungen für sonstige Ausgaben (§ 270). Mit den risikoadjustierten Zuweisungen wird jährlich ein Risikostrukturausgleich durchgeführt. Durch diesen werden die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden zwischen den Krankenkassen ausgeglichen, die sich aus der Verteilung der Versicherten auf nach Risikomerkmalen getrennte Risikogruppen gemäß Absatz 2 ergeben.

(2) Die Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen erfolgt anhand der Risikomerkmale Alter, Geschlecht, Morbidität, regionalen Merkmalen und danach, ob die Mitglieder Anspruch auf Krankengeld nach § 44 haben. Die Morbidität der Versicherten wird auf der Grundlage von Diagnosen, Diagnosegruppen, Indikationen, Indikationengruppen, medizinischen Leistungen oder Kombinationen dieser Merkmale unmittelbar berücksichtigt. Regionale Merkmale sind solche, die die unterschiedliche Ausgabenstruktur der Region beeinflussen können.

(3) Die Grundpauschale und die risikoadjustierten Zu- und Abschläge dienen zur Deckung der standardisierten Leistungsausgaben der Krankenkassen.

(4) Die Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben nach Absatz 3 orientiert sich an der Höhe der durchschnittlichen krankheitsspezifischen Leistungsausgaben der den Risikogruppen zugeordneten Versicherten. Dabei bleiben außer Betracht

1.
die von Dritten erstatteten Ausgaben,
2.
Aufwendungen für satzungsgemäße Mehr- und Erprobungsleistungen sowie für Leistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.
Die Aufwendungen für die Leistungen der Knappschaftsärzte und -zahnärzte werden in der gleichen Weise berechnet wie für Vertragsärzte und -zahnärzte.

(5) Die Bildung der Risikogruppen nach Absatz 2 und die Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben nach Absatz 3 erfolgt nach Kriterien, die zugleich

1.
Anreize zu Risikoselektion verringern und
2.
keine Anreize zu medizinisch nicht gerechtfertigten Leistungsausweitungen setzen.

(6) Das Bundesamt für Soziale Sicherung ermittelt die Höhe der Zuweisungen und weist die entsprechenden Mittel den Krankenkassen zu. Es gibt für die Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 jährlich bekannt

1.
die Höhe der standardisierten Leistungsausgaben aller am Ausgleich beteiligten Krankenkassen je Versicherten, getrennt nach Risikogruppen nach Absatz 2, und
2.
die Höhe der risikoadjustierten Zu- und Abschläge.
Das Bundesamt für Soziale Sicherung kann zum Zwecke der einheitlichen Zuordnung und Erfassung der für die Berechnung maßgeblichen Daten über die Vorlage der Geschäfts- und Rechnungsergebnisse hinaus weitere Auskünfte und Nachweise verlangen.

(7) Das Bundesamt für Soziale Sicherung stellt im Voraus für ein Kalenderjahr die Werte nach Absatz 6 Satz 2 Nr. 1 und 2 vorläufig fest. Es legt bei der Berechnung der Höhe der monatlichen Zuweisungen die Werte nach Satz 1 und die zuletzt erhobenen Versichertenzahlen der Krankenkassen je Risikogruppe nach Absatz 2 zugrunde. Nach Ablauf des Kalenderjahres ist die Höhe der Zuweisungen für jede Krankenkasse vom Bundesamt für Soziale Sicherung aus den für dieses Jahr erstellten Geschäfts- und Rechnungsergebnissen und den für dieses Jahr erhobenen Versichertenzahlen der beteiligten Krankenkassen zu ermitteln. Die nach Satz 2 erhaltenen Zuweisungen gelten als Abschlagszahlungen. Sie sind nach der Ermittlung der endgültigen Höhe der Zuweisung für das Geschäftsjahr nach Satz 3 auszugleichen. Werden nach Abschluss der Ermittlung der Werte nach Satz 3 sachliche oder rechnerische Fehler in den Berechnungsgrundlagen festgestellt, hat das Bundesamt für Soziale Sicherung diese bei der nächsten Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach den dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen. Klagen gegen die Höhe der Zuweisungen im Risikostrukturausgleich einschließlich der hierauf entfallenden Nebenkosten haben keine aufschiebende Wirkung.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über

1.
die Ermittlung der Höhe der Grundpauschale nach Absatz 1 Satz 1, der Werte nach Absatz 6 sowie die Art, den Umfang und den Zeitpunkt der Bekanntmachung der für die Durchführung des Risikoausgleichsverfahrens erforderlichen Berechnungswerte,
2.
die Abgrenzung und die Verfahren der Standardisierung der Leistungsausgaben nach den Absätzen 3 bis 6; dabei können für Risikogruppen, die nach dem Anspruch der Mitglieder auf Krankengeld zu bilden sind, besondere Standardisierungsverfahren und Abgrenzungen für die Berücksichtigung des Krankengeldes geregelt werden,
2a.
die Abgrenzung und die Verfahren der Standardisierung der sonstigen Ausgaben nach § 270, die Kriterien der Zuweisung der Mittel zur Deckung dieser Ausgaben sowie das Verfahren der Verarbeitung der nach § 270 Absatz 2 zu übermittelnden Daten,
2b.
die Abgrenzung der zu berücksichtigenden Risikogruppen nach Absatz 2 einschließlich der Altersabstände zwischen den Altersgruppen, auch abweichend von Absatz 2; hierzu gehört auch die Festlegung des Verfahrens zur Auswahl der regionalen Merkmale,
3.
die Festlegung der Anforderungen an die Zulassung der Programme nach § 137g hinsichtlich des Verfahrens der Einschreibung der Versicherten einschließlich der Dauer der Teilnahme und des Verfahrens der Verarbeitung der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten,
4.
die Berechnungsverfahren sowie die Durchführung des Zahlungsverkehrs,
5.
die Fälligkeit der Beträge und die Erhebung von Säumniszuschlägen,
6.
das Verfahren und die Durchführung des Ausgleichs einschließlich des Ausschlusses von Risikogruppen, die anhand der Morbidität der Versicherten gebildet werden, mit den höchsten relativen Steigerungsraten,
7.
die Umsetzung der Vorgaben nach Absatz 5 und 12,
8.
die Vergütung des wissenschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung für die Erstellung von Gutachten nach Absatz 10,
9.
die Prüfung der von den Krankenkassen mitzuteilenden Daten durch die mit der Prüfung nach § 274 befassten Stellen einschließlich der Folgen fehlerhafter Datenlieferungen oder nicht prüfbarer Daten sowie das Verfahren der Prüfung und der Prüfkriterien, auch abweichend von § 274.
Abweichend von Satz 1 können die Verordnungsregelungen zu Satz 1 Nr. 3 ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden.

(9) Die landwirtschaftliche Krankenkasse nimmt am Risikostrukturausgleich nicht teil.

(10) Die Wirkungen des Risikostrukturausgleichs insbesondere auf den Wettbewerb der Krankenkassen und die Manipulationsresistenz des Risikostrukturausgleichs sind regelmäßig, mindestens alle vier Jahre, durch den wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung in einem Gutachten zu überprüfen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann den Gegenstand des Gutachtens näher bestimmen; im Jahr 2023 sind gesondert die Wirkungen der regionalen Merkmale als Risikomerkmal im Risikostrukturausgleich zu untersuchen. Die Wirkungen des Ausschlusses von Risikogruppen nach § 18 Absatz 1 Satz 4 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung insbesondere auf die Manipulationsresistenz und Zielgenauigkeit des Risikostrukturausgleichs einschließlich der Einhaltung der Vorgaben des § 266 Absatz 5 sind zusätzlich zu dem Gutachten nach Satz 2 zweiter Halbsatz durch den wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung im Jahr 2023 zu untersuchen. Für den Zweck des Gutachtens nach Satz 3 ist auch die Veränderung der Häufigkeit der Diagnosen nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 unter Berücksichtigung der Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen zu untersuchen.

(11) Die Krankenkassen erhalten die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für die Ausgleichsjahre 2019 und 2020 nach Maßgabe der §§ 266 bis 270 in der bis zum 31. März 2020 geltenden Fassung. Die Anpassung der Datenmeldung nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung gemäß § 7 Absatz 1 Satz 3 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung ist ab dem Ausgleichsjahr 2021 bei den Zuweisungen nach Absatz 3 zu berücksichtigen. Die Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen, die nach dem Anspruch der Mitglieder auf Krankengeld zu bilden sind, erfolgt für das Ausgleichsjahr 2020 danach, ob die Mitglieder Anspruch auf Krankengeld nach den §§ 44 und 45 haben.

(12) Bei den Zuweisungen nach Absatz 3 werden die finanziellen Auswirkungen der Bildung von Risikogruppen anhand von regionalen Merkmalen nach Absatz 2 durch Zu- und Abschläge im Ausgleichsjahr 2021 auf 75 Prozent begrenzt. Die Begrenzung erfolgt für alle Länder jeweils einheitlich für die Summe der Zuweisungen nach Absatz 3 für die Versicherten mit Wohnsitz in einem Land. Durch die Zu- und Abschläge werden 25 Prozent der Differenz der hypothetischen Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 ohne Bildung von Risikogruppen anhand von regionalen Merkmalen und der Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 einheitlich auf die Versicherten mit Wohnsitz in einem Land verteilt.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 gründet ein fachlich unabhängiges, wissenschaftliches Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen. Hierzu errichtet er eine Stiftung des privaten Rechts, die Trägerin des Instituts ist.

(2) Der Vorstand der Stiftung bestellt die Institutsleitung mit Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit. Das Bundesministerium für Gesundheit entsendet ein Mitglied in den Vorstand der Stiftung.

(3) Das Institut arbeitet im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses an Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur Darstellung der Versorgungsqualität im Gesundheitswesen. Es soll insbesondere beauftragt werden,

1.
für die Messung und Darstellung der Versorgungsqualität möglichst sektorenübergreifend abgestimmte risikoadjustierte Indikatoren und Instrumente einschließlich Module für Patientenbefragungen auch in digitaler Form zu entwickeln,
2.
die notwendige Dokumentation für die einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung unter Berücksichtigung des Gebotes der Datensparsamkeit zu entwickeln,
3.
sich an der Durchführung der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung zu beteiligen und dabei, soweit erforderlich, die weiteren Einrichtungen nach Satz 3 einzubeziehen,
4.
die Ergebnisse der Qualitätssicherungsmaßnahmen in geeigneter Weise und in einer für die Allgemeinheit verständlichen Form zu veröffentlichen,
5.
auf der Grundlage geeigneter Daten, die in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser veröffentlicht werden, einrichtungsbezogen vergleichende risikoadjustierte Übersichten über die Qualität in maßgeblichen Bereichen der stationären Versorgung zu erstellen und in einer für die Allgemeinheit verständlichen Form im Internet zu veröffentlichen; Ergebnisse nach Nummer 6 sollen einbezogen werden,
6.
für die Weiterentwicklung der Qualitätssicherung zu ausgewählten Leistungen die Qualität der ambulanten und stationären Versorgung zusätzlich auf der Grundlage geeigneter Sozialdaten darzustellen, die dem Institut von den Krankenkassen nach § 299 Absatz 1a auf der Grundlage von Richtlinien und Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses übermittelt werden, sowie
7.
Kriterien zur Bewertung von Zertifikaten und Qualitätssiegeln, die in der ambulanten und stationären Versorgung verbreitet sind, zu entwickeln und anhand dieser Kriterien über die Aussagekraft dieser Zertifikate und Qualitätssiegel in einer für die Allgemeinheit verständlichen Form zu informieren.
In den Fällen, in denen weitere Einrichtungen an der Durchführung der verpflichtenden Maßnahmen der Qualitätssicherung nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 mitwirken, haben diese dem Institut nach Absatz 1 auf der Grundlage der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung die für die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach Satz 2 erforderlichen Daten zu übermitteln. Bei der Entwicklung von Patientenbefragungen nach Satz 2 Nummer 1 soll das Institut vorhandene national oder international anerkannte Befragungsinstrumente berücksichtigen.

(4) Die den Gemeinsamen Bundesausschuss bildenden Institutionen, die unparteiischen Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses, das Bundesministerium für Gesundheit und die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen maßgeblichen Organisationen auf Bundesebene können die Beauftragung des Instituts beim Gemeinsamen Bundesausschuss beantragen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann das Institut unmittelbar mit Untersuchungen und Handlungsempfehlungen zu den Aufgaben nach Absatz 3 für den Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragen. Das Institut kann einen Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit ablehnen, es sei denn, das Bundesministerium für Gesundheit übernimmt die Finanzierung der Bearbeitung des Auftrags. Das Institut kann sich auch ohne Auftrag mit Aufgaben nach Absatz 3 befassen; der Vorstand der Stiftung ist hierüber von der Institutsleitung unverzüglich zu informieren. Für die Tätigkeit nach Satz 4 können jährlich bis zu 10 Prozent der Haushaltsmittel eingesetzt werden, die dem Institut zur Verfügung stehen. Die Ergebnisse der Arbeiten nach Satz 4 sind dem Gemeinsamen Bundesausschuss und dem Bundesministerium für Gesundheit vor der Veröffentlichung vorzulegen.

(5) Das Institut hat zu gewährleisten, dass die Aufgaben nach Absatz 3 auf Basis der maßgeblichen, international anerkannten Standards der Wissenschaften erfüllt werden. Hierzu ist in der Stiftungssatzung ein wissenschaftlicher Beirat aus unabhängigen Sachverständigen vorzusehen, der das Institut in grundsätzlichen Fragen berät. Die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats werden auf Vorschlag der Institutsleitung einvernehmlich vom Vorstand der Stiftung bestellt. Der wissenschaftliche Beirat kann dem Institut Vorschläge für eine Befassung nach Absatz 4 Satz 4 machen.

(6) Zur Erledigung der Aufgaben nach Absatz 3 kann das Institut im Einvernehmen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss insbesondere Forschungs- und Entwicklungsaufträge an externe Sachverständige vergeben; soweit hierbei personenbezogene Daten übermittelt werden sollen, gilt § 299.

(7) Bei der Entwicklung der Inhalte nach Absatz 3 sind zu beteiligen:

1.
die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen,
2.
die Deutsche Krankenhausgesellschaft,
3.
der Spitzenverband Bund der Krankenkassen,
4.
der Verband der Privaten Krankenversicherung,
5.
die Bundesärztekammer, die Bundeszahnärztekammer und die Bundespsychotherapeutenkammer,
6.
die Berufsorganisationen der Krankenpflegeberufe,
7.
die wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften,
8.
das Deutsche Netzwerk Versorgungsforschung,
9.
die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen maßgeblichen Organisationen auf Bundesebene,
10.
der oder die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten,
11.
zwei von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder zu bestimmende Vertreter sowie
12.
die Bundesoberbehörden im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit, soweit ihre Aufgabenbereiche berührt sind.

(8) Für die Finanzierung des Instituts gilt § 139c entsprechend.

(9) Zur Sicherstellung der fachlichen Unabhängigkeit des Instituts hat der Stiftungsvorstand dafür Sorge zu tragen, dass Interessenkonflikte von Beschäftigten des Instituts sowie von allen anderen an der Aufgabenerfüllung nach Absatz 3 beteiligten Personen und Institutionen vermieden werden.

(10) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann das Institut oder eine andere an der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung beteiligte Stelle beauftragen, die bei den verpflichtenden Maßnahmen der Qualitätssicherung nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erhobenen Daten auf Antrag eines Dritten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und der Weiterentwicklung der Qualitätssicherung auszuwerten. Jede natürliche oder juristische Person kann hierzu beim Gemeinsamen Bundesausschuss oder bei einer nach Satz 1 beauftragten Stelle einen Antrag auf Auswertung und Übermittlung der Auswertungsergebnisse stellen. Das Institut oder eine andere nach Satz 1 beauftragte Stelle übermittelt dem Antragstellenden nach Prüfung des berechtigten Interesses die anonymisierten Auswertungsergebnisse, wenn dieser sich bei der Antragstellung zur Übernahme der entstehenden Kosten bereit erklärt hat. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in der Verfahrensordnung für die Auswertung der nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erhobenen Daten und die Übermittlung der Auswertungsergebnisse unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben und des Gebotes der Datensicherheit ein transparentes Verfahren sowie das Nähere zum Verfahren der Kostenübernahme nach Satz 3. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Verbesserung des Datenschutzes und der Datensicherheit das für die Wahrnehmung der Aufgaben nach den Sätzen 1 und 3 notwendige Datenschutzkonzept regelmäßig durch unabhängige Gutachter prüfen und bewerten zu lassen; das Ergebnis der Prüfung ist zu veröffentlichen.

(11) Der Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt das Institut, die bei den verpflichtenden Maßnahmen der Qualitätssicherung nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erhobenen Daten den für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden oder von diesen bestimmten Stellen auf Antrag für konkrete Zwecke der qualitätsorientierten Krankenhausplanung oder ihrer Weiterentwicklung, soweit erforderlich auch einrichtungsbezogen sowie versichertenbezogen, in pseudonymisierter Form zu übermitteln. Die Landesbehörde hat ein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung der Daten darzulegen und sicherzustellen, dass die Daten nur für die im Antrag genannten konkreten Zwecke verarbeitet werden. Eine Übermittlung der Daten durch die Landesbehörden oder von diesen bestimmten Stellen an Dritte ist nicht zulässig. In dem Antrag ist der Tag, bis zu dem die übermittelten Daten aufbewahrt werden dürfen, genau zu bezeichnen. Absatz 10 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Das Bundesamt für Soziale Sicherung hat auf Antrag einer oder mehrerer Krankenkassen oder eines Verbandes der Krankenkassen die Zulassung von Programmen nach § 137f Abs. 1 zu erteilen, wenn die Programme und die zu ihrer Durchführung geschlossenen Verträge die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f und in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 genannten Anforderungen erfüllen. Dabei kann es wissenschaftliche Sachverständige hinzuziehen. Die Zulassung kann mit Auflagen und Bedingungen versehen werden. Die Zulassung ist innerhalb von drei Monaten zu erteilen. Die Frist nach Satz 4 gilt als gewahrt, wenn die Zulassung aus Gründen, die von der Krankenkasse zu vertreten sind, nicht innerhalb dieser Frist erteilt werden kann. Die Zulassung wird mit dem Tage wirksam, an dem die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f und in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 genannten Anforderungen erfüllt und die Verträge nach Satz 1 geschlossen sind, frühestens mit dem Tag der Antragstellung, nicht jedoch vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinien und Verordnungsregelungen. Für die Bescheiderteilung sind Kosten deckende Gebühren zu erheben. Die Kosten werden nach dem tatsächlich entstandenen Personal- und Sachaufwand berechnet. Zusätzlich zu den Personalkosten entstehende Verwaltungsausgaben sind den Kosten in ihrer tatsächlichen Höhe hinzuzurechnen. Soweit dem Bundesamt für Soziale Sicherung im Zusammenhang mit der Zulassung von Programmen nach § 137f Abs. 1 notwendige Vorhaltekosten entstehen, die durch die Gebühren nach Satz 7 nicht gedeckt sind, sind diese aus dem Gesundheitsfonds zu finanzieren. Das Nähere über die Berechnung der Kosten nach den Sätzen 8 und 9 und über die Berücksichtigung der Kosten nach Satz 10 im Risikostrukturausgleich regelt das Bundesministerium für Gesundheit ohne Zustimmung des Bundesrates in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1. In der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 kann vorgesehen werden, dass die tatsächlich entstandenen Kosten nach den Sätzen 8 und 9 auf der Grundlage pauschalierter Kostensätze zu berechnen sind. Klagen gegen die Gebührenbescheide des Bundesamtes für Soziale Sicherung haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Die Programme und die zu ihrer Durchführung geschlossenen Verträge sind unverzüglich, spätestens innerhalb eines Jahres an Änderungen der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f und der in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 genannten Anforderungen anzupassen. Satz 1 gilt entsprechend für Programme, deren Zulassung bei Inkrafttreten von Änderungen der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f und der in der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 genannten Anforderungen bereits beantragt ist. Die Krankenkasse hat dem Bundesamt für Soziale Sicherung die angepassten Verträge unverzüglich vorzulegen und es über die Anpassung der Programme unverzüglich zu unterrichten. Abweichend von § 140a Absatz 1 Satz 4 müssen Verträge, die nach § 73a, § 73c oder § 140a in der jeweils am 22. Juli 2015 geltenden Fassung zur Durchführung der Programme geschlossen wurden, nicht bis zum 31. Dezember 2024 durch Verträge nach § 140a ersetzt oder beendet werden; wird ein solcher Vertrag durch einen Vertrag nach § 140a ersetzt, folgt daraus allein keine Pflicht zur Vorlage oder Unterrichtung nach Satz 3.

(3) Die Zulassung eines Programms ist mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn das Programm und die zu seiner Durchführung geschlossenen Verträge die rechtlichen Anforderungen nicht mehr erfüllen. Die Zulassung ist mit Wirkung zum Beginn des Bewertungszeitraums aufzuheben, für den die Evaluation nach § 137f Absatz 4 Satz 1 nicht gemäß den Anforderungen nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f durchgeführt wurde. Sie ist mit Wirkung zum Beginn des Kalenderjahres aufzuheben, für das ein Qualitätsbericht nach § 137f Absatz 4 Satz 2 nicht fristgerecht vorgelegt worden ist.

(1) Die Krankenkassen erhalten als Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds (§ 271) zur Deckung ihrer Ausgaben eine Grundpauschale und risikoadjustierte Zu- und Abschläge zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen und Zuweisungen für sonstige Ausgaben (§ 270). Mit den risikoadjustierten Zuweisungen wird jährlich ein Risikostrukturausgleich durchgeführt. Durch diesen werden die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden zwischen den Krankenkassen ausgeglichen, die sich aus der Verteilung der Versicherten auf nach Risikomerkmalen getrennte Risikogruppen gemäß Absatz 2 ergeben.

(2) Die Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen erfolgt anhand der Risikomerkmale Alter, Geschlecht, Morbidität, regionalen Merkmalen und danach, ob die Mitglieder Anspruch auf Krankengeld nach § 44 haben. Die Morbidität der Versicherten wird auf der Grundlage von Diagnosen, Diagnosegruppen, Indikationen, Indikationengruppen, medizinischen Leistungen oder Kombinationen dieser Merkmale unmittelbar berücksichtigt. Regionale Merkmale sind solche, die die unterschiedliche Ausgabenstruktur der Region beeinflussen können.

(3) Die Grundpauschale und die risikoadjustierten Zu- und Abschläge dienen zur Deckung der standardisierten Leistungsausgaben der Krankenkassen.

(4) Die Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben nach Absatz 3 orientiert sich an der Höhe der durchschnittlichen krankheitsspezifischen Leistungsausgaben der den Risikogruppen zugeordneten Versicherten. Dabei bleiben außer Betracht

1.
die von Dritten erstatteten Ausgaben,
2.
Aufwendungen für satzungsgemäße Mehr- und Erprobungsleistungen sowie für Leistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.
Die Aufwendungen für die Leistungen der Knappschaftsärzte und -zahnärzte werden in der gleichen Weise berechnet wie für Vertragsärzte und -zahnärzte.

(5) Die Bildung der Risikogruppen nach Absatz 2 und die Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben nach Absatz 3 erfolgt nach Kriterien, die zugleich

1.
Anreize zu Risikoselektion verringern und
2.
keine Anreize zu medizinisch nicht gerechtfertigten Leistungsausweitungen setzen.

(6) Das Bundesamt für Soziale Sicherung ermittelt die Höhe der Zuweisungen und weist die entsprechenden Mittel den Krankenkassen zu. Es gibt für die Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 jährlich bekannt

1.
die Höhe der standardisierten Leistungsausgaben aller am Ausgleich beteiligten Krankenkassen je Versicherten, getrennt nach Risikogruppen nach Absatz 2, und
2.
die Höhe der risikoadjustierten Zu- und Abschläge.
Das Bundesamt für Soziale Sicherung kann zum Zwecke der einheitlichen Zuordnung und Erfassung der für die Berechnung maßgeblichen Daten über die Vorlage der Geschäfts- und Rechnungsergebnisse hinaus weitere Auskünfte und Nachweise verlangen.

(7) Das Bundesamt für Soziale Sicherung stellt im Voraus für ein Kalenderjahr die Werte nach Absatz 6 Satz 2 Nr. 1 und 2 vorläufig fest. Es legt bei der Berechnung der Höhe der monatlichen Zuweisungen die Werte nach Satz 1 und die zuletzt erhobenen Versichertenzahlen der Krankenkassen je Risikogruppe nach Absatz 2 zugrunde. Nach Ablauf des Kalenderjahres ist die Höhe der Zuweisungen für jede Krankenkasse vom Bundesamt für Soziale Sicherung aus den für dieses Jahr erstellten Geschäfts- und Rechnungsergebnissen und den für dieses Jahr erhobenen Versichertenzahlen der beteiligten Krankenkassen zu ermitteln. Die nach Satz 2 erhaltenen Zuweisungen gelten als Abschlagszahlungen. Sie sind nach der Ermittlung der endgültigen Höhe der Zuweisung für das Geschäftsjahr nach Satz 3 auszugleichen. Werden nach Abschluss der Ermittlung der Werte nach Satz 3 sachliche oder rechnerische Fehler in den Berechnungsgrundlagen festgestellt, hat das Bundesamt für Soziale Sicherung diese bei der nächsten Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach den dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen. Klagen gegen die Höhe der Zuweisungen im Risikostrukturausgleich einschließlich der hierauf entfallenden Nebenkosten haben keine aufschiebende Wirkung.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über

1.
die Ermittlung der Höhe der Grundpauschale nach Absatz 1 Satz 1, der Werte nach Absatz 6 sowie die Art, den Umfang und den Zeitpunkt der Bekanntmachung der für die Durchführung des Risikoausgleichsverfahrens erforderlichen Berechnungswerte,
2.
die Abgrenzung und die Verfahren der Standardisierung der Leistungsausgaben nach den Absätzen 3 bis 6; dabei können für Risikogruppen, die nach dem Anspruch der Mitglieder auf Krankengeld zu bilden sind, besondere Standardisierungsverfahren und Abgrenzungen für die Berücksichtigung des Krankengeldes geregelt werden,
2a.
die Abgrenzung und die Verfahren der Standardisierung der sonstigen Ausgaben nach § 270, die Kriterien der Zuweisung der Mittel zur Deckung dieser Ausgaben sowie das Verfahren der Verarbeitung der nach § 270 Absatz 2 zu übermittelnden Daten,
2b.
die Abgrenzung der zu berücksichtigenden Risikogruppen nach Absatz 2 einschließlich der Altersabstände zwischen den Altersgruppen, auch abweichend von Absatz 2; hierzu gehört auch die Festlegung des Verfahrens zur Auswahl der regionalen Merkmale,
3.
die Festlegung der Anforderungen an die Zulassung der Programme nach § 137g hinsichtlich des Verfahrens der Einschreibung der Versicherten einschließlich der Dauer der Teilnahme und des Verfahrens der Verarbeitung der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten,
4.
die Berechnungsverfahren sowie die Durchführung des Zahlungsverkehrs,
5.
die Fälligkeit der Beträge und die Erhebung von Säumniszuschlägen,
6.
das Verfahren und die Durchführung des Ausgleichs einschließlich des Ausschlusses von Risikogruppen, die anhand der Morbidität der Versicherten gebildet werden, mit den höchsten relativen Steigerungsraten,
7.
die Umsetzung der Vorgaben nach Absatz 5 und 12,
8.
die Vergütung des wissenschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung für die Erstellung von Gutachten nach Absatz 10,
9.
die Prüfung der von den Krankenkassen mitzuteilenden Daten durch die mit der Prüfung nach § 274 befassten Stellen einschließlich der Folgen fehlerhafter Datenlieferungen oder nicht prüfbarer Daten sowie das Verfahren der Prüfung und der Prüfkriterien, auch abweichend von § 274.
Abweichend von Satz 1 können die Verordnungsregelungen zu Satz 1 Nr. 3 ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden.

(9) Die landwirtschaftliche Krankenkasse nimmt am Risikostrukturausgleich nicht teil.

(10) Die Wirkungen des Risikostrukturausgleichs insbesondere auf den Wettbewerb der Krankenkassen und die Manipulationsresistenz des Risikostrukturausgleichs sind regelmäßig, mindestens alle vier Jahre, durch den wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung in einem Gutachten zu überprüfen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann den Gegenstand des Gutachtens näher bestimmen; im Jahr 2023 sind gesondert die Wirkungen der regionalen Merkmale als Risikomerkmal im Risikostrukturausgleich zu untersuchen. Die Wirkungen des Ausschlusses von Risikogruppen nach § 18 Absatz 1 Satz 4 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung insbesondere auf die Manipulationsresistenz und Zielgenauigkeit des Risikostrukturausgleichs einschließlich der Einhaltung der Vorgaben des § 266 Absatz 5 sind zusätzlich zu dem Gutachten nach Satz 2 zweiter Halbsatz durch den wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung im Jahr 2023 zu untersuchen. Für den Zweck des Gutachtens nach Satz 3 ist auch die Veränderung der Häufigkeit der Diagnosen nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 unter Berücksichtigung der Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen zu untersuchen.

(11) Die Krankenkassen erhalten die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für die Ausgleichsjahre 2019 und 2020 nach Maßgabe der §§ 266 bis 270 in der bis zum 31. März 2020 geltenden Fassung. Die Anpassung der Datenmeldung nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung gemäß § 7 Absatz 1 Satz 3 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung ist ab dem Ausgleichsjahr 2021 bei den Zuweisungen nach Absatz 3 zu berücksichtigen. Die Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen, die nach dem Anspruch der Mitglieder auf Krankengeld zu bilden sind, erfolgt für das Ausgleichsjahr 2020 danach, ob die Mitglieder Anspruch auf Krankengeld nach den §§ 44 und 45 haben.

(12) Bei den Zuweisungen nach Absatz 3 werden die finanziellen Auswirkungen der Bildung von Risikogruppen anhand von regionalen Merkmalen nach Absatz 2 durch Zu- und Abschläge im Ausgleichsjahr 2021 auf 75 Prozent begrenzt. Die Begrenzung erfolgt für alle Länder jeweils einheitlich für die Summe der Zuweisungen nach Absatz 3 für die Versicherten mit Wohnsitz in einem Land. Durch die Zu- und Abschläge werden 25 Prozent der Differenz der hypothetischen Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 ohne Bildung von Risikogruppen anhand von regionalen Merkmalen und der Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 einheitlich auf die Versicherten mit Wohnsitz in einem Land verteilt.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für alle Rechtszüge wird auf 2 500 000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenhausträgerin und der beklagte Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) streiten über die Erhöhung der Mindestmenge jährlich in Perinatalzentren der obersten Kategorie zu behandelnder sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener von 14 auf 30 ab 1.1.2011.

2

Der Gesetzgeber übertrug 2004 dem Beklagten die Kompetenz, für zugelassene Krankenhäuser einen Katalog planbarer Leistungen zu beschließen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände (§ 137 SGB V idF durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190; geändert durch Art 1 Nr 110 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007, BGBl I 378; zuvor abweichende Zuständigkeit, vgl § 137 SGB V idF durch Art 1 Nr 5 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23.4.2002, BGBl I 1412 mit Wirkung vom 30.4.2002). Die Spitzenverbände der Krankenkassen (KKn) beantragten deshalb (7.5.2004), eine Mindestmenge von 40 Geburten für die Behandlung von Neugeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht festzusetzen (<1500 g; very-low-birth-weight infants, im Folgenden: VLBW-Geburten). Sehr geringgewichtige Früh- und Neugeborene sind besonders gefährdet und bedürfen intensiver Behandlung, um gesund zu überleben. Der Beklagte nahm sehr geringgewichtige Früh- und Neugeborene zunächst nicht in die Mindestmengenvereinbarung (MMV) auf (vgl ua MMV vom 20.12.2005, geändert mit Beschluss vom 21.3.2006, BAnz Nr 143 S 5389 vom 2.8.2006; seit 1.1.2012: "Regelungen des" GBA "gemäß § 137 Abs 3 Satz 1 N 2 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser", Beschluss vom 24.11.2011, BAnz Nr 192 vom 21.12.2011 S 4509). Er beschloss lediglich die "Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen" ( vom 20.9.2005, BAnz Nr 143 vom 28.10.2005 S 15684). Sie regelt ua ein vierstufiges Versorgungskonzept. Danach versorgen Perinatalzentren der obersten Kategorie - Level 1 - Früh- und Neugeborene mit einem Gewicht <1250 g und/oder <29+0 Schwangerschaftswoche (SSW; im Folgenden: Level-1-Geburten), Perinatalzentren Level 2 Frühgeborene mit einem Gewicht von 1250 - 1499 g und/oder 29+0 bis 32+0 SSW (im Folgenden: Level-2-Geburten), Perinatale Schwerpunkte Kinder mit einem Geburtsgewicht von mindestens 1500 g bei absehbarer postnataler Therapie und Geburtskliniken reife Neugeborene ohne bestehendes Risiko. Das hiermit beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kam in einem Literaturevidenzbericht zum Ergebnis, es gebe Hinweise auf einen statistischen Zusammenhang, der sich bei steigender Leistungsmenge als Trend zur Risikoreduktion darstelle (14.8.2008). Der Beklagte legte daraufhin fest, dass bei Perinatalzentren Level 1 das Zeitintervall zwischen den Aufnahmen von Level-1-Geburten in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich weniger als 30 Tage zu betragen habe (Änderung der NICU-Vereinbarung, Beschluss vom 18.12.2008, BAnz Nr 65 vom 30.4.2009 S 1574). Der Beklagte ersetzte ab 1.1.2010 die Zeitintervallregelung durch eine Mindestmengenregelung (Änderung der NICU-Vereinbarung und der MMV, Beschluss vom 20.8.2009, BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450). Er bestimmte für Perinatalzentren Level 1 und 2 jeweils Mindestmengen von 14 Geburten. Der Beklagte erhöhte mit Wirkung zum 1.1.2011 die Mindestmenge der Level-1-Geburten auf 30 und hob die Mindestmengenregelung für Perinatalzentren Level 2 ersatzlos auf (hier in seinem ersten Teil streitiger, insoweit vorläufig außer Vollzug gesetzter Beschluss vom 17.6.2010, BAnz Nr 123 vom 18.8.2010 S 2840).

3

Das nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhaus der Klägerin verfügt über eine neonatologische Intensivstation. Dort behandelt es Level-1-Geburten (2006: 8; 2007: 14; 2008: 13; 2009: 16; 2010: 16; 2011: 12; bis einschließlich 11/2012: 19). Das LSG hat auf die unmittelbar gegen die Erhöhung der Mindestmenge auf 30 Level-1-Geburten gerichtete Klage festgestellt, diese Regelung sei nichtig: Es gebe keine durch kontrollierte Studien gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses in Form der Reduzierung der Mortalität in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen von Level-1-Geburten abhänge. Eine besondere Kausalität könne dem IQWiG-Bericht nicht entnommen werden. Er beschreibe lediglich eine statistische Assoziation zwischen Ergebnisqualität und Menge (Urteil vom 21.12.2011).

4

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung des Art 19 Abs 4 GG, des § 55 SGG und des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Die Klage sei schon unzulässig, weil anderweitiger Rechtsschutz im Rahmen von Entscheidungen nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und nach § 109 Abs 1 S 5 SGB V zumutbar sei. Die Klage sei auch unbegründet. Die angegriffene Mindestmengenregelung sei als Maßnahme der vorsorglichen Risikominimierung durch § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V gedeckt.

5

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Dezember 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Dezember 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des beklagten GBA ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Der erkennende, für Angelegenheiten der Krankenversicherung zuständige Senat ist zur Entscheidung in der Sache berufen, die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt (dazu 1.). Das LSG hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Erhöhung der Mindestmenge für Perinatalzentren der obersten Kategorie (Level 1) mit Wirkung vom 1.1.2011 von 14 auf 30 Fälle pro Jahr und Einrichtung nichtig ist (dazu 2. - 7.).

9

1. a) Der erkennende 1. Senat des BSG ist geschäftsplanmäßig zuständig, den Rechtsstreit zu entscheiden. Die Sache betrifft eine Angelegenheit der Sozialversicherung (§ 10 Abs 1, § 12 Abs 2 S 1, § 31 Abs 1 S 1, § 40 S 1 SGG), nämlich der Krankenversicherung, und nicht eine solche des Vertragsarztrechts (§ 10 Abs 2, § 12 Abs 2, § 31 Abs 2, § 40 S 2 SGG). Entgegen der Auffassung des LSG erfasst § 10 Abs 1 SGG auch Klagen, die sich unmittelbar gegen Entscheidungen des Beklagten richten, wenn sie die Regelung von Mindestmengen nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V betreffen. Der Gesetzgeber hat die hier einschlägige Gruppe der Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien (RL) des GBA lediglich in den Ausnahmefällen dem Vertragsarztrecht zugeordnet, in denen diese ausschließlich die vertragsärztliche Versorgung betreffen, nicht aber zumindest auch die stationäre Versorgung (vgl § 10 Abs 2 S 2 Nr 1 SGG idF durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011, BGBl I 3057, und hierzu BT-Drucks 17/6764 S 26, entsprechend der bereits zuvor vertretenen Rechtsauffassung des erkennenden 1. und des 3. Senats, BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 9 f, abweichend von der damaligen Rechtsauffassung des 6. Senats, vgl BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 19 ff; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 15 ff; zur inzwischen übereinstimmenden Auslegung vgl zusammenfassender Standpunkt des 1., 3. und 6. Senats des BSG zu § 10 Abs 2 SGG unter B.II.1. Buchst b Nr 3, abgedruckt in SGb 2012, 495 ff).

10

b) Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die unmittelbar gegen die Erhöhung der Mindestmenge (Beschluss des Beklagten vom 17.6.2010, BAnz Nr 123 vom 18.8.2010 S 2840) erhobene Normenfeststellungsklage ist statthaft (dazu aa) und auch im Übrigen zulässig (dazu bb).

11

aa) Die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 GG gebietet es, die Feststellungsklage gegen untergesetzliche Rechtsnormen als statthaft zuzulassen, wenn die Normbetroffenen ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können, etwa weil ihnen nicht zuzumuten ist, Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen Norm abzuwarten oder die Wirkung der Norm ohne anfechtbare Vollzugsakte eintritt (stRspr zur Überprüfung von Rechtsnormen des Beklagten und des Bundesausschusses der Ärzte und KKn: vgl BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 14; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 22; BVerfGE 115, 81, 92 f und S 95 f = SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 42 und 49 ff; vgl dazu BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr 13, RdNr 20 f).

12

Die Mindestmengenbestimmungen des Beklagten sind untergesetzliche Rechtsnormen im genannten Sinne. Der Beklagte regelt hierdurch nach abstrakt-generellem Maßstab, welche zugelassenen Krankenhäuser gegenüber den KKn welche planbaren Leistungen erbringen dürfen. Denn der Beklagte bestimmt für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände(§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V).

13

Die Regelungen über die planbaren Leistungen und die ihnen zugeordneten Mindestmengen sind auch außenwirksam. Sie ergehen als Beschluss (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V idF durch Art 3 Nr 7a Buchst b Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 - Krankenhausfinanzierungsreformgesetz - vom 17.3.2009, BGBl I 534). Die Beschlüsse des Beklagten sind für seine Träger, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich (vgl § 91 Abs 6 SGB V idF durch Art 2 Nr 14 GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378 mit Wirkung vom 1.7.2008; zur Anwendbarkeit vgl Roters, KasselerKomm, Stand 1.10.2012, § 137 SGB V RdNr 27; vgl dementsprechend zur Rechtsnormqualität der RL des Beklagten als untergesetzliche Rechtsnormen zB BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 33; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 21; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 32; vgl auch Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf eines GKV-WSG - BT-Drucks 16/3100 S 180 zu Nr 14 <§ 91 SGB V> Abs 6).

14

§ 137 Abs 3 S 6 SGB V (idF durch Art 1 Nr 110 GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378; bis 30.6.2008: § 137 Abs 2 S 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 54 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000, BGBl I 1999, 2626) schließt die umfassende Bindungswirkung iS von § 91 Abs 6 SGB V nicht aus, indem er die unmittelbare Verbindlichkeit der Mindestmengenbeschlüsse des Beklagten ausdrücklich nur für Krankenhäuser anordnet. Die Regelung galt - mit dem Ziel umfassender Bindungswirkung der genannten Beschlüsse - in der Sache bereits vor Einführung der allgemeinen Vorschrift über die Verbindlichkeit von Beschlüssen des Beklagten in das SGB V (vgl bis 30.6.2008 § 91 Abs 9 SGB V idF durch Art 1 Nr 70 GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190, anknüpfend an bereits zuvor ergangene Rechtsprechung des BSG, zB BSGE 78, 70, 75 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 30; BSGE 81, 73, 81 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 56 ff; BSGE 85, 36, 44 f = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 45; BSGE 87, 105, 110 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7). Der Gesetzgeber sah lediglich von einer redaktionellen Klarstellung des § 137 Abs 3 S 6 SGB V ab.

15

bb) Die Klägerin ist klagebefugt für die begehrte Feststellung, dass die Erhöhung der Mindestmenge auf 30 Level-1-Geburten nichtig ist (§ 55 Abs 1 Halbs 1 Nr 1 iVm § 54 Abs 1 S 2 SGG; dazu (1)). Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an dieser baldigen Feststellung (§ 55 Abs 1 Halbs 2 SGG; dazu (2)).

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(1) Zur Vermeidung einer Popularklage ist auch bei der Feststellungsklage der Rechtsgedanke des § 54 Abs 1 S 2 SGG heranzuziehen, nach dem bei einer zulässigen Rechtsverfolgung "eigene" Rechte betroffen sein müssen(vgl BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 14 mwN; siehe auch BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 25). Hierfür genügt es, dass eine Rechtsverletzung der Klägerin möglich ist (vgl BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 14 mwN). Die Klägerin ist in diesem Sinne klagebefugt, weil nicht ausgeschlossen ist, dass die Mindestmengenregelung eigene Rechte der Klägerin verletzt. Die begehrte Feststellung ist auf ein Rechtsverhältnis gerichtet (§ 55 Abs 1 Halbs 1 Nr 1 SGG), in dem die Klägerin eigene, grundrechtlich (Art 3 Abs 1, Art 12 Abs 1 GG) und einfachrechtlich (§ 108 iVm § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V) geschützte Belange geltend machen kann. Die Klägerin kann als nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus durch die Erhöhung der Mindestmenge beschwert sein. Die Prognose ist aufgrund ihrer bislang erbrachten Leistungen negativ, dass sie voraussichtlich die Mindestmenge von 30 Level-1-Geburten erreichen bzw überschreiten wird. Nach § 137 Abs 3 S 2 SGB V darf sie dann - unabweisbare Notfälle ausgenommen - weder zulasten der KKn noch gegenüber sonstigen Kostenträgern und Selbstzahlern bei Level-1-Geburten Leistungen erbringen(vgl zum Grund für die Anknüpfung an den "Patienten" die Begründung zu Art 1 Nr 5 Buchst a im Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser, BT-Drucks 14/6893 S 30, und die Begründung zu Art 3 Nr 7a der Beschlussempfehlung zum Entwurf eines Gesetzes zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009, BT-Drucks 16/11429 S 47).

17

Die Beschwer entfällt auch nicht deswegen, weil der Beklagte die Erhöhung der Mindestmenge bis zu einer weiteren Entscheidung außer Vollzug gesetzt hat. Insoweit handelt es sich nur um eine vorläufige Außervollzugsetzung, weil der Beklagte sich zugleich vorbehalten hat, nach der Entscheidung des BSG erneut zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine Mindestmenge festgelegt bleibt. Hieraus erwächst der Klägerin weder eine gesicherte Rechtsposition noch ist damit geklärt, ob der Beklagte eine höhere Mindestmenge als 14 Level-1-Geburten festsetzen darf.

18

Auch sind ansonsten keine Gründe ersichtlich, die das Feststellungsinteresse der Klägerin entfallen lassen. Entgegen der Auffassung des Beklagten steht dem Feststellungsinteresse nicht entgegen, dass das LSG offengelassen hat, dass die Klägerin die Voraussetzungen der Anlage 1 der NICU-Vereinbarung (idF des Beschlusses vom 20.8.2009 BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450) erfüllt. Insoweit genügt es, dass die Klägerin tatsächlich Level-1-Geburten versorgt, die KKn bislang die Leistungen vergüten und es jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass die Klägerin die Qualitätssicherungsanforderungen erfüllt. Die Klägerin ist schließlich auch nicht aufgrund eines Bescheides der zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs 3 S 3 SGB V zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung berechtigt, trotz (voraussichtlichen) Nichterreichens der Mindestmenge gleichwohl Level-1-Geburten zu behandeln.

19

(2) Die Klägerin kann - entgegen der Auffassung des Beklagten - nur durch eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Erhöhung der Mindestmenge effektiven Rechtsschutz erlangen. Hieraus erwächst ihr berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung. Die Erhöhung der Mindestmenge auf der Grundlage des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V, die grundsätzlich einheitlich für alle Patienten gilt(vgl dazu BT-Drucks 14/6893 S 30 und BT-Drucks 16/11429 S 47), ist für die Klägerin nach § 137 Abs 3 S 6 SGB V in der oben dargelegten Weise "unmittelbar verbindlich". Das normativ angeordnete Verbot, bei Level-1-Geburten keine Leistungen zu erbringen (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2, S 2 und S 6 SGB V iVm dem Erhöhungsbeschluss),bedarf keines Vollzugsaktes. Dies folgt schon aus der klaren Binnensystematik des § 137 Abs 3 SGB V. Einem Krankenhaus kann aber nicht zugemutet werden, vorzuleisten und erst im Rahmen eines Abrechnungsstreits die Nichtigkeit der erhöhten Mindestmengenregelung einzuwenden. Dies gilt namentlich bei einem Krankenhaus, das - wie hier der Klägerin - deutlich unterhalb der Mindestmenge von 30 Level-1-Geburten liegt.

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2. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die Nichtigkeit der Erhöhung der Mindestmenge festgestellt. Die Rechtmäßigkeit der Heraufsetzung der jährlichen Mindestmenge für Level-1-Geburten von 14 auf 30 Behandlungsfälle je Krankenhaus mit ausgewiesenem Level 1 ist nicht isoliert, sondern - als deren untrennbarer Teil - zusammen mit der vollständigen Mindestmengenregelung für Level-1-Geburten zwecks Vermeidung einer unzulässigen Elementenfeststellungsklage zu überprüfen (zu den Grenzen vgl BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 35 f; zutreffend deshalb das Vorgehen des LSG). Der Prüfmaßstab des Gerichts hat der Funktion des Beklagten als untergesetzlicher Normgeber Rechnung zu tragen (dazu 3.). Der Beklagte entschied formal korrekt über die streitige Mindestmengenregelung (dazu 4.). Er machte rechtmäßig zunächst 14 Level-1-Geburten pro Krankenhauseinheit und nicht pro Arzt zum Gegenstand des mindestmengenabhängigen Katalogtatbestands (dazu 5.). Dies verletzt die Klägerin nicht in ihren Grundrechten (dazu 6.). Hingegen ist die Heraufsetzung der jährlichen Mindestmenge für Level-1-Geburten auf 30 Behandlungsfälle nichtig, weil der Beklagte seinen Gestaltungsspielraum überschritt. Denn die Studienlage rechtfertigt nicht uneingeschränkt die Einschätzung, dass die Güte der Versorgung Frühgeborener durch eine Erhöhung der Mindestmenge in relevanter Weise zusätzlich gefördert werden kann (dazu 7.).

21

3. Die Rechtmäßigkeit der Erhöhung der Mindestmenge ist unter Berücksichtigung der Funktion des Beklagten als Normgeber an der Mindestmengenregelung des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V iVm mit dem vorgreiflichen, rechtmäßig gesetzten untergesetzlichen Recht zu messen. Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Beschlüsse des Beklagten sind hierbei gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 - LITT; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26; Schlegel, MedR 2008, 30, 32; Hauck, NZS 2010, 600, 611 f). § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V gibt dem Beklagten ein rechtlich voll überprüfbares Programm vor: In tatsächlicher Hinsicht ist die Ermittlung planbarer Leistungen, die Feststellung, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses einer planbaren Leistung in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist und die konkrete Eignung von festgesetzten Mindestmengen zur Verbesserung der Qualität der Behandlungsergebnisse sowie in rechtlicher Hinsicht die zutreffende Erfassung der Tatbestandsmerkmale durch den Beklagten vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem Beklagten bei der Auslegung dieser Regelungselemente des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom Beklagten zu berücksichtigenden Studienlage. Erst bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist er befugt, als Normgeber zu entscheiden. Soweit diese letztere Kompetenz reicht, darf allerdings die sozialgerichtliche Kontrolle ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom Beklagten getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (stRspr, vgl zB BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSGE 110, 183 = SozR 4-2500 § 34 Nr 9, RdNr 25, beide mwN). Die Entscheidungen über die Auswahl und den Zuschnitt der Leistungen für den Katalog planbarer Leistungen sowie die genaue Festlegung der Mindestmenge innerhalb der Bandbreite geeigneter Mengen unterliegen in diesem Sinne dem normativen Gestaltungsspielraum des Beklagten. Der Beklagte kann dabei in einem zeitlich gestreckten Verfahren vorgehen, um den Katalog planbarer Leistungen allmählich zu entwickeln, um insbesondere weitere Erkenntnisse zu sammeln und zu bewerten und um Mindestmengen je nach Erkenntnisfortschritt neu zu justieren.

22

Der Beklagte ist zur Konkretisierung des sich aus § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V ergebenden Regelungsprogramms ermächtigt, außenwirksame Normen im Range untergesetzlichen Rechts zu erlassen. Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (dazu und insbesondere zur hinreichenden demokratischen Legitimation des Bundesausschusses vgl BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 57 ff mit ausführlicher Darstellung der Rspr des BVerfG; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 33; Neumann, NZS 2010, 593 ff; Hauck, NZS 2010, 600 ff; aA Vießmann, Die demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Entscheidungen nach § 135 Abs 1 S 1 SGB V, 2009, S 127 ff).

23

4. Der Beklagte beachtete die formellen Voraussetzungen für den Erlass der untergesetzlichen Normen. Wie auch das LSG nicht in Zweifel zieht, wahrte er die im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Betroffenenpartizipation durch Gesetz und seine eigenen Verfahrensvorgaben ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 34 mwN; Hauck, NZS 2010, 600, 604). Der dokumentierte Ablauf der Beratungen, die Einbeziehung des IQWiG, die Diskussion der Auswirkungen unterschiedlicher Mindestmengen-Schwellenwerte für die Versorgung sowie die Einholung von Stellungnahmen bei betroffenen Fachverbänden belegen anschaulich das formal korrekte Vorgehen. Es bedurfte verfahrensrechtlich - über das Dokumentierte und die tatsächlich erfolgte Veröffentlichung der tragenden Gründe entsprechend § 7 Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses(VerfO idF vom 18.12.2008, BAnz Nr 84a vom 10.6.2009 , in Kraft getreten am 1.4.2009, geändert am 17.12.2009, BAnz Nr 38 vom 10.3.2010 S 968, in Kraft getreten am 12.2.2010) hinaus - keiner gesonderten Begründung. Für Normgeber besteht grundsätzlich keine Begründungspflicht (stRspr, vgl zB BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 44; BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 29 mwN).

24

Eine Ausnahme im Sinne einer materiell-rechtlichen Begründungspflicht besteht nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 82)insofern, als der Gesetzgeber darauf abzielt, durch Einbindung des IQWiG in die Zuarbeit für den GBA den dynamischen Prozess der Fortentwicklung der medizinischen und pflegerischen Leistungen zu sichern und die kontinuierliche Einbeziehung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in eine qualitativ gesicherte Leistungserbringung zu gewährleisten (BT-Drucks 15/1525 S 127). Das IQWiG leitet deshalb seine Arbeitsergebnisse dem GBA als Empfehlungen zu (vgl § 139b Abs 4 S 1 SGB V). Dieser hat die Empfehlungen im Rahmen seiner Aufgabenstellung "zu berücksichtigen", wird also nur mit besonderer Begründung davon abweichen (vgl Hauck, NZS 2007, 461, 464). Insbesondere hat er zu prüfen, ob das IQWiG seine Feststellungen ausgehend von einem zutreffenden Rechtsverständnis der zugrunde gelegten Begriffe auf der Basis einer umfassenden Einbeziehung der relevanten Studien nachvollziehbar und widerspruchsfrei getroffen hat. Für die Umsetzung von Handlungsempfehlungen des IQWiG - hier etwa die Durchführung einer Begleitevaluation - verbleibt ihm indes grundsätzlich sein gesetzgeberisches Ermessen.

25

Es hielt sich auch im Rahmen des - wie aufgezeigt - grundsätzlich zulässigen schrittweisen Vorgehens, dass der Beklagte zunächst die "NICU-Vereinbarung" ohne Mindestmengen beschloss (20.9.2005) und später - nach Einführung einer "Regelmäßigkeitszahl" (vgl II.3 Buchst k des Beschlusses über eine Änderung der NICU-Vereinbarung vom 18.12.2008, BAnz Nr 65 vom 30.4.2009 S 1574, in Kraft getreten am 1.4.2009) - diese durch eine Mindestmenge ersetzte (vgl II. des Beschlusses zur Versorgung von Früh- und Neugeborenen vom 20.8.2009, BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450).

26

Unerheblich ist schließlich, dass in der streitigen Mindestmengenregelung keine Angabe von OPS-Ziffern enthalten ist. Denn die Regelung ist einerseits inhaltlich klar. Der OPS-Katalog umfasst andererseits keine spezifischen, eindeutigen Ziffern für diese Behandlung. Für eine Verletzung formeller Voraussetzungen (vgl dazu auch § 3 MMV; zur materiellen Reichweite s sogleich, unter 5.b), die die Nichtigkeit der zu prüfenden Mindestmengenregelung (s - wie dargelegt - Beschluss über eine Änderung der Anlage 1 der MMV: Mindestmengen bei Früh- und Neugeborenen, vom 17.6.2010, BAnz Nr 123 vom 18.8.2010 S 2840, und Beschluss vom 20.8.2009, BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450) begründen könnte, ist insgesamt nichts ersichtlich.

27

5. Der Beklagte machte rechtmäßig zunächst 14 Level-1-Geburten pro Krankenhauseinheit und nicht pro Arzt zum Gegenstand des mindestmengenabhängigen Katalogtatbestands. Er bejahte ausgehend von einem zutreffenden Verständnis der gesetzlichen Vorgaben einer planbaren Leistung (dazu a), deren Ergebnisqualität in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist (dazu b), rechtmäßig für die Gruppe der Level-1-Geburten die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V(dazu c). Der Beklagte durfte auch eine Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten in Krankenhäusern mit ausgewiesenem Level 1 festsetzen, ohne Ausnahmen hiervon vorzusehen (dazu d).

28

a) Eine "planbare" Krankenhausleistung iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V ist eine Leistung, welche die dafür vorgesehenen Krankenhaus-Zentren in der Regel medizinisch sinnvoll und für die Patienten zumutbar erbringen können. Erforderlich ist, dass die Aufnahme und Durchführung gebotener stationärer Behandlung in einem Zentrum - trotz ggf längerer Anfahrt - unter Berücksichtigung zu überwindender räumlicher und zeitlicher Distanzen ohne unzumutbares Risiko für die Patienten erfolgen kann. Dies folgt aus Regelungssystem und Normzweck in Einklang mit der Entstehungsgeschichte, ohne dass der Wortlaut entgegensteht.

29

Der Wortlaut "planbare Leistungen" lässt es zu, den Begriff im aufgezeigten Sinne im Interesse der angestrebten Versorgungsqualität zu verstehen. Entstehungsgeschichtlich harmoniert hiermit, dass der Gesetzgeber die Fixierung von zu erbringenden "Mindestfallmengen" als Teil einer Vielzahl von Qualitätssicherungsinstrumenten vorsah, um ein Gegengewicht gegen Fehlanreize eines festen Preissystems bei Einführung von Fallpauschalen zu schaffen, etwa gegen den Anreiz der Versorgungsqualitätsminderung in Form von medizinisch nicht indizierter "Fallvermehrung" sowie der verfrühten Entlassung (vgl Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Gesetzentwurf eines FPG, BT-Drucks 14/7862 S 3). Diese Zielrichtung gilt erst recht für eine Tätigkeitsausdehnung der Krankenhäuser auf Felder unzureichender Qualitätskompetenz.

30

Nach dem Regelungssystem ergänzt die Festlegung von Mindestmengen die anderen, weiteren Maßnahmen des Gesetzgebers zur Qualitätssicherung wie verpflichtende durch die Kliniken vorzulegende Qualitätsberichte, bundeseinheitliche Kriterien für die Prüfdienste, sowie eine stetige Begleitforschung. Vor allem entspricht das Auslegungsergebnis dem Normzweck, die Ergebnisqualität zu verbessern (vgl dazu Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines FPG, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Der Regelungsgehalt des Begriffs der Planbarkeit erschließt sich insbesondere auch aus den von den Mindestmengen ausgelösten Verteilungswirkungen. Die Einführung von Mindestmengen hat die Umverteilung von Behandlungsfällen und in Abhängigkeit von den absoluten Fallzahlen eine damit einhergehende Regionalisierung oder gar Zentralisierung der für die planbaren Leistungen noch zur Verfügung stehenden Krankenhäuser zur Folge. Dies bewirkt jedoch nur insoweit eine Verbesserung der Ergebnisqualität im stationären Bereich, als die Patienten den Zugewinn an Qualität im stationären Bereich nicht durch Transport- und Verlegungsrisiken wieder einbüßen. Zur Verbesserung der Ergebnisqualität ist es vor diesem Hintergrund erforderlich, die Transport- und Zentralisierungsrisiken zu ermitteln. Wollte man dagegen unter "planbare" "vorhersehbare" Krankenhausleistungen verstehen, wäre der Begriff sinnentleert. Ähnlich zweckwidrig wäre es, ihn auf elektive Leistungen zu reduzieren.

31

b) Die Qualität des Behandlungsergebnisses der planbaren Leistungen ist jedenfalls bereits dann in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig, wenn eine Studienlage besteht, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität wahrscheinlich macht. Hierbei ist nicht die Struktur- oder Prozessqualität, sondern allein die Qualität des Behandlungsergebnisses maßgeblich. Regelmäßig wird es um hochkomplexe medizinische Leistungen gehen, bei denen die mit wissenschaftlichen Belegen untermauerte Erwartung berechtigt ist, dass die Güte der Leistungserbringung in besonderem Maße auch von der Erfahrung und Routine des mit der jeweiligen Versorgung betrauten Behandlers - Krankenhauseinheit und/oder Arzt - beeinflusst ist.

32

Schon der Wortlaut des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V verdeutlicht, dass die vom Beklagten zu treffende Mindestmengenregelung nicht darauf ausgerichtet ist, umfassend sektorenübergreifend für alle vertragsärztlichen und stationären Leistungen zusätzliche Qualitätsanforderungen aufzustellen. Vielmehr fasst der Beklagte danach lediglich für einen Teilbereich, für zugelassene Krankenhäuser - grundsätzlich einheitlich für alle Patienten - auch Beschlüsse über einen "Katalog" planbarer Leistungen nach §§ 17 und 17b KHG. Das Gesetz schränkt diesen Teilausschnitt aus dem Gesamtbereich der Leistungen nach §§ 17 und 17b KHG weiter spezifisch ein: Es muss um planbare Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG gehen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist.

33

Der erkennende Senat vermag dem LSG allerdings nicht zu folgen, soweit es hierfür den wissenschaftlichen Beleg einer "besonderen" Kausalität zwischen Leistungsmenge und Ergebnisqualität fordert. Vielmehr genügt ein nach wissenschaftlichen Maßstäben wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität. Dafür spricht nicht nur der aufgezeigte Wortlaut. Auch die Entstehungsgeschichte belegt, dass es um einen durch Studien untermauerten wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Leistungen und der Qualität des Behandlungsergebnisses geht (vgl dazu Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines FPG, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Die in den Gesetzesmaterialien angesprochenen "Studien" sind in aller Regel nicht im naturwissenschaftlichen Sinne für einen Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität voll beweisend, sondern darauf hinweisend. Andernfalls könnte die Regelung kaum ihren Zweck erfüllen, der "herausgehobene(n) Bedeutung" einer "gute(n) Ergebnisqualität" Rechnung zu tragen, wie es im Rahmen der "bisher eingeführten Qualitätssicherungsmaßnahmen" … "noch zu wenig" erfolgte (vgl ebenda, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Hierfür genügt nicht schon die landläufige Erfahrung, dass routinierte Praxis im Allgemeinen eine bessere Ergebnisqualität sichert als deren Fehlen.

34

Das Auslegungsergebnis entspricht auch dem Regelungssystem. Die in § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V angesprochenen "Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG" müssen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich bereits dem Qualitätsgebot(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V)genügen, um überhaupt zulasten der GKV abrechenbar zu sein (vgl grundlegend BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 52 f unter Aufgabe von BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1, auch zur Berücksichtigung grundrechtskonformer Auslegung; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23; aA Felix, SGb 2009, 367 und öfter, zB NZS 2012, 1, 7 mwN in Fn 91). Die Anforderungen integrieren in wesentlichem Maße das Krankenhausplanungs- und das ärztliche Weiterbildungsrecht. Diese Regelungskomplexe erfordern bereits ein ausreichendes Maß an Erfahrung und Routine als Voraussetzung von Facharztqualifikationen, an die wiederum die Strukturvorgaben in der stationären Versorgung anknüpfen (vgl zutreffend Bohle, GesR 2010, 587). Der Mindestmengenkatalog (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V)stellt demgegenüber zusätzliche Qualitätsanforderungen auf im Interesse einer weiteren Risikominimierung.

35

Die Rechtsordnung begnügt sich auch in vergleichbaren Regelungsbereichen mit einer durch wissenschaftliche Belege untermauerten Annahme eines Zusammenhangs. So ist für die Aufnahme in die Liste der Berufskrankheiten ( § 9 Abs 1 S 2 SGB VII)ein ursächlicher Zusammenhang zwischen besonderen Einwirkungen, denen bestimmte Personengruppen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung bei versicherter Tätigkeit ausgesetzt sind, und der Erkrankung erforderlich. Der generelle Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Krankheit bei der Prüfung der Voraussetzungen einer BK-Bezeichnung unterscheidet sich aufgrund der allgemeinen und abstrakten Prüfungsebene von dem Ursachenzusammenhang bei der Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität beim einzelnen Arbeitsunfall oder der Listen-BK im Einzelfall. Dennoch gilt auch insofern die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 18 RdNr 29). Jedenfalls für den Parallelbereich einer Entschädigung wie eine Berufskrankheit (§ 9 Abs 2 SGB VII) kann die erforderliche gruppenspezifische Risikoerhöhung im Ausnahmefall eines seltenen Leidens ohne - wie üblich - gesicherte epidemiologische Erkenntnisse auf der Grundlage der im Allgemeinen notwendigen langfristigen zeitlichen Überwachung betroffener Krankheitsbilder zum Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen bejaht werden, wenn infolge der Seltenheit des Leidens medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse durch statistisch abgesicherte Zahlen nicht erbracht werden können. In einem solchen Ausnahmefall kann die "generelle Geeignetheit" der Einwirkungen für die Entstehung der betroffenen Krankheit aus Einzelfallstudien, Erkenntnissen und Anerkennungen in ausländischen Prüfverfahren und Ähnlichem abgeleitet werden (vgl BSGE 79, 250, 252 = SozR 3-2200 § 551 Nr 9 S 21). Es würde die Anforderungen regelmäßig überspannen, den wissenschaftlich geführten Vollbeweis eines ursächlichen Zusammenhangs auf der Grundlage epidemiologischer Studien zu fordern.

36

Das Auslegungsergebnis trägt insbesondere auch dem Regelungszweck und -anlass für die Einführung von Mindestmengen Rechnung: Es fehlt teilweise an einer ausreichenden Menge zu erbringender Leistungen für die betroffenen Behandler, um eine Routine und Erfahrung zu erlangen und aufrechtzuerhalten, die zu dem rechtlich geforderten Standard der Ergebnisqualität führt. Nur der Umstand, dass zu geringe Fallzahlen keine qualitativ hinreichende Behandlungspraxis für bestimmte Leistungen in allen Krankenhäusern gewährleisten, die nach ihrer personellen und sächlichen Ausstattung zur Leistungserbringung grundsätzlich in der Lage sind, rechtfertigt die Festsetzung von Mindestmengen. Denn gäbe es hinsichtlich sämtlicher planbarer Leistungen jeweils ausreichende Fallmengen, könnten Mindestmengen keine Anhebung der Ergebnisqualität erreichen. Die Regelung soll in ihrem Kern im Interesse gebotener Ergebnisqualität einen Fallzahlenmangel steuern.

37

Der Regelungszweck steht ebenfalls - wie das -system - einem Normverständnis entgegen, das Mindestmengen auf bloße (fach-)ärztliche Grundfertigkeiten oder eine Grundversorgung im Krankenhausbereich erstreckt. Festsetzungen von Mindestmengen sind ebenfalls kein Instrument, um Behandler von der Versorgung auszuschließen, die trotz ausreichender Fallzahl nur eine durchschnittliche oder gar eine unterdurchschnittliche Ergebnisqualität oberhalb einer berufs-, gewerbe- oder schadensersatzrechtlichen Interventionsschwelle erreichen. Die Regelung betrifft dagegen - unter Berücksichtigung des aufgezeigten Auslegungsergebnisses - insbesondere Krankheitsbilder, deren Behandlung mehr als bloße (fach-)ärztliche Grundfertigkeiten erfordert. Hierbei wird es regelmäßig um hoch komplexe Leistungen gehen, die standardisierbar und unter Berücksichtigung des Verhältnisses von erforderlicher Fallzahl zu Ergebnisqualität relativ selten sind.

38

Regelungszweck und -system sprechen schließlich dafür, eine bloße, nach wissenschaftlichen Maßstäben belegte Wahrscheinlichkeit für den Zusammenhang zwischen Ergebnisqualität und Leistungsmenge genügen zu lassen. Dies entspricht dem mit § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V verfolgten Zweck der Risikominimierung in einem nennenswerten Bereich. Anforderungen nach Art eines statistisch sauber geführten vollständigen Kausalitätsbeweises würden den Anwendungsbereich der Norm auf ein vernachlässigbares Minimum reduzieren. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Steigerung der Ergebnisqualität und Festsetzung einer Mindestmenge besteht zwar unproblematisch, wenn er statistisch bewiesen ist. Das wird aber nur in höchst seltenen Ausnahmefällen möglich sein. Vergleichende Studien mit unterschiedlichen Mengenansätzen sind regelmäßig aus praktischen oder ethischen Gründen schon im Ansatz undurchführbar, ganz abgesehen davon, dass etwa unter Berücksichtigung der international unterschiedlichen Versorgungssituationen kaum eine statistisch hinreichende Fallzahl zur Verfügung stehen wird. Die Probleme potenzieren sich, wenn ein Beleg für die Mengenabhängigkeit der Ergebnisqualität bei Kombination mehrerer ergebnisqualitätsbezogener Parameter zu erbringen ist, wie das Gutachten des IQWiG zeigt. Es würde die Anforderungen überspitzen, für den Nachweis des genannten Zusammenhangs mehr zu verlangen, als dass auf der Grundlage einer umfassend ermittelten, mittels statistisch anerkannter Methoden metaanalytisch überprüften und zutreffend ausgewerteten Studienlage mehr für eine Verbesserung der Behandlungsergebnisse durch Einführung einer Mindestmenge spricht als dagegen.

39

Ist der genannte Zusammenhang allerdings - wie regelmäßig der Fall - nicht statistisch bewiesen, ist er anhand medizinischer Erfahrungssätze ergänzend zu untermauern. Mit statistischen Methoden ermittelte und risikoadjustiert bewertete Korrelationen allein reichen nämlich beim Fehlen eines statistischen Kausalitätsbeweises nicht aus, um einen Fallzahlenmangel als Ursache schlechterer Behandlungsergebnisse zu identifizieren (vgl rechtsähnlich stRspr zur Wirtschaftlichkeitsprüfung im Vertragsarztrecht, zB BSG Urteil vom 9.3.1994 - 6 RKa 16/92 - Juris RdNr 22 = USK 94131; BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 18/11 R - Juris RdNr 23 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 106 Nr 34 vorgesehen).

40

Entgegen der Auffassung des LSG ist der Maßstab dagegen nicht sinngemäß nach einem "Goldstandard" der evidenzbasierten Medizin abzuleiten. Dies widerspräche dem mit § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V verfolgten Zweck der Risikominimierung. Ist eine Verschlechterung der Ergebnisqualität durch die Einführung einer Mindestmenge nicht zu erwarten, sondern besteht die Wahrscheinlichkeit einer Ergebnisqualitätsverbesserung, könnte das Erfordernis der Beachtung eines evidenzbasierten "Goldstandards" für den Nachweis des Zusammenhangs zwischen der Steigerung der Ergebnisqualität und einer Mindestmenge den Patienten möglicherweise dauerhaft Versorgungsstandards vorenthalten, die - jeweils nach dem Stand der aktuellen Erkenntnis - geeignet sind, zu einer relevanten Reduzierung von Versorgungsrisiken beizutragen. In diesem Sinne fordert auch § 3 Abs 2 Nr 1 MMV mit einem "evidenzbasierten Verfahren" nur eine praktisch verfügbare, den dargelegten Maßstäben genügende Evidenz.

41

c) Der Beklagte bejahte - ausgehend von der dargelegten Auslegung - rechtmäßig für die Gruppe der Level-1-Geburten (dazu aa) die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V(dazu bb - cc).

42

aa) Der Beklagte durfte rechtmäßig für die Mindestmengenbestimmung von der Gruppe der Level-1-Geburten ausgehen. Er knüpfte hierbei an die rechtswirksamen Bestimmungen der NICU-Vereinbarung über ein vierstufiges Versorgungskonzept an. Das SGB V gibt dem Beklagten auf, ua Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten festzulegen (vgl § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB V). Der Beklagte ist dieser Pflicht durch den Beschluss der NICU-Vereinbarung nachgekommen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz war es nicht willkürlich, sondern im Gegenteil sachgerecht, die Mindestmengenbestimmung mit Blick auf das vierstufige Versorgungskonzept der NICU-Vereinbarung zu treffen. Die Verwendung gegriffener metrischer Größen bei internationalen Vergleichsstudien, die teilweise fehlende und zum Teil von der NICU-Vereinbarung abweichende nationale Versorgungskonzepte zu berücksichtigen haben, steht dem nicht entgegen.

43

bb) Der Beklagte durfte die erfasste Gruppe der Level-1-Geburten als - im dargelegten Rechtssinne - "planbare Leistungen" ansehen. Die dafür vorgesehenen Perinatalzentren der obersten Kategorie können Level-1-Geburten nach den allgemein anerkannten medizinischen Erkenntnissen in der Regel medizinisch sinnvoll und zumutbar versorgen. Die gebotene stationäre Behandlung in einem Zentrum kann trotz ggf längerer Anfahrt ohne unzumutbares Risiko für die Patienten erfolgen. Das belegen sowohl die internationalen Studien etwa über Australien und Neuseeland (vgl Cust et al, Outcomes for high risk New Zealand newborn infants in 1998-1999, Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 2003 [88<1>], F15-F22; Lui et al, Improved Outcomes of Extremly Premature Outborn Infants, Pediatrics 2006 [118<5>], 2076-2083) als auch nationale Publikationen (vgl zB Heller, Krankenhaus-Report 2008/2009, S 183 ff; Pohlandt et al, Regionalisierung bei Frühgeburtsbestrebungen im ländlichen Raum? Yes we can!, Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie 2009 [213], 135-137). In diesem Sinne äußert sich auch der Bericht des IQWiG (Abschlussbericht des IQWiG "Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnis bei der Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht", Stand 14.8.2008; im Folgenden: Abschlussbericht). Frühgeborene werden danach in der Regel nicht notfallmäßig, sondern erst nach abgeschlossener, medikamentös bewirkter Lungenreife geboren (vgl Abschlussbericht S 2 f). Die Versorgung Frühgeborener - die schon im pränatalen Stadium beginnt - scheint umso weniger risikobehaftet zu sein, je eher die werdende Mutter sich bei nahendem Geburtstermin in ein Perinatalzentrum Level 1 begibt (vgl Abschlussbericht S 53 zum in-utero-Transfer; zu Portugal vgl auch Abschlussbericht S 52). Diese Schlussfolgerung ist plausibel, weil auftretende Komplikationen dort besser und schneller behandelt werden können, als dies während eines Transports oder bei Aufnahme in eine Einrichtung niedrigerer Versorgungsstufe der Fall sein dürfte. Der ambulante und der stationäre Sektor müssen und können hierzu effektiv miteinander verzahnt sein, um Fehlplatzierungen zu vermeiden und das relativ enge antenatale Zeitfenster zum Transport in ein Perinatalzentrum Level 1 zu nutzen. Die genannte Literatur zeigt, dass dies in Deutschland ebenso wie in vielen ausländischen Staaten möglich ist.

44

Der Senat sieht keine Gründe, die gegen die Verwertbarkeit des Abschlussberichts des IQWiG sprechen. Denn das IQWiG ist als fachlich unabhängiges, rechtsfähiges wissenschaftliches Institut, dessen Träger der Beklagte ist (§ 139a Abs 1 S 1 SGB V), nach § 139a Abs 3 Nr 1 SGB V von Gesetzes wegen ausdrücklich zur Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei ausgewählten Krankheiten berufen. Es stellt ein Expertengremium dar, das in seiner persönlichen und fachlichen Integrität und Qualität durch Transparenz und Unabhängigkeit gesetzlich und institutionell abgesichert ist (vgl zum Ganzen BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 76 ff; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 74 ff). Es gibt keine Hinweise darauf, dass das IQWiG nicht alle zum damaligen Zeitpunkt verfügbaren relevanten Studien ausgewertet haben könnte. Die Auswertung selbst ist sorgfältig. Die darauf gestützten Folgerungen sind in ihren vorsichtig formulierten Aussagen wohlabgewogen.

45

cc) Der Beklagte konnte auch rechtmäßig davon ausgehen, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses der Level-1-Geburten, hier insbesondere mit Blick auf die Mortalität, in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist. Denn es besteht - im dargelegten Sinne - eine Studienlage, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses wahrscheinlich macht.

46

Der Beklagte durfte - ausgehend von der Studienlage (vgl dazu Abschlussbericht S V) - die Qualität des Behandlungsergebnisses als Ausgangspunkt an der zu erwartenden Reduzierung des Mortalitätsrisikos messen. Er musste nicht alle Morbiditätsvariablen einbeziehen, zumal die hierfür verfügbaren Daten spärlich sind (vgl dazu Abschlussbericht S V). Das Vorgehen ist vertretbar, da die Zusammenhänge zwischen Leistungsmenge und Mortalitätsrisiko am besten untersucht sind und andererseits eine gleiche Tendenz wie beim Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Morbiditätsrisiko aufweisen.

47

Ein Zusammenhang zwischen der Erhöhung der Leistungsmenge und der Reduzierung des Mortalitätsrisikos ist auch wahrscheinlich. Davon ist der Senat - der dies als generelle Tatsache selbst zu bewerten hat (vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 31; s ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 7 mwN)- aufgrund der zur Beurteilung vorliegenden wissenschaftlichen Studien und Aussagen überzeugt. Er folgt den Erkenntnissen des IQWiG, das in nicht zu beanstandender Weise zu folgender Einschätzung gelangt ist: "Die Ergebnisse der eingeschlossenen Publikationen weisen bezüglich eines statistischen Zusammenhangs zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität bei der Versorgung von Frühgeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht kein völlig einheitliches und eindeutiges Bild auf. Allerdings geben die Daten der Gesamtschau bezüglich der primären Zielgröße "Mortalität" unter Berücksichtigung der Studien- und Publikationsqualität sowie ihres Populationsbezugs deutliche Hinweise auf einen statistischen Zusammenhang, der sich als Trend einer Risikoreduktion mit steigender Leistungsmenge darstellt" (Abschlussbericht S 59).

48

Dem steht nicht entgegen, dass das IQWiG aus den zwölf Beobachtungsstudien, insbesondere auch aus den vier Studien mit einem geringen Verzerrungspotential, zwei davon zur Behandlungssituation in Deutschland, keine expliziten Schwellenwerte für Mindestmengen ableiten konnte (vgl Abschlussbericht S 59). Eine Ergebnisverbesserung ist durch Festsetzung einer Mindestmenge wahrscheinlich, die typischerweise Behandlungskontinuität ermöglicht. Hierfür streitet maßgeblich der Erfahrungssatz, dass eine laufende Befassung eines Level-1-Zentrums mit der Behandlung sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener durch das ganze Jahr hindurch notwendig ist, um eine Festigung der Behandlungsabläufe als Teamleistung zu gewährleisten. Es ist hingegen nicht plausibel, dass bloß zeitweilige Behandlungsepisoden das Qualitätsniveau der Versorgung in gleicher Weise zu sichern vermögen.

49

d) Der Beklagte überschritt nicht den ihm eingeräumten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, indem er vertretbar eine Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten für Krankenhäuser festsetzte, ohne weitere Ausnahmen vorzusehen. Diese festgesetzte Mindestmenge ist regelmäßig geeignet, die Behandlungskontinuität als eine (Mindest-)Voraussetzung für ein gutes Behandlungsergebnis zu gewährleisten.

50

Die ausgewählte Versorgung von Level-1-Geburten in Krankenhäusern mit ausgewiesenem Level 1 betrifft kategorial eine Versorgung, die einen hoch komplexen, relativ seltenen Behandlungsaufwand auslöst. Die Versorgung von Level-1-Geburten stellt ganz erheblich über dem Durchschnitt liegende Anforderungen an Können und Erfahrung des behandelnden ärztlichen und nichtärztlichen Personals, um als Team über einen längeren Zeitraum je Behandlungsfall eine bestmögliche Versorgung zu erbringen. Dies folgt aus dem in der Unreife dieser Kinder begründeten, ausgeprägten multifaktoriellen Mortalitätsrisiko (vgl Abschlussbericht S 1 f) und der Notwendigkeit intensivmedizinischer Maßnahmen über einen längeren Zeitraum unter Einsatz eines ständig verfügbaren, in herausgehobener Weise spezialisierten Behandlungsteams. Letzteres belegt schon die in der Anlage 1 der NICU-Vereinbarung an ein Perinatalzentrum Level 1 gestellten Anforderungen. Bei diesen Vorgaben verbietet es sich von selbst, eine Mindestmenge an die Behandlungstätigkeit eines einzelnen Arztes anzuknüpfen.

51

Die Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten gefährdet nach der vertretbaren Einschätzung des Beklagten nicht die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung. Nach den ermittelten Daten verblieben bei einer Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten in den Jahren 2005 und 2006 bundesweit zwischen rund 130 und 150 Krankenhäuser, die zur Versorgung zur Verfügung standen (Krankenhäuser mit 20 und mehr VLBW-Geburten, 2005: 151; 2006: 153, wobei Level-1-Geburten etwa 2/3 aller VLBW-Geburten ausmachen). Dies deckt sich mit den Angaben des Spitzenverbandes Bund der KKn, wonach ab 2010 mehr als 128 Krankenhäuser die Mindestmenge für Level-1-Geburten erreichen dürften (Präsentation am 17.6.2010 in der Plenumssitzung des Beklagten mit Übersichtskarte zur räumlichen Verteilung). Im Übrigen kann jeweils die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde, um einer danach etwa noch verbleibenden regionalen Unterversorgung zu begegnen, Ausnahmegenehmigungen erteilen (§ 137 Abs 3 S 3 SGB V).

52

Der Beklagte musste unter Berücksichtigung der Datenlage auch keine weiteren sachlichen Ausnahmebestimmungen von der Mindestmenge 14 vorsehen, um Sonderfällen Rechnung zu tragen. Anlage 2 Nr 3 und 4 MMV räumen beim Aufbau neuer Leistungsbereiche Übergangszeiträume von 36 Monaten und bei personeller Neuausrichtung bestehender Leistungsbereiche Übergangszeiträume von maximal 24 Monaten ein. Konflikte, die aus dem Leistungsverbot erwachsen, wenn die erforderliche Mindestmenge voraussichtlich nicht erreicht wird (§ 137 Abs 3 S 2 SGB V), bedürfen keiner weiteren Regelung in der MMV. Die Regelung verbietet nicht bei punktuellen Unterschreitungen der erforderlichen Mindestmenge, dass die Betroffenen künftig Leistungen erbringen. Die geforderte Prognose, dass die erforderliche Mindestmenge voraussichtlich nicht erreicht wird, greift erst ein, wenn eine valide Einschätzung auf der Grundlage eines hinreichend langen Zeitraums möglich ist.

53

6. Sowohl die gesetzliche Regelung des § 137 Abs 3 S 2 iVm § 137 Abs 3 S 1 SGB V als auch die untergesetzliche Bestimmung der Nr 8 Anlage 1 MMV(idF des Beschlusses des Beklagten vom 20.8.2009) verletzen die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art 12 Abs 1 GG. Die Klägerin ist Trägerin dieses Grundrechts. Es erstreckt sich nach Art 19 Abs 3 GG auch auf juristische inländische Personen, zu denen die Klägerin zählt (vgl nur Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 12 RdNr 13 mwN).

54

Art 12 Abs 1 S 1 GG schützt - neben der Freiheit der Berufswahl - die Freiheit der Berufsausübung. Zu den Rahmenbedingungen der Berufsausübung gehört für Krankenhäuser auch, dass sie bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen müssen, um einzelne Operationen und Prozeduren, aber auch um eine aus einer Vielheit von Einzelmaßnahmen bestehende Behandlung eines bestimmten Krankheitsbildes erbringen zu dürfen. Von einer bloßen Berufsausübungsregelung ist dann auszugehen, wenn sie nur einen Ausschnitt aus einer fachärztlichen Tätigkeit betrifft (vgl zu § 135 SGB V iVm untergesetzlichen Vorschriften als Berufsausübungsregelungen: BVerfG SozR 4-2500 § 135 Nr 2 RdNr 22; BVerfGK 17, 381, 385 f = SozR 4-2500 § 135 Nr 16 RdNr 13 f; vgl auch BVerfGE 33, 125, 161, das offen lässt, ob der Facharzt iS von Art 12 Abs 1 GG ein eigener Beruf oder nur eine Form der Berufsausübung ist). Die Geburtshilfe durch Gynäkologen und die Behandlung von Level-1-Geburten durch Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Neonatologie stellt jeweils nur einen kleineren Teil der jeweiligen gesamten fachärztlichen Tätigkeit dar. Nichts anders gilt für die Schwerpunktbezeichnungen Kinderchirurgie, Kinderkardiologie, Kinderradiologie und Neuropädiatrie sowie auf nichtärztlicher Seite für die Hebammen, Kinderschwestern und Kinderkrankenpfleger. Insoweit macht es keinen Unterschied, wenn ein einer Qualitätssicherungsregelung unterworfener Teil einer fachärztlichen Tätigkeit nicht ambulant erbracht wird, sondern der zentrale Teil einer umfassenderen Versorgungsleistung eines Krankenhauses ist. Dies gilt umso mehr, als die Ermächtigungsgrundlage für die Qualitätssicherungsregelung (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V) erlaubt, an die Versorgung entweder vom Krankenhaus oder vom Arzt anzuknüpfen. Sie ist letztlich aber auch bei der Anknüpfung an das Krankenhaus darauf ausgerichtet, bloß einen begrenzten Teil der gesamten Tätigkeit der ärztlichen, aber auch der nichtärztlichen Therapeuten in ihrem Verbund als Gemeinschaftsleistung zu regeln.

55

§ 137 Abs 3 S 1 SGB V und Nr 8 Anlage 1 Mindestmengenvereinbarung greifen in die Berufsausübung ein. Werden ihre Voraussetzungen nicht erfüllt, darf die Leistung gegenüber keinem Patienten erbracht werden. Die Regelung erfüllt das Erfordernis, dass ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Art 12 Abs 1 S 2 GG einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseinschränkende Gesetze genügen muss (stRspr, vgl BVerfGE 94, 372, 389 f; BVerfGE 111, 366, 373). Gesetzliche Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind nur dann mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind (vgl nur BVerfGE 106, 181, 192 = SozR 3-2500 § 95 Nr 35 S 172). Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Beschränkungen des Grundrechts stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit (vgl BVerfGE 19, 330, 336 f; 54, 301, 313). Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen deshalb nicht weitergehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern (vgl BVerfGE 101, 331, 347). Eine sowohl den Freiheitsanspruch des Berufstätigen wie die Schutzbedürftigkeit der Gemeinschaft berücksichtigende Lösung kann nur in Abwägung der Bedeutung der einander gegenüberstehenden und möglicherweise einander widerstreitenden Interessen gefunden werden (vgl BVerfGE 7, 377, 404 f).

56

Die Abwägung der Bedeutung des Interesses der Kinderkliniken, uneingeschränkt Kinder von Level-1-Geburten zu versorgen, mit dem Interesse an einer besseren Versorgungsqualität für Frühgeborene ergibt einen Vorrang der Qualitätssicherung zugunsten der hiervon betroffenen Individual- und Gemeinwohlbelange. Die Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten sichert eine (Mindest-)Erfahrung des Behandlungsteams, die mit Wahrscheinlichkeit nach der aufgezeigten Studienlage die besonders hohe Mortalität bei Level-1-Geburten reduzieren kann. Die Studienlage belegt, wie dringlich solche Qualitätssicherung ist. So betrug zB im Jahr 2011 in Deutschland der Anteil der VLBW-Geburten an allen Lebendgeburten 1,233 %, ihr Anteil an den Todesfällen der lebend geborenen Kinder im ersten Lebensjahr dagegen 41,32 % (Quelle: Statistisches Bundesamt). Die Mortalität von Level-1-Geburten war bezogen auf die Jahre 2004 bis 2008 im Vergleich zu Level-2-Geburten sogar um den Faktor 10,12 höher (Angabe nach Ausführungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft in der Plenumssitzung am 17.6.2010 unter Auswertung von aufgrund der NICU-Vereinbarung erhobenen Ergebnisdaten).

57

7. Die Heraufsetzung der jährlichen Mindestmenge für Level-1-Geburten von 14 auf 30 Behandlungsfälle je Krankenhaus mit ausgewiesenem Level 1 (Beschluss vom 17.6.2010) ist indes nichtig. Der Beklagte ermittelte den zugrunde liegenden Sachverhalt unzureichend, als er die jährliche Mindestmenge für Level-1-Geburten erhöhte. Er gelangte dadurch fehlerhaft zur Überzeugung, dass die neue höhere Mindestmenge die Mortalität bei der Behandlung von Level-1-Geburten bundesweit einheitlich stärker reduzieren könne.

58

Der Beklagte ist - wie dargelegt - grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen eines gestuften Verfahrens eine zunächst niedriger festgesetzte Mindestmenge anzuheben, wenn die Studienlage eine Bandbreite von gleichermaßen geeigneten Mindestmengen aufzeigt. Der Beklagte konnte von einer solchen Datenlage für die Erhöhung der Mindestmenge nicht ohne Weiteres ausgehen. So sah sich das IQWiG in seinem Abschlussbericht nachvollziehbar außerstande, Schwellenwerte, eine bestimmte Mindestmenge oder auch nur einen Mindestmengenkorridor vorzuschlagen. Während für die Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten wie dargelegt ergänzend zu den statistischen Grundlagen der Erfahrungssatz streitet, dass eine kontinuierliche Befassung eines Level-1-Zentrums mit der Behandlung sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener durch das ganze Jahr hindurch notwendig ist, konnte der Beklagte hierauf für die Erhöhung der Mindestmenge auf 30 Level-1-Geburten nicht zurückgreifen.

59

Der Rechtsgedanke einer Beweiserleichterung (vgl dazu allgemein zB BSG SozR 4-1500 § 128 Nr 5 RdNr 15; BSG SozR 3-1750 § 444 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-1500 § 128 Nr 11 S 17 ff mwN; Hauck in Hennig, SGG, Stand Dezember 2012, § 103 RdNr 75 ff)kommt schon im Ansatz zu Gunsten des Beklagten nicht (mehr) in Betracht. Er verfügt nämlich zur Beschaffung und Auswertung der hierfür erforderlichen Daten inzwischen über ein umfassendes Rechtsinstrumentarium (§§ 137a, 299 SGB V, § 21 Abs 3a Krankenhausentgeltgesetz). Er muss das ihm verfügbare Instrumentarium indes auch nutzen, um sich nach Einführung von Mindestmengen bei einer Datenlage wie der vorliegenden bessere Erkenntnisse zu verschaffen (vgl zur Beobachtungspflicht bei RL BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 74 ff mwN). Der Beklagte strebt zu Recht in diesem Sinne grundsätzlich selbst eine wissenschaftliche Begleitung der Auswirkungen von Mindestmengen an (vgl § 3 Abs 3 Mm-R). In diesem Sinne empfahl auch das IQWiG, im Falle der Festsetzung einer Mindestmenge deren Auswirkungen anhand einer differenzierten Begleitevaluation auszuwerten (vgl Abschlussbericht S 56 ff).

60

Der Beklagte setzte eine solche Begleitevaluation seit Festsetzung einer Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten nicht ins Werk. Auch sonst konnte sich der Beklagte nicht auf neuere Studien stützen, die geeignet gewesen wären, die Anhebung der letztlich auf Plausibilitätserwägungen gestützten Mindestmenge auf jährlich 30 Level-1-Geburten in der erforderlichen Qualität zu begründen. Die im Abschlussbericht des IQWiG als "Trend zur Risikoreduktion" bezeichnete statistische Korrelation zwischen Mengenzunahme und Mortalitätsabnahme, welchen auch zwischenzeitlich erschienene Studien belegen, genügt allein hierfür nicht. Sie müsste ergänzend durch weitere medizinische Erfahrungssätze untermauert sein, an denen es aber fehlt. Im Gegenteil kommt bei der umstrittenen Erhöhung der Mindestmenge in Betracht, dass in einzelnen Regionen Deutschlands durch den Ausschluss von Abteilungen mit überdurchschnittlicher Qualität die Behandlungsqualität insgesamt mit der Folge sinkt, dass den in einer Region zusätzlich überlebenden Kindern, solche in nennenswerter Zahl gegenüberstehen, die in einer anderen Region zusätzlich sterben.

61

Bereits der mit Daten unterlegte Vortrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (17.6.2010) deutete an, dass sich jenseits der Mindestmenge 14 eine mengenunabhängige erhebliche Variabilität der Behandlungsergebnisse ergibt. Dies deckt sich mit der auch im Abschlussbericht des IQWiG als valide angesehenen Studie von Rogowski et al (JAMA 2004 <291>, 202, 208) und der dort dargestellten Auffassung, dass eine Steuerung über die beobachtete Mortalität deutlich effektiver sein kann als eine Steuerung über die Menge. Die inzwischen veröffentlichte Studie von Kutschmann et al (DÄBl 2012 <109>, 519) bestätigt den Befund eines hohen Prozentsatzes falschpositiver Ergebnisse bei Krankenhäuser mit Fallzahlen von ≥ 30 Level-1-Geburten und falschnegativer Ergebnisse bei Krankenhäusern mit Fallzahlen von 14 bis 29 Level-1-Geburten. Die Autoren der Studie werteten den vollständigen Datensatz der Neonatalerhebungen 2007 bis 2009 der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen aus. Sie kamen wie auch schon andere Studien, die zum Teil im Abschlussbericht des IQWiG ausgewertet sind, zum Teil aber auch neueren Datums sind (Trotter/Pohlandt, Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie 2010 <214>, 55; Chung et al, Med Care 2010 <48>, 635), zwar zum Ergebnis, dass die risikoadjustierte Mortalität in der Gruppe der Abteilungen mit höheren Fallzahlen (hier von mindestens 30) signifikant niedriger ist als in der Gruppe kleinerer Abteilungen (Kutschmann et al, aaO, S 525). Zugleich konstatierten sie aber, dass die Mortalitätsrate bei Level-1-Geburten nicht linear mit steigender Zahl behandelter Kinder sank. Vielmehr behandelten mit überdurchschnittlicher Qualität unter Berücksichtigung risikoadjustierter Mortalität 56 % der Abteilungen mit einer Fallzahl von jährlich mindestens 30 Frühgeborenen, aber auch immerhin 44 % der Abteilungen mit einer Fallzahl von 14 bis 29 Frühgeborenen (Kutschmann et al, aaO, S 525). Auch Trotter/Pohlandt (aaO S 58) kommen zu vergleichbaren Schlüssen.

62

Der Beklagte schuf anlässlich der angegriffenen Erhöhung der Mindestmenge auch keine Ausnahmetatbestände, die die drohenden Folgen einer regionalen Qualitätsminderung bei einer Erhöhung der Mindestmenge auf 30 verhindern. Ein solches Vorgehen auf der Basis einer validen Begleitevaluation könnte eine Erhöhung der Mindestmenge rechtmäßig machen. Der Beklagte kann auf der Grundlage spezifischerer Erkenntnisse eine Veränderung der Mindestmengenregelung beschließen, die eine Qualitätsverbesserung ohne Gefahr regionaler Qualitätsminderung erwarten lässt. Hierbei muss er auch berücksichtigen, dass eine Regelung, die ein überdurchschnittlich leistungsfähiges Krankenhaus von der Leistungserbringung durch eine Mindestmenge ausschließt, als erheblicher Eingriff in die durch Art 12 Abs 1 S 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit nur dann - wie dargelegt - gerechtfertigt ist, wenn dieser Eingriff in die Berufsfreiheit nicht weiter geht, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern.

63

8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1 und Abs 3 S 1, § 52 Abs 1 und 4 sowie § 47 Abs 1 und Abs 2 S 1 GKG.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Förderung der Qualität ein gestuftes System von Folgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen nach den §§ 136 bis 136c festzulegen. Er ist ermächtigt, neben Maßnahmen zur Beratung und Unterstützung bei der Qualitätsverbesserung je nach Art und Schwere von Verstößen gegen wesentliche Qualitätsanforderungen angemessene Durchsetzungsmaßnahmen vorzusehen. Solche Maßnahmen können insbesondere sein

1.
Vergütungsabschläge,
2.
der Wegfall des Vergütungsanspruchs für Leistungen, bei denen Mindestanforderungen nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 nicht erfüllt sind,
3.
die Information Dritter über die Verstöße,
4.
die einrichtungsbezogene Veröffentlichung von Informationen zur Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen.
Die Maßnahmen sind verhältnismäßig zu gestalten und anzuwenden. Der Gemeinsame Bundesausschuss trifft die Festlegungen nach den Sätzen 1 bis 4 und zu den Stellen, denen die Durchsetzung der Maßnahmen obliegt, in grundsätzlicher Weise in einer Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 13. Die Festlegungen nach Satz 5 sind vom Gemeinsamen Bundesausschuss in einzelnen Richtlinien und Beschlüssen jeweils für die in ihnen geregelten Qualitätsanforderungen zu konkretisieren. Bei wiederholten oder besonders schwerwiegenden Verstößen kann er von dem nach Satz 1 vorgegebenen gestuften Verfahren abweichen.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seinen Richtlinien über Maßnahmen der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung eine Dokumentationsrate von 100 Prozent für dokumentationspflichtige Datensätze der Leistungserbringer fest. Er hat bei der Unterschreitung dieser Dokumentationsrate Vergütungsabschläge vorzusehen, es sei denn, der Leistungserbringer weist nach, dass die Unterschreitung unverschuldet ist.

(3) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in einer Richtlinie die Einzelheiten zu den Kontrollen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nach § 275a, die durch Anhaltspunkte begründet sein müssen,, die die Einhaltung der Qualitätsanforderungen nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder § 136a Absatz 5 zum Gegenstand haben oder als Stichprobenprüfungen erforderlich sind. Er trifft insbesondere Festlegungen, welche Stellen die Kontrollen beauftragen, welche Anhaltspunkte Kontrollen auch unangemeldet rechtfertigen, zu Art, Umfang und zum Verfahren der Kontrollen sowie zum Umgang mit den Ergebnissen und zu deren Folgen. Die Krankenkassen und die die Kontrollen beauftragenden Stellen sind befugt und verpflichtet, die für das Verfahren zur Durchführung von Stichprobenprüfungen erforderlichen einrichtungsbezogenen Daten an die vom Gemeinsamen Bundesausschuss zur Auswahl der zu prüfenden Leistungserbringer bestimmte Stelle zu übermitteln, und diese Stelle ist befugt, die ihr übermittelten Daten zu diesem Zweck zu verarbeiten, soweit dies in der Richtlinie nach Satz 1 vorgesehen ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat bei den Festlegungen nach Satz 2 vorzusehen, dass die nach Absatz 1 Satz 5 für die Durchsetzung der Qualitätsanforderungen zuständigen Stellen zeitnah einrichtungsbezogen über die Prüfergebnisse informiert werden. Er legt fest, in welchen Fällen der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Prüfergebnisse wegen erheblicher Verstöße gegen Qualitätsanforderungen unverzüglich einrichtungsbezogen an Dritte, insbesondere an jeweils zuständige Behörden der Länder zu übermitteln hat. Die Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach den Sätzen 1 und 2 sollen eine möglichst aufwandsarme Durchführung der Kontrollen nach § 275a unterstützen.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss fasst für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patientinnen und Patienten auch Beschlüsse über

1.
die im Abstand von fünf Jahren zu erbringenden Nachweise über die Erfüllung der Fortbildungspflichten der Fachärzte und der Psychotherapeuten,
2.
einen Katalog planbarer Leistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Standort eines Krankenhauses oder je Arzt und Standort eines Krankenhauses,
3.
Inhalt, Umfang und Datenformat eines jährlich zu veröffentlichenden strukturierten Qualitätsberichts der zugelassenen Krankenhäuser,
4.
vier Leistungen oder Leistungsbereiche, zu denen Verträge nach § 110a mit Anreizen für die Einhaltung besonderer Qualitätsanforderungen erprobt werden sollen; bis zum 31. Dezember 2023 beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss hierzu weitere vier Leistungen oder Leistungsbereiche.
§ 136 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Der Verband der Privaten Krankenversicherung, die Bundesärztekammer sowie die Berufsorganisationen der Pflegeberufe sind bei den Beschlüssen nach den Nummern 1 bis 5 zu beteiligen; bei den Beschlüssen nach den Nummern 1 und 3 ist zusätzlich die Bundespsychotherapeutenkammer zu beteiligen.

(2) Die Beschlüsse nach Absatz 1 Satz 1 sind für zugelassene Krankenhäuser unmittelbar verbindlich. Sie haben Vorrang vor Verträgen nach § 112 Absatz 1, soweit diese keine ergänzenden Regelungen zur Qualitätssicherung enthalten. Verträge zur Qualitätssicherung nach § 112 Absatz 1 gelten bis zum Inkrafttreten von Beschlüssen nach Absatz 1 und Richtlinien nach § 136 Absatz 1 fort. Ergänzende Qualitätsanforderungen im Rahmen der Krankenhausplanung der Länder sind zulässig.

(3) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft kontinuierlich die Evidenz zu bereits festgelegten Mindestmengen sowie die Evidenz für die Festlegung weiterer Mindestmengen und fasst innerhalb von zwei Jahren nach Aufnahme der Beratungen Beschlüsse über die Festlegung einer neuen oder zur Anpassung oder Bestätigung einer bereits bestehenden Mindestmenge. In den Beschlüssen kann der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere

1.
vorsehen, dass Leistungen nur bewirkt werden dürfen, wenn gleichzeitig Mindestmengen weiterer Leistungen erfüllt sind, sowie
2.
gleichzeitig mit der Mindestmenge Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 festlegen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss soll bei den Mindestmengenfestlegungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Übergangsregelungen sowie Regelungen für die erstmalige und für die auf eine Unterbrechung folgende erneute Erbringung einer Leistung aus dem Katalog festgelegter Mindestmengen vorsehen. Er soll insbesondere die Auswirkungen von neu festgelegten Mindestmengen möglichst zeitnah evaluieren und die Festlegungen auf der Grundlage des Ergebnisses anpassen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann beantragen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Festlegung einer Mindestmenge für bestimmte Leistungen prüft. Für die Beschlüsse nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, zu denen das Beratungsverfahren vor dem 19. Juli 2022 begonnen hat, ist § 136b sowie die Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses in der bis zum 19. Juli 2021 geltenden Fassung zugrunde zu legen.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in seiner Verfahrensordnung mit Wirkung zum 19. Juli 2022 das Nähere insbesondere

1.
zur Auswahl einer planbaren Leistung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 sowie zur Festlegung der Höhe einer Mindestmenge,
2.
zur Festlegung der Operationalisierung einer Leistung,
3.
zur Einbeziehung von Fachexperten und Fachgesellschaften,
4.
zur Umsetzung des Prüfauftrags und zur Einhaltung der Fristvorgabe nach Absatz 3 Satz 1 sowie
5.
zu den Voraussetzungen einer Festlegung von gleichzeitig mit der Mindestmenge zu erfüllenden Mindestanforderungen an Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität.

(5) Wenn die nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht wird, dürfen entsprechende Leistungen nicht bewirkt werden. Einem Krankenhaus, das die Leistungen dennoch bewirkt, steht kein Vergütungsanspruch zu. Für die Zulässigkeit der Leistungserbringung muss der Krankenhausträger gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen für Krankenhausstandorte in ihrer Zuständigkeit jährlich darlegen, dass die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird (Prognose). Eine berechtigte mengenmäßige Erwartung liegt in der Regel vor, wenn das Krankenhaus im vorausgegangenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge je Arzt oder Standort eines Krankenhauses oder je Arzt und Standort eines Krankenhauses erreicht hat. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt im Beschluss nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 das Nähere zur Darlegung der Prognose. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen müssen für Krankenhausstandorte in ihrer Zuständigkeit ab der Prognose für das Kalenderjahr 2023 bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit die vom Krankenhausträger getroffene Prognose durch Bescheid widerlegen (Entscheidung); der Gemeinsame Bundesausschuss legt im Beschluss nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 mit Wirkung zum 1. Januar 2022 Regelbeispiele für begründete erhebliche Zweifel fest. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen übermitteln dem Gemeinsamen Bundesausschuss einrichtungsbezogene Informationen der erfolgten Prognoseprüfungen, soweit dies für Zwecke der Qualitätssicherung und ihrer Weiterentwicklung erforderlich und in Beschlüssen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 vorgesehen ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss informiert die für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden standortbezogen über das Prüfergebnis der abgegebenen Prognosen. Bei den Entscheidungen nach Satz 6 und den Übermittlungen nach Satz 7 und 8 handeln die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich. Gegen die Entscheidung nach Satz 6 ist der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben. Ein Vorverfahren findet nicht statt; Klagen gegen die Entscheidungen nach Satz 6 haben ab der Prognose für das Jahr 2023 keine aufschiebende Wirkung. Bis zur Prognose für das Jahr 2022 sind § 136b sowie die Beschlüsse nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und die Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses in der bis zum 19. Juli 2021 geltenden Fassung zugrunde zu legen.

(5a) Die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde kann Leistungen aus dem Katalog nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bestimmen, bei denen die Anwendung des Absatzes 5 Satz 1 und 2 die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte. Die Landesbehörde entscheidet auf Antrag des Krankenhauses im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen für diese Leistungen über die Nichtanwendung des Absatzes 5 Satz 1 und 2. Bei den Entscheidungen nach Satz 2 handeln die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich. Die Nichtanwendung des Absatzes 5 Satz 1 und 2 ist auf ein Kalenderjahr zu befristen, wiederholte Befristungen sind zulässig. Die Landesbehörde hat über die Bestimmung gemäß Satz 1 und über Entscheidungen zur Nichtanwendung gemäß Satz 2 den Gemeinsamen Bundesausschuss sowie das Bundesministerium für Gesundheit zu informieren und die Entscheidung zu begründen.

(6) In dem Bericht nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 ist der Stand der Qualitätssicherung insbesondere unter Berücksichtigung der Anforderungen nach § 136 Absatz 1 und § 136a sowie der Umsetzung der Regelungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 darzustellen. Der Bericht hat auch Art und Anzahl der Leistungen des Krankenhauses auszuweisen sowie Informationen zu Nebendiagnosen, die mit wesentlichen Hauptdiagnosen häufig verbunden sind, zu enthalten. Ergebnisse von Patientenbefragungen, soweit diese vom Gemeinsamen Bundesausschuss veranlasst werden, sind in den Qualitätsbericht aufzunehmen. Der Bericht ist in einem für die Abbildung aller Kriterien geeigneten standardisierten Datensatzformat zu erstellen. In dem Bericht sind die besonders patientenrelevanten Informationen darzustellen. Besonders patientenrelevant sind insbesondere Informationen zur Patientensicherheit und hier speziell zur Umsetzung des Risiko- und Fehlermanagements, zu Maßnahmen der Arzneimitteltherapiesicherheit, zur Einhaltung von Hygienestandards sowie zu Maßzahlen der Personalausstattung in den Fachabteilungen des jeweiligen Krankenhauses.

(7) Die Qualitätsberichte nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 sind über den in dem Beschluss festgelegten Empfängerkreis hinaus vom Gemeinsamen Bundesausschuss, von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen im Internet zu veröffentlichen. Zum Zwecke der Erhöhung von Transparenz und Qualität der stationären Versorgung können die Kassenärztlichen Vereinigungen sowie die Krankenkassen und ihre Verbände die Vertragsärzte und die Versicherten auf der Basis der Qualitätsberichte auch vergleichend über die Qualitätsmerkmale der Krankenhäuser informieren und Empfehlungen aussprechen. Das Krankenhaus hat den Qualitätsbericht auf der eigenen Internetseite leicht auffindbar zu veröffentlichen.

(8) Der Gemeinsame Bundesauschuss hat das Institut nach § 137a bei den nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 ausgewählten Leistungen oder Leistungsbereichen mit einer Untersuchung zur Entwicklung der Versorgungsqualität während des Erprobungszeitraums zu beauftragen. Gegenstand der Untersuchung ist auch ein Vergleich der Versorgungsqualität von Krankenhäusern mit und ohne Vertrag nach § 110a. Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse nach Satz 1, die bis zum 31. Dezember 2028 vorliegen, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Oktober 2029 Empfehlungen zum Nutzen der Qualitätsverträge zu den einzelnen Leistungen und Leistungsbereichen sowie Empfehlungen zu der Frage, ob und unter welchen Rahmenbedingungen Qualitätsverträge als Instrument der Qualitätsentwicklung weiter zur Verfügung stehen sollten. In dem Beschluss über die Empfehlungen nach Satz 3 hat der Gemeinsame Bundesausschuss darzustellen, inwieweit auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse erfolgreiche Maßnahmen aus den Qualitätsverträgen in Qualitätsanforderungen nach § 136 Absatz 1 Satz 1 überführt werden sollen. Ab dem Jahr 2021 veröffentlicht der Gemeinsame Bundesausschuss auf seiner Internetseite regelmäßig eine aktuelle Übersicht der Krankenkassen und der Zusammenschlüsse von Krankenkassen, die Qualitätsverträge nach § 110a geschlossen haben, einschließlich der Angaben, mit welchen Krankenhäusern und zu welchen Leistungen oder Leistungsbereichen sowie über welche Zeiträume die Qualitätsverträge geschlossen wurden. Das Institut nach § 137a übermittelt dem Gemeinsamen Bundesausschuss die hierfür erforderlichen Informationen.

(9) (weggefallen)

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Förderung der Qualität ein gestuftes System von Folgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen nach den §§ 136 bis 136c festzulegen. Er ist ermächtigt, neben Maßnahmen zur Beratung und Unterstützung bei der Qualitätsverbesserung je nach Art und Schwere von Verstößen gegen wesentliche Qualitätsanforderungen angemessene Durchsetzungsmaßnahmen vorzusehen. Solche Maßnahmen können insbesondere sein

1.
Vergütungsabschläge,
2.
der Wegfall des Vergütungsanspruchs für Leistungen, bei denen Mindestanforderungen nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 nicht erfüllt sind,
3.
die Information Dritter über die Verstöße,
4.
die einrichtungsbezogene Veröffentlichung von Informationen zur Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen.
Die Maßnahmen sind verhältnismäßig zu gestalten und anzuwenden. Der Gemeinsame Bundesausschuss trifft die Festlegungen nach den Sätzen 1 bis 4 und zu den Stellen, denen die Durchsetzung der Maßnahmen obliegt, in grundsätzlicher Weise in einer Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 13. Die Festlegungen nach Satz 5 sind vom Gemeinsamen Bundesausschuss in einzelnen Richtlinien und Beschlüssen jeweils für die in ihnen geregelten Qualitätsanforderungen zu konkretisieren. Bei wiederholten oder besonders schwerwiegenden Verstößen kann er von dem nach Satz 1 vorgegebenen gestuften Verfahren abweichen.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seinen Richtlinien über Maßnahmen der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung eine Dokumentationsrate von 100 Prozent für dokumentationspflichtige Datensätze der Leistungserbringer fest. Er hat bei der Unterschreitung dieser Dokumentationsrate Vergütungsabschläge vorzusehen, es sei denn, der Leistungserbringer weist nach, dass die Unterschreitung unverschuldet ist.

(3) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in einer Richtlinie die Einzelheiten zu den Kontrollen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nach § 275a, die durch Anhaltspunkte begründet sein müssen,, die die Einhaltung der Qualitätsanforderungen nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder § 136a Absatz 5 zum Gegenstand haben oder als Stichprobenprüfungen erforderlich sind. Er trifft insbesondere Festlegungen, welche Stellen die Kontrollen beauftragen, welche Anhaltspunkte Kontrollen auch unangemeldet rechtfertigen, zu Art, Umfang und zum Verfahren der Kontrollen sowie zum Umgang mit den Ergebnissen und zu deren Folgen. Die Krankenkassen und die die Kontrollen beauftragenden Stellen sind befugt und verpflichtet, die für das Verfahren zur Durchführung von Stichprobenprüfungen erforderlichen einrichtungsbezogenen Daten an die vom Gemeinsamen Bundesausschuss zur Auswahl der zu prüfenden Leistungserbringer bestimmte Stelle zu übermitteln, und diese Stelle ist befugt, die ihr übermittelten Daten zu diesem Zweck zu verarbeiten, soweit dies in der Richtlinie nach Satz 1 vorgesehen ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat bei den Festlegungen nach Satz 2 vorzusehen, dass die nach Absatz 1 Satz 5 für die Durchsetzung der Qualitätsanforderungen zuständigen Stellen zeitnah einrichtungsbezogen über die Prüfergebnisse informiert werden. Er legt fest, in welchen Fällen der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Prüfergebnisse wegen erheblicher Verstöße gegen Qualitätsanforderungen unverzüglich einrichtungsbezogen an Dritte, insbesondere an jeweils zuständige Behörden der Länder zu übermitteln hat. Die Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach den Sätzen 1 und 2 sollen eine möglichst aufwandsarme Durchführung der Kontrollen nach § 275a unterstützen.

(1) Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung umfasst die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehören nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 insbesondere folgende Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen, seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen:

1.
Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen wie
a)
onkologische Erkrankungen,
b)
rheumatologische Erkrankungen,
c)
HIV/AIDS,
d)
Herzinsuffizienz
(NYHA Stadium 3 – 4),
e)
Multiple Sklerose,
f)
zerebrale Anfallsleiden (Epilepsie),
g)
komplexe Erkrankungen im Rahmen der pädiatrischen Kardiologie,
h)
Folgeschäden bei Frühgeborenen oder
i)
Querschnittslähmung bei Komplikationen, die eine interdisziplinäre Versorgung erforderlich machen;
bei Erkrankungen nach den Buchstaben c bis i umfasst die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nur schwere Verlaufsformen der jeweiligen Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen;
2.
seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen wie
a)
Tuberkulose,
b)
Mukoviszidose,
c)
Hämophilie,
d)
Fehlbildungen, angeborene Skelettsystemfehlbildungen und neuromuskuläre Erkrankungen,
e)
schwerwiegende immunologische Erkrankungen,
f)
biliäre Zirrhose,
g)
primär sklerosierende Cholangitis,
h)
Morbus Wilson,
i)
Transsexualismus,
j)
Versorgung von Kindern mit angeborenen Stoffwechselstörungen,
k)
Marfan-Syndrom,
l)
pulmonale Hypertonie,
m)
Kurzdarmsyndrom oder
n)
Versorgung von Patienten vor oder nach Organtransplantation und von lebenden Spendern sowie
3.
hochspezialisierte Leistungen wie
a)
CT/MRT-gestützte interventionelle schmerztherapeutische Leistungen oder
b)
Brachytherapie.
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden können Gegenstand des Leistungsumfangs in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sein, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss im Rahmen der Beschlüsse nach § 137c für die Krankenhausbehandlung keine ablehnende Entscheidung getroffen hat.

(2) An der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer und nach § 108 zugelassene Krankenhäuser sind berechtigt, Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach Absatz 1, deren Behandlungsumfang der Gemeinsame Bundesausschuss nach den Absätzen 4 und 5 bestimmt hat, zu erbringen, soweit sie die hierfür jeweils maßgeblichen Anforderungen und Voraussetzungen nach den Absätzen 4 und 5 erfüllen und dies gegenüber dem nach Maßgabe des Absatzes 3 Satz 1 erweiterten Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 90 Absatz 1 unter Beifügung entsprechender Belege anzeigen. Soweit der Abschluss von Vereinbarungen nach Absatz 4 Satz 9 und 10 zwischen den in Satz 1 genannten Leistungserbringern erforderlich ist, sind diese im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach Satz 1 ebenfalls vorzulegen. Dies gilt nicht, wenn der Leistungserbringer glaubhaft versichert, dass ihm die Vorlage aus den in Absatz 4 Satz 11 zweiter Halbsatz genannten Gründen nicht möglich ist. Der Leistungserbringer ist nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten nach Eingang seiner Anzeige zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung berechtigt, es sei denn, der Landesausschuss nach Satz 1 teilt ihm innerhalb dieser Frist mit, dass er die Anforderungen und Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt. Der Landesausschuss nach Satz 1 kann von dem anzeigenden Leistungserbringer zusätzlich erforderliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist nach Satz 4 unterbrochen. Danach läuft die Frist weiter; der Zeitraum der Unterbrechung wird in die Frist nicht eingerechnet. Nach Satz 4 berechtigte Leistungserbringer haben ihre Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung sowie der Landeskrankenhausgesellschaft zu melden und dabei den Erkrankungs- und Leistungsbereich anzugeben, auf den sich die Berechtigung erstreckt. Erfüllt der Leistungserbringer die für ihn nach den Sätzen 1 und 2 maßgeblichen Voraussetzungen für die Berechtigung zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nicht mehr, hat er dies unverzüglich unter Angabe des Zeitpunkts ihres Wegfalls gegenüber dem Landesausschuss nach Satz 1 anzuzeigen sowie den in Satz 7 genannten Stellen zu melden. Der Landesausschuss nach Satz 1 kann einen an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer aus gegebenem Anlass sowie unabhängig davon nach Ablauf von mindestens fünf Jahren seit seiner erstmaligen Teilnahmeanzeige oder der letzten späteren Überprüfung seiner Teilnahmeberechtigung auffordern, ihm gegenüber innerhalb einer Frist von zwei Monaten nachzuweisen, dass er die Voraussetzungen für seine Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung weiterhin erfüllt. Die Sätze 4, 5 und 8 gelten entsprechend.

(3) Für die Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 2 wird der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 90 Absatz 1 um Vertreter der Krankenhäuser in der gleichen Zahl erweitert, wie sie nach § 90 Absatz 2 jeweils für die Vertreter der Krankenkassen und die Vertreter der Ärzte vorgesehen ist (erweiterter Landesausschuss). Die Vertreter der Krankenhäuser werden von der Landeskrankenhausgesellschaft bestellt. Über den Vorsitzenden des erweiterten Landesausschusses und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen sowie die Landeskrankenhausgesellschaft einigen. Kommt eine Einigung nicht zustande, werden sie durch die für die Sozialversicherung zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Landes im Benehmen mit den beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen sowie der Landeskrankenhausgesellschaft berufen. Die dem Landesausschuss durch die Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 2 entstehenden Kosten werden zur Hälfte von den Verbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen sowie zu je einem Viertel von den beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen und der Landeskrankenhausgesellschaft getragen. Der erweiterte Landesausschuss beschließt mit einfacher Mehrheit; bei der Gewichtung der Stimmen zählen die Stimmen der Vertreter der Krankenkassen doppelt. Der erweiterte Landesausschuss kann für die Beschlussfassung über Entscheidungen im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach Absatz 2 in seiner Geschäftsordnung abweichend von Satz 1 die Besetzung mit einer kleineren Zahl von Mitgliedern festlegen; die Mitberatungsrechte nach § 90 Absatz 4 Satz 2 sowie § 140f Absatz 3 bleiben unberührt. Er ist befugt, geeignete Dritte ganz oder teilweise mit der Durchführung von Aufgaben nach Absatz 2 zu beauftragen und kann hierfür nähere Vorgaben beschließen.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in einer Richtlinie bis zum 31. Dezember 2012 das Nähere zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach Absatz 1. Er konkretisiert die Erkrankungen nach Absatz 1 Satz 2 nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der jeweiligen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung oder nach weiteren von ihm festzulegenden Merkmalen und bestimmt den Behandlungsumfang. In Bezug auf Krankenhäuser, die an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmen, hat der Gemeinsame Bundesausschuss für Leistungen, die sowohl ambulant spezialfachärztlich als auch teilstationär oder stationär erbracht werden können, allgemeine Tatbestände zu bestimmen, bei deren Vorliegen eine ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung ausnahmsweise nicht ausreichend ist und eine teilstationäre oder stationäre Durchführung erforderlich sein kann. Er regelt die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung sowie sonstige Anforderungen an die Qualitätssicherung unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3. Bei Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen setzt die ambulante spezialfachärztliche Versorgung die Überweisung durch einen Vertragsarzt voraus; das Nähere hierzu regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach Satz 1. Satz 5 gilt nicht bei Zuweisung von Versicherten aus dem stationären Bereich. Für seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss, in welchen Fällen die ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung die Überweisung durch den behandelnden Arzt voraussetzt. Für die Behandlung von Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1, bei denen es sich nicht zugleich um seltene Erkrankungen oder Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen handelt, kann er Empfehlungen als Entscheidungshilfe für den behandelnden Arzt abgeben, in welchen medizinischen Fallkonstellationen bei der jeweiligen Krankheit von einem besonderen Krankheitsverlauf auszugehen ist. Zudem kann er für die Versorgung bei Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen Regelungen zu Vereinbarungen treffen, die eine Kooperation zwischen den beteiligten Leistungserbringern nach Absatz 2 Satz 1 in diesem Versorgungsbereich fördern. Für die Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen hat er Regelungen für solche Vereinbarungen zu treffen. Diese Vereinbarungen nach den Sätzen 9 und 10 sind Voraussetzung für die Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung, es sei denn, dass ein Leistungserbringer eine Vereinbarung nach den Sätzen 9 oder 10 nicht abschließen kann, weil in seinem für die ambulante spezialfachärztliche Versorgung relevanten Einzugsbereich

a)
kein geeigneter Kooperationspartner vorhanden ist oder
b)
er dort trotz ernsthaften Bemühens innerhalb eines Zeitraums von mindestens zwei Monaten keinen zur Kooperation mit ihm bereiten geeigneten Leistungserbringer finden konnte.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat spätestens jeweils zwei Jahre nach dem Inkrafttreten eines Richtlinienbeschlusses, der für eine Erkrankung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b getroffen wurde, die Auswirkungen dieses Beschlusses hinsichtlich Qualität, Inanspruchnahme und Wirtschaftlichkeit der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sowie die Erforderlichkeit einer Anpassung dieses Beschlusses zu prüfen. Über das Ergebnis der Prüfung berichtet der Gemeinsame Bundesausschuss dem Bundesministerium für Gesundheit.

(5) Der Gemeinsame Bundesausschuss ergänzt den Katalog nach Absatz 1 Satz 2 auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, einer Trägerorganisation des Gemeinsamen Bundesausschusses oder der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen nach § 140f nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 1 um weitere Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen, seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen. Im Übrigen gilt Absatz 4 entsprechend.

(6) Die Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung werden unmittelbar von der Krankenkasse vergütet; Leistungserbringer können die Kassenärztliche Vereinigung gegen Aufwendungsersatz mit der Abrechnung von Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung beauftragen. Für die Vergütung der Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeinsam und einheitlich die Kalkulationssystematik, diagnosebezogene Gebührenpositionen in Euro sowie deren jeweilige verbindliche Einführungszeitpunkte nach Inkrafttreten der entsprechenden Richtlinien gemäß den Absätzen 4 und 5. Die Kalkulation erfolgt auf betriebswirtschaftlicher Grundlage ausgehend vom einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen unter ergänzender Berücksichtigung der nichtärztlichen Leistungen, der Sachkosten sowie der spezifischen Investitionsbedingungen. Bei den seltenen Erkrankungen und Erkrankungszuständen mit entsprechend geringen Fallzahlen sollen die Gebührenpositionen für die Diagnostik und die Behandlung getrennt kalkuliert werden. Die Vertragspartner können einen Dritten mit der Kalkulation beauftragen. Die Gebührenpositionen sind in regelmäßigen Zeitabständen daraufhin zu überprüfen, ob sie noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungserbringung entsprechen. Kommt eine Vereinbarung nach Satz 2 ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Bis zum Inkrafttreten einer Vereinbarung nach Satz 2 erfolgt die Vergütung auf der Grundlage der vom Bewertungsausschuss gemäß § 87 Absatz 5a bestimmten abrechnungsfähigen ambulanten spezialfachärztlichen Leistungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen mit dem Preis der jeweiligen regionalen Euro-Gebührenordnung. Der Bewertungsausschuss gemäß § 87 Absatz 5a hat den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen bis zum Inkrafttreten einer Vereinbarung nach Satz 2 und jeweils bis spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten der Richtlinien gemäß den Absätzen 4 und 5 insbesondere so anzupassen, dass die Leistungen nach Absatz 1 unter Berücksichtigung der Vorgaben nach den Absätzen 4 und 5 angemessen bewertet sind und nur von den an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern abgerechnet werden können. Die Prüfung der Abrechnung und der Wirtschaftlichkeit sowie der Qualität, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss hierzu in der Richtlinie nach Absatz 4 keine abweichende Regelung getroffen hat, erfolgt durch die Krankenkassen, die hiermit eine Arbeitsgemeinschaft oder den Medizinischen Dienst beauftragen können; ihnen sind die für die Prüfungen erforderlichen Belege und Berechtigungsdaten nach Absatz 2 auf Verlangen vorzulegen. Für die Abrechnung gilt § 295 Absatz 1b Satz 1 entsprechend. Das Nähere über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens sowie über die erforderlichen Vordrucke wird von den Vertragsparteien nach Satz 2 vereinbart; Satz 7 gilt entsprechend. Die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung ist nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7 in den Vereinbarungen nach § 87a Absatz 3 um die Leistungen zu bereinigen, die Bestandteil der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sind. Die Bereinigung darf nicht zulasten des hausärztlichen Vergütungsanteils und der fachärztlichen Grundversorgung gehen. In den Vereinbarungen zur Bereinigung ist auch über notwendige Korrekturverfahren zu entscheiden.

(7) Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nach Absatz 1 schließt die Verordnung von Leistungen nach § 73 Absatz 2 Nummer 5 bis 8 und 12 ein, soweit diese zur Erfüllung des Behandlungsauftrags nach Absatz 2 erforderlich sind; § 73 Absatz 2 Nummer 9 gilt entsprechend. Die Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 gelten entsprechend. Die Vereinbarungen über Vordrucke und Nachweise nach § 87 Absatz 1 Satz 2 sowie die Richtlinien nach § 75 Absatz 7 gelten entsprechend, soweit sie Regelungen zur Verordnung von Leistungen nach Satz 1 betreffen. Verordnungen im Rahmen der Versorgung nach Absatz 1 sind auf den Vordrucken gesondert zu kennzeichnen. Leistungserbringer nach Absatz 2 erhalten ein Kennzeichen nach § 293 Absatz 1 und Absatz 4 Satz 2 Nummer 1, das eine eindeutige Zuordnung im Rahmen der Abrechnung nach den §§ 300 und 302 ermöglicht, und tragen dieses auf die Vordrucke auf. Das Nähere zu Form und Zuweisung der Kennzeichen nach den Sätzen 4 und 5, zur Bereitstellung der Vordrucke sowie zur Auftragung der Kennzeichen auf die Vordrucke ist in der Vereinbarung nach Absatz 6 Satz 12 zu regeln. Für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen nach Satz 1 gilt § 113 Absatz 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Prüfung durch die Prüfungsstellen gegen Kostenersatz durchgeführt wird, soweit die Krankenkasse mit dem Leistungserbringer nach Absatz 2 nichts anderes vereinbart hat.

(8) Bestimmungen, die von einem Land nach § 116b Absatz 2 Satz 1 in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung getroffen wurden, gelten weiter. Bestimmungen nach Satz 1 für eine Erkrankung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder Nummer 2 oder eine hochspezialisierte Leistung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3, für die der Gemeinsame Bundesausschuss das Nähere zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung in der Richtlinie nach Absatz 4 Satz 1 geregelt hat, werden unwirksam, wenn das Krankenhaus zu dieser Erkrankung oder hochspezialisierten Leistung zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung berechtigt ist, spätestens jedoch drei Jahre nach Inkrafttreten des entsprechenden Richtlinienbeschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die von zugelassenen Krankenhäusern aufgrund von Bestimmungen nach Satz 1 erbrachten Leistungen werden nach § 116b Absatz 5 in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung vergütet.

(9) Die Auswirkungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung auf die Kostenträger, die Leistungserbringer sowie auf die Patientenversorgung sind fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zu bewerten. Gegenstand der Bewertung sind insbesondere der Stand der Versorgungsstruktur, der Qualität sowie der Abrechnung der Leistungen in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung auch im Hinblick auf die Entwicklung in anderen Versorgungsbereichen. Die Ergebnisse der Bewertung sind dem Bundesministerium für Gesundheit zum 31. März 2017 zuzuleiten. Die Bewertung und die Berichtspflicht obliegen dem Spitzenverband Bund, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft gemeinsam.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg für allgemeine Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 655 200 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist eine vom beklagten Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) beschlossene Mindestmenge für die Versorgung mit Kniegelenk-Totalendoprothesen (im Folgenden: Kniegelenk-TEP).

2

1. Dem GBA ist zum 1.1.2004 im Zuge der Neufassung seiner Kompetenzen ua die bis dahin von den Verbänden der Krankenkassen und Krankenhäuser wahrgenommene Aufgabe übertragen worden, die Qualitätssicherung in der stationären Versorgung näher auszugestalten (vgl zuvor § 137 S 4, § 112 Abs 1 SGB V idF des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2477, und sodann § 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 54 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000, BGBl I 1999, 2626, nachfolgend: GKVRefG2000). Seither ist er beauftragt, unter Beteiligung der betroffenen Verbände in Beschlüssen und Richtlinien Maßnahmen der Qualitätssicherung in der stationären Versorgung festzulegen (§ 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 104 Buchst a DBuchst aa GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190; sinngemäß ebenso seit der Umgestaltung von § 137 Abs 1 S 1 SGB V durch Art 1 Nr 110 des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378).

3

2. Eine Maßnahme zur Qualitätssicherung in der stationären Versorgung in diesem Sinne ist seit dem 30.4.2002 auch die Steuerung über sog Mindestmengen. Begründet durch das Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (FPG) vom 23.4.2002 (BGBl I 1412) sollen danach Beschlüsse gefasst werden über einen "Katalog planbarer Leistungen ..., bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände" (anfangs: § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V idF von Art 1 Nr 5 Buchst b DBuchst bb FPG, seit dem 1.7.2008 inhaltsgleich fortgeführt durch § 137 Abs 3 Nr 2 SGB V in der Neufassung von § 137 SGB V durch Art 1 Nr 110 des GKV-WSG; im Folgenden jeweils in dieser Neufassung zitiert). In Ergänzung dazu dürfen nach § 137 Abs 3 S 2 SGB V entsprechende Leistungen nicht erbracht werden, wenn die erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen "voraussichtlich nicht erreicht wird". Ausnahmen kann die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde vorsehen, wenn diese Begrenzung "die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte" (§ 137 Abs 3 S 3 SGB V). Leitend hierfür war die Einschätzung, durch verschiedene Studien werde ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Operationen und der Qualität des Behandlungsergebnisses nachgewiesen. Daher sollten Operationen oder Prozeduren gesucht und bestimmt werden, bei denen ein solcher Zusammenhang in besonderem Maße vorliegt (vgl BT-Drucks 14/6893 S 28 und 31).

4

3. Hierauf gestützt haben zunächst die damals noch zuständigen Verbände der Krankenkassen und Krankenhäuser im Dezember 2003 erste Mindestmengen festgesetzt und eine Verfahrensordnung zu deren Weiterentwicklung beschlossen (Vereinbarung gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V - Mindestmengenvereinbarung - zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen, dem Verband der Privaten Krankenversicherung sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer und dem Deutschen Pflegerat vom 3.12.2003 - im Folgenden: MMV 2003 - nebst Anlage 1 - Katalog der Prozeduren und Leistungen in der OPS-301 Version 2004 - und Anlage 2 - Allgemeine Ausnahmetatbestände gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V). Danach waren Mindestmengen bestimmt für fünf Leistungsbereiche, nämlich für Transplantationen von Leber (jährlich 10), Niere (jährlich 20) und Stammzellen (jährlich 12 ± 2) sowie für komplexe Eingriffe an Speiseröhre (jährlich 5 pro Krankenhaus/pro Arzt) und Bauchspeicheldrüse (jährlich 5 pro Krankenhaus/pro Arzt). Als Ausnahmetatbestand war festgelegt, dass beim Aufbau neuer Leistungsbereiche bzw bei personeller Neuausrichtung bereits bestehender Leistungsbereiche Übergangszeiträume von 36 bzw 24 Monaten eingeräumt werden (Ziffern 4 und 5 der Anlage 2 der MMV 2003).

5

Diesen Katalog von Mindestmengen hat der GBA nach dem Übergang der Zuständigkeit auf ihn weiter fortentwickelt und um den Bereich der Kniegelenk-TEP sowie die Versorgung Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm ergänzt; die zunächst ebenfalls geplante Einbeziehung koronarchirurgischer Eingriffe hat er hingegen zwischenzeitlich aufgegeben. Insoweit hat sich der Gang der Beratungen über die Einführung einer Mindestmenge für kniegelenksersetzende Eingriffe wie folgt vollzogen:

6

a) Eingeleitet worden ist die Beschlussfassung auf Antrag des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen und des Arbeiter-Ersatzkassenverbandes vom 7.5.2004 mit Erhebungen über den Stand der Literatur sowie Auskünfte und Stellungnahmen, die der GBA von dritter Seite eingeholt hat. Ausgangspunkt dafür war eine Literaturrecherche, die von der Geschäftsstelle des GBA selbst vorgenommen worden ist und zu einer näheren Auswertung von 10 Publikationen aus dem anglo-amerikanischen Bereich über Versorgungen aus den 1980er und 1990er Jahren in Kliniken mit Kniegelenk-TEP bei Fallzahlen zwischen 15 und 200 pro Jahr geführt hat. Zeitgleich hat der GBA durch das Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) die Verteilung der Häufigkeit von Kniegelenk-TEP in Deutschland und die Auswirkungen von entsprechenden Mindestmengenvorgaben auf die stationären Versorgungsstrukturen unter besonderer Berücksichtigung der regionalen Verteilungswirkungen ermitteln lassen. Ebenfalls in diesem zeitlichen Rahmen hat er schließlich bei der von der DKG, den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Bundesärztekammer unter Einbeziehung des Deutschen Pflegerats getragenen Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS) eine Sonderauswertung der dort erhobenen Daten nach der "Richtlinie über Maßnahmen der Qualitätssicherung in Krankenhäusern" vom 15.8.2006 (QSKH-RL, BAnz Nr 178 S 6361 vom 20.9.2006, zuletzt geändert am 20.10.2011, BAnz Nr 19 S 402 vom 2.2.2012) erbeten. Zusätzliche Stellungnahmen haben abgegeben die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie eV sowie die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie eV. Nach Auswertung aller Unterlagen hat der GBA die Festsetzung eines Schwellenwertes für Kniegelenk-TEP für das Jahr 2005 noch zurückgestellt und sie zunächst nur dem Grunde nach in den Mindestmengenkatalog für die stationäre Versorgung einbezogen (Beschluss vom 21.9.2004, BAnz Nr 238 vom 15.12.2004 S 24210).

7

b) In der weiteren Folge sind die Beratungen fortgesetzt worden mit Erörterungen zur Methodik der Festlegung von Schwellenwerten und insbesondere dem dabei zu beachtenden Evidenzgrad (Sitzungen des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 26.10.2004 und 11.2.2005). Parallel sind Gespräche mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) über dessen Beteiligung an der Schwellenwertbestimmung geführt worden (Beschlüsse des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 18.3. und 14.7.2004, Sitzungen der "AG Mindestmengen" vom 29.11.2004 sowie 24.2. und 27.4.2005, Sitzungen des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 15.4., 23.5. und 5.7.2005, Sitzungen und Beschlüsse des GBA § 91 abs 7 sgb v> vom 21.12.2004 sowie 17.5. und 21.6.2005). Im Hinblick darauf fand ein von den Spitzenverbänden der Krankenkassen gestellter Antrag auf vorläufige Festsetzung eines Schwellenwertes von 50 Operationen pro Jahr und Krankenhaus mit der Option der Korrektur nach Vorlage eines Schlussberichts des IQWiG zunächst keine Zustimmung (Sitzung des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 15.4.2005). Stattdessen ist das IQWiG im Juni 2005 formell beauftragt worden, Rechenmodelle für die Indikation Kniegelenk-TEP zu entwickeln und diese zur Ermittlung von Schwellenwerten anzuwenden.

8

c) Nachdem sich im weiteren Verlauf abzeichnete, dass das IQWiG seine Bewertung mutmaßlich nicht vor November 2005 würde abschließen können, hat der GBA im Hinblick auf die nach seiner Verfahrensordnung jeweils spätestens bis zum 31. August eines jeden Jahres zu treffende Entscheidung über die Einführung von Mindestmengen (§ 3 Abs 2 der MMV 2003) am 16.8.2005 beschlossen, einen konkreten Schwellenwert für den Bereich der Kniegelenk-TEP bereits vor der Vorlage des Schlussberichts des IQWiG festzulegen und den Wert nach dessen Erhalt ggf nochmals zu korrigieren. Demgemäß ist der Schwellenwert für Kniegelenk-TEP ab dem 1.1.2006 auf 50 pro Jahr und Krankenhaus bestimmt worden (Beschluss vom 16.8.2005, Anlage 1 Nr 6 der MMV 2003, BAnz Nr 175 vom 15.9.2005 S 13864).

9

d) Die Ergebnisse seiner Studien legte das IQWiG mit Vorbericht vom 17.10.2005 und Ab-schlussbericht vom 5.12.2005 vor: Es habe für die untersuchten Risiken "Unbeweglichkeit" und "Infektion" ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Fallzahl und dem entsprechenden Risiko statistisch nachgewiesen werden können. Die Auswertung unterstütze die Hypothese, dass es bei Knie-TEP einen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität gebe. Jedoch zeige der Zusammenhang zwischen dem primären Qualitätsindikator "Unbeweglichkeit" und der Fallzahl unerwartet einen U-förmigen Verlauf, der das Konzept einer Mindestmengenregelung für dieses Risiko infrage stelle. Eine geeignete Maßnahme zur Verbesserung der Ergebnisqualität scheine hier eher die Definition eines mittleren Leistungsmengenbereichs zu sein, für den indes weitere Untersuchungen notwendig seien. Die Volume-Outcome-Beziehung für den sekundären Qualitätsindikator "Infektion" habe eine sehr flache, mit steigender Fallzahl sehr langsam fallende Risikokurve gezeigt, die die Hypothese unterstütze, dass High-Volume-Krankenhäuser eine bessere Qualität aufwiesen als Low-Volume-Krankenhäuser. Der Erklärungswert der Fallzahlen sei jedoch zu gering gewesen, um aus dieser Beziehung einen klaren eindeutigen Schwellenwert abzuleiten. Eine Assoziation mit einer deutlichen Qualitätsverbesserung habe sich nur für Mindestmengen in höheren Qualitätsbereichen ergeben, was jedoch in Zusammenhang zu den weiteren Qualitätsindikatoren zu sehen sei. Zusammengefasst sei ein wissenschaftlicher Nachweis, dass eine Mindestmengenregelung für Patienten mit Kniegelenk-TEP eine Verbesserung der Ergebnisqualität bewirke, nur über eine kontrollierte Interventionsstudie zu führen (Abschlussbericht S 44 f).

10

e) Nach Veröffentlichung der Berichte des IQWiG hat der GBA mit Beschluss vom 20.12.2005 eine von der DKG im Hinblick auf den Vorbericht des IQWiG beantragte Aussetzung der Mindestmengenfestsetzung für die Kniegelenk-TEP mehrheitlich abgelehnt. Jedoch wurde ein Verfahren für weitere Ausnahmebestimmungen für das Jahr 2006 beschlossen, das es Kliniken mit sehr guter Versorgungsqualität auch unterhalb der Mindestmengen-Schwelle erlaubte, an der Versorgung mit künstlichen Kniegelenken weiter teilzuhaben (Protokoll der Sitzung des GBA vom 20.12.2005). In Einzelfällen ist davon Gebrauch gemacht worden (vgl etwa Beschluss des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 27.9.2006).

11

f) Im weiteren Verlauf hat der GBA die getroffenen Mindestmengen-Festsetzungen in jährlichen Beschlüssen redaktionell der aktuellen Fassung der jeweils maßgeblichen OPS-Klassifikation angepasst und teilweise auch die Fallzahl geändert; im Bereich der Kniegelenk-TEP blieb der Schwellenwert von 50 Operationen pro Jahr und Krankenhaus allerdings unverändert (Beschluss vom 19.12.2006, BAnz Nr 244 vom 29.12.2006 S 7417; Beschluss vom 22.11.2007, BAnz Nr 9 vom 17.1.2008 S 128; Beschluss vom 18.12.2008, BAnz Nr 198 vom 31.12.2008 S 4809; Beschluss vom 17.12.2009, BAnz Nr 198 vom 31.12.2009 S 4582; Beschluss vom 11.11.2010, BAnz Nr 181 vom 30.11.2010 S 3976). Ergänzend hat er eine Studie zu den Auswirkungen der Mindestmengen-Festsetzungen in den verschiedenen Leistungsbereichen in Auftrag gegeben, die im Dezember 2007 vorgelegt worden ist (Geraedts/Ohmann/Blum/Müller, Abschlussbericht zur Begleitforschung zur Einführung von Mindestmengen gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V für den Zeitraum 1.12.2005 bis 30.11.2007).

12

4. Die Klägerin ist Trägerin eines zur Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten zugelassenen Krankenhauses mit medizinischem, psychiatrischem und operativem Zentrum mit insgesamt 816 Betten im Jahr 2010. Im Bereich der Chirurgie betreibt sie neben Einrichtungen für weitere Teilbereiche eine Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie und Orthopädie, in der auch kniegelenksersetzende Operationen ausgeführt werden. Damit erreichte sie nach anfänglich geringeren Fallzahlen in den Jahren 2008, 2009 und 2010 Fallzahlen von 29, 40 bzw 50 Eingriffen pro Jahr; im ersten Halbjahr 2011 setzte sie 15 Kniegelenk-TEP ein; bei 50 Operationen im Jahr 2011 hätte sie daraus eigener Angabe zufolge Erlöse von etwa 364 000 Euro erzielen können. 2010 erzielte sie bei einem Umsatz aus Krankenhausleistungen von 91,7 Millionen Euro und einem Gesamtumsatz von 104,9 Millionen Euro einen Jahresüberschuss von 2,8 Millionen Euro (Jahresabschluss der R. Kliniken GmbH zum 31.12.2010, vgl https://www.unternehmensregister.de/ , recherchiert am 13.8. 2012).

13

Im September 2008 hat die Klägerin Klage beim LSG mit dem Ziel erhoben, die Teilnichtigkeit der Mindestmengen-Regelung im Bereich der Kniegelenk-TEP feststellen zu lassen. Sie werde durch sie in unverhältnismäßiger Weise in ihrer ärztlichen Therapiefreiheit eingeschränkt. Die Regelung sei verfassungswidrig. Auch sei von ihr nicht in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht worden. Der Schwellenwert von 50 Operationen im Jahr sei willkürlich und nicht wissenschaftlich belegt.

14

Das LSG hat entschieden, dass die Mindestmengenvereinbarung idF des Beschlusses vom 16.8.2005, zuletzt geändert durch Beschluss vom 11.11.2010, nichtig sei, soweit für Kniegelenk-TEP eine Mindestmenge von 50 pro Krankenhaus festgelegt werde (Urteil vom 17.8.2011): Als verbindliche untergesetzliche Norm sei der angefochtene Beschluss zur Vermeidung nicht hinnehmbarer Rechtsschutzlücken im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG im Wege der Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG überprüfbar. Auch unter Berücksichtigung der gebotenen Zurückhaltung gegenüber der Normsetzungskompetenz des Beklagten habe sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses bei Kniegelenk-TEP iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig sei. Schon verfahrensrechtlich bestünden erhebliche Bedenken, weil der GBA bei der Einführung der Mindestmengen das Ergebnis der IQWiG-Beauftragung nicht abgewartet habe. Jedenfalls lägen für eine in besonderem Maße gegebene Abhängigkeit von Leistungsmenge und Leistungsqualität keine belastbaren wissenschaftlichen Belege vor. Insbesondere habe der Abschlussbericht des IQWiG lediglich die Hypothese bestätigt, dass ein solcher Zusammenhang bestehe. Ein belastbarer, gerichtlich nachprüfbarer wissenschaftlicher Nachweis sei dem IQWiG-Bericht zufolge aber nur über eine kontrollierte Interventionsstudie zu führen.

15

5. Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Feststellungsklage sei unzulässig, weil die Mindestmengenregelung auf weitere Umsetzungsakte entweder über gesonderte Planungsentscheidungen der Landeskrankenhausplanungsbehörde oder im Rahmen der Pflegesatzvereinbarungen nach § 18 KHG angelegt und Rechtsschutz jeweils in diesem Rahmen zu erlangen sei. Unbegründet seien die Bedenken im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf der Beschlussfassung und die Ausführungen zu dem Verhältnis zwischen GBA und IQWiG. Das LSG habe auch den Begriff der planbaren Leistung iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V fehlerhaft ausgelegt und zudem zu Unrecht wissenschaftlich belastbare Belege für eine besondere Kausalität zwischen Leistungsmenge und Leistungsqualität gefordert. Das nach der gesetzlichen Vorschrift erforderliche besondere Maß zwischen Menge und Qualität sei nicht Voraussetzung für die Festlegung der konkreten Mindestmenge, sondern ausschließlich zur Bestimmung des jeweiligen Leistungsbereichs, für den eine Mindestmenge in Betracht zu ziehen sei. Zumindest aber hätte das LSG nicht die Nichtigkeit der Mindestmengenregelung feststellen dürfen; dafür fehle es an einer Rechtsgrundlage.

16

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision des GBA ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG); ob die angefochtenen Mindestmengenbeschlüsse rechtmäßig sind, lässt sich anhand der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen.

19

1. Zuständig zur Entscheidung des Rechtsstreits ist der erkennende 3. Senat des BSG als Spruchkörper für das (allgemeine) Leistungserbringerrecht der GKV, nicht aber der für Vertragsarztangelegenheiten gebildete 6. Senat des BSG (§ 10 Abs 1, § 12 Abs 2 S 1, § 31 Abs 1 S 1, § 40 S 1 SGG). Streitigkeiten über die Befugnis zur Erbringung von Krankenhausleistungen nach dem SGB V sind entgegen der Auffassung des LSG auch dann der (allgemeinen) Krankenversicherung als Teil der Sozialversicherung iS von § 10 Abs 1 SGG und nicht dem Vertragsarztrecht iS von § 10 Abs 2 SGG zuzuordnen, wenn sie unmittelbar eine Entscheidung des GBA zum Gegenstand haben.

20

Schon in der Vergangenheit sind der erkennende 3. sowie der 1. Senat des BSG in Abgrenzung zur damaligen Rechtsauffassung des 6. Senats (vgl BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 19 ff; fortgeführt von BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 15 ff) davon ausgegangen, dass eine vertragsarztrechtliche Streitigkeit jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn - wie hier - eine vertragsärztliche Leistungserbringung gar nicht in Rede steht (BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 9 f; vgl auch Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 10 ff). Dies hat nunmehr der Gesetzgeber mit der zum 1.1.2012 in Kraft getretenen Konkretisierung von § 10 Abs 2 SGG durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze(4. SGB IV-ÄndG) vom 22.12.2011 (BGBl I 3057) ausdrücklich bekräftigt. Dem Vertragsarztrecht explizit zugeordnet sind danach Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des GBA nur, soweit diese die vertragsärztliche Versorgung betreffen (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 1 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG), auf solche Entscheidungen und Regelungen bezogene Klagen in Aufsichtsangelegenheiten gegenüber dem GBA (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 2 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG) sowie weitere im Einzelnen aufgeführte Streitigkeiten, zu denen die hier maßgebliche Regelungsmaterie ebenfalls nicht zählt (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 3 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG).

21

Im Umkehrschluss folgt hieraus, dass alle sonstigen leistungserbringungsrechtlichen Streitigkeiten der GKV weiterhin den iS von § 10 Abs 1 SGG für die (allgemeine) Krankenversicherung als Teil der Sozialversicherung zuständigen Spruchkörpern zuzuordnen sind(zu dem Regel-Ausnahme-Verhältnis vgl BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 5; Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 12). Ebenso ist nach den Materialien auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass bei sektorenübergreifenden oder spezifisch den Krankenhausbereich betreffenden Richtlinien und Beschlüssen des GBA von einer Zuordnung zu den Spruchkörpern für die (allgemeine) Krankenversicherung auszugehen ist. Als solche sind in den Materialien ausdrücklich die hier im Streit stehenden Beschlüsse nach § 137 Abs 3 SGB V aufgeführt(vgl BT-Drucks 17/6764 S 26). Diese Interpretation des Gesetzes haben sich zwischenzeitlich die betroffenen Senate des BSG übereinstimmend zu eigen gemacht (vgl SGb 2012, 495 ff), sodass eine Vorlage an den Großen Senat des BSG zu dieser Frage nicht mehr veranlasst ist (vgl hierzu im Weiteren auch Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 17).

22

2. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Einbeziehung der Kniegelenktotalendoprothetik in die Mindestmengenregelung des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V ab dem 1.1.2006. Erfasst sind damit alle insoweit maßgeblichen Beschlüsse, nämlich zunächst die Aufnahme der Kniegelenk-TEP in den Katalog planbarer Leistungen dem Grunde nach durch Beschluss vom 21.9.2004 (BAnz Nr 238 vom 15.12.2004 S 24210), sodann die Festlegung der Mindestmenge auf jährlich 50 Operationen pro Krankenhaus mit Beschluss vom 16.8.2005 (BAnz Nr 175 vom 15.9.2005 S 13864) sowie desweiteren die wiederholenden Beschlüsse vom 19.12.2006, 22.11.2007, 18.12.2008, 17.12.2009 und 11.11.2010 (BAnz Nr 244 vom 29.12.2006 S 7417; BAnz Nr 9 vom 17.1.2008 S 128; BAnz Nr 198 vom 31.12.2008 S 4809; BAnz Nr 198 vom 31.12.2009 S 4582; BAnz Nr 181 vom 30.11.2010 S 3976). Zu Recht weist der Beklagte zwar darauf hin, dass der Beschluss vom 21.9.2004 unmittelbare Rechtsfolgen für die an der GKV-Versorgung teilnehmenden Krankenhäuser noch nicht gehabt hat. Allerdings tritt die Sperrwirkung des § 137 Abs 3 S 2 SGB V nur ein, sofern die betreffende Leistung - hier die Kniegelenk-TEP - auch dem Grunde nach in den Mindestmengenkatalog nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V aufgenommen worden ist. Dies war Gegenstand bereits des Beschlusses vom 21.9.2004, der durch den Beschluss vom 16.8.2005 auch dem Wortlaut nach lediglich um die Mindestmenge von 50 Operationen jährlich ergänzt worden ist. Dementsprechend versteht der Senat das Klagebegehren dahin, dass über die Mindestmengenbestimmung für Kniegelenk-TEP durch die Beschlüsse vom 21.9.2004 sowie 16.8.2005 in der jeweils zu Jahresbeginn aktualisierten Fassung befunden werden sollte und vom LSG auch entschieden worden ist, zuletzt also in Gestalt des Beschlusses vom 11.11.2010.

23

3. Die mit diesem Rechtsschutzziel erhobene Feststellungsklage unmittelbar gegen den GBA hat das LSG zu Recht als zulässig erachtet; dagegen wendet sich der Beklagte ohne Erfolg.

24

a) Nach ständiger und zwischenzeitlich vom Gesetzgeber ebenfalls aufgegriffener Rechtsprechung des BSG gebietet die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 GG die Anerkennung der Feststellungsklage gegen untergesetzliche Rechtsnormen des GBA, wenn die Normbetroffenen ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können, etwa weil ihnen nicht zuzumuten ist, Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen Norm abzuwarten oder die Wirkung der Norm ohne anfechtbare Vollzugsakte eintritt (stRspr, vgl zuletzt etwa BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 14; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 22; vgl auch BSG Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - SozR 4-2500 § 92 Nr 13 RdNr 20 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Wie der 6. Senat des BSG bereits eingehend dargelegt hat, leitet das BVerfG aus Art 19 Abs 4 GG ab, dass die Fachgerichte Feststellungsklagen als Rechtsschutzmittel gegen untergesetzliche Rechtsnormen anerkennen müssen (vgl BVerfGE 115, 81, 92 iVm S 95 f = SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 41 iVm 49 ff). Auch ohne eine § 47 VwGO entsprechende Regelung ist danach in der Sozialgerichtsbarkeit gegen untergesetzliche Rechtsnormen des GBA vergleichbarer Rechtsschutz im Wege der Feststellungsklage zu gewähren. Das hat zwischenzeitlich auch der Gesetzgeber bekräftigt, wie insbesondere die durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) eingeführte Regelung des § 29 Abs 4 SGG unter Verzicht auf die Einfügung einer § 47 VwGO entsprechenden Regelung im SGG erweist. Die Zuständigkeitsbestimmung für Klagen ua gegen Richtlinien des GBA nach § 92 SGB V(§ 29 Abs 4 Nr 3 SGG) ist ausdrücklich von der Erwartung getragen, dass nach der Rechtsprechung des BSG Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtssätze weiterhin durch Feststellungsklage zu gewähren und deshalb die Einführung eines allgemeinen Normenkontrollverfahrens wie nach § 47 VwGO für das SGG entbehrlich ist(vgl BT-Drucks 16/7716 S 16). Diese Motivation des Gesetzgebers wird mittelbar dadurch bestätigt, dass das durch Art 4 Nr 4 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) mit Wirkung vom 1.4.2011 eingeführte Normenkontrollverfahren gemäß § 55a SGG ausschließlich Rechtsvorschriften nach oder in Zusammenhang mit § 22a Abs 1 SGB II betrifft.

25

b) Die Mindestmengenbestimmungen des GBA sind untergesetzliche Rechtsnormen in diesem Sinne. Wie die Richtlinien nach § 92 SGB V entfalten sie unmittelbare Bindungswirkung für Versicherte, Krankenkassen sowie Leistungserbringer und sind wie diese dem GBA als Normsetzungsgremium übertragen. Sie ergehen als "Beschluss" (§ 137 Abs 3 S 1 SGB V) und damit wie gemäß § 91 SGB V alle Entscheidungen des GBA in seiner Funktion als rechtsetzende Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung. Als solche nehmen sie neben der partiellen Verbindlichkeitsanordnung nach § 137 Abs 3 S 6 SGB V(bis 30.6.2008: § 137 Abs 2 S 1 SGB V idF Art 1 Nr 54 GKVRefG2000) ebenfalls an der generellen Regelung des § 91 Abs 6 SGB V teil, wonach mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 137b SGB V alle Beschlüsse des GBA für Versicherte und Leistungserbringer verbindlich sind. Auch für Zuständigkeit und Verfahren gelten die Maßgaben des § 91 SGB V genauso wie für Richtlinien nach § 92 SGB V. Zuständig für die Mindestmengenbestimmung ist danach das Beschlussgremium des GBA in seiner Besetzung mit von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der DKG und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen als Trägerorganisationen des GBA benannten sowie unparteiischen Mitgliedern (§ 91 Abs 2 SGB V). Nach Maßgabe der von ihm zu beschließenden Verfahrensordnung (§ 91 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB V)und nach Anhörung der zu beteiligenden Verbände hat dieses Beschlussgremium jeweils mit Mehrheit zu entscheiden (§ 91 Abs 7 SGB V). Diese konkrete Ausgestaltung - die Delegation der Entscheidungsverantwortung auf die gemeinsame Selbstverwaltung von Leistungserbringern und Krankenkassen, die Regeln für die Entscheidungsfindung sowie die Verbindlichkeit für Versicherte und Krankenhäuser - weist die Mindestmengenbeschlüsse des GBA als Gegenstand untergesetzlicher Normgebung aus. Systematisch entspricht dies den in der Rechtsprechung des BSG hierzu aufgestellten Kriterien und wird bekräftigt durch die Entstehungsgeschichte.

26

In systematischer Hinsicht hat das BSG schon in früheren Entscheidungen zu den durch das GMG zum GBA zusammengeführten Bundesausschüssen bei der Qualifizierung von Richtlinien als untergesetzliche Normen wesentlich auf deren allseitige Bindungswirkung für Versicherte und Leistungserbringer und das zugrunde liegende Regelungskonzept abgestellt, die leistungs- und leistungserbringungsrechtlichen Einzelheiten der GKV-Versorgung auf gesetzlicher Grundlage von Gremien der funktionalen Selbstverwaltung konkretisieren zu lassen (zum Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 91 Abs 1 SGB V idF des GRG grundlegend BSGE 78, 70, 78 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 32 f; BSGE 81, 54, 63 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 18 ff; BSGE 81, 73, 80 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 55 ff; BSGE 81, 182, 187 f = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39; zum Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen nach § 91 Abs 1 SGB V idF des GRG BSGE 81, 207, 210 = SozR 3-2500 § 101 Nr 2 S 10; zum Ausschuss Krankenhaus nach § 137c Abs 2 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 57 des GKVRefG2000 BSGE 90, 289, 291 ff = SozR 4-2500 § 137c Nr 1 RdNr 7 ff). Diese Prinzipien gelten nunmehr genauso für die Richtlinien des GBA (vgl grundlegend BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 28, 58 ff; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 40; ebenso BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 32 - 33). Dies lässt nur den Schluss zu, dass die demselben Verfahren unterstellten Mindestmengenbeschlüsse ebenfalls Normeigenschaft besitzen und nicht als Behördenentscheidung mit Verwaltungsaktcharakter zu qualifizieren sind.

27

Das wird auch durch die Historie der Mindestmengenregelung bekräftigt. Die Zusammenführung der verschiedenen (Bundes-)Ausschüsse zum GBA hatte zum Ziel, eine sektorenübergreifende Rechtsetzungseinrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung zu etablieren (vgl BT-Drucks 15/1525 S 106). Dieser funktionalen Zuordnung entsprach die Mindestmengenregelung bereits in der ursprünglichen Fassung mit der Zuständigkeit der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbands der privaten Krankenversicherung sowie der DKG und dem Auftrag zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen als normativ wahrzunehmender Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung (vgl § 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 5 Buchst b DBuchst bb FPG iVm Abs 2 S 1 idF von Art 1 Nr 54 des GKVRefG2000). Auch das Zustandekommen dieser Vereinbarungen war ungeachtet ihrer Bezeichnung bereits als Beschlussverfahren mit der Möglichkeit der Hinzuziehung unparteiischer Dritter ausgestaltet (vgl § 137 Abs 3 SGB V idF von Art 1 Nr 54 des GKVRefG2000). Insofern hat zwar mit der Übertragung der Zuständigkeit auf den zum 1.1.2004 neu gebildeten GBA die formale Verantwortung für die Umsetzung der Mindestmengenregelung gewechselt; unberührt davon geblieben ist aber der Rechtscharakter als einer von Anfang an durch untergesetzliche Rechtsetzung zu erfüllenden Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung von Krankenkassen und Krankenhäusern.

28

c) Vorrangig wahrzunehmende andere Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Mindestmengenentscheidung stehen der Klägerin nicht offen. Auf sonstige Klagen gegen die Rechtsfolgen untergesetzlicher Rechtsnormen sind die Normbetroffenen nach der Rechtsprechung des BSG nur verwiesen, wenn effektiver Rechtsschutz auch ohne eine Feststellungsklage zu erlangen ist (vgl etwa BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 14; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 22; vgl auch BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - SozR 4-2500 § 92 Nr 13 RdNr 20 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Dass eine solche anderweitige Rechtsschutzmöglichkeit zum Zeitpunkt der Klageerhebung bestanden hätte, ist entgegen der Auffassung des GBA nicht ersichtlich.

29

Mindestmengenbeschlüsse nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V sind gemäß § 91 Abs 6, § 137 Abs 3 S 6 SGB V ohne weiteren Vollzugsakt für Versicherte, Krankenhäuser und Krankenkassen unmittelbar verbindlich und stehen daher der Leistungserbringung nach § 137 Abs 3 S 2 SGB V in der Regel ab dem 1. Geltungstag entgegen, wenn die Mindestmenge voraussichtlich nicht erreicht wird. Daran können sich zwar im Gefolge zusätzliche und gesondert angreifbare Rechtsfolgen ergeben, etwa die Versagung der Vergütung einer gleichwohl erbrachten Krankenhausleistung. Eine solche Möglichkeit inzidenten Rechtsschutzes gegen die im Streit stehenden Mindestmengenbeschlüsse ist hier jedoch nicht ersichtlich.

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Das gilt auch, soweit der GBA auf mögliche Rechtsschutzverfahren im Zusammenhang mit den Pflegesatzverhandlungen nach § 18 KHG verweist. Dabei kann offenbleiben, ob in diesem Rahmen für die Klärung der hier im Streit stehenden Frage überhaupt Raum wäre, was die Klägerin in Zweifel zieht. Denn anders als vom Gesetz vorgesehen (§ 18 Abs 3 S 1 KHG)waren diese Verhandlungen - wie regelmäßig auch sonst - in keinem der hier maßgeblichen Leistungszeiträume bereits vor Leistungserbringung abgeschlossen; sie wurden regelmäßig im laufenden Kalenderjahr überhaupt erst aufgenommen. Selbst wenn also in Rahmen der Pflegesatzverhandlung eine inzidente Prüfung der beanstandeten Mindestmengenbestimmung möglich wäre, hätte auf diesem Weg kein ausreichend effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden können. Denn jedenfalls beim vollständigen Ausschluss auch nur mit einzelnen Leistungen aus der GKV-Versorgung ist es einem Leistungserbringer ständiger Rechtsprechung zufolge nicht zuzumuten, seine Teilnahmebefugnis erst nach Leistungserbringung klären zu können und deshalb - von etwaigen daraus resultierenden Verstößen gegen berufsrechtliche Vorgaben oder Obhutspflichten im Verhältnis zu Patienten sowie möglichen sonstigen Folgen ganz abgesehen (vgl zu den Konsequenzen einer Teilnahme an der Krankenhausversorgung ohne Zulassung BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 43 ff) - zumindest das Risiko zu tragen, die gleichwohl erbrachten Leistungen nicht vergütet zu erhalten (vgl etwa BSGE 109, 9 = SozR 4-2500 § 126 Nr 3, RdNr 8; BSGE 103, 78 = SozR 4-3300 § 71 Nr 1, RdNr 9). Dieses unwägbare Risiko rechtfertigt deshalb eine Feststellungsklage unmittelbar gegen den GBA, wenn - wie hier - die Rechtmäßigkeit der Mindestmengenbestimmung dem Grunde nach im Streit steht; ob das auch gilt, wenn ausschließlich um ihre Anwendbarkeit im Einzelfall - etwa wegen schwankender Leistungsmengen in den Vorjahren - gestritten wird, kann hier offenbleiben.

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4. Rechtsgrundlage der Mindestmengenbeschlüsse ist § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Danach fasst der GBA für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten auch Beschlüsse über einen Katalog planbarer Leistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände. Die in Wahrnehmung dieses Auftrags erlassenen, im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden normativen Beschlüsse sind nach der Rechtsprechung des BSG formell und auch inhaltlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (stRspr, vgl nur BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 - LITT; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26 - Arzneimittelfestbeträge; Schlegel, MedR 2008, 30, 32; Hauck, NZS 2010, 600, 611 f). Uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt deshalb, ob die fragliche Versorgung - hier die Kniegelenk-TEP - zu Recht der Mindestmengenbegrenzung unterworfen worden ist, weil sie eine "planbare Leistung" darstellt, bei der iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V "die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist"; insoweit sind dem GBA Gestaltungsspielräume nicht belassen. Erst bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist er befugt, als Normgeber zu entscheiden. Soweit diese letztere Kompetenz reicht, darf allerdings die sozialgerichtliche Kontrolle ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom GBA getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl nur BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 9, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, RdNr 25 - Basistherapeutika bei Neurodermitis; ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 68 - Therapiehinweise). Daran gemessen ist die Annahme des GBA nicht zu beanstanden, dass die Versorgungsqualität bei Kniegelenk-TEP im Sinne der Mindestmengenregelung in besonderem Maße von der Leistungsmenge abhängig und deshalb ein entsprechender Normsetzungsspielraum eröffnet ist; insoweit folgt der erkennende Senat dem LSG nicht. Keine abschließende Entscheidung vermag der Senat dagegen auf Grundlage der Feststellungen des LSG zu treffen, ob der GBA von seinem Gestaltungsspielraum rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat.

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5. Keinen Bedenken unterliegt die Mindestmengenbestimmung, soweit die Klägerin verfassungsrechtliche Einwände gegen die gesetzliche Regelung erhebt.

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a) Nicht zweifelhaft ist zunächst, dass der Gesetzgeber die Beteiligung an der GKV-Versorgung im Rahmen des Verhältnismäßigen an besondere Anforderungen zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit knüpfen darf. Solche Anforderungen verbleiben auf der Ebene der Berufsausübungsregelung und lassen den Status des Leistungserbringers unberührt, sofern sie nur die Abrechenbarkeit bestimmter Leistungen zu Lasten der GKV ausschließen und weder seinen Zugang zu einem Versorgungsbereich überhaupt begrenzen noch ihn im Kernbereich seines Fachgebiets einschränken (BVerfG <2. Kammer des 1. Senats> SozR 4-2500 § 135 Nr 2 RdNr 22). Ungeachtet der vom BVerfG offengelassenen Frage, ob grundsätzlich immer der Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG tangiert ist, sind hierdurch bewirkte Abgrenzungen zwischen Gruppen verschiedener Leistungserbringer mit unterschiedlicher Qualifikation jedenfalls dann zumutbar, wenn sie vom fachlich medizinischen Standpunkt aus sachgerecht sind und der betroffene Leistungserbringer in der auf sein Fachgebiet beschränkten Tätigkeit weiterhin eine ausreichende Lebensgrundlage finden kann (BVerfGE 106, 181, 196 = SozR 3-2500 § 95 Nr 35 S 175 - Gebietsbezeichnung). Von diesem Maßstab ausgehend hat das BVerfG es zB nicht beanstandet, dass Fachärzten für Orthopädie oder für Kardiologie ohne zusätzliche Weiterbildung die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung kernspintomographischer Leistungen an gesetzlich Versicherten versagt worden ist (BVerfG <2. Kammer des 1. Senats> SozR 4-2500 § 135 Nr 2; BVerfG <2. Kammer des 2. Senats> BVerfGK 17, 381 = SozR 4-2500 § 135 Nr 16). Demgemäß begegnen Versorgungsbeschränkungen infolge der Mindestmengenregelung - wenn sie nicht den gesamten Kernbereich eines Fachgebiets betreffen und deshalb an den strengeren Anforderungen der subjektiven Berufswahlregelung zu messen sind - ebenfalls keinen Bedenken, sofern sie entsprechend der mit der Regelung verfolgten Zielsetzung rechtlich erhebliche Qualitätsvorteile erwarten lassen und diese Vorteile durch weniger belastende Vorgaben der Qualitätssicherung nicht ebenso erreichbar erscheinen. Ob dem in der Umsetzung genügt wird, ist keine Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm, sondern ihrer Auslegung und Anwendung im Einzelfall; jedenfalls die Vorschrift selbst unterliegt den von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken ersichtlich nicht.

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b) Das gilt auch, soweit zur Konkretisierung des gesetzlichen Regelungsprogramms der GBA als Normgeber ermächtigt worden ist. Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 mwN - LITT; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18 mwN; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 33). Zu früher kritischen Stimmen hat sich in jüngerer Zeit die Literatur gegenteilig geäußert (vgl Neumann, NZS 2010, 593; Hauck, NZS 2010, 600 mwN). Rechtlich unbedenklich ist im Fall der Mindestmengenregelung auch die von der Klägerin gerügten Weite der Vorschrift. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben beachtend gibt die Regelung im Kontext ihrer systematischen Stellung und ihrer Entstehungsgeschichte dem GBA ein hinreichend dichtes Normprogramm vor, das dem ihm hierdurch übertragenen Konkretisierungsauftrag ausreichend klare Konturen verleiht.

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6. Eine Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge "in besonderem Maße" besteht bei Krankenhausleistungen von hoher Komplexität, bei denen eine regelmäßige Praxis mit gerade diesen Leistungen einen über andere Instrumente der Qualitätssicherung so nicht zu gewährleistenden Einfluss auf die Güte der Versorgung hat.

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a) Entstehungsgeschichte und Systematik weisen die Mindestmengenregelung als Teil eines Bündels von Vorschriften aus, mit denen der Gesetzgeber die Anforderungen an die Qualitätssicherung im Zuge der steigenden Wettbewerbsorientierung der GKV-Versorgung zunehmend ausgeweitet hat. So ist zunächst die Qualitätssicherung für den stationären Bereich mit dem GKVRefG2000 aus dem Anwendungsbereich der Landesverträge nach § 112 SGB V gelöst und zum Gegenstand einer bundeseinheitlichen untergesetzlichen Rechtsetzung nach § 137 SGB V gemacht worden. Zugleich sind die Krankenhäuser auf ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement und auf Maßnahmen der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung nach Maßgaben verpflichtet worden, die von der gemeinsamen Selbstverwaltung vorzugeben sind (§ 135a Abs 2 und § 137 Abs 1 S 1 und S 3 Nr 1 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Ebenfalls bereits seit dem GKVRefG2000 müssen auf dieser Ebene nähere Bestimmungen getroffen werden ua zur indikationsbezogenen Qualität der diagnostischen und therapeutischen Leistungen im Krankenhaus, insbesondere bei aufwändigen medizintechnischen Leistungen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Mit dem FPG ist dieses Spektrum weiter um die Verpflichtung ergänzt worden, auch Mindestanforderungen an die Struktur- und Ergebnisqualität in der stationären Versorgung festzulegen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Desgleichen ist den Krankenhäusern aufgegeben worden, regelmäßig Qualitätsberichte zu veröffentlichen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 6 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Schließlich hat der Gesetzgeber zuletzt mit Wirkung vom 1.7.2008 eine externe Qualitätsberichterstattung eingeführt, für die von den Krankenhäusern im Einzelnen festgelegte Daten zu liefern sind (§ 135a Abs 2 S 2 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 106 Buchst b bzw Art 1 Nr 111 des GKV-WSG; seit dem 1.1.2012: § 299 Abs 1 S 1 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 53 bzw Nr 80a Buchst a DBuchst aa des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011, BGBl I 2983).

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b) In diesem Regelungsgeflecht beruht die Einführung der Mindestmengenregelung auf der Einschätzung, dass in verschiedenen Studien ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Operationen und der Qualität des Behandlungsergebnisses nachgewiesen wird. Deshalb sollten die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung Operationen oder Prozeduren suchen und bestimmen, bei denen ein Zusammenhang zwischen der Zahl der durchgeführten Eingriffe und der Qualität der Leistung in besonderem Maße vorliegt. Die hieraus abzuleitende Mindestanzahl ist - so die Intention des Gesetzgebers - als Voraussetzung für eine qualitativ gute Leistung anzusehen (vgl BT-Drucks 14/6893 S 31). Im Laufe der Beratungen ist dieses zunächst nur als Empfehlung gedachte Instrumentarium (BT-Drucks aaO) einerseits zu einer rechtlich verbindlichen Vorgabe ausgestaltet worden (vgl BT-Drucks 14/7824 S 6 und BT-Drucks 14/7862 S 5), andererseits sind die rechtlichen Folgen wegen befürchteter negativer Auswirkungen auf die Krankenhausplanung und die Aufrechterhaltung der Versorgung in den Ländern (vgl BR-Drucks 3/4/02 S 1 f) auf Initiative des Vermittlungsausschusses (vgl BT-Drucks 14/8362 S 2) dahin abgemildert worden, dass bei einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung Ausnahmen von einer Mindestmengenbestimmung zugelassen werden dürfen (§ 137 Abs 3 S 3 SGB V).

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c) Mit diesem Ansatz muss die Mindestmengenregelung im Gefüge der weiteren Vorschriften zur Qualitätssicherung schon verfassungsrechtlich auf Ausnahmelagen beschränkt bleiben, bei denen die Einflussnahme über die Leistungsmenge Versorgungsvorteile verspricht, die über weniger belastende andere Instrumente der Qualitätssicherung mutmaßlich nicht zu gewinnen sind. Zwar wirkt die Regelung nicht auf die Freiheit der Berufswahl zurück, solange nicht weite Teile der stationären Versorgung von ihr komplett erfasst werden. Auch ist von Verfassungs wegen nichts dagegen zu erinnern, dass das Fallpauschalensystem wirtschaftlich zur Spezialisierung anreizt und daher nicht jede Leistung in jeder Einrichtung in gleicher Weise auskömmlich erbracht werden kann (vgl zu solchen Entwicklungen als mögliche Folge der Umstellung auf das Fallpauschalensystem BT-Drucks 14/6893 S 28); Anspruch auf Finanzierung unwirtschaftlicher Leistungsstrukturen aus den Mitteln der GKV besteht nicht (vgl zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben für vergütungsrechtliche Vorschriften BVerfGE 101, 331, 349 ff, 351). Jenseits dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen Anreize für eine verstärkte Konzentration des Leistungsgeschehens greift eine nur in Grenzen selbst beeinflussbare Mindestmengenvorgabe aber intensiver in die Berufsfreiheit eines Krankenhaues ein als qualitative Anforderungen an die Leistungserbringung, über deren Erfüllung jedenfalls rechtlich jeder Träger autonom selbst entscheiden kann. Solange das angestrebte Qualitätsniveau bei vertretbarem wirtschaftlichen Aufwand durch sonstige Vorgaben der Qualitätssicherung ebenso erreichbar erscheint wie über eine Mindestmengenbestimmung, ist verfassungsrechtlich der Steuerung über das mildere Mittel der verhaltensabhängigen Qualitätsanforderung der Vorzug zu geben. Raum für Mindestmengengrenzen bleibt deshalb jedenfalls aus Gründen der Qualitätssicherung nach Maßgabe von Art 12 Abs 1 GG nur, soweit sie Qualitätsvorteile zu gewährleisten versprechen, die mit vertretbarem Aufwand anderweitig nicht erreichbar erscheinen.

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d) Dasselbe folgt aus der Systematik der Qualitätssicherungsvorschriften, die beginnend mit dem GKVRefG2000 für die stationäre Versorgung eingeführt worden sind. Angefangen von der Kompetenz zur Bestimmung von allgemeinen Anforderungen an die Struktur- und Ergebnisqualität (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG)über die Befugnis zur Begründung von Vorgaben zur indikationsbezogenen Qualität diagnostischer und therapeutischer Leistungen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG)bis zur Ausgestaltung der verpflichtenden einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (§ 135a Abs 2 S 1 iVm § 137 Abs 1 S 3 Nr 1 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 135a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 100 des GMG iVm § 137 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG) sind dem GBA eine Vielzahl von Instrumenten an die Hand gegeben, über die er durch verhaltens- und qualifikationsabhängige Anforderungen auf die Versorgungsqualität im stationären Bereich einwirken kann. Mit der Bündelung sämtlicher dieser Instrumente bei ihm durch das GMG ist insoweit auch funktionell sichergestellt, dass diese unterschiedlichen Ansätze inhaltlich aufeinander abgestimmt werden und jeweils an der Stelle reagiert werden kann, die den angestrebten Erfolg am wirksamsten verspricht. Dazu trägt weiter bei, dass mit der ab dem 1.7.2008 eingeführten externen Qualitätsberichterstattung (§ 135a Abs 2 S 2 iVm § 137a SGB V; seit dem 1.1.2012: § 299 Abs 1 S 1 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 53 bzw Nr 80a Buchst a DBuchst aa des GKV-VStG vom 22.12.2011) zwischenzeitlich auch eine Datengrundlage für entsprechende Maßnahmen aufgebaut wird. Dieses im Laufe der Zeit immer stärker ausdifferenzierte Nebeneinander unterschiedlicher Ansätze zur Qualitätssicherung lässt ebenfalls nur den Schluss zu, dass die Steuerung über Leistungsmengen Anlässen vorbehalten bleiben soll, bei denen sie Vorteile gegenüber anderen Instrumenten der Qualitätssicherung versprechen kann.

40

e) Systematisch kommt der Mindestmengenregelung damit eine Ausnahmestellung in doppelter Hinsicht zu. Auf der einen Seite steht sie zu den sonstigen qualitätssichernden Normen für den stationären Bereich vom Grundsatz her in dem beschriebenen Nachrangverhältnis. Auf der anderen Seite wird sich ein ausreichendes Maß an Erfahrung und Routine vielfach auch ohne gesonderte Steuerung über Mindestmengenvorgaben einstellen. Ein entsprechendes Mindestmaß erfordern schon die berufsrechtlichen Weiterbildungsordnungen als Voraussetzung von Facharztqualifikationen, an die wiederum die Strukturvorgaben in der stationären Versorgung anknüpfen (zutreffend Bohle, GesR 2010, 587). Wo dies nicht ausreicht, wird sich bei dem überwiegenden Teil der Krankenhausleistungen die erforderliche Erfahrung auch ohne rechtliche Regelung schon deshalb ergeben, weil die Leistungen ohnehin in großer Zahl anfallen. Anlass für eine zusätzliche rechtliche Mengensteuerung kann deshalb nach der Regelungssystematik nur bei Versorgungen bestehen, die einerseits vergleichsweise selten anfallen und andererseits wegen ihrer Komplexität, wegen sonstiger fachlicher Anforderungen oder wegen der Folgen bei Diagnose- oder Behandlungsfehlern aus medizinischer Sicht eine regelmäßige Praxis und Übung erfordern, sodass deshalb eine ausdrückliche Regelung angezeigt erscheint.

41

f) Auf diese doppelte Begrenzung der Qualitätssteuerung über Leistungsmengen und nicht auf eine besondere Augenfälligkeit des Zusammenhangs von Menge und Qualität nimmt die Mindestmengenregelung Bezug, soweit sie eine Abhängigkeit von Menge und Qualität "in besonderem Maße" voraussetzt (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V). Ohnehin ist sprachlich unklar, wann im Sinne der angefochtenen Entscheidung eine Kausalität als "besonders" zu qualifizieren ist. Jedenfalls verbietet sich ein rein kausalbezogenes Verständnis schon aus systematischen Gründen. Ob Mindestmengen einen auf andere Weise nicht zu gewinnenden Beitrag zur Qualitätssicherung leisten können, hängt nicht davon ab, wie offen die Kausalität von Menge und Leistungsqualität zu Tage liegt. Entscheidend ist vielmehr, ob ohne Mengensteuerung eine anders nicht aufzufangende Qualitätseinbuße zu besorgen ist. Ein besonderes Maß an Abhängigkeit hat die Leistungsqualität deshalb dann von der Leistungsmenge, wenn sie über die üblichen Vorteile einer jeden ("normalen") Routine und Erfahrung hinausgehend einen auf andere Weise nicht zu erzielenden und der Bedeutung nach wesentlichen ("besonderen") Beitrag für die Qualitätssicherung in der jeweiligen Versorgung bietet.

42

Hierdurch ist die Anwendung der Mindestmengenregelung bereits im Ansatz auf solche Bereiche der stationären Versorgung beschränkt, bei denen sie einen für die Versorgung substantiellen eigenständigen Beitrag zur Verwirklichung des in § 2 Abs 1 S 3 SGB V umschriebenen Versorgungsstandards der GKV gewährleisten kann. Das versteht der Senat - insoweit ebenso wie das LSG - dahin, dass nicht alle Felder der stationären Versorgung einer Qualitätssteuerung über die Leistungsmenge unterworfen sind. Vielmehr sieht er die Anwendung der Regelung auf solche Versorgungsbereiche beschränkt, bei denen vergleichsweise geringe Fallzahlen auf eine hohe medizinische Komplexität mit besonders hohen Anforderungen an die Versorgung und/oder besonders hohen medizinischen Risiken treffen. Nur in solchen Situationen kann die regelmäßige Erfahrung und Routine mit gerade dieser Leistungserbringung neben allen anderen Ansätzen der Qualitätssicherung eine so eigenständige Bedeutung für deren Qualität erlangen, dass sie im Sinne der Mindestmengenregelung als "in besonderem Maße" verantwortlich für die Versorgungsqualität angesehen werden kann. Das deckt sich im Übrigen - ohne dass dies allerdings rechtlich entscheidend wäre - mit dem Verständnis des GBA, der abgesehen von den Mindestmengen bei Kniegelenk-TEP und den ebenfalls beim BSG anhängigen Untergrenzen für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm entsprechende Vorgaben nur noch für fünf weitere Leistungsbereiche getroffen hat, nämlich für Transplantationen von Leber, Niere und Stammzellen sowie für komplexe Eingriffe an Speiseröhre und Bauchspeicheldrüse. Leistungen, die dem gegenüber nach den Fallzahlen oder den Versorgungsanforderungen der Routineversorgung zuzurechnen sind, fallen hingegen schon im Ansatz nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift.

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7. Eröffnet ist der Gestaltungsspielraum des GBA danach durch die Mindestmengenregelung bei medizinischen Leistungen von hoher Komplexität, bei denen die Versorgungsqualität eine Abhängigkeit von der Leistungsmenge aufweist. Ob ein solcher Zusammenhang vorliegt, unterliegt als Ausgangspunkt seiner Entscheidung uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle, wie das LSG unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG zutreffend entschieden hat (vgl BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26). Das bemisst sich entgegen dessen Auffassung indes nicht nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin. Entscheidend ist vielmehr, ob die Studienlage nach wissenschaftlichen Maßstäben einen solchen Zusammenhang wahrscheinlich machen kann:

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a) Das LSG hat von seinem Normverständnis ausgehend darauf abgestellt, ob im Verhältnis zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität eine "besondere Kausalität" nachzuweisen ist, und hat dazu auf Prinzipien der evidenzbasierten Medizin zurückgegriffen. Das überzeugt schon vom Wortsinn nicht: Ein Kausalzusammenhang kann bestehen oder nicht bestehen, nicht aber in gesteigerter Weise vorliegen. Auch ansonsten statuiert die Norm mit der in besonderem Maße vorausgesetzten Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität - wie bereits dargelegt - keine gesteigerten Nachweisanforderungen. Diese Abhängigkeit ist nicht dann "besonders", wenn sie besonders augenfällig zu Tage tritt. Das Tatbestandsmerkmal beschränkt vielmehr den Anwendungsbereich der Mindestmengenregelung auf Versorgungen, bei denen Fallzahluntergrenzen einen auf andere Weise nicht zu erzielenden und der Bedeutung nach wesentlichen ("besonderen") Beitrag zur Qualitätssicherung in der jeweiligen Versorgung bieten können. Das hängt allein davon ab, ob die Qualität der konkret in Rede stehenden Behandlung - hier: Kniegelenk-TEP - mit anderen Instrumenten der Qualitätssicherung mutmaßlich ebenso beeinflusst werden könnte wie - unterstellt, ein solcher Zusammenhang bestünde - mit Erfahrung und Routine. Erforderlich dazu ist eine medizinische Bewertung unterschiedlicher Qualitätssicherungsansätze. Nicht entscheidend ist dagegen, ob der Nachweis der Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität - wie es das LSG gefordert hat - in kontrollierten Studien nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin geführt werden konnte.

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b) Dafür besteht im Übrigen auch aus systematischen Gründen kein Anlass. Die methodischen Anforderungen der evidenzbasierten Medizin im Leistungs- und Leistungserbringungsrecht der GKV sind ausgerichtet auf und gerechtfertigt durch die materiellen Anforderungen des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs 1 SGB V, das grundsätzlich eine Versorgung nur mit Leistungen zulässt, die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bieten. Jedenfalls neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§ 135 Abs 1 SGB V; vgl aber nunmehr auch etwa § 137c SGB V) dürfen deshalb von Leistungserbringern nur erbracht und von Versicherten nur beansprucht werden, wenn ihr Erfolg in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl etwa BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN - Immucothel; BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E, jeweils mwN). Verbleiben gemessen an diesen Anforderungen - in der Regel auf der höchsten Evidenzstufe - Zweifel, so geht dies zum Schutz der Patienten vor Gesundheitsrisiken und im Interesse der Versichertengemeinschaft zu Lasten der nicht hinreichend belegten Methode (stRspr, grundlegend BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN - Immucothel; BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E, jeweils mwN).

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Solche Gründe für gesteigerte Evidenzanforderungen bestehen bei der Mindestmengenregelung nicht. Sie bezweckt für einen engen Bereich medizinischer Leistungen Versorgungsvorteile, soweit die Konzentration der Leistungserbringung auf Einrichtungen mit größerer Erfahrung und Routine auf gerade diesen Feldern ein höheres Maß an Behandlungsqualität erwarten lassen kann. Die Annahme, dass der Gesetzgeber den Versicherten einen solchen Zugewinn an Versorgungssicherheit erst nach dem Abschluss vergleichender Studien der grundsätzlich höchstmöglichen Evidenzstufe zukommen lassen wollte, liegt fern. Vorgaben der Qualitätssicherung dürfen im Patienteninteresse typischerweise auf Risikoabschätzungen gestützt werden, wenn nach sachverständiger Einschätzung begründeter Anlass für die Annahme bestehen kann, dass ansonsten die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse mögliche Versorgungssicherheit (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) gefährdet ist. Das gilt insbesondere, wenn - wie mutmaßlich auch hier (vgl Geraedts, GesR 2012, 263, 264; Wenning, Aktuelle Entwicklungen im Krankenhausrecht 2011, 93, 107; ebenso die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie eV vom 16.7.2004, S 7) - vergleichende Studien mit unterschiedlichen Qualitätssicherungsansätzen praktisch oder aus ethischen Gründen schon im Ansatz undurchführbar sind. Andernfalls würden den Patienten möglicherweise dauerhaft Versorgungsstandards vorenthalten, die - jeweils nach dem Stand der aktuellen Erkenntnis - mit Wahrscheinlichkeit geeignet sind, zu einer relevanten Reduzierung von Versorgungsrisiken beizutragen. Deshalb sind in der Regel ausreichend begründete Maßnahmen der Qualitätssicherung im Patienteninteresse auch dann hinzunehmen, wenn ihre Vorteile nicht durch vergleichende Studien nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin belegt sind. Dass davon die Mindestmengenregelung - zumal angesichts der voraussetzungsgemäß besonderen gesundheitlichen Risiken im Anwendungsbereich der Versorgungen mit hoher medizinischer Komplexität - ausnahmsweise ausgenommen sein sollte, ist augenscheinlich nicht anzunehmen.

47

c) Anders als vom LSG angenommen sind mithin die Nachweisanforderungen der Mindestmengenregelung dann erfüllt, wenn es sich um eine hochkomplexe Leistungserbringung handelt und nach dem Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit die Erwartung berechtigt ist, dass die Güte der Leistungserbringung auch von der Erfahrung und Routine mit der jeweiligen Versorgung beeinflusst ist. Allerdings muss dies mit wissenschaftlichen Belegen untermauert sein. Insofern hat das LSG im Ausgangspunkt zutreffend darauf abgestellt, dass bloß allgemeine Überlegungen oder Expertenmeinungen eine Mindestmengenbestimmung nicht stützen können. Dem steht bereits entgegen, dass sich der Gesetzgeber bei Einführung der Mindestmengenregelung ausdrücklich auf die Studienlage zur Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität gestützt und die Selbstverwaltungspartner deshalb als verpflichtet angesehen hat, entsprechende Leistungen "zu suchen und zu bestimmen" (vgl BT-Drucks 14/6893 S 31); dem kann nur durch Auswertung von qualifizierten Studien Rechnung getragen werden. Demzufolge ist der Gestaltungsspielraum des GBA bei einer Studienlage eröffnet, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität wahrscheinlich macht. Dies ist der Fall, wenn mehr für als gegen einen solchen Ursachenzusammenhang spricht; allein dessen Möglichkeit genügt dagegen nicht (vgl zum Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit stellv BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 20).

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d) Dem steht anders als vom LSG erwogen auch nicht entgegen, dass der GBA den Verfahrensbeteiligten vor seiner Mindestmengenentscheidung nach der insoweit maßgeblichen Verfahrensordnung eine Zusammenfassung des aktuellen Wissensstandes als "evidenzbasiertes Verfahren" zur Verfügung zu stellen hat (vgl § 3 Abs 2 Nr 1 der MMV vom 20.12.2005, BAnz Nr 43 vom 2.3.2006 S 1373). Durch eine solche Bezeichnung können die dargelegten Nachweisanforderungen nicht beeinflusst werden. Ungeachtet dessen liegt aber auch die Annahme fern, dass die Verfahrensordnung des GBA die gesetzlichen Vorgaben für die Mindestmengenbestimmung korrigieren könnte und dieser deshalb Maßgaben zu befolgen hätte, die über die gesetzlichen Voraussetzungen hinausgehen. Das wäre im Übrigen auch schwerlich von den Kompetenzen gedeckt, die dem GBA vom Gesetzgeber eingeräumt sind.

49

8. Hieran gemessen hat der GBA die tatbestandlichen Voraussetzungen der streitigen Mindestmengenbestimmung zutreffend als gegeben angesehen. Die Kniegelenkendoprothetik stellt eine planbare Versorgung von hoher Komplexität dar, bei der entgegen der Auffassung des LSG ein Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität hinreichend wahrscheinlich ist.

50

a) Wie bereits das LSG kann auch der erkennende Senat offenlassen, wo im Sinne der Mindestmengenregelung im Einzelnen die Grenze zwischen "planbaren" und "nicht planbaren" Leistungen verläuft. Ersichtlich ist mit dieser erst im weiteren Gang der Beratungen hinzugefügten Einschränkung ein Ausgleich dafür bezweckt, dass die Mindestmengen anders als ursprünglich vorgesehen nicht lediglich als Empfehlung, sondern als rechtsverbindliche Leistungsuntergrenze ausgestaltet worden sind (vgl BT-Drucks 14/6893 S 3 sowie BT-Drucks 14/7824 S 6). Offenkundig sollen damit unvorhersehbare Leistungen aus dem Anwendungsbereich der Regelung ausgeschieden sein. Um eine solche Leistung handelt es sich jedenfalls bei der Kniegelenk-TEP nicht. Schon wegen der Schwere des Eingriffs und der nicht unbeträchtlichen Risiken geht ihr regelmäßig eine Entscheidungsphase voraus, die es ausschließt, sie als im Sinne der Mindestmengenregelung als "ungeplant" anzusehen.

51

b) Obwohl die Knietotalendoprothetik mit jährlich zunehmenden Fallzahlen - zuletzt im Jahre 2011 etwa 158 000 künstliche Kniegelenke und damit Rang 18 unter den häufigsten Operationen in Deutschland (Gesundheitsberichterstattung des Bundes , http://www.gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/xwd_init?gbe.isgbetol/ xs_start_neu/&p_aid=i&p_aid=79618056&nummer=666&p_sprache=D&p_indsp=-&p_aid= 64337088, recherchiert am 5.12.2012) - zwischenzeitlich eine Standardversorgung bei degenerativen Kniegelenkerkrankungen bildet, ist sie im Hinblick auf die operativen Anforderungen und die Folgen bei Komplikationen den hochkomplexen Versorgungen zuzurechnen, bei denen eine Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge als "besonders" anzusehen und deshalb die Einbeziehung in das Mindestmengenprogramm nach der Intention des Gesetzgebers gerechtfertigt ist.

52

aa) Bedingt durch die komplexen biomechanischen Verhältnisse am Kniegelenk sind schon die operativen Anforderungen der Kniegelenk-TEP hoch (vgl dazu etwa Lüring/Bäthis/Tingart/Perlick/Grifka, DÄ 2005, A 2320 ff, 2324; Heller/Matziolis/König/Taylor/Hinterwimmer/ Graichen/Hege/Bergmann/Perka/Duda, Der Orthopäde 2007, 628 ff; Briard/Witoolkollachit/Lin, Der Orthopäde 2007, 635 ff; jeweils mwN). Dies drückt sich auch in anhaltenden fachwissenschaftlichen Kontroversen zu Vor- und Nachteilen einzelner Operationstechniken aus (vgl etwa zum minimalinvasiven Eingriff und zur navigierten Kniegelenk-TEP Pietsch/Djahani/Hofmann, Der Orthopäde 2007, 1120 ff; Lüring/Tingart/Beckmann/Perlick/Grifka, Der Orthopäde 2007, 1143 ff; Kappe/Flören/Bieger/Reichel, Der Orthopäde 2011, 726 ff, 727; Bertsch/Holz/Konrad/ Vakili/Oberst, Der Orthopäde 2007, 739 ff; jeweils mwN). Besonderes Augenmerk und interdisziplinäre Anstrengungen verlangt auch die Infektionsprophylaxe (vgl etwa Wodtke/Löhr, Der Orthopäde 2008, 257 ff). Verfahren der computerbasierten Unterstützung bei der Implantatpositionierung sind mit hohen Kosten verbunden und kommen nicht überall zum Einsatz (vgl Lüring ua, ebenda A 2320 ff). Übersicht verlangt auch die Beurteilung der Implantate mit ihren Eigenschaften im Allgemeinen und für die Versorgung im Einzelfall. Besondere Anforderungen stellen sich schließlich bei der anteilsmäßig zunehmenden Versorgung jüngerer Patienten, nicht zuletzt wegen des noch immer zeitlich begrenzten Bestands künstlicher Kniegelenke (vgl Eichinger/Forst/Kindervater, Der Orthopäde 2007, 311 ff). Obwohl nicht nur in diesem Zusammenhang die korrekte Indikationsstellung als wichtiges qualitätssicherndes Merkmal angesehen wird, gelten die daraus sich ergebenden Anforderungen als nicht durchweg erfüllt; bei älteren Patienten und in Kliniken mit höheren Fallzahlen wird die Qualität der Indikationsstellung vielmehr als besser erachtet (vgl Schräder/Boy/Schleiz/Dienst/Reinert/ Sänger/Schauwecker/Siebert/Scharf, Der Orthopäde 2008, 1016 ff, 1025; erstmals für das Jahr 2009 wird über eine angemessene Indikationsstellung bei 90 % der Versorgungen berichtet, vgl Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH - AQUA - Qualitätsreport 2009, S 120). Auf Schwierigkeiten bei der Versorgung selbst deuten schließlich jüngste Erhebungen hin, nach denen die Revisionslast für Knieprothesen in Deutschland höher als in der Schweiz und den USA ist (vgl Ewerbeck, Der Orthopäde 2011, 205; Falbrede/Widmer/Kurtz/Schneidmüller/Dudda/Röder, Der Orthopäde 2011, 793 ff, 794).

53

bb) Gesteigert sind die daraus sich ergebenden Anforderungen zusätzlich im Hinblick auf die zT gravierenden Folgen bei Komplikationen, die erhebliche und nachhaltige Einschränkungen der Lebensqualität der betroffenen Patienten und darüber hinaus beträchtlichen wirtschaftlichen Auswirkungen für die GKV wie für die gesamte Volkswirtschaft und andere soziale Sicherungssysteme mit sich bringen können. In 1 % bis zu 3 % der versorgten Fälle treten nach medizinischer Einschätzung Kniegelenkinfektionen als Operationsfolge ein, die in Einzelfällen Knieversteifungen und Amputationen nach sich ziehen können und jedenfalls erheblich belastende, komplizierte, langwierige und deshalb auch kostenaufwändige Nachversorgungen erforderlich machen (vgl Friesecke/Wodtke, Der Orthopäde 2006, 937 mwN). Weichteildefekte und Instabilität bilden weitere schwierig zu beherrschende und die Patienten erheblich belastende Komplikationen, die in beträchtlichem Umfang Revisionseingriffe nach sich ziehen (vgl etwa Perka/Tohtz/ Matziolis, Der Orthopäde 2006, 136 ff; Kovacs/Zimmermann/Juhnke/Taskov/Papadopulos/Biemer, Der Orthopäde 2006, 162 ff; Graichen/Strauch/Katzhammer/Zichner/von Eisenhart-Rothe, Der Orthopäde 2007, 650 ff; Schnabel/Borelli, DÄ 2011, A 2598 f). Auch sonst fällt die Rate unzufriedener Patienten mit bis zu 23 % nicht gering aus, wenn sie auch teilweise durch unrealistische - und darin von den Behandlern offenbar nicht korrigierte - Erwartungen vor allem bei jüngeren Patienten mitbedingt sein mag (vgl Perka ua, ebenda S 136; Graichen ua, ebenda S 650; jeweils mwN).

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cc) Dass schließlich nicht zuletzt die Ärzteschaft selbst die Komplexität und Risiken der Knieendototalprothetik keinesfalls unterschätzt, hat sich jüngst beispielhaft an der zumindest auch von ihr maßgeblich betriebenen Gründung eines nationalen Endoprothesenregisters erwiesen. Initiiert durch die DGOOC ist unter Beteiligung des AOK-Bundesverbands, des Verbands der Ersatzkassen eV, des Bundesverbands Medizintechnologie eV und des BQS als gemeinnützige Gesellschaft die Endoprothesenregister Deutschland EPRD gGmbH gegründet worden, die auf freiwilliger Basis Referenzdaten zur Versorgungsqualität, Patientensicherheit und Wirksamkeit von Endoprothesen sammeln soll (vgl Deutsches Endoprothesenregister, Registerprotokoll S 2 f, http://www.eprd.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/eprd_registerprotokoll_1_0.pdf, recherchiert am 3.12.2012). Dieser Schritt wird als notwendig angesehen, weil derzeit verlässliche Daten über die Ursachen der mit den steigenden Fallzahlen bei Primärimplantaten zunehmenden Zahl von Wechseloperationen nicht verfügbar sind. Hierdurch soll es zudem ermöglicht werden, die aktuell erreichte Qualität in der Endoprothetik flächendeckend darzustellen (ebenda S 3). Auch dies erweist anschaulich die herausgehobene Komplexität der Knieendototalprothetik, die nach der mit der Regelung verfolgten gesetzgeberischen Intention ihre Einbeziehung in das Mindestmengenregime jedenfalls dem Grunde nach rechtfertigt.

55

c) Insoweit macht schließlich die Studienlage zur Kniegelenk-TEP, die das BSG als generelle Tatsache ohne die Beschränkung des § 163 SGG selbst zu bewerten vermag(stRspr, vgl BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26 f; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 18; BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, RdNr 19; BSG SozR 4-3851 § 60 Nr 4 RdNr 30 f), einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität hinreichend wahrscheinlich. Nach den Studien von IQWiG und BQS spricht zur Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung der Literatur und der vom GBA eingeholten Stellungnahmen mehr für als gegen einen solchen Zusammenhang.

56

aa) Das gilt entgegen der Auffassung des LSG in besonderem Maße zunächst für die Studie des IQWiG. Zwar konnte mit dieser Untersuchung von gut 90 000 bzw 110 000 Versorgungen mit Kniegelenk-TEP aus den Jahren 2003 und 2004 entgegen der mit dem Auftrag verbundenen Erwartungen kein klarer Mindestmengen-Schwellenwert abgeleitet werden (IQWiG, Entwicklung und Anwendung von Modellen zur Berechnung von Schwellenwerten bei Mindestmengen für die Knie-Totalendoprothese, Abschlussbericht vom 5.12.2005 S 44). Jedoch zeigten sich sowohl bei dem Risikofaktor "Unbeweglichkeit" (keine ausreichende postoperative Beweglichkeit) als auch dem Risikofaktor "Infektion" (postoperative Wundinfektion) Zusammenhänge zwischen Fallzahl und Qualität, die ein entsprechendes Abhängigkeitsverhältnis wahrscheinlich machen. Demgemäß fand sich beim Qualitätsmerkmal Beweglichkeit eine U-förmige Beziehung von Leistungsmenge und Komplikationen, nach der das Risiko einer unzureichenden postoperativen Beweglichkeit in Einrichtungen mit mittleren Fallzahlen (zwischen 50 bis 600) geringer war als bei Kliniken mit sehr geringen (bis unter 50) oder sehr hohen (über 600) Fallzahlen (ebenda S 21 ff, S 29 ff). Ebenso zeigte sich beim Risikofaktor Infektion ein wenn auch nicht so ausgeprägter und nur sehr langsam ansteigender Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität (ebenda S 31 ff, S 29 ff); mit einer relevanten Qualitätsverbesserung in diesem Punkt wurde erst bei Fallzahlen von über 400 Versorgungen/Jahr gerechnet (ebenda S 42). Zusammenfassend gelangte das IQWiG jedoch dazu, dass für die untersuchten Risiken ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Fallzahl und dem entsprechenden Risiko statistisch nachzuweisen ist (ebenda S 44). Das unterstütze "die Hypothese, dass es bei der Knie-TEP einen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität" gibt (ebenda S 45). Zu einem vergleichbaren Ergebnis war zuvor bereits die BQS im Rahmen der vom GBA in Auftrag gegebenen Sonderauswertung für die Jahre 2002 und 2003 bei gut 71 000 Fällen gelangt. Auch sie fand signifikante Unterschiede zwischen Krankenhäusern mit unterschiedlichen Fallzahlen, nämlich für die Qualitätsindikatoren postoperative Beweglichkeit, postoperative Wundinfektion, Reintervention wegen Komplikation sowie Letalität (BQS, Sonderauswertung Knie-Totalendoprothese: Untersuchung auf Abhängigkeit von Fallzahl und Qualität der Leistung vom 9.8.2004, S 13 ff).

57

bb) Unterstützung findet dieses Ergebnis auch im Schrifttum. Schon die von der Geschäftsstelle des GBA ausgewertete Literatur für den anglo-amerikanischen Bereich über Versorgungen aus den 1980er und 1990er Jahren legt nahe, dass im Bereich der Knietotalendoprothetik ein Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität besteht (Beschlussvorlage "Ergebnisse der AG Mindestmengen" - Beratungen des Antrages "Knie TEP" vom 20.8.2004 S 7 f). Ähnlich wird die Studienlage auch von anderen Autoren bewertet (vgl etwa Schräder/Grouven/Bender, Der Orthopäde 2007, 570, 573; wenn auch verhaltener, aber im Sinne einer Tendenz zur Ergebnisverbesserung ebenfalls Geraedts/de Cruppé/Blum/Ohmann, DÄ 2008, 890, 895). Zuletzt fand ebenso das IQWiG im Rahmen einer vom GBA beauftragten Auswertung von Studien über die Auswirkungen von Mindestmengengrenzen bei drei deutschen Studien statistisch signifikante Ergebnisse bezüglich der Zielgröße Morbidität bei der Kniegelenk-TEP (IQWiG, Rapid Report V11-01 Version 1.0, Evidenz zu Auswirkungen der Mindestmengenregelung nach § 116b SGB V, Stand 29.5.2012, S 86 f, S 120 f). Darauf hat ebenso die DGOOC in ihrer Stellungnahme im Rahmen der Anhörung durch den GBA verwiesen (ebenda S 4 ff).

58

cc) Unbeachtlich ist der hierdurch wahrscheinlich gemachte Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität entgegen der Auffassung des LSG auch nicht deshalb, weil das IQWiG den von ihm ausgewerteten Daten selbst keine ausreichende Evidenz für eine "automatische" Qualitätsverbesserung beigemessen hat und es daraus auch keinen klaren Schwellenwert für eine Mindestmenge für die Kniegelenk-TEP ableiten konnte (IQWiG-Abschlussbericht, S 44). Ein "wissenschaftlicher Nachweis" ist - wie bereits dargelegt und anders als vom IQWiG angenommen (ebenda S 45) - eben keine Voraussetzung der Mindestmengenbestimmung. Nach dem hier maßgebenden Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit darf der GBA von einer Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge vielmehr dann ausgehen, wenn mehr für als gegen diesen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (stRspr, vgl etwa BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 20). Bedenken von solchem Gewicht gegen die vom IQWiG erhobenen und auch im Schrifttum nicht grundsätzlich angezweifelten Feststellungen kann der Senat indes auch unter Berücksichtigung der vom IQWiG angeführten Einwände gegen die Datenlage (ebenda S 43) nicht erkennen.

59

dd) Das gilt ebenso für den Umstand, dass die Studienlage eine klare Ableitung von Mindestmengen-Schwellenwerten nicht erlaubt. Dies besagt nicht, dass der vom Gesetz vorausgesetzte Zusammenhang zwischen Fallzahlen und Versorgungsqualität grundsätzlich nicht besteht. Darin drückt sich vielmehr nur aus, dass verschiedene Qualitätsparameter - wie etwa die Vermeidung postoperativer Infektionen - in unterschiedlichem Maße von steigenden Fallzahlen profitieren oder - wie die Einschränkung der Beweglichkeit - ab einem oberen Fallzahlvolumen auch negativ beeinflusst sein können. Dass ein solcher Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit gegeben ist, ist deshalb aber nicht in Zweifel zu ziehen. Daraus folgt im Gegenteil, dass die Bestimmung von Mindestmengen nicht allein Gegenstand wissenschaftlicher Ableitung sein kann. Besteht bei unterschiedlichen Qualitätsparametern mit Wahrscheinlichkeit eine jeweils anders geartete Beziehung zur Leistungsmenge, wie hier vom IQWiG angenommen, dann ist die Schwellenwertbestimmung eine Aufgabe der medizinischen Bewertung unterschiedlicher Risiken und möglicher Zielkonflikte bei unterschiedlichen Qualitätsmaßnahmen. Das aber ist keine Frage der Tatbestandsvoraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Vielmehr obliegt es später dem GBA, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen und entsprechende Wertungen vorzunehmen, soweit die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen seines Gestaltungsspielraums eröffnet sind.

60

9. Die hierbei zu beachtenden verfahrensrechtlichen Anforderungen sind entgegen der Bedenken des LSG gewahrt.

61

a) Wie auch das LSG nicht in Zweifel zieht, hat der GBA die im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Betroffenenpartizipation durch Gesetz und seiner eigenen Verfahrensvorgaben (vgl § 3 MMV 2003) ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte gewahrt. Dadurch wird sichergestellt, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 34). Der dargestellte Ablauf der Beratungen, die Beteiligung sowohl der BQS als auch des IQWiG, die Diskussion der Auswirkungen unterschiedlicher Mindestmengen-Schwellenwerte für die Versorgung sowie die Einholung von Stellungnahmen bei betroffenen Fachverbänden belegen anschaulich sein formal korrektes Vorgehen.

62

b) Dies gilt entgegen der Bedenken des LSG auch im Hinblick darauf, dass zum Zeitpunkt der Mindestmengenentscheidung vom 16.8.2005 der Abschlussbericht des IQWiG vom 5.12.2005 noch nicht vorgelegen hat. Dabei kann offenbleiben, wie es verfahrensrechtlich zu bewerten wäre, wenn der GBA den Abschlussbericht des IQWiG im Rahmen seiner Entscheidungsfindung vollständig unberücksichtigt gelassen hätte. Dies war jedoch entgegen der Auffassung des LSG nicht der Fall: Die Beschlussfassung vom 16.8.2005 war dadurch bestimmt, dass die Entscheidung über die Einführung einer Mindestmenge nach der insoweit maßgeblichen Verfahrensordnung der MMV 2003 bis zum 31. August eines jeden Jahres zu treffen war. Sie wurde deshalb auch mit dem Vorbehalt versehen, sie im Lichte der Ergebnisse des IQWiG neu zu bewerten. Gelegenheit dazu bestand im Rahmen der Sitzung vom 20.12.2005, in der die DKG den Antrag eingebracht hatte, den Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 auszusetzen. Dies ist mehrheitlich vom GBA abgelehnt worden. Der Senat geht davon aus, dass in diesem Zusammenhang die Ergebnisse des IQWiG in ausreichendem Umfang gesichtet und bewertet worden sind, sodass sie zu diesem Zeitpunkt nachträglich in die Entscheidungsfindung einbezogen worden sind.

63

c) Verfahrensrechtlich bedurfte es dazu entgegen der Auffassung des LSG auch keiner gesonderten Begründung. Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat, besteht für den Normgeber grundsätzlich keine Begründungspflicht (stRspr, vgl nur BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 44; BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 29). Etwas anderes gilt hier nicht deshalb, weil der GBA - wie das LSG meint - eine Stellungnahme des IQWiG iS von § 139b Abs 4 S 2 SGB V unberücksichtigt gelassen hat. Dabei kann offenbleiben, ob hierdurch eine formelle Begründungspflicht begründet wird, wie es das LSG aus einer Entscheidung des 1. Senats des BSG abgeleitet hat (Verweis auf BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 82). Denn der GBA ist nicht im Sinne dieser Vorschrift von einer Empfehlung des IQWiG abgewichen. Er konnte dessen Untersuchung vielmehr - wie bereits - dargelegt in rechtlich nicht zu beanstandender Weise entnehmen, dass im Bereich der Knieendoprothetik mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität besteht. Dass das IQWiG weitergehende Studien als Voraussetzung für eine konkrete Mindestmengenregelung für erforderlich gehalten hat, war im Hinblick auf die Frage eines möglichen Begründungszwangs unbeachtlich.

64

10. Mangels näherer Tatsachenfeststellungen ist dem Senat in der Sache indes eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Insbesondere ist nicht ausreichend zu beurteilen, von welchen Annahmen und Erwägungen der GBA sich bei der Festlegung der im Streit stehenden Mindestmenge hat leiten lassen, warum er andere Gestaltungsmöglichkeiten außer Betracht gelassen hat und ob er demgemäß von seinem Entscheidungsspielraum sachgerecht Gebrauch gemacht hat. Feststellungen hierzu hat das LSG nachzuholen; der GBA hat dabei im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten mitzuwirken und seine Mindestmengenentscheidung ggf auch nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen nachzubessern.

65

a) Ist dem GBA die Kompetenz zur Normgebung - wie hier - tatbestandlich eröffnet, beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in der Sache darauf, ob die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 9, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, RdNr 25 - Basistherapeutika bei Neurodermitis; ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 67 - Therapiehinweise). Nach diesem Maßstab stehen dem GBA bei Bestimmung des konkreten Mindestmengenschwellenwerts Spielräume zu. Nachvollziehbar ist von Seiten des IQWiG im Vorfeld seiner Gutachtenserstellung darauf hingewiesen worden, dass bei Mengen-Qualitäts-Beziehungen eher mit kontinuierlichen Entwicklungen als mit abrupten Sprüngen zu rechnen ist (vgl Tischvorlage von PD Dr. Bender für die Sitzung des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" des GBA vom 11.2.2005, S 1). Bei solchen kontinuierlichen Verläufen, wie sie das IQWiG auch hier vorgefunden hat, werden an den Grenzen möglicher Mindestmengen - wenn überhaupt - allenfalls geringe Qualitätsunterschiede bestehen, hier also etwa bei Krankenhäusern mit 49 Kniegelenk-TEP einerseits und 50 solcher Operationen andererseits. Das stünde einer Regelung indes nicht grundsätzlich entgegen. Typisierungen und Generalisierungen sind vielmehr mit einer Normgebung vielfach verbunden und auch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden; Härten im Einzelfall könnten dabei hinzunehmen sein. Anders als es bei Beauftragung des IQWiG möglicherweise der Vorstellung des GBA entsprach, besteht die Befugnis zur Bestimmung von konkreten Mindestmengen deshalb nicht nur dann, wenn sich bei Mengen-Qualitäts-Beziehungen klare Schwellenwerte mit jeweils deutlich unterschiedlichen Qualitätsstufen zeigen ("treppenförmiger Verlauf"). Im Rahmen seines Gestaltungspielraums darf der GBA vielmehr auch beim Fehlen von eindeutigen Schwellenwerten typisierend Mindestmengen festsetzen; die jeweilige Grenzziehung bedarf dann indes einer nachvollziehbaren Begründung.

66

b) Im Rahmen der Feststellung von konkreten Mindestmengen-Schwellenwerten wird sodann zu ermitteln sein, welche Auswirkungen diese für die Versorgungssituation mit Kniegelenk-TEP im Allgemeinen haben; zudem ist zu prüfen, wie die zu erwartenden Versorgungsvorteile bei unterschiedlichen Mindestmengen in medizinischer Hinsicht zu bewerten sind und ob anzunehmen ist, dass diese Vorteile durch andere Instrumente der Qualitätssicherung voraussichtlich bei zumutbarem Aufwand mutmaßlich nicht zu erreichen sind. Mit Blick auf größere Divergenzen bei den infrage kommenden Schwellenwerten - wenn es etwa um 20 oder aber um 50 Operationen pro Jahr geht - wird ein höherer Schwellenwert im Allgemeinen nur zu rechtfertigen sein, wenn dem auch entsprechende Vorteile für die Versorgung gegenüber stehen. Im vorliegenden Fall dürfte deshalb zu ermitteln sein, welche statistischen Versorgungsvorteile eine höhere Mindestmenge bringt, worauf sich dies stützt und inwieweit dem medizinische Relevanz zukommt. Ist danach ein solcher Vorteil plausibel und wahrscheinlich, liegt es allerdings im Normsetzungsermessen des GBA, dies medizinisch zu bewerten. Den Gerichten ist es dagegen verwehrt, insoweit ihre eigene Einschätzung an die Stelle des GBA zu setzen, wie etwa hier das LSG in Bezug auf die Relevanz der vom GBA erwarteten Reduzierung des Infektionsrisikos bei einer Mindestmenge von 50 zu verstehen sein könnte.

67

c) Zu beachten ist weiterhin die Auswahl der "richtigen" Qualitätsparameter, die der Folgenabschätzung zu Grunde gelegt werden sollen. Der GBA hat hier mit den Kriterien "Unbeweglichkeit" und "Infektion" zwei wesentliche Parameter für die Bemessung der Versorgungsqualität bei der Kniegelenk-TEP gewählt, andere hingegen nicht berücksichtigt. Jedoch zeigt sich schon an den hierzu gefundenen Ergebnissen, dass unter verschiedenen Qualitätsparametern Zielkonflikte bestehen können, die eine divergierende Mengenbetrachtung veranlassen könnten. Deshalb werden sich sowohl die vorbereitenden Untersuchungen als auch die Mindestmengenbestimmung selbst grundsätzlich regelmäßig an der Gesamtheit aller Parameter zu orientieren haben, die aus sachverständiger medizinischer Sicht als klinisch erhebliche Qualitätszeichen anzusehen sind (vgl beispielhaft Geraedts/Ohmann/Blum/Müller, Abschlussbericht zur Begleitforschung zur Einführung von Mindestmengen gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V für den Zeitraum 1.12.2005 - 30.11.2007, Dezember 2007, S 67 f mit Anlage 19, zur Kniegelenk-TEP S 14). Das schließt nicht aus, dass unter den in Betracht kommenden Prüfkriterien eine Auswahl getroffen wird. Diese wird regelmäßig aber nur dann der rechtlichen Überprüfung standhalten können, wenn nachvollziehbar angenommen werden kann, dass die Bandbreite der möglichen Qualitätsparameter durch die getroffene Auswahl angemessen repräsentiert wird.

68

d) Ungeachtet einer konkreten Mindestmengenbestimmung besteht bei kontinuierlichen Verläufen darüber hinaus besonderer Anlass, über die Einführung von Ausnahmetatbeständen iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V zu befinden. Diese dem GBA ausdrücklich eingeräumte Kompetenz zielt offenkundig darauf, typisierungsbedingte Härten der Mindestmengenregelung abzumildern. Deshalb kann es nahe liegen, bei Erfüllung vom GBA im Einzelnen festzulegender Qualitätsanforderungen auch Einrichtungen in einem zu bestimmenden Korridor unterhalb der festgesetzten Mindestmenge die Teilnahme an der betroffenen Versorgung zu ermöglichen. Dies könnte auch etwaigen Fehlanreizen entgegen wirken, Fallzahlen im Hinblick auf die Mindestmengenregelung möglichst auszuweiten. So ist zB zu erwägen, ob nicht solche Ausnahmeregelungen, die in der Vergangenheit bereits erfolgreich vom GBA praktiziert worden sind (vgl die Zulassung von Krankenhäusern mit "guter Qualität" - BAnz Nr 204 vom 27.10.2005 S 15659), auch in Zukunft - zumindest ergänzend - als Qualitätsmarker herangezogen werden können, um eine strikte Mindestmengenbegrenzung zu vermeiden oder ihre Folgen für einzelne Krankenhäuser abzumildern.

69

e) Schließlich wird zu bedenken sein, ob eine gemäß den vorstehenden Ausführungen ermittelte Mindestmenge einrichtungs- oder arztbezogen anzuwenden ist. Die Vorschrift des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V selbst lässt beides zu. Die Entscheidung zwischen diesen Alternativen liegt weitgehend im pflichtgemäßen Gestaltungsermessen des GBA.

70

11. Die weitere Aufklärung der offenen Fragen vom Revisionsgericht nachzuholen, erscheint untunlich (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Deshalb wird im wiedereröffneten Verfahren das LSG - durch einen für die allgemeine Krankenversicherung zuständigen Senat - in eigener Verantwortung zu prüfen haben, ob die Entscheidung des GBA auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage beruht und den aufgezeigten rechtlichen Maßstäben gerecht wird. Sollte das LSG dabei wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass die im Streit stehende Mindestmengenbestimmung rechtswidrig ist, wird es zu beachten haben, dass die von ihm behauptete Normverwerfungskompetenz im sozialgerichtlichen Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs von § 55a SGG nicht besteht. Es erscheint auch kaum wahrscheinlich, dass eine im Verhältnis zwischen Leistungserbringer und GBA getroffene gerichtliche Feststellung von den übrigen GKV-Beteiligten nicht berücksichtigt wird. Die vom LSG insoweit geäußerte Befürchtung ist unbegründet, wie auch der Aussetzungsbeschluss des GBA vom 15.9.2011 (BAnz Nr 157 vom 18.10.2011 S 3637) zeigt.

71

12. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

72

13. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 GKG. Ausgehend von dem von der Klägerin angegebenen Umsatz von 364 000 Euro bei 50 Kniegelenk-TEP pro Jahr bemisst der Senat ihr wirtschaftliches Interesse an ihrem Rechtsschutzziel, solche Operationen in dem bis dahin geübten Umfang auch unterhalb der Mindestmengenschwelle von 50 Operationen im Jahr durchführen zu dürfen. Bei nur 30 solcher Operationen wie zuletzt im Jahr der mündlichen Verhandlung vor dem LSG folgt daraus auf drei Jahre bemessen der Betrag von 655 200 Euro (= 364 000 : 50 x 30 x 3).

(1) Die Krankenkassen und ihre Verbände können im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung zur Verbesserung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Versorgung Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Verfahrens-, Organisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen der Leistungserbringung durchführen oder nach § 64 vereinbaren.

(2) Die Krankenkassen können Modellvorhaben zu Leistungen zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten, zur Krankenbehandlung sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft, die nach den Vorschriften dieses Buches oder auf Grund hiernach getroffener Regelungen keine Leistungen der Krankenversicherung sind, durchführen oder nach § 64 vereinbaren.

(3) Bei der Vereinbarung und Durchführung von Modellvorhaben nach Absatz 1 kann von den Vorschriften des Vierten und des Zehnten Kapitels dieses Buches, soweit es für die Modellvorhaben erforderlich ist, und des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen abgewichen werden; der Grundsatz der Beitragssatzstabilität gilt entsprechend. Gegen diesen Grundsatz wird insbesondere für den Fall nicht verstoßen, daß durch ein Modellvorhaben entstehende Mehraufwendungen durch nachzuweisende Einsparungen auf Grund der in dem Modellvorhaben vorgesehenen Maßnahmen ausgeglichen werden. Einsparungen nach Satz 2 können, soweit sie die Mehraufwendungen überschreiten, auch an die an einem Modellvorhaben teilnehmenden Versicherten weitergeleitet werden. Satz 1 gilt mit der Maßgabe, dass von § 284 Abs. 1 Satz 4 nicht abgewichen werden darf.

(3a) Gegenstand von Modellvorhaben nach Absatz 1, in denen von den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches abgewichen wird, können insbesondere informationstechnische und organisatorische Verbesserungen der Datenverarbeitung, einschließlich der Erweiterungen der Befugnisse zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten sein. Von den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches zur Verarbeitung personenbezogener Daten darf nur mit schriftlicher oder elektronischer Einwilligung des Versicherten und nur in dem Umfang abgewichen werden, der erforderlich ist, um die Ziele des Modellvorhabens zu erreichen. Der Versicherte ist vor Erteilung der Einwilligung schriftlich oder elektronisch darüber zu unterrichten, inwieweit das Modellvorhaben von den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches abweicht und aus welchen Gründen diese Abweichungen erforderlich sind. Die Einwilligung des Versicherten hat sich auf Zweck, Inhalt, Art, Umfang und Dauer der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten sowie die daran Beteiligten zu erstrecken.

(3b) Modellvorhaben nach Absatz 1 können vorsehen, dass Angehörige der im Pflegeberufegesetz, im Krankenpflegegesetz und im Altenpflegegesetz geregelten Berufe

1.
die Verordnung von Verbandsmitteln und Pflegehilfsmitteln sowie
2.
die inhaltliche Ausgestaltung der häuslichen Krankenpflege einschließlich deren Dauer
vornehmen, soweit diese auf Grund ihrer Ausbildung qualifiziert sind und es sich bei der Tätigkeit nicht um selbständige Ausübung von Heilkunde handelt.

(3c) Modellvorhaben nach Absatz 1 können eine Übertragung der ärztlichen Tätigkeiten, bei denen es sich um selbstständige Ausübung von Heilkunde handelt und für die die Angehörigen des im Pflegeberufegesetz geregelten Berufs auf Grundlage einer Ausbildung nach § 14 des Pflegeberufegesetzes qualifiziert sind, auf diese vorsehen. Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen entsprechende Vorhaben spätestens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 vereinbaren oder durchführen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien fest, bei welchen Tätigkeiten eine Übertragung von Heilkunde auf die Angehörigen des in Satz 1 genannten Berufs im Rahmen von Modellvorhaben erfolgen kann. Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses ist der Bundesärztekammer sowie den maßgeblichen Verbänden der Pflegeberufe Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nach den Sätzen 2 bis 4 festgelegte Richtlinien gelten für die Angehörigen des in Satz 1 geregelten Berufs fort.

(3d) Die Anwendung von Heilmitteln, die nach der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Behandlung krankheitsbedingter Schädigungen nur verordnungsfähig sind, wenn die Schädigungen auf Grund bestimmter Grunderkrankungen eintreten, kann auch bei anderen ursächlichen Grunderkrankungen Gegenstand von Modellvorhaben nach Absatz 2 sein.

(4) Gegenstand von Modellvorhaben nach Absatz 2 können nur solche Leistungen sein, über deren Eignung als Leistung der Krankenversicherung der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 oder im Rahmen der Beschlüsse nach § 137c Abs. 1 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Fragen der biomedizinischen Forschung sowie Forschungen zur Entwicklung und Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten können nicht Gegenstand von Modellvorhaben sein.

(5) Die Modellvorhaben sind im Regelfall auf längstens acht Jahre zu befristen. Verträge nach § 64 Abs. 1 sind den für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen. Modellvorhaben nach Absatz 1, in denen von den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches abgewichen werden kann, sind auf längstens fünf Jahre zu befristen. Über Modellvorhaben nach Absatz 1, in denen von den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches abgewichen wird, sind der Bundesbeauftragte für den Datenschutz oder die Landesbeauftragten für den Datenschutz, soweit diese zuständig sind, rechtzeitig vor Beginn des Modellvorhabens zu unterrichten.

(6) Modellvorhaben nach den Absätzen 1 und 2 können auch von den Kassenärztlichen Vereinigungen im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung mit den Krankenkassen oder ihren Verbänden vereinbart werden. Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten entsprechend.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Dezember 2015 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 4.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung für Notfallbehandlungen, die in einer Krankenhausambulanz erbracht worden sind.

2

Die Klägerin ist Trägerin eines im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) gelegenen Krankenhauses, welches eine Notfallambulanz betreibt. Die Abrechnung für Notfallbehandlungen der Klägerin im Quartal 2/2011 berichtigte sie ua um die Leistungen nach Gebührenordnungsposition (GOP) 95606 (Bereitschaftsdienstpauschale Tag-Stunde) und 95607 (Bereitschaftsdienstpauschale Nacht-Stunde). Auf diese Berichtigung für Notfallbehandlungen entfiel ein Betrag in Höhe von insgesamt 9760,28 Euro. Eine entsprechende Berichtigung nahm die Beklagte auch für das Quartal 3/2011 vor und reduzierte das Honorar für durchgeführte Notfallbehandlungen um 9686,41 Euro. Die Widersprüche, die die Klägerin gegen beide Berichtigungsbescheide bezogen auf die Absetzung von Bereitschaftsdienstpauschalen für Notfallbehandlungen einlegte, wies die Beklagte mit zwei Widerspruchsbescheiden zurück.

3

Die dagegen erhobenen Klagen hat das SG nach Verbindung beider Verfahren abgewiesen. Anspruch auf die von den von der beklagten KÄV mit den Landesverbänden der Krankenkassen für den Bezirk der beklagten KÄV vereinbarten Bereitschaftsdienstpauschalen hätten nach dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung ausschließlich Vertragsärzte, die im Rahmen des von der Beklagten organisierten Notdienstes tätig würden, und damit nicht die Klägerin als Trägerin eines Krankenhauses. Die Vertragspartner seien auch nicht verpflichtet gewesen, Krankenhäuser in den Kreis der von den Bereitschaftsdienstpauschalen Begünstigten aufzunehmen. Der Grundsatz, dass die Notfallleistungen der Krankenhäuser so zu vergüten seien, als ob sie von zugelassenen Vertragsärzten erbracht worden wären, greife hier nicht durch, weil die Vergütungen für die Bereitschaftsdienstpauschale außerhalb der Gesamtvergütung von den Krankenkassen (KK) gezahlt werden. Die Vertragspartner seien grundsätzlich frei, ob und mit welchem Inhalt sie sog Strukturverträge abschlössen. In dem Ausschluss von Krankenhäusern von der Bereitschaftsdienstpauschale liege kein Verstoß gegen Art 3 GG.

4

Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über die Honoraransprüche der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zwar sei die Klägerin als Krankenhaus nach dem Wortlaut der maßgebenden für den Bezirk der beklagten KÄV vereinbarten Regelung von der Abrechnung der Bereitschaftsdienstpauschalen nach GOP 95606 und 95607 ausgeschlossen. Darin liege jedoch eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs seien die Vorschriften des Vertragsarztrechts über die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen. Notfallleistungen seien mithin grundsätzlich so zu vergüten, als ob sie von zugelassenen Vertragsärzten erbracht worden wären. Der Vergütungsanspruch von Krankenhäusern oder von Nichtvertragsärzten für Notfallbehandlungen dürfe gegenüber dem Vergütungsniveau der Vertragsärzte nur dann reduziert oder im Umfang eingeschränkt werden, wenn dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei. Auch eine mittelbare Schlechterstellung von Notfallleistungen im Krankenhaus gegenüber vergleichbaren Leistungen von Vertragsärzten durch Regelungen der Honorarverteilung sei nicht zulässig. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liege darin, dass die Schlechterstellung der Krankenhäuser im Notdienst im Rahmen von strukturvertraglichen Regelungen stattfinde. Bei den GOP 95606 und 95607 handele es sich nicht um GOP des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) und die Vergütung erfolge insoweit auf rein vertraglicher Grundlage außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung. Bei dem Abschluss und der Ausgestaltung von solchen öffentlich-rechtlichen Verträgen komme den Vertragsparteien ein weiter Ermessens- und Gestaltungsspielraum zu. Gleichwohl unterlägen die öffentlich-rechtlichen Vertragsparteien den durch Art 3 Abs 1 GG gezogenen Grenzen. Sachliche Differenzierungsgründe seien nicht erkennbar.

5

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision, zu deren Begründung sie geltend macht: Es bestehe keine Verpflichtung, auch die Krankenhäuser in den Kreis der von den Bereitschaftsdienstpauschalen Begünstigten aufzunehmen. Eine Ungleichbehandlung liege bereits mangels vergleichbarer Fallgestaltungen nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung würden die in Notfällen von Nichtvertragsärzten und von Krankenhäusern erbrachten Notfallleistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt und aus der Gesamtvergütung honoriert. Hier gehe es jedoch um auf regionaler Ebene extrabudgetär vereinbarte GOP mit dem Zweck, die regionalen Strukturen und die Qualität der Leistungserbringung im organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst zu fördern. Dieser Förderzweck finde seinen Widerklang in der strukturellen Ausgestaltung der Fördermaßnahme als Stundenpauschale, welche zusätzlich zu der Vergütung der ärztlichen Notfallleistungen nach den Regelungen des EBM-Ä gezahlt werde. Selbst wenn von einer vergleichbaren Fallgestaltung auszugehen wäre, wäre die Ungleichbehandlung im verfassungsrechtlichen Sinne als gerechtfertigt anzusehen. Prüfungsmaßstab sei das Willkürverbot, da die Vertragspartner bezüglich der Ausgestaltung von Fördermaßnahmen einen weiten Gestaltungsspielraum besäßen. Die Förderung der Organisationsstruktur des ärztlichen Notdienstes mittels Bereitschaftsdienstpauschale diene dem legitimen Zweck der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zu den sprechstundenfreien Zeiten. Die Beklagte erfülle diese Aufgabe durch die bei ihr mitgliedschaftlich organisierten Vertragsärzte, die zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet seien. Dies gelte auch für die Teilnahme am Bereitschaftsdienst. Die zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung geschaffene Organisationsstruktur des vertragsärztlichen Notdienstes mit eigenen Vermittlungszentralen, Bereitschaftsdienstgruppen, Obleuten, Bereitschaftspraxen und einer umfassenden Dienstplanung stelle sicher, dass die Versicherten auch zu sprechstundenfreien Zeiten eine ausreichende und umfassende ambulante ärztliche Versorgung erhielten, die im Bedarfsfall sogar Hausbesuche umfasse. Die Gewährleistung einer attraktiven Vergütung für die aktive Teilnahme von Vertragsärzten am Notdienst sei geeignet, die Funktionsfähigkeit dieser komplexen Struktur dauerhaft zu erhalten, indem eine möglichst große Anzahl an Vertragsärzten diesen Dienst persönlich übernehme. Eine funktionierende Organisationsstruktur des Notdienstes könne dazu beitragen, unnötige Notarzteinsätze und Krankenhauseinweisungen zu vermeiden. Die Beschränkung des Kreises der Anspruchsberechtigten der Bereitschaftsdienstpauschalen auf Vertragsärzte erfolge aus nachvollziehbaren Gründen. Die normative Ausgestaltung der Durchführung des ärztlichen Notdienstes im Bezirk der Beklagten obliege der Vertreterversammlung der Beklagten. Diese könne als Normgeberin ausschließlich Regelungen für ihre Mitglieder treffen. Es sei ihr verwehrt, in entsprechender Weise auch Krankenhäuser verpflichtend zum Notdienst einzuteilen und diese in die Organisationsstrukturen des ärztlichen Notdienstes einzubinden. Die Krankenhäuser seien im Gegensatz zu den Vertragsärzten nicht zur Durchführung des ambulanten Notdienstes verpflichtet. Das Vorhalten einer speziellen Ambulanz (ohne Teilnahme am organisierten ambulanten Bereitschaftsdienst) beruhe allein auf organisatorischen Erwägungen des jeweiligen Krankenhausträgers. Zudem hätten die Vertragspartner der Anlage B zum Gesamtvertrag berücksichtigen dürfen, dass im ärztlichen Notdienst - anders als in den Klinikambulanzen - ausschließlich Ärzte mit erfolgreichem Abschluss einer Weiterbildung tätig würden. Auch stelle die Beklagte sicher, dass die zum Notdienst verpflichteten Vertragsärzte die für die Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung (und somit auch für die Durchführung des ärztlichen Notdienstes) erforderlichen hinreichenden Kenntnisse erworben hätten und regelmäßig auffrischen würden. Diese für Vertragsärzte maßgebliche Fortbildungsverpflichtung gehe über die allgemeinen berufsrechtlichen Pflicht zur Fortbildung hinaus, da bereits kraft Gesetzes an das Erbringen der erforderlichen Nachweise unmittelbare Konsequenzen geknüpft seien, die bis zum Zulassungsentzug führen könnten. Ferner erhielten die an der Notfallversorgung teilnehmenden Krankenhäuser bereits eine Entschädigung für die Vorhaltekosten der Notfallversorgung im Rahmen der Diagnosis Related Group (DRG)-Vergütung. Dies folge aus § 4 Abs 6 Krankenhaus-Entgeltgesetz (KHEntgG), der bestimme, dass Krankenhäuser, die nicht an der Notfallversorgung teilnehmen, einen Abschlag von 50 Euro für alle vollstationär behandelten Fälle hinnehmen müssten. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass Krankenhäuser, die sich an der Notfallversorgung beteiligen, pro vollstationärem Behandlungsfall implizit 50 Euro zusätzlich im Rahmen des DRG-Entgelte-Systems erhielten.

6

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1. beantragen,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 16.12.2015 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG München vom 24.10.2014 zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Entgegen der Auffassung der Beklagten führten die Unterschiede zwischen der Vergütung ärztlicher Leistungen nach dem EBM-Ä und den hier maßgebenden gesamtvertraglich für den Bezirk einer KÄV vereinbarten GOP nicht dazu, dass die Sachverhalte nicht miteinander verglichen werden könnten. Für einen in einer Krankenhausambulanz behandelten Patienten zahle die Beklagte bei gleicher Leistung eine geringere Vergütung als für die Behandlung durch einen Vertragsarzt. Vertragsärzte und Notfallambulanzen würden ohne sachlichen Grund ungleich behandelt. Die Bereitschaftsdienstpauschalen seien nicht geeignet, den Notdienst zu fördern. Vertragsärzte seien zur Teilnahme am ärztlichen Notdienst ohnehin verpflichtet. Tatsächlich stellten die Krankenhäuser einen Großteil der ambulanten Notfallversorgung sicher. Die Vertragsautonomie der Beklagten und die daraus folgende Möglichkeit zur Vereinbarung regionaler GOP führe nicht dazu, dass sie sich in einem rechtsfreien Raum bewegen könne. Auch die Notwendigkeit von Fortbildungen rechtfertige keine unterschiedliche Behandlung. Die Bevorzugung der Vertragsärzte durch die Möglichkeit zur Abrechnung der GOP 95606 und 95607 werde entgegen der Auffassung der Beklagten nicht durch § 4 Abs 6 KHEntgG kompensiert. Das folge bereits aus dem Umstand, dass § 4 Abs 6 KHEntgG keinen Zuschlag, sondern einen Abschlag regele. Darüber hinaus beziehe sich die Regelung nicht auf die ambulante, sondern auf die stationäre Notfallversorgung. Ein Krankenhaus, das allein an der stationären Notfallversorgung teilnehme, aber keine Notfallambulanz betreibe, erhalte keinen Abschlag. Im Übrigen berücksichtige auch die der DRG-Vergütung zugrunde liegende Kalkulation allein stationäre, nicht jedoch ambulante Leistungen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat der Berufung der Klägerin zu Unrecht stattgegeben. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Zwar ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, dass die in Bayern getroffene gesamtvertragliche Vereinbarung, nach der allein Vertragsärzte, nicht jedoch Krankenhäuser für die Erbringung ambulanter Notfallleistungen "Bereitschaftsdienstpauschalen" nach den GOP 95606 und 95607 abrechnen können, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG nicht vereinbar ist. Weil die Partner der Gesamtverträge aber von vornherein nicht berechtigt sind, zusätzliche GOP für Notfallbehandlungen im Krankenhaus zu vereinbaren, und die Klägerin keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht hat, ist die angegriffene sachlich-rechnerische Berichtigung im Ergebnis nicht zu beanstanden.

10

1. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Berichtigung und Rückforderung ist § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 ). Danach stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind.

11

2. Gegenstand der sachlich-rechnerischen Berichtigung, gegen die sich die Klägerin wendet, sind abgerechnete "Bereitschaftsdienstpauschalen" nach den GOP 95606 und 95607. Dabei handelt es sich nicht um GOP aus dem EBM-Ä, sondern um GOP, die von der beklagten KÄV mit für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen als Anlagen zu den Gesamtverträgen für den Bezirk der beklagten KÄV vereinbart worden sind. Nach Anlage B I. (2) Nr 2 dieser Vereinbarungen betrug die vereinbarte Bereitschaftsdienstpauschale im hier maßgebenden Zeitraum 4,70 Euro je Stunde in der Zeit zwischen 8 und 20 Uhr (GOP 95606) und 8,33 Euro je Stunde in der Zeit von 20 bis 8 Uhr (GOP 95607). Anspruchsberechtigt sind nach Anlage B I. (2) Nr 1

        

a) Vertragsärzte, die ihre Bereitschaftsdienste im Rahmen des organisierten Ärztlichen Bereitschaftsdienstes der KÄV Bayern in eigener Person durchführen,

        

b) Vertragsärzte, die für andere Vertragsärzte ihrer Bereitschaftsdienstgruppe oder einer Nachbardienstgruppe Bereitschaftsdienste im Rahmen des organisierten Ärztlichen Bereitschaftsdienstes der KÄV Bayern durchführen und

        

c) Vertragsärzte, die in Bereitschaftspraxen der KÄV Bayern und Bereitschaftspraxen in Kooperation mit der KÄV Bayern am organisierten Ärztlichen Bereitschaftsdienst der KÄV Bayern teilnehmen.

12

Die Vertragspartner haben ausdrücklich vereinbart, dass die KÄV Bayern die Richtigkeit der Abrechnung prüft. Die Vergütung erfolgt direkt durch die Krankenkassen und damit nicht aus der Gesamtvergütung.

13

3. Nach dem Wortlaut dieser Vereinbarung hat die Klägerin - was von ihr auch nicht in Zweifel gezogen wird - keinen Anspruch auf Zahlung der Bereitschaftsdienstpauschale. Das folgt bereits aus dem Umstand, dass die genannten gesamtvertraglichen Vereinbarungen den Anspruch auf Vertragsärzte beschränken. Die Klägerin ist keine Vertragsärztin, sondern Trägerin eines Krankenhauses. Darüber hinaus setzt der Anspruch auf die Bereitschaftsdienstpauschale die Teilnahme am organisierten Not- bzw Bereitschaftsdienst (im Folgenden: Notdienst) voraus. Die Klägerin erfüllt auch diese Voraussetzung nicht und konnte diese Voraussetzung nicht erfüllen, weil die beklagte KÄV, die gemäß § 75 Abs 1 Satz 2 SGB V in der hier noch maßgebenden Fassung des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes vom 23.6.1997 (BGBl I 1520) die Sicherstellung der Versorgung auch in den sprechstundenfreien Zeiten zu gewährleisten und damit den vertragsärztlichen Notdienst zu organisieren hat, nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, Krankenhäuser mit deren Einverständnis auf der Grundlage von Vereinbarungen nach § 115 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V in den organisierten Notdienst einzubeziehen. Dazu war die Beklagte in dem hier maßgebenden Zeitraum (Quartale 2 und 3/2011) im Übrigen auch nicht verpflichtet (vgl dagegen die seit den Änderungen durch das Krankenhausstrukturgesetz vom 10.12.2015 geltende Soll-Regelung in § 75 Abs 1b Satz 2 SGB V).

14

4. Die für den Bezirk der beklagten KÄV gesamtvertraglich vereinbarte Regelung zur Bereitschaftsdienstpauschale ist indes unwirksam, weil sie mit höherrangigem Recht unvereinbar ist. Mit der Beschränkung auf am organisierten Notdienst teilnehmende Vertragsärzte verstößt sie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG (nachfolgend a). Darüber hinaus waren die Vertragspartner von vornherein nicht berechtigt, Zuschläge zu der im EBM-Ä geregelten Vergütung für die im organisierten Notdienst bzw in Notfällen erbrachten Leistungen zu regeln (nachfolgend b).

15

a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG schreibt vor, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches dementsprechend unterschiedlich zu behandeln (vgl BVerfG Beschluss vom 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89, ua - BVerfGE 98, 365, 385; stRspr). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl BVerfG Beschluss vom 7.11.2006 - 1 BvL 10/02 - BVerfGE 117, 1, 30; BVerfG Beschluss vom 14.10.2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1, 23; BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, ua - BVerfGE 126, 400, 416). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art 3 Abs 1 GG gebietet nicht nur, dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist (vgl BVerfG Beschluss vom 7.7.2009 - 1 BvR 1164/07 - BVerfGE 124, 199, 220). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (stRspr des BVerfG, vgl hierzu zB BVerfG Urteil vom 28.1.2003 - 1 BvR 487/01 - BVerfGE 107, 133, 141; BVerfG Beschluss vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 68 f, jeweils mwN).

16

(1) Nach den dargestellten Maßstäben stehen die in der Anlage B zum Gesamtvertrag I. (2) für den Bezirk der KÄV Bayern vereinbarten Regelung zur Bereitschaftsdienstpauschale nach den GOP 95606 und 95607 nicht mit Art 3 Abs 1 GG im Einklang, weil kein sachlicher Grund dafür vorliegt, Vertragsärzten die Möglichkeit zur Abrechnung einer Bereitschaftsdienstpauschale zu eröffnen, die Notfallambulanzen der Krankenhäuser von der Abrechenbarkeit jedoch generell auszuschließen.

17

Aus der Zuordnung der Notfallleistungen zur vertragsärztlichen Versorgung folgt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BSG Urteil vom 20.12.1995 - 6 RKa 25/95 - SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37; BSG Urteil vom 24.9.2003 - B 6 KA 51/02 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 2 RdNr 5 f; BSG Urteil vom 17.9.2008 - B 6 KA 46/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 18; BSG Urteil vom 10.12.2008 - B 6 KA 37/07 R - BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 14), dass sich die Honorierung dieser Behandlungen nach den Grundsätzen richtet, die für die Leistungen der Vertragsärzte und der zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigten Personen und Institutionen gelten. Die Notfallbehandlungen in den Ambulanzen der Krankenhäuser dürfen also grundsätzlich nicht schlechter honoriert werden als entsprechende Leistungen der Vertragsärzte im organisierten Notdienst (vgl zB BSG Urteil vom 2.7.2014 - B 6 KA 30/13 R - SozR 4-2500 § 76 Nr 2 RdNr 10 f; BSG Beschluss vom 17.7.2013 - B 6 KA 8/13 B - Juris RdNr 10; BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 3/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 13, jeweils mwN). Daran hält der Senat fest.

18

Der Vergütungsanspruch der Krankenhäuser oder Nichtvertragsärzte für Notfallbehandlungen darf danach gegenüber dem Vergütungsniveau der Vertragsärzte nur dann reduziert oder im Umfang eingeschränkt werden, wenn dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist (BSG Urteil vom 20.12.1995 - 6 RKa 25/95 - SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37 f; BSG Urteil vom 6.9.2006 - B 6 KA 31/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 15; BSG Urteil vom 17.9.2008 - B 6 KA 46/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 18, 21). Auch eine mittelbare Schlechterstellung von Notfallleistungen im Krankenhaus gegenüber vergleichbaren Leistungen von Vertragsärzten durch Regelungen der Honorarverteilung hat der Senat in diesem Zusammenhang nicht gebilligt (vgl BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 3/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 13 RdNr 28; BSG Urteil vom 31.1.2001 - B 6 KA 33/00 R - SozR 3-2500 § 115 Nr 1 S 4 f; s auch BSG Urteil vom 6.9.2006 - B 6 KA 31/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 15 und BSG Urteil vom 17.9.2008 - B 6 KA 46/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 18).

19

(2) Der Umstand, dass die Begünstigung von Vertragsärzten gegenüber Krankenhäusern bei der Vergütung von Notfallleistungen nicht im EBM-Ä, sondern zwischen der KÄV und den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen gesondert vereinbart worden ist und dass die vereinbarte besondere Vergütung für Vertragsärzte im Notdienst außerhalb der nach § 87a SGB V zu vereinbarenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütung gezahlt wird, ist nicht geeignet, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass den Vertragspartnern bei Abschluss und Ausgestaltung von Strukturverträgen ein besonders weiter Gestaltungsspielraum zukomme.

20

Die durch Art 3 Abs 1 GG gesetzten Grenzen gelten auch für die Ausformung von Strukturverträgen (vgl BSG Beschluss vom 22.6.2005 - B 6 KA 20/05 B - Juris RdNr 11), denn der allgemeine Gleichheitssatz gilt nicht nur für ungleiche Belastungen, sondern ebenso für ungleiche Begünstigungen (vgl BVerfG Beschluss vom 11.10.1988 - 1 BvR 777/85, ua - BVerfGE 79, 1, 17; BVerfG vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 - BVerfGE 126, 400, 416, mwN). Richtig ist, dass Vergütungszuschläge, die im Rahmen von Strukturverträgen vereinbart werden, gerade durch die mit dem Strukturvertrag angestrebten Ziele gerechtfertigt sein können. Dementsprechend hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 22.6.2005 (B 6 KA 20/05 B - Juris RdNr 10) ausgeführt, dass der Ermessens- und Gestaltungsspielraum im Rahmen des § 73a SGB V aF größer sei, als bei der Schaffung und Ausgestaltung des EBM-Ä. Aber auch innerhalb des EBM-Ä darf bei der Ausgestaltung der Vergütungstatbestände steuernd auf das Leistungsverhalten von Ärzten eingewirkt werden, soweit dabei legitime Regelungszwecke wie die Sicherstellung der Versorgung verfolgt werden (zu einer Strukturpauschale für allein konservativ behandelnde, nicht operierende Augenärzte vgl BSG Urteil vom 28.10.2015 - B 6 KA 42/14 R - SozR 4-5531 Nr 06225 Nr 1 RdNr 25; vgl auch BSG Urteil vom 25.1.2017 - B 6 KA 2/16 R - Juris RdNr 40).

21

Auf die gerade bei der Ausgestaltung von Strukturverträgen bestehenden Gestaltungsspielräume kann sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zwischen Vertragsärzten und Krankenhäusern bei der Vergütung von Notfallleistungen hier jedoch bereits deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil die Bereitschaftsdienstpauschale nicht im Rahmen eines Strukturvertrages vereinbart worden ist. Rechtliche Grundlage für den Abschluss von Strukturverträgen war in dem hier noch maßgebenden Zeitraum § 73a Abs 1 Satz 1 SGB V (vor dessen Aufhebung durch das KHSG, im Folgenden: aF). Nach dieser Vorschrift konnten Regelungen in Gesamtverträgen getroffen werden, mit denen Versorgungs- und Vergütungsstrukturen vereinbart werden, die dem vom Versicherten gewählten Hausarzt oder einem von ihm gewählten Verbund haus- und fachärztlich tätiger Vertragsärzte (vernetzte Praxen) Verantwortung für die Gewährleistung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung sowie der ärztlich verordneten oder veranlassten Leistungen insgesamt oder für inhaltlich definierte Teilbereiche dieser Leistungen übertragen. Zentrales Element dieser Strukturverträge ist danach die Möglichkeit zur Vereinbarung neuer Versorgungs- und Vergütungsstrukturen insbesondere in Form einer Vernetzung von Haus- und Fachärzten oder von Verfahren der Arztwahlsteuerung zB über Hausarztmodelle (vgl Schirmer, VSSR 1998, 279; Orlowski, BKK 1997, 240, 241; zu Integrationsverträgen nach § 140a SGB V aF vgl BSG Urteil vom 6.2.2008 - B 6 KA 27/07 R - BSGE 100, 52 = SozR 4-2500 § 140d Nr 1 mwN).

22

Die den Strukturvertrag danach kennzeichnenden Elemente fehlen in der Vereinbarung zur Bereitschaftsdienstpauschale (Anlage B zum Gesamtvertrag I. <2>) vollständig. Die Vereinbarung beschränkt sich auf die Regelung einer zusätzlichen zeitbezogenen Vergütung, die allein Vertragsärzten im Notdienst vorbehalten bleibt und die damit insbesondere Krankenhäuser, die Notfallleistungen erbringen, ausschließt. Eine Verknüpfung des Vergütungsanspruchs mit Vorgaben zu Inhalt, Struktur oder Qualität der erbrachten Leistung enthält die Vereinbarung nicht.

23

(3) Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Ausschluss der Krankenhäuser, die nicht am organisierten Notdienst teilnehmen, durch das legitime Ziel der Förderung der Organisationsstruktur des ärztlichen Notdienstes gerechtfertigt werde. Zwar obliegt der Sicherstellungsauftrag der KÄV. Notfallbehandlungen in Krankenhäusern zu den sprechstundenfreien Zeiten sind deshalb aber ordnungspolitisch nicht unerwünscht (BSG Urteil vom 17.9.2008 - B 6 KA 46/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 21). Vielmehr leisten Notfallambulanzen der Krankenhäuser einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung; in diesen Zeiten ist ihr Versorgungsangebot nicht in dem Sinne subsidiär, dass die Versicherten in Notfällen die Krankenhausambulanzen nur aufsuchen dürften, wenn sie Einrichtungen des organisierten vertragsärztlichen Notdienstes nicht in zumutbarer Zeit erreichen können (BSG Urteil vom 2.7.2014 - B 6 KA 30/13 R - SozR 4-2500 § 76 Nr 2 RdNr 10).

24

(4) Eine geringere Vergütung für Notfallleistungen von Krankenhäusern gegenüber Vertragsärzten kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Organisation des Notdienstes Kosten verursache, die in Krankenhäusern nicht anfielen. Zur Erfüllung ihrer kontinuierlich anfallenden Aufgaben bei der Versorgung ambulanter Notfallpatienten entstehen auch den Krankenhäusern Kosten. Insofern unterscheidet sich deren Situation nicht von derjenigen des organisierten vertragsärztlichen Notdienstes (BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 3/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 13 RdNr 40; BSG Urteil vom 6.9.2006 - B 6 KA 31/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 19; vgl auch BSG Urteil vom 25.1.2017 - B 6 KA 2/16 R - Juris RdNr 36 - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Der Gesichtspunkt, dass nur die Vertragsärzte die Kosten für Organisation und Durchführung des vertragsärztlichen Notfalldienstes zu tragen haben, vermag eine privilegierte Vergütung von deren Notfallleistungen nicht zu rechtfertigen (stRspr, BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 3/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 13 RdNr 40; BSG Urteil vom 6.9.2006 - B 6 KA 31/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 18; bekräftigt durch BSG Urteil vom 17.9.2008 - B 6 KA 46/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 20; anders noch BSG Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 59/94 - USK 95125, mwN).

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(5) Etwas Anderes folgt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus dem Umstand, dass die Vertragsparteien auf Bundesebene nach § 9 KHEntgG (Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der Privaten Krankenversicherung gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft) nach § 4 Abs 6 KHEntgG für die Nichtteilnahme von Krankenhäusern an der Notfallversorgung einen Abschlag von der Vergütung für die allgemeinen Krankenhausleistungen vereinbaren, der - solange nichts anderes vereinbart oder durch Rechtsverordnung festgelegt worden ist - 50 Euro je vollstationärem Fall beträgt.

26

Es ist zutreffend, dass der Senat im Hinblick auf § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V (vor dessen Streichung durch das KHSG, im Folgenden: aF) in einem Abschlag von 10 % für die Vergütung in Notfallambulanzen von Krankenhäusern keinen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG gesehen hat. § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V aF bestimmte, dass die Vergütung für die nach § 120 Abs 1 SGB V (im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen) bei öffentlich geförderten Krankenhäusern um einen Investitionskostenabschlag von 10 % zu kürzen ist. Daraus hat der Senat den allgemeinen Rechtsgedanken abgeleitet, dass es im Hinblick auf die unterschiedliche Kostensituation in öffentlich-geförderten Krankenhäusern einerseits und in Praxen niedergelassener Vertragsärzte andererseits generell gerechtfertigt sei, die Vergütungen für die im Krankenhaus als Institutsleistung - nicht als Leistung von persönlich ermächtigten Ärzten - erbrachten Notfallbehandlungen um 10 % gegenüber den Sätzen der vertragsärztlichen Vergütung zu reduzieren (BSG Urteil vom 19.8.1992 - 6 RKa 6/91 - BSGE 71, 117 = SozR 3-2500 § 120 Nr 2; BSG Urteil vom 12.10.1994 - 6 RKa 31/93 - BSGE 75, 184, 186 = SozR 3-2500 § 120 Nr 4 S 24; BSG Urteil vom 20.12.1995 - 6 RKa 25/95 - SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37; BSG Urteil vom 13.5.1998 - B 6 KA 41/97 R - SozR 3-2500 § 120 Nr 8 S 42; BSG Urteil vom 31.1.2001 - B 6 KA 33/00 R - SozR 3-2500 § 115 Nr 1 S 4; BSG Urteil vom 13.3.2002 - B 6 KA 4/01 R - SozR 3-2500 § 120 Nr 12 S 54; vgl zuletzt BSG Urteil vom 25.1.2017 - B 6 KA 2/16 R - Juris RdNr 38 zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

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Auf den Abschlag nach § 4 Abs 6 KHEntgG iVm § 17b Abs 1a Nr 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) kann die zu § 120 Abs 1 SGB V ergangene Rechtsprechung indes nicht übertragen werden. Dieser Abschlag für die Notfallversorgung nach § 17b Abs 1a Nr 1 KHG weist im Gegensatz zu § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V aF keinen Bezug zur ambulanten Behandlung durch das Krankenhaus auf, sondern wird je vollstationärem Fall berechnet. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass es für den Abschlag in Höhe von 50 Euro nach § 2 Abs 1 der von den Selbstverwaltungspartnern auf Bundesebene geschlossenen Vereinbarung über Regelungen für Zu- und Abschläge gemäß § 17b Abs 1 Satz 4 KHG vom 15.12.2000 allein auf die Teilnahme des Krankenhauses an der stationären Notfallversorgung und nicht auf die Teilnahme an der ambulanten Notfallversorgung ankommt. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein Krankenhaus, welches nicht an der stationären Notfallversorgung teilnimmt, im Durchschnitt geringere Kosten zur Erbringung seiner Fallpauschalenleistungen hat, weil die stationäre Behandlung von Notfallpatienten zu höheren Kosten führt. Dieser Umstand ist geeignet den Abschlag nach § 4 Abs 6 KHEntgG zu rechtfertigen(vgl Gamperl in Dietz/Bofinger, KHG, BPflV und Folgerecht, Stand 8/2016, § 4 KHEntgG S 63). Ein Bezug zur Behandlung von Patienten, die sich in die Notfallambulanz eines Krankenhauses begeben und für die eine Vergütung in Form einer Fallpauschale nicht erfolgt, kann dagegen nicht hergestellt werden. Für die Annahme der Beklagten, dass der abschlagslose Erhalt der Fallpauschale, die für die stationäre Behandlung gezahlt wird, eine Subventionierung der Krankenhäuser beinhalten würde, die sich auf ambulante Notfallbehandlungen bezöge, gibt es unter diesen Umständen keine Grundlage.

28

Im Übrigen hat der Gesetzgeber den Investitionskostenabschlag in Höhe von 10 % nach § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V aF mit dem Ziel gestrichen, dass auch für Notfallbehandlungen im Krankenhaus kein Investitionskostenabschlag mehr vorzunehmen ist. Dies sollte zu einer "sofort finanzwirksamen Stärkung der Krankenhausambulanzen" führen (vgl die Begründung zur Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses zum Entwurf eines KHSG, BT-Drucks 18/6586 S 108, zu Art 6 Nr 13 Buchst b). Diese Zielsetzung würde jedenfalls für die Zeit ab dem Inkrafttreten dieser Änderung zum 1.1.2016 unterlaufen, wenn eine Reduzierung der Notdienstvergütung nun erstmals unter Hinweis auf die bereits mit dem Zweiten Fallpauschalenänderungsgesetz vom 15.12.2004 (BGBl I 3429) als § 4 Abs 5 Satz 2 KHEntgG eingeführte Regelung zum 50-Euro-Abschlag begründet werden könnte(zur Frage der Umgehung der mit der Streichung von § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V durch das KHSG verfolgten Ziele vgl auch BSG Urteil vom 25.1.2017 - B 6 KA 2/16 R - Juris RdNr 39 - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

29

(6) Auch zu dem von der Beklagten vorgebrachten Argument, dass mit der höheren Vergütung von Notfallbehandlungen im organisierten Notdienst ein Anreiz für die Teilnahme niedergelassener Ärzte am organisierten Notdienst gesetzt werden solle, hat der Senat bereits in einer Reihe von Entscheidungen Stellung genommen und im Einzelnen dargelegt, dass es sich dabei nicht um einen sachlichen Grund für eine Privilegierung handelt (BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 3/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 13 RdNr 41; BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 4/12 R - Juris RdNr 41; BSG Urteil vom 6.9.2006 - B 6 KA 31/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 20; BSG Urteil vom 17.9.2008 - B 6 KA 46/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 20; vgl auch BSG Urteil vom 25.1.2017 - B 6 KA 2/16 R - Juris RdNr 40 - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Da die niedergelassenen Vertragsärzte sowohl nach Berufsrecht als auch vertragsarztrechtlich verpflichtet sind, Notdienst zu leisten, ist bereits nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ein Vergütungsanreiz erforderlich sein soll, zumal auch die Krankenhäuser im Rahmen ihres Versorgungsauftrags zur Durchführung von Notfallbehandlungen verpflichtet sein können (vgl BSG Urteil vom 6.9.2006 - B 6 KA 31/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 19). Außerdem umfasst das Recht der Versicherten zur freien Arztwahl nach § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V ausdrücklich die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Krankenhäusern in Notfällen.

30

(7) Der Senat übersieht bei Allem nicht, dass es sinnvoll ist, den steigenden Patientenzahlen in den Notfallambulanzen von Krankenhäusern entgegenzuwirken, gerade soweit diese Steigerung auf die Inanspruchnahme durch Patienten zurückzuführen ist, die keiner Notfallbehandlung bedürfen oder die - innerhalb der Sprechstundenzeiten - auch einen Vertragsarzt aufsuchen könnten (vgl dazu: AQUA-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Ambulante Notfallversorgung, Analyse und Handlungsempfehlungen, September 2016). Damit übereinstimmend hat der Senat Regelungen im EBM-Ä nicht beanstandet, die die Krankenhäuser von der Vergütung für Leistungen ausschließen, die von Vertragsärzten nur außerhalb des organisierten Notdienstes abgerechnet werden können (zu den sog Unzeitzuschlägen für besondere Leistungen eines Vertragsarztes, der seine Patienten außerhalb einer Inanspruchnahme im organisierten Notfalldienst, aber gleichwohl außerhalb seiner regulären Sprechstundenzeiten behandelt, vgl BSG Urteil vom 2.7.2014 - B 6 KA 30/13 R - SozR 4-2500 § 76 Nr 2 RdNr 12). Ferner hat der Senat gebilligt, dass für Notfallbehandlungen in Krankenhäusern, die innerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten durchgeführt werden, ein geringerer Punktwert zugrunde gelegt wird, als bei der Behandlung durch Vertragsärzte (BSG Beschluss vom 17.7.2013 - B 6 KA 8/13 B - Juris RdNr 10).

31

Die von der Beklagten gezahlte Bereitschaftsdienstpauschale ist indes strukturell nicht geeignet, einen Beitrag dazu zu leisten, dass in Krankenhausambulanzen möglichst ausschließlich Notfälle außerhalb der üblichen Sprechstunden behandelt werden, weil sie Krankenhäuser generell und damit auch dann von dieser Begünstigung ausschließt, wenn die Behandlung eines Notfalles dort außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten durchgeführt wird. Als Gründe für die häufige Inanspruchnahme von Krankenhausambulanzen anstelle des von der KÄV organisierten Notdienstes werden ua eine nicht ausreichende Information der Patienten und ein aus Sicht der Patienten teilweise unbefriedigendes Angebot im vertragsärztlichen Notdienst mit wechselnden Öffnungszeiten von Notdienstpraxen diskutiert, die die gesamte Spanne der sprechstundenfreien Zeit in einer Region oftmals nicht abbilden, und eine fehlende Koordination der Angebote von vertragsärztlichem Notdienst einerseits und den Notfallambulanzen der Krankenhäuser auf der anderen Seite (vgl AQUA-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Ambulante Notfallversorgung, Analyse und Handlungsempfehlungen, September 2016, S 16 f). Die Klägerin hat diese Problematik mit Hinweis auf die Öffnungszeiten der von der Beklagten am Standort des klagenden Krankenhauses eingerichteten ärztlichen Bereitschaftspraxis nachvollziehbar angesprochen. Nach den auch im Internet (https://www.hof.de/hof/hof_deu/leben/sprechzeiten.html) abrufbaren Angaben ist die in den organisierten Notdienst eingebundene Bereitschaftspraxis im Klinikum montags, dienstags und donnerstags geschlossen, mittwochs, freitags und am Tag vor Feiertagen von 19 bis 21 Uhr und an Samstagen, Sonntagen und an Feiertagen von 9 bis 13 Uhr und von 16 bis 21 Uhr geöffnet. Damit werden die sprechstundenfreien Zeiten jedenfalls an diesem Standort durch den von der Beklagten organisierten Notdienst bei weitem nicht abgedeckt. Zudem liegt nahe, dass Versicherte sporadische Öffnungszeiten von Bereitschaftspraxen in Notfällen nicht im Blick haben werden, um ggf zB nach 21 Uhr eine andere Bereitschaftsdienstpraxis mit möglicherweise abweichenden Öffnungszeiten aufzusuchen, sondern dass sie stattdessen die Notfallambulanz des Klinikums in Anspruch nehmen werden. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) vom 16.7.2015 (BGBl I 1211) und dem KHSG vom 10.12.2015 (BGBl I 2229) hat der Gesetzgeber auf diese Problematik reagiert und in § 75 Abs 1b SGB V geregelt, dass die KÄVen den Notdienst auch durch Kooperation und eine organisatorische Verknüpfung mit zugelassenen Krankenhäusern sicherstellen sollen. Hierzu sollen sie entweder Notdienstpraxen in oder an Krankenhäusern einrichten oder Notfallambulanzen der Krankenhäuser unmittelbar in den Notdienst einbinden.

32

Der Senat stellt vor diesem Hintergrund klar, dass es grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, wenn über die Vergütung Anreize für Krankenhäuser mit dem Ziel der Einbeziehung in die Strukturen des organisierten Notdienstes gesetzt werden. Krankenhäuser, die von den ihnen damit eröffneten Möglichkeiten keinen Gebrauch machen, werden deshalb einen Anspruch auf gleiche Vergütung wie die am organisierten Notdienst teilnehmenden Ärzte und in den Notdienst eingebundenen Krankenhäuser im Regelfall nicht mit Erfolg aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG ableiten können. Indes sind jedenfalls in dem hier noch maßgebenden Zeitraum im Bezirk der beklagten KÄV Krankenhäuser nicht in die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung außerhalb der Sprechstunden einbezogen worden. Ob die Angabe der Beklagten, nach der eine Einbeziehung der Klägerin in den organisierten Notdienst auf der Grundlage der hier noch maßgebenden Rechtslage vor der Änderung des § 75 SGB V durch das GKV-VSG noch nicht möglich gewesen sei, im Hinblick auf § 115 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V in der seit dem 1.1.1989 geltenden Fassung (Verträge zur Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes) zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Ausschlaggebend ist, dass die Beklagte im Jahr 2011 den Notdienst ohne eine Einbeziehung der Krankenhäuser organisiert hat, dass die Krankenhäuser aber faktisch auch im Bezirk der Beklagten einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung außerhalb der Sprechstunden geleistet haben. Unter diesen Umständen gibt es keine sachliche Rechtfertigung für eine zusätzliche Vergütung allein der am Notdienst teilnehmenden Vertragsärzte in Form einer Bereitschaftsdienstpauschale, von deren Inanspruchnahme Krankenhäuser generell ausgeschlossen werden.

33

(8) Eine höhere Vergütung der im organisierten Notdienst eingesetzten Vertragsärzte kann entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass diese im Gegensatz zu den in einer Krankenhausambulanz eingesetzten Ärzten regelmäßig die fachärztliche Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen hätten und dass über die Bereitschaftsdienstpauschale die Qualität der Notfallversorgung gefördert würde. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass der Anspruch auf die Bereitschaftsdienstpauschale nach Anlage B zum Gesamtvertrag I. (2) zum Gesamtvertrag nicht davon abhängig gemacht wird, ob der behandelnde Arzt eine Weiterbildung zum Facharzt erfolgreich abgeschlossen hat. Vielmehr sind Krankenhäuser von der Abrechnung der Pauschale auch dann ausgeschlossen, wenn dort ein Arzt mit abgeschlossener fachärztlicher Weiterbildung tätig wird.

34

Zudem kann ein Zusammenhang zwischen dem Abschluss einer fachärztlichen Weiterbildung und der Qualität der Notfallversorgung nicht ohne Weiteres hergestellt werden, solange nicht nach der Art der Weiterbildung differenziert wird. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass im Grundsatz alle Vertragsärzte zur Teilnahme am Notdienst verpflichtet sind, und er billigt den KÄVen in ständiger Rechtsprechung einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung des Notdienstes zu. So hat der Senat grundsätzlich nicht beanstandet, dass die KÄV einen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Arzt zum Notdienst heranzieht, der zuvor seit mehr als 10 Jahren vom Notdienst befreit war. Voraussetzung ist lediglich, dass der Arzt durch Fortbildungsmaßnahmen die für den Notdienst erforderlichen Grundkenntnisse (wieder-) erlangt hat (BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 6 KA 41/14 R - BSGE 119, 248 = SozR 4-2500 § 75 Nr 15, RdNr 26; vgl auch zur Heranziehung eines Hautarztes: BSG Urteil vom 6.9.2006 - B 6 KA 43/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 5). Der Senat hat dabei nicht übersehen, dass der Einsatz von Vertragsärzten, die - nach langjähriger praktischer Tätigkeit in Spezialgebieten wie der Psychotherapie - nur noch über Grundkenntnisse auf den im Notdienst im Vordergrund stehenden Gebieten (Innere Medizin, Allgemeinmedizin, ua) verfügen, unter dem Gesichtspunkt der Qualitätssicherung problematisch sein kann. Er hat dies aber mit Blick auf den Gestaltungsspielraum der KÄVen bei der Sicherstellung des Notdienstes und in der Annahme akzeptiert, dass die KÄVen bei der praktischen Umsetzung ihrer Verantwortung zur Sicherstellung gerecht werden. Dem Begehren einer KÄV, auch einen Arzt zum Einsatz im Notdienst zu verpflichten, der aufgrund seiner Spezialisierung bei gleichzeitig fehlender Auffrischung und Aktualisierung von Kenntnissen aus Studium und Weiterbildung noch nicht einmal mehr über die dafür erforderlichen Grundkenntnisse verfügt, hat der Senat daher nicht entsprochen (BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 6 KA 41/14 R - BSGE 119, 248 = SozR 4-2500 § 75 Nr 15, RdNr 22). Für eine Vermutung, dass die in der ambulanten Versorgung eingesetzten Vertragsärzte gerade bezogen auf den Einsatz im Notdienst regelhaft über eine höhere Qualifikation verfügen als die in Krankenhausambulanzen eingesetzten Ärzte, gibt es unter diesen Umständen aber jedenfalls keine Grundlage.

35

Auch die Geltung der Fortbildungspflicht nach § 95d SGB V für Vertragsärzte und die ua in Medizinischen Versorgungszentren sowie bei Vertragsärzten angestellten Ärzte, nicht aber für Krankenhausärzte, lässt nicht den Schluss auf eine höhere Qualifikation von Vertragsärzten für den Notdienst zu. Dem steht bereits entgegen, dass sich die Fortbildungspflicht nach § 95d SGB V nicht spezifisch auf die im Notdienst erforderliche Qualifikation bezieht und dass der Anspruch auf die Bereitschaftsdienstpauschale nach dem Inhalt der gesamtvertraglichen Regelung auch nicht davon abhängt, ob der Arzt seine Fortbildungspflicht erfüllt hat. Ferner ist zu berücksichtigen, dass nach § 136b Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V und den dazu ergangenen Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur Fortbildung im Krankenhaus(idF vom 18.10.2012 - BAnz AT 7.11.2012 B1; hier noch maßgebend: Fassung vom 19.3.2009 - BAnz AT 28.4.2009 S 1540) auch Krankenhäuser Nachweise über die Fortbildung der dort tätigen Ärzte vorzulegen haben. Zwar enthalten diese Regelungen keine § 95d Abs 3 SGB V entsprechenden Sanktionen. Vielmehr muss die Fortbildungspflicht letztlich durch das Krankenhaus als Arbeitgeber gegenüber dem dort angestellten Arzt durchgesetzt werden. Die erforderliche Motivation der Krankenhäuser wird aber immerhin dadurch gefördert, dass die Umsetzung der Fortbildungspflicht für Krankenhausärzte nach § 5 der og Regelungen des GBA im strukturierten Qualitätsbericht der Krankenhäuser darzustellen ist. Die meisten der bei der Klägerin beschäftigten Ärzte erfüllen ihre Fortbildungspflicht. Nach dem im Internet abrufbaren Qualitätsbericht der Klägerin galt das zB im Jahr 2012 für 29 von 38 der dort tätigen, der Fortbildungspflicht unterliegenden Fachärzte (im Jahr 2015 bereits für 54 von 59).

36

b) Die getroffenen Regelungen zur Bereitschaftsdienstpauschale nach Anlage B zum Gesamtvertrag I. (2) sind jedoch nicht allein wegen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG rechtswidrig. Vielmehr stehen die für den Bezirk der beklagten KÄV vereinbarten Regelungen zur Bereitschaftsdienstpauschale auch im Widerspruch zu vorrangigen bundesrechtlichen Bestimmungen.

37

(1) Die in Notfällen von Nichtvertragsärzten und Krankenhäusern erbrachten Notfallleistungen werden nach ständiger Rechtsprechung (vgl ua BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 3/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 13 RdNr 27; BSG Urteil vom 20.12.1995 - 6 RKa 25/95 - SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37; BSG Urteil vom 24.9.2003 - B 6 KA 51/02 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 2 RdNr 5 f; BSG Urteil vom 10.12.2008 - B 6 KA 37/07 R - BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 14) im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt. Die Vergütung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen wird nach § 82 Abs 2 Satz 1 SGB V von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen mit den KÄVen durch Gesamtverträge geregelt. Regelungen, die den Gestaltungsspielraum der Gesamtvertragspartner ausdrücklich beschränken, enthält § 82 Abs 2 SGB V nicht. Für die Zeit seit dem 11.4.2017 schließt § 83 Satz 4 SGB V idF des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes vom 4.4.2017 (BGBl I 778) kassenindividuelle und kassenartenspezifische Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen als Gegenstand der Gesamtverträge aus. Den Ausschluss einer zusätzlichen Vergütung für Notdienstleistungen sehen §§ 82, 83 SGB V jedoch auch weiterhin nicht vor.

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Indes wird der Gestaltungsspielraum der Gesamtvertragspartner nicht allein durch die §§ 82, 83 SGB V festgelegt, sondern durch weitere vorrangige bundesrechtliche Vorgaben begrenzt: Der Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander wird nach § 87 Abs 2 Satz 1 SGB V im EBM-Ä bestimmt. Die Spielräume, die den Gesamtvertragspartnern in diesem Zusammenhang zukommen, sind in § 87a SGB V geregelt worden. Über diese Vorgaben können sich die Partner der Gesamtverträge nicht unter Bezugnahme auf ihre allgemeine Kompetenz zur Regelung der Vergütung in Gesamtverträgen hinwegsetzen.

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(2) Nach § 87 Abs 1 SGB V wird der einheitliche Bewertungsmaßstab als Bestandteil der Bundesmantelverträge vereinbart, die wiederum nach § 82 Abs 1 Satz 2 SGB V Bestandteil der Gesamtverträge sind. Der EBM-Ä ist damit in seiner Rechtsqualität gegenüber den regionalen Gesamtverträgen vorrangig (BSG Urteil vom 8.3.2000 - B 6 KA 7/99 R - BSGE 86, 16, 25 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 124; zum Vorrang gegenüber regionalen Honorarverteilungsmaßstäben vgl BSG Urteil vom 9.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 51; BSG Urteil vom 3.2.2010 - B 6 KA 31/08 R - BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 24 und BSG Urteil vom 18.8.2010 - B 6 KA 27/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 19). Gesamtvertragliche Regelungen, die gegen Vorgaben aus den Bundesmantelverträgen verstoßen, sind nichtig (vgl BSG Urteil vom 5.5.1988 - 6 RKa 27/87 - BSGE 63, 163 = SozR 2200 § 368p Nr 2 - Juris RdNr 16). Daraus folgt, dass die Partner der Gesamtverträge grundsätzlich an die Vorgaben aus dem EBM-Ä gebunden sind und dass das dort "wertmäßig in Punkten ausgedrückte Verhältnis" der Leistungen nicht beliebig durch regionale Regelungen verändert werden darf.

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Welche Spielräume den Gesamtvertragspartnern bezogen auf die im EBM-Ä geregelten Vergütungstatbestände im Einzelnen zukommen, wird für die Zeit ab dem 1.1.2009 in § 87a Abs 2 Satz 2 bis 5 SGB V in der hier noch maßgebenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) bestimmt. Danach können die Gesamtvertragspartner einen Zuschlag auf oder einen Abschlag von den Orientierungswerten gemäß § 87 Abs 2e Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB V vereinbaren, um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Dabei sind zwingend die Vorgaben des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs 2f SGB V anzuwenden. Der Zuschlag oder der Abschlag darf nicht nach Arztgruppen und nach Kassenarten differenziert werden und ist einheitlich auf alle Orientierungswerte gemäß § 87 Abs 2e Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB V anzuwenden. Bei der Festlegung des Zu- oder Abschlags ist zu gewährleisten, dass die medizinisch notwendige Versorgung der Versicherten sichergestellt ist. Die vereinbarten Zuschläge auf den oder Abschläge vom Orientierungswert fließen in die nach § 87a Abs 2 Satz 6 SGB V zu erstellende regionale Euro-Gebührenordnung ein. Die regionale Euro-Gebührenordnung hat im Übrigen Bedeutung nicht nur für die Leistungen, die innerhalb der vereinbarten Gesamtvergütung vergütet werden, sondern auch darüber hinaus. § 87a Abs 3 Satz 5 SGB V legt ausdrücklich fest, dass neben den vertragsärztlichen Leistungen bei der Substitutionsbehandlung der Drogenabhängigkeit unter näher geregelten Voraussetzungen für weitere Leistungen eine Vergütung außerhalb der Gesamtvergütung mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vereinbart werden kann.

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(3) Diese differenzierten gesetzlichen Vorgaben wären ohne praktische Bedeutung, wenn die regionalen Vertragspartner die im EBM-Ä geregelten Vergütungstatbestände ohne Weiteres modifizieren könnten. Deshalb geht der Senat davon aus, dass der Gestaltungsspielraum der regionalen Vertragspartner jedenfalls bezogen auf die im EBM-Ä enthaltenen Vergütungstatbestände, durch die og Bestimmungen in § 87a SGB V begrenzt wird. Damit ist es ausgeschlossen, dass die Gesamtvertragspartner außerhalb von Modellvorhaben (§§ 63 ff SGB V), Strukturverträgen (§ 73a SGB V aF) oder von Verträgen zur selektivvertraglichen Versorgung (§ 73b SGB V, § 73c SGB V aF, § 140a SGB V), allein auf der Grundlage der §§ 82, 83 SGB V frei und ohne nähere Vorgaben, Zuschläge zu den bereits im EBM-Ä definierten Vergütungstatbeständen vereinbaren. Regionale Zuschläge zu den im Notdienst erbrachten Leistungen könnten hier deshalb nur unter den Voraussetzungen des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF in der Form von Zuschlägen auf den Orientierungswert vereinbart werden. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Vergütung der in Notfällen erbrachten Leistungen und deren Bewertung ist unter Abschnitt 1.2 ("Gebührenordnungspositionen für die Versorgung im Notfall und im organisierten ärztlichen Not<-fall>dienst") im II. Bereich des EBM-Ä im Einzelnen geregelt. Bezogen auf die Bewertung von Notfallleistungen sind diese Regelungen abschließend. Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 20.12.1995 (6 RKa 25/95 - SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37 f) - ohne dass es darauf im Ergebnis ankam - davon ausgegangen ist, dass die Bewertung von Leistungen zur Notfallbehandlung im EBM-Ä im Grundsatz auch durch die Gesamtvertragspartner modifiziert werden könne, so kann diese Rechtsprechung jedenfalls auf die hier maßgebende Rechtslage seit Inkrafttreten der Änderungen durch das GKV-WSG nicht übertragen werden. Eine § 87a SGB V entsprechende Regelung, die den Gestaltungsspielraum der Gesamtvertragspartner bezogen auf die im EBM-Ä enthaltenen Leistungen näher bestimmt, hat zum Zeitpunkt dieser Entscheidung - vor mehr als 20 Jahren - noch nicht bestanden.

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(4) Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die fehlende Kompetenz der Gesamtvertragspartner gerade für die Vereinbarung von Vergütungstatbeständen zu Notfallleistungen iS des § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V für die Zeit seit dem 1.1.2016 durch § 115 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V idF des KHSG bestätigt wird. Danach kann sich die in dreiseitigen Verträgen geregelte Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern auch auf die Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes beziehen. Darüber hinaus können auf Grundlage des EBM-Ä ergänzende Regelungen zur Vergütung vereinbart werden (zur Rechtslage vor der Änderung durch das KHSG vgl dagegen BSG Urteil vom 20.12.1995 - 6 RKa 25/95 - SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37). Für ergänzende Regelungen zur Vergütung von Notdienstleistungen ist danach der Abschluss dreiseitiger Vereinbarungen vorgesehen. Ab dem 1.1.2016 würde auch diese gesetzliche Vorgabe umgangen, wenn entsprechende Vereinbarungen, die die Krankenhäuser mit Angeboten im Bereich der ambulanten Notfallversorgung jedenfalls mittelbar betreffen, durch die Gesamtvertragspartner unter Ausschluss von Vertretern der Krankenhäuser getroffen werden könnten.

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(5) Das Ziel, Vertreter der Krankenhäuser in die sie betreffenden Regelungen zur Vergütung von Notdienstleistungen einzubeziehen, findet inzwischen darüber hinaus in § 87 Abs 2a Satz 23 SGB V idF des KHSG Ausdruck. Danach hat der "Bewertungsausschuss nach Absatz 5a" bis spätestens zum 31.12.2016 die Regelungen für die Versorgung im Notdienst im EBM-Ä nach dem Schweregrad der Fälle zu differenzieren. An den Entscheidungen des Bewertungsausschuss nach § 87 Abs 5a SGB V wirken - anders als im "normalen" Bewertungsausschuss - auch Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) mit. Die damit vorgesehene Beteiligung der DKG an den Vergütungsregelungen zum Notdienst könnte umgangen werden, wenn die Regelungen des EBM-Ä auch durch Gesamtvertragspartner - zu denen kein Vertreter der DKG gehört - geändert oder ergänzt werden könnten.

44

5. Obwohl die Klägerin damit zutreffend die Rechtswidrigkeit der für den Bezirk der KÄV Bayern geschlossenen gesamtvertraglichen Vereinbarung zur zusätzlichen Vergütung des Notdienstes in Form einer Bereitschaftsdienstpauschale geltend gemacht hat, war die Klage abzuweisen. Zwar ist mit dem LSG davon auszugehen, dass der Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz grundsätzlich zur Folge hat, dass die Vertragspartner zur Beseitigung des Gleichheitsverstoßes eine Neuregelung zu treffen haben und dass auf dieser Grundlage eine Neubescheidung zu erfolgen hat (vgl zB BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 3/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 13 RdNr 42 mwN). Hier scheidet eine rechtmäßige Neuregelung der Notdienstvergütung durch die Vertragspartner jedoch aus, weil sie derartige Regelungen aus den og Gründen nicht wirksam vereinbaren können. Der Vergütungsanspruch sowohl der Klägerin als auch der Vertragsärzte ist abschließend im EBM-Ä geregelt. Dass die Klägerin, die zutreffend eine Ungleichbehandlung gegenüber Vertragsärzten geltend gemacht hat, davon wirtschaftlich nicht profitieren kann, ist Folge des Umstands, dass wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht (Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG) kein Anspruch darauf besteht, dass bei gleicher Sachlage gegenüber der Klägerin in gleicher Weise falsch entschieden wird wie gegenüber den am Notdienst teilnehmenden Vertragsärzten. Einen Anspruch auf "Gleichbehandlung im Unrecht" kennt die Rechtsordnung nicht (stRspr des BVerfG und des BSG, vgl BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 22/11 R - BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 69; BSG Urteil vom 29.6.2011 - B 6 KA 34/10 R - SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 33 mwN). Die Beklagte wird die rechtswidrigen und damit auch unabhängig von einer Neuregelung durch die Vertragspartner unwirksamen Regelungen zur Bereitschaftsdienstpauschale auch gegenüber Vertragsärzten nicht mehr zur Anwendung bringen dürfen.

45

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO), einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1., im Klage- und im Revisionsverfahren, weil sie sich allein hier am Verfahren beteiligt und auch einen Antrag gestellt hat (§ 162 Abs 3 VwGO). Eine Erstattung von Kosten der übrigen Beigeladenen sowie - wie hier klarzustellen ist - auch der Kosten der Beigeladenen zu 1. im Berufungsverfahren ist nicht veranlasst, weil sie insoweit keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSG Urteil vom 31.5.2006 - B 6 KA 62/04 R - BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

(1) Die Krankenkassen erhalten als Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds (§ 271) zur Deckung ihrer Ausgaben eine Grundpauschale und risikoadjustierte Zu- und Abschläge zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen und Zuweisungen für sonstige Ausgaben (§ 270). Mit den risikoadjustierten Zuweisungen wird jährlich ein Risikostrukturausgleich durchgeführt. Durch diesen werden die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden zwischen den Krankenkassen ausgeglichen, die sich aus der Verteilung der Versicherten auf nach Risikomerkmalen getrennte Risikogruppen gemäß Absatz 2 ergeben.

(2) Die Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen erfolgt anhand der Risikomerkmale Alter, Geschlecht, Morbidität, regionalen Merkmalen und danach, ob die Mitglieder Anspruch auf Krankengeld nach § 44 haben. Die Morbidität der Versicherten wird auf der Grundlage von Diagnosen, Diagnosegruppen, Indikationen, Indikationengruppen, medizinischen Leistungen oder Kombinationen dieser Merkmale unmittelbar berücksichtigt. Regionale Merkmale sind solche, die die unterschiedliche Ausgabenstruktur der Region beeinflussen können.

(3) Die Grundpauschale und die risikoadjustierten Zu- und Abschläge dienen zur Deckung der standardisierten Leistungsausgaben der Krankenkassen.

(4) Die Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben nach Absatz 3 orientiert sich an der Höhe der durchschnittlichen krankheitsspezifischen Leistungsausgaben der den Risikogruppen zugeordneten Versicherten. Dabei bleiben außer Betracht

1.
die von Dritten erstatteten Ausgaben,
2.
Aufwendungen für satzungsgemäße Mehr- und Erprobungsleistungen sowie für Leistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.
Die Aufwendungen für die Leistungen der Knappschaftsärzte und -zahnärzte werden in der gleichen Weise berechnet wie für Vertragsärzte und -zahnärzte.

(5) Die Bildung der Risikogruppen nach Absatz 2 und die Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben nach Absatz 3 erfolgt nach Kriterien, die zugleich

1.
Anreize zu Risikoselektion verringern und
2.
keine Anreize zu medizinisch nicht gerechtfertigten Leistungsausweitungen setzen.

(6) Das Bundesamt für Soziale Sicherung ermittelt die Höhe der Zuweisungen und weist die entsprechenden Mittel den Krankenkassen zu. Es gibt für die Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 jährlich bekannt

1.
die Höhe der standardisierten Leistungsausgaben aller am Ausgleich beteiligten Krankenkassen je Versicherten, getrennt nach Risikogruppen nach Absatz 2, und
2.
die Höhe der risikoadjustierten Zu- und Abschläge.
Das Bundesamt für Soziale Sicherung kann zum Zwecke der einheitlichen Zuordnung und Erfassung der für die Berechnung maßgeblichen Daten über die Vorlage der Geschäfts- und Rechnungsergebnisse hinaus weitere Auskünfte und Nachweise verlangen.

(7) Das Bundesamt für Soziale Sicherung stellt im Voraus für ein Kalenderjahr die Werte nach Absatz 6 Satz 2 Nr. 1 und 2 vorläufig fest. Es legt bei der Berechnung der Höhe der monatlichen Zuweisungen die Werte nach Satz 1 und die zuletzt erhobenen Versichertenzahlen der Krankenkassen je Risikogruppe nach Absatz 2 zugrunde. Nach Ablauf des Kalenderjahres ist die Höhe der Zuweisungen für jede Krankenkasse vom Bundesamt für Soziale Sicherung aus den für dieses Jahr erstellten Geschäfts- und Rechnungsergebnissen und den für dieses Jahr erhobenen Versichertenzahlen der beteiligten Krankenkassen zu ermitteln. Die nach Satz 2 erhaltenen Zuweisungen gelten als Abschlagszahlungen. Sie sind nach der Ermittlung der endgültigen Höhe der Zuweisung für das Geschäftsjahr nach Satz 3 auszugleichen. Werden nach Abschluss der Ermittlung der Werte nach Satz 3 sachliche oder rechnerische Fehler in den Berechnungsgrundlagen festgestellt, hat das Bundesamt für Soziale Sicherung diese bei der nächsten Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach den dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen. Klagen gegen die Höhe der Zuweisungen im Risikostrukturausgleich einschließlich der hierauf entfallenden Nebenkosten haben keine aufschiebende Wirkung.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über

1.
die Ermittlung der Höhe der Grundpauschale nach Absatz 1 Satz 1, der Werte nach Absatz 6 sowie die Art, den Umfang und den Zeitpunkt der Bekanntmachung der für die Durchführung des Risikoausgleichsverfahrens erforderlichen Berechnungswerte,
2.
die Abgrenzung und die Verfahren der Standardisierung der Leistungsausgaben nach den Absätzen 3 bis 6; dabei können für Risikogruppen, die nach dem Anspruch der Mitglieder auf Krankengeld zu bilden sind, besondere Standardisierungsverfahren und Abgrenzungen für die Berücksichtigung des Krankengeldes geregelt werden,
2a.
die Abgrenzung und die Verfahren der Standardisierung der sonstigen Ausgaben nach § 270, die Kriterien der Zuweisung der Mittel zur Deckung dieser Ausgaben sowie das Verfahren der Verarbeitung der nach § 270 Absatz 2 zu übermittelnden Daten,
2b.
die Abgrenzung der zu berücksichtigenden Risikogruppen nach Absatz 2 einschließlich der Altersabstände zwischen den Altersgruppen, auch abweichend von Absatz 2; hierzu gehört auch die Festlegung des Verfahrens zur Auswahl der regionalen Merkmale,
3.
die Festlegung der Anforderungen an die Zulassung der Programme nach § 137g hinsichtlich des Verfahrens der Einschreibung der Versicherten einschließlich der Dauer der Teilnahme und des Verfahrens der Verarbeitung der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten,
4.
die Berechnungsverfahren sowie die Durchführung des Zahlungsverkehrs,
5.
die Fälligkeit der Beträge und die Erhebung von Säumniszuschlägen,
6.
das Verfahren und die Durchführung des Ausgleichs einschließlich des Ausschlusses von Risikogruppen, die anhand der Morbidität der Versicherten gebildet werden, mit den höchsten relativen Steigerungsraten,
7.
die Umsetzung der Vorgaben nach Absatz 5 und 12,
8.
die Vergütung des wissenschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung für die Erstellung von Gutachten nach Absatz 10,
9.
die Prüfung der von den Krankenkassen mitzuteilenden Daten durch die mit der Prüfung nach § 274 befassten Stellen einschließlich der Folgen fehlerhafter Datenlieferungen oder nicht prüfbarer Daten sowie das Verfahren der Prüfung und der Prüfkriterien, auch abweichend von § 274.
Abweichend von Satz 1 können die Verordnungsregelungen zu Satz 1 Nr. 3 ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden.

(9) Die landwirtschaftliche Krankenkasse nimmt am Risikostrukturausgleich nicht teil.

(10) Die Wirkungen des Risikostrukturausgleichs insbesondere auf den Wettbewerb der Krankenkassen und die Manipulationsresistenz des Risikostrukturausgleichs sind regelmäßig, mindestens alle vier Jahre, durch den wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung in einem Gutachten zu überprüfen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann den Gegenstand des Gutachtens näher bestimmen; im Jahr 2023 sind gesondert die Wirkungen der regionalen Merkmale als Risikomerkmal im Risikostrukturausgleich zu untersuchen. Die Wirkungen des Ausschlusses von Risikogruppen nach § 18 Absatz 1 Satz 4 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung insbesondere auf die Manipulationsresistenz und Zielgenauigkeit des Risikostrukturausgleichs einschließlich der Einhaltung der Vorgaben des § 266 Absatz 5 sind zusätzlich zu dem Gutachten nach Satz 2 zweiter Halbsatz durch den wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung im Jahr 2023 zu untersuchen. Für den Zweck des Gutachtens nach Satz 3 ist auch die Veränderung der Häufigkeit der Diagnosen nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 unter Berücksichtigung der Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen zu untersuchen.

(11) Die Krankenkassen erhalten die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für die Ausgleichsjahre 2019 und 2020 nach Maßgabe der §§ 266 bis 270 in der bis zum 31. März 2020 geltenden Fassung. Die Anpassung der Datenmeldung nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung gemäß § 7 Absatz 1 Satz 3 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung ist ab dem Ausgleichsjahr 2021 bei den Zuweisungen nach Absatz 3 zu berücksichtigen. Die Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen, die nach dem Anspruch der Mitglieder auf Krankengeld zu bilden sind, erfolgt für das Ausgleichsjahr 2020 danach, ob die Mitglieder Anspruch auf Krankengeld nach den §§ 44 und 45 haben.

(12) Bei den Zuweisungen nach Absatz 3 werden die finanziellen Auswirkungen der Bildung von Risikogruppen anhand von regionalen Merkmalen nach Absatz 2 durch Zu- und Abschläge im Ausgleichsjahr 2021 auf 75 Prozent begrenzt. Die Begrenzung erfolgt für alle Länder jeweils einheitlich für die Summe der Zuweisungen nach Absatz 3 für die Versicherten mit Wohnsitz in einem Land. Durch die Zu- und Abschläge werden 25 Prozent der Differenz der hypothetischen Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 ohne Bildung von Risikogruppen anhand von regionalen Merkmalen und der Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 einheitlich auf die Versicherten mit Wohnsitz in einem Land verteilt.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Förderung der Qualität ein gestuftes System von Folgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen nach den §§ 136 bis 136c festzulegen. Er ist ermächtigt, neben Maßnahmen zur Beratung und Unterstützung bei der Qualitätsverbesserung je nach Art und Schwere von Verstößen gegen wesentliche Qualitätsanforderungen angemessene Durchsetzungsmaßnahmen vorzusehen. Solche Maßnahmen können insbesondere sein

1.
Vergütungsabschläge,
2.
der Wegfall des Vergütungsanspruchs für Leistungen, bei denen Mindestanforderungen nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 nicht erfüllt sind,
3.
die Information Dritter über die Verstöße,
4.
die einrichtungsbezogene Veröffentlichung von Informationen zur Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen.
Die Maßnahmen sind verhältnismäßig zu gestalten und anzuwenden. Der Gemeinsame Bundesausschuss trifft die Festlegungen nach den Sätzen 1 bis 4 und zu den Stellen, denen die Durchsetzung der Maßnahmen obliegt, in grundsätzlicher Weise in einer Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 13. Die Festlegungen nach Satz 5 sind vom Gemeinsamen Bundesausschuss in einzelnen Richtlinien und Beschlüssen jeweils für die in ihnen geregelten Qualitätsanforderungen zu konkretisieren. Bei wiederholten oder besonders schwerwiegenden Verstößen kann er von dem nach Satz 1 vorgegebenen gestuften Verfahren abweichen.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seinen Richtlinien über Maßnahmen der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung eine Dokumentationsrate von 100 Prozent für dokumentationspflichtige Datensätze der Leistungserbringer fest. Er hat bei der Unterschreitung dieser Dokumentationsrate Vergütungsabschläge vorzusehen, es sei denn, der Leistungserbringer weist nach, dass die Unterschreitung unverschuldet ist.

(3) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in einer Richtlinie die Einzelheiten zu den Kontrollen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nach § 275a, die durch Anhaltspunkte begründet sein müssen,, die die Einhaltung der Qualitätsanforderungen nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder § 136a Absatz 5 zum Gegenstand haben oder als Stichprobenprüfungen erforderlich sind. Er trifft insbesondere Festlegungen, welche Stellen die Kontrollen beauftragen, welche Anhaltspunkte Kontrollen auch unangemeldet rechtfertigen, zu Art, Umfang und zum Verfahren der Kontrollen sowie zum Umgang mit den Ergebnissen und zu deren Folgen. Die Krankenkassen und die die Kontrollen beauftragenden Stellen sind befugt und verpflichtet, die für das Verfahren zur Durchführung von Stichprobenprüfungen erforderlichen einrichtungsbezogenen Daten an die vom Gemeinsamen Bundesausschuss zur Auswahl der zu prüfenden Leistungserbringer bestimmte Stelle zu übermitteln, und diese Stelle ist befugt, die ihr übermittelten Daten zu diesem Zweck zu verarbeiten, soweit dies in der Richtlinie nach Satz 1 vorgesehen ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat bei den Festlegungen nach Satz 2 vorzusehen, dass die nach Absatz 1 Satz 5 für die Durchsetzung der Qualitätsanforderungen zuständigen Stellen zeitnah einrichtungsbezogen über die Prüfergebnisse informiert werden. Er legt fest, in welchen Fällen der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Prüfergebnisse wegen erheblicher Verstöße gegen Qualitätsanforderungen unverzüglich einrichtungsbezogen an Dritte, insbesondere an jeweils zuständige Behörden der Länder zu übermitteln hat. Die Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach den Sätzen 1 und 2 sollen eine möglichst aufwandsarme Durchführung der Kontrollen nach § 275a unterstützen.

(1) Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung umfasst die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehören nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 insbesondere folgende Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen, seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen:

1.
Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen wie
a)
onkologische Erkrankungen,
b)
rheumatologische Erkrankungen,
c)
HIV/AIDS,
d)
Herzinsuffizienz
(NYHA Stadium 3 – 4),
e)
Multiple Sklerose,
f)
zerebrale Anfallsleiden (Epilepsie),
g)
komplexe Erkrankungen im Rahmen der pädiatrischen Kardiologie,
h)
Folgeschäden bei Frühgeborenen oder
i)
Querschnittslähmung bei Komplikationen, die eine interdisziplinäre Versorgung erforderlich machen;
bei Erkrankungen nach den Buchstaben c bis i umfasst die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nur schwere Verlaufsformen der jeweiligen Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen;
2.
seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen wie
a)
Tuberkulose,
b)
Mukoviszidose,
c)
Hämophilie,
d)
Fehlbildungen, angeborene Skelettsystemfehlbildungen und neuromuskuläre Erkrankungen,
e)
schwerwiegende immunologische Erkrankungen,
f)
biliäre Zirrhose,
g)
primär sklerosierende Cholangitis,
h)
Morbus Wilson,
i)
Transsexualismus,
j)
Versorgung von Kindern mit angeborenen Stoffwechselstörungen,
k)
Marfan-Syndrom,
l)
pulmonale Hypertonie,
m)
Kurzdarmsyndrom oder
n)
Versorgung von Patienten vor oder nach Organtransplantation und von lebenden Spendern sowie
3.
hochspezialisierte Leistungen wie
a)
CT/MRT-gestützte interventionelle schmerztherapeutische Leistungen oder
b)
Brachytherapie.
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden können Gegenstand des Leistungsumfangs in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sein, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss im Rahmen der Beschlüsse nach § 137c für die Krankenhausbehandlung keine ablehnende Entscheidung getroffen hat.

(2) An der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer und nach § 108 zugelassene Krankenhäuser sind berechtigt, Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach Absatz 1, deren Behandlungsumfang der Gemeinsame Bundesausschuss nach den Absätzen 4 und 5 bestimmt hat, zu erbringen, soweit sie die hierfür jeweils maßgeblichen Anforderungen und Voraussetzungen nach den Absätzen 4 und 5 erfüllen und dies gegenüber dem nach Maßgabe des Absatzes 3 Satz 1 erweiterten Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 90 Absatz 1 unter Beifügung entsprechender Belege anzeigen. Soweit der Abschluss von Vereinbarungen nach Absatz 4 Satz 9 und 10 zwischen den in Satz 1 genannten Leistungserbringern erforderlich ist, sind diese im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach Satz 1 ebenfalls vorzulegen. Dies gilt nicht, wenn der Leistungserbringer glaubhaft versichert, dass ihm die Vorlage aus den in Absatz 4 Satz 11 zweiter Halbsatz genannten Gründen nicht möglich ist. Der Leistungserbringer ist nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten nach Eingang seiner Anzeige zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung berechtigt, es sei denn, der Landesausschuss nach Satz 1 teilt ihm innerhalb dieser Frist mit, dass er die Anforderungen und Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt. Der Landesausschuss nach Satz 1 kann von dem anzeigenden Leistungserbringer zusätzlich erforderliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist nach Satz 4 unterbrochen. Danach läuft die Frist weiter; der Zeitraum der Unterbrechung wird in die Frist nicht eingerechnet. Nach Satz 4 berechtigte Leistungserbringer haben ihre Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung sowie der Landeskrankenhausgesellschaft zu melden und dabei den Erkrankungs- und Leistungsbereich anzugeben, auf den sich die Berechtigung erstreckt. Erfüllt der Leistungserbringer die für ihn nach den Sätzen 1 und 2 maßgeblichen Voraussetzungen für die Berechtigung zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nicht mehr, hat er dies unverzüglich unter Angabe des Zeitpunkts ihres Wegfalls gegenüber dem Landesausschuss nach Satz 1 anzuzeigen sowie den in Satz 7 genannten Stellen zu melden. Der Landesausschuss nach Satz 1 kann einen an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer aus gegebenem Anlass sowie unabhängig davon nach Ablauf von mindestens fünf Jahren seit seiner erstmaligen Teilnahmeanzeige oder der letzten späteren Überprüfung seiner Teilnahmeberechtigung auffordern, ihm gegenüber innerhalb einer Frist von zwei Monaten nachzuweisen, dass er die Voraussetzungen für seine Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung weiterhin erfüllt. Die Sätze 4, 5 und 8 gelten entsprechend.

(3) Für die Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 2 wird der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 90 Absatz 1 um Vertreter der Krankenhäuser in der gleichen Zahl erweitert, wie sie nach § 90 Absatz 2 jeweils für die Vertreter der Krankenkassen und die Vertreter der Ärzte vorgesehen ist (erweiterter Landesausschuss). Die Vertreter der Krankenhäuser werden von der Landeskrankenhausgesellschaft bestellt. Über den Vorsitzenden des erweiterten Landesausschusses und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen sowie die Landeskrankenhausgesellschaft einigen. Kommt eine Einigung nicht zustande, werden sie durch die für die Sozialversicherung zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Landes im Benehmen mit den beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen sowie der Landeskrankenhausgesellschaft berufen. Die dem Landesausschuss durch die Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 2 entstehenden Kosten werden zur Hälfte von den Verbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen sowie zu je einem Viertel von den beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen und der Landeskrankenhausgesellschaft getragen. Der erweiterte Landesausschuss beschließt mit einfacher Mehrheit; bei der Gewichtung der Stimmen zählen die Stimmen der Vertreter der Krankenkassen doppelt. Der erweiterte Landesausschuss kann für die Beschlussfassung über Entscheidungen im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach Absatz 2 in seiner Geschäftsordnung abweichend von Satz 1 die Besetzung mit einer kleineren Zahl von Mitgliedern festlegen; die Mitberatungsrechte nach § 90 Absatz 4 Satz 2 sowie § 140f Absatz 3 bleiben unberührt. Er ist befugt, geeignete Dritte ganz oder teilweise mit der Durchführung von Aufgaben nach Absatz 2 zu beauftragen und kann hierfür nähere Vorgaben beschließen.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in einer Richtlinie bis zum 31. Dezember 2012 das Nähere zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach Absatz 1. Er konkretisiert die Erkrankungen nach Absatz 1 Satz 2 nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der jeweiligen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung oder nach weiteren von ihm festzulegenden Merkmalen und bestimmt den Behandlungsumfang. In Bezug auf Krankenhäuser, die an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmen, hat der Gemeinsame Bundesausschuss für Leistungen, die sowohl ambulant spezialfachärztlich als auch teilstationär oder stationär erbracht werden können, allgemeine Tatbestände zu bestimmen, bei deren Vorliegen eine ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung ausnahmsweise nicht ausreichend ist und eine teilstationäre oder stationäre Durchführung erforderlich sein kann. Er regelt die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung sowie sonstige Anforderungen an die Qualitätssicherung unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3. Bei Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen setzt die ambulante spezialfachärztliche Versorgung die Überweisung durch einen Vertragsarzt voraus; das Nähere hierzu regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach Satz 1. Satz 5 gilt nicht bei Zuweisung von Versicherten aus dem stationären Bereich. Für seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss, in welchen Fällen die ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung die Überweisung durch den behandelnden Arzt voraussetzt. Für die Behandlung von Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1, bei denen es sich nicht zugleich um seltene Erkrankungen oder Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen handelt, kann er Empfehlungen als Entscheidungshilfe für den behandelnden Arzt abgeben, in welchen medizinischen Fallkonstellationen bei der jeweiligen Krankheit von einem besonderen Krankheitsverlauf auszugehen ist. Zudem kann er für die Versorgung bei Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen Regelungen zu Vereinbarungen treffen, die eine Kooperation zwischen den beteiligten Leistungserbringern nach Absatz 2 Satz 1 in diesem Versorgungsbereich fördern. Für die Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen hat er Regelungen für solche Vereinbarungen zu treffen. Diese Vereinbarungen nach den Sätzen 9 und 10 sind Voraussetzung für die Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung, es sei denn, dass ein Leistungserbringer eine Vereinbarung nach den Sätzen 9 oder 10 nicht abschließen kann, weil in seinem für die ambulante spezialfachärztliche Versorgung relevanten Einzugsbereich

a)
kein geeigneter Kooperationspartner vorhanden ist oder
b)
er dort trotz ernsthaften Bemühens innerhalb eines Zeitraums von mindestens zwei Monaten keinen zur Kooperation mit ihm bereiten geeigneten Leistungserbringer finden konnte.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat spätestens jeweils zwei Jahre nach dem Inkrafttreten eines Richtlinienbeschlusses, der für eine Erkrankung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b getroffen wurde, die Auswirkungen dieses Beschlusses hinsichtlich Qualität, Inanspruchnahme und Wirtschaftlichkeit der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sowie die Erforderlichkeit einer Anpassung dieses Beschlusses zu prüfen. Über das Ergebnis der Prüfung berichtet der Gemeinsame Bundesausschuss dem Bundesministerium für Gesundheit.

(5) Der Gemeinsame Bundesausschuss ergänzt den Katalog nach Absatz 1 Satz 2 auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, einer Trägerorganisation des Gemeinsamen Bundesausschusses oder der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen nach § 140f nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 1 um weitere Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen, seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen. Im Übrigen gilt Absatz 4 entsprechend.

(6) Die Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung werden unmittelbar von der Krankenkasse vergütet; Leistungserbringer können die Kassenärztliche Vereinigung gegen Aufwendungsersatz mit der Abrechnung von Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung beauftragen. Für die Vergütung der Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeinsam und einheitlich die Kalkulationssystematik, diagnosebezogene Gebührenpositionen in Euro sowie deren jeweilige verbindliche Einführungszeitpunkte nach Inkrafttreten der entsprechenden Richtlinien gemäß den Absätzen 4 und 5. Die Kalkulation erfolgt auf betriebswirtschaftlicher Grundlage ausgehend vom einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen unter ergänzender Berücksichtigung der nichtärztlichen Leistungen, der Sachkosten sowie der spezifischen Investitionsbedingungen. Bei den seltenen Erkrankungen und Erkrankungszuständen mit entsprechend geringen Fallzahlen sollen die Gebührenpositionen für die Diagnostik und die Behandlung getrennt kalkuliert werden. Die Vertragspartner können einen Dritten mit der Kalkulation beauftragen. Die Gebührenpositionen sind in regelmäßigen Zeitabständen daraufhin zu überprüfen, ob sie noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungserbringung entsprechen. Kommt eine Vereinbarung nach Satz 2 ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Bis zum Inkrafttreten einer Vereinbarung nach Satz 2 erfolgt die Vergütung auf der Grundlage der vom Bewertungsausschuss gemäß § 87 Absatz 5a bestimmten abrechnungsfähigen ambulanten spezialfachärztlichen Leistungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen mit dem Preis der jeweiligen regionalen Euro-Gebührenordnung. Der Bewertungsausschuss gemäß § 87 Absatz 5a hat den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen bis zum Inkrafttreten einer Vereinbarung nach Satz 2 und jeweils bis spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten der Richtlinien gemäß den Absätzen 4 und 5 insbesondere so anzupassen, dass die Leistungen nach Absatz 1 unter Berücksichtigung der Vorgaben nach den Absätzen 4 und 5 angemessen bewertet sind und nur von den an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern abgerechnet werden können. Die Prüfung der Abrechnung und der Wirtschaftlichkeit sowie der Qualität, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss hierzu in der Richtlinie nach Absatz 4 keine abweichende Regelung getroffen hat, erfolgt durch die Krankenkassen, die hiermit eine Arbeitsgemeinschaft oder den Medizinischen Dienst beauftragen können; ihnen sind die für die Prüfungen erforderlichen Belege und Berechtigungsdaten nach Absatz 2 auf Verlangen vorzulegen. Für die Abrechnung gilt § 295 Absatz 1b Satz 1 entsprechend. Das Nähere über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens sowie über die erforderlichen Vordrucke wird von den Vertragsparteien nach Satz 2 vereinbart; Satz 7 gilt entsprechend. Die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung ist nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7 in den Vereinbarungen nach § 87a Absatz 3 um die Leistungen zu bereinigen, die Bestandteil der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sind. Die Bereinigung darf nicht zulasten des hausärztlichen Vergütungsanteils und der fachärztlichen Grundversorgung gehen. In den Vereinbarungen zur Bereinigung ist auch über notwendige Korrekturverfahren zu entscheiden.

(7) Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nach Absatz 1 schließt die Verordnung von Leistungen nach § 73 Absatz 2 Nummer 5 bis 8 und 12 ein, soweit diese zur Erfüllung des Behandlungsauftrags nach Absatz 2 erforderlich sind; § 73 Absatz 2 Nummer 9 gilt entsprechend. Die Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 gelten entsprechend. Die Vereinbarungen über Vordrucke und Nachweise nach § 87 Absatz 1 Satz 2 sowie die Richtlinien nach § 75 Absatz 7 gelten entsprechend, soweit sie Regelungen zur Verordnung von Leistungen nach Satz 1 betreffen. Verordnungen im Rahmen der Versorgung nach Absatz 1 sind auf den Vordrucken gesondert zu kennzeichnen. Leistungserbringer nach Absatz 2 erhalten ein Kennzeichen nach § 293 Absatz 1 und Absatz 4 Satz 2 Nummer 1, das eine eindeutige Zuordnung im Rahmen der Abrechnung nach den §§ 300 und 302 ermöglicht, und tragen dieses auf die Vordrucke auf. Das Nähere zu Form und Zuweisung der Kennzeichen nach den Sätzen 4 und 5, zur Bereitstellung der Vordrucke sowie zur Auftragung der Kennzeichen auf die Vordrucke ist in der Vereinbarung nach Absatz 6 Satz 12 zu regeln. Für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen nach Satz 1 gilt § 113 Absatz 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Prüfung durch die Prüfungsstellen gegen Kostenersatz durchgeführt wird, soweit die Krankenkasse mit dem Leistungserbringer nach Absatz 2 nichts anderes vereinbart hat.

(8) Bestimmungen, die von einem Land nach § 116b Absatz 2 Satz 1 in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung getroffen wurden, gelten weiter. Bestimmungen nach Satz 1 für eine Erkrankung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder Nummer 2 oder eine hochspezialisierte Leistung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3, für die der Gemeinsame Bundesausschuss das Nähere zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung in der Richtlinie nach Absatz 4 Satz 1 geregelt hat, werden unwirksam, wenn das Krankenhaus zu dieser Erkrankung oder hochspezialisierten Leistung zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung berechtigt ist, spätestens jedoch drei Jahre nach Inkrafttreten des entsprechenden Richtlinienbeschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die von zugelassenen Krankenhäusern aufgrund von Bestimmungen nach Satz 1 erbrachten Leistungen werden nach § 116b Absatz 5 in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung vergütet.

(9) Die Auswirkungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung auf die Kostenträger, die Leistungserbringer sowie auf die Patientenversorgung sind fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zu bewerten. Gegenstand der Bewertung sind insbesondere der Stand der Versorgungsstruktur, der Qualität sowie der Abrechnung der Leistungen in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung auch im Hinblick auf die Entwicklung in anderen Versorgungsbereichen. Die Ergebnisse der Bewertung sind dem Bundesministerium für Gesundheit zum 31. März 2017 zuzuleiten. Die Bewertung und die Berichtspflicht obliegen dem Spitzenverband Bund, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft gemeinsam.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Förderung der Qualität ein gestuftes System von Folgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen nach den §§ 136 bis 136c festzulegen. Er ist ermächtigt, neben Maßnahmen zur Beratung und Unterstützung bei der Qualitätsverbesserung je nach Art und Schwere von Verstößen gegen wesentliche Qualitätsanforderungen angemessene Durchsetzungsmaßnahmen vorzusehen. Solche Maßnahmen können insbesondere sein

1.
Vergütungsabschläge,
2.
der Wegfall des Vergütungsanspruchs für Leistungen, bei denen Mindestanforderungen nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 nicht erfüllt sind,
3.
die Information Dritter über die Verstöße,
4.
die einrichtungsbezogene Veröffentlichung von Informationen zur Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen.
Die Maßnahmen sind verhältnismäßig zu gestalten und anzuwenden. Der Gemeinsame Bundesausschuss trifft die Festlegungen nach den Sätzen 1 bis 4 und zu den Stellen, denen die Durchsetzung der Maßnahmen obliegt, in grundsätzlicher Weise in einer Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 13. Die Festlegungen nach Satz 5 sind vom Gemeinsamen Bundesausschuss in einzelnen Richtlinien und Beschlüssen jeweils für die in ihnen geregelten Qualitätsanforderungen zu konkretisieren. Bei wiederholten oder besonders schwerwiegenden Verstößen kann er von dem nach Satz 1 vorgegebenen gestuften Verfahren abweichen.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seinen Richtlinien über Maßnahmen der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung eine Dokumentationsrate von 100 Prozent für dokumentationspflichtige Datensätze der Leistungserbringer fest. Er hat bei der Unterschreitung dieser Dokumentationsrate Vergütungsabschläge vorzusehen, es sei denn, der Leistungserbringer weist nach, dass die Unterschreitung unverschuldet ist.

(3) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in einer Richtlinie die Einzelheiten zu den Kontrollen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nach § 275a, die durch Anhaltspunkte begründet sein müssen,, die die Einhaltung der Qualitätsanforderungen nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder § 136a Absatz 5 zum Gegenstand haben oder als Stichprobenprüfungen erforderlich sind. Er trifft insbesondere Festlegungen, welche Stellen die Kontrollen beauftragen, welche Anhaltspunkte Kontrollen auch unangemeldet rechtfertigen, zu Art, Umfang und zum Verfahren der Kontrollen sowie zum Umgang mit den Ergebnissen und zu deren Folgen. Die Krankenkassen und die die Kontrollen beauftragenden Stellen sind befugt und verpflichtet, die für das Verfahren zur Durchführung von Stichprobenprüfungen erforderlichen einrichtungsbezogenen Daten an die vom Gemeinsamen Bundesausschuss zur Auswahl der zu prüfenden Leistungserbringer bestimmte Stelle zu übermitteln, und diese Stelle ist befugt, die ihr übermittelten Daten zu diesem Zweck zu verarbeiten, soweit dies in der Richtlinie nach Satz 1 vorgesehen ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat bei den Festlegungen nach Satz 2 vorzusehen, dass die nach Absatz 1 Satz 5 für die Durchsetzung der Qualitätsanforderungen zuständigen Stellen zeitnah einrichtungsbezogen über die Prüfergebnisse informiert werden. Er legt fest, in welchen Fällen der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Prüfergebnisse wegen erheblicher Verstöße gegen Qualitätsanforderungen unverzüglich einrichtungsbezogen an Dritte, insbesondere an jeweils zuständige Behörden der Länder zu übermitteln hat. Die Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach den Sätzen 1 und 2 sollen eine möglichst aufwandsarme Durchführung der Kontrollen nach § 275a unterstützen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg für allgemeine Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 655 200 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist eine vom beklagten Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) beschlossene Mindestmenge für die Versorgung mit Kniegelenk-Totalendoprothesen (im Folgenden: Kniegelenk-TEP).

2

1. Dem GBA ist zum 1.1.2004 im Zuge der Neufassung seiner Kompetenzen ua die bis dahin von den Verbänden der Krankenkassen und Krankenhäuser wahrgenommene Aufgabe übertragen worden, die Qualitätssicherung in der stationären Versorgung näher auszugestalten (vgl zuvor § 137 S 4, § 112 Abs 1 SGB V idF des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2477, und sodann § 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 54 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000, BGBl I 1999, 2626, nachfolgend: GKVRefG2000). Seither ist er beauftragt, unter Beteiligung der betroffenen Verbände in Beschlüssen und Richtlinien Maßnahmen der Qualitätssicherung in der stationären Versorgung festzulegen (§ 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 104 Buchst a DBuchst aa GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190; sinngemäß ebenso seit der Umgestaltung von § 137 Abs 1 S 1 SGB V durch Art 1 Nr 110 des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378).

3

2. Eine Maßnahme zur Qualitätssicherung in der stationären Versorgung in diesem Sinne ist seit dem 30.4.2002 auch die Steuerung über sog Mindestmengen. Begründet durch das Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (FPG) vom 23.4.2002 (BGBl I 1412) sollen danach Beschlüsse gefasst werden über einen "Katalog planbarer Leistungen ..., bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände" (anfangs: § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V idF von Art 1 Nr 5 Buchst b DBuchst bb FPG, seit dem 1.7.2008 inhaltsgleich fortgeführt durch § 137 Abs 3 Nr 2 SGB V in der Neufassung von § 137 SGB V durch Art 1 Nr 110 des GKV-WSG; im Folgenden jeweils in dieser Neufassung zitiert). In Ergänzung dazu dürfen nach § 137 Abs 3 S 2 SGB V entsprechende Leistungen nicht erbracht werden, wenn die erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen "voraussichtlich nicht erreicht wird". Ausnahmen kann die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde vorsehen, wenn diese Begrenzung "die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte" (§ 137 Abs 3 S 3 SGB V). Leitend hierfür war die Einschätzung, durch verschiedene Studien werde ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Operationen und der Qualität des Behandlungsergebnisses nachgewiesen. Daher sollten Operationen oder Prozeduren gesucht und bestimmt werden, bei denen ein solcher Zusammenhang in besonderem Maße vorliegt (vgl BT-Drucks 14/6893 S 28 und 31).

4

3. Hierauf gestützt haben zunächst die damals noch zuständigen Verbände der Krankenkassen und Krankenhäuser im Dezember 2003 erste Mindestmengen festgesetzt und eine Verfahrensordnung zu deren Weiterentwicklung beschlossen (Vereinbarung gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V - Mindestmengenvereinbarung - zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen, dem Verband der Privaten Krankenversicherung sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer und dem Deutschen Pflegerat vom 3.12.2003 - im Folgenden: MMV 2003 - nebst Anlage 1 - Katalog der Prozeduren und Leistungen in der OPS-301 Version 2004 - und Anlage 2 - Allgemeine Ausnahmetatbestände gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V). Danach waren Mindestmengen bestimmt für fünf Leistungsbereiche, nämlich für Transplantationen von Leber (jährlich 10), Niere (jährlich 20) und Stammzellen (jährlich 12 ± 2) sowie für komplexe Eingriffe an Speiseröhre (jährlich 5 pro Krankenhaus/pro Arzt) und Bauchspeicheldrüse (jährlich 5 pro Krankenhaus/pro Arzt). Als Ausnahmetatbestand war festgelegt, dass beim Aufbau neuer Leistungsbereiche bzw bei personeller Neuausrichtung bereits bestehender Leistungsbereiche Übergangszeiträume von 36 bzw 24 Monaten eingeräumt werden (Ziffern 4 und 5 der Anlage 2 der MMV 2003).

5

Diesen Katalog von Mindestmengen hat der GBA nach dem Übergang der Zuständigkeit auf ihn weiter fortentwickelt und um den Bereich der Kniegelenk-TEP sowie die Versorgung Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm ergänzt; die zunächst ebenfalls geplante Einbeziehung koronarchirurgischer Eingriffe hat er hingegen zwischenzeitlich aufgegeben. Insoweit hat sich der Gang der Beratungen über die Einführung einer Mindestmenge für kniegelenksersetzende Eingriffe wie folgt vollzogen:

6

a) Eingeleitet worden ist die Beschlussfassung auf Antrag des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen und des Arbeiter-Ersatzkassenverbandes vom 7.5.2004 mit Erhebungen über den Stand der Literatur sowie Auskünfte und Stellungnahmen, die der GBA von dritter Seite eingeholt hat. Ausgangspunkt dafür war eine Literaturrecherche, die von der Geschäftsstelle des GBA selbst vorgenommen worden ist und zu einer näheren Auswertung von 10 Publikationen aus dem anglo-amerikanischen Bereich über Versorgungen aus den 1980er und 1990er Jahren in Kliniken mit Kniegelenk-TEP bei Fallzahlen zwischen 15 und 200 pro Jahr geführt hat. Zeitgleich hat der GBA durch das Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) die Verteilung der Häufigkeit von Kniegelenk-TEP in Deutschland und die Auswirkungen von entsprechenden Mindestmengenvorgaben auf die stationären Versorgungsstrukturen unter besonderer Berücksichtigung der regionalen Verteilungswirkungen ermitteln lassen. Ebenfalls in diesem zeitlichen Rahmen hat er schließlich bei der von der DKG, den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Bundesärztekammer unter Einbeziehung des Deutschen Pflegerats getragenen Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS) eine Sonderauswertung der dort erhobenen Daten nach der "Richtlinie über Maßnahmen der Qualitätssicherung in Krankenhäusern" vom 15.8.2006 (QSKH-RL, BAnz Nr 178 S 6361 vom 20.9.2006, zuletzt geändert am 20.10.2011, BAnz Nr 19 S 402 vom 2.2.2012) erbeten. Zusätzliche Stellungnahmen haben abgegeben die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie eV sowie die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie eV. Nach Auswertung aller Unterlagen hat der GBA die Festsetzung eines Schwellenwertes für Kniegelenk-TEP für das Jahr 2005 noch zurückgestellt und sie zunächst nur dem Grunde nach in den Mindestmengenkatalog für die stationäre Versorgung einbezogen (Beschluss vom 21.9.2004, BAnz Nr 238 vom 15.12.2004 S 24210).

7

b) In der weiteren Folge sind die Beratungen fortgesetzt worden mit Erörterungen zur Methodik der Festlegung von Schwellenwerten und insbesondere dem dabei zu beachtenden Evidenzgrad (Sitzungen des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 26.10.2004 und 11.2.2005). Parallel sind Gespräche mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) über dessen Beteiligung an der Schwellenwertbestimmung geführt worden (Beschlüsse des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 18.3. und 14.7.2004, Sitzungen der "AG Mindestmengen" vom 29.11.2004 sowie 24.2. und 27.4.2005, Sitzungen des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 15.4., 23.5. und 5.7.2005, Sitzungen und Beschlüsse des GBA § 91 abs 7 sgb v> vom 21.12.2004 sowie 17.5. und 21.6.2005). Im Hinblick darauf fand ein von den Spitzenverbänden der Krankenkassen gestellter Antrag auf vorläufige Festsetzung eines Schwellenwertes von 50 Operationen pro Jahr und Krankenhaus mit der Option der Korrektur nach Vorlage eines Schlussberichts des IQWiG zunächst keine Zustimmung (Sitzung des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 15.4.2005). Stattdessen ist das IQWiG im Juni 2005 formell beauftragt worden, Rechenmodelle für die Indikation Kniegelenk-TEP zu entwickeln und diese zur Ermittlung von Schwellenwerten anzuwenden.

8

c) Nachdem sich im weiteren Verlauf abzeichnete, dass das IQWiG seine Bewertung mutmaßlich nicht vor November 2005 würde abschließen können, hat der GBA im Hinblick auf die nach seiner Verfahrensordnung jeweils spätestens bis zum 31. August eines jeden Jahres zu treffende Entscheidung über die Einführung von Mindestmengen (§ 3 Abs 2 der MMV 2003) am 16.8.2005 beschlossen, einen konkreten Schwellenwert für den Bereich der Kniegelenk-TEP bereits vor der Vorlage des Schlussberichts des IQWiG festzulegen und den Wert nach dessen Erhalt ggf nochmals zu korrigieren. Demgemäß ist der Schwellenwert für Kniegelenk-TEP ab dem 1.1.2006 auf 50 pro Jahr und Krankenhaus bestimmt worden (Beschluss vom 16.8.2005, Anlage 1 Nr 6 der MMV 2003, BAnz Nr 175 vom 15.9.2005 S 13864).

9

d) Die Ergebnisse seiner Studien legte das IQWiG mit Vorbericht vom 17.10.2005 und Ab-schlussbericht vom 5.12.2005 vor: Es habe für die untersuchten Risiken "Unbeweglichkeit" und "Infektion" ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Fallzahl und dem entsprechenden Risiko statistisch nachgewiesen werden können. Die Auswertung unterstütze die Hypothese, dass es bei Knie-TEP einen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität gebe. Jedoch zeige der Zusammenhang zwischen dem primären Qualitätsindikator "Unbeweglichkeit" und der Fallzahl unerwartet einen U-förmigen Verlauf, der das Konzept einer Mindestmengenregelung für dieses Risiko infrage stelle. Eine geeignete Maßnahme zur Verbesserung der Ergebnisqualität scheine hier eher die Definition eines mittleren Leistungsmengenbereichs zu sein, für den indes weitere Untersuchungen notwendig seien. Die Volume-Outcome-Beziehung für den sekundären Qualitätsindikator "Infektion" habe eine sehr flache, mit steigender Fallzahl sehr langsam fallende Risikokurve gezeigt, die die Hypothese unterstütze, dass High-Volume-Krankenhäuser eine bessere Qualität aufwiesen als Low-Volume-Krankenhäuser. Der Erklärungswert der Fallzahlen sei jedoch zu gering gewesen, um aus dieser Beziehung einen klaren eindeutigen Schwellenwert abzuleiten. Eine Assoziation mit einer deutlichen Qualitätsverbesserung habe sich nur für Mindestmengen in höheren Qualitätsbereichen ergeben, was jedoch in Zusammenhang zu den weiteren Qualitätsindikatoren zu sehen sei. Zusammengefasst sei ein wissenschaftlicher Nachweis, dass eine Mindestmengenregelung für Patienten mit Kniegelenk-TEP eine Verbesserung der Ergebnisqualität bewirke, nur über eine kontrollierte Interventionsstudie zu führen (Abschlussbericht S 44 f).

10

e) Nach Veröffentlichung der Berichte des IQWiG hat der GBA mit Beschluss vom 20.12.2005 eine von der DKG im Hinblick auf den Vorbericht des IQWiG beantragte Aussetzung der Mindestmengenfestsetzung für die Kniegelenk-TEP mehrheitlich abgelehnt. Jedoch wurde ein Verfahren für weitere Ausnahmebestimmungen für das Jahr 2006 beschlossen, das es Kliniken mit sehr guter Versorgungsqualität auch unterhalb der Mindestmengen-Schwelle erlaubte, an der Versorgung mit künstlichen Kniegelenken weiter teilzuhaben (Protokoll der Sitzung des GBA vom 20.12.2005). In Einzelfällen ist davon Gebrauch gemacht worden (vgl etwa Beschluss des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 27.9.2006).

11

f) Im weiteren Verlauf hat der GBA die getroffenen Mindestmengen-Festsetzungen in jährlichen Beschlüssen redaktionell der aktuellen Fassung der jeweils maßgeblichen OPS-Klassifikation angepasst und teilweise auch die Fallzahl geändert; im Bereich der Kniegelenk-TEP blieb der Schwellenwert von 50 Operationen pro Jahr und Krankenhaus allerdings unverändert (Beschluss vom 19.12.2006, BAnz Nr 244 vom 29.12.2006 S 7417; Beschluss vom 22.11.2007, BAnz Nr 9 vom 17.1.2008 S 128; Beschluss vom 18.12.2008, BAnz Nr 198 vom 31.12.2008 S 4809; Beschluss vom 17.12.2009, BAnz Nr 198 vom 31.12.2009 S 4582; Beschluss vom 11.11.2010, BAnz Nr 181 vom 30.11.2010 S 3976). Ergänzend hat er eine Studie zu den Auswirkungen der Mindestmengen-Festsetzungen in den verschiedenen Leistungsbereichen in Auftrag gegeben, die im Dezember 2007 vorgelegt worden ist (Geraedts/Ohmann/Blum/Müller, Abschlussbericht zur Begleitforschung zur Einführung von Mindestmengen gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V für den Zeitraum 1.12.2005 bis 30.11.2007).

12

4. Die Klägerin ist Trägerin eines zur Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten zugelassenen Krankenhauses mit medizinischem, psychiatrischem und operativem Zentrum mit insgesamt 816 Betten im Jahr 2010. Im Bereich der Chirurgie betreibt sie neben Einrichtungen für weitere Teilbereiche eine Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie und Orthopädie, in der auch kniegelenksersetzende Operationen ausgeführt werden. Damit erreichte sie nach anfänglich geringeren Fallzahlen in den Jahren 2008, 2009 und 2010 Fallzahlen von 29, 40 bzw 50 Eingriffen pro Jahr; im ersten Halbjahr 2011 setzte sie 15 Kniegelenk-TEP ein; bei 50 Operationen im Jahr 2011 hätte sie daraus eigener Angabe zufolge Erlöse von etwa 364 000 Euro erzielen können. 2010 erzielte sie bei einem Umsatz aus Krankenhausleistungen von 91,7 Millionen Euro und einem Gesamtumsatz von 104,9 Millionen Euro einen Jahresüberschuss von 2,8 Millionen Euro (Jahresabschluss der R. Kliniken GmbH zum 31.12.2010, vgl https://www.unternehmensregister.de/ , recherchiert am 13.8. 2012).

13

Im September 2008 hat die Klägerin Klage beim LSG mit dem Ziel erhoben, die Teilnichtigkeit der Mindestmengen-Regelung im Bereich der Kniegelenk-TEP feststellen zu lassen. Sie werde durch sie in unverhältnismäßiger Weise in ihrer ärztlichen Therapiefreiheit eingeschränkt. Die Regelung sei verfassungswidrig. Auch sei von ihr nicht in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht worden. Der Schwellenwert von 50 Operationen im Jahr sei willkürlich und nicht wissenschaftlich belegt.

14

Das LSG hat entschieden, dass die Mindestmengenvereinbarung idF des Beschlusses vom 16.8.2005, zuletzt geändert durch Beschluss vom 11.11.2010, nichtig sei, soweit für Kniegelenk-TEP eine Mindestmenge von 50 pro Krankenhaus festgelegt werde (Urteil vom 17.8.2011): Als verbindliche untergesetzliche Norm sei der angefochtene Beschluss zur Vermeidung nicht hinnehmbarer Rechtsschutzlücken im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG im Wege der Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG überprüfbar. Auch unter Berücksichtigung der gebotenen Zurückhaltung gegenüber der Normsetzungskompetenz des Beklagten habe sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses bei Kniegelenk-TEP iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig sei. Schon verfahrensrechtlich bestünden erhebliche Bedenken, weil der GBA bei der Einführung der Mindestmengen das Ergebnis der IQWiG-Beauftragung nicht abgewartet habe. Jedenfalls lägen für eine in besonderem Maße gegebene Abhängigkeit von Leistungsmenge und Leistungsqualität keine belastbaren wissenschaftlichen Belege vor. Insbesondere habe der Abschlussbericht des IQWiG lediglich die Hypothese bestätigt, dass ein solcher Zusammenhang bestehe. Ein belastbarer, gerichtlich nachprüfbarer wissenschaftlicher Nachweis sei dem IQWiG-Bericht zufolge aber nur über eine kontrollierte Interventionsstudie zu führen.

15

5. Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Feststellungsklage sei unzulässig, weil die Mindestmengenregelung auf weitere Umsetzungsakte entweder über gesonderte Planungsentscheidungen der Landeskrankenhausplanungsbehörde oder im Rahmen der Pflegesatzvereinbarungen nach § 18 KHG angelegt und Rechtsschutz jeweils in diesem Rahmen zu erlangen sei. Unbegründet seien die Bedenken im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf der Beschlussfassung und die Ausführungen zu dem Verhältnis zwischen GBA und IQWiG. Das LSG habe auch den Begriff der planbaren Leistung iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V fehlerhaft ausgelegt und zudem zu Unrecht wissenschaftlich belastbare Belege für eine besondere Kausalität zwischen Leistungsmenge und Leistungsqualität gefordert. Das nach der gesetzlichen Vorschrift erforderliche besondere Maß zwischen Menge und Qualität sei nicht Voraussetzung für die Festlegung der konkreten Mindestmenge, sondern ausschließlich zur Bestimmung des jeweiligen Leistungsbereichs, für den eine Mindestmenge in Betracht zu ziehen sei. Zumindest aber hätte das LSG nicht die Nichtigkeit der Mindestmengenregelung feststellen dürfen; dafür fehle es an einer Rechtsgrundlage.

16

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision des GBA ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG); ob die angefochtenen Mindestmengenbeschlüsse rechtmäßig sind, lässt sich anhand der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen.

19

1. Zuständig zur Entscheidung des Rechtsstreits ist der erkennende 3. Senat des BSG als Spruchkörper für das (allgemeine) Leistungserbringerrecht der GKV, nicht aber der für Vertragsarztangelegenheiten gebildete 6. Senat des BSG (§ 10 Abs 1, § 12 Abs 2 S 1, § 31 Abs 1 S 1, § 40 S 1 SGG). Streitigkeiten über die Befugnis zur Erbringung von Krankenhausleistungen nach dem SGB V sind entgegen der Auffassung des LSG auch dann der (allgemeinen) Krankenversicherung als Teil der Sozialversicherung iS von § 10 Abs 1 SGG und nicht dem Vertragsarztrecht iS von § 10 Abs 2 SGG zuzuordnen, wenn sie unmittelbar eine Entscheidung des GBA zum Gegenstand haben.

20

Schon in der Vergangenheit sind der erkennende 3. sowie der 1. Senat des BSG in Abgrenzung zur damaligen Rechtsauffassung des 6. Senats (vgl BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 19 ff; fortgeführt von BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 15 ff) davon ausgegangen, dass eine vertragsarztrechtliche Streitigkeit jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn - wie hier - eine vertragsärztliche Leistungserbringung gar nicht in Rede steht (BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 9 f; vgl auch Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 10 ff). Dies hat nunmehr der Gesetzgeber mit der zum 1.1.2012 in Kraft getretenen Konkretisierung von § 10 Abs 2 SGG durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze(4. SGB IV-ÄndG) vom 22.12.2011 (BGBl I 3057) ausdrücklich bekräftigt. Dem Vertragsarztrecht explizit zugeordnet sind danach Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des GBA nur, soweit diese die vertragsärztliche Versorgung betreffen (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 1 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG), auf solche Entscheidungen und Regelungen bezogene Klagen in Aufsichtsangelegenheiten gegenüber dem GBA (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 2 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG) sowie weitere im Einzelnen aufgeführte Streitigkeiten, zu denen die hier maßgebliche Regelungsmaterie ebenfalls nicht zählt (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 3 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG).

21

Im Umkehrschluss folgt hieraus, dass alle sonstigen leistungserbringungsrechtlichen Streitigkeiten der GKV weiterhin den iS von § 10 Abs 1 SGG für die (allgemeine) Krankenversicherung als Teil der Sozialversicherung zuständigen Spruchkörpern zuzuordnen sind(zu dem Regel-Ausnahme-Verhältnis vgl BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 5; Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 12). Ebenso ist nach den Materialien auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass bei sektorenübergreifenden oder spezifisch den Krankenhausbereich betreffenden Richtlinien und Beschlüssen des GBA von einer Zuordnung zu den Spruchkörpern für die (allgemeine) Krankenversicherung auszugehen ist. Als solche sind in den Materialien ausdrücklich die hier im Streit stehenden Beschlüsse nach § 137 Abs 3 SGB V aufgeführt(vgl BT-Drucks 17/6764 S 26). Diese Interpretation des Gesetzes haben sich zwischenzeitlich die betroffenen Senate des BSG übereinstimmend zu eigen gemacht (vgl SGb 2012, 495 ff), sodass eine Vorlage an den Großen Senat des BSG zu dieser Frage nicht mehr veranlasst ist (vgl hierzu im Weiteren auch Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 17).

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2. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Einbeziehung der Kniegelenktotalendoprothetik in die Mindestmengenregelung des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V ab dem 1.1.2006. Erfasst sind damit alle insoweit maßgeblichen Beschlüsse, nämlich zunächst die Aufnahme der Kniegelenk-TEP in den Katalog planbarer Leistungen dem Grunde nach durch Beschluss vom 21.9.2004 (BAnz Nr 238 vom 15.12.2004 S 24210), sodann die Festlegung der Mindestmenge auf jährlich 50 Operationen pro Krankenhaus mit Beschluss vom 16.8.2005 (BAnz Nr 175 vom 15.9.2005 S 13864) sowie desweiteren die wiederholenden Beschlüsse vom 19.12.2006, 22.11.2007, 18.12.2008, 17.12.2009 und 11.11.2010 (BAnz Nr 244 vom 29.12.2006 S 7417; BAnz Nr 9 vom 17.1.2008 S 128; BAnz Nr 198 vom 31.12.2008 S 4809; BAnz Nr 198 vom 31.12.2009 S 4582; BAnz Nr 181 vom 30.11.2010 S 3976). Zu Recht weist der Beklagte zwar darauf hin, dass der Beschluss vom 21.9.2004 unmittelbare Rechtsfolgen für die an der GKV-Versorgung teilnehmenden Krankenhäuser noch nicht gehabt hat. Allerdings tritt die Sperrwirkung des § 137 Abs 3 S 2 SGB V nur ein, sofern die betreffende Leistung - hier die Kniegelenk-TEP - auch dem Grunde nach in den Mindestmengenkatalog nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V aufgenommen worden ist. Dies war Gegenstand bereits des Beschlusses vom 21.9.2004, der durch den Beschluss vom 16.8.2005 auch dem Wortlaut nach lediglich um die Mindestmenge von 50 Operationen jährlich ergänzt worden ist. Dementsprechend versteht der Senat das Klagebegehren dahin, dass über die Mindestmengenbestimmung für Kniegelenk-TEP durch die Beschlüsse vom 21.9.2004 sowie 16.8.2005 in der jeweils zu Jahresbeginn aktualisierten Fassung befunden werden sollte und vom LSG auch entschieden worden ist, zuletzt also in Gestalt des Beschlusses vom 11.11.2010.

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3. Die mit diesem Rechtsschutzziel erhobene Feststellungsklage unmittelbar gegen den GBA hat das LSG zu Recht als zulässig erachtet; dagegen wendet sich der Beklagte ohne Erfolg.

24

a) Nach ständiger und zwischenzeitlich vom Gesetzgeber ebenfalls aufgegriffener Rechtsprechung des BSG gebietet die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 GG die Anerkennung der Feststellungsklage gegen untergesetzliche Rechtsnormen des GBA, wenn die Normbetroffenen ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können, etwa weil ihnen nicht zuzumuten ist, Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen Norm abzuwarten oder die Wirkung der Norm ohne anfechtbare Vollzugsakte eintritt (stRspr, vgl zuletzt etwa BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 14; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 22; vgl auch BSG Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - SozR 4-2500 § 92 Nr 13 RdNr 20 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Wie der 6. Senat des BSG bereits eingehend dargelegt hat, leitet das BVerfG aus Art 19 Abs 4 GG ab, dass die Fachgerichte Feststellungsklagen als Rechtsschutzmittel gegen untergesetzliche Rechtsnormen anerkennen müssen (vgl BVerfGE 115, 81, 92 iVm S 95 f = SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 41 iVm 49 ff). Auch ohne eine § 47 VwGO entsprechende Regelung ist danach in der Sozialgerichtsbarkeit gegen untergesetzliche Rechtsnormen des GBA vergleichbarer Rechtsschutz im Wege der Feststellungsklage zu gewähren. Das hat zwischenzeitlich auch der Gesetzgeber bekräftigt, wie insbesondere die durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) eingeführte Regelung des § 29 Abs 4 SGG unter Verzicht auf die Einfügung einer § 47 VwGO entsprechenden Regelung im SGG erweist. Die Zuständigkeitsbestimmung für Klagen ua gegen Richtlinien des GBA nach § 92 SGB V(§ 29 Abs 4 Nr 3 SGG) ist ausdrücklich von der Erwartung getragen, dass nach der Rechtsprechung des BSG Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtssätze weiterhin durch Feststellungsklage zu gewähren und deshalb die Einführung eines allgemeinen Normenkontrollverfahrens wie nach § 47 VwGO für das SGG entbehrlich ist(vgl BT-Drucks 16/7716 S 16). Diese Motivation des Gesetzgebers wird mittelbar dadurch bestätigt, dass das durch Art 4 Nr 4 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) mit Wirkung vom 1.4.2011 eingeführte Normenkontrollverfahren gemäß § 55a SGG ausschließlich Rechtsvorschriften nach oder in Zusammenhang mit § 22a Abs 1 SGB II betrifft.

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b) Die Mindestmengenbestimmungen des GBA sind untergesetzliche Rechtsnormen in diesem Sinne. Wie die Richtlinien nach § 92 SGB V entfalten sie unmittelbare Bindungswirkung für Versicherte, Krankenkassen sowie Leistungserbringer und sind wie diese dem GBA als Normsetzungsgremium übertragen. Sie ergehen als "Beschluss" (§ 137 Abs 3 S 1 SGB V) und damit wie gemäß § 91 SGB V alle Entscheidungen des GBA in seiner Funktion als rechtsetzende Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung. Als solche nehmen sie neben der partiellen Verbindlichkeitsanordnung nach § 137 Abs 3 S 6 SGB V(bis 30.6.2008: § 137 Abs 2 S 1 SGB V idF Art 1 Nr 54 GKVRefG2000) ebenfalls an der generellen Regelung des § 91 Abs 6 SGB V teil, wonach mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 137b SGB V alle Beschlüsse des GBA für Versicherte und Leistungserbringer verbindlich sind. Auch für Zuständigkeit und Verfahren gelten die Maßgaben des § 91 SGB V genauso wie für Richtlinien nach § 92 SGB V. Zuständig für die Mindestmengenbestimmung ist danach das Beschlussgremium des GBA in seiner Besetzung mit von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der DKG und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen als Trägerorganisationen des GBA benannten sowie unparteiischen Mitgliedern (§ 91 Abs 2 SGB V). Nach Maßgabe der von ihm zu beschließenden Verfahrensordnung (§ 91 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB V)und nach Anhörung der zu beteiligenden Verbände hat dieses Beschlussgremium jeweils mit Mehrheit zu entscheiden (§ 91 Abs 7 SGB V). Diese konkrete Ausgestaltung - die Delegation der Entscheidungsverantwortung auf die gemeinsame Selbstverwaltung von Leistungserbringern und Krankenkassen, die Regeln für die Entscheidungsfindung sowie die Verbindlichkeit für Versicherte und Krankenhäuser - weist die Mindestmengenbeschlüsse des GBA als Gegenstand untergesetzlicher Normgebung aus. Systematisch entspricht dies den in der Rechtsprechung des BSG hierzu aufgestellten Kriterien und wird bekräftigt durch die Entstehungsgeschichte.

26

In systematischer Hinsicht hat das BSG schon in früheren Entscheidungen zu den durch das GMG zum GBA zusammengeführten Bundesausschüssen bei der Qualifizierung von Richtlinien als untergesetzliche Normen wesentlich auf deren allseitige Bindungswirkung für Versicherte und Leistungserbringer und das zugrunde liegende Regelungskonzept abgestellt, die leistungs- und leistungserbringungsrechtlichen Einzelheiten der GKV-Versorgung auf gesetzlicher Grundlage von Gremien der funktionalen Selbstverwaltung konkretisieren zu lassen (zum Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 91 Abs 1 SGB V idF des GRG grundlegend BSGE 78, 70, 78 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 32 f; BSGE 81, 54, 63 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 18 ff; BSGE 81, 73, 80 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 55 ff; BSGE 81, 182, 187 f = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39; zum Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen nach § 91 Abs 1 SGB V idF des GRG BSGE 81, 207, 210 = SozR 3-2500 § 101 Nr 2 S 10; zum Ausschuss Krankenhaus nach § 137c Abs 2 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 57 des GKVRefG2000 BSGE 90, 289, 291 ff = SozR 4-2500 § 137c Nr 1 RdNr 7 ff). Diese Prinzipien gelten nunmehr genauso für die Richtlinien des GBA (vgl grundlegend BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 28, 58 ff; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 40; ebenso BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 32 - 33). Dies lässt nur den Schluss zu, dass die demselben Verfahren unterstellten Mindestmengenbeschlüsse ebenfalls Normeigenschaft besitzen und nicht als Behördenentscheidung mit Verwaltungsaktcharakter zu qualifizieren sind.

27

Das wird auch durch die Historie der Mindestmengenregelung bekräftigt. Die Zusammenführung der verschiedenen (Bundes-)Ausschüsse zum GBA hatte zum Ziel, eine sektorenübergreifende Rechtsetzungseinrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung zu etablieren (vgl BT-Drucks 15/1525 S 106). Dieser funktionalen Zuordnung entsprach die Mindestmengenregelung bereits in der ursprünglichen Fassung mit der Zuständigkeit der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbands der privaten Krankenversicherung sowie der DKG und dem Auftrag zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen als normativ wahrzunehmender Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung (vgl § 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 5 Buchst b DBuchst bb FPG iVm Abs 2 S 1 idF von Art 1 Nr 54 des GKVRefG2000). Auch das Zustandekommen dieser Vereinbarungen war ungeachtet ihrer Bezeichnung bereits als Beschlussverfahren mit der Möglichkeit der Hinzuziehung unparteiischer Dritter ausgestaltet (vgl § 137 Abs 3 SGB V idF von Art 1 Nr 54 des GKVRefG2000). Insofern hat zwar mit der Übertragung der Zuständigkeit auf den zum 1.1.2004 neu gebildeten GBA die formale Verantwortung für die Umsetzung der Mindestmengenregelung gewechselt; unberührt davon geblieben ist aber der Rechtscharakter als einer von Anfang an durch untergesetzliche Rechtsetzung zu erfüllenden Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung von Krankenkassen und Krankenhäusern.

28

c) Vorrangig wahrzunehmende andere Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Mindestmengenentscheidung stehen der Klägerin nicht offen. Auf sonstige Klagen gegen die Rechtsfolgen untergesetzlicher Rechtsnormen sind die Normbetroffenen nach der Rechtsprechung des BSG nur verwiesen, wenn effektiver Rechtsschutz auch ohne eine Feststellungsklage zu erlangen ist (vgl etwa BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 14; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 22; vgl auch BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - SozR 4-2500 § 92 Nr 13 RdNr 20 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Dass eine solche anderweitige Rechtsschutzmöglichkeit zum Zeitpunkt der Klageerhebung bestanden hätte, ist entgegen der Auffassung des GBA nicht ersichtlich.

29

Mindestmengenbeschlüsse nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V sind gemäß § 91 Abs 6, § 137 Abs 3 S 6 SGB V ohne weiteren Vollzugsakt für Versicherte, Krankenhäuser und Krankenkassen unmittelbar verbindlich und stehen daher der Leistungserbringung nach § 137 Abs 3 S 2 SGB V in der Regel ab dem 1. Geltungstag entgegen, wenn die Mindestmenge voraussichtlich nicht erreicht wird. Daran können sich zwar im Gefolge zusätzliche und gesondert angreifbare Rechtsfolgen ergeben, etwa die Versagung der Vergütung einer gleichwohl erbrachten Krankenhausleistung. Eine solche Möglichkeit inzidenten Rechtsschutzes gegen die im Streit stehenden Mindestmengenbeschlüsse ist hier jedoch nicht ersichtlich.

30

Das gilt auch, soweit der GBA auf mögliche Rechtsschutzverfahren im Zusammenhang mit den Pflegesatzverhandlungen nach § 18 KHG verweist. Dabei kann offenbleiben, ob in diesem Rahmen für die Klärung der hier im Streit stehenden Frage überhaupt Raum wäre, was die Klägerin in Zweifel zieht. Denn anders als vom Gesetz vorgesehen (§ 18 Abs 3 S 1 KHG)waren diese Verhandlungen - wie regelmäßig auch sonst - in keinem der hier maßgeblichen Leistungszeiträume bereits vor Leistungserbringung abgeschlossen; sie wurden regelmäßig im laufenden Kalenderjahr überhaupt erst aufgenommen. Selbst wenn also in Rahmen der Pflegesatzverhandlung eine inzidente Prüfung der beanstandeten Mindestmengenbestimmung möglich wäre, hätte auf diesem Weg kein ausreichend effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden können. Denn jedenfalls beim vollständigen Ausschluss auch nur mit einzelnen Leistungen aus der GKV-Versorgung ist es einem Leistungserbringer ständiger Rechtsprechung zufolge nicht zuzumuten, seine Teilnahmebefugnis erst nach Leistungserbringung klären zu können und deshalb - von etwaigen daraus resultierenden Verstößen gegen berufsrechtliche Vorgaben oder Obhutspflichten im Verhältnis zu Patienten sowie möglichen sonstigen Folgen ganz abgesehen (vgl zu den Konsequenzen einer Teilnahme an der Krankenhausversorgung ohne Zulassung BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 43 ff) - zumindest das Risiko zu tragen, die gleichwohl erbrachten Leistungen nicht vergütet zu erhalten (vgl etwa BSGE 109, 9 = SozR 4-2500 § 126 Nr 3, RdNr 8; BSGE 103, 78 = SozR 4-3300 § 71 Nr 1, RdNr 9). Dieses unwägbare Risiko rechtfertigt deshalb eine Feststellungsklage unmittelbar gegen den GBA, wenn - wie hier - die Rechtmäßigkeit der Mindestmengenbestimmung dem Grunde nach im Streit steht; ob das auch gilt, wenn ausschließlich um ihre Anwendbarkeit im Einzelfall - etwa wegen schwankender Leistungsmengen in den Vorjahren - gestritten wird, kann hier offenbleiben.

31

4. Rechtsgrundlage der Mindestmengenbeschlüsse ist § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Danach fasst der GBA für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten auch Beschlüsse über einen Katalog planbarer Leistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände. Die in Wahrnehmung dieses Auftrags erlassenen, im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden normativen Beschlüsse sind nach der Rechtsprechung des BSG formell und auch inhaltlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (stRspr, vgl nur BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 - LITT; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26 - Arzneimittelfestbeträge; Schlegel, MedR 2008, 30, 32; Hauck, NZS 2010, 600, 611 f). Uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt deshalb, ob die fragliche Versorgung - hier die Kniegelenk-TEP - zu Recht der Mindestmengenbegrenzung unterworfen worden ist, weil sie eine "planbare Leistung" darstellt, bei der iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V "die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist"; insoweit sind dem GBA Gestaltungsspielräume nicht belassen. Erst bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist er befugt, als Normgeber zu entscheiden. Soweit diese letztere Kompetenz reicht, darf allerdings die sozialgerichtliche Kontrolle ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom GBA getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl nur BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 9, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, RdNr 25 - Basistherapeutika bei Neurodermitis; ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 68 - Therapiehinweise). Daran gemessen ist die Annahme des GBA nicht zu beanstanden, dass die Versorgungsqualität bei Kniegelenk-TEP im Sinne der Mindestmengenregelung in besonderem Maße von der Leistungsmenge abhängig und deshalb ein entsprechender Normsetzungsspielraum eröffnet ist; insoweit folgt der erkennende Senat dem LSG nicht. Keine abschließende Entscheidung vermag der Senat dagegen auf Grundlage der Feststellungen des LSG zu treffen, ob der GBA von seinem Gestaltungsspielraum rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat.

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5. Keinen Bedenken unterliegt die Mindestmengenbestimmung, soweit die Klägerin verfassungsrechtliche Einwände gegen die gesetzliche Regelung erhebt.

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a) Nicht zweifelhaft ist zunächst, dass der Gesetzgeber die Beteiligung an der GKV-Versorgung im Rahmen des Verhältnismäßigen an besondere Anforderungen zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit knüpfen darf. Solche Anforderungen verbleiben auf der Ebene der Berufsausübungsregelung und lassen den Status des Leistungserbringers unberührt, sofern sie nur die Abrechenbarkeit bestimmter Leistungen zu Lasten der GKV ausschließen und weder seinen Zugang zu einem Versorgungsbereich überhaupt begrenzen noch ihn im Kernbereich seines Fachgebiets einschränken (BVerfG <2. Kammer des 1. Senats> SozR 4-2500 § 135 Nr 2 RdNr 22). Ungeachtet der vom BVerfG offengelassenen Frage, ob grundsätzlich immer der Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG tangiert ist, sind hierdurch bewirkte Abgrenzungen zwischen Gruppen verschiedener Leistungserbringer mit unterschiedlicher Qualifikation jedenfalls dann zumutbar, wenn sie vom fachlich medizinischen Standpunkt aus sachgerecht sind und der betroffene Leistungserbringer in der auf sein Fachgebiet beschränkten Tätigkeit weiterhin eine ausreichende Lebensgrundlage finden kann (BVerfGE 106, 181, 196 = SozR 3-2500 § 95 Nr 35 S 175 - Gebietsbezeichnung). Von diesem Maßstab ausgehend hat das BVerfG es zB nicht beanstandet, dass Fachärzten für Orthopädie oder für Kardiologie ohne zusätzliche Weiterbildung die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung kernspintomographischer Leistungen an gesetzlich Versicherten versagt worden ist (BVerfG <2. Kammer des 1. Senats> SozR 4-2500 § 135 Nr 2; BVerfG <2. Kammer des 2. Senats> BVerfGK 17, 381 = SozR 4-2500 § 135 Nr 16). Demgemäß begegnen Versorgungsbeschränkungen infolge der Mindestmengenregelung - wenn sie nicht den gesamten Kernbereich eines Fachgebiets betreffen und deshalb an den strengeren Anforderungen der subjektiven Berufswahlregelung zu messen sind - ebenfalls keinen Bedenken, sofern sie entsprechend der mit der Regelung verfolgten Zielsetzung rechtlich erhebliche Qualitätsvorteile erwarten lassen und diese Vorteile durch weniger belastende Vorgaben der Qualitätssicherung nicht ebenso erreichbar erscheinen. Ob dem in der Umsetzung genügt wird, ist keine Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm, sondern ihrer Auslegung und Anwendung im Einzelfall; jedenfalls die Vorschrift selbst unterliegt den von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken ersichtlich nicht.

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b) Das gilt auch, soweit zur Konkretisierung des gesetzlichen Regelungsprogramms der GBA als Normgeber ermächtigt worden ist. Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 mwN - LITT; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18 mwN; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 33). Zu früher kritischen Stimmen hat sich in jüngerer Zeit die Literatur gegenteilig geäußert (vgl Neumann, NZS 2010, 593; Hauck, NZS 2010, 600 mwN). Rechtlich unbedenklich ist im Fall der Mindestmengenregelung auch die von der Klägerin gerügten Weite der Vorschrift. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben beachtend gibt die Regelung im Kontext ihrer systematischen Stellung und ihrer Entstehungsgeschichte dem GBA ein hinreichend dichtes Normprogramm vor, das dem ihm hierdurch übertragenen Konkretisierungsauftrag ausreichend klare Konturen verleiht.

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6. Eine Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge "in besonderem Maße" besteht bei Krankenhausleistungen von hoher Komplexität, bei denen eine regelmäßige Praxis mit gerade diesen Leistungen einen über andere Instrumente der Qualitätssicherung so nicht zu gewährleistenden Einfluss auf die Güte der Versorgung hat.

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a) Entstehungsgeschichte und Systematik weisen die Mindestmengenregelung als Teil eines Bündels von Vorschriften aus, mit denen der Gesetzgeber die Anforderungen an die Qualitätssicherung im Zuge der steigenden Wettbewerbsorientierung der GKV-Versorgung zunehmend ausgeweitet hat. So ist zunächst die Qualitätssicherung für den stationären Bereich mit dem GKVRefG2000 aus dem Anwendungsbereich der Landesverträge nach § 112 SGB V gelöst und zum Gegenstand einer bundeseinheitlichen untergesetzlichen Rechtsetzung nach § 137 SGB V gemacht worden. Zugleich sind die Krankenhäuser auf ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement und auf Maßnahmen der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung nach Maßgaben verpflichtet worden, die von der gemeinsamen Selbstverwaltung vorzugeben sind (§ 135a Abs 2 und § 137 Abs 1 S 1 und S 3 Nr 1 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Ebenfalls bereits seit dem GKVRefG2000 müssen auf dieser Ebene nähere Bestimmungen getroffen werden ua zur indikationsbezogenen Qualität der diagnostischen und therapeutischen Leistungen im Krankenhaus, insbesondere bei aufwändigen medizintechnischen Leistungen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Mit dem FPG ist dieses Spektrum weiter um die Verpflichtung ergänzt worden, auch Mindestanforderungen an die Struktur- und Ergebnisqualität in der stationären Versorgung festzulegen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Desgleichen ist den Krankenhäusern aufgegeben worden, regelmäßig Qualitätsberichte zu veröffentlichen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 6 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Schließlich hat der Gesetzgeber zuletzt mit Wirkung vom 1.7.2008 eine externe Qualitätsberichterstattung eingeführt, für die von den Krankenhäusern im Einzelnen festgelegte Daten zu liefern sind (§ 135a Abs 2 S 2 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 106 Buchst b bzw Art 1 Nr 111 des GKV-WSG; seit dem 1.1.2012: § 299 Abs 1 S 1 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 53 bzw Nr 80a Buchst a DBuchst aa des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011, BGBl I 2983).

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b) In diesem Regelungsgeflecht beruht die Einführung der Mindestmengenregelung auf der Einschätzung, dass in verschiedenen Studien ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Operationen und der Qualität des Behandlungsergebnisses nachgewiesen wird. Deshalb sollten die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung Operationen oder Prozeduren suchen und bestimmen, bei denen ein Zusammenhang zwischen der Zahl der durchgeführten Eingriffe und der Qualität der Leistung in besonderem Maße vorliegt. Die hieraus abzuleitende Mindestanzahl ist - so die Intention des Gesetzgebers - als Voraussetzung für eine qualitativ gute Leistung anzusehen (vgl BT-Drucks 14/6893 S 31). Im Laufe der Beratungen ist dieses zunächst nur als Empfehlung gedachte Instrumentarium (BT-Drucks aaO) einerseits zu einer rechtlich verbindlichen Vorgabe ausgestaltet worden (vgl BT-Drucks 14/7824 S 6 und BT-Drucks 14/7862 S 5), andererseits sind die rechtlichen Folgen wegen befürchteter negativer Auswirkungen auf die Krankenhausplanung und die Aufrechterhaltung der Versorgung in den Ländern (vgl BR-Drucks 3/4/02 S 1 f) auf Initiative des Vermittlungsausschusses (vgl BT-Drucks 14/8362 S 2) dahin abgemildert worden, dass bei einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung Ausnahmen von einer Mindestmengenbestimmung zugelassen werden dürfen (§ 137 Abs 3 S 3 SGB V).

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c) Mit diesem Ansatz muss die Mindestmengenregelung im Gefüge der weiteren Vorschriften zur Qualitätssicherung schon verfassungsrechtlich auf Ausnahmelagen beschränkt bleiben, bei denen die Einflussnahme über die Leistungsmenge Versorgungsvorteile verspricht, die über weniger belastende andere Instrumente der Qualitätssicherung mutmaßlich nicht zu gewinnen sind. Zwar wirkt die Regelung nicht auf die Freiheit der Berufswahl zurück, solange nicht weite Teile der stationären Versorgung von ihr komplett erfasst werden. Auch ist von Verfassungs wegen nichts dagegen zu erinnern, dass das Fallpauschalensystem wirtschaftlich zur Spezialisierung anreizt und daher nicht jede Leistung in jeder Einrichtung in gleicher Weise auskömmlich erbracht werden kann (vgl zu solchen Entwicklungen als mögliche Folge der Umstellung auf das Fallpauschalensystem BT-Drucks 14/6893 S 28); Anspruch auf Finanzierung unwirtschaftlicher Leistungsstrukturen aus den Mitteln der GKV besteht nicht (vgl zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben für vergütungsrechtliche Vorschriften BVerfGE 101, 331, 349 ff, 351). Jenseits dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen Anreize für eine verstärkte Konzentration des Leistungsgeschehens greift eine nur in Grenzen selbst beeinflussbare Mindestmengenvorgabe aber intensiver in die Berufsfreiheit eines Krankenhaues ein als qualitative Anforderungen an die Leistungserbringung, über deren Erfüllung jedenfalls rechtlich jeder Träger autonom selbst entscheiden kann. Solange das angestrebte Qualitätsniveau bei vertretbarem wirtschaftlichen Aufwand durch sonstige Vorgaben der Qualitätssicherung ebenso erreichbar erscheint wie über eine Mindestmengenbestimmung, ist verfassungsrechtlich der Steuerung über das mildere Mittel der verhaltensabhängigen Qualitätsanforderung der Vorzug zu geben. Raum für Mindestmengengrenzen bleibt deshalb jedenfalls aus Gründen der Qualitätssicherung nach Maßgabe von Art 12 Abs 1 GG nur, soweit sie Qualitätsvorteile zu gewährleisten versprechen, die mit vertretbarem Aufwand anderweitig nicht erreichbar erscheinen.

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d) Dasselbe folgt aus der Systematik der Qualitätssicherungsvorschriften, die beginnend mit dem GKVRefG2000 für die stationäre Versorgung eingeführt worden sind. Angefangen von der Kompetenz zur Bestimmung von allgemeinen Anforderungen an die Struktur- und Ergebnisqualität (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG)über die Befugnis zur Begründung von Vorgaben zur indikationsbezogenen Qualität diagnostischer und therapeutischer Leistungen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG)bis zur Ausgestaltung der verpflichtenden einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (§ 135a Abs 2 S 1 iVm § 137 Abs 1 S 3 Nr 1 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 135a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 100 des GMG iVm § 137 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG) sind dem GBA eine Vielzahl von Instrumenten an die Hand gegeben, über die er durch verhaltens- und qualifikationsabhängige Anforderungen auf die Versorgungsqualität im stationären Bereich einwirken kann. Mit der Bündelung sämtlicher dieser Instrumente bei ihm durch das GMG ist insoweit auch funktionell sichergestellt, dass diese unterschiedlichen Ansätze inhaltlich aufeinander abgestimmt werden und jeweils an der Stelle reagiert werden kann, die den angestrebten Erfolg am wirksamsten verspricht. Dazu trägt weiter bei, dass mit der ab dem 1.7.2008 eingeführten externen Qualitätsberichterstattung (§ 135a Abs 2 S 2 iVm § 137a SGB V; seit dem 1.1.2012: § 299 Abs 1 S 1 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 53 bzw Nr 80a Buchst a DBuchst aa des GKV-VStG vom 22.12.2011) zwischenzeitlich auch eine Datengrundlage für entsprechende Maßnahmen aufgebaut wird. Dieses im Laufe der Zeit immer stärker ausdifferenzierte Nebeneinander unterschiedlicher Ansätze zur Qualitätssicherung lässt ebenfalls nur den Schluss zu, dass die Steuerung über Leistungsmengen Anlässen vorbehalten bleiben soll, bei denen sie Vorteile gegenüber anderen Instrumenten der Qualitätssicherung versprechen kann.

40

e) Systematisch kommt der Mindestmengenregelung damit eine Ausnahmestellung in doppelter Hinsicht zu. Auf der einen Seite steht sie zu den sonstigen qualitätssichernden Normen für den stationären Bereich vom Grundsatz her in dem beschriebenen Nachrangverhältnis. Auf der anderen Seite wird sich ein ausreichendes Maß an Erfahrung und Routine vielfach auch ohne gesonderte Steuerung über Mindestmengenvorgaben einstellen. Ein entsprechendes Mindestmaß erfordern schon die berufsrechtlichen Weiterbildungsordnungen als Voraussetzung von Facharztqualifikationen, an die wiederum die Strukturvorgaben in der stationären Versorgung anknüpfen (zutreffend Bohle, GesR 2010, 587). Wo dies nicht ausreicht, wird sich bei dem überwiegenden Teil der Krankenhausleistungen die erforderliche Erfahrung auch ohne rechtliche Regelung schon deshalb ergeben, weil die Leistungen ohnehin in großer Zahl anfallen. Anlass für eine zusätzliche rechtliche Mengensteuerung kann deshalb nach der Regelungssystematik nur bei Versorgungen bestehen, die einerseits vergleichsweise selten anfallen und andererseits wegen ihrer Komplexität, wegen sonstiger fachlicher Anforderungen oder wegen der Folgen bei Diagnose- oder Behandlungsfehlern aus medizinischer Sicht eine regelmäßige Praxis und Übung erfordern, sodass deshalb eine ausdrückliche Regelung angezeigt erscheint.

41

f) Auf diese doppelte Begrenzung der Qualitätssteuerung über Leistungsmengen und nicht auf eine besondere Augenfälligkeit des Zusammenhangs von Menge und Qualität nimmt die Mindestmengenregelung Bezug, soweit sie eine Abhängigkeit von Menge und Qualität "in besonderem Maße" voraussetzt (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V). Ohnehin ist sprachlich unklar, wann im Sinne der angefochtenen Entscheidung eine Kausalität als "besonders" zu qualifizieren ist. Jedenfalls verbietet sich ein rein kausalbezogenes Verständnis schon aus systematischen Gründen. Ob Mindestmengen einen auf andere Weise nicht zu gewinnenden Beitrag zur Qualitätssicherung leisten können, hängt nicht davon ab, wie offen die Kausalität von Menge und Leistungsqualität zu Tage liegt. Entscheidend ist vielmehr, ob ohne Mengensteuerung eine anders nicht aufzufangende Qualitätseinbuße zu besorgen ist. Ein besonderes Maß an Abhängigkeit hat die Leistungsqualität deshalb dann von der Leistungsmenge, wenn sie über die üblichen Vorteile einer jeden ("normalen") Routine und Erfahrung hinausgehend einen auf andere Weise nicht zu erzielenden und der Bedeutung nach wesentlichen ("besonderen") Beitrag für die Qualitätssicherung in der jeweiligen Versorgung bietet.

42

Hierdurch ist die Anwendung der Mindestmengenregelung bereits im Ansatz auf solche Bereiche der stationären Versorgung beschränkt, bei denen sie einen für die Versorgung substantiellen eigenständigen Beitrag zur Verwirklichung des in § 2 Abs 1 S 3 SGB V umschriebenen Versorgungsstandards der GKV gewährleisten kann. Das versteht der Senat - insoweit ebenso wie das LSG - dahin, dass nicht alle Felder der stationären Versorgung einer Qualitätssteuerung über die Leistungsmenge unterworfen sind. Vielmehr sieht er die Anwendung der Regelung auf solche Versorgungsbereiche beschränkt, bei denen vergleichsweise geringe Fallzahlen auf eine hohe medizinische Komplexität mit besonders hohen Anforderungen an die Versorgung und/oder besonders hohen medizinischen Risiken treffen. Nur in solchen Situationen kann die regelmäßige Erfahrung und Routine mit gerade dieser Leistungserbringung neben allen anderen Ansätzen der Qualitätssicherung eine so eigenständige Bedeutung für deren Qualität erlangen, dass sie im Sinne der Mindestmengenregelung als "in besonderem Maße" verantwortlich für die Versorgungsqualität angesehen werden kann. Das deckt sich im Übrigen - ohne dass dies allerdings rechtlich entscheidend wäre - mit dem Verständnis des GBA, der abgesehen von den Mindestmengen bei Kniegelenk-TEP und den ebenfalls beim BSG anhängigen Untergrenzen für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm entsprechende Vorgaben nur noch für fünf weitere Leistungsbereiche getroffen hat, nämlich für Transplantationen von Leber, Niere und Stammzellen sowie für komplexe Eingriffe an Speiseröhre und Bauchspeicheldrüse. Leistungen, die dem gegenüber nach den Fallzahlen oder den Versorgungsanforderungen der Routineversorgung zuzurechnen sind, fallen hingegen schon im Ansatz nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift.

43

7. Eröffnet ist der Gestaltungsspielraum des GBA danach durch die Mindestmengenregelung bei medizinischen Leistungen von hoher Komplexität, bei denen die Versorgungsqualität eine Abhängigkeit von der Leistungsmenge aufweist. Ob ein solcher Zusammenhang vorliegt, unterliegt als Ausgangspunkt seiner Entscheidung uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle, wie das LSG unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG zutreffend entschieden hat (vgl BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26). Das bemisst sich entgegen dessen Auffassung indes nicht nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin. Entscheidend ist vielmehr, ob die Studienlage nach wissenschaftlichen Maßstäben einen solchen Zusammenhang wahrscheinlich machen kann:

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a) Das LSG hat von seinem Normverständnis ausgehend darauf abgestellt, ob im Verhältnis zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität eine "besondere Kausalität" nachzuweisen ist, und hat dazu auf Prinzipien der evidenzbasierten Medizin zurückgegriffen. Das überzeugt schon vom Wortsinn nicht: Ein Kausalzusammenhang kann bestehen oder nicht bestehen, nicht aber in gesteigerter Weise vorliegen. Auch ansonsten statuiert die Norm mit der in besonderem Maße vorausgesetzten Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität - wie bereits dargelegt - keine gesteigerten Nachweisanforderungen. Diese Abhängigkeit ist nicht dann "besonders", wenn sie besonders augenfällig zu Tage tritt. Das Tatbestandsmerkmal beschränkt vielmehr den Anwendungsbereich der Mindestmengenregelung auf Versorgungen, bei denen Fallzahluntergrenzen einen auf andere Weise nicht zu erzielenden und der Bedeutung nach wesentlichen ("besonderen") Beitrag zur Qualitätssicherung in der jeweiligen Versorgung bieten können. Das hängt allein davon ab, ob die Qualität der konkret in Rede stehenden Behandlung - hier: Kniegelenk-TEP - mit anderen Instrumenten der Qualitätssicherung mutmaßlich ebenso beeinflusst werden könnte wie - unterstellt, ein solcher Zusammenhang bestünde - mit Erfahrung und Routine. Erforderlich dazu ist eine medizinische Bewertung unterschiedlicher Qualitätssicherungsansätze. Nicht entscheidend ist dagegen, ob der Nachweis der Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität - wie es das LSG gefordert hat - in kontrollierten Studien nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin geführt werden konnte.

45

b) Dafür besteht im Übrigen auch aus systematischen Gründen kein Anlass. Die methodischen Anforderungen der evidenzbasierten Medizin im Leistungs- und Leistungserbringungsrecht der GKV sind ausgerichtet auf und gerechtfertigt durch die materiellen Anforderungen des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs 1 SGB V, das grundsätzlich eine Versorgung nur mit Leistungen zulässt, die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bieten. Jedenfalls neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§ 135 Abs 1 SGB V; vgl aber nunmehr auch etwa § 137c SGB V) dürfen deshalb von Leistungserbringern nur erbracht und von Versicherten nur beansprucht werden, wenn ihr Erfolg in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl etwa BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN - Immucothel; BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E, jeweils mwN). Verbleiben gemessen an diesen Anforderungen - in der Regel auf der höchsten Evidenzstufe - Zweifel, so geht dies zum Schutz der Patienten vor Gesundheitsrisiken und im Interesse der Versichertengemeinschaft zu Lasten der nicht hinreichend belegten Methode (stRspr, grundlegend BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN - Immucothel; BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E, jeweils mwN).

46

Solche Gründe für gesteigerte Evidenzanforderungen bestehen bei der Mindestmengenregelung nicht. Sie bezweckt für einen engen Bereich medizinischer Leistungen Versorgungsvorteile, soweit die Konzentration der Leistungserbringung auf Einrichtungen mit größerer Erfahrung und Routine auf gerade diesen Feldern ein höheres Maß an Behandlungsqualität erwarten lassen kann. Die Annahme, dass der Gesetzgeber den Versicherten einen solchen Zugewinn an Versorgungssicherheit erst nach dem Abschluss vergleichender Studien der grundsätzlich höchstmöglichen Evidenzstufe zukommen lassen wollte, liegt fern. Vorgaben der Qualitätssicherung dürfen im Patienteninteresse typischerweise auf Risikoabschätzungen gestützt werden, wenn nach sachverständiger Einschätzung begründeter Anlass für die Annahme bestehen kann, dass ansonsten die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse mögliche Versorgungssicherheit (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) gefährdet ist. Das gilt insbesondere, wenn - wie mutmaßlich auch hier (vgl Geraedts, GesR 2012, 263, 264; Wenning, Aktuelle Entwicklungen im Krankenhausrecht 2011, 93, 107; ebenso die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie eV vom 16.7.2004, S 7) - vergleichende Studien mit unterschiedlichen Qualitätssicherungsansätzen praktisch oder aus ethischen Gründen schon im Ansatz undurchführbar sind. Andernfalls würden den Patienten möglicherweise dauerhaft Versorgungsstandards vorenthalten, die - jeweils nach dem Stand der aktuellen Erkenntnis - mit Wahrscheinlichkeit geeignet sind, zu einer relevanten Reduzierung von Versorgungsrisiken beizutragen. Deshalb sind in der Regel ausreichend begründete Maßnahmen der Qualitätssicherung im Patienteninteresse auch dann hinzunehmen, wenn ihre Vorteile nicht durch vergleichende Studien nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin belegt sind. Dass davon die Mindestmengenregelung - zumal angesichts der voraussetzungsgemäß besonderen gesundheitlichen Risiken im Anwendungsbereich der Versorgungen mit hoher medizinischer Komplexität - ausnahmsweise ausgenommen sein sollte, ist augenscheinlich nicht anzunehmen.

47

c) Anders als vom LSG angenommen sind mithin die Nachweisanforderungen der Mindestmengenregelung dann erfüllt, wenn es sich um eine hochkomplexe Leistungserbringung handelt und nach dem Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit die Erwartung berechtigt ist, dass die Güte der Leistungserbringung auch von der Erfahrung und Routine mit der jeweiligen Versorgung beeinflusst ist. Allerdings muss dies mit wissenschaftlichen Belegen untermauert sein. Insofern hat das LSG im Ausgangspunkt zutreffend darauf abgestellt, dass bloß allgemeine Überlegungen oder Expertenmeinungen eine Mindestmengenbestimmung nicht stützen können. Dem steht bereits entgegen, dass sich der Gesetzgeber bei Einführung der Mindestmengenregelung ausdrücklich auf die Studienlage zur Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität gestützt und die Selbstverwaltungspartner deshalb als verpflichtet angesehen hat, entsprechende Leistungen "zu suchen und zu bestimmen" (vgl BT-Drucks 14/6893 S 31); dem kann nur durch Auswertung von qualifizierten Studien Rechnung getragen werden. Demzufolge ist der Gestaltungsspielraum des GBA bei einer Studienlage eröffnet, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität wahrscheinlich macht. Dies ist der Fall, wenn mehr für als gegen einen solchen Ursachenzusammenhang spricht; allein dessen Möglichkeit genügt dagegen nicht (vgl zum Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit stellv BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 20).

48

d) Dem steht anders als vom LSG erwogen auch nicht entgegen, dass der GBA den Verfahrensbeteiligten vor seiner Mindestmengenentscheidung nach der insoweit maßgeblichen Verfahrensordnung eine Zusammenfassung des aktuellen Wissensstandes als "evidenzbasiertes Verfahren" zur Verfügung zu stellen hat (vgl § 3 Abs 2 Nr 1 der MMV vom 20.12.2005, BAnz Nr 43 vom 2.3.2006 S 1373). Durch eine solche Bezeichnung können die dargelegten Nachweisanforderungen nicht beeinflusst werden. Ungeachtet dessen liegt aber auch die Annahme fern, dass die Verfahrensordnung des GBA die gesetzlichen Vorgaben für die Mindestmengenbestimmung korrigieren könnte und dieser deshalb Maßgaben zu befolgen hätte, die über die gesetzlichen Voraussetzungen hinausgehen. Das wäre im Übrigen auch schwerlich von den Kompetenzen gedeckt, die dem GBA vom Gesetzgeber eingeräumt sind.

49

8. Hieran gemessen hat der GBA die tatbestandlichen Voraussetzungen der streitigen Mindestmengenbestimmung zutreffend als gegeben angesehen. Die Kniegelenkendoprothetik stellt eine planbare Versorgung von hoher Komplexität dar, bei der entgegen der Auffassung des LSG ein Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität hinreichend wahrscheinlich ist.

50

a) Wie bereits das LSG kann auch der erkennende Senat offenlassen, wo im Sinne der Mindestmengenregelung im Einzelnen die Grenze zwischen "planbaren" und "nicht planbaren" Leistungen verläuft. Ersichtlich ist mit dieser erst im weiteren Gang der Beratungen hinzugefügten Einschränkung ein Ausgleich dafür bezweckt, dass die Mindestmengen anders als ursprünglich vorgesehen nicht lediglich als Empfehlung, sondern als rechtsverbindliche Leistungsuntergrenze ausgestaltet worden sind (vgl BT-Drucks 14/6893 S 3 sowie BT-Drucks 14/7824 S 6). Offenkundig sollen damit unvorhersehbare Leistungen aus dem Anwendungsbereich der Regelung ausgeschieden sein. Um eine solche Leistung handelt es sich jedenfalls bei der Kniegelenk-TEP nicht. Schon wegen der Schwere des Eingriffs und der nicht unbeträchtlichen Risiken geht ihr regelmäßig eine Entscheidungsphase voraus, die es ausschließt, sie als im Sinne der Mindestmengenregelung als "ungeplant" anzusehen.

51

b) Obwohl die Knietotalendoprothetik mit jährlich zunehmenden Fallzahlen - zuletzt im Jahre 2011 etwa 158 000 künstliche Kniegelenke und damit Rang 18 unter den häufigsten Operationen in Deutschland (Gesundheitsberichterstattung des Bundes , http://www.gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/xwd_init?gbe.isgbetol/ xs_start_neu/&p_aid=i&p_aid=79618056&nummer=666&p_sprache=D&p_indsp=-&p_aid= 64337088, recherchiert am 5.12.2012) - zwischenzeitlich eine Standardversorgung bei degenerativen Kniegelenkerkrankungen bildet, ist sie im Hinblick auf die operativen Anforderungen und die Folgen bei Komplikationen den hochkomplexen Versorgungen zuzurechnen, bei denen eine Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge als "besonders" anzusehen und deshalb die Einbeziehung in das Mindestmengenprogramm nach der Intention des Gesetzgebers gerechtfertigt ist.

52

aa) Bedingt durch die komplexen biomechanischen Verhältnisse am Kniegelenk sind schon die operativen Anforderungen der Kniegelenk-TEP hoch (vgl dazu etwa Lüring/Bäthis/Tingart/Perlick/Grifka, DÄ 2005, A 2320 ff, 2324; Heller/Matziolis/König/Taylor/Hinterwimmer/ Graichen/Hege/Bergmann/Perka/Duda, Der Orthopäde 2007, 628 ff; Briard/Witoolkollachit/Lin, Der Orthopäde 2007, 635 ff; jeweils mwN). Dies drückt sich auch in anhaltenden fachwissenschaftlichen Kontroversen zu Vor- und Nachteilen einzelner Operationstechniken aus (vgl etwa zum minimalinvasiven Eingriff und zur navigierten Kniegelenk-TEP Pietsch/Djahani/Hofmann, Der Orthopäde 2007, 1120 ff; Lüring/Tingart/Beckmann/Perlick/Grifka, Der Orthopäde 2007, 1143 ff; Kappe/Flören/Bieger/Reichel, Der Orthopäde 2011, 726 ff, 727; Bertsch/Holz/Konrad/ Vakili/Oberst, Der Orthopäde 2007, 739 ff; jeweils mwN). Besonderes Augenmerk und interdisziplinäre Anstrengungen verlangt auch die Infektionsprophylaxe (vgl etwa Wodtke/Löhr, Der Orthopäde 2008, 257 ff). Verfahren der computerbasierten Unterstützung bei der Implantatpositionierung sind mit hohen Kosten verbunden und kommen nicht überall zum Einsatz (vgl Lüring ua, ebenda A 2320 ff). Übersicht verlangt auch die Beurteilung der Implantate mit ihren Eigenschaften im Allgemeinen und für die Versorgung im Einzelfall. Besondere Anforderungen stellen sich schließlich bei der anteilsmäßig zunehmenden Versorgung jüngerer Patienten, nicht zuletzt wegen des noch immer zeitlich begrenzten Bestands künstlicher Kniegelenke (vgl Eichinger/Forst/Kindervater, Der Orthopäde 2007, 311 ff). Obwohl nicht nur in diesem Zusammenhang die korrekte Indikationsstellung als wichtiges qualitätssicherndes Merkmal angesehen wird, gelten die daraus sich ergebenden Anforderungen als nicht durchweg erfüllt; bei älteren Patienten und in Kliniken mit höheren Fallzahlen wird die Qualität der Indikationsstellung vielmehr als besser erachtet (vgl Schräder/Boy/Schleiz/Dienst/Reinert/ Sänger/Schauwecker/Siebert/Scharf, Der Orthopäde 2008, 1016 ff, 1025; erstmals für das Jahr 2009 wird über eine angemessene Indikationsstellung bei 90 % der Versorgungen berichtet, vgl Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH - AQUA - Qualitätsreport 2009, S 120). Auf Schwierigkeiten bei der Versorgung selbst deuten schließlich jüngste Erhebungen hin, nach denen die Revisionslast für Knieprothesen in Deutschland höher als in der Schweiz und den USA ist (vgl Ewerbeck, Der Orthopäde 2011, 205; Falbrede/Widmer/Kurtz/Schneidmüller/Dudda/Röder, Der Orthopäde 2011, 793 ff, 794).

53

bb) Gesteigert sind die daraus sich ergebenden Anforderungen zusätzlich im Hinblick auf die zT gravierenden Folgen bei Komplikationen, die erhebliche und nachhaltige Einschränkungen der Lebensqualität der betroffenen Patienten und darüber hinaus beträchtlichen wirtschaftlichen Auswirkungen für die GKV wie für die gesamte Volkswirtschaft und andere soziale Sicherungssysteme mit sich bringen können. In 1 % bis zu 3 % der versorgten Fälle treten nach medizinischer Einschätzung Kniegelenkinfektionen als Operationsfolge ein, die in Einzelfällen Knieversteifungen und Amputationen nach sich ziehen können und jedenfalls erheblich belastende, komplizierte, langwierige und deshalb auch kostenaufwändige Nachversorgungen erforderlich machen (vgl Friesecke/Wodtke, Der Orthopäde 2006, 937 mwN). Weichteildefekte und Instabilität bilden weitere schwierig zu beherrschende und die Patienten erheblich belastende Komplikationen, die in beträchtlichem Umfang Revisionseingriffe nach sich ziehen (vgl etwa Perka/Tohtz/ Matziolis, Der Orthopäde 2006, 136 ff; Kovacs/Zimmermann/Juhnke/Taskov/Papadopulos/Biemer, Der Orthopäde 2006, 162 ff; Graichen/Strauch/Katzhammer/Zichner/von Eisenhart-Rothe, Der Orthopäde 2007, 650 ff; Schnabel/Borelli, DÄ 2011, A 2598 f). Auch sonst fällt die Rate unzufriedener Patienten mit bis zu 23 % nicht gering aus, wenn sie auch teilweise durch unrealistische - und darin von den Behandlern offenbar nicht korrigierte - Erwartungen vor allem bei jüngeren Patienten mitbedingt sein mag (vgl Perka ua, ebenda S 136; Graichen ua, ebenda S 650; jeweils mwN).

54

cc) Dass schließlich nicht zuletzt die Ärzteschaft selbst die Komplexität und Risiken der Knieendototalprothetik keinesfalls unterschätzt, hat sich jüngst beispielhaft an der zumindest auch von ihr maßgeblich betriebenen Gründung eines nationalen Endoprothesenregisters erwiesen. Initiiert durch die DGOOC ist unter Beteiligung des AOK-Bundesverbands, des Verbands der Ersatzkassen eV, des Bundesverbands Medizintechnologie eV und des BQS als gemeinnützige Gesellschaft die Endoprothesenregister Deutschland EPRD gGmbH gegründet worden, die auf freiwilliger Basis Referenzdaten zur Versorgungsqualität, Patientensicherheit und Wirksamkeit von Endoprothesen sammeln soll (vgl Deutsches Endoprothesenregister, Registerprotokoll S 2 f, http://www.eprd.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/eprd_registerprotokoll_1_0.pdf, recherchiert am 3.12.2012). Dieser Schritt wird als notwendig angesehen, weil derzeit verlässliche Daten über die Ursachen der mit den steigenden Fallzahlen bei Primärimplantaten zunehmenden Zahl von Wechseloperationen nicht verfügbar sind. Hierdurch soll es zudem ermöglicht werden, die aktuell erreichte Qualität in der Endoprothetik flächendeckend darzustellen (ebenda S 3). Auch dies erweist anschaulich die herausgehobene Komplexität der Knieendototalprothetik, die nach der mit der Regelung verfolgten gesetzgeberischen Intention ihre Einbeziehung in das Mindestmengenregime jedenfalls dem Grunde nach rechtfertigt.

55

c) Insoweit macht schließlich die Studienlage zur Kniegelenk-TEP, die das BSG als generelle Tatsache ohne die Beschränkung des § 163 SGG selbst zu bewerten vermag(stRspr, vgl BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26 f; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 18; BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, RdNr 19; BSG SozR 4-3851 § 60 Nr 4 RdNr 30 f), einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität hinreichend wahrscheinlich. Nach den Studien von IQWiG und BQS spricht zur Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung der Literatur und der vom GBA eingeholten Stellungnahmen mehr für als gegen einen solchen Zusammenhang.

56

aa) Das gilt entgegen der Auffassung des LSG in besonderem Maße zunächst für die Studie des IQWiG. Zwar konnte mit dieser Untersuchung von gut 90 000 bzw 110 000 Versorgungen mit Kniegelenk-TEP aus den Jahren 2003 und 2004 entgegen der mit dem Auftrag verbundenen Erwartungen kein klarer Mindestmengen-Schwellenwert abgeleitet werden (IQWiG, Entwicklung und Anwendung von Modellen zur Berechnung von Schwellenwerten bei Mindestmengen für die Knie-Totalendoprothese, Abschlussbericht vom 5.12.2005 S 44). Jedoch zeigten sich sowohl bei dem Risikofaktor "Unbeweglichkeit" (keine ausreichende postoperative Beweglichkeit) als auch dem Risikofaktor "Infektion" (postoperative Wundinfektion) Zusammenhänge zwischen Fallzahl und Qualität, die ein entsprechendes Abhängigkeitsverhältnis wahrscheinlich machen. Demgemäß fand sich beim Qualitätsmerkmal Beweglichkeit eine U-förmige Beziehung von Leistungsmenge und Komplikationen, nach der das Risiko einer unzureichenden postoperativen Beweglichkeit in Einrichtungen mit mittleren Fallzahlen (zwischen 50 bis 600) geringer war als bei Kliniken mit sehr geringen (bis unter 50) oder sehr hohen (über 600) Fallzahlen (ebenda S 21 ff, S 29 ff). Ebenso zeigte sich beim Risikofaktor Infektion ein wenn auch nicht so ausgeprägter und nur sehr langsam ansteigender Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität (ebenda S 31 ff, S 29 ff); mit einer relevanten Qualitätsverbesserung in diesem Punkt wurde erst bei Fallzahlen von über 400 Versorgungen/Jahr gerechnet (ebenda S 42). Zusammenfassend gelangte das IQWiG jedoch dazu, dass für die untersuchten Risiken ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Fallzahl und dem entsprechenden Risiko statistisch nachzuweisen ist (ebenda S 44). Das unterstütze "die Hypothese, dass es bei der Knie-TEP einen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität" gibt (ebenda S 45). Zu einem vergleichbaren Ergebnis war zuvor bereits die BQS im Rahmen der vom GBA in Auftrag gegebenen Sonderauswertung für die Jahre 2002 und 2003 bei gut 71 000 Fällen gelangt. Auch sie fand signifikante Unterschiede zwischen Krankenhäusern mit unterschiedlichen Fallzahlen, nämlich für die Qualitätsindikatoren postoperative Beweglichkeit, postoperative Wundinfektion, Reintervention wegen Komplikation sowie Letalität (BQS, Sonderauswertung Knie-Totalendoprothese: Untersuchung auf Abhängigkeit von Fallzahl und Qualität der Leistung vom 9.8.2004, S 13 ff).

57

bb) Unterstützung findet dieses Ergebnis auch im Schrifttum. Schon die von der Geschäftsstelle des GBA ausgewertete Literatur für den anglo-amerikanischen Bereich über Versorgungen aus den 1980er und 1990er Jahren legt nahe, dass im Bereich der Knietotalendoprothetik ein Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität besteht (Beschlussvorlage "Ergebnisse der AG Mindestmengen" - Beratungen des Antrages "Knie TEP" vom 20.8.2004 S 7 f). Ähnlich wird die Studienlage auch von anderen Autoren bewertet (vgl etwa Schräder/Grouven/Bender, Der Orthopäde 2007, 570, 573; wenn auch verhaltener, aber im Sinne einer Tendenz zur Ergebnisverbesserung ebenfalls Geraedts/de Cruppé/Blum/Ohmann, DÄ 2008, 890, 895). Zuletzt fand ebenso das IQWiG im Rahmen einer vom GBA beauftragten Auswertung von Studien über die Auswirkungen von Mindestmengengrenzen bei drei deutschen Studien statistisch signifikante Ergebnisse bezüglich der Zielgröße Morbidität bei der Kniegelenk-TEP (IQWiG, Rapid Report V11-01 Version 1.0, Evidenz zu Auswirkungen der Mindestmengenregelung nach § 116b SGB V, Stand 29.5.2012, S 86 f, S 120 f). Darauf hat ebenso die DGOOC in ihrer Stellungnahme im Rahmen der Anhörung durch den GBA verwiesen (ebenda S 4 ff).

58

cc) Unbeachtlich ist der hierdurch wahrscheinlich gemachte Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität entgegen der Auffassung des LSG auch nicht deshalb, weil das IQWiG den von ihm ausgewerteten Daten selbst keine ausreichende Evidenz für eine "automatische" Qualitätsverbesserung beigemessen hat und es daraus auch keinen klaren Schwellenwert für eine Mindestmenge für die Kniegelenk-TEP ableiten konnte (IQWiG-Abschlussbericht, S 44). Ein "wissenschaftlicher Nachweis" ist - wie bereits dargelegt und anders als vom IQWiG angenommen (ebenda S 45) - eben keine Voraussetzung der Mindestmengenbestimmung. Nach dem hier maßgebenden Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit darf der GBA von einer Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge vielmehr dann ausgehen, wenn mehr für als gegen diesen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (stRspr, vgl etwa BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 20). Bedenken von solchem Gewicht gegen die vom IQWiG erhobenen und auch im Schrifttum nicht grundsätzlich angezweifelten Feststellungen kann der Senat indes auch unter Berücksichtigung der vom IQWiG angeführten Einwände gegen die Datenlage (ebenda S 43) nicht erkennen.

59

dd) Das gilt ebenso für den Umstand, dass die Studienlage eine klare Ableitung von Mindestmengen-Schwellenwerten nicht erlaubt. Dies besagt nicht, dass der vom Gesetz vorausgesetzte Zusammenhang zwischen Fallzahlen und Versorgungsqualität grundsätzlich nicht besteht. Darin drückt sich vielmehr nur aus, dass verschiedene Qualitätsparameter - wie etwa die Vermeidung postoperativer Infektionen - in unterschiedlichem Maße von steigenden Fallzahlen profitieren oder - wie die Einschränkung der Beweglichkeit - ab einem oberen Fallzahlvolumen auch negativ beeinflusst sein können. Dass ein solcher Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit gegeben ist, ist deshalb aber nicht in Zweifel zu ziehen. Daraus folgt im Gegenteil, dass die Bestimmung von Mindestmengen nicht allein Gegenstand wissenschaftlicher Ableitung sein kann. Besteht bei unterschiedlichen Qualitätsparametern mit Wahrscheinlichkeit eine jeweils anders geartete Beziehung zur Leistungsmenge, wie hier vom IQWiG angenommen, dann ist die Schwellenwertbestimmung eine Aufgabe der medizinischen Bewertung unterschiedlicher Risiken und möglicher Zielkonflikte bei unterschiedlichen Qualitätsmaßnahmen. Das aber ist keine Frage der Tatbestandsvoraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Vielmehr obliegt es später dem GBA, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen und entsprechende Wertungen vorzunehmen, soweit die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen seines Gestaltungsspielraums eröffnet sind.

60

9. Die hierbei zu beachtenden verfahrensrechtlichen Anforderungen sind entgegen der Bedenken des LSG gewahrt.

61

a) Wie auch das LSG nicht in Zweifel zieht, hat der GBA die im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Betroffenenpartizipation durch Gesetz und seiner eigenen Verfahrensvorgaben (vgl § 3 MMV 2003) ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte gewahrt. Dadurch wird sichergestellt, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 34). Der dargestellte Ablauf der Beratungen, die Beteiligung sowohl der BQS als auch des IQWiG, die Diskussion der Auswirkungen unterschiedlicher Mindestmengen-Schwellenwerte für die Versorgung sowie die Einholung von Stellungnahmen bei betroffenen Fachverbänden belegen anschaulich sein formal korrektes Vorgehen.

62

b) Dies gilt entgegen der Bedenken des LSG auch im Hinblick darauf, dass zum Zeitpunkt der Mindestmengenentscheidung vom 16.8.2005 der Abschlussbericht des IQWiG vom 5.12.2005 noch nicht vorgelegen hat. Dabei kann offenbleiben, wie es verfahrensrechtlich zu bewerten wäre, wenn der GBA den Abschlussbericht des IQWiG im Rahmen seiner Entscheidungsfindung vollständig unberücksichtigt gelassen hätte. Dies war jedoch entgegen der Auffassung des LSG nicht der Fall: Die Beschlussfassung vom 16.8.2005 war dadurch bestimmt, dass die Entscheidung über die Einführung einer Mindestmenge nach der insoweit maßgeblichen Verfahrensordnung der MMV 2003 bis zum 31. August eines jeden Jahres zu treffen war. Sie wurde deshalb auch mit dem Vorbehalt versehen, sie im Lichte der Ergebnisse des IQWiG neu zu bewerten. Gelegenheit dazu bestand im Rahmen der Sitzung vom 20.12.2005, in der die DKG den Antrag eingebracht hatte, den Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 auszusetzen. Dies ist mehrheitlich vom GBA abgelehnt worden. Der Senat geht davon aus, dass in diesem Zusammenhang die Ergebnisse des IQWiG in ausreichendem Umfang gesichtet und bewertet worden sind, sodass sie zu diesem Zeitpunkt nachträglich in die Entscheidungsfindung einbezogen worden sind.

63

c) Verfahrensrechtlich bedurfte es dazu entgegen der Auffassung des LSG auch keiner gesonderten Begründung. Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat, besteht für den Normgeber grundsätzlich keine Begründungspflicht (stRspr, vgl nur BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 44; BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 29). Etwas anderes gilt hier nicht deshalb, weil der GBA - wie das LSG meint - eine Stellungnahme des IQWiG iS von § 139b Abs 4 S 2 SGB V unberücksichtigt gelassen hat. Dabei kann offenbleiben, ob hierdurch eine formelle Begründungspflicht begründet wird, wie es das LSG aus einer Entscheidung des 1. Senats des BSG abgeleitet hat (Verweis auf BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 82). Denn der GBA ist nicht im Sinne dieser Vorschrift von einer Empfehlung des IQWiG abgewichen. Er konnte dessen Untersuchung vielmehr - wie bereits - dargelegt in rechtlich nicht zu beanstandender Weise entnehmen, dass im Bereich der Knieendoprothetik mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität besteht. Dass das IQWiG weitergehende Studien als Voraussetzung für eine konkrete Mindestmengenregelung für erforderlich gehalten hat, war im Hinblick auf die Frage eines möglichen Begründungszwangs unbeachtlich.

64

10. Mangels näherer Tatsachenfeststellungen ist dem Senat in der Sache indes eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Insbesondere ist nicht ausreichend zu beurteilen, von welchen Annahmen und Erwägungen der GBA sich bei der Festlegung der im Streit stehenden Mindestmenge hat leiten lassen, warum er andere Gestaltungsmöglichkeiten außer Betracht gelassen hat und ob er demgemäß von seinem Entscheidungsspielraum sachgerecht Gebrauch gemacht hat. Feststellungen hierzu hat das LSG nachzuholen; der GBA hat dabei im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten mitzuwirken und seine Mindestmengenentscheidung ggf auch nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen nachzubessern.

65

a) Ist dem GBA die Kompetenz zur Normgebung - wie hier - tatbestandlich eröffnet, beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in der Sache darauf, ob die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 9, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, RdNr 25 - Basistherapeutika bei Neurodermitis; ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 67 - Therapiehinweise). Nach diesem Maßstab stehen dem GBA bei Bestimmung des konkreten Mindestmengenschwellenwerts Spielräume zu. Nachvollziehbar ist von Seiten des IQWiG im Vorfeld seiner Gutachtenserstellung darauf hingewiesen worden, dass bei Mengen-Qualitäts-Beziehungen eher mit kontinuierlichen Entwicklungen als mit abrupten Sprüngen zu rechnen ist (vgl Tischvorlage von PD Dr. Bender für die Sitzung des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" des GBA vom 11.2.2005, S 1). Bei solchen kontinuierlichen Verläufen, wie sie das IQWiG auch hier vorgefunden hat, werden an den Grenzen möglicher Mindestmengen - wenn überhaupt - allenfalls geringe Qualitätsunterschiede bestehen, hier also etwa bei Krankenhäusern mit 49 Kniegelenk-TEP einerseits und 50 solcher Operationen andererseits. Das stünde einer Regelung indes nicht grundsätzlich entgegen. Typisierungen und Generalisierungen sind vielmehr mit einer Normgebung vielfach verbunden und auch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden; Härten im Einzelfall könnten dabei hinzunehmen sein. Anders als es bei Beauftragung des IQWiG möglicherweise der Vorstellung des GBA entsprach, besteht die Befugnis zur Bestimmung von konkreten Mindestmengen deshalb nicht nur dann, wenn sich bei Mengen-Qualitäts-Beziehungen klare Schwellenwerte mit jeweils deutlich unterschiedlichen Qualitätsstufen zeigen ("treppenförmiger Verlauf"). Im Rahmen seines Gestaltungspielraums darf der GBA vielmehr auch beim Fehlen von eindeutigen Schwellenwerten typisierend Mindestmengen festsetzen; die jeweilige Grenzziehung bedarf dann indes einer nachvollziehbaren Begründung.

66

b) Im Rahmen der Feststellung von konkreten Mindestmengen-Schwellenwerten wird sodann zu ermitteln sein, welche Auswirkungen diese für die Versorgungssituation mit Kniegelenk-TEP im Allgemeinen haben; zudem ist zu prüfen, wie die zu erwartenden Versorgungsvorteile bei unterschiedlichen Mindestmengen in medizinischer Hinsicht zu bewerten sind und ob anzunehmen ist, dass diese Vorteile durch andere Instrumente der Qualitätssicherung voraussichtlich bei zumutbarem Aufwand mutmaßlich nicht zu erreichen sind. Mit Blick auf größere Divergenzen bei den infrage kommenden Schwellenwerten - wenn es etwa um 20 oder aber um 50 Operationen pro Jahr geht - wird ein höherer Schwellenwert im Allgemeinen nur zu rechtfertigen sein, wenn dem auch entsprechende Vorteile für die Versorgung gegenüber stehen. Im vorliegenden Fall dürfte deshalb zu ermitteln sein, welche statistischen Versorgungsvorteile eine höhere Mindestmenge bringt, worauf sich dies stützt und inwieweit dem medizinische Relevanz zukommt. Ist danach ein solcher Vorteil plausibel und wahrscheinlich, liegt es allerdings im Normsetzungsermessen des GBA, dies medizinisch zu bewerten. Den Gerichten ist es dagegen verwehrt, insoweit ihre eigene Einschätzung an die Stelle des GBA zu setzen, wie etwa hier das LSG in Bezug auf die Relevanz der vom GBA erwarteten Reduzierung des Infektionsrisikos bei einer Mindestmenge von 50 zu verstehen sein könnte.

67

c) Zu beachten ist weiterhin die Auswahl der "richtigen" Qualitätsparameter, die der Folgenabschätzung zu Grunde gelegt werden sollen. Der GBA hat hier mit den Kriterien "Unbeweglichkeit" und "Infektion" zwei wesentliche Parameter für die Bemessung der Versorgungsqualität bei der Kniegelenk-TEP gewählt, andere hingegen nicht berücksichtigt. Jedoch zeigt sich schon an den hierzu gefundenen Ergebnissen, dass unter verschiedenen Qualitätsparametern Zielkonflikte bestehen können, die eine divergierende Mengenbetrachtung veranlassen könnten. Deshalb werden sich sowohl die vorbereitenden Untersuchungen als auch die Mindestmengenbestimmung selbst grundsätzlich regelmäßig an der Gesamtheit aller Parameter zu orientieren haben, die aus sachverständiger medizinischer Sicht als klinisch erhebliche Qualitätszeichen anzusehen sind (vgl beispielhaft Geraedts/Ohmann/Blum/Müller, Abschlussbericht zur Begleitforschung zur Einführung von Mindestmengen gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V für den Zeitraum 1.12.2005 - 30.11.2007, Dezember 2007, S 67 f mit Anlage 19, zur Kniegelenk-TEP S 14). Das schließt nicht aus, dass unter den in Betracht kommenden Prüfkriterien eine Auswahl getroffen wird. Diese wird regelmäßig aber nur dann der rechtlichen Überprüfung standhalten können, wenn nachvollziehbar angenommen werden kann, dass die Bandbreite der möglichen Qualitätsparameter durch die getroffene Auswahl angemessen repräsentiert wird.

68

d) Ungeachtet einer konkreten Mindestmengenbestimmung besteht bei kontinuierlichen Verläufen darüber hinaus besonderer Anlass, über die Einführung von Ausnahmetatbeständen iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V zu befinden. Diese dem GBA ausdrücklich eingeräumte Kompetenz zielt offenkundig darauf, typisierungsbedingte Härten der Mindestmengenregelung abzumildern. Deshalb kann es nahe liegen, bei Erfüllung vom GBA im Einzelnen festzulegender Qualitätsanforderungen auch Einrichtungen in einem zu bestimmenden Korridor unterhalb der festgesetzten Mindestmenge die Teilnahme an der betroffenen Versorgung zu ermöglichen. Dies könnte auch etwaigen Fehlanreizen entgegen wirken, Fallzahlen im Hinblick auf die Mindestmengenregelung möglichst auszuweiten. So ist zB zu erwägen, ob nicht solche Ausnahmeregelungen, die in der Vergangenheit bereits erfolgreich vom GBA praktiziert worden sind (vgl die Zulassung von Krankenhäusern mit "guter Qualität" - BAnz Nr 204 vom 27.10.2005 S 15659), auch in Zukunft - zumindest ergänzend - als Qualitätsmarker herangezogen werden können, um eine strikte Mindestmengenbegrenzung zu vermeiden oder ihre Folgen für einzelne Krankenhäuser abzumildern.

69

e) Schließlich wird zu bedenken sein, ob eine gemäß den vorstehenden Ausführungen ermittelte Mindestmenge einrichtungs- oder arztbezogen anzuwenden ist. Die Vorschrift des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V selbst lässt beides zu. Die Entscheidung zwischen diesen Alternativen liegt weitgehend im pflichtgemäßen Gestaltungsermessen des GBA.

70

11. Die weitere Aufklärung der offenen Fragen vom Revisionsgericht nachzuholen, erscheint untunlich (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Deshalb wird im wiedereröffneten Verfahren das LSG - durch einen für die allgemeine Krankenversicherung zuständigen Senat - in eigener Verantwortung zu prüfen haben, ob die Entscheidung des GBA auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage beruht und den aufgezeigten rechtlichen Maßstäben gerecht wird. Sollte das LSG dabei wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass die im Streit stehende Mindestmengenbestimmung rechtswidrig ist, wird es zu beachten haben, dass die von ihm behauptete Normverwerfungskompetenz im sozialgerichtlichen Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs von § 55a SGG nicht besteht. Es erscheint auch kaum wahrscheinlich, dass eine im Verhältnis zwischen Leistungserbringer und GBA getroffene gerichtliche Feststellung von den übrigen GKV-Beteiligten nicht berücksichtigt wird. Die vom LSG insoweit geäußerte Befürchtung ist unbegründet, wie auch der Aussetzungsbeschluss des GBA vom 15.9.2011 (BAnz Nr 157 vom 18.10.2011 S 3637) zeigt.

71

12. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

72

13. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 GKG. Ausgehend von dem von der Klägerin angegebenen Umsatz von 364 000 Euro bei 50 Kniegelenk-TEP pro Jahr bemisst der Senat ihr wirtschaftliches Interesse an ihrem Rechtsschutzziel, solche Operationen in dem bis dahin geübten Umfang auch unterhalb der Mindestmengenschwelle von 50 Operationen im Jahr durchführen zu dürfen. Bei nur 30 solcher Operationen wie zuletzt im Jahr der mündlichen Verhandlung vor dem LSG folgt daraus auf drei Jahre bemessen der Betrag von 655 200 Euro (= 364 000 : 50 x 30 x 3).

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2 500 000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die klagenden Krankenhausträger und der beklagte Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) streiten über die Festsetzung der Mindestmenge jährlich in Perinatalzentren der obersten Kategorie zu behandelnder sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener auf 14.

2

Der Beklagte nahm sehr geringgewichtige Früh- und Neugeborene zunächst nicht in die Mindestmengenvereinbarung (, seit 1.1.2012: Mindestmengenreglungen ) auf (zur Vorgeschichte und weiteren Einzelheiten vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 1-2). Er beschloss aber die "Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen" (sog NICU-Vereinbarung vom 20.9.2005; seit 1.1.2014: Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen ) und legte später aufgrund eines von ihm beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Auftrag gegebenen Literaturevidenzberichtes (14.8.2008) fest, dass bei Perinatalzentren der obersten Kategorie (Level 1: Früh- und Neugeborene mit einem Gewicht <1250 g und/oder <29+0 Schwangerschaftswoche; im Folgenden: Level-1-Zentren) das Zeitintervall zwischen den Aufnahmen solcher Geburten in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich weniger als 30 Tage zu betragen habe (Beschluss vom 18.12.2008 zur Änderung der NICU-Vereinbarung). Er ersetzte ab 1.1.2010 diese Zeitintervallregelung ("Regelmäßigkeitszahl") durch eine Mindestmengenregelung, bestimmte für Level-1-Zentren eine Mindestmenge von 14 Geburten Früh- und Neugeborener mit einem Gewicht <1250 g (im Folgenden: Level-1-Geburten) und änderte die MMV sowie die NICU-Vereinbarung (Beschluss vom 20.8.2009, BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450). Er erhöhte mit Wirkung zum 1.1.2011 die Mindestmenge der Level-1-Geburten auf 30 (Beschluss vom 17.6.2010, BAnz Nr 123 vom 18.8.2010 S 2840). Mit Beschlüssen vom 16.12.2010 (BAnz Nr 200 vom 31.12.2010 S 4480) und vom 19.1.2012 (BAnz Nr 17 vom 31.1.2012 S 358) setzte er die Erhöhung der Mindestmenge von 14 auf 30 außer Vollzug. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 18.12.2012 (BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2) das in einem anderen Rechtsstreit ergangene LSG-Urteil im Ergebnis bestätigt, dass die Regelung über die Mindestmenge 30 nichtig ist; im Übrigen hat er die Rechtmäßigkeit der Mindestmenge 14 bejaht.

3

Die nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser der Kläger verfügen über Level-1-Zentren und behandeln dort Level-1-Geburten. Das LSG hat auf die unmittelbar gegen die Festsetzung der Mindestmenge auf 14 (Beschluss vom 20.8.2009) und ihre Erhöhung auf 30 Level-1-Geburten (Beschluss vom 17.6.2010) gerichteten Klagen der Kläger getrennt (Beschluss vom 21.12.2011), nur die Rechtmäßigkeit der Erhöhungsregelung geprüft und deren Nichtigkeit festgestellt (Urteil vom 21.12.2011 - L 7 KA 77/10 KL; Revision des Beklagten - anhängig gewesen unter B 3 KR 15/12 R - zurückgenommen am 23.5.2013). Die Kläger haben danach die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses vom 20.8.2009 fortgeführt, soweit dort der Beklagte die Mindestmenge auf 14 Level-1-Geburten festgesetzt hat (jetzt einziger Regelungsgegenstand der Anlage 1 Nr 8 Mm-R). Das LSG hat unter weitgehender inhaltlicher Bezugnahme auf das Urteil des erkennenden Senats vom 18.12.2012 die Klagen abgewiesen (Urteil vom 16.1.2015).

4

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 und S 2 SGB V, auch iVm § 108 SGB V, der Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1, Art 12 Abs 1, Art 14 Abs 1, Art 19 Abs 4, Art 20 und Art 28 Abs 2 GG, 1. Kapitel § 5 Abs 4 Verfahrensordnung des Beklagten (VerfO), § 13 Abs 2 Geschäftsordnung des Beklagten (GO), § 3 Abs 2 Nr 1 und 2 Mm-R sowie des § 128 Abs 1 S 1 SGG. Der Beklagte und das LSG seien von einem unrichtigen Verständnis der Tatbestandsmerkmale des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 und S 2 SGB V ausgegangen. Der Beklagte habe es versäumt, Ausnahmeregelungen zu schaffen. Das LSG habe die mangelnde Normsetzungskompetenz des Beklagten und zudem Verfahrensverstöße im Normsetzungsverfahren nicht beachtet. Die Mindestmengenregelung verletze einzelne Kläger auch in ihren Grundrechten. Das LSG habe zudem die Grenzen freier Beweiswürdigung verletzt.

5

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Januar 2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Mindestmengenregelung des Beklagten für Früh- und Neugeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1250 g gemäß Beschluss vom 20. August 2009 in der Fassung des Beschlusses vom 17. Juni 2010 nichtig ist,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Januar 2015 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der klagenden Krankenhausträger ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat auf die statthaften und zulässigen Normfeststellungsklagen (dazu 1.) zutreffend festgestellt, dass die Festsetzung der Mindestmenge für Level-1-Zentren mit Wirkung vom 1.1.2010 auf 14 Level-1-Geburten je Krankenhaus und Jahr durch den beklagten GBA rechtmäßig ist (dazu 2.). Die dagegen erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (dazu 3.).

9

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die unmittelbar gegen die als verbindliche (vgl § 91 Abs 6 SGB V idF durch Art 2 Nr 14 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378, mWv 1.7.2008), außenwirksame, untergesetzliche Rechtsnorm ergangene Festsetzung der Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten je Krankenhaus und Jahr (Anlage 1 Nr 8 der Regelungen des Beklagten gemäß § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser idF des Beschlusses des Beklagten vom 20.8.2009, BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450 und der Nr I. 2. und 3. des Beschlusses vom 17.6.2010, BAnz Nr 123 vom 18.8.2010 S 2840; im Folgenden: Anlage 1 Nr 8 Mm-R; ursprünglich ergangen als Anlage 1 Nr 8.1 der Vereinbarung des Beklagten gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser) erhobene Normenfeststellungsklage ist nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG iVm Art 19 Abs 4 GG statthaft(vgl dazu insgesamt BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 11 bis 14; s ferner BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 22).

10

Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Die Kläger sind klagebefugt für die begehrte Feststellung, dass die Festsetzung der Mindestmenge auf 14 Level-1-Geburten je Krankenhaus und Jahr nichtig ist (§ 55 Abs 1 Halbs 1 Nr 1 iVm § 54 Abs 1 S 2 SGG). Die Kläger sind in eigenen Rechten betroffen. Die begehrte Feststellung ist auf ein Rechtsverhältnis gerichtet (§ 55 Abs 1 Halbs 1 Nr 1 SGG), in dem die Kläger eigene, für einige von ihnen grundrechtlich (Art 3 Abs 1, Art 12 Abs 1 GG), jedenfalls aber für alle einfachrechtlich (§ 108 iVm § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V) geschützte Belange geltend machen können. Eine Rechtsverletzung ist nicht ausgeschlossen. Sie können als nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser durch die Festsetzung der Mindestmenge beschwert sein. Die Prognose ist aufgrund ihrer bislang erbrachten Leistungen nicht hinreichend sicher, dass sie auch unter Berücksichtigung möglicher größerer Schwankungen im Behandlungsaufkommen voraussichtlich die Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten auch in Zukunft verlässlich erreichen bzw überschreiten werden (Durchschnittsfallzahl der Level-1-Geburten pro Jahr im Zeitraum 2010 bis 2014: Klägerin zu 1: 20,6; Kläger zu 2: 25,2; Klägerin zu 3: 20,6; Klägerin zu 4: 22,4; Klägerin zu 5: 19,8; Kläger zu 6: 18,4; Klägerin zu 7: 15,0; Klägerin zu 8: 22,8; Klägerin zu 9: 15,0). Erfüllen sie die Mindestmenge in einem laufenden Kalenderjahr nicht mehr, sind sie - unabweisbare Notfälle ausgenommen - infolge negativer Prognose von der weiteren Leistungserbringung im Folgejahr ausgeschlossen (vgl BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 52 ff; vgl auch BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 16; zur nicht erforderlichen Feststellung, dass die Kläger die Voraussetzungen der Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene - QFR-RL erfüllen, vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 18). Die Kläger sind schließlich auch nicht aufgrund eines Bescheides der zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs 3 S 3 SGB V zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung berechtigt, trotz (voraussichtlichen) Nichterreichens der Mindestmenge gleichwohl Level-1-Geburten zu behandeln.

11

Die Rechtskraft des LSG-Urteils vom 21.12.2011 (L 7 KA 77/10 KL) steht einer Überprüfung der Anlage 1 Nr 8 Mm-R hinsichtlich der ursprünglichen Festlegung der Mindestmenge auf 14 Level-1-Geburten nicht entgegen, obwohl das LSG dort die Auffassung vertreten hat, es fehle überhaupt an der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals, dass die Qualität der Versorgung von Level-1-Geburten in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhänge. Es hat angesichts des Streits zwischen den Beteiligten, ob der Beklagte überhaupt eine Mindestmenge habe festsetzen dürfen, nicht umfassend über die Rechtmäßigkeit dieser Mindestmengenfestsetzung entschieden. Wie der Trennungsbeschluss (Beschluss vom 21.12.2011 - L 7 KA 77/10 KL) und der Urteilstenor (Urteil vom 21.12.2011 - L 7 KA 77/10 KL) belegen, hat das LSG nur über das Erhöhungselement (Erhöhung der Mindestmenge von 14 auf 30 Level-1-Geburten) entschieden, ohne dass ausnahmsweise die Voraussetzung einer Elementenfeststellungsklage - vollständige Bereinigung des Streits zwischen den Beteiligten - vorgelegen hätte (vgl dazu BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 35 bis 38 mwN; zum Problem, ob ein Elementenfeststellungstenor bei unzulässiger Elementenfeststellungsklage überhaupt in materielle Rechtskraft erwachsen kann, vgl BSGE 31, 235, 240 = SozR Nr 14 zu § 141 SGG; BSGE 52, 145, 147 = SozR 1200 § 14 Nr 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 9).

12

Die Kläger haben mangels eines das Leistungserbringungsverbot umsetzenden Vollzugsaktes ein berechtigtes Interesse an dieser baldigen Feststellung (§ 55 Abs 1 Halbs 2 SGG). Sie können nicht darauf verwiesen werden, vorzuleisten und erst im Rahmen eines Abrechnungsstreits die Nichtigkeit der Anlage 1 Nr 8 Mm-R einzuwenden (vgl auch BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 19).

13

2. Das LSG hat unter maßgeblicher Bezugnahme auf das Urteil des erkennenden Senats vom 18.12.2012 (BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2) zu Recht festgestellt, dass der Beklagte die Mindestmenge 14 rechtmäßig festgesetzt hat. Auch unter Berücksichtigung der von den Klägern gegen dieses Urteil mit ihrer Revision vorgetragenen Angriffe hält der erkennende Senat an seiner Rechtsprechung fest.

14

Rechtsgrundlage für die Einbeziehung von Krankenhausleistungen in einen Mindestmengenkatalog und die konkrete Festsetzung von Mindestmengen ist § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Hierauf gestützt beschloss der Beklagte, die Versorgung von Level-1-Geburten in den Katalog planbarer Leistungen aufzunehmen und eine Mindestmenge festzusetzen (dazu a). Die Mindestmengenbestimmung der Anlage 1 Nr 8 Mm-R ist rechtmäßig. Sie beruht nach dem maßgeblichen Prüfungsmaßstab (dazu b) auf einem formell und materiell rechtmäßigen Beschluss des Beklagten (dazu c bis f), der Grundrechte, der Kläger - soweit sie wie zB die Kläger zu 1, zu 2 und zu 8 Grundrechtsträger sind - nicht verletzt (dazu g).

15

a) § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V(idF durch Art 3 Nr 7a Buchst b Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 vom 17.3.2009, BGBl I 534, mWv 25.3.2009) bestimmt: "Der Gemeinsame Bundesausschuss fasst für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten auch Beschlüsse über (…) 2. einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände (…)".

16

b) Der sich hieraus ergebende, auf den Mindestmengenbeschluss vom 20.8.2009 anzuwendende Prüfungsmaßstab des Gerichts hat der Funktion des Beklagten als untergesetzlicher Normgeber Rechnung zu tragen. Unter deren Berücksichtigung ist die Rechtmäßigkeit seiner Mindestmengenfestsetzung an der Mindestmengenregelung des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V iVm dem vorgreiflichen, rechtmäßig gesetzten untergesetzlichen Recht zu messen. Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Beschlüsse des Beklagten sind hierbei gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte. § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V gibt dem Beklagten ein rechtlich voll überprüfbares Programm vor: In tatsächlicher Hinsicht ist die Ermittlung planbarer Leistungen, die Feststellung, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses einer planbaren Leistung in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist und die konkrete Eignung von festgesetzten Mindestmengen zur Verbesserung der Qualität der Behandlungsergebnisse sowie in rechtlicher Hinsicht die zutreffende Erfassung der Tatbestandsmerkmale durch den Beklagten vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem Beklagten bei der Auslegung dieser Regelungselemente des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom Beklagten zu berücksichtigenden Studienlage. Erst bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist er befugt, als Normgeber zu entscheiden. Soweit diese letztere Kompetenz reicht, darf allerdings die sozialgerichtliche Kontrolle ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom Beklagten getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen. Die Entscheidungen über die Auswahl und den Zuschnitt der Leistungen für den Katalog planbarer Leistungen sowie die genaue Festlegung der Mindestmenge innerhalb der Bandbreite geeigneter Mengen unterliegen in diesem Sinne dem normativen Gestaltungsspielraum des Beklagten. Der Beklagte kann dabei in einem zeitlich gestreckten Verfahren vorgehen, um den Katalog planbarer Leistungen allmählich zu entwickeln, um insbesondere weitere Erkenntnisse zu sammeln und zu bewerten und um Mindestmengen je nach Erkenntnisfortschritt neu zu justieren (vgl zum Ganzen BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 21 mwN; BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 26 mwN).

17

c) Der Beklagte ist - entgegen der Auffassung der Kläger - zur Konkretisierung des sich aus § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V ergebenden Regelungsprogramms ermächtigt, außenwirksame Normen im Range untergesetzlichen Rechts zu erlassen. Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (dazu und insbesondere zur hinreichenden demokratischen Legitimation des Bundesausschusses vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 22 mwN zu stRspr und Literatur; BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 20 mwN).

18

Zweifeln an der demokratischen Legitimation des Beklagten steht auch entgegen, dass die Handlungsform der Normsetzung durch eine spezifische Form der Normanwendung wirkungsgleich substituiert werden könnte. Der Beklagte könnte als rechtlich verselbstständigter Teil der sozialversicherungsrechtlichen Selbstverwaltung (§ 91 Abs 1 SGB V) nach dem hinreichend dichten Normprogramm des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V die Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten auch durch Allgemeinverfügung nach § 31 S 2 SGB X nach pflichtgemäßem Ermessen ermessensfehlerfrei gegenüber Krankenhäusern, die dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) unterfallen (KHG-Krankenhäuser) anordnen(vgl auch BVerfGE 106, 275, 305 ff = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 22 ff, zur Festsetzung der Festbeträge nach § 35 SGB V durch Allgemeinverfügung; vgl auch BSGE 116, 42 = SozR 4-2500 § 266 Nr 12, RdNr 21 ff, wonach das Bundesversicherungsamt Regelungen über das Versichertenklassifikationsmodell nach Morbiditätsgruppen nach pflichtgemäßem Ermessen durch Allgemeinverfügung treffen kann), wenn der Gesetzgeber ihm nicht durch § 137 Abs 3 S 1 iVm § 91 Abs 6 SGB V die untergesetzliche Normsetzung als Handlungsform vorgegeben hätte(vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 12 ff; s ferner BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 22 und 24). Einer besonderen Regelung gegenüber den Krankenkassen, sonstigen Kostenträgern, den GKV-versicherten Patienten und anderen Patienten bedürfte es im Falle einer die KHG-Krankenhäuser erfassenden Allgemeinverfügung nicht, weil der Behandlungsanspruch der GKV-Versicherten und die Vertragsautonomie der anderen Patienten sowie der KHG-Krankenhäuser schon kraft Gesetzes durch die Verbotsregelung des § 137 Abs 3 S 2 SGB V auf solche KHG-Krankenhäuser eingeschränkt ist, die die Mindestmengenvoraussetzungen erfüllen.

19

d) Der Beklagte beachtete die formellen Voraussetzungen für den Erlass der untergesetzlichen Normen (vgl dazu bereits BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 23 ff). Die von den Klägern geltend gemachten Verfahrensverstöße liegen nicht vor. Der unparteiische Vorsitzende des Beklagten war ohne Verstoß gegen 1. Kapitel § 5 Abs 4 Verfahrensordnung des Beklagten(; hier anzuwenden idF vom 19.3.2009, BAnz Nr 84a vom 10.6.2009) und § 13 Abs 3 Geschäftsordnung des Beklagten (; hier anzuwenden idF vom 19.3.2009, BAnz Nr 84a vom 10.6.2009) befugt, am 20.8.2009 einen Beschlussantrag zu stellen (dazu aa). Der am 20.8.2009 getroffene Beschluss ist auch der Form und dem Inhalt nach wirksam im BAnz verkündet worden (dazu bb).

20

aa) 1. Kapitel § 5 Abs 4 VerfO verbietet dem Vorsitzenden nicht, im Rahmen der Beratung im Plenum diesem einen eigenen - regelmäßig vermittelnden - Beschlussvorschlag auf der Grundlage eines nach 1. Kapitel § 5 VerfO und § 13 GO ordnungsgemäß eingeleiteten und durchgeführten Beschlussverfahrens zu unterbreiten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zunächst über die eingebrachten Beschlussvorschläge abgestimmt wird, diese abgelehnt werden und ein sich auf den Beratungsgegenstand beziehender Ad-hoc-Vorschlag zur Beschlussfassung von keinem der Mitglieder des Plenums aus Verfahrensgründen zurückgewiesen, sondern über ihn in der Sache abgestimmt wird. Dies folgt aus der Funktion der der Plenumssitzung vorgelagerten Beschlussvorschläge und der Aufgabe des Plenums entsprechend Wortlaut, Regelungssystem und -zweck von VerfO und GO.

21

Vom zuständigen Unterausschuss, von den Trägern des Beklagten oder von nach der Patientenbeteiligungsverordnung anerkannten Organisationen eingebrachte Beschlussvorschläge (1. Kapitel § 5 Abs 4 VerfO) oder von den Unparteiischen gemeinsam eingebrachte Beschlussvorschläge (§ 13 Abs 3 GO) sind Beratungsgegenstand der anberaumten Sitzung des Plenums, soweit sie den Vorgaben des 1. Kapitel § 5 VerfO und des § 13 GO entsprechen. 1. Kapitel § 6 S 1 VerfO sieht zur Beschlussfassung vor, dass das Plenum nach Vorlage durch Beschluss nach Maßgabe der Geschäftsordnung entscheidet. Über diese Beschlussvorschläge ist danach (zunächst) zu entscheiden. Diese Vorgaben der VerfO und GO lassen nach ihrem Regelungszweck eine Verfahrensweise zu, wonach aus der Mitte des Plenums heraus im Rahmen des Beratungsgegenstandes ein weiterer Beschlussvorschlag zB als Kompromiss erfolgt, wenn das Plenum die eingebrachten Beschlussvorschläge abgelehnt hat. 1. Kapitel § 5 Abs 4 VerfO und § 13 Abs 3 GO verfolgen unter Berücksichtigung dessen, dass die Beratungsunterlagen spätestens 14 Kalendertage vor der Sitzung (Eingabefrist) zu versenden sind(§ 13 Abs 2 S 1 GO), das Ziel, allen Mitgliedern des Plenums die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Sachstand vertraut zu machen. Jeder soll ausreichend Zeit zur Meinungsbildung haben und in die Lage versetzt werden, sich im Plenum sachbezogen Gehör zu verschaffen. Diese Regelungen schützen insoweit die Mitglieder des Plenums. Sie geben zugleich den nicht zur Disposition des Plenums stehenden, die sachgerechte Behandlung sichernden inhaltlichen Rahmen dessen vor, was Gegenstand ihrer Beratung sein kann. Das Plenum selbst ist aber der von VerfO und GO vorgesehene Ort, an dem vorbereitete Beratungsgegenstände einer Diskussion und endgültigen Lösung zugeführt werden sollen. Dies impliziert grundsätzlich die Möglichkeit, als Ergebnis des Meinungsaustauschs Beschlussvorschläge zu modifizieren oder durch neue Vorschläge aus der Mitte des Plenums zu ersetzen. Die Mitglieder bedürfen zudem einer - ungeschriebenen - weiteren verfahrensmäßigen Absicherung ihrer Beteiligungsrechte jedenfalls dann nicht, wenn sie nach Verwerfung der zuvor eingebrachten Beschlussvorschläge, über den in der Sitzung erstmals vorgelegten, den Beratungsgegenstand betreffenden Beschlussvorschlag inhaltlich entscheiden (s ferner zur - hier ohnehin fehlenden - notwendigen Evidenz eines Verfahrensfehlers im Normsetzungsverfahren, um daraus die Nichtigkeit der Norm ableiten zu können BVerfGE 91, 148, 175).

22

So verhält es sich hier. Der Vorsitzende brachte nach intensiver Diskussion im Plenum seinen vermittelnden, den Beratungsgegenstand betreffenden Beschlussvorschlag (14 Level-1-Geburten) am 20.8.2009 erst ein, als sämtliche Beschlussvorschläge (keine Mindestmenge, Mindestmenge 36 für Früh- und Neugeborene mit einem Gewicht <1250 g und/oder <29+0 Schwangerschaftswochen, Mindestmenge 50 für Früh- und Neugeborene mit einem Gewicht <1500 g) durch Abstimmung abgelehnt worden waren. Ausweislich der Sitzungsniederschrift erhob keines der übrigen Mitglieder des Plenums verfahrensrechtliche Einwände, alle entschieden zur Sache (8 Ja- und 5 Nein-Stimmen).

23

bb) Der Mindestmengenbeschluss vom 20.8.2009 wurde auch wirksam im BAnz (vgl 1. Kapitel § 7 Abs 2 VerfO) verkündet. Ausweislich der Sitzungsniederschrift wurde der dort als Anlage 9 gekennzeichnete Text mehrheitlich angenommen und so im BAnz verkündet. Soweit die Kläger geltend machen, das vom Vorsitzenden vorgeschlagene "Qualitätskonzept" habe keinen Niederschlag im die Mm-R (damals noch MMV) ändernden Beschlusstext gefunden, ist dieser Einwand nicht verständlich, weil das Plenum nur beschloss, dem Qualitätsinstitut nach § 137a SGB V(idF durch Art 1 Nr 111 GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) einen Auftrag für die Entwicklung geeigneter Maßnahmen der Qualitätssicherung zu erteilen.

24

e) Der Beklagte machte auch rechtmäßig mit Beschluss vom 20.8.2009 (BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450) die Versorgung von Level-1-Geburten von einer jährlichen Mindestmenge von 14 solcher Geburten pro Krankenhaus mit ausgewiesenem Level 1 entsprechend der NICU-Vereinbarung abhängig und zum Gegenstand des mindestmengenabhängigen Katalogtatbestands. Er ging von einem zutreffenden Verständnis der gesetzlichen Vorgaben einer planbaren Leistung aus (dazu aa), deren Ergebnisqualität in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist (dazu bb). Er bejahte auf dieser Grundlage rechtmäßig die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V und durfte auch eine Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten in Krankenhäusern mit ausgewiesenem Level 1 festsetzen, ohne den ihm eingeräumten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum zu überschreiten(dazu cc). Schließlich musste er auch keine Ausnahmen hiervon vorsehen (dazu f).

25

aa) Der Beklagte ging im Ergebnis sinngemäß zutreffend davon aus, dass eine "planbare" Krankenhausleistung iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V eine Leistung ist, welche die dafür vorgesehenen Krankenhaus-Zentren in der Regel medizinisch sinnvoll und für die Patienten zumutbar erbringen können. Erforderlich ist, dass die Aufnahme und Durchführung gebotener stationärer Behandlung in einem Zentrum - trotz ggf längerer Anfahrt - unter Berücksichtigung zu überwindender räumlicher und zeitlicher Distanzen ohne unzumutbares Risiko für die Patienten erfolgen kann (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 28 ff). Hieran hält der erkennende Senat fest.

26

Der Gesetzgeber sah nämlich die Fixierung von zu erbringenden "Mindestfallmengen" als Teil einer Vielzahl von Qualitätssicherungsinstrumenten vor, um ein Gegengewicht gegen Fehlanreize eines festen Preissystems bei Einführung von Fallpauschalen zu schaffen, etwa gegen den Anreiz der Versorgungsqualitätsminderung in Form von medizinisch nicht indizierter "Fallvermehrung" sowie der verfrühten Entlassung (vgl Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser , BT-Drucks 14/7862 S 3). Diese Zielrichtung gilt erst recht für eine Tätigkeitsausdehnung der Krankenhäuser auf Felder unzureichender Qualitätskompetenz (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 29).

27

Nach dem Regelungssystem ergänzt die Festlegung von Mindestmengen die anderen, weiteren Maßnahmen des Gesetzgebers zur Qualitätssicherung wie verpflichtende durch die Kliniken vorzulegende Qualitätsberichte, bundeseinheitliche Kriterien für die Prüfdienste sowie eine stetige Begleitforschung. Vor allem entspricht das Auslegungsergebnis dem Normzweck, die Ergebnisqualität zu verbessern (vgl dazu Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines FPG, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Der Regelungsgehalt des Begriffs der Planbarkeit erschließt sich in diesem Sinne auch aus den von den Mindestmengen ausgelösten Verteilungswirkungen. Die Einführung von Mindestmengen hat die Umverteilung von Behandlungsfällen und in Abhängigkeit von den absoluten Fallzahlen eine damit einhergehende Regionalisierung oder gar Zentralisierung der für die planbaren Leistungen noch zur Verfügung stehenden Krankenhäuser zur Folge. Dies bewirkt jedoch nur insoweit eine Verbesserung der Ergebnisqualität im stationären Bereich, als die Patienten den Zugewinn an Qualität im stationären Bereich nicht durch Transport- und Verlegungsrisiken wieder einbüßen. Zur Verbesserung der Ergebnisqualität ist es vor diesem Hintergrund erforderlich, die Transport- und Zentralisierungsrisiken zu ermitteln (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 30). Wollte man dagegen unter "planbare" nur "vorhersehbare" Krankenhausleistungen verstehen, wäre der Begriff sinnwidrig eingeschränkt. Ähnlich zweckwidrig wäre es, ihn gar auf elektive Leistungen zu reduzieren. Es gibt keinen Grund dafür, nicht vorhersehbare Leistungen von der Verbesserung der Ergebnisqualität durch die Festsetzung von Mindestmengen auszuschließen.

28

bb) Die Qualität des Behandlungsergebnisses der planbaren Leistungen ist jedenfalls bereits dann - wie im Ergebnis vom Beklagten zugrunde gelegt - in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig, wenn eine Studienlage besteht, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität wahrscheinlich macht (vgl dazu und zu den nachfolgenden Ausführungen BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 31 ff). Hierbei ist nicht die Struktur- oder Prozessqualität, sondern allein die Qualität des Behandlungsergebnisses maßgeblich. Regelmäßig - aber nicht zwingend - wird es um hochkomplexe medizinische Leistungen gehen. Erfasst sind planbare Krankenhausleistungen nach den §§ 17 und 17b KHG, bei denen die mit wissenschaftlichen Belegen untermauerte Erwartung berechtigt ist, dass die Güte der Leistungserbringung in besonderem Maße auch von der Erfahrung und Routine des mit der jeweiligen Versorgung betrauten Behandlers - Krankenhauseinheit und/oder Arzt - beeinflusst ist.

29

Es genügt ein nach wissenschaftlichen Maßstäben wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität. Dafür spricht nicht nur der Wortlaut. Auch die Entstehungsgeschichte belegt, dass es um einen durch Studien untermauerten wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Leistungen und der Qualität des Behandlungsergebnisses geht (vgl dazu Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines FPG, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Die in den Gesetzesmaterialien angesprochenen "Studien" sind in aller Regel nicht im naturwissenschaftlichen Sinne für einen Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität voll beweisend, sondern darauf hinweisend. Andernfalls könnte die Regelung kaum ihren Zweck erfüllen, der "herausgehobene(n) Bedeutung" einer "gute(n) Ergebnisqualität" Rechnung zu tragen, wie es im Rahmen der "bisher eingeführten Qualitätssicherungsmaßnahmen" … "noch zu wenig" erfolgte (vgl ebenda, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Hierfür genügt nicht schon die landläufige Erfahrung, dass routinierte Praxis im Allgemeinen eine bessere Ergebnisqualität sichert als deren Fehlen.

30

Das Auslegungsergebnis entspricht auch dem Regelungssystem. Die in § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V angesprochenen "Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG" müssen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich bereits dem Qualitätsgebot(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) genügen, um überhaupt zulasten der GKV abrechenbar zu sein (stRspr, vgl grundlegend BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 52 f unter Aufgabe von BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1, auch zur Berücksichtigung grundrechtskonformer Auslegung; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23; BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 15 ff mwN). An diesem Grundsatz hat auch die Einfügung des Abs 3 in § 137c SGB V durch Art 1 Nr 64 Buchst b Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.7.2015, BGBl I 1211, mWv 23.7.2015) nichts geändert. Der Gesetzgeber hat die grundsätzliche Ausrichtung der Leistungsansprüche Versicherter am Qualitätsgebot auch bei Krankenhausbehandlung bisher nicht beseitigt (vgl zB § 2 Abs 1 und Abs 1a, § 15 Abs 1 S 1, §§ 18, 27, 28, 39, 69, 70, 137c Abs 1 S 1 SGB V).

31

Die Anforderungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V integrieren in wesentlichem Maße das Krankenhausplanungs- und das ärztliche Weiterbildungsrecht. Diese Regelungskomplexe erfordern bereits ein ausreichendes Maß an Erfahrung und Routine als Voraussetzung von Facharztqualifikationen, an die wiederum die Strukturvorgaben in der stationären Versorgung anknüpfen (vgl zutreffend Bohle, GesR 2010, 587). Der Mindestmengenkatalog (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V) stellt demgegenüber zusätzliche Qualitätsanforderungen im Interesse einer weiteren Risikominimierung auf.

32

Dies stellen auch die Kläger nicht in Abrede. Ihre Auffassung würde aber im praktischen Ergebnis eine weitere Risikominimierung gerade verhindern. Denn sie verlangen - zu Unrecht - den statistischen Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen Menge und Qualität als Voraussetzung für eine besondere Abhängigkeit der Ergebnisqualität von der Menge. Regelungszweck und -system sprechen hingegen dafür, eine bloße, nach wissenschaftlichen Maßstäben belegte Wahrscheinlichkeit für den Zusammenhang zwischen Ergebnisqualität und Leistungsmenge genügen zu lassen. Dies entspricht dem mit § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V verfolgten Zweck der Risikominimierung in einem nennenswerten Bereich. Ist der genannte Zusammenhang allerdings - wie regelmäßig der Fall - nicht statistisch bewiesen, ist er anhand medizinischer Erfahrungssätze ergänzend zu untermauern (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 33 ff). Auch schließt entgegen der Auffassung der Kläger das Fehlen eines eindeutigen Schwellenwertes die Festsetzung einer Mindestmenge nicht aus. Die Qualität des Behandlungsergebnisses ist nicht nur dann in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig, wenn sich mengenabhängige Qualitätsstufen (idealtypisch als "Treppenstufen") mit einen Schwellenwert als Beginn der höheren Qualitätsstufe identifizieren lassen. Vielmehr genügt auch ein stufenloser, linearer Verlauf, wenn sich über den gesamten Verlauf oder einen Ausschnitt desselben ein nicht bloß unwesentlich ansteigender Behandlungserfolg bei steigender Menge ergibt. Die genaue Festlegung der Mindestmenge innerhalb der Bandbreite geeigneter Mengen liegt dann im Gestaltungsspielraum des Beklagten (vgl 2.b).

33

cc) Hiernach begegnet die Festsetzung einer Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten je Krankenhaus (Level-1-Zentrum) und Kalenderjahr keinen durchgreifenden Bedenken.

34

(1) Der Beklagte durfte rechtmäßig für die Mindestmengenbestimmung von der Gruppe der Level-1-Geburten ausgehen. Er knüpfte hierbei an die rechtswirksamen Bestimmungen der NICU-Vereinbarung über ein vierstufiges Versorgungskonzept an (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 42). Indem er Level-1-Geburten zum Gegenstand einer Mindestmengenregelung machte und die Mindestmenge nicht auf den behandelnden Arzt, sondern auf die Behandlungseinheit bezog, überschritt er nicht seinen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 50).

35

(2) Soweit die Kläger die Rechtswidrigkeit der Anlage 1 Nr 8 Mm-R schon darin begründet sehen, dass Level-1-Geburten nicht planbar seien, weil sie nicht verlässlich zu prognostizieren seien und aus wissenschaftlichen Studien hervorgehe, dass bei mindestmengenabhängiger Zentralisierung eine nicht unerhebliche Anzahl von Level-1-Geburten nicht in einer dafür vorgesehenen Einrichtung stattfände, folgt dem der erkennende Senat nicht. Der Umstand, dass Level-1-Geburten nicht immer voraussehbar und verschiebbar sind, schließt deren Einbeziehung in den mindestmengenabhängigen Katalogtatbestand planbarer Leistungen nicht aus. Planbarkeit im oben aufgezeigten Sinne (vgl 2.e aa) bedeutet nicht, dass jeder Patient unter allen Umständen rechtzeitig eine zur Erbringung mindestmengenabhängiger Leistungen befugte Einrichtung erreichen können muss, um überhaupt eine Mindestmenge im Einklang mit § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V festzulegen. Patienten dürfen zwar nicht bloß zufällig in eine geeignete Einrichtung gelangen. Es genügt aber, dass bezogen auf die konkret existierende Versorgungslandschaft im deutschen Krankenhausbereich die Erreichbarkeit regelhaft gegeben ist, also medizinische und/oder infrastrukturelle Gründe (Transportrisiken) einem hohen Versorgungsgrad nicht entgegenstehen. Eine solche Erreichbarkeit unter medizinischen Aspekten bestätigen aber gerade die von den Klägern angeführten und vom erkennenden Senat in seinem Urteil vom 18.12.2012 berücksichtigten ausländischen Studien. Dies hat er dort ausführlich - auch unter Einbeziehung der inländischen infrastrukturellen Verhältnisse - dargelegt (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 43 f). Hieran hält er fest. Die Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten gefährdet nach der jedenfalls vertretbaren Einschätzung des Beklagten nicht die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 51). Der erkennende Senat weist nur ergänzend darauf hin, dass in Deutschland derzeit mehr als 150 Perinatalzentren des Levels 1 bestehen (vgl die Nachweise auf der Seite www.perinatalzentren.org, abgerufen am 12.10.2015). Eine Entwicklung hin zu einer strukturellen Unterversorgung, die den Beklagten hätte veranlassen müssen, Anlage 1 Nr 8 Mm-R zu überprüfen oder gar aufzuheben, ist nicht ersichtlich.

36

(3) Der Beklagte konnte auch rechtmäßig davon ausgehen, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses der Level-1-Geburten, hier insbesondere mit Blick auf die Mortalität, in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist. Denn es besteht - entgegen der Auffassung der Kläger - eine Studienlage, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses wahrscheinlich macht (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 45 ff). Es begegnet keinen Bedenken, dass der Beklagte vor dem Hintergrund der Datenlage nur an die Mortalität anknüpfte, nicht aber an die Morbidität. Für die Mortalität gibt es "deutliche Hinweise auf einen statistischen Zusammenhang, der sich als Trend einer Risikoreduktion mit steigender Leistungsmenge darstellt" (S 59 des Abschlussberichts des IQWiG "Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnis bei der Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht", Stand 14.8.2008). Dies erfüllt unter Berücksichtigung des Erfahrungssatzes, dass eine laufende Befassung eines Level-1-Zentrums mit der Behandlung sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener durch das ganze Jahr hindurch notwendig ist, um eine Festigung der Behandlungsabläufe als Teamleistung zu gewährleisten, die tatbestandlichen Voraussetzungen der besonderen Abhängigkeit von Menge und Ergebnisqualität im Falle der Level-1-Geburten. Unzureichende Daten zur Morbidität hindern nicht eine Qualitätsverbesserung durch eine mortalitätsbezogene Mindestmenge, wie die Kläger meinen.

37

Die von den Klägern nunmehr vorgelegten wissenschaftlichen Studien sind nicht geeignet, die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs in Zweifel zu ziehen (zur Befugnis des Revisionsgerichts, generelle Tatsachen zu ermitteln vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 47 mwN). Die Studie von Shah et al (Journal of Perinatology <2015>, 1 bis 8, Association of unit size, resource utilization and occupancy with outcomes of preterm infants) geht nicht von konkreten Behandlungszahlen je Einrichtung, sondern von bloßen Behandlungskapazitäten ("Betten") aus. Selbst wenn Bettzahlen mit Behandlungsfällen gleichzusetzen wären, könnten für die hier im unteren Bereich maßgeblichen Fallzahlen in Abgrenzung zur Gelegenheitsversorgung aus der Studie keine Schlussfolgerungen abgeleitet werden. Schon das kleinste dort untersuchte Perinatalzentrum ("NICU") behandelte immerhin 22 Frühgeborene pro Jahr, das größte sogar 365 pro Jahr, im Median 110 pro Jahr (vgl Shah et al, aaO S 3). Hierauf weist bereits die Abteilung Fachberatung Medizin des Beklagten zutreffend hin. Im Ergebnis gilt nichts anderes für die Studie von Rysavy et al (The New England Journal of Medicine <2015>, 1801 bis 1811, Between-Hospital Variation in Treatment and Outcomes in Extremly Preterm Infants). Sie untersucht keinen Mengen-Ergebnis-Zusammenhang, sondern den Zusammenhang zwischen der Entscheidung zur Durchführung von aktiven Therapiemaßnahmen und der großen Varianz der Behandlungsergebnisse bei extrem unreifen Frühgeborenen. Die Menge ist dabei nur eine Kovariable, um zu überprüfen, ob die Entscheidung zur Durchführung aktiver Therapiemaßnahmen auch von der Menge abhängig ist. Soweit die Kläger eine vom Beklagten vorgelegte Studie von Watson et al (BMJ Open 2014; 4:e004856.doi:10.1136/bmjopen-2014-004856; The effects of designation and volume of neonatal care on mortality and morbidity outcomes of very preterm infants in England: retrospective population-based cohort study) angreifen, die einen Zusammenhang zwischen geringerer Mortalität bei höheren Mengen bejaht, vermag dies das Ergebnis des auf anderen Studien beruhenden IQWiG-Literaturevidenzberichtes nicht in Zweifel zu ziehen. Im Übrigen folgt der Senat der Auffassung der Abteilung Fachberatung Medizin des Beklagten, dass auch die Studie von Watson et al die vom IQWiG formulierte grundsätzliche Tendenz einer Korrelation zwischen höherer Menge und besserer Ergebnisqualität bei der Reduzierung der Mortalität bestätigt.

38

(4) Unzutreffend vertreten demgegenüber die Kläger die Auffassung, dass eine Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten nicht erforderlich sei, um eine fortdauernde Beübung des Level-1-Zentrums zu gewährleisten. Sie verkennen, dass bei fehlenden eindeutigen Schwellenwerten die genaue Festlegung der Mindestmenge innerhalb der Bandbreite geeigneter Mengen im gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum des Beklagten liegt. Gerade vor dem Hintergrund, dass Level-1-Geburten nicht einem regelhaften zeitlichen Muster folgen und im regionalen Einzugsbereichs eines Level-1-Zentrums bei der Zahl zu betreuender Level-1-Geburten im Jahresverlauf Schwankungen auftreten können, erscheint eine Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten gut vertretbar. Sie schließt eine bloße Gelegenheitsversorgung mit hohem Mortalitätsrisiko aus.

39

f) Der Beklagte musste unter Berücksichtigung der Datenlage auch keine weiteren sachlichen Ausnahmebestimmungen von der Mindestmenge 14 vorsehen, um Sonderfällen Rechnung zu tragen (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 52; vgl künftig § 136b Abs 3 SGB V idF durch Art 6 Nr 15 Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung, BR-Drucks 277/15 S 27). Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der erkennende Senat zu § 137 Abs 3 S 2 SGB V nunmehr entschieden hat, dass ein Krankenhaus voraussichtlich die Mindestmenge im folgenden Kalenderjahr nicht erreichen wird, wenn es die Mindestmenge im abgelaufenen Kalenderjahr nicht erreicht hat. In diesem Fall unterliegt es vorbehaltlich einer durch die für Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde erteilten Ausnahmegenehmigung einem Leistungserbringungsverbot (vgl BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, LS und RdNr 52 ff, dort noch zu § 137 Abs 1 S 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 104 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190; vgl künftig § 136b Abs 4 SGB V idF durch Art 6 Nr 15 KHSGE, BR-Drucks 277/15 S 27 f). § 137 Abs 3 S 2 SGB V steht grundsätzlich dem Erlass sachlicher Ausnahmebestimmungen nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V entgegen. Zwar ermächtigt die Vorschrift den Beklagten zur Regelung von Ausnahmetatbeständen. Hierfür finden sich in den Gesetzesmaterialien zum Entwurf eines FPG Beispiele (vgl Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 14/7862 S 5: Wechsel des behandelnden Arztes, Aufbau eines Leistungsbereiches durch einen bereits erfahrenen Arzt; nunmehr geregelt in Anlage 2 Nr 3 und 4 Mm-R; vgl dazu auch BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 57). Diese Ermächtigung gibt dem Beklagten jedoch keine Befugnis, den Anwendungsbereich des § 137 Abs 3 S 2 SGB V für den Regelfall einzuschränken. Ein Level-1-Zentrum, das - wie hier die Level-1-Zentren der Kläger - schon mehrere Jahre Leistungen bei Level-1-Geburten erbringt, ist nur unter Erfüllung der Voraussetzungen des § 137 Abs 3 S 2 SGB V befugt, weiterhin Leistungen zu erbringen.

40

g) Sowohl die gesetzliche Regelung des § 137 Abs 3 S 2 iVm § 137 Abs 3 S 1 SGB V als auch die untergesetzliche Bestimmung der Anlage 1 Nr 8 Mm-R verletzen die Kläger, - soweit sie wie zB die Kläger zu 1, zu 2 und zu 8 Grundrechtsträger sind - nicht in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art 12 Abs 1 GG. Die Regelung greift zwar in die Berufsausübungsfreiheit der Kläger ein. Sie ist aber durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die Abwägung der Bedeutung der Interessen der Krankenhäuser, uneingeschränkt Level-1-Geburten zu versorgen, mit dem Interesse an einer besseren Versorgungsqualität für Patienten ergibt einen eindeutigen Vorrang der Qualitätssicherung zugunsten der hiervon betroffenen Individual- und Gemeinwohlbelange. Patientenschutz durch Senkung der bei Level-1-Geburten besonders hohen Mortalitätsrate hat Vorrang vor Erwerbsschutz durch Gelegenheitsversorgung (vgl ausführlich dazu BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 54 ff mwN).

41

Entgegen der Ansicht der Kläger verstößt Anlage 1 Nr 8 Mm-R mit dem aufgezeigten Regelungsziel nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter dem Gesichtspunkt der Eignung und Erforderlichkeit. Erforderlich ist eine geeignete (vgl dazu BVerfGE 117, 163, 188 f; stRspr) gesetzliche Regelung, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können (vgl BVerfGE 30, 292, 316; 67, 157, 176). Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung einer Mindestmenge erfüllt sind, gibt es keine die Leistungserbringung regelnden milderen Qualitätssicherungsmaßnahmen. Denn rechtmäßig festgesetzte Mindestmengen sind nicht durch andere Qualitätssicherungsmaßnahmen substituierbar. Das Mindestmengenkonzept ist Ausdruck der vom Gesetzgeber im Rahmen seines Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl BVerfGE 102, 197, 218; 115, 276, 309; 126, 112, 141 = SozR 4-1100 Art 12 Nr 21 RdNr 103) rechtmäßig zugrunde gelegten Annahme, dass selbst bei bestmöglichen sächlichen und personellen Voraussetzungen sowie prozeduralen Qualitätssicherungen ein effektives Zusammenwirken einzelner Teile eines Behandlungsvorgangs zusätzlich in spezifischer Weise von dessen Ein- und fortlaufender Beübung durch eine hinreichende Zahl von realen Behandlungsfällen abhängen kann, um die Ergebnisqualität zu steigern. Es ist hingegen Tatfrage, bei welchen Behandlungsvorgängen diese besondere Beziehung zwischen Menge und Qualität zu belegen ist. Im Falle der Level-1-Geburten ist dies - wie aufgezeigt - der Fall.

42

Darüber hinaus ist Anlage 1 Nr 8 Mm-R auch zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut (vgl zu diesen Anforderungen bei objektiven Eingriffen in die Berufswahlfreiheit BVerfGE 126, 112, 140 f = SozR 4-1100 Art 12 Nr 21 RdNr 95 f mwN) geeignet, erforderlich und angemessen. Soweit der Gesetzgeber durch den Beklagten den Schutz von Gesundheit und Leben der Bevölkerung erstrebt - hier das Überleben sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener -, verfolgt er damit überragend wichtige Gemeinwohlbelange. Das hohe Gewicht, das Gesundheit und Leben in der Wertordnung des GG zukommt, zeigt sich daran, dass sich für beide Rechtsgüter aus Art 2 Abs 2 S 1 GG Schutzpflichten des Staates ergeben können. Angesichts der Bedeutung dieser Rechtsgüter stellt der Schutz von Gesundheit und Leben einen legitimen Zweck dar, dessen Verfolgung selbst objektive Berufswahlbeschränkungen zu rechtfertigen vermag (BVerfGE 126, 112, 140 f = SozR 4-1100 Art 12 Nr 21 RdNr 95). Diese Rechtfertigung greift auch hier. Durch Mindestmengen können Level-1-Geburten, die von einer besonders hohen Mortalitätsrate betroffen sind (vgl dazu BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 56), besser geschützt und die Anzahl der überlebenden Kinder erhöht werden, ohne dass dieses Qualitätssicherungsmittel substituierbar ist.

43

Sofern die Ausführungen des 3. BSG-Senats in seinem Urteil vom 12.9.2012 (BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 38 ff) zur Erforderlichkeit der Mindestmengen implizieren sollten, dass Mindestmengenregelungen, die die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V erfüllen, gleichwohl durch andere Qualitätssicherungsmaßnahmen substituierbar und deswegen unverhältnismäßig sein können, gibt der für das Krankenhausrecht nunmehr allein zuständige erkennende Senat diese Rechtsauffassung aus Gründen der Klarstellung auf.

44

3. Die Verfahrensrügen der Kläger greifen nicht durch. Die Kläger bringen keine zulässigen Verfahrensrügen vor. Sie bezeichnen mit ihren Angriffen iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG nicht alle Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen(näher dazu BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 68 ff, insoweit in BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1 nicht abgedruckt; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 27 f mwN). Notwendig hierfür ist eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 164 Nr 31 S 49). Hierzu müssten sie zunächst die den Mangel begründenden Tatsachen substantiiert dartun. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsauffassung - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl zB BSG Beschluss vom 23.4.2013 - B 9 V 4/12 R - Juris RdNr 18; BSG Urteil vom 21.4.2015 - B 1 KR 9/15 R - Juris RdNr 25 mwN, für BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 45 vorgesehen). Hieran fehlt es.

45

Die Kläger stützen den vermeintlichen Verstoß des LSG gegen § 128 Abs 1 S 1 SGG insbesondere darauf, die Annahmen sowohl eines Zusammenhangs zwischen Menge und Morbidität als auch einer immer risikofreien Erreichbarkeit von Level-1-Zentren seien fehlerhaft. Sie zeigen aber nicht auf, dass es nach der Rechtsauffassung des LSG, das sich dem Urteil des erkennenden Senats vom 18.12.2012 auch im Begründungsweg angeschlossen hat, hierauf ankommt. Ferner legen die Kläger den behaupteten Verstoß auch nicht schlüssig unter Hinweis darauf dar, dass die von ihnen angegriffene Anzahl der 2005 und 2006 bestehenden Level-1-Zentren nicht zuvor in das Verfahren eingeführt worden sei. Sie tragen selbst vor (ausdrücklicher Verweis auf die Schriftsätze im Verfahren L 1 KR 258/12 KL), sich im LSG-Verfahren intensiv mit dem Urteil des erkennenden Senats vom 18.12.2012 auseinandergesetzt zu haben. Die vom LSG wiedergegebene Zahl der Level-1-Zentren hat es von dort entnommen (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 51). Soweit die Kläger ihre Rüge gegen die Auffassung des LSG richten, dass eine statistische Korrelation ergänzt um einen Erfahrungssatz genüge, geht es schon nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um einen als Rechtssatz formulierten Beweismaßstab. Die ferner angeführte vermeintliche Fehlerhaftigkeit der Ableitung eines wahrscheinlichen Zusammenhangs zwischen Menge und Mortalität allein aus dem Abschlussbericht des IQWiG ist unschlüssig. Die Kläger tragen selbst hierzu vor, dass das LSG nur zusätzlich aufgrund eines - ebenfalls gerügten - Erfahrungssatzes zur Annahme eines kausalen Zusammenhangs zwischen Menge und Mortalität gelangt sei.

46

Die Kläger rügen schließlich für den Fall, dass das LSG auf S 28 f seines Urteils einen Erfahrungssatz festgestellt haben sollte, dass der dortige Erfahrungssatz kein "allgemeiner Erfahrungssatz" sei. Betroffen ist der "Erfahrungssatz, dass eine laufende Befassung eines Level-1-Zentrums mit der Behandlung sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener durch das ganze Jahr hindurch notwendig ist, um eine Festigung der Behandlungsabläufe als Teamleistung zu gewährleisten. Es ist hingegen nicht plausibel, dass bloß zeitweilige Behandlungsepisoden das Qualitätsniveau der Versorgung in gleicher Weise zu sichern vermögen." Die Kläger legen damit aber schon nicht schlüssig dar, dass das LSG und das von ihm zitierte BSG mit dem genannten Zitat überhaupt einen "allgemeinen Erfahrungssatz" wiedergeben wollten. Sie vernachlässigen, dass nicht jeder Erfahrungssatz die Qualität eines "allgemeinen Erfahrungssatzes" hat. Ein solcher erreicht nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Qualität und Funktion von Rechtsnormen (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 9 RdNr 6 unter Hinweis auf zB BVerwGE 88, 312, 323 = Buchholz 412.3 § 18 BVFG Nr 15; BAGE 21, 256, 258 = AP Nr 34 zu § 72 ArbGG 1953 Divergenzrevision; BGH NJW-RR 1993, 653; BGHZ 12, 22, 25). Er ist etwa von einfachen (vgl zB Vieweg, NJW 1982, 2473 mwN) und qualifizierten Erfahrungssätzen zu unterscheiden (vgl dazu und zur Notwendigkeit typischer, vom menschlichen Willen unabhängiger Vorgänge für den Anscheinsbeweis aufgrund eines qualifizierten Erfahrungssatzes BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 6, RdNr 14 mwN; BVerwG Buchholz 406.16 Eigentumsschutz Nr 13 S 15 f = NJW 1980, 252; BVerwG Buchholz 310 § 86 VwGO Anh Nr 40 S 2; Hauck in Hennig, SGG, Stand Juni 2015, § 103 RdNr 77 mwN).

47

Soweit die Kläger zudem einwenden, dass eine laufende Befassung auch mit geringeren Fallzahlen als 14 zu erreichen sei, weil die Behandlung einer Level-1-Geburt regelmäßig mehrere Monate dauere, legen sie nicht schlüssig einen Verfahrensfehler dar. Sie greifen nicht den Gesichtspunkt der erforderlichen Behandlungsroutine an, sondern nur den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum des Beklagten, den dieser - wie aufgezeigt - nicht überschritten hat.

48

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und § 159 S 2 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 4 sowie § 47 Abs 1 und Abs 2 S 1 GKG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. September 2012 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6251,53 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.

2

Die klagende Krankenhausträgerin implantierte in ihrem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus 66 (2003), 64 (2004), 35 (2005) und 18 (1.1. bis 12.7.2006) Kniegelenk-Totalendoprothesen (Knie-TEP). Sie behandelte die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte A (im Folgenden: Versicherte) vom 19.1. bis 3.2.2006 stationär wegen eines Binnenschadens an einem Kniegelenk. Sie berechnete die Fallpauschale (Diagnosis Related Group - DRG) I44B (Verschiedene Endoprotheseneingriffe am Kniegelenk) in Höhe von 6251,53 Euro einschließlich der Zuschläge (7.2.2006). Die Beklagte beglich die Rechnung nicht. Hiergegen hat die Klägerin mit dem Hinweis, sie habe wegen der Versorgung der Versicherten mit einer Knie-TEP Anspruch auf die in Rechnung gestellte Vergütung, Zahlungsklage erhoben. Das SG hat die Klage abgewiesen, weil das Krankenhaus 2005 weder die im Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vom 16.8.2005 vorgesehene jährliche Mindestmenge von 50 Knie-TEP pro Krankenhaus (Betriebsstätte) noch die Voraussetzungen der Übergangsregelung (ua 40 bis 49 Knie-TEP im Jahr 2005) erfüllt habe (Urteil vom 28.7.2011). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von 6251,53 Euro nebst Zinsen von 2 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 22.2.2006 verurteilt. Der Vergütungsanspruch der Klägerin sei nicht nach § 137 Abs 1 S 4 SGB V ausgeschlossen. Die Klägerin habe nicht davon ausgehen können, dass sie 2006 die Mindestmenge nicht erreiche. Maßgeblich sei allein, dass eine Krankenhausträgerin - wie hier die Klägerin - aus nachvollziehbaren Gründen habe davon ausgehen dürfen, die Zahl der Knie-TEP-Versorgungen werde die Mindestmenge erreichen. Knie-TEP-Leistungen seien auch vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst (Urteil vom 27.9.2012).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 iVm S 4 SGB V, des § 108 SGB V iVm § 8 Abs 1 S 4 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und des § 6 Abs 1, § 8 Abs 1 S 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Der Vergütungsanspruch der Klägerin sei ausgeschlossen, weil vorhersehbar gewesen sei, dass das Krankenhaus 2006 die Mindestmenge nicht erreichen werde und weil die Implantation von Knie-TEP ohnehin außerhalb des Versorgungsauftrags des Krankenhauses gelegen habe.

4

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. September 2012 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 28. Juli 2011 zurückzuweisen,

hilfsweise,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. September 2012 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

7

Der Senat hat Beweis erhoben durch eine Auskunft des GBA. Der GBA hat ausgeführt, eine durchgängige Befassung des gesamten Behandlungsteams eines Krankenhauses mit Knie-TEP sei nach medizinischer Erkenntnis erforderlich, um die Behandlungsabläufe zu etablieren und die einschlägigen Erfahrungen für eine qualitativ hinreichende Behandlungspraxis des gesamten Teams zu erhalten.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist.

9

Die von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis erhobene echte Leistungsklage ist zulässig (vgl nur BSG Urteil vom 17.12.2013 - B 1 KR 70/12 R - Juris RdNr 8 mwN, vorgesehen für BSGE und SozR 4-2500 § 2 Nr 4). Ob die Klägerin einen Vergütungsanspruch von 6251,53 Euro für die Versorgung der Versicherten mit einer Knie-TEP hat, vermag der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen. Es steht nicht fest, dass die erfolgte Versorgung mit einer Knie-Endoprothese der Mindestmengenregelung unterfiel. Soweit dies der Fall ist, hat die Klägerin keinen Vergütungsanspruch. Denn sie unterschritt bereits 2005 die maßgeblichen, rechtmäßigen Grenzen sowohl der Mindestmenge 50 als auch der Übergangsregelung (40 - 49). Unterfiel die Versorgung nicht der Mindestmengenregelung, steht die - weitere - Voraussetzung des Vergütungsanspruchs nicht fest, dass das Krankenhaus der Klägerin die Leistung innerhalb seines Versorgungsauftrags erbrachte.

10

1. Es steht nicht fest, dass die endoprothetische Versorgung der Versicherten der einschlägigen Mindestmengenregelung unterfiel, nämlich der Anlage 1 Nr 6 (idF des Beschlusses des GBA vom 16.8.2005, BAnz 2005 Nr 175, S 13 864, geändert durch Beschluss des GBA vom 20.9.2005, BAnz 2005 Nr 204, S 15 659; im Folgenden: Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 und vom 20.9.2005) zur Vereinbarung gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V (Nr 3 eingefügt durch Art 1 Nr 5 Buchst b Doppelb bb Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23.4.2002, BGBl I 1412; S 3 idF durch Art 1 Nr 104 Buchst a Doppelb cc Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190) zwischen den Spitzenverbänden der KKn, dem Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer und dem Deutschen Pflegerat vom 3.12.2003 - Mindestmengenvereinbarung - (MMV 2003; neugefasst als MMV des GBA vom 20.12.2005, BAnz vom 2.3.2006 Nr 43 S 1373, mWv 1.1.2006, MMV 2005). Soweit diese Regelung die Versorgung der Versicherten erfasste, hing die Befugnis der Klägerin zur Leistungserbringung und damit ihr Vergütungsanspruch (dazu 2.) davon ab, dass sie die für das Jahr 2006 erforderliche Mindestmenge voraussichtlich erreichen werde. Sowohl das LSG als auch die Beteiligen haben ihren sämtlichen Ausführungen übereinstimmend zugrunde gelegt, dass die Art und Weise der endoprothetischen Versorgung des Kniegelenks der Versicherten vom Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 erfasst werde. Das LSG hat zwar berichtet, die Klägerin habe die DRG I44B abgerechnet und - nach dem 2006 geltenden Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) - OPS-Nr 5-822.01 (Implantation einer Endoprothese am Kniegelenk, Unikondyläre Schlittenprothese, Zementiert) kodiert. Das LSG hat aber keine eigenen Feststellungen dazu getroffen, dass diese Kodierung den Sachverhalt zutreffend wiedergibt. Operationen und Prozeduren nach OPS-Nr 5-822.01 unterfielen 2006 keinem Mindestmengenerfordernis (näher dazu 4. b). Soweit die Annahmen des LSG und der Beteiligten zutreffen, dass die Klägerin die Versicherte mit einer Knie-TEP im Sinne des Mindestmengenbeschlusses vom 16.8.2005 versorgte, hat das LSG zu Unrecht der Berufung der Klägerin stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 6251,53 Euro verurteilt (dazu 3. bis 8.). Bildete hingegen die kodierte OPS-Nr 5-822.01 zutreffend den endoprothetischen Eingriff ab, steht nicht fest, dass die Behandlung vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst war. Das LSG wird hierzu den einschlägigen Feststellungsbescheid auszulegen haben (dazu 9.).

11

2. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 S 3 SGB V(idF durch Art 1 Nr 3 FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 S 1 KHEntgG(idF durch Art 2 Nr 5 Zweites Gesetz zur Änderung der Vorschriften zum diagnose-orientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser und zur Änderung anderer Vorschriften vom 15.12.2004, BGBl I 3429) und den Anlagen (Fallpauschalenkatalog) der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2006 (Fallpauschalenvereinbarung 2006) zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Verband der PKV gemeinsam und einheitlich sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft iVm § 17b KHG(idF durch Art 1 Nr 4 2. FPÄndG> vom 15.12.2004, BGBl I 3429).

12

Nach § 109 Abs 4 SGB V wird mit einem Versorgungsvertrag nach Abs 1, dem - wie hier - die Aufnahme des Krankenhauses in den Krankenhausplan eines Landes gleichsteht, das Krankenhaus für die Dauer des Vertrages(bzw des Krankenhausplans iVm mit dem Feststellungsbescheid nach § 8 Abs 1 S 3 KHG) zur Krankenhausbehandlung der Versicherten zugelassen. Das zugelassene Krankenhaus ist im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten verpflichtet. Die KKn sind verpflichtet, unter Beachtung der Vorschriften des SGB V mit dem Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des KHG, des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung zu führen. Nach § 39 Abs 1 S 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus(§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.

13

Das Krankenhaus hat auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen einen Vergütungsanspruch gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur für eine "erforderliche" Krankenhausbehandlung. Das folgt aus dem aufgezeigten Wortlaut und Regelungssystem sowie aus dem Zweck der Vergütung. Sie dient als Gegenleistung für die Erfüllung der Pflicht des zugelassenen Krankenhauses, Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten im Rahmen des Versorgungsauftrags zu leisten. Die Leistung des Krankenhauses ist nämlich zur Erfüllung des Leistungsanspruchs des Versicherten bestimmt (vgl BSG Großer Senat BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 10). Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich ist(stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13 mwN). Eine Versorgung von Patienten außerhalb des Versorgungsauftrags, ohne dass ein Notfall vorliegt, ist nicht zu vergüten (§ 8 Abs 1 S 3 KHEntgG).

14

Eine nach zwingenden normativen Vorgaben ungeeignete Versorgung Versicherter ist nicht im Rechtssinne "erforderlich" mit der Folge, dass das Krankenhaus hierfür keine Vergütung beanspruchen kann. Versicherte haben aufgrund des Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 SGB V)keinen Anspruch auf ungeeignete Leistungen, insbesondere auf ungeeignete Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 SGB V)einschließlich Krankenhausbehandlung. Krankenhäuser sind dementsprechend - außer in Notfällen - auch innerhalb ihres Versorgungsauftrags weder befugt, ungeeignet zu behandeln noch berechtigt, eine Vergütung hierfür zu fordern. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes für alle Leistungsbereiche des SGB V (vgl zB BSGE 105, 271 = SozR 4-2500 § 40 Nr 5, RdNr 27; BSGE 113, 231 = SozR 4-2500 § 40 Nr 7, RdNr 16). Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die KKn nicht bewilligen (vgl § 12 Abs 1 S 2 SGB V sowie § 2 Abs 1 S 1, § 4 Abs 3, § 70 Abs 1 SGB V). Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt nach dieser Gesetzeskonzeption uneingeschränkt auch im Leistungserbringungsrecht (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 29 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 9 RdNr 10 mwN). Das SGB V macht keine Ausnahme hiervon für Krankenhausbehandlung (vgl zum Ganzen auch BSG Urteil vom 1.7.2014 - B 1 KR 62/12 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 regelt für Knie-TEP-Implantationen durch eine Mindestmenge in diesem Sinne eine zwingende Qualitätsvorgabe. Sie sichert das Qualitätsniveau bei voraussichtlicher Unterschreitung im Folgejahr durch ein eigenständiges Verbot der Leistungserbringung zusätzlich ab (§ 137 Abs 1 S 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 5 Buchst c FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412).

15

3. Hat die Klägerin die Versicherte mit einer Knie-TEP im Sinne der Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 versorgt, steht ihr kein Vergütungsanspruch zu, weil sie weder die jährliche Mindestmenge von 50 Knie-TEP pro Krankenhaus (Betriebsstätte) voraussichtlich erreichte und deswegen nach § 137 Abs 1 S 4 SGB V diese Leistung bei der Versicherten nicht erbringen durfte, noch die auf dem Mindestmengenbeschluss vom 20.9.2005 beruhende Übergangsregelung ("Karenzzeit") für sich in Anspruch nehmen konnte. § 137 Abs 1 S 4 SGB V untersagte trotz bestehenden Versorgungsauftrags Krankenhäusern im Jahr 2006, Patienten mit einer Knie-TEP zu versorgen, wenn die Krankenhäuser die in § 137 Abs 1 iVm Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 genannten Voraussetzungen nicht erfüllten. Die auf den Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 zurückgehende Mindestmengenregelung in Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 ist wirksam, weil der Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 rechtmäßig ist und nicht außer Vollzug gesetzt war (dazu 4. und 5.). Die Klägerin erfüllte nicht die Voraussetzung, dass sie die im Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 geforderte jährliche Mindestmenge von 50 Knie-TEP voraussichtlich erreichen wird (dazu 6.). Sie war auch nicht nach der auf dem Mindestmengenbeschluss vom 20.9.2005 beruhenden Übergangsregelung zur Leistungserbringung berechtigt (dazu 7.). Auf der Grundlage der vom erkennenden Senat durchgeführten Sachverhaltsermittlung bedurfte es hinsichtlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 keiner Zurückverweisung an das LSG. Der erkennende Senat ist aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen in der Lage, in der Sache abschließend über die Wirksamkeit der Mindestmengenregelungen zu entscheiden, ohne von der Rechtsprechung des 3. BSG-Senats (BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 64 ff) abzuweichen (dazu 8.).

16

4. Rechtsgrundlage für die Einbeziehung von Krankenhausleistungen in einen Mindestmengenkatalog, die konkrete Festsetzung von Mindestmengen und sich daraus ergebende Rechtsfolgen ist § 137 Abs 1 S 1 bis 5 SGB V(dazu a). Hierauf gestützt beschloss der GBA, Knie-TEP in den Katalog planbarer Leistungen aufzunehmen, eine Mindestmenge festzusetzen und eine Übergangsregelung zu schaffen (dazu b).

17

a) Abs 1 S 1 bis 5 des § 137 SGB V(idF durch Art 1 Nr 104 GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190) bestimmt: Der GBA beschließt unter Beteiligung des Verbandes der PKV, der Bundesärztekammer sowie der Berufsorganisationen der Krankenpflegeberufe Maßnahmen der Qualitätssicherung für nach § 108 zugelassene Krankenhäuser einheitlich für alle Patienten(Satz 1). Dabei sind die Erfordernisse einer sektor- und berufsgruppenübergreifenden Versorgung angemessen zu berücksichtigen (Satz 2). Die Beschlüsse nach Satz 1 regeln insbesondere einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände(Satz 3 Nr 3). Wenn die nach Satz 3 Nr 3 erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht wird, dürfen ab dem Jahr 2004 entsprechende Leistungen nicht erbracht werden (Satz 4). Die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde kann Leistungen aus dem Katalog nach Satz 3 Nr 3 bestimmen, bei denen die Anwendung von S 4 die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte; sie entscheidet auf Antrag des Krankenhauses bei diesen Leistungen über die Nichtanwendung von S 4 (Satz 5).

18

b) Der GBA beschloss am 21.9.2004 Knie-TEP in den Katalog planbarer Leistungen zur Festsetzung von Mindestmengen nach § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V aufzunehmen(BAnz 2004 Nr 238, S 24 210). Die aufgrund des Mindestmengenbeschlusses vom 16.8.2005 mit Wirkung zum 1.1.2006 ergangene MMV 2005 sieht als zwingende Qualitätsanforderung für Knie-TEP eine jährliche Mindestmenge pro Krankenhaus (Betriebsstätte) von 50 Implantatversorgungen vor. Der Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 erfasst nicht die gesamte OPS-Nr 5-822 (Implantation einer Endoprothese am Kniegelenk), sondern nur die unter OPS-Nr 5-822.1**, 5-822.2**, 5-822.4**, 5-822.6**, 5-822.7**, 5-822.9** (** = 0: Nicht zementiert, 1: Zementiert, 2: Hybrid ) näher bezeichneten Implantationsverfahren. Außerdem enthält die MMV 2005 eine durch den Mindestmengenbeschluss vom 20.9.2005 konkretisierte "Übergangsregelung für das Jahr 2006": Krankenhäuser, die im Jahr 2005 zwischen 40 und 49 Knie-TEP erbracht haben und im Bundesverfahren der externen stationären Qualitätssicherung des Jahres 2004 Kriterien guter Qualität erfüllen, erhalten eine Karenzzeit von einem Jahr. Die Kriterien guter Qualität sind in Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 näher beschrieben.

19

5. Die vom GBA beschlossenen Mindestmengenbestimmungen für Knie-TEP-Implantationen sind wirksame untergesetzliche Rechtsnormen (dazu a). Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 ist mit Wirkung zum 1.1.2006 in Kraft getreten und hier anzuwenden (dazu b). Die Mindestmengenbestimmungen der Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 sind auch materiell rechtmäßig. Sie beruhen nach dem maßgeblichen Prüfungsmaßstab auf formell und materiell rechtmäßigen GBA-Beschlüssen (dazu c bis f). Sie waren im Zeitpunkt der Endoprothesenversorgung der Versicherten nicht außer Vollzug gesetzt (dazu g).

20

a) Der GBA ist zur Konkretisierung des sich aus § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V ergebenden Regelungsprogramms ermächtigt, außenwirksame Normen im Range untergesetzlichen Rechts zu erlassen. Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (dazu und insbesondere zur hinreichenden demokratischen Legitimation des Bundesausschusses vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 22 mwN zu stRspr und Literatur).

21

Der GBA regelt durch Mindestmengenbestimmungen nach abstrakt-generellem Maßstab, welche zugelassenen Krankenhäuser gegenüber den KKn welche planbaren Leistungen qualitätsgesichert erbringen dürfen. Denn der GBA bestimmt für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände(§ 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V).

22

Die Regelungen über die planbaren Leistungen und die ihnen zugeordneten Mindestmengen sind auch außenwirksam. Sie ergehen als Beschluss (§ 137 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 137 Abs 1 S 3 SGB V). Die Beschlüsse des GBA sind für seine Träger, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich (§ 91 Abs 9 SGB V idF durch Art 1 Nr 70 GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190, mWv 1.1.2004; vgl dementsprechend zur Rechtsnormqualität der Richtlinie des Beklagten als untergesetzliche Rechtsnormen zB BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 33; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 21; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 32; vgl auch GMG-Entwurf der Fraktionen der SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - BT-Drucks 15/1525 S 106, Zu Nummer 70 <§ 91> Absatz 9). § 137 Abs 2 S 1 SGB V(idF durch Art 1 Nr 104 Buchst b GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190, mWv 1.1.2004; lediglich redaktionell an die neue Zuständigkeit des GBA angepasst, im Übrigen wortgleich mit Art 1 Nr 54 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 , BGBl I 1999, 2626, mWv 1.1.2000; vgl dazu Begründung des GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000-Entwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 14/1245 S 89, Zu Nummer 78, Zu Absatz 2) schließt die umfassende Bindungswirkung iS von § 91 Abs 9 SGB V nicht aus, indem er die unmittelbare Verbindlichkeit der Mindestmengenbeschlüsse des GBA ausdrücklich nur für Krankenhäuser anordnet. Die Regelung des § 91 Abs 9 SGB V über die Verbindlichkeit von Beschlüssen des GBA galt - mit dem Ziel umfassender Bindungswirkung der genannten Beschlüsse - in der Sache bereits vor ihrer Einführung zum 1.1.2004 (anknüpfend an bereits zuvor ergangene Rechtsprechung des BSG, zB BSGE 78, 70, 75 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 30; BSGE 81, 73, 81 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 56 ff; BSGE 85, 36, 44 f = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 45; BSGE 87, 105, 110 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7). Der Gesetzgeber des GMG sah lediglich insoweit von einer weitgehenden redaktionellen Klarstellung des § 137 Abs 2 S 1 SGB V ab.

23

b) Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 ist durch den Beschluss des GBA vom 20.12.2005 als Bestandteil der MMV 2005 mit Wirkung zum 1.1.2006 in Kraft getreten. Die Regelung ist auf den vorliegenden Vergütungsstreit anzuwenden. Er betrifft nämlich eine Behandlung vom 19.1. bis 3.2.2006. Dem steht nicht entgegen, dass die MMV 2005 als untergesetzliches Regelungswerk zu ihrer formellen Wirksamkeit der Bekanntmachung (vgl zur Verkündung von Verordnungen auf Bundesebene Art 82 Abs 1 S 2 GG) bedurfte und die Bekanntgabe erst am 2.3.2006 im BAnz erfolgte (Nr 43 S 1373). Eine (echte oder unechte) Rückwirkung liegt nicht vor.

24

Auch wenn es sich bei der MMV 2005 im rechtstechnischen Sinne (§ 92 SGB V) nicht um eine Richtlinie handelt (zur Bekanntmachung von Richtlinien im BAnz vgl § 94 Abs 2 SGB V idF durch Art 1 Nr 25 Buchst b Zweites Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vom 20.12.1991, BGBl I 2325), waren die Regelungen der MMV 2005 im Hinblick auf ihren Rechtsnormcharakter auch bekanntzumachen, um dem rechtsstaatlichen Publizitätserfordernis Genüge zu tun. Insoweit ordnete die im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 20.12.2005 maßgebliche Geschäftsordnung des GBA (GO) in ihrem § 20 Abs 2 ua an, dass Entscheidungen nach § 137 SGB V in geeigneter Weise zu veröffentlichen sind. Die Art der Veröffentlichung ist mit der Entscheidung festzulegen. Dem Beschluss vom 20.12.2005 (MMV 2005) fehlt es zwar an einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung. Unter Berücksichtigung des § 94 Abs 2 SGB V ist aber eine Bekanntmachung im BAnz in jedem Fall eine hinreichende Form der Bekanntmachung. Das zum 1.1.2006 angeordnete Inkrafttreten der MMV 2005 stellt jedenfalls im Hinblick auf die Anlage 1 Nr 6 keine rückwirkende Neuregelung, sondern gegenüber den schon am 15.9.2005 (BAnz Nr 175, S 13 864; Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005) und am 27.10.2005 (BAnz Nr 204, S 15 659; Mindestmengenbeschluss vom 20.9.2005) bekanntgemachten Beschlüssen lediglich eine unveränderte, deklaratorische Neubekanntmachung dar. Als Normgeber stand dem GBA auch ohne ausdrückliche Ermächtigung die Befugnis zur Neubekanntmachung eigener Normsetzung zu.

25

c) Der auf die maßgeblichen Mindestmengenbeschlüsse vom 16.8. und 20.9.2005 anzuwendende Prüfmaßstab des Gerichts hat der Funktion des GBA als untergesetzlicher Normgeber Rechnung zu tragen.

26

Die Rechtmäßigkeit der Mindestmenge ist unter Berücksichtigung der Funktion des GBA als Normgeber an der Mindestmengenregelung des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V iVm mit dem vorgreiflichen, rechtmäßig gesetzten untergesetzlichen Recht zu messen. Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Beschlüsse des GBA sind hierbei gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 - LITT; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26; Schlegel, MedR 2008, 30, 32; Hauck, NZS 2010, 600, 611 f). § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V gibt dem GBA ein rechtlich voll überprüfbares Programm vor: In tatsächlicher Hinsicht ist die Ermittlung planbarer Leistungen, die Feststellung, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses einer planbaren Leistung in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist und die konkrete Eignung von festgesetzten Mindestmengen zur Verbesserung der Qualität der Behandlungsergebnisse sowie in rechtlicher Hinsicht die zutreffende Erfassung der Tatbestandsmerkmale durch den GBA vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem GBA bei der Auslegung dieser Regelungselemente des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom GBA zu berücksichtigenden Studienlage. Erst bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist er befugt, als Normgeber zu entscheiden. Soweit diese letztere Kompetenz reicht, darf allerdings die sozialgerichtliche Kontrolle ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom GBA getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen. Die Entscheidungen über die Auswahl und den Zuschnitt der Leistungen für den Katalog planbarer Leistungen sowie die genaue Festlegung der Mindestmenge innerhalb der Bandbreite geeigneter Mengen unterliegen in diesem Sinne dem normativen Gestaltungsspielraum des GBA. Der GBA kann dabei in einem zeitlich gestreckten Verfahren vorgehen, um den Katalog planbarer Leistungen allmählich zu entwickeln, um insbesondere weitere Erkenntnisse zu sammeln und zu bewerten und um Mindestmengen je nach Erkenntnisfortschritt neu zu justieren (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 21 mwN).

27

d) Der GBA beachtete die formellen Voraussetzungen für den Erlass der untergesetzlichen Normen. Maßgeblich zur Beurteilung der formellen Rechtmäßigkeit der Mindestmengenbeschlüsse vom 21.9.2004, 16.8. und 20.9.2005 sind - neben insbesondere § 137 Abs 1 S 1, §§ 139a, 139b, 140f SGB V, Patientenbeteiligungsverordnung vom 19.12.2003 (BGBl I 2753) - die GO und die verfahrensrechtlichen Regelungen der MMV 2003. Die Verfahrensordnung des GBA (VerfO) vom 20.9.2005 (BAnz 2005 Nr 242, S 16 998) trat erst mWv 1.10.2005 in Kraft. Sie war auf vor Inkrafttreten der VerfO begonnene Verfahren bis zum 31.3.2006 nicht anzuwenden (vgl § 48 S 1 VerfO). Namentlich anwendbar waren die Regelungen des Abschnitts E der GO (§§ 21 ff: Vorbereitung der Entscheidungen in Unterausschüssen und Zusammenarbeit mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen; zur Mitwirkung von Personen nach § 140f Abs 2 SGB V an Sitzungen des GBA vgl § 13 Abs 5 GO)und der §§ 3 f MMV 2003(Verfahrensregelung und Antragsverfahren). Noch verbliebene Regelungslücken waren im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Betroffenenpartizipation unter Heranziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze zu schließen.

28

Der GBA wahrte die durch Gesetz und seine eigenen Verfahrensvorgaben ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 34 mwN; Hauck, NZS 2010, 600, 604). Der dokumentierte Ablauf der Beratungen, die Einholung von Stellungnahmen bei betroffenen Fachverbänden sowie die Einbeziehung des IQWiG zur Ermittlung von Mindestmengen-Schwellenwerten für die Versorgung belegen anschaulich das formal korrekte Vorgehen.

29

Der formellen Rechtmäßigkeit des Mindestmengenbeschlusses vom 16.8.2005 steht nicht entgegen, dass der GBA in seiner Besetzung nach § 91 Abs 7 SGB V(idF durch Art 1 Nr 70 GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190, mWv 1.1.2004) nach erfolgter Beauftragung des IQWiG (GBA-Beschlüsse vom 21.12.2004 und 8.6.2005) den Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 im Vorgriff auf die Ergebnisse des IQWiG erließ. Er berücksichtigte abweichend von § 23 Abs 5 GO(vgl dazu § 91 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V idF durch Art 1 Nr 70 GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190, mWv 1.1.2004) noch nicht die erst später vorliegenden Empfehlungen des IQWiG. Formell war der GBA hierzu schon aufgrund der einstimmig getroffenen Entscheidung des nach § 91 Abs 7 SGB V zuständigen Gremiums befugt(zur materiellen Rechtmäßigkeit vgl dazu 5. e).

30

Die Mindestmengenbeschlüsse vom 21.9.2004, 16.8. und 20.9.2005 bedurften verfahrensrechtlich auch keiner besonderen Begründung (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 23 mwN). Eine Ausnahme im Sinne einer materiell-rechtlichen Begründungspflicht besteht nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats insofern, als der Gesetzgeber darauf abzielt, durch Einbindung des IQWiG in die Zuarbeit für den GBA den dynamischen Prozess der Fortentwicklung der medizinischen und pflegerischen Leistungen zu sichern und die kontinuierliche Einbeziehung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in eine qualitativ gesicherte Leistungserbringung zu gewährleisten (BT-Drucks 15/1525 S 127). Das IQWiG leitet deshalb seine Arbeitsergebnisse dem GBA als Empfehlungen zu (vgl § 139b Abs 4 S 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 112 GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190, mWv 1.1.2004). Dieser hat die Empfehlungen im Rahmen seiner Aufgabenstellung "zu berücksichtigen", wird also nur mit besonderer Begründung davon abweichen (vgl Hauck, NZS 2007, 461, 464). Insbesondere hat er zu prüfen, ob das IQWiG seine Feststellungen ausgehend von einem zutreffenden Rechtsverständnis der zugrunde gelegten Begriffe auf der Basis einer umfassenden Einbeziehung der relevanten Studien nachvollziehbar und widerspruchsfrei getroffen hat. Für die Umsetzung von Handlungsempfehlungen des IQWiG verbleibt ihm indes grundsätzlich sein gesetzgeberisches Ermessen (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 24 mwN).

31

Weder empfahl das IQWiG in seinem Abschlussbericht vom 5.12.2005 eine andere als vom GBA festgesetzte Mindestmenge noch gab es Hinweise, die der Festlegung einer jährlichen Mindestmenge von 50 Knie-TEP je Krankenhaus (Betriebsstätte) entgegenstanden oder den GBA hätten veranlassen müssen, seinen Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 zu ändern (vgl dazu 5. e) cc).

32

e) Der GBA machte rechtmäßig zunächst mit Beschluss vom 21.9.2004 (BAnz 2004 Nr 238, S 24 210) Knie-TEP (konkretisiert durch den Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005) zum Gegenstand des mindestmengenabhängigen Katalogtatbestands. Er ging von einem zutreffenden Verständnis der gesetzlichen Vorgaben einer planbaren Leistung aus (dazu aa), deren Ergebnisqualität in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist (dazu bb). Er bejahte auf dieser Grundlage rechtmäßig für die einbezogenen Knie-TEP die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V(dazu cc).

33

aa) Der GBA ging im Ergebnis sinngemäß zutreffend davon aus, dass eine "planbare" Krankenhausleistung iS von § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V eine Leistung ist, welche die dafür vorgesehenen Krankenhaus-Zentren in der Regel medizinisch sinnvoll und für die Patienten zumutbar erbringen können. Erforderlich ist, dass die Aufnahme und Durchführung gebotener stationärer Behandlung in einem Zentrum - trotz ggf längerer Anfahrt - unter Berücksichtigung zu überwindender räumlicher und zeitlicher Distanzen ohne unzumutbares Risiko für die Patienten erfolgen kann (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 28 ff).

34

bb) Die Qualität des Behandlungsergebnisses der planbaren Leistungen ist jedenfalls bereits dann - wie im Ergebnis vom GBA zugrunde gelegt - in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig, wenn eine Studienlage besteht, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität wahrscheinlich macht (vgl dazu und zu den nachfolgenden Ausführungen BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 31 ff). Hierbei ist nicht die Struktur- oder Prozessqualität, sondern allein die Qualität des Behandlungsergebnisses maßgeblich. Regelmäßig - aber nicht zwingend - wird es um hochkomplexe medizinische Leistungen gehen. Es muss sich aber jedenfalls um standardisierbare Krankenhausleistungen oberhalb einer Grundversorgung handeln. Sie müssen deswegen selten erbracht werden, weil entweder bundesweit die Indikation selten vorliegt (absolute Seltenheit) oder sie trotz häufiger Indikation aufgrund anderweitiger Konzentrationsprozesse und zufälliger Verteilungsschwankungen nicht in allen Krankenhäusern mit einschlägigem Versorgungsauftrag in höherer Zahl nachgefragt werden (relative Seltenheit). Bei ihnen muss die mit wissenschaftlichen Belegen untermauerte Erwartung berechtigt sein, dass die Güte der Leistungserbringung in besonderem Maße auch von der Erfahrung und Routine des mit der jeweiligen Versorgung betrauten Behandlers - Krankenhauseinheit und/oder Arzt - beeinflusst ist.

35

Schon der Wortlaut des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V verdeutlicht, dass die vom GBA zu treffende Mindestmengenregelung nicht darauf ausgerichtet ist, umfassend sektorenübergreifend für alle vertragsärztlichen und stationären Leistungen zusätzliche Qualitätsanforderungen aufzustellen. Vielmehr fasst der GBA danach lediglich für einen Teilbereich, für zugelassene Krankenhäuser - grundsätzlich einheitlich für alle Patienten - auch Beschlüsse über einen "Katalog" planbarer Leistungen nach §§ 17 und 17b KHG. Das Gesetz schränkt diesen Teilausschnitt aus dem Gesamtbereich der Leistungen nach §§ 17 und 17b KHG weiter spezifisch ein: Es muss um planbare Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG gehen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist.

36

Es genügt ein nach wissenschaftlichen Maßstäben wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität. Dafür spricht nicht nur der aufgezeigte Wortlaut. Auch die Entstehungsgeschichte belegt, dass es um einen durch Studien untermauerten wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Leistungen und der Qualität des Behandlungsergebnisses geht (vgl dazu Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines FPG, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Die in den Gesetzesmaterialien angesprochenen "Studien" sind in aller Regel nicht im naturwissenschaftlichen Sinne für einen Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität voll beweisend, sondern darauf hinweisend. Andernfalls könnte die Regelung kaum ihren Zweck erfüllen, der "herausgehobene(n) Bedeutung" einer "gute(n) Ergebnisqualität" Rechnung zu tragen, wie es im Rahmen der "bisher eingeführten Qualitätssicherungsmaßnahmen" … "noch zu wenig" erfolgte (vgl ebenda, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Hierfür genügt nicht schon die landläufige Erfahrung, dass routinierte Praxis im Allgemeinen eine bessere Ergebnisqualität sichert als deren Fehlen.

37

Das Auslegungsergebnis entspricht auch dem Regelungssystem. Die in § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V angesprochenen "Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG" müssen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich bereits dem Qualitätsgebot(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) genügen, um überhaupt zulasten der GKV abrechenbar zu sein (stRspr, vgl grundlegend BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 52 f unter Aufgabe von BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1, auch zur Berücksichtigung grundrechtskonformer Auslegung; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23; BSG Urteil vom 17.12.2013 - B 1 KR 70/12 R - Juris RdNr 15 ff mwN, vorgesehen für BSGE und SozR 4-2500 § 2 Nr 4; zustimmend 3. BSG-Senat, vgl BSGE 113, 167 = SozR 4-2500 § 137c Nr 6 LS, alle mwN). Die Anforderungen integrieren in wesentlichem Maße das Krankenhausplanungs- und das ärztliche Weiterbildungsrecht. Diese Regelungskomplexe erfordern bereits ein ausreichendes Maß an Erfahrung und Routine als Voraussetzung von Facharztqualifikationen, an die wiederum die Strukturvorgaben in der stationären Versorgung anknüpfen (vgl zutreffend Bohle, GesR 2010, 587). Der Mindestmengenkatalog (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V) stellt demgegenüber zusätzliche Qualitätsanforderungen auf im Interesse einer weiteren Risikominimierung. Der Regelungszweck steht - wie das -system - daher einem Normverständnis entgegen, das Mindestmengen auf bloße (fach-)ärztliche Grundfertigkeiten oder eine Grundversorgung im Krankenhausbereich erstreckt. Festsetzungen von Mindestmengen sind schließlich kein Instrument, um Behandler von der Versorgung auszuschließen, die trotz ausreichender Fallzahl nur eine durchschnittliche oder gar eine unterdurchschnittliche Ergebnisqualität oberhalb einer berufs-, gewerbe- oder schadensersatzrechtlichen Interventionsschwelle erreichen.

38

Regelungszweck und -system sprechen schließlich dafür, eine bloße, nach wissenschaftlichen Maßstäben belegte Wahrscheinlichkeit für den Zusammenhang zwischen Ergebnisqualität und Leistungsmenge genügen zu lassen. Dies entspricht dem mit § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V verfolgten Zweck der Risikominimierung in einem nennenswerten Bereich. Anforderungen nach Art eines statistisch sauber geführten vollständigen Kausalitätsbeweises würden den Anwendungsbereich der Norm auf ein vernachlässigbares Minimum reduzieren. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Steigerung der Ergebnisqualität und Festsetzung einer Mindestmenge besteht zwar unproblematisch, wenn er statistisch bewiesen ist. Das wird aber nur in höchst seltenen Ausnahmefällen möglich sein. Ist der genannte Zusammenhang allerdings - wie regelmäßig der Fall - nicht statistisch bewiesen, ist er anhand medizinischer Erfahrungssätze ergänzend zu untermauern. Mit statistischen Methoden ermittelte und risikoadjustiert bewertete Korrelationen allein reichen nämlich beim Fehlen eines statistischen Kausalitätsbeweises nicht aus, um einen Fallzahlenmangel als Ursache schlechterer Behandlungsergebnisse zu identifizieren (vgl rechtsähnlich stRspr zur Wirtschaftlichkeitsprüfung im Vertragsarztrecht, zB BSG Urteil vom 9.3.1994 - 6 RKa 16/92 - Juris RdNr 22 = USK 94131; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 34 RdNr 23 mwN). Der Maßstab ist nicht nach einem "Goldstandard" der evidenzbasierten Medizin abzuleiten. Dies widerspräche dem mit § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V verfolgten Zweck der Risikominimierung. Auch der im Verfahren noch maßgebliche § 3 Abs 3 MMV 2003 fordert mit einem "evidenzbasierten Verfahren" nur eine praktisch verfügbare, den dargelegten Maßstäben genügende Evidenz.

39

cc) Der GBA bejahte - ausgehend von der dargelegten Auslegung - rechtmäßig für die Implantationsverfahren nach OPS-Nr 5-822.1**, OPS-Nr 5-822.2**, OPS-Nr 5-822.3**, OPS-Nr 5-822.4**, OPS-Nr 5-822.6**, OPS-Nr 5-822.7** und OPS-Nr 5-822.9** in seinem Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V.

40

aaa) Der GBA durfte die von den Mindestmengenbeschlüssen (21.9.2004 und 16.8.2005) erfassten Versorgungen schon deswegen als planbare Leistungen ansehen, weil es sich bei ihnen durchweg um elektive Leistungen handelt (ebenso 3. BSG-Senat, BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 50; vgl zur Mengenentwicklung die Daten der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH : <2002> 64 198, <2003> 90 004, <2004> 110 349; zur weiterhin deutlich steigenden Tendenz, Knie-TEP zu implantieren, vgl Schnabel/Borelli, DÄ 2011, A 2598). Dies impliziert, dass die bei der Wahl des geeigneten Krankenhauses zu überwindenden räumlichen und zeitlichen Distanzen ohne unzumutbares Risiko für die Patienten zu bewältigen sind, und findet seinen signifikanten Niederschlag in der absoluten Mengenentwicklung.

41

bbb) Der GBA konnte auch rechtmäßig davon ausgehen, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses an der "Beweglichkeit" und der "Infektion" zu messen (dazu 1) und in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist. Denn es besteht - im dargelegten Sinne - eine Studienlage, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses wahrscheinlich macht. Die Ergebnisse des IQWiG-Gutachtens (Entwicklung und Anwendung von Modellen zur Berechnung von Schwellenwerten bei Mindestmengen für Knie-Totalendoprothese, Abschlussbericht vom 5.12.2005; im Folgenden: Abschlussbericht), die auf den von BQS für die Jahre 2003 und 2004 zur Verfügung gestellten Daten über Knie-TEP beruhen, machen einen Zusammenhang zwischen der Erhöhung der Leistungsmenge und der Reduzierung des Risikos der Unbeweglichkeit und der nosokomialen Infektion auch wahrscheinlich. Davon ist der Senat aufgrund der zur Beurteilung vorliegenden wissenschaftlichen Studien und Aussagen überzeugt. Er hat dies als generelle Tatsachen selbst zu bewerten (vgl entsprechend BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 47; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 31 mwN). Er folgt den Erkenntnissen des IQWiG, das in nicht zu beanstandender Weise (dazu 4) sowohl für den Endpunkt "Beweglichkeit" (dazu 2) als auch für den Endpunkt Vermeidung einer "Infektion" (dazu 3) einen "signifikanten" Zusammenhang belegen konnte.

42

(1) Der GBA musste nicht weitere patientenrelevante Endpunkte (insbesondere Mortalität und Reintervention wegen Komplikation; vgl dazu Sonderauswertung des BQS zu Knie-TEP vom 9.8.2004, dort auch zu weiteren Qualitätsindikatoren, S 7) in den dem IQWiG erteilten Begutachtungsauftrag zur Ermittlung von Schwellenwerten einbeziehen. Es genügte, dass der GBA in Abstimmung mit dem IQWiG nur den für den angestrebten Heilerfolg zentralen Qualitätsindikator kombiniert mit einer praktisch relevanten Komplikation als weiteren Qualitätsindikator zugrunde legte. Hierbei durfte er sich vertretbar von der durch das IQWiG vermittelten Erkenntnis leiten lassen, dass eine Beschränkung der Qualitätsindikatoren erforderlich ist, um in überschaubarer Zeit zu Ergebnissen zu gelangen (vgl dessen Tischvorlage zur Sitzung des GBA-Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" am 11.2.2005).

43

(2) Der GBA durfte rechtmäßig davon ausgehen, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses "Beweglichkeit" in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist (ebenso BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 55 f). Als patientenrelevanter Endpunkt steht ganz im Vordergrund die postoperative Beweglichkeit des mit einer Knie-TEP versorgten Beines. Das primäre Ziel der Knie-TEP ist die hinreichende Wiederherstellung der Knie-Beweglichkeit im Sinne der Beseitigung oder zumindest der Senkung der entsprechenden Krankheitslast. Dieses Ziel wird nach den Festlegungen des IQWiG nicht erreicht, wenn das operierte Kniegelenk des Patienten bei Entlassung eine nach der Neutral-Null-Methode gemessene Extension/Flexion von weniger als 0/0/90 aufweist (Abschlussbericht S 13). Es liegt dann keine ausreichende postoperative Beweglichkeit vor ("Unbeweglichkeit"). Die vom IQWiG nach verschiedenen statistischen Verfahren erhobenen Relationen zwischen Menge und Unbeweglichkeit zeigten angesichts nur geringer Unterschiede, dass eine Berechnung auf der Grundlage des vom IQWiG schließlich zugrunde gelegten Modells keinen statistischen Bedenken begegnet. Die Ausgangsdaten des Jahres 2004 erwiesen sich als verlässlich. Der mengenabhängige Verlauf des Risikos Unbeweglichkeit war auch nach den Daten des Jahres 2003 ähnlich. Die ausgewerteten Daten ergaben in der graphischen Darstellung einen abgeflachten U-förmigen Verlauf der Mengen-Risiko-Relation (vgl Abschlussbericht, Abbildung 5, S 28). Der Verlauf spiegelt eine deutliche Reduzierung des Risikos bei zunehmender Fallzahl wider und erreicht ungefähr ab einer jährlichen Fallzahl von 300 Knie-TEP die besten Risikowerte. Überzeugend erblickte das IQWiG darin einen "signifikanten Zusammenhang" zwischen der Fallzahl und dem Risiko Unbeweglichkeit (Abschlussbericht S 44 f).

44

(3) Der GBA durfte ebenfalls rechtmäßig davon ausgehen, dass die Qualität des Behandlungs-ergebnisses "Infektion" in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist (vgl auch BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 55 f). Dies zeigen überzeugend die Ergebnisse des IQWiG-Gutachtens zum patientenrelevanten Endpunkt "Infektion" (Abschlussbericht S 13: postoperative Wundinfektion nach den Definitionen der Centers for Disease Control and Prevention ; vgl auch Robert-Koch-Institut - Definitionen nosokomialer Infektionen, 7. Aufl 2011, http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/ Nosokomiale_Infektionen/nosokomiale_infektionen_node.html, abgerufen am 18.9.2014; Abschlussbericht S 44 f). Nach den Berechnungen des IQWiG verringert sich das Risiko mit zunehmender Menge fortlaufend (Abschlussbericht S 45: "sehr flache, mit steigender Fallzahl sehr langsam fallende Risikokurve"). Es erreicht bei jährlich 116 Knie-TEP den Wert von 1 % Wundinfektionen bezogen auf alle Knie-TEP (vgl Abschlussbericht S 12 und S 40 Abbildung 12).

45

(4) Der Senat sieht keine Gründe, die gegen die Verwertbarkeit des Abschlussberichts des IQWiG sprechen. Denn das IQWiG ist als fachlich unabhängiges, rechtsfähiges wissenschaftliches Institut, dessen Träger der Beklagte ist (§ 139a Abs 1 S 1 SGB V), nach § 139a Abs 3 Nr 1 SGB V von Gesetzes wegen ausdrücklich zur Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei ausgewählten Krankheiten berufen. Es stellt ein Expertengremium dar, das in seiner persönlichen und fachlichen Integrität und Qualität durch Transparenz und Unabhängigkeit gesetzlich und institutionell abgesichert ist (vgl zum Ganzen BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 76 ff; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 74 ff). Es gibt keine Hinweise darauf, dass dem IQWiG bei der Auswertung der BQS-Daten Fehler unterlaufen sein könnten. Die Auswertung selbst ist sorgfältig. Die darauf gestützten Folgerungen sind in ihren vorsichtig formulierten Aussagen wohlabgewogen. Insbesondere stehen sie auch nicht im Widerspruch zu den Ergebnissen der vom GBA als valide angesehenen wissenschaftlichen Studien, die mit die Grundlage für die Aufnahme der Knie-TEP in den Mindestmengenkatalog bildeten (GBA-Beschluss vom 21.9.2004).

46

f) Der Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 ist auch im Übrigen rechtmäßig. Der GBA überschritt nicht den ihm eingeräumten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, indem er vertretbar eine jährliche Mindestmenge von 50 Knie-TEP pro Krankenhaus (Betriebsstätte) festsetzte (zur Übergangsregelung näher 7.). Diese festgesetzte Mindestmenge ist regelmäßig geeignet, die Behandlungskontinuität als eine (Mindest-)Voraussetzung für ein gutes Behandlungsergebnis zu gewährleisten (dazu aa). Dem steht nicht entgegen, dass sich weder aus den vorhandenen Studien noch aus den aufgrund der BQS-Daten durchgeführten Berechnungen des IQWiG explizite Schwellenwerte für Mindestmengen abzuleiten sind (dazu bb).

47

aa) Eine Ergebnisverbesserung ist durch die Festsetzung der Mindestmenge 50 wahrscheinlich. Nach dem Ergebnis der Beweiserhebung (zur Befugnis des Revisionsgerichts, generelle Tatsachen festzustellen, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 31 mwN)besteht bei Knie-TEP der medizinische Erfahrungssatz, dass eine mit dieser Mindestmenge bewirkte betriebsstättenbezogene Behandlungskontinuität erforderlich ist, um die Behandlungsroutine als eingeübten äußeren Behandlungsablauf zu gewährleisten, in dem sich Wissen, Erfahrung und operationstechnische sowie pflegerische Spezialisierung verkörpern. Bloße Gelegenheitsoperationen oder der Verlust der Behandlungsroutine tragen die Gefahr in sich, dass Krankenhäuser hierdurch die erzielbare Quote guter Behandlungsergebnisse nicht mehr erreichen. Der erkennende Senat stützt sich hierfür auf die von ihm beim GBA eingeholte, medizinisch begründete Stellungnahme (15.7.2014).

48

Die vom GBA festgesetzte Fallzahl ist geeignet, eine Mindest-Behandlungsroutine zu gewährleisten. Eine jährliche Fallzahl von 50 Knie-TEP stellt grundsätzlich sicher, dass durchschnittlich nahezu jede Woche eine Knie-TEP-Operation erfolgt. Dies trägt maßgeblich dazu bei, dem Behandlungsteam eine hinreichende Behandlungsroutine zu erhalten. Ausgehend von einer mittleren Verweildauer von 18,9 Tagen (DRG I43Z) bzw 16,6 Tagen (DRG I44Z) nach dem 2005 geltenden Fallpauschalen-Katalog (zum Vergleich entsprechende DRGs für das Jahr 2014: 15,9 Tage mittlere Verweildauer für DRG I44A und 11,4 Tage mittlere Verweildauer für DRG I44B) gewährleistet die Mindestmenge auch eine kontinuierliche Befassung mit der Behandlung in der prä- und postoperativen Phase. Unter Berücksichtigung des elektiven Charakters von Knie-TEP lässt dies die berechtigte Erwartung zu, dass bei 50 Behandlungsfällen im Jahr diese sich in der Abteilung (Behandlungseinheit) überlappen und hierdurch eine fortwährende Befassung des ärztlichen und nichtärztlichen Personals mit prä- und postoperativen Phasen der Knie-TEP-Therapie gewährleistet ist. Wesentlich ist für die Bewertung der Umstand, dass - in Einklang mit dem aufgezeigten Erfahrungssatz - unter neun Knie-TEP-Patienten in einem Low-Volume-Krankenhaus (weniger als 50 Knie-TEP-Fälle jährlich) im Vergleich zu den anderen High-Volume-Krankenhäusern (jährlich 50 und mehr Knie-TEP-Fälle) ein Fall mit nicht ausreichender Beweglichkeit mehr zu erwarten ist als in einem High-Volume-Krankenhaus (Abschlussbericht S 32).

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Der Eignung einer Mindestmenge von 50 Behandlungsfällen im Jahr steht unter dem Gesichtspunkt der Begrenzung des Risikos aufgrund fehlender Behandlungsroutine nicht entgegen, dass nach dem Bericht des IQWiG bei dem Vergleich der Gruppe der Low-Volume-Krankenhäuser gegenüber der so definierten Gruppe der (Ultra-)High-Volume-Krankenhäuser (mehr als 600 Behandlungsfälle) erstere besser abschneidet. Unter sechs Knie-TEP-Patienten ist zwar in (Ultra-)High-Volume-Krankenhäusern ein Fall mit nicht ausreichender Beweglichkeit mehr zu erwarten als in Low-Volume-Krankenhäusern (Abschlussbericht S 33). Es gibt aber keinen medizinischen Erfahrungssatz, dass - bei ausreichender personeller und sächlicher Ausstattung - eine Behandlungseinheit allein durch die Zahl der Behandlungsfälle "übertrainiert" sein und an Behandlungsroutine wieder verlieren könnte. Die Qualitätsverschlechterung muss vielmehr auf anderen Umstände beruhen, die die durch höhere Fallzahlen bedingte Qualität des Behandlungsergebnisses konterkarieren. Es bedarf anderer Qualitätssicherungsmaßnahmen, um dem entgegenzuwirken.

50

g) Unerheblich ist, dass der GBA die Mindestmengenregelung für Knie-TEP im Jahr 2011 befristet mit der Maßgabe außer Vollzug setzte (Beschluss vom 15.9.2011, BAnz 2011 Nr 157, S 3637), dass er nach Entscheidung des BSG über das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg (vom 17.8.2011 - L 7 KA 77/08 KL - nachfolgend BSG Urteil vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1) erneut entscheiden wird, ob und in welcher Höhe eine Mindestmenge festgelegt bleibt, und dass er eine diesen Beschluss ändernde Entscheidung bislang nicht getroffen hat. Die Außervollzugsetzung wirkt nur für künftige, nicht aber für in der Vergangenheit liegende Abrechnungssachverhalte.

51

6. Die Klägerin war 2006 gemäß § 137 Abs 1 S 4 SGB V nicht berechtigt, Knie-TEP-Leistungen im Sinne der Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 zu erbringen. Denn die Klägerin erreichte im Jahr 2006 voraussichtlich nicht die Mindestmenge von 50 Knie-TEP. Sie durfte die Versicherte deswegen nicht mit einer entsprechenden Knie-TEP versorgen. Ein Vergütungsanspruch konnte nicht entstehen.

52

Maßgeblich dafür, ob ein Krankenhaus weiterhin mindestmengenrelevante Leistungen erbringen darf, ist die Prognose, dass das Krankenhaus die Qualifikationsanforderung in Gestalt der bislang erreichten Mindestmenge voraussichtlich auch im kommenden Kalenderjahr nicht unterschreiten wird. Die Prognose setzt - vorbehaltlich der speziellen Übergangsregelung in Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 iVm § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V(näher dazu 7.) und der allgemeinen Ausnahmetatbestände in Anlage 2 MMV 2005 iVm § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V - grundsätzlich voraus, dass das Krankenhaus im zuvor abgelaufenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge erreicht hat. Nur dann kann die von § 137 Abs 1 S 4 SGB V geforderte Prognose positiv ausfallen. Dies folgt aus Entstehungsgeschichte (dazu b), Regelungssystematik und -zweck (dazu c). Der Wortlaut der Regelung steht nicht entgegen (dazu a). Danach war hier die Prognose für die Klägerin zwingend negativ (dazu d). Eine gleichwertige Maßnahme zur Sicherung der Ergebnisqualität bei Knie-TEP, die an die Stelle der Mindestmenge hätte treten können, stand nicht zur Verfügung (dazu e). Der Ausschluss der Klägerin von der Leistungserbringung ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar (dazu f).

53

a) Der Wortlaut des § 137 Abs 1 S 4 SGB V lässt eine Auslegung zu, wonach das Krankenhaus im jeweils bei Jahresbeginn zuvor abgelaufenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge erreicht haben muss. Er bestimmt: "Wenn die nach Satz 3 Nr. 3 erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht wird, dürfen ab dem Jahr 2004 entsprechende Leistungen nicht erbracht werden." Der Wortlaut lässt offen, unter welchen Voraussetzungen die Prognose gerechtfertigt sein soll, dass die erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht wird.

54

b) Schon die Entstehungsgeschichte der Norm legt nahe, die Erfüllung der Mindestmenge im laufenden Jahr als notwendige Voraussetzung für eine positive Prognoseprüfung im nachfolgenden Jahr zu sehen. § 137 Abs 1 S 4 SGB V wurde durch Art 1 Nr 5 Buchst c FPG vom 23.4.2002 (BGBl I 1412) in die Vorschrift eingefügt und geht auf die Empfehlung des Ausschusses für Gesundheit zurück (BT-Drucks 14/7824 S 7). Er begründete die von ihm vorgeschlagene Regelung damit, dass "Krankenhäuser bei Unterschreitung der Mindestmengen für planbare Leistungen, die nach Satz 3 Nr. 3 aus Gründen der Qualitätssicherung zu vereinbaren sind, die Leistungen nicht mehr erbringen dürfen. Dabei ist im Rahmen der Erlösbudgetverhandlungen die voraussichtlich erreichbare Zahl der Leistungen maßgeblich" (BT-Drucks 14/7862 S 5). Ähnlich formuliert die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zum GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378), durch dessen Art 1 Nr 110 der bisherige Abs 1 S 4 zum Abs 3 S 2 des § 137 Abs 1 SGB V wurde: "Darüber hinaus wird nach Satz 2 klargestellt, dass bei Unterschreitung der Mindestmengenvorgaben die Leistungen nicht erbracht werden dürfen"(BT-Drucks 16/3100 S 147). Die Unterschreitung einer Grenze impliziert, dass eine bestimmte quantifizierbare Vorgabe zunächst erreicht ist und zukünftig unterschritten, also nicht wieder erreicht wird.

55

c) Der Regelungszweck bestätigt die Auslegung, dass das Krankenhaus im jeweils bei Jahresbeginn abgelaufenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge erreicht haben muss. Regelungszweck und -anlass für die Einführung von Mindestmengen war, dass es teilweise an einer ausreichenden Menge zu erbringender Leistungen für die betroffenen Behandler fehlt (absolute oder relative Seltenheit, vgl oben II. 5. e bb), um eine Routine und Erfahrung zu erlangen und aufrechtzuerhalten, die zu dem rechtlich geforderten Standard der Ergebnisqualität führt. Nur der Umstand, dass zu geringe Fallzahlen keine qualitativ hinreichende Behandlungspraxis für bestimmte Leistungen in allen Krankenhäusern gewährleisten, die nach ihrer personellen und sächlichen Ausstattung zur Leistungserbringung grundsätzlich in der Lage sind, rechtfertigt die Festsetzung von Mindestmengen. Denn gäbe es hinsichtlich sämtlicher planbarer Leistungen jeweils ausreichende Fallmengen, könnten Mindestmengen keine Anhebung der Ergebnisqualität erreichen. Die Regelung soll in ihrem Kern im Interesse gebotener Ergebnisqualität einen Fallzahlenmangel steuern (vgl zum Ganzen BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 36). Die Steuerungsvorgabe von Mindestmengen zum Zweck der Qualitätssicherung bedingt, dass betroffene Krankenhäuser grundsätzlich die gebotene Untergrenze nicht unterschritten haben. Hierbei ging der Gesetzgeber selbstverständlich davon aus, dass seine Regelungen nicht auf eine erst noch entstehende stationäre Versorgungsstruktur einwirken werden, sondern auf eine voll ausgebildete, die es zu verändern gilt, indem betroffene Behandler mit dem Angebot von Leistungen, bei denen sie die mengenmäßig definierten Qualitätsanforderungen nicht erfüllen, aus dem Markt ausscheiden müssen. Umgekehrt soll eine Umverteilung zugunsten derjenigen Behandler erfolgen, die diese Voraussetzungen schon bislang erfüllten und prognostisch weiterhin erfüllen werden.

56

Das gesetzgeberische Konzept zielt darauf ab, im Interesse des Patientenschutzes (vgl nur Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BT-Drucks 14/6893 S 30 f, dort zu § 137 Abs 1 SGB V) dort einen Status quo der Krankenhausversorgungsstruktur abzusichern, wo er die mengenabhängigen Qualitätsanforde-rungen erfüllt. Dem entspricht es, dass die individuelle Prüfung des jeweiligen Krankenhauses die Prognose für das jeweils zukünftige Jahr die Annahme rechtfertigen muss, es werde aufgrund der berechtigten mengenmäßigen Erwartungen weiterhin die Gewähr für eine gute Ergebnisqualität bieten.

57

Das Regelungssystem spricht ebenfalls für das gefundene Auslegungsergebnis. Der Gesetzgeber sah in Ergänzung zu den Regelungen über die Sicherung eines bestehenden Qualitätsniveaus zwei Wege vor, wie Krankenhäuser, die aktuell eine Mindestmenge nicht erfüllen, gleichwohl eine Chance erhalten, die Qualitätsanforderung der Mindestmenge innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zu erreichen: Er ließ zum einen die Regelung des FPG § 137 Abs 1 SGB V mWv 30.4.2002 in Kraft treten, ordnete aber erst für das Jahr 2004 an, dass bei negativer Prognose eine weitere Leistungserbringung ausgeschlossen sei. So sollten Krankenhäuser bei frühzeitig vereinbarten Mindestmengen Zeit erhalten, die Mindestmenge zu erreichen. Daneben wies der Gesetzgeber des FPG ausdrücklich in § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V den in S 1 genannten Vertragsparteien(und später der Gesetzgeber des GMG dem GBA ab 1.1.2004) die Kompetenz zu, Ausnahmetatbestände im Sinne der Abweichung von der Mindestmenge zu schaffen. Hierbei hatte der FPG-Gesetzgeber insbesondere Fallgestaltungen vor Augen wie zB den Wechsel des behandelnden Arztes oder den Aufbau eines Leistungsbereiches durch einen bereits erfahrenen Arzt (vgl Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 14/7862 S 5). Diese Regelungen gründen auf dem Vorverständnis, dass grundsätzlich für eine Prognose die Mindestmenge jeweils bereits erreicht sein muss.

58

Von diesem Gesetzesverständnis geht zutreffend auch Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 aus. Denn deren spezielle Übergangsregelung, die für das Hinausschieben der Prognose auf das Jahr 2007 (2006 als Karenzzeit) ua voraussetzt, dass das Krankenhaus im Jahr 2005 mindestens zwischen 40 und 49 Knie-TEP-Versorgungen durchführte, legt inzident zugrunde, dass Krankenhäuser mit noch geringerem Leistungsvolumen von vornherein keine Möglichkeit zur weiteren Leistungserbringung erhalten sollen. Ansonsten hätte die Übergangsregelung allein auf die weiteren Qualitätsanforderungen (vgl zu deren Inhalt 7.) abstellen können.

59

d) Nach diesen Maßstäben musste hier die Prognose (§ 137 Abs 1 S 4 SGB V)zwingend negativ mit der Rechtsfolge ausfallen, dass die Klägerin im Jahr 2006 nicht mehr zur Erbringung von Knie-TEP-Leistungen berechtigt und zu deren Abrechnung befugt war. Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) führte die Klägerin in ihrem Krankenhaus, das auch in den zurückliegenden Jahren Knie-TEP-Leistungen erbracht hatte, im Jahr 2005 nur 35 Knie-TEP-Versorgungen durch. Damit unterschritt die Klägerin die Mindestmenge und erreichte kein hinreichendes Qualitätsniveau, dessen weitere Aufrechterhaltung prognostisch hätte in Betracht kommen können.

60

e) Andere Qualitätssicherungsmaßnahmen sind nicht geeignet, den mit der Knie-TEP-Mindestmenge verfolgten Zweck in gleicher Weise zu erreichen. Der erkennende Senat geht bei seinem Verständnis der Mindestmengenregelung von einem Verhältnis der Spezialität zu anderen Maßnahmen der Qualitätssicherung aus. Er sieht in § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V ein eigenständiges, spezifisches Steuerungsinstrument. Dieses Instrument ist für Fälle konzipiert, in denen höhere Fallzahlen höhere Qualität herbeiführen. Bedarf es zwingend der Gewährleistung eines Mindestmaßes an Behandlungsroutine, um eine angestrebte Ergebnisqualität zu sichern oder sich dieser zumindest anzunähern, kann das durch die Mindestmenge ermöglichte Plus an Ergebnisqualität nicht durch andere Qualitätssicherungsmaßnahmen substituiert werden. Nur dort, wo die konkreten Auswirkungen unterschiedlicher Maßnahmen der Qualitätssicherung gleich sind, kommt es zu einem echten Konkurrenzverhältnis. Dies ist aber schon denklogisch ausgeschlossen, wenn die Mindestmenge ihren rechtfertigenden Grund gerade in ihrem exklusiven Wirkbeitrag zur Erreichung einer bestimmten Ergebnisqualität hat.

61

Der Tatbestand des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V erfordert diese Exklusivität, wie dargelegt. Ist eine spezifische Behandlungsroutine oberhalb des Facharztstandards nicht erforderlich (vgl oben), fehlt es bereits an einer zentralen tatbestandlichen Voraussetzung zur Festlegung einer Mindestmenge. Ist hingegen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistung abhängig, folgt daraus zwingend, dass der GBA die Qualitätssicherungsmaßnahme Mindestmenge nicht durch eine andere Qualitätssicherungsmaßnahme substituieren kann. Im Ergebnis nichts anderes gilt nach Auffassung des 3. BSG-Senats. Danach lässt das immer stärker ausdifferenzierte Nebeneinander unterschiedlicher Ansätze zur Qualitätssicherung nur den Schluss zu, dass die Steuerung der Leistungsmengen Anlässen vorbehalten bleiben soll, bei den sie Vorteile gegenüber anderen Instrumenten der Qualitätssicherung versprechen (BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 39, vgl auch RdNr 42). Eben dies ist dann gegeben, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V - wie hier - erfüllt sind.

62

f) Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 iVm § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 und S 4 SGB V verletzt die Klägerin als Grundrechtsträgerin(Art 19 Abs 3 GG) nicht dadurch in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG), dass sie ab 2006 nicht mehr berechtigt war, Patienten mit Knie-TEP zu versorgen. Die Regelung greift zwar in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin ein, ist jedoch durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt (vgl dazu BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 54 f mwN). Die Abwägung der Bedeutung der Interessen der Krankenhäuser, uneingeschränkt Knie-TEP-Leistungen zu erbringen, mit dem Interesse an einer besseren Versorgungsqualität für Patienten ergibt einen Vorrang der Qualitätssicherung zugunsten der hiervon betroffenen Individual- und Gemeinwohlbelange. Patientenschutz hat hier Vorrang vor Erwerbsschutz.

63

7. Die Klägerin war auch nach der grundsätzlichen Entscheidung im Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005, eine Übergangsregelung einzuführen, und nach deren Konkretisierung im Mindestmengenbeschluss vom 20.9.2005 (dazu a) nicht zur Leistungserbringung gegenüber der Versicherten berechtigt (dazu b).

64

a) Krankenhäuser, die im Jahr 2005 zwischen 40 und 49 Knie-TEP erbrachten und im Bundesverfahren der externen stationären Qualitätssicherung des Jahres 2004 weitere Kriterien guter Qualität erfüllten, erhielten eine "Karenzzeit" von einem Jahr (vgl Anlage 1 Nr 6, Übergangsregelung für das Jahr 2006 MMV 2005). Die Beurteilung der Kriterien guter Qualität im Sinne der Übergangsregelung erfolgt auf der Basis der Daten der externen stationären Qualitätssicherung bei der BQS für das Verfahrensjahr 2004 im Leistungsbereich Knie-TEP-Erstimplantation zu fünf ausgewählten Qualitätsindikatoren (1: Indikation; 2: Letalität; 3: Postoperative Beweglichkeit; 4: Risikoadjustierte postoperative Wundinfektion; 5: Neu aufgetretene Dekubitalulzera ; näher dazu Anlage 1 Nr 6, Übergangsregelung für das Jahr 2006, Nr 2 bis 4 MMV 2005).

65

Krankenhäuser, die diese auf einen Vorschlag der Deutschen Krankenhausgesellschaft zurückgehenden Voraussetzungen erfüllten, mussten erst am Ende des Jahres 2006 die Prognose rechtfertigen, dass sie 2007 die Mindestmenge von 50 Knie-TEP erreichen würden (vgl auch Protokoll der 10. Sitzung des GBA vom 16.8.2005). Auf Krankenhäuser mit weniger als 40 Knie-TEP im Jahr 2005 und Krankenhäuser mit 40 bis 49 Knie-TEP im Jahr 2005 bei Nichterfüllung der sonstigen Qualitätsanforderungen fand § 137 Abs 1 S 4 SGB V iVm Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 ohne spezielle Übergangsregelung unmittelbar Anwendung mit der Folge, dass ihnen die Leistungserbringung ab dem Jahr 2006 untersagt war.

66

Der GBA durfte aufgrund der aufgezeigten gesetzlichen Ermächtigung, Mindestmengen festzulegen, als Annex hierzu auch Übergangsregelungen einführen, die den Anforderungen des Patientenschutzes und einer funktionsadäquaten Anpassung der Versorgungsstruktur genügen. Die eng begrenze Funktion der speziellen Übergangsregelung in Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 steht in Einklang mit Regelungssystematik und Regelungszweck der Grundregelung (s oben 6. c), ausnahmslos alle Krankenhäuser ohne Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte von der Leistungserbringung schon dann auszuschließen, wenn sie im Jahr 2005 weder die Mindestmenge von 50 Knie-TEP erreichten noch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Übergangsregelung erfüllten.

67

b) Das LSG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Klägerin 2004 die Qualitätssicherungsvoraussetzungen erfüllte. Das LSG hat aber Feststellungen zu Knie-TEP-Fallzahl im Krankenhaus der Klägerin für das Jahr 2005 getroffen. Nach seinen nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) erreichte das Krankenhaus der Klägerin nur eine Fallzahl von 35 Knie-TEP-Operationen. Es erfüllte damit jedenfalls eine der kumulativ erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendbarkeit der Übergangsregelung nicht.

68

8. Der erkennende 1. Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des 3. BSG-Senats ab (BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 64 ff). Das vom erkennenden 1. Senat gefundene Ergebnis beruht nicht auf der Anwendung eines Rechtssatzes, der von einem im vorgenannten Urteil aufgestellten Rechtssatz abweicht (§ 41 Abs 2 SGG), sondern auf der Berücksichtigung neuerer Erkenntnisse in Gestalt medizinischer Erfahrungssätze im Range genereller Tatsachen, die auf der Sachverhaltsermittlung des erkennenden Senats beruhen. Hiernach (vgl 5. f) steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass eine jährliche Mindestmenge von 50 Knie-TEP geeignet und erforderlich ist, um bei dem hiermit zu befassenden Behandlungsteam eine hinreichende Behandlungsroutine zu gewährleisten. Dementsprechend ist es auch erforderlich, die Mindestmenge auf die Betriebsstätte und nicht auf den einzelnen Arzt zu beziehen. Diese Erkenntnisse tragen auch dem Aufklärungs- und Abwägungsbedarf Rechnung, den der 3. BSG-Senat formuliert hat hinsichtlich einer nachvollziehbaren Begründung der konkreten Mindestmenge, der Auswirkungen auf die Versorgungssituation, der Auswahl der Qualitätsparameter, der Schaffung weiterer Ausnahmetatbestände und der Einrichtungs- oder Arztbezogenheit der Mindestmenge.

69

9. Sollten die vom LSG noch zu treffenden Feststellungen ergeben, dass die Klägerin der Versicherten keine TEP, sondern eine Endoprothese am Kniegelenk als zementierte unikondyläre Schlittenprothese implantierte (OPS-Nr 5-822.01), ist zwar ein Vergütungsanspruch nicht wegen Unterschreitung der gebotenen Mindestmenge für Knie-TEP ausgeschlossen. Ein Anspruch auf Vergütung dieser Versorgung der Versicherten setzt indes voraus, dass das Plankrankenhaus der Klägerin die Leistung innerhalb seines Versorgungsauftrags erbrachte. Hierzu fehlt es an näheren Feststellungen des LSG. Der Inhalt des Feststellungsbescheids nach § 8 Abs 1 S 3 KHG steht nicht fest.

70

Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs 1 SGB V), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation (§ 39 Abs 1 S 3 SGB V idF durch Art 5 Nr 11 SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Der Versorgungsauftrag des Krankenhauses ergibt sich bei einem Plankrankenhaus aus den Festlegungen des Krankenhausplans in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung nach § 6 Abs 1 iVm § 8 Abs 1 S 3 KHG sowie einer ergänzenden Vereinbarung nach § 109 Abs 1 S 4 SGB V(§ 8 Abs 1 S 4 Nr 1 KHEntgG). Der jährlich fortzuschreibende Krankenhausplan enthält in Niedersachsen die für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung erforderlichen Krankenhäuser, gegliedert ua nach den Fachrichtungen (Gebieten), Planbetten und Funktionseinheiten (§ 3 Abs 3 und 5 idF der Bekanntmachung der Neufassung des Niedersächsischen Gesetzes zum Bundesgesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - NdsKHG - vom 12.11.1986, GVBl 343). Er wird vom Sozialminister aufgestellt, vom Landesministerium beschlossen und ist im Niedersächsischen Ministerialblatt zu veröffentlichen (§ 3 Abs 1 S 1 und 3 NdsKHG). Der Niedersächsische Krankenhausplan 2006 (Stand 1.1.2006, 21. Fortsetzung; im Folgenden: Krankenhausplan 2006) gliedert die Versorgungsgebiete ua - soweit hier von Interesse - nach Fachrichtungen Chirurgie und Orthopädie. Besonders ausgewiesen sind die Herzchirurgie, die Kinderchirurgie, die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, die Neurochirurgie und die Plastische Chirurgie.

71

Das LSG hat den der Klägerin erteilten Versorgungsauftrag nicht genau festgestellt. Es hat den gegenüber der Klägerin ergangenen Feststellungsbescheid nach § 8 Abs 1 S 3 KHG weder beigezogen noch selbst ausgelegt, sondern sich mit dem Vorbringen der Klägerin hierzu begnügt. Das LSG wird den einschlägigen Feststellungsbescheid beizuziehen und eigenständig auszulegen haben.

72

Insoweit weist der Senat darauf hin, dass für den Fall einer Regelung im Feststellungsbescheid, wonach der Versorgungsauftrag des Krankenhauses der Klägerin die "Chirurgie" als Fachrichtung umfasst, keine bundesrechtlichen Bedenken gegen die Annahme des LSG bestehen, dass die Chirurgie auch die Unfallchirurgie einbezieht. Denn letztere weist der Krankenhausplan 2006 nicht als eigene Fachrichtung aus. Keinen bundesrechtlichen Bedenken begegnet auch die Auffassung des LSG, dass die Fachrichtungen im Krankenhausplan 2006 nach den Vorgaben der landesrechtlichen ärztlichen Weiterbildungsordnung auszulegen sind und von der Weiterbildungsordnung für Unfallchirurgen erfasste Operationen auch zum Versorgungsauftrag der Krankenhäuser mit der Fachrichtung "Chirurgie" gehören.

73

10. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1 und Abs 3 S 1, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 und Abs 2 S 1 GKG. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für alle Rechtszüge wird auf 2 500 000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenhausträgerin und der beklagte Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) streiten über die Erhöhung der Mindestmenge jährlich in Perinatalzentren der obersten Kategorie zu behandelnder sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener von 14 auf 30 ab 1.1.2011.

2

Der Gesetzgeber übertrug 2004 dem Beklagten die Kompetenz, für zugelassene Krankenhäuser einen Katalog planbarer Leistungen zu beschließen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände (§ 137 SGB V idF durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190; geändert durch Art 1 Nr 110 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007, BGBl I 378; zuvor abweichende Zuständigkeit, vgl § 137 SGB V idF durch Art 1 Nr 5 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23.4.2002, BGBl I 1412 mit Wirkung vom 30.4.2002). Die Spitzenverbände der Krankenkassen (KKn) beantragten deshalb (7.5.2004), eine Mindestmenge von 40 Geburten für die Behandlung von Neugeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht festzusetzen (<1500 g; very-low-birth-weight infants, im Folgenden: VLBW-Geburten). Sehr geringgewichtige Früh- und Neugeborene sind besonders gefährdet und bedürfen intensiver Behandlung, um gesund zu überleben. Der Beklagte nahm sehr geringgewichtige Früh- und Neugeborene zunächst nicht in die Mindestmengenvereinbarung (MMV) auf (vgl ua MMV vom 20.12.2005, geändert mit Beschluss vom 21.3.2006, BAnz Nr 143 S 5389 vom 2.8.2006; seit 1.1.2012: "Regelungen des" GBA "gemäß § 137 Abs 3 Satz 1 N 2 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser", Beschluss vom 24.11.2011, BAnz Nr 192 vom 21.12.2011 S 4509). Er beschloss lediglich die "Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen" ( vom 20.9.2005, BAnz Nr 143 vom 28.10.2005 S 15684). Sie regelt ua ein vierstufiges Versorgungskonzept. Danach versorgen Perinatalzentren der obersten Kategorie - Level 1 - Früh- und Neugeborene mit einem Gewicht <1250 g und/oder <29+0 Schwangerschaftswoche (SSW; im Folgenden: Level-1-Geburten), Perinatalzentren Level 2 Frühgeborene mit einem Gewicht von 1250 - 1499 g und/oder 29+0 bis 32+0 SSW (im Folgenden: Level-2-Geburten), Perinatale Schwerpunkte Kinder mit einem Geburtsgewicht von mindestens 1500 g bei absehbarer postnataler Therapie und Geburtskliniken reife Neugeborene ohne bestehendes Risiko. Das hiermit beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kam in einem Literaturevidenzbericht zum Ergebnis, es gebe Hinweise auf einen statistischen Zusammenhang, der sich bei steigender Leistungsmenge als Trend zur Risikoreduktion darstelle (14.8.2008). Der Beklagte legte daraufhin fest, dass bei Perinatalzentren Level 1 das Zeitintervall zwischen den Aufnahmen von Level-1-Geburten in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich weniger als 30 Tage zu betragen habe (Änderung der NICU-Vereinbarung, Beschluss vom 18.12.2008, BAnz Nr 65 vom 30.4.2009 S 1574). Der Beklagte ersetzte ab 1.1.2010 die Zeitintervallregelung durch eine Mindestmengenregelung (Änderung der NICU-Vereinbarung und der MMV, Beschluss vom 20.8.2009, BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450). Er bestimmte für Perinatalzentren Level 1 und 2 jeweils Mindestmengen von 14 Geburten. Der Beklagte erhöhte mit Wirkung zum 1.1.2011 die Mindestmenge der Level-1-Geburten auf 30 und hob die Mindestmengenregelung für Perinatalzentren Level 2 ersatzlos auf (hier in seinem ersten Teil streitiger, insoweit vorläufig außer Vollzug gesetzter Beschluss vom 17.6.2010, BAnz Nr 123 vom 18.8.2010 S 2840).

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Das nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhaus der Klägerin verfügt über eine neonatologische Intensivstation. Dort behandelt es Level-1-Geburten (2006: 8; 2007: 14; 2008: 13; 2009: 16; 2010: 16; 2011: 12; bis einschließlich 11/2012: 19). Das LSG hat auf die unmittelbar gegen die Erhöhung der Mindestmenge auf 30 Level-1-Geburten gerichtete Klage festgestellt, diese Regelung sei nichtig: Es gebe keine durch kontrollierte Studien gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses in Form der Reduzierung der Mortalität in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen von Level-1-Geburten abhänge. Eine besondere Kausalität könne dem IQWiG-Bericht nicht entnommen werden. Er beschreibe lediglich eine statistische Assoziation zwischen Ergebnisqualität und Menge (Urteil vom 21.12.2011).

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Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung des Art 19 Abs 4 GG, des § 55 SGG und des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Die Klage sei schon unzulässig, weil anderweitiger Rechtsschutz im Rahmen von Entscheidungen nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und nach § 109 Abs 1 S 5 SGB V zumutbar sei. Die Klage sei auch unbegründet. Die angegriffene Mindestmengenregelung sei als Maßnahme der vorsorglichen Risikominimierung durch § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V gedeckt.

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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Dezember 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Dezember 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des beklagten GBA ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Der erkennende, für Angelegenheiten der Krankenversicherung zuständige Senat ist zur Entscheidung in der Sache berufen, die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt (dazu 1.). Das LSG hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Erhöhung der Mindestmenge für Perinatalzentren der obersten Kategorie (Level 1) mit Wirkung vom 1.1.2011 von 14 auf 30 Fälle pro Jahr und Einrichtung nichtig ist (dazu 2. - 7.).

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1. a) Der erkennende 1. Senat des BSG ist geschäftsplanmäßig zuständig, den Rechtsstreit zu entscheiden. Die Sache betrifft eine Angelegenheit der Sozialversicherung (§ 10 Abs 1, § 12 Abs 2 S 1, § 31 Abs 1 S 1, § 40 S 1 SGG), nämlich der Krankenversicherung, und nicht eine solche des Vertragsarztrechts (§ 10 Abs 2, § 12 Abs 2, § 31 Abs 2, § 40 S 2 SGG). Entgegen der Auffassung des LSG erfasst § 10 Abs 1 SGG auch Klagen, die sich unmittelbar gegen Entscheidungen des Beklagten richten, wenn sie die Regelung von Mindestmengen nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V betreffen. Der Gesetzgeber hat die hier einschlägige Gruppe der Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien (RL) des GBA lediglich in den Ausnahmefällen dem Vertragsarztrecht zugeordnet, in denen diese ausschließlich die vertragsärztliche Versorgung betreffen, nicht aber zumindest auch die stationäre Versorgung (vgl § 10 Abs 2 S 2 Nr 1 SGG idF durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011, BGBl I 3057, und hierzu BT-Drucks 17/6764 S 26, entsprechend der bereits zuvor vertretenen Rechtsauffassung des erkennenden 1. und des 3. Senats, BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 9 f, abweichend von der damaligen Rechtsauffassung des 6. Senats, vgl BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 19 ff; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 15 ff; zur inzwischen übereinstimmenden Auslegung vgl zusammenfassender Standpunkt des 1., 3. und 6. Senats des BSG zu § 10 Abs 2 SGG unter B.II.1. Buchst b Nr 3, abgedruckt in SGb 2012, 495 ff).

10

b) Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die unmittelbar gegen die Erhöhung der Mindestmenge (Beschluss des Beklagten vom 17.6.2010, BAnz Nr 123 vom 18.8.2010 S 2840) erhobene Normenfeststellungsklage ist statthaft (dazu aa) und auch im Übrigen zulässig (dazu bb).

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aa) Die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 GG gebietet es, die Feststellungsklage gegen untergesetzliche Rechtsnormen als statthaft zuzulassen, wenn die Normbetroffenen ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können, etwa weil ihnen nicht zuzumuten ist, Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen Norm abzuwarten oder die Wirkung der Norm ohne anfechtbare Vollzugsakte eintritt (stRspr zur Überprüfung von Rechtsnormen des Beklagten und des Bundesausschusses der Ärzte und KKn: vgl BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 14; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 22; BVerfGE 115, 81, 92 f und S 95 f = SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 42 und 49 ff; vgl dazu BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr 13, RdNr 20 f).

12

Die Mindestmengenbestimmungen des Beklagten sind untergesetzliche Rechtsnormen im genannten Sinne. Der Beklagte regelt hierdurch nach abstrakt-generellem Maßstab, welche zugelassenen Krankenhäuser gegenüber den KKn welche planbaren Leistungen erbringen dürfen. Denn der Beklagte bestimmt für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände(§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V).

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Die Regelungen über die planbaren Leistungen und die ihnen zugeordneten Mindestmengen sind auch außenwirksam. Sie ergehen als Beschluss (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V idF durch Art 3 Nr 7a Buchst b Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 - Krankenhausfinanzierungsreformgesetz - vom 17.3.2009, BGBl I 534). Die Beschlüsse des Beklagten sind für seine Träger, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich (vgl § 91 Abs 6 SGB V idF durch Art 2 Nr 14 GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378 mit Wirkung vom 1.7.2008; zur Anwendbarkeit vgl Roters, KasselerKomm, Stand 1.10.2012, § 137 SGB V RdNr 27; vgl dementsprechend zur Rechtsnormqualität der RL des Beklagten als untergesetzliche Rechtsnormen zB BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 33; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 21; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 32; vgl auch Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf eines GKV-WSG - BT-Drucks 16/3100 S 180 zu Nr 14 <§ 91 SGB V> Abs 6).

14

§ 137 Abs 3 S 6 SGB V (idF durch Art 1 Nr 110 GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378; bis 30.6.2008: § 137 Abs 2 S 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 54 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000, BGBl I 1999, 2626) schließt die umfassende Bindungswirkung iS von § 91 Abs 6 SGB V nicht aus, indem er die unmittelbare Verbindlichkeit der Mindestmengenbeschlüsse des Beklagten ausdrücklich nur für Krankenhäuser anordnet. Die Regelung galt - mit dem Ziel umfassender Bindungswirkung der genannten Beschlüsse - in der Sache bereits vor Einführung der allgemeinen Vorschrift über die Verbindlichkeit von Beschlüssen des Beklagten in das SGB V (vgl bis 30.6.2008 § 91 Abs 9 SGB V idF durch Art 1 Nr 70 GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190, anknüpfend an bereits zuvor ergangene Rechtsprechung des BSG, zB BSGE 78, 70, 75 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 30; BSGE 81, 73, 81 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 56 ff; BSGE 85, 36, 44 f = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 45; BSGE 87, 105, 110 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7). Der Gesetzgeber sah lediglich von einer redaktionellen Klarstellung des § 137 Abs 3 S 6 SGB V ab.

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bb) Die Klägerin ist klagebefugt für die begehrte Feststellung, dass die Erhöhung der Mindestmenge auf 30 Level-1-Geburten nichtig ist (§ 55 Abs 1 Halbs 1 Nr 1 iVm § 54 Abs 1 S 2 SGG; dazu (1)). Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an dieser baldigen Feststellung (§ 55 Abs 1 Halbs 2 SGG; dazu (2)).

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(1) Zur Vermeidung einer Popularklage ist auch bei der Feststellungsklage der Rechtsgedanke des § 54 Abs 1 S 2 SGG heranzuziehen, nach dem bei einer zulässigen Rechtsverfolgung "eigene" Rechte betroffen sein müssen(vgl BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 14 mwN; siehe auch BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 25). Hierfür genügt es, dass eine Rechtsverletzung der Klägerin möglich ist (vgl BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 14 mwN). Die Klägerin ist in diesem Sinne klagebefugt, weil nicht ausgeschlossen ist, dass die Mindestmengenregelung eigene Rechte der Klägerin verletzt. Die begehrte Feststellung ist auf ein Rechtsverhältnis gerichtet (§ 55 Abs 1 Halbs 1 Nr 1 SGG), in dem die Klägerin eigene, grundrechtlich (Art 3 Abs 1, Art 12 Abs 1 GG) und einfachrechtlich (§ 108 iVm § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V) geschützte Belange geltend machen kann. Die Klägerin kann als nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus durch die Erhöhung der Mindestmenge beschwert sein. Die Prognose ist aufgrund ihrer bislang erbrachten Leistungen negativ, dass sie voraussichtlich die Mindestmenge von 30 Level-1-Geburten erreichen bzw überschreiten wird. Nach § 137 Abs 3 S 2 SGB V darf sie dann - unabweisbare Notfälle ausgenommen - weder zulasten der KKn noch gegenüber sonstigen Kostenträgern und Selbstzahlern bei Level-1-Geburten Leistungen erbringen(vgl zum Grund für die Anknüpfung an den "Patienten" die Begründung zu Art 1 Nr 5 Buchst a im Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser, BT-Drucks 14/6893 S 30, und die Begründung zu Art 3 Nr 7a der Beschlussempfehlung zum Entwurf eines Gesetzes zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009, BT-Drucks 16/11429 S 47).

17

Die Beschwer entfällt auch nicht deswegen, weil der Beklagte die Erhöhung der Mindestmenge bis zu einer weiteren Entscheidung außer Vollzug gesetzt hat. Insoweit handelt es sich nur um eine vorläufige Außervollzugsetzung, weil der Beklagte sich zugleich vorbehalten hat, nach der Entscheidung des BSG erneut zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine Mindestmenge festgelegt bleibt. Hieraus erwächst der Klägerin weder eine gesicherte Rechtsposition noch ist damit geklärt, ob der Beklagte eine höhere Mindestmenge als 14 Level-1-Geburten festsetzen darf.

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Auch sind ansonsten keine Gründe ersichtlich, die das Feststellungsinteresse der Klägerin entfallen lassen. Entgegen der Auffassung des Beklagten steht dem Feststellungsinteresse nicht entgegen, dass das LSG offengelassen hat, dass die Klägerin die Voraussetzungen der Anlage 1 der NICU-Vereinbarung (idF des Beschlusses vom 20.8.2009 BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450) erfüllt. Insoweit genügt es, dass die Klägerin tatsächlich Level-1-Geburten versorgt, die KKn bislang die Leistungen vergüten und es jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass die Klägerin die Qualitätssicherungsanforderungen erfüllt. Die Klägerin ist schließlich auch nicht aufgrund eines Bescheides der zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs 3 S 3 SGB V zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung berechtigt, trotz (voraussichtlichen) Nichterreichens der Mindestmenge gleichwohl Level-1-Geburten zu behandeln.

19

(2) Die Klägerin kann - entgegen der Auffassung des Beklagten - nur durch eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Erhöhung der Mindestmenge effektiven Rechtsschutz erlangen. Hieraus erwächst ihr berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung. Die Erhöhung der Mindestmenge auf der Grundlage des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V, die grundsätzlich einheitlich für alle Patienten gilt(vgl dazu BT-Drucks 14/6893 S 30 und BT-Drucks 16/11429 S 47), ist für die Klägerin nach § 137 Abs 3 S 6 SGB V in der oben dargelegten Weise "unmittelbar verbindlich". Das normativ angeordnete Verbot, bei Level-1-Geburten keine Leistungen zu erbringen (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2, S 2 und S 6 SGB V iVm dem Erhöhungsbeschluss),bedarf keines Vollzugsaktes. Dies folgt schon aus der klaren Binnensystematik des § 137 Abs 3 SGB V. Einem Krankenhaus kann aber nicht zugemutet werden, vorzuleisten und erst im Rahmen eines Abrechnungsstreits die Nichtigkeit der erhöhten Mindestmengenregelung einzuwenden. Dies gilt namentlich bei einem Krankenhaus, das - wie hier der Klägerin - deutlich unterhalb der Mindestmenge von 30 Level-1-Geburten liegt.

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2. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die Nichtigkeit der Erhöhung der Mindestmenge festgestellt. Die Rechtmäßigkeit der Heraufsetzung der jährlichen Mindestmenge für Level-1-Geburten von 14 auf 30 Behandlungsfälle je Krankenhaus mit ausgewiesenem Level 1 ist nicht isoliert, sondern - als deren untrennbarer Teil - zusammen mit der vollständigen Mindestmengenregelung für Level-1-Geburten zwecks Vermeidung einer unzulässigen Elementenfeststellungsklage zu überprüfen (zu den Grenzen vgl BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 35 f; zutreffend deshalb das Vorgehen des LSG). Der Prüfmaßstab des Gerichts hat der Funktion des Beklagten als untergesetzlicher Normgeber Rechnung zu tragen (dazu 3.). Der Beklagte entschied formal korrekt über die streitige Mindestmengenregelung (dazu 4.). Er machte rechtmäßig zunächst 14 Level-1-Geburten pro Krankenhauseinheit und nicht pro Arzt zum Gegenstand des mindestmengenabhängigen Katalogtatbestands (dazu 5.). Dies verletzt die Klägerin nicht in ihren Grundrechten (dazu 6.). Hingegen ist die Heraufsetzung der jährlichen Mindestmenge für Level-1-Geburten auf 30 Behandlungsfälle nichtig, weil der Beklagte seinen Gestaltungsspielraum überschritt. Denn die Studienlage rechtfertigt nicht uneingeschränkt die Einschätzung, dass die Güte der Versorgung Frühgeborener durch eine Erhöhung der Mindestmenge in relevanter Weise zusätzlich gefördert werden kann (dazu 7.).

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3. Die Rechtmäßigkeit der Erhöhung der Mindestmenge ist unter Berücksichtigung der Funktion des Beklagten als Normgeber an der Mindestmengenregelung des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V iVm mit dem vorgreiflichen, rechtmäßig gesetzten untergesetzlichen Recht zu messen. Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Beschlüsse des Beklagten sind hierbei gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 - LITT; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26; Schlegel, MedR 2008, 30, 32; Hauck, NZS 2010, 600, 611 f). § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V gibt dem Beklagten ein rechtlich voll überprüfbares Programm vor: In tatsächlicher Hinsicht ist die Ermittlung planbarer Leistungen, die Feststellung, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses einer planbaren Leistung in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist und die konkrete Eignung von festgesetzten Mindestmengen zur Verbesserung der Qualität der Behandlungsergebnisse sowie in rechtlicher Hinsicht die zutreffende Erfassung der Tatbestandsmerkmale durch den Beklagten vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem Beklagten bei der Auslegung dieser Regelungselemente des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom Beklagten zu berücksichtigenden Studienlage. Erst bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist er befugt, als Normgeber zu entscheiden. Soweit diese letztere Kompetenz reicht, darf allerdings die sozialgerichtliche Kontrolle ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom Beklagten getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (stRspr, vgl zB BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSGE 110, 183 = SozR 4-2500 § 34 Nr 9, RdNr 25, beide mwN). Die Entscheidungen über die Auswahl und den Zuschnitt der Leistungen für den Katalog planbarer Leistungen sowie die genaue Festlegung der Mindestmenge innerhalb der Bandbreite geeigneter Mengen unterliegen in diesem Sinne dem normativen Gestaltungsspielraum des Beklagten. Der Beklagte kann dabei in einem zeitlich gestreckten Verfahren vorgehen, um den Katalog planbarer Leistungen allmählich zu entwickeln, um insbesondere weitere Erkenntnisse zu sammeln und zu bewerten und um Mindestmengen je nach Erkenntnisfortschritt neu zu justieren.

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Der Beklagte ist zur Konkretisierung des sich aus § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V ergebenden Regelungsprogramms ermächtigt, außenwirksame Normen im Range untergesetzlichen Rechts zu erlassen. Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (dazu und insbesondere zur hinreichenden demokratischen Legitimation des Bundesausschusses vgl BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 57 ff mit ausführlicher Darstellung der Rspr des BVerfG; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 33; Neumann, NZS 2010, 593 ff; Hauck, NZS 2010, 600 ff; aA Vießmann, Die demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Entscheidungen nach § 135 Abs 1 S 1 SGB V, 2009, S 127 ff).

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4. Der Beklagte beachtete die formellen Voraussetzungen für den Erlass der untergesetzlichen Normen. Wie auch das LSG nicht in Zweifel zieht, wahrte er die im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Betroffenenpartizipation durch Gesetz und seine eigenen Verfahrensvorgaben ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 34 mwN; Hauck, NZS 2010, 600, 604). Der dokumentierte Ablauf der Beratungen, die Einbeziehung des IQWiG, die Diskussion der Auswirkungen unterschiedlicher Mindestmengen-Schwellenwerte für die Versorgung sowie die Einholung von Stellungnahmen bei betroffenen Fachverbänden belegen anschaulich das formal korrekte Vorgehen. Es bedurfte verfahrensrechtlich - über das Dokumentierte und die tatsächlich erfolgte Veröffentlichung der tragenden Gründe entsprechend § 7 Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses(VerfO idF vom 18.12.2008, BAnz Nr 84a vom 10.6.2009 , in Kraft getreten am 1.4.2009, geändert am 17.12.2009, BAnz Nr 38 vom 10.3.2010 S 968, in Kraft getreten am 12.2.2010) hinaus - keiner gesonderten Begründung. Für Normgeber besteht grundsätzlich keine Begründungspflicht (stRspr, vgl zB BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 44; BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 29 mwN).

24

Eine Ausnahme im Sinne einer materiell-rechtlichen Begründungspflicht besteht nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 82)insofern, als der Gesetzgeber darauf abzielt, durch Einbindung des IQWiG in die Zuarbeit für den GBA den dynamischen Prozess der Fortentwicklung der medizinischen und pflegerischen Leistungen zu sichern und die kontinuierliche Einbeziehung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in eine qualitativ gesicherte Leistungserbringung zu gewährleisten (BT-Drucks 15/1525 S 127). Das IQWiG leitet deshalb seine Arbeitsergebnisse dem GBA als Empfehlungen zu (vgl § 139b Abs 4 S 1 SGB V). Dieser hat die Empfehlungen im Rahmen seiner Aufgabenstellung "zu berücksichtigen", wird also nur mit besonderer Begründung davon abweichen (vgl Hauck, NZS 2007, 461, 464). Insbesondere hat er zu prüfen, ob das IQWiG seine Feststellungen ausgehend von einem zutreffenden Rechtsverständnis der zugrunde gelegten Begriffe auf der Basis einer umfassenden Einbeziehung der relevanten Studien nachvollziehbar und widerspruchsfrei getroffen hat. Für die Umsetzung von Handlungsempfehlungen des IQWiG - hier etwa die Durchführung einer Begleitevaluation - verbleibt ihm indes grundsätzlich sein gesetzgeberisches Ermessen.

25

Es hielt sich auch im Rahmen des - wie aufgezeigt - grundsätzlich zulässigen schrittweisen Vorgehens, dass der Beklagte zunächst die "NICU-Vereinbarung" ohne Mindestmengen beschloss (20.9.2005) und später - nach Einführung einer "Regelmäßigkeitszahl" (vgl II.3 Buchst k des Beschlusses über eine Änderung der NICU-Vereinbarung vom 18.12.2008, BAnz Nr 65 vom 30.4.2009 S 1574, in Kraft getreten am 1.4.2009) - diese durch eine Mindestmenge ersetzte (vgl II. des Beschlusses zur Versorgung von Früh- und Neugeborenen vom 20.8.2009, BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450).

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Unerheblich ist schließlich, dass in der streitigen Mindestmengenregelung keine Angabe von OPS-Ziffern enthalten ist. Denn die Regelung ist einerseits inhaltlich klar. Der OPS-Katalog umfasst andererseits keine spezifischen, eindeutigen Ziffern für diese Behandlung. Für eine Verletzung formeller Voraussetzungen (vgl dazu auch § 3 MMV; zur materiellen Reichweite s sogleich, unter 5.b), die die Nichtigkeit der zu prüfenden Mindestmengenregelung (s - wie dargelegt - Beschluss über eine Änderung der Anlage 1 der MMV: Mindestmengen bei Früh- und Neugeborenen, vom 17.6.2010, BAnz Nr 123 vom 18.8.2010 S 2840, und Beschluss vom 20.8.2009, BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450) begründen könnte, ist insgesamt nichts ersichtlich.

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5. Der Beklagte machte rechtmäßig zunächst 14 Level-1-Geburten pro Krankenhauseinheit und nicht pro Arzt zum Gegenstand des mindestmengenabhängigen Katalogtatbestands. Er bejahte ausgehend von einem zutreffenden Verständnis der gesetzlichen Vorgaben einer planbaren Leistung (dazu a), deren Ergebnisqualität in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist (dazu b), rechtmäßig für die Gruppe der Level-1-Geburten die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V(dazu c). Der Beklagte durfte auch eine Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten in Krankenhäusern mit ausgewiesenem Level 1 festsetzen, ohne Ausnahmen hiervon vorzusehen (dazu d).

28

a) Eine "planbare" Krankenhausleistung iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V ist eine Leistung, welche die dafür vorgesehenen Krankenhaus-Zentren in der Regel medizinisch sinnvoll und für die Patienten zumutbar erbringen können. Erforderlich ist, dass die Aufnahme und Durchführung gebotener stationärer Behandlung in einem Zentrum - trotz ggf längerer Anfahrt - unter Berücksichtigung zu überwindender räumlicher und zeitlicher Distanzen ohne unzumutbares Risiko für die Patienten erfolgen kann. Dies folgt aus Regelungssystem und Normzweck in Einklang mit der Entstehungsgeschichte, ohne dass der Wortlaut entgegensteht.

29

Der Wortlaut "planbare Leistungen" lässt es zu, den Begriff im aufgezeigten Sinne im Interesse der angestrebten Versorgungsqualität zu verstehen. Entstehungsgeschichtlich harmoniert hiermit, dass der Gesetzgeber die Fixierung von zu erbringenden "Mindestfallmengen" als Teil einer Vielzahl von Qualitätssicherungsinstrumenten vorsah, um ein Gegengewicht gegen Fehlanreize eines festen Preissystems bei Einführung von Fallpauschalen zu schaffen, etwa gegen den Anreiz der Versorgungsqualitätsminderung in Form von medizinisch nicht indizierter "Fallvermehrung" sowie der verfrühten Entlassung (vgl Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Gesetzentwurf eines FPG, BT-Drucks 14/7862 S 3). Diese Zielrichtung gilt erst recht für eine Tätigkeitsausdehnung der Krankenhäuser auf Felder unzureichender Qualitätskompetenz.

30

Nach dem Regelungssystem ergänzt die Festlegung von Mindestmengen die anderen, weiteren Maßnahmen des Gesetzgebers zur Qualitätssicherung wie verpflichtende durch die Kliniken vorzulegende Qualitätsberichte, bundeseinheitliche Kriterien für die Prüfdienste, sowie eine stetige Begleitforschung. Vor allem entspricht das Auslegungsergebnis dem Normzweck, die Ergebnisqualität zu verbessern (vgl dazu Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines FPG, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Der Regelungsgehalt des Begriffs der Planbarkeit erschließt sich insbesondere auch aus den von den Mindestmengen ausgelösten Verteilungswirkungen. Die Einführung von Mindestmengen hat die Umverteilung von Behandlungsfällen und in Abhängigkeit von den absoluten Fallzahlen eine damit einhergehende Regionalisierung oder gar Zentralisierung der für die planbaren Leistungen noch zur Verfügung stehenden Krankenhäuser zur Folge. Dies bewirkt jedoch nur insoweit eine Verbesserung der Ergebnisqualität im stationären Bereich, als die Patienten den Zugewinn an Qualität im stationären Bereich nicht durch Transport- und Verlegungsrisiken wieder einbüßen. Zur Verbesserung der Ergebnisqualität ist es vor diesem Hintergrund erforderlich, die Transport- und Zentralisierungsrisiken zu ermitteln. Wollte man dagegen unter "planbare" "vorhersehbare" Krankenhausleistungen verstehen, wäre der Begriff sinnentleert. Ähnlich zweckwidrig wäre es, ihn auf elektive Leistungen zu reduzieren.

31

b) Die Qualität des Behandlungsergebnisses der planbaren Leistungen ist jedenfalls bereits dann in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig, wenn eine Studienlage besteht, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität wahrscheinlich macht. Hierbei ist nicht die Struktur- oder Prozessqualität, sondern allein die Qualität des Behandlungsergebnisses maßgeblich. Regelmäßig wird es um hochkomplexe medizinische Leistungen gehen, bei denen die mit wissenschaftlichen Belegen untermauerte Erwartung berechtigt ist, dass die Güte der Leistungserbringung in besonderem Maße auch von der Erfahrung und Routine des mit der jeweiligen Versorgung betrauten Behandlers - Krankenhauseinheit und/oder Arzt - beeinflusst ist.

32

Schon der Wortlaut des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V verdeutlicht, dass die vom Beklagten zu treffende Mindestmengenregelung nicht darauf ausgerichtet ist, umfassend sektorenübergreifend für alle vertragsärztlichen und stationären Leistungen zusätzliche Qualitätsanforderungen aufzustellen. Vielmehr fasst der Beklagte danach lediglich für einen Teilbereich, für zugelassene Krankenhäuser - grundsätzlich einheitlich für alle Patienten - auch Beschlüsse über einen "Katalog" planbarer Leistungen nach §§ 17 und 17b KHG. Das Gesetz schränkt diesen Teilausschnitt aus dem Gesamtbereich der Leistungen nach §§ 17 und 17b KHG weiter spezifisch ein: Es muss um planbare Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG gehen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist.

33

Der erkennende Senat vermag dem LSG allerdings nicht zu folgen, soweit es hierfür den wissenschaftlichen Beleg einer "besonderen" Kausalität zwischen Leistungsmenge und Ergebnisqualität fordert. Vielmehr genügt ein nach wissenschaftlichen Maßstäben wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität. Dafür spricht nicht nur der aufgezeigte Wortlaut. Auch die Entstehungsgeschichte belegt, dass es um einen durch Studien untermauerten wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Leistungen und der Qualität des Behandlungsergebnisses geht (vgl dazu Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines FPG, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Die in den Gesetzesmaterialien angesprochenen "Studien" sind in aller Regel nicht im naturwissenschaftlichen Sinne für einen Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität voll beweisend, sondern darauf hinweisend. Andernfalls könnte die Regelung kaum ihren Zweck erfüllen, der "herausgehobene(n) Bedeutung" einer "gute(n) Ergebnisqualität" Rechnung zu tragen, wie es im Rahmen der "bisher eingeführten Qualitätssicherungsmaßnahmen" … "noch zu wenig" erfolgte (vgl ebenda, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Hierfür genügt nicht schon die landläufige Erfahrung, dass routinierte Praxis im Allgemeinen eine bessere Ergebnisqualität sichert als deren Fehlen.

34

Das Auslegungsergebnis entspricht auch dem Regelungssystem. Die in § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V angesprochenen "Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG" müssen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich bereits dem Qualitätsgebot(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V)genügen, um überhaupt zulasten der GKV abrechenbar zu sein (vgl grundlegend BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 52 f unter Aufgabe von BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1, auch zur Berücksichtigung grundrechtskonformer Auslegung; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23; aA Felix, SGb 2009, 367 und öfter, zB NZS 2012, 1, 7 mwN in Fn 91). Die Anforderungen integrieren in wesentlichem Maße das Krankenhausplanungs- und das ärztliche Weiterbildungsrecht. Diese Regelungskomplexe erfordern bereits ein ausreichendes Maß an Erfahrung und Routine als Voraussetzung von Facharztqualifikationen, an die wiederum die Strukturvorgaben in der stationären Versorgung anknüpfen (vgl zutreffend Bohle, GesR 2010, 587). Der Mindestmengenkatalog (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V)stellt demgegenüber zusätzliche Qualitätsanforderungen auf im Interesse einer weiteren Risikominimierung.

35

Die Rechtsordnung begnügt sich auch in vergleichbaren Regelungsbereichen mit einer durch wissenschaftliche Belege untermauerten Annahme eines Zusammenhangs. So ist für die Aufnahme in die Liste der Berufskrankheiten ( § 9 Abs 1 S 2 SGB VII)ein ursächlicher Zusammenhang zwischen besonderen Einwirkungen, denen bestimmte Personengruppen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung bei versicherter Tätigkeit ausgesetzt sind, und der Erkrankung erforderlich. Der generelle Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Krankheit bei der Prüfung der Voraussetzungen einer BK-Bezeichnung unterscheidet sich aufgrund der allgemeinen und abstrakten Prüfungsebene von dem Ursachenzusammenhang bei der Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität beim einzelnen Arbeitsunfall oder der Listen-BK im Einzelfall. Dennoch gilt auch insofern die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 18 RdNr 29). Jedenfalls für den Parallelbereich einer Entschädigung wie eine Berufskrankheit (§ 9 Abs 2 SGB VII) kann die erforderliche gruppenspezifische Risikoerhöhung im Ausnahmefall eines seltenen Leidens ohne - wie üblich - gesicherte epidemiologische Erkenntnisse auf der Grundlage der im Allgemeinen notwendigen langfristigen zeitlichen Überwachung betroffener Krankheitsbilder zum Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen bejaht werden, wenn infolge der Seltenheit des Leidens medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse durch statistisch abgesicherte Zahlen nicht erbracht werden können. In einem solchen Ausnahmefall kann die "generelle Geeignetheit" der Einwirkungen für die Entstehung der betroffenen Krankheit aus Einzelfallstudien, Erkenntnissen und Anerkennungen in ausländischen Prüfverfahren und Ähnlichem abgeleitet werden (vgl BSGE 79, 250, 252 = SozR 3-2200 § 551 Nr 9 S 21). Es würde die Anforderungen regelmäßig überspannen, den wissenschaftlich geführten Vollbeweis eines ursächlichen Zusammenhangs auf der Grundlage epidemiologischer Studien zu fordern.

36

Das Auslegungsergebnis trägt insbesondere auch dem Regelungszweck und -anlass für die Einführung von Mindestmengen Rechnung: Es fehlt teilweise an einer ausreichenden Menge zu erbringender Leistungen für die betroffenen Behandler, um eine Routine und Erfahrung zu erlangen und aufrechtzuerhalten, die zu dem rechtlich geforderten Standard der Ergebnisqualität führt. Nur der Umstand, dass zu geringe Fallzahlen keine qualitativ hinreichende Behandlungspraxis für bestimmte Leistungen in allen Krankenhäusern gewährleisten, die nach ihrer personellen und sächlichen Ausstattung zur Leistungserbringung grundsätzlich in der Lage sind, rechtfertigt die Festsetzung von Mindestmengen. Denn gäbe es hinsichtlich sämtlicher planbarer Leistungen jeweils ausreichende Fallmengen, könnten Mindestmengen keine Anhebung der Ergebnisqualität erreichen. Die Regelung soll in ihrem Kern im Interesse gebotener Ergebnisqualität einen Fallzahlenmangel steuern.

37

Der Regelungszweck steht ebenfalls - wie das -system - einem Normverständnis entgegen, das Mindestmengen auf bloße (fach-)ärztliche Grundfertigkeiten oder eine Grundversorgung im Krankenhausbereich erstreckt. Festsetzungen von Mindestmengen sind ebenfalls kein Instrument, um Behandler von der Versorgung auszuschließen, die trotz ausreichender Fallzahl nur eine durchschnittliche oder gar eine unterdurchschnittliche Ergebnisqualität oberhalb einer berufs-, gewerbe- oder schadensersatzrechtlichen Interventionsschwelle erreichen. Die Regelung betrifft dagegen - unter Berücksichtigung des aufgezeigten Auslegungsergebnisses - insbesondere Krankheitsbilder, deren Behandlung mehr als bloße (fach-)ärztliche Grundfertigkeiten erfordert. Hierbei wird es regelmäßig um hoch komplexe Leistungen gehen, die standardisierbar und unter Berücksichtigung des Verhältnisses von erforderlicher Fallzahl zu Ergebnisqualität relativ selten sind.

38

Regelungszweck und -system sprechen schließlich dafür, eine bloße, nach wissenschaftlichen Maßstäben belegte Wahrscheinlichkeit für den Zusammenhang zwischen Ergebnisqualität und Leistungsmenge genügen zu lassen. Dies entspricht dem mit § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V verfolgten Zweck der Risikominimierung in einem nennenswerten Bereich. Anforderungen nach Art eines statistisch sauber geführten vollständigen Kausalitätsbeweises würden den Anwendungsbereich der Norm auf ein vernachlässigbares Minimum reduzieren. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Steigerung der Ergebnisqualität und Festsetzung einer Mindestmenge besteht zwar unproblematisch, wenn er statistisch bewiesen ist. Das wird aber nur in höchst seltenen Ausnahmefällen möglich sein. Vergleichende Studien mit unterschiedlichen Mengenansätzen sind regelmäßig aus praktischen oder ethischen Gründen schon im Ansatz undurchführbar, ganz abgesehen davon, dass etwa unter Berücksichtigung der international unterschiedlichen Versorgungssituationen kaum eine statistisch hinreichende Fallzahl zur Verfügung stehen wird. Die Probleme potenzieren sich, wenn ein Beleg für die Mengenabhängigkeit der Ergebnisqualität bei Kombination mehrerer ergebnisqualitätsbezogener Parameter zu erbringen ist, wie das Gutachten des IQWiG zeigt. Es würde die Anforderungen überspitzen, für den Nachweis des genannten Zusammenhangs mehr zu verlangen, als dass auf der Grundlage einer umfassend ermittelten, mittels statistisch anerkannter Methoden metaanalytisch überprüften und zutreffend ausgewerteten Studienlage mehr für eine Verbesserung der Behandlungsergebnisse durch Einführung einer Mindestmenge spricht als dagegen.

39

Ist der genannte Zusammenhang allerdings - wie regelmäßig der Fall - nicht statistisch bewiesen, ist er anhand medizinischer Erfahrungssätze ergänzend zu untermauern. Mit statistischen Methoden ermittelte und risikoadjustiert bewertete Korrelationen allein reichen nämlich beim Fehlen eines statistischen Kausalitätsbeweises nicht aus, um einen Fallzahlenmangel als Ursache schlechterer Behandlungsergebnisse zu identifizieren (vgl rechtsähnlich stRspr zur Wirtschaftlichkeitsprüfung im Vertragsarztrecht, zB BSG Urteil vom 9.3.1994 - 6 RKa 16/92 - Juris RdNr 22 = USK 94131; BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 18/11 R - Juris RdNr 23 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 106 Nr 34 vorgesehen).

40

Entgegen der Auffassung des LSG ist der Maßstab dagegen nicht sinngemäß nach einem "Goldstandard" der evidenzbasierten Medizin abzuleiten. Dies widerspräche dem mit § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V verfolgten Zweck der Risikominimierung. Ist eine Verschlechterung der Ergebnisqualität durch die Einführung einer Mindestmenge nicht zu erwarten, sondern besteht die Wahrscheinlichkeit einer Ergebnisqualitätsverbesserung, könnte das Erfordernis der Beachtung eines evidenzbasierten "Goldstandards" für den Nachweis des Zusammenhangs zwischen der Steigerung der Ergebnisqualität und einer Mindestmenge den Patienten möglicherweise dauerhaft Versorgungsstandards vorenthalten, die - jeweils nach dem Stand der aktuellen Erkenntnis - geeignet sind, zu einer relevanten Reduzierung von Versorgungsrisiken beizutragen. In diesem Sinne fordert auch § 3 Abs 2 Nr 1 MMV mit einem "evidenzbasierten Verfahren" nur eine praktisch verfügbare, den dargelegten Maßstäben genügende Evidenz.

41

c) Der Beklagte bejahte - ausgehend von der dargelegten Auslegung - rechtmäßig für die Gruppe der Level-1-Geburten (dazu aa) die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V(dazu bb - cc).

42

aa) Der Beklagte durfte rechtmäßig für die Mindestmengenbestimmung von der Gruppe der Level-1-Geburten ausgehen. Er knüpfte hierbei an die rechtswirksamen Bestimmungen der NICU-Vereinbarung über ein vierstufiges Versorgungskonzept an. Das SGB V gibt dem Beklagten auf, ua Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten festzulegen (vgl § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB V). Der Beklagte ist dieser Pflicht durch den Beschluss der NICU-Vereinbarung nachgekommen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz war es nicht willkürlich, sondern im Gegenteil sachgerecht, die Mindestmengenbestimmung mit Blick auf das vierstufige Versorgungskonzept der NICU-Vereinbarung zu treffen. Die Verwendung gegriffener metrischer Größen bei internationalen Vergleichsstudien, die teilweise fehlende und zum Teil von der NICU-Vereinbarung abweichende nationale Versorgungskonzepte zu berücksichtigen haben, steht dem nicht entgegen.

43

bb) Der Beklagte durfte die erfasste Gruppe der Level-1-Geburten als - im dargelegten Rechtssinne - "planbare Leistungen" ansehen. Die dafür vorgesehenen Perinatalzentren der obersten Kategorie können Level-1-Geburten nach den allgemein anerkannten medizinischen Erkenntnissen in der Regel medizinisch sinnvoll und zumutbar versorgen. Die gebotene stationäre Behandlung in einem Zentrum kann trotz ggf längerer Anfahrt ohne unzumutbares Risiko für die Patienten erfolgen. Das belegen sowohl die internationalen Studien etwa über Australien und Neuseeland (vgl Cust et al, Outcomes for high risk New Zealand newborn infants in 1998-1999, Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 2003 [88<1>], F15-F22; Lui et al, Improved Outcomes of Extremly Premature Outborn Infants, Pediatrics 2006 [118<5>], 2076-2083) als auch nationale Publikationen (vgl zB Heller, Krankenhaus-Report 2008/2009, S 183 ff; Pohlandt et al, Regionalisierung bei Frühgeburtsbestrebungen im ländlichen Raum? Yes we can!, Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie 2009 [213], 135-137). In diesem Sinne äußert sich auch der Bericht des IQWiG (Abschlussbericht des IQWiG "Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnis bei der Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht", Stand 14.8.2008; im Folgenden: Abschlussbericht). Frühgeborene werden danach in der Regel nicht notfallmäßig, sondern erst nach abgeschlossener, medikamentös bewirkter Lungenreife geboren (vgl Abschlussbericht S 2 f). Die Versorgung Frühgeborener - die schon im pränatalen Stadium beginnt - scheint umso weniger risikobehaftet zu sein, je eher die werdende Mutter sich bei nahendem Geburtstermin in ein Perinatalzentrum Level 1 begibt (vgl Abschlussbericht S 53 zum in-utero-Transfer; zu Portugal vgl auch Abschlussbericht S 52). Diese Schlussfolgerung ist plausibel, weil auftretende Komplikationen dort besser und schneller behandelt werden können, als dies während eines Transports oder bei Aufnahme in eine Einrichtung niedrigerer Versorgungsstufe der Fall sein dürfte. Der ambulante und der stationäre Sektor müssen und können hierzu effektiv miteinander verzahnt sein, um Fehlplatzierungen zu vermeiden und das relativ enge antenatale Zeitfenster zum Transport in ein Perinatalzentrum Level 1 zu nutzen. Die genannte Literatur zeigt, dass dies in Deutschland ebenso wie in vielen ausländischen Staaten möglich ist.

44

Der Senat sieht keine Gründe, die gegen die Verwertbarkeit des Abschlussberichts des IQWiG sprechen. Denn das IQWiG ist als fachlich unabhängiges, rechtsfähiges wissenschaftliches Institut, dessen Träger der Beklagte ist (§ 139a Abs 1 S 1 SGB V), nach § 139a Abs 3 Nr 1 SGB V von Gesetzes wegen ausdrücklich zur Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei ausgewählten Krankheiten berufen. Es stellt ein Expertengremium dar, das in seiner persönlichen und fachlichen Integrität und Qualität durch Transparenz und Unabhängigkeit gesetzlich und institutionell abgesichert ist (vgl zum Ganzen BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 76 ff; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 74 ff). Es gibt keine Hinweise darauf, dass das IQWiG nicht alle zum damaligen Zeitpunkt verfügbaren relevanten Studien ausgewertet haben könnte. Die Auswertung selbst ist sorgfältig. Die darauf gestützten Folgerungen sind in ihren vorsichtig formulierten Aussagen wohlabgewogen.

45

cc) Der Beklagte konnte auch rechtmäßig davon ausgehen, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses der Level-1-Geburten, hier insbesondere mit Blick auf die Mortalität, in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist. Denn es besteht - im dargelegten Sinne - eine Studienlage, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses wahrscheinlich macht.

46

Der Beklagte durfte - ausgehend von der Studienlage (vgl dazu Abschlussbericht S V) - die Qualität des Behandlungsergebnisses als Ausgangspunkt an der zu erwartenden Reduzierung des Mortalitätsrisikos messen. Er musste nicht alle Morbiditätsvariablen einbeziehen, zumal die hierfür verfügbaren Daten spärlich sind (vgl dazu Abschlussbericht S V). Das Vorgehen ist vertretbar, da die Zusammenhänge zwischen Leistungsmenge und Mortalitätsrisiko am besten untersucht sind und andererseits eine gleiche Tendenz wie beim Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Morbiditätsrisiko aufweisen.

47

Ein Zusammenhang zwischen der Erhöhung der Leistungsmenge und der Reduzierung des Mortalitätsrisikos ist auch wahrscheinlich. Davon ist der Senat - der dies als generelle Tatsache selbst zu bewerten hat (vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 31; s ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 7 mwN)- aufgrund der zur Beurteilung vorliegenden wissenschaftlichen Studien und Aussagen überzeugt. Er folgt den Erkenntnissen des IQWiG, das in nicht zu beanstandender Weise zu folgender Einschätzung gelangt ist: "Die Ergebnisse der eingeschlossenen Publikationen weisen bezüglich eines statistischen Zusammenhangs zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität bei der Versorgung von Frühgeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht kein völlig einheitliches und eindeutiges Bild auf. Allerdings geben die Daten der Gesamtschau bezüglich der primären Zielgröße "Mortalität" unter Berücksichtigung der Studien- und Publikationsqualität sowie ihres Populationsbezugs deutliche Hinweise auf einen statistischen Zusammenhang, der sich als Trend einer Risikoreduktion mit steigender Leistungsmenge darstellt" (Abschlussbericht S 59).

48

Dem steht nicht entgegen, dass das IQWiG aus den zwölf Beobachtungsstudien, insbesondere auch aus den vier Studien mit einem geringen Verzerrungspotential, zwei davon zur Behandlungssituation in Deutschland, keine expliziten Schwellenwerte für Mindestmengen ableiten konnte (vgl Abschlussbericht S 59). Eine Ergebnisverbesserung ist durch Festsetzung einer Mindestmenge wahrscheinlich, die typischerweise Behandlungskontinuität ermöglicht. Hierfür streitet maßgeblich der Erfahrungssatz, dass eine laufende Befassung eines Level-1-Zentrums mit der Behandlung sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener durch das ganze Jahr hindurch notwendig ist, um eine Festigung der Behandlungsabläufe als Teamleistung zu gewährleisten. Es ist hingegen nicht plausibel, dass bloß zeitweilige Behandlungsepisoden das Qualitätsniveau der Versorgung in gleicher Weise zu sichern vermögen.

49

d) Der Beklagte überschritt nicht den ihm eingeräumten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, indem er vertretbar eine Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten für Krankenhäuser festsetzte, ohne weitere Ausnahmen vorzusehen. Diese festgesetzte Mindestmenge ist regelmäßig geeignet, die Behandlungskontinuität als eine (Mindest-)Voraussetzung für ein gutes Behandlungsergebnis zu gewährleisten.

50

Die ausgewählte Versorgung von Level-1-Geburten in Krankenhäusern mit ausgewiesenem Level 1 betrifft kategorial eine Versorgung, die einen hoch komplexen, relativ seltenen Behandlungsaufwand auslöst. Die Versorgung von Level-1-Geburten stellt ganz erheblich über dem Durchschnitt liegende Anforderungen an Können und Erfahrung des behandelnden ärztlichen und nichtärztlichen Personals, um als Team über einen längeren Zeitraum je Behandlungsfall eine bestmögliche Versorgung zu erbringen. Dies folgt aus dem in der Unreife dieser Kinder begründeten, ausgeprägten multifaktoriellen Mortalitätsrisiko (vgl Abschlussbericht S 1 f) und der Notwendigkeit intensivmedizinischer Maßnahmen über einen längeren Zeitraum unter Einsatz eines ständig verfügbaren, in herausgehobener Weise spezialisierten Behandlungsteams. Letzteres belegt schon die in der Anlage 1 der NICU-Vereinbarung an ein Perinatalzentrum Level 1 gestellten Anforderungen. Bei diesen Vorgaben verbietet es sich von selbst, eine Mindestmenge an die Behandlungstätigkeit eines einzelnen Arztes anzuknüpfen.

51

Die Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten gefährdet nach der vertretbaren Einschätzung des Beklagten nicht die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung. Nach den ermittelten Daten verblieben bei einer Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten in den Jahren 2005 und 2006 bundesweit zwischen rund 130 und 150 Krankenhäuser, die zur Versorgung zur Verfügung standen (Krankenhäuser mit 20 und mehr VLBW-Geburten, 2005: 151; 2006: 153, wobei Level-1-Geburten etwa 2/3 aller VLBW-Geburten ausmachen). Dies deckt sich mit den Angaben des Spitzenverbandes Bund der KKn, wonach ab 2010 mehr als 128 Krankenhäuser die Mindestmenge für Level-1-Geburten erreichen dürften (Präsentation am 17.6.2010 in der Plenumssitzung des Beklagten mit Übersichtskarte zur räumlichen Verteilung). Im Übrigen kann jeweils die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde, um einer danach etwa noch verbleibenden regionalen Unterversorgung zu begegnen, Ausnahmegenehmigungen erteilen (§ 137 Abs 3 S 3 SGB V).

52

Der Beklagte musste unter Berücksichtigung der Datenlage auch keine weiteren sachlichen Ausnahmebestimmungen von der Mindestmenge 14 vorsehen, um Sonderfällen Rechnung zu tragen. Anlage 2 Nr 3 und 4 MMV räumen beim Aufbau neuer Leistungsbereiche Übergangszeiträume von 36 Monaten und bei personeller Neuausrichtung bestehender Leistungsbereiche Übergangszeiträume von maximal 24 Monaten ein. Konflikte, die aus dem Leistungsverbot erwachsen, wenn die erforderliche Mindestmenge voraussichtlich nicht erreicht wird (§ 137 Abs 3 S 2 SGB V), bedürfen keiner weiteren Regelung in der MMV. Die Regelung verbietet nicht bei punktuellen Unterschreitungen der erforderlichen Mindestmenge, dass die Betroffenen künftig Leistungen erbringen. Die geforderte Prognose, dass die erforderliche Mindestmenge voraussichtlich nicht erreicht wird, greift erst ein, wenn eine valide Einschätzung auf der Grundlage eines hinreichend langen Zeitraums möglich ist.

53

6. Sowohl die gesetzliche Regelung des § 137 Abs 3 S 2 iVm § 137 Abs 3 S 1 SGB V als auch die untergesetzliche Bestimmung der Nr 8 Anlage 1 MMV(idF des Beschlusses des Beklagten vom 20.8.2009) verletzen die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art 12 Abs 1 GG. Die Klägerin ist Trägerin dieses Grundrechts. Es erstreckt sich nach Art 19 Abs 3 GG auch auf juristische inländische Personen, zu denen die Klägerin zählt (vgl nur Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 12 RdNr 13 mwN).

54

Art 12 Abs 1 S 1 GG schützt - neben der Freiheit der Berufswahl - die Freiheit der Berufsausübung. Zu den Rahmenbedingungen der Berufsausübung gehört für Krankenhäuser auch, dass sie bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen müssen, um einzelne Operationen und Prozeduren, aber auch um eine aus einer Vielheit von Einzelmaßnahmen bestehende Behandlung eines bestimmten Krankheitsbildes erbringen zu dürfen. Von einer bloßen Berufsausübungsregelung ist dann auszugehen, wenn sie nur einen Ausschnitt aus einer fachärztlichen Tätigkeit betrifft (vgl zu § 135 SGB V iVm untergesetzlichen Vorschriften als Berufsausübungsregelungen: BVerfG SozR 4-2500 § 135 Nr 2 RdNr 22; BVerfGK 17, 381, 385 f = SozR 4-2500 § 135 Nr 16 RdNr 13 f; vgl auch BVerfGE 33, 125, 161, das offen lässt, ob der Facharzt iS von Art 12 Abs 1 GG ein eigener Beruf oder nur eine Form der Berufsausübung ist). Die Geburtshilfe durch Gynäkologen und die Behandlung von Level-1-Geburten durch Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Neonatologie stellt jeweils nur einen kleineren Teil der jeweiligen gesamten fachärztlichen Tätigkeit dar. Nichts anders gilt für die Schwerpunktbezeichnungen Kinderchirurgie, Kinderkardiologie, Kinderradiologie und Neuropädiatrie sowie auf nichtärztlicher Seite für die Hebammen, Kinderschwestern und Kinderkrankenpfleger. Insoweit macht es keinen Unterschied, wenn ein einer Qualitätssicherungsregelung unterworfener Teil einer fachärztlichen Tätigkeit nicht ambulant erbracht wird, sondern der zentrale Teil einer umfassenderen Versorgungsleistung eines Krankenhauses ist. Dies gilt umso mehr, als die Ermächtigungsgrundlage für die Qualitätssicherungsregelung (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V) erlaubt, an die Versorgung entweder vom Krankenhaus oder vom Arzt anzuknüpfen. Sie ist letztlich aber auch bei der Anknüpfung an das Krankenhaus darauf ausgerichtet, bloß einen begrenzten Teil der gesamten Tätigkeit der ärztlichen, aber auch der nichtärztlichen Therapeuten in ihrem Verbund als Gemeinschaftsleistung zu regeln.

55

§ 137 Abs 3 S 1 SGB V und Nr 8 Anlage 1 Mindestmengenvereinbarung greifen in die Berufsausübung ein. Werden ihre Voraussetzungen nicht erfüllt, darf die Leistung gegenüber keinem Patienten erbracht werden. Die Regelung erfüllt das Erfordernis, dass ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Art 12 Abs 1 S 2 GG einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseinschränkende Gesetze genügen muss (stRspr, vgl BVerfGE 94, 372, 389 f; BVerfGE 111, 366, 373). Gesetzliche Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind nur dann mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind (vgl nur BVerfGE 106, 181, 192 = SozR 3-2500 § 95 Nr 35 S 172). Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Beschränkungen des Grundrechts stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit (vgl BVerfGE 19, 330, 336 f; 54, 301, 313). Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen deshalb nicht weitergehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern (vgl BVerfGE 101, 331, 347). Eine sowohl den Freiheitsanspruch des Berufstätigen wie die Schutzbedürftigkeit der Gemeinschaft berücksichtigende Lösung kann nur in Abwägung der Bedeutung der einander gegenüberstehenden und möglicherweise einander widerstreitenden Interessen gefunden werden (vgl BVerfGE 7, 377, 404 f).

56

Die Abwägung der Bedeutung des Interesses der Kinderkliniken, uneingeschränkt Kinder von Level-1-Geburten zu versorgen, mit dem Interesse an einer besseren Versorgungsqualität für Frühgeborene ergibt einen Vorrang der Qualitätssicherung zugunsten der hiervon betroffenen Individual- und Gemeinwohlbelange. Die Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten sichert eine (Mindest-)Erfahrung des Behandlungsteams, die mit Wahrscheinlichkeit nach der aufgezeigten Studienlage die besonders hohe Mortalität bei Level-1-Geburten reduzieren kann. Die Studienlage belegt, wie dringlich solche Qualitätssicherung ist. So betrug zB im Jahr 2011 in Deutschland der Anteil der VLBW-Geburten an allen Lebendgeburten 1,233 %, ihr Anteil an den Todesfällen der lebend geborenen Kinder im ersten Lebensjahr dagegen 41,32 % (Quelle: Statistisches Bundesamt). Die Mortalität von Level-1-Geburten war bezogen auf die Jahre 2004 bis 2008 im Vergleich zu Level-2-Geburten sogar um den Faktor 10,12 höher (Angabe nach Ausführungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft in der Plenumssitzung am 17.6.2010 unter Auswertung von aufgrund der NICU-Vereinbarung erhobenen Ergebnisdaten).

57

7. Die Heraufsetzung der jährlichen Mindestmenge für Level-1-Geburten von 14 auf 30 Behandlungsfälle je Krankenhaus mit ausgewiesenem Level 1 (Beschluss vom 17.6.2010) ist indes nichtig. Der Beklagte ermittelte den zugrunde liegenden Sachverhalt unzureichend, als er die jährliche Mindestmenge für Level-1-Geburten erhöhte. Er gelangte dadurch fehlerhaft zur Überzeugung, dass die neue höhere Mindestmenge die Mortalität bei der Behandlung von Level-1-Geburten bundesweit einheitlich stärker reduzieren könne.

58

Der Beklagte ist - wie dargelegt - grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen eines gestuften Verfahrens eine zunächst niedriger festgesetzte Mindestmenge anzuheben, wenn die Studienlage eine Bandbreite von gleichermaßen geeigneten Mindestmengen aufzeigt. Der Beklagte konnte von einer solchen Datenlage für die Erhöhung der Mindestmenge nicht ohne Weiteres ausgehen. So sah sich das IQWiG in seinem Abschlussbericht nachvollziehbar außerstande, Schwellenwerte, eine bestimmte Mindestmenge oder auch nur einen Mindestmengenkorridor vorzuschlagen. Während für die Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten wie dargelegt ergänzend zu den statistischen Grundlagen der Erfahrungssatz streitet, dass eine kontinuierliche Befassung eines Level-1-Zentrums mit der Behandlung sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener durch das ganze Jahr hindurch notwendig ist, konnte der Beklagte hierauf für die Erhöhung der Mindestmenge auf 30 Level-1-Geburten nicht zurückgreifen.

59

Der Rechtsgedanke einer Beweiserleichterung (vgl dazu allgemein zB BSG SozR 4-1500 § 128 Nr 5 RdNr 15; BSG SozR 3-1750 § 444 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-1500 § 128 Nr 11 S 17 ff mwN; Hauck in Hennig, SGG, Stand Dezember 2012, § 103 RdNr 75 ff)kommt schon im Ansatz zu Gunsten des Beklagten nicht (mehr) in Betracht. Er verfügt nämlich zur Beschaffung und Auswertung der hierfür erforderlichen Daten inzwischen über ein umfassendes Rechtsinstrumentarium (§§ 137a, 299 SGB V, § 21 Abs 3a Krankenhausentgeltgesetz). Er muss das ihm verfügbare Instrumentarium indes auch nutzen, um sich nach Einführung von Mindestmengen bei einer Datenlage wie der vorliegenden bessere Erkenntnisse zu verschaffen (vgl zur Beobachtungspflicht bei RL BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 74 ff mwN). Der Beklagte strebt zu Recht in diesem Sinne grundsätzlich selbst eine wissenschaftliche Begleitung der Auswirkungen von Mindestmengen an (vgl § 3 Abs 3 Mm-R). In diesem Sinne empfahl auch das IQWiG, im Falle der Festsetzung einer Mindestmenge deren Auswirkungen anhand einer differenzierten Begleitevaluation auszuwerten (vgl Abschlussbericht S 56 ff).

60

Der Beklagte setzte eine solche Begleitevaluation seit Festsetzung einer Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten nicht ins Werk. Auch sonst konnte sich der Beklagte nicht auf neuere Studien stützen, die geeignet gewesen wären, die Anhebung der letztlich auf Plausibilitätserwägungen gestützten Mindestmenge auf jährlich 30 Level-1-Geburten in der erforderlichen Qualität zu begründen. Die im Abschlussbericht des IQWiG als "Trend zur Risikoreduktion" bezeichnete statistische Korrelation zwischen Mengenzunahme und Mortalitätsabnahme, welchen auch zwischenzeitlich erschienene Studien belegen, genügt allein hierfür nicht. Sie müsste ergänzend durch weitere medizinische Erfahrungssätze untermauert sein, an denen es aber fehlt. Im Gegenteil kommt bei der umstrittenen Erhöhung der Mindestmenge in Betracht, dass in einzelnen Regionen Deutschlands durch den Ausschluss von Abteilungen mit überdurchschnittlicher Qualität die Behandlungsqualität insgesamt mit der Folge sinkt, dass den in einer Region zusätzlich überlebenden Kindern, solche in nennenswerter Zahl gegenüberstehen, die in einer anderen Region zusätzlich sterben.

61

Bereits der mit Daten unterlegte Vortrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (17.6.2010) deutete an, dass sich jenseits der Mindestmenge 14 eine mengenunabhängige erhebliche Variabilität der Behandlungsergebnisse ergibt. Dies deckt sich mit der auch im Abschlussbericht des IQWiG als valide angesehenen Studie von Rogowski et al (JAMA 2004 <291>, 202, 208) und der dort dargestellten Auffassung, dass eine Steuerung über die beobachtete Mortalität deutlich effektiver sein kann als eine Steuerung über die Menge. Die inzwischen veröffentlichte Studie von Kutschmann et al (DÄBl 2012 <109>, 519) bestätigt den Befund eines hohen Prozentsatzes falschpositiver Ergebnisse bei Krankenhäuser mit Fallzahlen von ≥ 30 Level-1-Geburten und falschnegativer Ergebnisse bei Krankenhäusern mit Fallzahlen von 14 bis 29 Level-1-Geburten. Die Autoren der Studie werteten den vollständigen Datensatz der Neonatalerhebungen 2007 bis 2009 der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen aus. Sie kamen wie auch schon andere Studien, die zum Teil im Abschlussbericht des IQWiG ausgewertet sind, zum Teil aber auch neueren Datums sind (Trotter/Pohlandt, Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie 2010 <214>, 55; Chung et al, Med Care 2010 <48>, 635), zwar zum Ergebnis, dass die risikoadjustierte Mortalität in der Gruppe der Abteilungen mit höheren Fallzahlen (hier von mindestens 30) signifikant niedriger ist als in der Gruppe kleinerer Abteilungen (Kutschmann et al, aaO, S 525). Zugleich konstatierten sie aber, dass die Mortalitätsrate bei Level-1-Geburten nicht linear mit steigender Zahl behandelter Kinder sank. Vielmehr behandelten mit überdurchschnittlicher Qualität unter Berücksichtigung risikoadjustierter Mortalität 56 % der Abteilungen mit einer Fallzahl von jährlich mindestens 30 Frühgeborenen, aber auch immerhin 44 % der Abteilungen mit einer Fallzahl von 14 bis 29 Frühgeborenen (Kutschmann et al, aaO, S 525). Auch Trotter/Pohlandt (aaO S 58) kommen zu vergleichbaren Schlüssen.

62

Der Beklagte schuf anlässlich der angegriffenen Erhöhung der Mindestmenge auch keine Ausnahmetatbestände, die die drohenden Folgen einer regionalen Qualitätsminderung bei einer Erhöhung der Mindestmenge auf 30 verhindern. Ein solches Vorgehen auf der Basis einer validen Begleitevaluation könnte eine Erhöhung der Mindestmenge rechtmäßig machen. Der Beklagte kann auf der Grundlage spezifischerer Erkenntnisse eine Veränderung der Mindestmengenregelung beschließen, die eine Qualitätsverbesserung ohne Gefahr regionaler Qualitätsminderung erwarten lässt. Hierbei muss er auch berücksichtigen, dass eine Regelung, die ein überdurchschnittlich leistungsfähiges Krankenhaus von der Leistungserbringung durch eine Mindestmenge ausschließt, als erheblicher Eingriff in die durch Art 12 Abs 1 S 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit nur dann - wie dargelegt - gerechtfertigt ist, wenn dieser Eingriff in die Berufsfreiheit nicht weiter geht, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern.

63

8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1 und Abs 3 S 1, § 52 Abs 1 und 4 sowie § 47 Abs 1 und Abs 2 S 1 GKG.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2 500 000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die klagenden Krankenhausträger und der beklagte Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) streiten über die Festsetzung der Mindestmenge jährlich in Perinatalzentren der obersten Kategorie zu behandelnder sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener auf 14.

2

Der Beklagte nahm sehr geringgewichtige Früh- und Neugeborene zunächst nicht in die Mindestmengenvereinbarung (, seit 1.1.2012: Mindestmengenreglungen ) auf (zur Vorgeschichte und weiteren Einzelheiten vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 1-2). Er beschloss aber die "Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen" (sog NICU-Vereinbarung vom 20.9.2005; seit 1.1.2014: Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen ) und legte später aufgrund eines von ihm beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Auftrag gegebenen Literaturevidenzberichtes (14.8.2008) fest, dass bei Perinatalzentren der obersten Kategorie (Level 1: Früh- und Neugeborene mit einem Gewicht <1250 g und/oder <29+0 Schwangerschaftswoche; im Folgenden: Level-1-Zentren) das Zeitintervall zwischen den Aufnahmen solcher Geburten in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich weniger als 30 Tage zu betragen habe (Beschluss vom 18.12.2008 zur Änderung der NICU-Vereinbarung). Er ersetzte ab 1.1.2010 diese Zeitintervallregelung ("Regelmäßigkeitszahl") durch eine Mindestmengenregelung, bestimmte für Level-1-Zentren eine Mindestmenge von 14 Geburten Früh- und Neugeborener mit einem Gewicht <1250 g (im Folgenden: Level-1-Geburten) und änderte die MMV sowie die NICU-Vereinbarung (Beschluss vom 20.8.2009, BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450). Er erhöhte mit Wirkung zum 1.1.2011 die Mindestmenge der Level-1-Geburten auf 30 (Beschluss vom 17.6.2010, BAnz Nr 123 vom 18.8.2010 S 2840). Mit Beschlüssen vom 16.12.2010 (BAnz Nr 200 vom 31.12.2010 S 4480) und vom 19.1.2012 (BAnz Nr 17 vom 31.1.2012 S 358) setzte er die Erhöhung der Mindestmenge von 14 auf 30 außer Vollzug. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 18.12.2012 (BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2) das in einem anderen Rechtsstreit ergangene LSG-Urteil im Ergebnis bestätigt, dass die Regelung über die Mindestmenge 30 nichtig ist; im Übrigen hat er die Rechtmäßigkeit der Mindestmenge 14 bejaht.

3

Die nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser der Kläger verfügen über Level-1-Zentren und behandeln dort Level-1-Geburten. Das LSG hat auf die unmittelbar gegen die Festsetzung der Mindestmenge auf 14 (Beschluss vom 20.8.2009) und ihre Erhöhung auf 30 Level-1-Geburten (Beschluss vom 17.6.2010) gerichteten Klagen der Kläger getrennt (Beschluss vom 21.12.2011), nur die Rechtmäßigkeit der Erhöhungsregelung geprüft und deren Nichtigkeit festgestellt (Urteil vom 21.12.2011 - L 7 KA 77/10 KL; Revision des Beklagten - anhängig gewesen unter B 3 KR 15/12 R - zurückgenommen am 23.5.2013). Die Kläger haben danach die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses vom 20.8.2009 fortgeführt, soweit dort der Beklagte die Mindestmenge auf 14 Level-1-Geburten festgesetzt hat (jetzt einziger Regelungsgegenstand der Anlage 1 Nr 8 Mm-R). Das LSG hat unter weitgehender inhaltlicher Bezugnahme auf das Urteil des erkennenden Senats vom 18.12.2012 die Klagen abgewiesen (Urteil vom 16.1.2015).

4

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 und S 2 SGB V, auch iVm § 108 SGB V, der Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1, Art 12 Abs 1, Art 14 Abs 1, Art 19 Abs 4, Art 20 und Art 28 Abs 2 GG, 1. Kapitel § 5 Abs 4 Verfahrensordnung des Beklagten (VerfO), § 13 Abs 2 Geschäftsordnung des Beklagten (GO), § 3 Abs 2 Nr 1 und 2 Mm-R sowie des § 128 Abs 1 S 1 SGG. Der Beklagte und das LSG seien von einem unrichtigen Verständnis der Tatbestandsmerkmale des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 und S 2 SGB V ausgegangen. Der Beklagte habe es versäumt, Ausnahmeregelungen zu schaffen. Das LSG habe die mangelnde Normsetzungskompetenz des Beklagten und zudem Verfahrensverstöße im Normsetzungsverfahren nicht beachtet. Die Mindestmengenregelung verletze einzelne Kläger auch in ihren Grundrechten. Das LSG habe zudem die Grenzen freier Beweiswürdigung verletzt.

5

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Januar 2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Mindestmengenregelung des Beklagten für Früh- und Neugeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1250 g gemäß Beschluss vom 20. August 2009 in der Fassung des Beschlusses vom 17. Juni 2010 nichtig ist,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Januar 2015 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der klagenden Krankenhausträger ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat auf die statthaften und zulässigen Normfeststellungsklagen (dazu 1.) zutreffend festgestellt, dass die Festsetzung der Mindestmenge für Level-1-Zentren mit Wirkung vom 1.1.2010 auf 14 Level-1-Geburten je Krankenhaus und Jahr durch den beklagten GBA rechtmäßig ist (dazu 2.). Die dagegen erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (dazu 3.).

9

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die unmittelbar gegen die als verbindliche (vgl § 91 Abs 6 SGB V idF durch Art 2 Nr 14 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378, mWv 1.7.2008), außenwirksame, untergesetzliche Rechtsnorm ergangene Festsetzung der Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten je Krankenhaus und Jahr (Anlage 1 Nr 8 der Regelungen des Beklagten gemäß § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser idF des Beschlusses des Beklagten vom 20.8.2009, BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450 und der Nr I. 2. und 3. des Beschlusses vom 17.6.2010, BAnz Nr 123 vom 18.8.2010 S 2840; im Folgenden: Anlage 1 Nr 8 Mm-R; ursprünglich ergangen als Anlage 1 Nr 8.1 der Vereinbarung des Beklagten gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser) erhobene Normenfeststellungsklage ist nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG iVm Art 19 Abs 4 GG statthaft(vgl dazu insgesamt BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 11 bis 14; s ferner BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 22).

10

Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Die Kläger sind klagebefugt für die begehrte Feststellung, dass die Festsetzung der Mindestmenge auf 14 Level-1-Geburten je Krankenhaus und Jahr nichtig ist (§ 55 Abs 1 Halbs 1 Nr 1 iVm § 54 Abs 1 S 2 SGG). Die Kläger sind in eigenen Rechten betroffen. Die begehrte Feststellung ist auf ein Rechtsverhältnis gerichtet (§ 55 Abs 1 Halbs 1 Nr 1 SGG), in dem die Kläger eigene, für einige von ihnen grundrechtlich (Art 3 Abs 1, Art 12 Abs 1 GG), jedenfalls aber für alle einfachrechtlich (§ 108 iVm § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V) geschützte Belange geltend machen können. Eine Rechtsverletzung ist nicht ausgeschlossen. Sie können als nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser durch die Festsetzung der Mindestmenge beschwert sein. Die Prognose ist aufgrund ihrer bislang erbrachten Leistungen nicht hinreichend sicher, dass sie auch unter Berücksichtigung möglicher größerer Schwankungen im Behandlungsaufkommen voraussichtlich die Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten auch in Zukunft verlässlich erreichen bzw überschreiten werden (Durchschnittsfallzahl der Level-1-Geburten pro Jahr im Zeitraum 2010 bis 2014: Klägerin zu 1: 20,6; Kläger zu 2: 25,2; Klägerin zu 3: 20,6; Klägerin zu 4: 22,4; Klägerin zu 5: 19,8; Kläger zu 6: 18,4; Klägerin zu 7: 15,0; Klägerin zu 8: 22,8; Klägerin zu 9: 15,0). Erfüllen sie die Mindestmenge in einem laufenden Kalenderjahr nicht mehr, sind sie - unabweisbare Notfälle ausgenommen - infolge negativer Prognose von der weiteren Leistungserbringung im Folgejahr ausgeschlossen (vgl BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 52 ff; vgl auch BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 16; zur nicht erforderlichen Feststellung, dass die Kläger die Voraussetzungen der Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene - QFR-RL erfüllen, vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 18). Die Kläger sind schließlich auch nicht aufgrund eines Bescheides der zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs 3 S 3 SGB V zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung berechtigt, trotz (voraussichtlichen) Nichterreichens der Mindestmenge gleichwohl Level-1-Geburten zu behandeln.

11

Die Rechtskraft des LSG-Urteils vom 21.12.2011 (L 7 KA 77/10 KL) steht einer Überprüfung der Anlage 1 Nr 8 Mm-R hinsichtlich der ursprünglichen Festlegung der Mindestmenge auf 14 Level-1-Geburten nicht entgegen, obwohl das LSG dort die Auffassung vertreten hat, es fehle überhaupt an der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals, dass die Qualität der Versorgung von Level-1-Geburten in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhänge. Es hat angesichts des Streits zwischen den Beteiligten, ob der Beklagte überhaupt eine Mindestmenge habe festsetzen dürfen, nicht umfassend über die Rechtmäßigkeit dieser Mindestmengenfestsetzung entschieden. Wie der Trennungsbeschluss (Beschluss vom 21.12.2011 - L 7 KA 77/10 KL) und der Urteilstenor (Urteil vom 21.12.2011 - L 7 KA 77/10 KL) belegen, hat das LSG nur über das Erhöhungselement (Erhöhung der Mindestmenge von 14 auf 30 Level-1-Geburten) entschieden, ohne dass ausnahmsweise die Voraussetzung einer Elementenfeststellungsklage - vollständige Bereinigung des Streits zwischen den Beteiligten - vorgelegen hätte (vgl dazu BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 35 bis 38 mwN; zum Problem, ob ein Elementenfeststellungstenor bei unzulässiger Elementenfeststellungsklage überhaupt in materielle Rechtskraft erwachsen kann, vgl BSGE 31, 235, 240 = SozR Nr 14 zu § 141 SGG; BSGE 52, 145, 147 = SozR 1200 § 14 Nr 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 9).

12

Die Kläger haben mangels eines das Leistungserbringungsverbot umsetzenden Vollzugsaktes ein berechtigtes Interesse an dieser baldigen Feststellung (§ 55 Abs 1 Halbs 2 SGG). Sie können nicht darauf verwiesen werden, vorzuleisten und erst im Rahmen eines Abrechnungsstreits die Nichtigkeit der Anlage 1 Nr 8 Mm-R einzuwenden (vgl auch BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 19).

13

2. Das LSG hat unter maßgeblicher Bezugnahme auf das Urteil des erkennenden Senats vom 18.12.2012 (BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2) zu Recht festgestellt, dass der Beklagte die Mindestmenge 14 rechtmäßig festgesetzt hat. Auch unter Berücksichtigung der von den Klägern gegen dieses Urteil mit ihrer Revision vorgetragenen Angriffe hält der erkennende Senat an seiner Rechtsprechung fest.

14

Rechtsgrundlage für die Einbeziehung von Krankenhausleistungen in einen Mindestmengenkatalog und die konkrete Festsetzung von Mindestmengen ist § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Hierauf gestützt beschloss der Beklagte, die Versorgung von Level-1-Geburten in den Katalog planbarer Leistungen aufzunehmen und eine Mindestmenge festzusetzen (dazu a). Die Mindestmengenbestimmung der Anlage 1 Nr 8 Mm-R ist rechtmäßig. Sie beruht nach dem maßgeblichen Prüfungsmaßstab (dazu b) auf einem formell und materiell rechtmäßigen Beschluss des Beklagten (dazu c bis f), der Grundrechte, der Kläger - soweit sie wie zB die Kläger zu 1, zu 2 und zu 8 Grundrechtsträger sind - nicht verletzt (dazu g).

15

a) § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V(idF durch Art 3 Nr 7a Buchst b Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 vom 17.3.2009, BGBl I 534, mWv 25.3.2009) bestimmt: "Der Gemeinsame Bundesausschuss fasst für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten auch Beschlüsse über (…) 2. einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände (…)".

16

b) Der sich hieraus ergebende, auf den Mindestmengenbeschluss vom 20.8.2009 anzuwendende Prüfungsmaßstab des Gerichts hat der Funktion des Beklagten als untergesetzlicher Normgeber Rechnung zu tragen. Unter deren Berücksichtigung ist die Rechtmäßigkeit seiner Mindestmengenfestsetzung an der Mindestmengenregelung des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V iVm dem vorgreiflichen, rechtmäßig gesetzten untergesetzlichen Recht zu messen. Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Beschlüsse des Beklagten sind hierbei gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte. § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V gibt dem Beklagten ein rechtlich voll überprüfbares Programm vor: In tatsächlicher Hinsicht ist die Ermittlung planbarer Leistungen, die Feststellung, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses einer planbaren Leistung in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist und die konkrete Eignung von festgesetzten Mindestmengen zur Verbesserung der Qualität der Behandlungsergebnisse sowie in rechtlicher Hinsicht die zutreffende Erfassung der Tatbestandsmerkmale durch den Beklagten vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem Beklagten bei der Auslegung dieser Regelungselemente des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom Beklagten zu berücksichtigenden Studienlage. Erst bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist er befugt, als Normgeber zu entscheiden. Soweit diese letztere Kompetenz reicht, darf allerdings die sozialgerichtliche Kontrolle ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom Beklagten getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen. Die Entscheidungen über die Auswahl und den Zuschnitt der Leistungen für den Katalog planbarer Leistungen sowie die genaue Festlegung der Mindestmenge innerhalb der Bandbreite geeigneter Mengen unterliegen in diesem Sinne dem normativen Gestaltungsspielraum des Beklagten. Der Beklagte kann dabei in einem zeitlich gestreckten Verfahren vorgehen, um den Katalog planbarer Leistungen allmählich zu entwickeln, um insbesondere weitere Erkenntnisse zu sammeln und zu bewerten und um Mindestmengen je nach Erkenntnisfortschritt neu zu justieren (vgl zum Ganzen BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 21 mwN; BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 26 mwN).

17

c) Der Beklagte ist - entgegen der Auffassung der Kläger - zur Konkretisierung des sich aus § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V ergebenden Regelungsprogramms ermächtigt, außenwirksame Normen im Range untergesetzlichen Rechts zu erlassen. Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (dazu und insbesondere zur hinreichenden demokratischen Legitimation des Bundesausschusses vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 22 mwN zu stRspr und Literatur; BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 20 mwN).

18

Zweifeln an der demokratischen Legitimation des Beklagten steht auch entgegen, dass die Handlungsform der Normsetzung durch eine spezifische Form der Normanwendung wirkungsgleich substituiert werden könnte. Der Beklagte könnte als rechtlich verselbstständigter Teil der sozialversicherungsrechtlichen Selbstverwaltung (§ 91 Abs 1 SGB V) nach dem hinreichend dichten Normprogramm des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V die Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten auch durch Allgemeinverfügung nach § 31 S 2 SGB X nach pflichtgemäßem Ermessen ermessensfehlerfrei gegenüber Krankenhäusern, die dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) unterfallen (KHG-Krankenhäuser) anordnen(vgl auch BVerfGE 106, 275, 305 ff = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 22 ff, zur Festsetzung der Festbeträge nach § 35 SGB V durch Allgemeinverfügung; vgl auch BSGE 116, 42 = SozR 4-2500 § 266 Nr 12, RdNr 21 ff, wonach das Bundesversicherungsamt Regelungen über das Versichertenklassifikationsmodell nach Morbiditätsgruppen nach pflichtgemäßem Ermessen durch Allgemeinverfügung treffen kann), wenn der Gesetzgeber ihm nicht durch § 137 Abs 3 S 1 iVm § 91 Abs 6 SGB V die untergesetzliche Normsetzung als Handlungsform vorgegeben hätte(vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 12 ff; s ferner BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 22 und 24). Einer besonderen Regelung gegenüber den Krankenkassen, sonstigen Kostenträgern, den GKV-versicherten Patienten und anderen Patienten bedürfte es im Falle einer die KHG-Krankenhäuser erfassenden Allgemeinverfügung nicht, weil der Behandlungsanspruch der GKV-Versicherten und die Vertragsautonomie der anderen Patienten sowie der KHG-Krankenhäuser schon kraft Gesetzes durch die Verbotsregelung des § 137 Abs 3 S 2 SGB V auf solche KHG-Krankenhäuser eingeschränkt ist, die die Mindestmengenvoraussetzungen erfüllen.

19

d) Der Beklagte beachtete die formellen Voraussetzungen für den Erlass der untergesetzlichen Normen (vgl dazu bereits BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 23 ff). Die von den Klägern geltend gemachten Verfahrensverstöße liegen nicht vor. Der unparteiische Vorsitzende des Beklagten war ohne Verstoß gegen 1. Kapitel § 5 Abs 4 Verfahrensordnung des Beklagten(; hier anzuwenden idF vom 19.3.2009, BAnz Nr 84a vom 10.6.2009) und § 13 Abs 3 Geschäftsordnung des Beklagten (; hier anzuwenden idF vom 19.3.2009, BAnz Nr 84a vom 10.6.2009) befugt, am 20.8.2009 einen Beschlussantrag zu stellen (dazu aa). Der am 20.8.2009 getroffene Beschluss ist auch der Form und dem Inhalt nach wirksam im BAnz verkündet worden (dazu bb).

20

aa) 1. Kapitel § 5 Abs 4 VerfO verbietet dem Vorsitzenden nicht, im Rahmen der Beratung im Plenum diesem einen eigenen - regelmäßig vermittelnden - Beschlussvorschlag auf der Grundlage eines nach 1. Kapitel § 5 VerfO und § 13 GO ordnungsgemäß eingeleiteten und durchgeführten Beschlussverfahrens zu unterbreiten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zunächst über die eingebrachten Beschlussvorschläge abgestimmt wird, diese abgelehnt werden und ein sich auf den Beratungsgegenstand beziehender Ad-hoc-Vorschlag zur Beschlussfassung von keinem der Mitglieder des Plenums aus Verfahrensgründen zurückgewiesen, sondern über ihn in der Sache abgestimmt wird. Dies folgt aus der Funktion der der Plenumssitzung vorgelagerten Beschlussvorschläge und der Aufgabe des Plenums entsprechend Wortlaut, Regelungssystem und -zweck von VerfO und GO.

21

Vom zuständigen Unterausschuss, von den Trägern des Beklagten oder von nach der Patientenbeteiligungsverordnung anerkannten Organisationen eingebrachte Beschlussvorschläge (1. Kapitel § 5 Abs 4 VerfO) oder von den Unparteiischen gemeinsam eingebrachte Beschlussvorschläge (§ 13 Abs 3 GO) sind Beratungsgegenstand der anberaumten Sitzung des Plenums, soweit sie den Vorgaben des 1. Kapitel § 5 VerfO und des § 13 GO entsprechen. 1. Kapitel § 6 S 1 VerfO sieht zur Beschlussfassung vor, dass das Plenum nach Vorlage durch Beschluss nach Maßgabe der Geschäftsordnung entscheidet. Über diese Beschlussvorschläge ist danach (zunächst) zu entscheiden. Diese Vorgaben der VerfO und GO lassen nach ihrem Regelungszweck eine Verfahrensweise zu, wonach aus der Mitte des Plenums heraus im Rahmen des Beratungsgegenstandes ein weiterer Beschlussvorschlag zB als Kompromiss erfolgt, wenn das Plenum die eingebrachten Beschlussvorschläge abgelehnt hat. 1. Kapitel § 5 Abs 4 VerfO und § 13 Abs 3 GO verfolgen unter Berücksichtigung dessen, dass die Beratungsunterlagen spätestens 14 Kalendertage vor der Sitzung (Eingabefrist) zu versenden sind(§ 13 Abs 2 S 1 GO), das Ziel, allen Mitgliedern des Plenums die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Sachstand vertraut zu machen. Jeder soll ausreichend Zeit zur Meinungsbildung haben und in die Lage versetzt werden, sich im Plenum sachbezogen Gehör zu verschaffen. Diese Regelungen schützen insoweit die Mitglieder des Plenums. Sie geben zugleich den nicht zur Disposition des Plenums stehenden, die sachgerechte Behandlung sichernden inhaltlichen Rahmen dessen vor, was Gegenstand ihrer Beratung sein kann. Das Plenum selbst ist aber der von VerfO und GO vorgesehene Ort, an dem vorbereitete Beratungsgegenstände einer Diskussion und endgültigen Lösung zugeführt werden sollen. Dies impliziert grundsätzlich die Möglichkeit, als Ergebnis des Meinungsaustauschs Beschlussvorschläge zu modifizieren oder durch neue Vorschläge aus der Mitte des Plenums zu ersetzen. Die Mitglieder bedürfen zudem einer - ungeschriebenen - weiteren verfahrensmäßigen Absicherung ihrer Beteiligungsrechte jedenfalls dann nicht, wenn sie nach Verwerfung der zuvor eingebrachten Beschlussvorschläge, über den in der Sitzung erstmals vorgelegten, den Beratungsgegenstand betreffenden Beschlussvorschlag inhaltlich entscheiden (s ferner zur - hier ohnehin fehlenden - notwendigen Evidenz eines Verfahrensfehlers im Normsetzungsverfahren, um daraus die Nichtigkeit der Norm ableiten zu können BVerfGE 91, 148, 175).

22

So verhält es sich hier. Der Vorsitzende brachte nach intensiver Diskussion im Plenum seinen vermittelnden, den Beratungsgegenstand betreffenden Beschlussvorschlag (14 Level-1-Geburten) am 20.8.2009 erst ein, als sämtliche Beschlussvorschläge (keine Mindestmenge, Mindestmenge 36 für Früh- und Neugeborene mit einem Gewicht <1250 g und/oder <29+0 Schwangerschaftswochen, Mindestmenge 50 für Früh- und Neugeborene mit einem Gewicht <1500 g) durch Abstimmung abgelehnt worden waren. Ausweislich der Sitzungsniederschrift erhob keines der übrigen Mitglieder des Plenums verfahrensrechtliche Einwände, alle entschieden zur Sache (8 Ja- und 5 Nein-Stimmen).

23

bb) Der Mindestmengenbeschluss vom 20.8.2009 wurde auch wirksam im BAnz (vgl 1. Kapitel § 7 Abs 2 VerfO) verkündet. Ausweislich der Sitzungsniederschrift wurde der dort als Anlage 9 gekennzeichnete Text mehrheitlich angenommen und so im BAnz verkündet. Soweit die Kläger geltend machen, das vom Vorsitzenden vorgeschlagene "Qualitätskonzept" habe keinen Niederschlag im die Mm-R (damals noch MMV) ändernden Beschlusstext gefunden, ist dieser Einwand nicht verständlich, weil das Plenum nur beschloss, dem Qualitätsinstitut nach § 137a SGB V(idF durch Art 1 Nr 111 GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) einen Auftrag für die Entwicklung geeigneter Maßnahmen der Qualitätssicherung zu erteilen.

24

e) Der Beklagte machte auch rechtmäßig mit Beschluss vom 20.8.2009 (BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450) die Versorgung von Level-1-Geburten von einer jährlichen Mindestmenge von 14 solcher Geburten pro Krankenhaus mit ausgewiesenem Level 1 entsprechend der NICU-Vereinbarung abhängig und zum Gegenstand des mindestmengenabhängigen Katalogtatbestands. Er ging von einem zutreffenden Verständnis der gesetzlichen Vorgaben einer planbaren Leistung aus (dazu aa), deren Ergebnisqualität in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist (dazu bb). Er bejahte auf dieser Grundlage rechtmäßig die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V und durfte auch eine Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten in Krankenhäusern mit ausgewiesenem Level 1 festsetzen, ohne den ihm eingeräumten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum zu überschreiten(dazu cc). Schließlich musste er auch keine Ausnahmen hiervon vorsehen (dazu f).

25

aa) Der Beklagte ging im Ergebnis sinngemäß zutreffend davon aus, dass eine "planbare" Krankenhausleistung iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V eine Leistung ist, welche die dafür vorgesehenen Krankenhaus-Zentren in der Regel medizinisch sinnvoll und für die Patienten zumutbar erbringen können. Erforderlich ist, dass die Aufnahme und Durchführung gebotener stationärer Behandlung in einem Zentrum - trotz ggf längerer Anfahrt - unter Berücksichtigung zu überwindender räumlicher und zeitlicher Distanzen ohne unzumutbares Risiko für die Patienten erfolgen kann (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 28 ff). Hieran hält der erkennende Senat fest.

26

Der Gesetzgeber sah nämlich die Fixierung von zu erbringenden "Mindestfallmengen" als Teil einer Vielzahl von Qualitätssicherungsinstrumenten vor, um ein Gegengewicht gegen Fehlanreize eines festen Preissystems bei Einführung von Fallpauschalen zu schaffen, etwa gegen den Anreiz der Versorgungsqualitätsminderung in Form von medizinisch nicht indizierter "Fallvermehrung" sowie der verfrühten Entlassung (vgl Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser , BT-Drucks 14/7862 S 3). Diese Zielrichtung gilt erst recht für eine Tätigkeitsausdehnung der Krankenhäuser auf Felder unzureichender Qualitätskompetenz (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 29).

27

Nach dem Regelungssystem ergänzt die Festlegung von Mindestmengen die anderen, weiteren Maßnahmen des Gesetzgebers zur Qualitätssicherung wie verpflichtende durch die Kliniken vorzulegende Qualitätsberichte, bundeseinheitliche Kriterien für die Prüfdienste sowie eine stetige Begleitforschung. Vor allem entspricht das Auslegungsergebnis dem Normzweck, die Ergebnisqualität zu verbessern (vgl dazu Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines FPG, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Der Regelungsgehalt des Begriffs der Planbarkeit erschließt sich in diesem Sinne auch aus den von den Mindestmengen ausgelösten Verteilungswirkungen. Die Einführung von Mindestmengen hat die Umverteilung von Behandlungsfällen und in Abhängigkeit von den absoluten Fallzahlen eine damit einhergehende Regionalisierung oder gar Zentralisierung der für die planbaren Leistungen noch zur Verfügung stehenden Krankenhäuser zur Folge. Dies bewirkt jedoch nur insoweit eine Verbesserung der Ergebnisqualität im stationären Bereich, als die Patienten den Zugewinn an Qualität im stationären Bereich nicht durch Transport- und Verlegungsrisiken wieder einbüßen. Zur Verbesserung der Ergebnisqualität ist es vor diesem Hintergrund erforderlich, die Transport- und Zentralisierungsrisiken zu ermitteln (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 30). Wollte man dagegen unter "planbare" nur "vorhersehbare" Krankenhausleistungen verstehen, wäre der Begriff sinnwidrig eingeschränkt. Ähnlich zweckwidrig wäre es, ihn gar auf elektive Leistungen zu reduzieren. Es gibt keinen Grund dafür, nicht vorhersehbare Leistungen von der Verbesserung der Ergebnisqualität durch die Festsetzung von Mindestmengen auszuschließen.

28

bb) Die Qualität des Behandlungsergebnisses der planbaren Leistungen ist jedenfalls bereits dann - wie im Ergebnis vom Beklagten zugrunde gelegt - in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig, wenn eine Studienlage besteht, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität wahrscheinlich macht (vgl dazu und zu den nachfolgenden Ausführungen BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 31 ff). Hierbei ist nicht die Struktur- oder Prozessqualität, sondern allein die Qualität des Behandlungsergebnisses maßgeblich. Regelmäßig - aber nicht zwingend - wird es um hochkomplexe medizinische Leistungen gehen. Erfasst sind planbare Krankenhausleistungen nach den §§ 17 und 17b KHG, bei denen die mit wissenschaftlichen Belegen untermauerte Erwartung berechtigt ist, dass die Güte der Leistungserbringung in besonderem Maße auch von der Erfahrung und Routine des mit der jeweiligen Versorgung betrauten Behandlers - Krankenhauseinheit und/oder Arzt - beeinflusst ist.

29

Es genügt ein nach wissenschaftlichen Maßstäben wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität. Dafür spricht nicht nur der Wortlaut. Auch die Entstehungsgeschichte belegt, dass es um einen durch Studien untermauerten wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Leistungen und der Qualität des Behandlungsergebnisses geht (vgl dazu Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines FPG, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Die in den Gesetzesmaterialien angesprochenen "Studien" sind in aller Regel nicht im naturwissenschaftlichen Sinne für einen Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität voll beweisend, sondern darauf hinweisend. Andernfalls könnte die Regelung kaum ihren Zweck erfüllen, der "herausgehobene(n) Bedeutung" einer "gute(n) Ergebnisqualität" Rechnung zu tragen, wie es im Rahmen der "bisher eingeführten Qualitätssicherungsmaßnahmen" … "noch zu wenig" erfolgte (vgl ebenda, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Hierfür genügt nicht schon die landläufige Erfahrung, dass routinierte Praxis im Allgemeinen eine bessere Ergebnisqualität sichert als deren Fehlen.

30

Das Auslegungsergebnis entspricht auch dem Regelungssystem. Die in § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V angesprochenen "Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG" müssen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich bereits dem Qualitätsgebot(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) genügen, um überhaupt zulasten der GKV abrechenbar zu sein (stRspr, vgl grundlegend BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 52 f unter Aufgabe von BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1, auch zur Berücksichtigung grundrechtskonformer Auslegung; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23; BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 15 ff mwN). An diesem Grundsatz hat auch die Einfügung des Abs 3 in § 137c SGB V durch Art 1 Nr 64 Buchst b Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.7.2015, BGBl I 1211, mWv 23.7.2015) nichts geändert. Der Gesetzgeber hat die grundsätzliche Ausrichtung der Leistungsansprüche Versicherter am Qualitätsgebot auch bei Krankenhausbehandlung bisher nicht beseitigt (vgl zB § 2 Abs 1 und Abs 1a, § 15 Abs 1 S 1, §§ 18, 27, 28, 39, 69, 70, 137c Abs 1 S 1 SGB V).

31

Die Anforderungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V integrieren in wesentlichem Maße das Krankenhausplanungs- und das ärztliche Weiterbildungsrecht. Diese Regelungskomplexe erfordern bereits ein ausreichendes Maß an Erfahrung und Routine als Voraussetzung von Facharztqualifikationen, an die wiederum die Strukturvorgaben in der stationären Versorgung anknüpfen (vgl zutreffend Bohle, GesR 2010, 587). Der Mindestmengenkatalog (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V) stellt demgegenüber zusätzliche Qualitätsanforderungen im Interesse einer weiteren Risikominimierung auf.

32

Dies stellen auch die Kläger nicht in Abrede. Ihre Auffassung würde aber im praktischen Ergebnis eine weitere Risikominimierung gerade verhindern. Denn sie verlangen - zu Unrecht - den statistischen Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen Menge und Qualität als Voraussetzung für eine besondere Abhängigkeit der Ergebnisqualität von der Menge. Regelungszweck und -system sprechen hingegen dafür, eine bloße, nach wissenschaftlichen Maßstäben belegte Wahrscheinlichkeit für den Zusammenhang zwischen Ergebnisqualität und Leistungsmenge genügen zu lassen. Dies entspricht dem mit § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V verfolgten Zweck der Risikominimierung in einem nennenswerten Bereich. Ist der genannte Zusammenhang allerdings - wie regelmäßig der Fall - nicht statistisch bewiesen, ist er anhand medizinischer Erfahrungssätze ergänzend zu untermauern (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 33 ff). Auch schließt entgegen der Auffassung der Kläger das Fehlen eines eindeutigen Schwellenwertes die Festsetzung einer Mindestmenge nicht aus. Die Qualität des Behandlungsergebnisses ist nicht nur dann in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig, wenn sich mengenabhängige Qualitätsstufen (idealtypisch als "Treppenstufen") mit einen Schwellenwert als Beginn der höheren Qualitätsstufe identifizieren lassen. Vielmehr genügt auch ein stufenloser, linearer Verlauf, wenn sich über den gesamten Verlauf oder einen Ausschnitt desselben ein nicht bloß unwesentlich ansteigender Behandlungserfolg bei steigender Menge ergibt. Die genaue Festlegung der Mindestmenge innerhalb der Bandbreite geeigneter Mengen liegt dann im Gestaltungsspielraum des Beklagten (vgl 2.b).

33

cc) Hiernach begegnet die Festsetzung einer Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten je Krankenhaus (Level-1-Zentrum) und Kalenderjahr keinen durchgreifenden Bedenken.

34

(1) Der Beklagte durfte rechtmäßig für die Mindestmengenbestimmung von der Gruppe der Level-1-Geburten ausgehen. Er knüpfte hierbei an die rechtswirksamen Bestimmungen der NICU-Vereinbarung über ein vierstufiges Versorgungskonzept an (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 42). Indem er Level-1-Geburten zum Gegenstand einer Mindestmengenregelung machte und die Mindestmenge nicht auf den behandelnden Arzt, sondern auf die Behandlungseinheit bezog, überschritt er nicht seinen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 50).

35

(2) Soweit die Kläger die Rechtswidrigkeit der Anlage 1 Nr 8 Mm-R schon darin begründet sehen, dass Level-1-Geburten nicht planbar seien, weil sie nicht verlässlich zu prognostizieren seien und aus wissenschaftlichen Studien hervorgehe, dass bei mindestmengenabhängiger Zentralisierung eine nicht unerhebliche Anzahl von Level-1-Geburten nicht in einer dafür vorgesehenen Einrichtung stattfände, folgt dem der erkennende Senat nicht. Der Umstand, dass Level-1-Geburten nicht immer voraussehbar und verschiebbar sind, schließt deren Einbeziehung in den mindestmengenabhängigen Katalogtatbestand planbarer Leistungen nicht aus. Planbarkeit im oben aufgezeigten Sinne (vgl 2.e aa) bedeutet nicht, dass jeder Patient unter allen Umständen rechtzeitig eine zur Erbringung mindestmengenabhängiger Leistungen befugte Einrichtung erreichen können muss, um überhaupt eine Mindestmenge im Einklang mit § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V festzulegen. Patienten dürfen zwar nicht bloß zufällig in eine geeignete Einrichtung gelangen. Es genügt aber, dass bezogen auf die konkret existierende Versorgungslandschaft im deutschen Krankenhausbereich die Erreichbarkeit regelhaft gegeben ist, also medizinische und/oder infrastrukturelle Gründe (Transportrisiken) einem hohen Versorgungsgrad nicht entgegenstehen. Eine solche Erreichbarkeit unter medizinischen Aspekten bestätigen aber gerade die von den Klägern angeführten und vom erkennenden Senat in seinem Urteil vom 18.12.2012 berücksichtigten ausländischen Studien. Dies hat er dort ausführlich - auch unter Einbeziehung der inländischen infrastrukturellen Verhältnisse - dargelegt (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 43 f). Hieran hält er fest. Die Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten gefährdet nach der jedenfalls vertretbaren Einschätzung des Beklagten nicht die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 51). Der erkennende Senat weist nur ergänzend darauf hin, dass in Deutschland derzeit mehr als 150 Perinatalzentren des Levels 1 bestehen (vgl die Nachweise auf der Seite www.perinatalzentren.org, abgerufen am 12.10.2015). Eine Entwicklung hin zu einer strukturellen Unterversorgung, die den Beklagten hätte veranlassen müssen, Anlage 1 Nr 8 Mm-R zu überprüfen oder gar aufzuheben, ist nicht ersichtlich.

36

(3) Der Beklagte konnte auch rechtmäßig davon ausgehen, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses der Level-1-Geburten, hier insbesondere mit Blick auf die Mortalität, in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist. Denn es besteht - entgegen der Auffassung der Kläger - eine Studienlage, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses wahrscheinlich macht (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 45 ff). Es begegnet keinen Bedenken, dass der Beklagte vor dem Hintergrund der Datenlage nur an die Mortalität anknüpfte, nicht aber an die Morbidität. Für die Mortalität gibt es "deutliche Hinweise auf einen statistischen Zusammenhang, der sich als Trend einer Risikoreduktion mit steigender Leistungsmenge darstellt" (S 59 des Abschlussberichts des IQWiG "Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnis bei der Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht", Stand 14.8.2008). Dies erfüllt unter Berücksichtigung des Erfahrungssatzes, dass eine laufende Befassung eines Level-1-Zentrums mit der Behandlung sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener durch das ganze Jahr hindurch notwendig ist, um eine Festigung der Behandlungsabläufe als Teamleistung zu gewährleisten, die tatbestandlichen Voraussetzungen der besonderen Abhängigkeit von Menge und Ergebnisqualität im Falle der Level-1-Geburten. Unzureichende Daten zur Morbidität hindern nicht eine Qualitätsverbesserung durch eine mortalitätsbezogene Mindestmenge, wie die Kläger meinen.

37

Die von den Klägern nunmehr vorgelegten wissenschaftlichen Studien sind nicht geeignet, die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs in Zweifel zu ziehen (zur Befugnis des Revisionsgerichts, generelle Tatsachen zu ermitteln vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 47 mwN). Die Studie von Shah et al (Journal of Perinatology <2015>, 1 bis 8, Association of unit size, resource utilization and occupancy with outcomes of preterm infants) geht nicht von konkreten Behandlungszahlen je Einrichtung, sondern von bloßen Behandlungskapazitäten ("Betten") aus. Selbst wenn Bettzahlen mit Behandlungsfällen gleichzusetzen wären, könnten für die hier im unteren Bereich maßgeblichen Fallzahlen in Abgrenzung zur Gelegenheitsversorgung aus der Studie keine Schlussfolgerungen abgeleitet werden. Schon das kleinste dort untersuchte Perinatalzentrum ("NICU") behandelte immerhin 22 Frühgeborene pro Jahr, das größte sogar 365 pro Jahr, im Median 110 pro Jahr (vgl Shah et al, aaO S 3). Hierauf weist bereits die Abteilung Fachberatung Medizin des Beklagten zutreffend hin. Im Ergebnis gilt nichts anderes für die Studie von Rysavy et al (The New England Journal of Medicine <2015>, 1801 bis 1811, Between-Hospital Variation in Treatment and Outcomes in Extremly Preterm Infants). Sie untersucht keinen Mengen-Ergebnis-Zusammenhang, sondern den Zusammenhang zwischen der Entscheidung zur Durchführung von aktiven Therapiemaßnahmen und der großen Varianz der Behandlungsergebnisse bei extrem unreifen Frühgeborenen. Die Menge ist dabei nur eine Kovariable, um zu überprüfen, ob die Entscheidung zur Durchführung aktiver Therapiemaßnahmen auch von der Menge abhängig ist. Soweit die Kläger eine vom Beklagten vorgelegte Studie von Watson et al (BMJ Open 2014; 4:e004856.doi:10.1136/bmjopen-2014-004856; The effects of designation and volume of neonatal care on mortality and morbidity outcomes of very preterm infants in England: retrospective population-based cohort study) angreifen, die einen Zusammenhang zwischen geringerer Mortalität bei höheren Mengen bejaht, vermag dies das Ergebnis des auf anderen Studien beruhenden IQWiG-Literaturevidenzberichtes nicht in Zweifel zu ziehen. Im Übrigen folgt der Senat der Auffassung der Abteilung Fachberatung Medizin des Beklagten, dass auch die Studie von Watson et al die vom IQWiG formulierte grundsätzliche Tendenz einer Korrelation zwischen höherer Menge und besserer Ergebnisqualität bei der Reduzierung der Mortalität bestätigt.

38

(4) Unzutreffend vertreten demgegenüber die Kläger die Auffassung, dass eine Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten nicht erforderlich sei, um eine fortdauernde Beübung des Level-1-Zentrums zu gewährleisten. Sie verkennen, dass bei fehlenden eindeutigen Schwellenwerten die genaue Festlegung der Mindestmenge innerhalb der Bandbreite geeigneter Mengen im gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum des Beklagten liegt. Gerade vor dem Hintergrund, dass Level-1-Geburten nicht einem regelhaften zeitlichen Muster folgen und im regionalen Einzugsbereichs eines Level-1-Zentrums bei der Zahl zu betreuender Level-1-Geburten im Jahresverlauf Schwankungen auftreten können, erscheint eine Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten gut vertretbar. Sie schließt eine bloße Gelegenheitsversorgung mit hohem Mortalitätsrisiko aus.

39

f) Der Beklagte musste unter Berücksichtigung der Datenlage auch keine weiteren sachlichen Ausnahmebestimmungen von der Mindestmenge 14 vorsehen, um Sonderfällen Rechnung zu tragen (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 52; vgl künftig § 136b Abs 3 SGB V idF durch Art 6 Nr 15 Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung, BR-Drucks 277/15 S 27). Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der erkennende Senat zu § 137 Abs 3 S 2 SGB V nunmehr entschieden hat, dass ein Krankenhaus voraussichtlich die Mindestmenge im folgenden Kalenderjahr nicht erreichen wird, wenn es die Mindestmenge im abgelaufenen Kalenderjahr nicht erreicht hat. In diesem Fall unterliegt es vorbehaltlich einer durch die für Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde erteilten Ausnahmegenehmigung einem Leistungserbringungsverbot (vgl BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, LS und RdNr 52 ff, dort noch zu § 137 Abs 1 S 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 104 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190; vgl künftig § 136b Abs 4 SGB V idF durch Art 6 Nr 15 KHSGE, BR-Drucks 277/15 S 27 f). § 137 Abs 3 S 2 SGB V steht grundsätzlich dem Erlass sachlicher Ausnahmebestimmungen nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V entgegen. Zwar ermächtigt die Vorschrift den Beklagten zur Regelung von Ausnahmetatbeständen. Hierfür finden sich in den Gesetzesmaterialien zum Entwurf eines FPG Beispiele (vgl Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 14/7862 S 5: Wechsel des behandelnden Arztes, Aufbau eines Leistungsbereiches durch einen bereits erfahrenen Arzt; nunmehr geregelt in Anlage 2 Nr 3 und 4 Mm-R; vgl dazu auch BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 57). Diese Ermächtigung gibt dem Beklagten jedoch keine Befugnis, den Anwendungsbereich des § 137 Abs 3 S 2 SGB V für den Regelfall einzuschränken. Ein Level-1-Zentrum, das - wie hier die Level-1-Zentren der Kläger - schon mehrere Jahre Leistungen bei Level-1-Geburten erbringt, ist nur unter Erfüllung der Voraussetzungen des § 137 Abs 3 S 2 SGB V befugt, weiterhin Leistungen zu erbringen.

40

g) Sowohl die gesetzliche Regelung des § 137 Abs 3 S 2 iVm § 137 Abs 3 S 1 SGB V als auch die untergesetzliche Bestimmung der Anlage 1 Nr 8 Mm-R verletzen die Kläger, - soweit sie wie zB die Kläger zu 1, zu 2 und zu 8 Grundrechtsträger sind - nicht in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art 12 Abs 1 GG. Die Regelung greift zwar in die Berufsausübungsfreiheit der Kläger ein. Sie ist aber durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die Abwägung der Bedeutung der Interessen der Krankenhäuser, uneingeschränkt Level-1-Geburten zu versorgen, mit dem Interesse an einer besseren Versorgungsqualität für Patienten ergibt einen eindeutigen Vorrang der Qualitätssicherung zugunsten der hiervon betroffenen Individual- und Gemeinwohlbelange. Patientenschutz durch Senkung der bei Level-1-Geburten besonders hohen Mortalitätsrate hat Vorrang vor Erwerbsschutz durch Gelegenheitsversorgung (vgl ausführlich dazu BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 54 ff mwN).

41

Entgegen der Ansicht der Kläger verstößt Anlage 1 Nr 8 Mm-R mit dem aufgezeigten Regelungsziel nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter dem Gesichtspunkt der Eignung und Erforderlichkeit. Erforderlich ist eine geeignete (vgl dazu BVerfGE 117, 163, 188 f; stRspr) gesetzliche Regelung, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können (vgl BVerfGE 30, 292, 316; 67, 157, 176). Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung einer Mindestmenge erfüllt sind, gibt es keine die Leistungserbringung regelnden milderen Qualitätssicherungsmaßnahmen. Denn rechtmäßig festgesetzte Mindestmengen sind nicht durch andere Qualitätssicherungsmaßnahmen substituierbar. Das Mindestmengenkonzept ist Ausdruck der vom Gesetzgeber im Rahmen seines Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl BVerfGE 102, 197, 218; 115, 276, 309; 126, 112, 141 = SozR 4-1100 Art 12 Nr 21 RdNr 103) rechtmäßig zugrunde gelegten Annahme, dass selbst bei bestmöglichen sächlichen und personellen Voraussetzungen sowie prozeduralen Qualitätssicherungen ein effektives Zusammenwirken einzelner Teile eines Behandlungsvorgangs zusätzlich in spezifischer Weise von dessen Ein- und fortlaufender Beübung durch eine hinreichende Zahl von realen Behandlungsfällen abhängen kann, um die Ergebnisqualität zu steigern. Es ist hingegen Tatfrage, bei welchen Behandlungsvorgängen diese besondere Beziehung zwischen Menge und Qualität zu belegen ist. Im Falle der Level-1-Geburten ist dies - wie aufgezeigt - der Fall.

42

Darüber hinaus ist Anlage 1 Nr 8 Mm-R auch zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut (vgl zu diesen Anforderungen bei objektiven Eingriffen in die Berufswahlfreiheit BVerfGE 126, 112, 140 f = SozR 4-1100 Art 12 Nr 21 RdNr 95 f mwN) geeignet, erforderlich und angemessen. Soweit der Gesetzgeber durch den Beklagten den Schutz von Gesundheit und Leben der Bevölkerung erstrebt - hier das Überleben sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener -, verfolgt er damit überragend wichtige Gemeinwohlbelange. Das hohe Gewicht, das Gesundheit und Leben in der Wertordnung des GG zukommt, zeigt sich daran, dass sich für beide Rechtsgüter aus Art 2 Abs 2 S 1 GG Schutzpflichten des Staates ergeben können. Angesichts der Bedeutung dieser Rechtsgüter stellt der Schutz von Gesundheit und Leben einen legitimen Zweck dar, dessen Verfolgung selbst objektive Berufswahlbeschränkungen zu rechtfertigen vermag (BVerfGE 126, 112, 140 f = SozR 4-1100 Art 12 Nr 21 RdNr 95). Diese Rechtfertigung greift auch hier. Durch Mindestmengen können Level-1-Geburten, die von einer besonders hohen Mortalitätsrate betroffen sind (vgl dazu BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 56), besser geschützt und die Anzahl der überlebenden Kinder erhöht werden, ohne dass dieses Qualitätssicherungsmittel substituierbar ist.

43

Sofern die Ausführungen des 3. BSG-Senats in seinem Urteil vom 12.9.2012 (BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 38 ff) zur Erforderlichkeit der Mindestmengen implizieren sollten, dass Mindestmengenregelungen, die die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V erfüllen, gleichwohl durch andere Qualitätssicherungsmaßnahmen substituierbar und deswegen unverhältnismäßig sein können, gibt der für das Krankenhausrecht nunmehr allein zuständige erkennende Senat diese Rechtsauffassung aus Gründen der Klarstellung auf.

44

3. Die Verfahrensrügen der Kläger greifen nicht durch. Die Kläger bringen keine zulässigen Verfahrensrügen vor. Sie bezeichnen mit ihren Angriffen iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG nicht alle Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen(näher dazu BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 68 ff, insoweit in BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1 nicht abgedruckt; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 27 f mwN). Notwendig hierfür ist eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 164 Nr 31 S 49). Hierzu müssten sie zunächst die den Mangel begründenden Tatsachen substantiiert dartun. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsauffassung - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl zB BSG Beschluss vom 23.4.2013 - B 9 V 4/12 R - Juris RdNr 18; BSG Urteil vom 21.4.2015 - B 1 KR 9/15 R - Juris RdNr 25 mwN, für BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 45 vorgesehen). Hieran fehlt es.

45

Die Kläger stützen den vermeintlichen Verstoß des LSG gegen § 128 Abs 1 S 1 SGG insbesondere darauf, die Annahmen sowohl eines Zusammenhangs zwischen Menge und Morbidität als auch einer immer risikofreien Erreichbarkeit von Level-1-Zentren seien fehlerhaft. Sie zeigen aber nicht auf, dass es nach der Rechtsauffassung des LSG, das sich dem Urteil des erkennenden Senats vom 18.12.2012 auch im Begründungsweg angeschlossen hat, hierauf ankommt. Ferner legen die Kläger den behaupteten Verstoß auch nicht schlüssig unter Hinweis darauf dar, dass die von ihnen angegriffene Anzahl der 2005 und 2006 bestehenden Level-1-Zentren nicht zuvor in das Verfahren eingeführt worden sei. Sie tragen selbst vor (ausdrücklicher Verweis auf die Schriftsätze im Verfahren L 1 KR 258/12 KL), sich im LSG-Verfahren intensiv mit dem Urteil des erkennenden Senats vom 18.12.2012 auseinandergesetzt zu haben. Die vom LSG wiedergegebene Zahl der Level-1-Zentren hat es von dort entnommen (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 51). Soweit die Kläger ihre Rüge gegen die Auffassung des LSG richten, dass eine statistische Korrelation ergänzt um einen Erfahrungssatz genüge, geht es schon nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um einen als Rechtssatz formulierten Beweismaßstab. Die ferner angeführte vermeintliche Fehlerhaftigkeit der Ableitung eines wahrscheinlichen Zusammenhangs zwischen Menge und Mortalität allein aus dem Abschlussbericht des IQWiG ist unschlüssig. Die Kläger tragen selbst hierzu vor, dass das LSG nur zusätzlich aufgrund eines - ebenfalls gerügten - Erfahrungssatzes zur Annahme eines kausalen Zusammenhangs zwischen Menge und Mortalität gelangt sei.

46

Die Kläger rügen schließlich für den Fall, dass das LSG auf S 28 f seines Urteils einen Erfahrungssatz festgestellt haben sollte, dass der dortige Erfahrungssatz kein "allgemeiner Erfahrungssatz" sei. Betroffen ist der "Erfahrungssatz, dass eine laufende Befassung eines Level-1-Zentrums mit der Behandlung sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener durch das ganze Jahr hindurch notwendig ist, um eine Festigung der Behandlungsabläufe als Teamleistung zu gewährleisten. Es ist hingegen nicht plausibel, dass bloß zeitweilige Behandlungsepisoden das Qualitätsniveau der Versorgung in gleicher Weise zu sichern vermögen." Die Kläger legen damit aber schon nicht schlüssig dar, dass das LSG und das von ihm zitierte BSG mit dem genannten Zitat überhaupt einen "allgemeinen Erfahrungssatz" wiedergeben wollten. Sie vernachlässigen, dass nicht jeder Erfahrungssatz die Qualität eines "allgemeinen Erfahrungssatzes" hat. Ein solcher erreicht nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Qualität und Funktion von Rechtsnormen (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 9 RdNr 6 unter Hinweis auf zB BVerwGE 88, 312, 323 = Buchholz 412.3 § 18 BVFG Nr 15; BAGE 21, 256, 258 = AP Nr 34 zu § 72 ArbGG 1953 Divergenzrevision; BGH NJW-RR 1993, 653; BGHZ 12, 22, 25). Er ist etwa von einfachen (vgl zB Vieweg, NJW 1982, 2473 mwN) und qualifizierten Erfahrungssätzen zu unterscheiden (vgl dazu und zur Notwendigkeit typischer, vom menschlichen Willen unabhängiger Vorgänge für den Anscheinsbeweis aufgrund eines qualifizierten Erfahrungssatzes BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 6, RdNr 14 mwN; BVerwG Buchholz 406.16 Eigentumsschutz Nr 13 S 15 f = NJW 1980, 252; BVerwG Buchholz 310 § 86 VwGO Anh Nr 40 S 2; Hauck in Hennig, SGG, Stand Juni 2015, § 103 RdNr 77 mwN).

47

Soweit die Kläger zudem einwenden, dass eine laufende Befassung auch mit geringeren Fallzahlen als 14 zu erreichen sei, weil die Behandlung einer Level-1-Geburt regelmäßig mehrere Monate dauere, legen sie nicht schlüssig einen Verfahrensfehler dar. Sie greifen nicht den Gesichtspunkt der erforderlichen Behandlungsroutine an, sondern nur den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum des Beklagten, den dieser - wie aufgezeigt - nicht überschritten hat.

48

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und § 159 S 2 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 4 sowie § 47 Abs 1 und Abs 2 S 1 GKG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. September 2012 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6251,53 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.

2

Die klagende Krankenhausträgerin implantierte in ihrem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus 66 (2003), 64 (2004), 35 (2005) und 18 (1.1. bis 12.7.2006) Kniegelenk-Totalendoprothesen (Knie-TEP). Sie behandelte die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte A (im Folgenden: Versicherte) vom 19.1. bis 3.2.2006 stationär wegen eines Binnenschadens an einem Kniegelenk. Sie berechnete die Fallpauschale (Diagnosis Related Group - DRG) I44B (Verschiedene Endoprotheseneingriffe am Kniegelenk) in Höhe von 6251,53 Euro einschließlich der Zuschläge (7.2.2006). Die Beklagte beglich die Rechnung nicht. Hiergegen hat die Klägerin mit dem Hinweis, sie habe wegen der Versorgung der Versicherten mit einer Knie-TEP Anspruch auf die in Rechnung gestellte Vergütung, Zahlungsklage erhoben. Das SG hat die Klage abgewiesen, weil das Krankenhaus 2005 weder die im Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vom 16.8.2005 vorgesehene jährliche Mindestmenge von 50 Knie-TEP pro Krankenhaus (Betriebsstätte) noch die Voraussetzungen der Übergangsregelung (ua 40 bis 49 Knie-TEP im Jahr 2005) erfüllt habe (Urteil vom 28.7.2011). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von 6251,53 Euro nebst Zinsen von 2 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 22.2.2006 verurteilt. Der Vergütungsanspruch der Klägerin sei nicht nach § 137 Abs 1 S 4 SGB V ausgeschlossen. Die Klägerin habe nicht davon ausgehen können, dass sie 2006 die Mindestmenge nicht erreiche. Maßgeblich sei allein, dass eine Krankenhausträgerin - wie hier die Klägerin - aus nachvollziehbaren Gründen habe davon ausgehen dürfen, die Zahl der Knie-TEP-Versorgungen werde die Mindestmenge erreichen. Knie-TEP-Leistungen seien auch vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst (Urteil vom 27.9.2012).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 iVm S 4 SGB V, des § 108 SGB V iVm § 8 Abs 1 S 4 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und des § 6 Abs 1, § 8 Abs 1 S 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Der Vergütungsanspruch der Klägerin sei ausgeschlossen, weil vorhersehbar gewesen sei, dass das Krankenhaus 2006 die Mindestmenge nicht erreichen werde und weil die Implantation von Knie-TEP ohnehin außerhalb des Versorgungsauftrags des Krankenhauses gelegen habe.

4

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. September 2012 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 28. Juli 2011 zurückzuweisen,

hilfsweise,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. September 2012 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

7

Der Senat hat Beweis erhoben durch eine Auskunft des GBA. Der GBA hat ausgeführt, eine durchgängige Befassung des gesamten Behandlungsteams eines Krankenhauses mit Knie-TEP sei nach medizinischer Erkenntnis erforderlich, um die Behandlungsabläufe zu etablieren und die einschlägigen Erfahrungen für eine qualitativ hinreichende Behandlungspraxis des gesamten Teams zu erhalten.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist.

9

Die von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis erhobene echte Leistungsklage ist zulässig (vgl nur BSG Urteil vom 17.12.2013 - B 1 KR 70/12 R - Juris RdNr 8 mwN, vorgesehen für BSGE und SozR 4-2500 § 2 Nr 4). Ob die Klägerin einen Vergütungsanspruch von 6251,53 Euro für die Versorgung der Versicherten mit einer Knie-TEP hat, vermag der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen. Es steht nicht fest, dass die erfolgte Versorgung mit einer Knie-Endoprothese der Mindestmengenregelung unterfiel. Soweit dies der Fall ist, hat die Klägerin keinen Vergütungsanspruch. Denn sie unterschritt bereits 2005 die maßgeblichen, rechtmäßigen Grenzen sowohl der Mindestmenge 50 als auch der Übergangsregelung (40 - 49). Unterfiel die Versorgung nicht der Mindestmengenregelung, steht die - weitere - Voraussetzung des Vergütungsanspruchs nicht fest, dass das Krankenhaus der Klägerin die Leistung innerhalb seines Versorgungsauftrags erbrachte.

10

1. Es steht nicht fest, dass die endoprothetische Versorgung der Versicherten der einschlägigen Mindestmengenregelung unterfiel, nämlich der Anlage 1 Nr 6 (idF des Beschlusses des GBA vom 16.8.2005, BAnz 2005 Nr 175, S 13 864, geändert durch Beschluss des GBA vom 20.9.2005, BAnz 2005 Nr 204, S 15 659; im Folgenden: Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 und vom 20.9.2005) zur Vereinbarung gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V (Nr 3 eingefügt durch Art 1 Nr 5 Buchst b Doppelb bb Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23.4.2002, BGBl I 1412; S 3 idF durch Art 1 Nr 104 Buchst a Doppelb cc Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190) zwischen den Spitzenverbänden der KKn, dem Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer und dem Deutschen Pflegerat vom 3.12.2003 - Mindestmengenvereinbarung - (MMV 2003; neugefasst als MMV des GBA vom 20.12.2005, BAnz vom 2.3.2006 Nr 43 S 1373, mWv 1.1.2006, MMV 2005). Soweit diese Regelung die Versorgung der Versicherten erfasste, hing die Befugnis der Klägerin zur Leistungserbringung und damit ihr Vergütungsanspruch (dazu 2.) davon ab, dass sie die für das Jahr 2006 erforderliche Mindestmenge voraussichtlich erreichen werde. Sowohl das LSG als auch die Beteiligen haben ihren sämtlichen Ausführungen übereinstimmend zugrunde gelegt, dass die Art und Weise der endoprothetischen Versorgung des Kniegelenks der Versicherten vom Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 erfasst werde. Das LSG hat zwar berichtet, die Klägerin habe die DRG I44B abgerechnet und - nach dem 2006 geltenden Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) - OPS-Nr 5-822.01 (Implantation einer Endoprothese am Kniegelenk, Unikondyläre Schlittenprothese, Zementiert) kodiert. Das LSG hat aber keine eigenen Feststellungen dazu getroffen, dass diese Kodierung den Sachverhalt zutreffend wiedergibt. Operationen und Prozeduren nach OPS-Nr 5-822.01 unterfielen 2006 keinem Mindestmengenerfordernis (näher dazu 4. b). Soweit die Annahmen des LSG und der Beteiligten zutreffen, dass die Klägerin die Versicherte mit einer Knie-TEP im Sinne des Mindestmengenbeschlusses vom 16.8.2005 versorgte, hat das LSG zu Unrecht der Berufung der Klägerin stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 6251,53 Euro verurteilt (dazu 3. bis 8.). Bildete hingegen die kodierte OPS-Nr 5-822.01 zutreffend den endoprothetischen Eingriff ab, steht nicht fest, dass die Behandlung vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst war. Das LSG wird hierzu den einschlägigen Feststellungsbescheid auszulegen haben (dazu 9.).

11

2. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 S 3 SGB V(idF durch Art 1 Nr 3 FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 S 1 KHEntgG(idF durch Art 2 Nr 5 Zweites Gesetz zur Änderung der Vorschriften zum diagnose-orientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser und zur Änderung anderer Vorschriften vom 15.12.2004, BGBl I 3429) und den Anlagen (Fallpauschalenkatalog) der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2006 (Fallpauschalenvereinbarung 2006) zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Verband der PKV gemeinsam und einheitlich sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft iVm § 17b KHG(idF durch Art 1 Nr 4 2. FPÄndG> vom 15.12.2004, BGBl I 3429).

12

Nach § 109 Abs 4 SGB V wird mit einem Versorgungsvertrag nach Abs 1, dem - wie hier - die Aufnahme des Krankenhauses in den Krankenhausplan eines Landes gleichsteht, das Krankenhaus für die Dauer des Vertrages(bzw des Krankenhausplans iVm mit dem Feststellungsbescheid nach § 8 Abs 1 S 3 KHG) zur Krankenhausbehandlung der Versicherten zugelassen. Das zugelassene Krankenhaus ist im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten verpflichtet. Die KKn sind verpflichtet, unter Beachtung der Vorschriften des SGB V mit dem Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des KHG, des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung zu führen. Nach § 39 Abs 1 S 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus(§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.

13

Das Krankenhaus hat auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen einen Vergütungsanspruch gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur für eine "erforderliche" Krankenhausbehandlung. Das folgt aus dem aufgezeigten Wortlaut und Regelungssystem sowie aus dem Zweck der Vergütung. Sie dient als Gegenleistung für die Erfüllung der Pflicht des zugelassenen Krankenhauses, Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten im Rahmen des Versorgungsauftrags zu leisten. Die Leistung des Krankenhauses ist nämlich zur Erfüllung des Leistungsanspruchs des Versicherten bestimmt (vgl BSG Großer Senat BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 10). Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich ist(stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13 mwN). Eine Versorgung von Patienten außerhalb des Versorgungsauftrags, ohne dass ein Notfall vorliegt, ist nicht zu vergüten (§ 8 Abs 1 S 3 KHEntgG).

14

Eine nach zwingenden normativen Vorgaben ungeeignete Versorgung Versicherter ist nicht im Rechtssinne "erforderlich" mit der Folge, dass das Krankenhaus hierfür keine Vergütung beanspruchen kann. Versicherte haben aufgrund des Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 SGB V)keinen Anspruch auf ungeeignete Leistungen, insbesondere auf ungeeignete Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 SGB V)einschließlich Krankenhausbehandlung. Krankenhäuser sind dementsprechend - außer in Notfällen - auch innerhalb ihres Versorgungsauftrags weder befugt, ungeeignet zu behandeln noch berechtigt, eine Vergütung hierfür zu fordern. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes für alle Leistungsbereiche des SGB V (vgl zB BSGE 105, 271 = SozR 4-2500 § 40 Nr 5, RdNr 27; BSGE 113, 231 = SozR 4-2500 § 40 Nr 7, RdNr 16). Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die KKn nicht bewilligen (vgl § 12 Abs 1 S 2 SGB V sowie § 2 Abs 1 S 1, § 4 Abs 3, § 70 Abs 1 SGB V). Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt nach dieser Gesetzeskonzeption uneingeschränkt auch im Leistungserbringungsrecht (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 29 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 9 RdNr 10 mwN). Das SGB V macht keine Ausnahme hiervon für Krankenhausbehandlung (vgl zum Ganzen auch BSG Urteil vom 1.7.2014 - B 1 KR 62/12 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 regelt für Knie-TEP-Implantationen durch eine Mindestmenge in diesem Sinne eine zwingende Qualitätsvorgabe. Sie sichert das Qualitätsniveau bei voraussichtlicher Unterschreitung im Folgejahr durch ein eigenständiges Verbot der Leistungserbringung zusätzlich ab (§ 137 Abs 1 S 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 5 Buchst c FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412).

15

3. Hat die Klägerin die Versicherte mit einer Knie-TEP im Sinne der Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 versorgt, steht ihr kein Vergütungsanspruch zu, weil sie weder die jährliche Mindestmenge von 50 Knie-TEP pro Krankenhaus (Betriebsstätte) voraussichtlich erreichte und deswegen nach § 137 Abs 1 S 4 SGB V diese Leistung bei der Versicherten nicht erbringen durfte, noch die auf dem Mindestmengenbeschluss vom 20.9.2005 beruhende Übergangsregelung ("Karenzzeit") für sich in Anspruch nehmen konnte. § 137 Abs 1 S 4 SGB V untersagte trotz bestehenden Versorgungsauftrags Krankenhäusern im Jahr 2006, Patienten mit einer Knie-TEP zu versorgen, wenn die Krankenhäuser die in § 137 Abs 1 iVm Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 genannten Voraussetzungen nicht erfüllten. Die auf den Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 zurückgehende Mindestmengenregelung in Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 ist wirksam, weil der Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 rechtmäßig ist und nicht außer Vollzug gesetzt war (dazu 4. und 5.). Die Klägerin erfüllte nicht die Voraussetzung, dass sie die im Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 geforderte jährliche Mindestmenge von 50 Knie-TEP voraussichtlich erreichen wird (dazu 6.). Sie war auch nicht nach der auf dem Mindestmengenbeschluss vom 20.9.2005 beruhenden Übergangsregelung zur Leistungserbringung berechtigt (dazu 7.). Auf der Grundlage der vom erkennenden Senat durchgeführten Sachverhaltsermittlung bedurfte es hinsichtlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 keiner Zurückverweisung an das LSG. Der erkennende Senat ist aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen in der Lage, in der Sache abschließend über die Wirksamkeit der Mindestmengenregelungen zu entscheiden, ohne von der Rechtsprechung des 3. BSG-Senats (BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 64 ff) abzuweichen (dazu 8.).

16

4. Rechtsgrundlage für die Einbeziehung von Krankenhausleistungen in einen Mindestmengenkatalog, die konkrete Festsetzung von Mindestmengen und sich daraus ergebende Rechtsfolgen ist § 137 Abs 1 S 1 bis 5 SGB V(dazu a). Hierauf gestützt beschloss der GBA, Knie-TEP in den Katalog planbarer Leistungen aufzunehmen, eine Mindestmenge festzusetzen und eine Übergangsregelung zu schaffen (dazu b).

17

a) Abs 1 S 1 bis 5 des § 137 SGB V(idF durch Art 1 Nr 104 GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190) bestimmt: Der GBA beschließt unter Beteiligung des Verbandes der PKV, der Bundesärztekammer sowie der Berufsorganisationen der Krankenpflegeberufe Maßnahmen der Qualitätssicherung für nach § 108 zugelassene Krankenhäuser einheitlich für alle Patienten(Satz 1). Dabei sind die Erfordernisse einer sektor- und berufsgruppenübergreifenden Versorgung angemessen zu berücksichtigen (Satz 2). Die Beschlüsse nach Satz 1 regeln insbesondere einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände(Satz 3 Nr 3). Wenn die nach Satz 3 Nr 3 erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht wird, dürfen ab dem Jahr 2004 entsprechende Leistungen nicht erbracht werden (Satz 4). Die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde kann Leistungen aus dem Katalog nach Satz 3 Nr 3 bestimmen, bei denen die Anwendung von S 4 die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte; sie entscheidet auf Antrag des Krankenhauses bei diesen Leistungen über die Nichtanwendung von S 4 (Satz 5).

18

b) Der GBA beschloss am 21.9.2004 Knie-TEP in den Katalog planbarer Leistungen zur Festsetzung von Mindestmengen nach § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V aufzunehmen(BAnz 2004 Nr 238, S 24 210). Die aufgrund des Mindestmengenbeschlusses vom 16.8.2005 mit Wirkung zum 1.1.2006 ergangene MMV 2005 sieht als zwingende Qualitätsanforderung für Knie-TEP eine jährliche Mindestmenge pro Krankenhaus (Betriebsstätte) von 50 Implantatversorgungen vor. Der Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 erfasst nicht die gesamte OPS-Nr 5-822 (Implantation einer Endoprothese am Kniegelenk), sondern nur die unter OPS-Nr 5-822.1**, 5-822.2**, 5-822.4**, 5-822.6**, 5-822.7**, 5-822.9** (** = 0: Nicht zementiert, 1: Zementiert, 2: Hybrid ) näher bezeichneten Implantationsverfahren. Außerdem enthält die MMV 2005 eine durch den Mindestmengenbeschluss vom 20.9.2005 konkretisierte "Übergangsregelung für das Jahr 2006": Krankenhäuser, die im Jahr 2005 zwischen 40 und 49 Knie-TEP erbracht haben und im Bundesverfahren der externen stationären Qualitätssicherung des Jahres 2004 Kriterien guter Qualität erfüllen, erhalten eine Karenzzeit von einem Jahr. Die Kriterien guter Qualität sind in Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 näher beschrieben.

19

5. Die vom GBA beschlossenen Mindestmengenbestimmungen für Knie-TEP-Implantationen sind wirksame untergesetzliche Rechtsnormen (dazu a). Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 ist mit Wirkung zum 1.1.2006 in Kraft getreten und hier anzuwenden (dazu b). Die Mindestmengenbestimmungen der Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 sind auch materiell rechtmäßig. Sie beruhen nach dem maßgeblichen Prüfungsmaßstab auf formell und materiell rechtmäßigen GBA-Beschlüssen (dazu c bis f). Sie waren im Zeitpunkt der Endoprothesenversorgung der Versicherten nicht außer Vollzug gesetzt (dazu g).

20

a) Der GBA ist zur Konkretisierung des sich aus § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V ergebenden Regelungsprogramms ermächtigt, außenwirksame Normen im Range untergesetzlichen Rechts zu erlassen. Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (dazu und insbesondere zur hinreichenden demokratischen Legitimation des Bundesausschusses vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 22 mwN zu stRspr und Literatur).

21

Der GBA regelt durch Mindestmengenbestimmungen nach abstrakt-generellem Maßstab, welche zugelassenen Krankenhäuser gegenüber den KKn welche planbaren Leistungen qualitätsgesichert erbringen dürfen. Denn der GBA bestimmt für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände(§ 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V).

22

Die Regelungen über die planbaren Leistungen und die ihnen zugeordneten Mindestmengen sind auch außenwirksam. Sie ergehen als Beschluss (§ 137 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 137 Abs 1 S 3 SGB V). Die Beschlüsse des GBA sind für seine Träger, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich (§ 91 Abs 9 SGB V idF durch Art 1 Nr 70 GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190, mWv 1.1.2004; vgl dementsprechend zur Rechtsnormqualität der Richtlinie des Beklagten als untergesetzliche Rechtsnormen zB BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 33; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 21; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 32; vgl auch GMG-Entwurf der Fraktionen der SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - BT-Drucks 15/1525 S 106, Zu Nummer 70 <§ 91> Absatz 9). § 137 Abs 2 S 1 SGB V(idF durch Art 1 Nr 104 Buchst b GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190, mWv 1.1.2004; lediglich redaktionell an die neue Zuständigkeit des GBA angepasst, im Übrigen wortgleich mit Art 1 Nr 54 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 , BGBl I 1999, 2626, mWv 1.1.2000; vgl dazu Begründung des GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000-Entwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 14/1245 S 89, Zu Nummer 78, Zu Absatz 2) schließt die umfassende Bindungswirkung iS von § 91 Abs 9 SGB V nicht aus, indem er die unmittelbare Verbindlichkeit der Mindestmengenbeschlüsse des GBA ausdrücklich nur für Krankenhäuser anordnet. Die Regelung des § 91 Abs 9 SGB V über die Verbindlichkeit von Beschlüssen des GBA galt - mit dem Ziel umfassender Bindungswirkung der genannten Beschlüsse - in der Sache bereits vor ihrer Einführung zum 1.1.2004 (anknüpfend an bereits zuvor ergangene Rechtsprechung des BSG, zB BSGE 78, 70, 75 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 30; BSGE 81, 73, 81 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 56 ff; BSGE 85, 36, 44 f = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 45; BSGE 87, 105, 110 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7). Der Gesetzgeber des GMG sah lediglich insoweit von einer weitgehenden redaktionellen Klarstellung des § 137 Abs 2 S 1 SGB V ab.

23

b) Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 ist durch den Beschluss des GBA vom 20.12.2005 als Bestandteil der MMV 2005 mit Wirkung zum 1.1.2006 in Kraft getreten. Die Regelung ist auf den vorliegenden Vergütungsstreit anzuwenden. Er betrifft nämlich eine Behandlung vom 19.1. bis 3.2.2006. Dem steht nicht entgegen, dass die MMV 2005 als untergesetzliches Regelungswerk zu ihrer formellen Wirksamkeit der Bekanntmachung (vgl zur Verkündung von Verordnungen auf Bundesebene Art 82 Abs 1 S 2 GG) bedurfte und die Bekanntgabe erst am 2.3.2006 im BAnz erfolgte (Nr 43 S 1373). Eine (echte oder unechte) Rückwirkung liegt nicht vor.

24

Auch wenn es sich bei der MMV 2005 im rechtstechnischen Sinne (§ 92 SGB V) nicht um eine Richtlinie handelt (zur Bekanntmachung von Richtlinien im BAnz vgl § 94 Abs 2 SGB V idF durch Art 1 Nr 25 Buchst b Zweites Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vom 20.12.1991, BGBl I 2325), waren die Regelungen der MMV 2005 im Hinblick auf ihren Rechtsnormcharakter auch bekanntzumachen, um dem rechtsstaatlichen Publizitätserfordernis Genüge zu tun. Insoweit ordnete die im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 20.12.2005 maßgebliche Geschäftsordnung des GBA (GO) in ihrem § 20 Abs 2 ua an, dass Entscheidungen nach § 137 SGB V in geeigneter Weise zu veröffentlichen sind. Die Art der Veröffentlichung ist mit der Entscheidung festzulegen. Dem Beschluss vom 20.12.2005 (MMV 2005) fehlt es zwar an einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung. Unter Berücksichtigung des § 94 Abs 2 SGB V ist aber eine Bekanntmachung im BAnz in jedem Fall eine hinreichende Form der Bekanntmachung. Das zum 1.1.2006 angeordnete Inkrafttreten der MMV 2005 stellt jedenfalls im Hinblick auf die Anlage 1 Nr 6 keine rückwirkende Neuregelung, sondern gegenüber den schon am 15.9.2005 (BAnz Nr 175, S 13 864; Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005) und am 27.10.2005 (BAnz Nr 204, S 15 659; Mindestmengenbeschluss vom 20.9.2005) bekanntgemachten Beschlüssen lediglich eine unveränderte, deklaratorische Neubekanntmachung dar. Als Normgeber stand dem GBA auch ohne ausdrückliche Ermächtigung die Befugnis zur Neubekanntmachung eigener Normsetzung zu.

25

c) Der auf die maßgeblichen Mindestmengenbeschlüsse vom 16.8. und 20.9.2005 anzuwendende Prüfmaßstab des Gerichts hat der Funktion des GBA als untergesetzlicher Normgeber Rechnung zu tragen.

26

Die Rechtmäßigkeit der Mindestmenge ist unter Berücksichtigung der Funktion des GBA als Normgeber an der Mindestmengenregelung des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V iVm mit dem vorgreiflichen, rechtmäßig gesetzten untergesetzlichen Recht zu messen. Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Beschlüsse des GBA sind hierbei gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 - LITT; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26; Schlegel, MedR 2008, 30, 32; Hauck, NZS 2010, 600, 611 f). § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V gibt dem GBA ein rechtlich voll überprüfbares Programm vor: In tatsächlicher Hinsicht ist die Ermittlung planbarer Leistungen, die Feststellung, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses einer planbaren Leistung in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist und die konkrete Eignung von festgesetzten Mindestmengen zur Verbesserung der Qualität der Behandlungsergebnisse sowie in rechtlicher Hinsicht die zutreffende Erfassung der Tatbestandsmerkmale durch den GBA vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem GBA bei der Auslegung dieser Regelungselemente des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom GBA zu berücksichtigenden Studienlage. Erst bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist er befugt, als Normgeber zu entscheiden. Soweit diese letztere Kompetenz reicht, darf allerdings die sozialgerichtliche Kontrolle ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom GBA getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen. Die Entscheidungen über die Auswahl und den Zuschnitt der Leistungen für den Katalog planbarer Leistungen sowie die genaue Festlegung der Mindestmenge innerhalb der Bandbreite geeigneter Mengen unterliegen in diesem Sinne dem normativen Gestaltungsspielraum des GBA. Der GBA kann dabei in einem zeitlich gestreckten Verfahren vorgehen, um den Katalog planbarer Leistungen allmählich zu entwickeln, um insbesondere weitere Erkenntnisse zu sammeln und zu bewerten und um Mindestmengen je nach Erkenntnisfortschritt neu zu justieren (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 21 mwN).

27

d) Der GBA beachtete die formellen Voraussetzungen für den Erlass der untergesetzlichen Normen. Maßgeblich zur Beurteilung der formellen Rechtmäßigkeit der Mindestmengenbeschlüsse vom 21.9.2004, 16.8. und 20.9.2005 sind - neben insbesondere § 137 Abs 1 S 1, §§ 139a, 139b, 140f SGB V, Patientenbeteiligungsverordnung vom 19.12.2003 (BGBl I 2753) - die GO und die verfahrensrechtlichen Regelungen der MMV 2003. Die Verfahrensordnung des GBA (VerfO) vom 20.9.2005 (BAnz 2005 Nr 242, S 16 998) trat erst mWv 1.10.2005 in Kraft. Sie war auf vor Inkrafttreten der VerfO begonnene Verfahren bis zum 31.3.2006 nicht anzuwenden (vgl § 48 S 1 VerfO). Namentlich anwendbar waren die Regelungen des Abschnitts E der GO (§§ 21 ff: Vorbereitung der Entscheidungen in Unterausschüssen und Zusammenarbeit mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen; zur Mitwirkung von Personen nach § 140f Abs 2 SGB V an Sitzungen des GBA vgl § 13 Abs 5 GO)und der §§ 3 f MMV 2003(Verfahrensregelung und Antragsverfahren). Noch verbliebene Regelungslücken waren im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Betroffenenpartizipation unter Heranziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze zu schließen.

28

Der GBA wahrte die durch Gesetz und seine eigenen Verfahrensvorgaben ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 34 mwN; Hauck, NZS 2010, 600, 604). Der dokumentierte Ablauf der Beratungen, die Einholung von Stellungnahmen bei betroffenen Fachverbänden sowie die Einbeziehung des IQWiG zur Ermittlung von Mindestmengen-Schwellenwerten für die Versorgung belegen anschaulich das formal korrekte Vorgehen.

29

Der formellen Rechtmäßigkeit des Mindestmengenbeschlusses vom 16.8.2005 steht nicht entgegen, dass der GBA in seiner Besetzung nach § 91 Abs 7 SGB V(idF durch Art 1 Nr 70 GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190, mWv 1.1.2004) nach erfolgter Beauftragung des IQWiG (GBA-Beschlüsse vom 21.12.2004 und 8.6.2005) den Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 im Vorgriff auf die Ergebnisse des IQWiG erließ. Er berücksichtigte abweichend von § 23 Abs 5 GO(vgl dazu § 91 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V idF durch Art 1 Nr 70 GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190, mWv 1.1.2004) noch nicht die erst später vorliegenden Empfehlungen des IQWiG. Formell war der GBA hierzu schon aufgrund der einstimmig getroffenen Entscheidung des nach § 91 Abs 7 SGB V zuständigen Gremiums befugt(zur materiellen Rechtmäßigkeit vgl dazu 5. e).

30

Die Mindestmengenbeschlüsse vom 21.9.2004, 16.8. und 20.9.2005 bedurften verfahrensrechtlich auch keiner besonderen Begründung (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 23 mwN). Eine Ausnahme im Sinne einer materiell-rechtlichen Begründungspflicht besteht nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats insofern, als der Gesetzgeber darauf abzielt, durch Einbindung des IQWiG in die Zuarbeit für den GBA den dynamischen Prozess der Fortentwicklung der medizinischen und pflegerischen Leistungen zu sichern und die kontinuierliche Einbeziehung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in eine qualitativ gesicherte Leistungserbringung zu gewährleisten (BT-Drucks 15/1525 S 127). Das IQWiG leitet deshalb seine Arbeitsergebnisse dem GBA als Empfehlungen zu (vgl § 139b Abs 4 S 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 112 GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190, mWv 1.1.2004). Dieser hat die Empfehlungen im Rahmen seiner Aufgabenstellung "zu berücksichtigen", wird also nur mit besonderer Begründung davon abweichen (vgl Hauck, NZS 2007, 461, 464). Insbesondere hat er zu prüfen, ob das IQWiG seine Feststellungen ausgehend von einem zutreffenden Rechtsverständnis der zugrunde gelegten Begriffe auf der Basis einer umfassenden Einbeziehung der relevanten Studien nachvollziehbar und widerspruchsfrei getroffen hat. Für die Umsetzung von Handlungsempfehlungen des IQWiG verbleibt ihm indes grundsätzlich sein gesetzgeberisches Ermessen (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 24 mwN).

31

Weder empfahl das IQWiG in seinem Abschlussbericht vom 5.12.2005 eine andere als vom GBA festgesetzte Mindestmenge noch gab es Hinweise, die der Festlegung einer jährlichen Mindestmenge von 50 Knie-TEP je Krankenhaus (Betriebsstätte) entgegenstanden oder den GBA hätten veranlassen müssen, seinen Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 zu ändern (vgl dazu 5. e) cc).

32

e) Der GBA machte rechtmäßig zunächst mit Beschluss vom 21.9.2004 (BAnz 2004 Nr 238, S 24 210) Knie-TEP (konkretisiert durch den Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005) zum Gegenstand des mindestmengenabhängigen Katalogtatbestands. Er ging von einem zutreffenden Verständnis der gesetzlichen Vorgaben einer planbaren Leistung aus (dazu aa), deren Ergebnisqualität in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist (dazu bb). Er bejahte auf dieser Grundlage rechtmäßig für die einbezogenen Knie-TEP die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V(dazu cc).

33

aa) Der GBA ging im Ergebnis sinngemäß zutreffend davon aus, dass eine "planbare" Krankenhausleistung iS von § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V eine Leistung ist, welche die dafür vorgesehenen Krankenhaus-Zentren in der Regel medizinisch sinnvoll und für die Patienten zumutbar erbringen können. Erforderlich ist, dass die Aufnahme und Durchführung gebotener stationärer Behandlung in einem Zentrum - trotz ggf längerer Anfahrt - unter Berücksichtigung zu überwindender räumlicher und zeitlicher Distanzen ohne unzumutbares Risiko für die Patienten erfolgen kann (vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 28 ff).

34

bb) Die Qualität des Behandlungsergebnisses der planbaren Leistungen ist jedenfalls bereits dann - wie im Ergebnis vom GBA zugrunde gelegt - in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig, wenn eine Studienlage besteht, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität wahrscheinlich macht (vgl dazu und zu den nachfolgenden Ausführungen BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 31 ff). Hierbei ist nicht die Struktur- oder Prozessqualität, sondern allein die Qualität des Behandlungsergebnisses maßgeblich. Regelmäßig - aber nicht zwingend - wird es um hochkomplexe medizinische Leistungen gehen. Es muss sich aber jedenfalls um standardisierbare Krankenhausleistungen oberhalb einer Grundversorgung handeln. Sie müssen deswegen selten erbracht werden, weil entweder bundesweit die Indikation selten vorliegt (absolute Seltenheit) oder sie trotz häufiger Indikation aufgrund anderweitiger Konzentrationsprozesse und zufälliger Verteilungsschwankungen nicht in allen Krankenhäusern mit einschlägigem Versorgungsauftrag in höherer Zahl nachgefragt werden (relative Seltenheit). Bei ihnen muss die mit wissenschaftlichen Belegen untermauerte Erwartung berechtigt sein, dass die Güte der Leistungserbringung in besonderem Maße auch von der Erfahrung und Routine des mit der jeweiligen Versorgung betrauten Behandlers - Krankenhauseinheit und/oder Arzt - beeinflusst ist.

35

Schon der Wortlaut des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V verdeutlicht, dass die vom GBA zu treffende Mindestmengenregelung nicht darauf ausgerichtet ist, umfassend sektorenübergreifend für alle vertragsärztlichen und stationären Leistungen zusätzliche Qualitätsanforderungen aufzustellen. Vielmehr fasst der GBA danach lediglich für einen Teilbereich, für zugelassene Krankenhäuser - grundsätzlich einheitlich für alle Patienten - auch Beschlüsse über einen "Katalog" planbarer Leistungen nach §§ 17 und 17b KHG. Das Gesetz schränkt diesen Teilausschnitt aus dem Gesamtbereich der Leistungen nach §§ 17 und 17b KHG weiter spezifisch ein: Es muss um planbare Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG gehen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist.

36

Es genügt ein nach wissenschaftlichen Maßstäben wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität. Dafür spricht nicht nur der aufgezeigte Wortlaut. Auch die Entstehungsgeschichte belegt, dass es um einen durch Studien untermauerten wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Leistungen und der Qualität des Behandlungsergebnisses geht (vgl dazu Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines FPG, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Die in den Gesetzesmaterialien angesprochenen "Studien" sind in aller Regel nicht im naturwissenschaftlichen Sinne für einen Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität voll beweisend, sondern darauf hinweisend. Andernfalls könnte die Regelung kaum ihren Zweck erfüllen, der "herausgehobene(n) Bedeutung" einer "gute(n) Ergebnisqualität" Rechnung zu tragen, wie es im Rahmen der "bisher eingeführten Qualitätssicherungsmaßnahmen" … "noch zu wenig" erfolgte (vgl ebenda, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Hierfür genügt nicht schon die landläufige Erfahrung, dass routinierte Praxis im Allgemeinen eine bessere Ergebnisqualität sichert als deren Fehlen.

37

Das Auslegungsergebnis entspricht auch dem Regelungssystem. Die in § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V angesprochenen "Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG" müssen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich bereits dem Qualitätsgebot(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) genügen, um überhaupt zulasten der GKV abrechenbar zu sein (stRspr, vgl grundlegend BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 52 f unter Aufgabe von BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1, auch zur Berücksichtigung grundrechtskonformer Auslegung; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23; BSG Urteil vom 17.12.2013 - B 1 KR 70/12 R - Juris RdNr 15 ff mwN, vorgesehen für BSGE und SozR 4-2500 § 2 Nr 4; zustimmend 3. BSG-Senat, vgl BSGE 113, 167 = SozR 4-2500 § 137c Nr 6 LS, alle mwN). Die Anforderungen integrieren in wesentlichem Maße das Krankenhausplanungs- und das ärztliche Weiterbildungsrecht. Diese Regelungskomplexe erfordern bereits ein ausreichendes Maß an Erfahrung und Routine als Voraussetzung von Facharztqualifikationen, an die wiederum die Strukturvorgaben in der stationären Versorgung anknüpfen (vgl zutreffend Bohle, GesR 2010, 587). Der Mindestmengenkatalog (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V) stellt demgegenüber zusätzliche Qualitätsanforderungen auf im Interesse einer weiteren Risikominimierung. Der Regelungszweck steht - wie das -system - daher einem Normverständnis entgegen, das Mindestmengen auf bloße (fach-)ärztliche Grundfertigkeiten oder eine Grundversorgung im Krankenhausbereich erstreckt. Festsetzungen von Mindestmengen sind schließlich kein Instrument, um Behandler von der Versorgung auszuschließen, die trotz ausreichender Fallzahl nur eine durchschnittliche oder gar eine unterdurchschnittliche Ergebnisqualität oberhalb einer berufs-, gewerbe- oder schadensersatzrechtlichen Interventionsschwelle erreichen.

38

Regelungszweck und -system sprechen schließlich dafür, eine bloße, nach wissenschaftlichen Maßstäben belegte Wahrscheinlichkeit für den Zusammenhang zwischen Ergebnisqualität und Leistungsmenge genügen zu lassen. Dies entspricht dem mit § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V verfolgten Zweck der Risikominimierung in einem nennenswerten Bereich. Anforderungen nach Art eines statistisch sauber geführten vollständigen Kausalitätsbeweises würden den Anwendungsbereich der Norm auf ein vernachlässigbares Minimum reduzieren. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Steigerung der Ergebnisqualität und Festsetzung einer Mindestmenge besteht zwar unproblematisch, wenn er statistisch bewiesen ist. Das wird aber nur in höchst seltenen Ausnahmefällen möglich sein. Ist der genannte Zusammenhang allerdings - wie regelmäßig der Fall - nicht statistisch bewiesen, ist er anhand medizinischer Erfahrungssätze ergänzend zu untermauern. Mit statistischen Methoden ermittelte und risikoadjustiert bewertete Korrelationen allein reichen nämlich beim Fehlen eines statistischen Kausalitätsbeweises nicht aus, um einen Fallzahlenmangel als Ursache schlechterer Behandlungsergebnisse zu identifizieren (vgl rechtsähnlich stRspr zur Wirtschaftlichkeitsprüfung im Vertragsarztrecht, zB BSG Urteil vom 9.3.1994 - 6 RKa 16/92 - Juris RdNr 22 = USK 94131; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 34 RdNr 23 mwN). Der Maßstab ist nicht nach einem "Goldstandard" der evidenzbasierten Medizin abzuleiten. Dies widerspräche dem mit § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V verfolgten Zweck der Risikominimierung. Auch der im Verfahren noch maßgebliche § 3 Abs 3 MMV 2003 fordert mit einem "evidenzbasierten Verfahren" nur eine praktisch verfügbare, den dargelegten Maßstäben genügende Evidenz.

39

cc) Der GBA bejahte - ausgehend von der dargelegten Auslegung - rechtmäßig für die Implantationsverfahren nach OPS-Nr 5-822.1**, OPS-Nr 5-822.2**, OPS-Nr 5-822.3**, OPS-Nr 5-822.4**, OPS-Nr 5-822.6**, OPS-Nr 5-822.7** und OPS-Nr 5-822.9** in seinem Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V.

40

aaa) Der GBA durfte die von den Mindestmengenbeschlüssen (21.9.2004 und 16.8.2005) erfassten Versorgungen schon deswegen als planbare Leistungen ansehen, weil es sich bei ihnen durchweg um elektive Leistungen handelt (ebenso 3. BSG-Senat, BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 50; vgl zur Mengenentwicklung die Daten der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH : <2002> 64 198, <2003> 90 004, <2004> 110 349; zur weiterhin deutlich steigenden Tendenz, Knie-TEP zu implantieren, vgl Schnabel/Borelli, DÄ 2011, A 2598). Dies impliziert, dass die bei der Wahl des geeigneten Krankenhauses zu überwindenden räumlichen und zeitlichen Distanzen ohne unzumutbares Risiko für die Patienten zu bewältigen sind, und findet seinen signifikanten Niederschlag in der absoluten Mengenentwicklung.

41

bbb) Der GBA konnte auch rechtmäßig davon ausgehen, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses an der "Beweglichkeit" und der "Infektion" zu messen (dazu 1) und in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist. Denn es besteht - im dargelegten Sinne - eine Studienlage, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses wahrscheinlich macht. Die Ergebnisse des IQWiG-Gutachtens (Entwicklung und Anwendung von Modellen zur Berechnung von Schwellenwerten bei Mindestmengen für Knie-Totalendoprothese, Abschlussbericht vom 5.12.2005; im Folgenden: Abschlussbericht), die auf den von BQS für die Jahre 2003 und 2004 zur Verfügung gestellten Daten über Knie-TEP beruhen, machen einen Zusammenhang zwischen der Erhöhung der Leistungsmenge und der Reduzierung des Risikos der Unbeweglichkeit und der nosokomialen Infektion auch wahrscheinlich. Davon ist der Senat aufgrund der zur Beurteilung vorliegenden wissenschaftlichen Studien und Aussagen überzeugt. Er hat dies als generelle Tatsachen selbst zu bewerten (vgl entsprechend BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 47; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 31 mwN). Er folgt den Erkenntnissen des IQWiG, das in nicht zu beanstandender Weise (dazu 4) sowohl für den Endpunkt "Beweglichkeit" (dazu 2) als auch für den Endpunkt Vermeidung einer "Infektion" (dazu 3) einen "signifikanten" Zusammenhang belegen konnte.

42

(1) Der GBA musste nicht weitere patientenrelevante Endpunkte (insbesondere Mortalität und Reintervention wegen Komplikation; vgl dazu Sonderauswertung des BQS zu Knie-TEP vom 9.8.2004, dort auch zu weiteren Qualitätsindikatoren, S 7) in den dem IQWiG erteilten Begutachtungsauftrag zur Ermittlung von Schwellenwerten einbeziehen. Es genügte, dass der GBA in Abstimmung mit dem IQWiG nur den für den angestrebten Heilerfolg zentralen Qualitätsindikator kombiniert mit einer praktisch relevanten Komplikation als weiteren Qualitätsindikator zugrunde legte. Hierbei durfte er sich vertretbar von der durch das IQWiG vermittelten Erkenntnis leiten lassen, dass eine Beschränkung der Qualitätsindikatoren erforderlich ist, um in überschaubarer Zeit zu Ergebnissen zu gelangen (vgl dessen Tischvorlage zur Sitzung des GBA-Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" am 11.2.2005).

43

(2) Der GBA durfte rechtmäßig davon ausgehen, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses "Beweglichkeit" in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist (ebenso BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 55 f). Als patientenrelevanter Endpunkt steht ganz im Vordergrund die postoperative Beweglichkeit des mit einer Knie-TEP versorgten Beines. Das primäre Ziel der Knie-TEP ist die hinreichende Wiederherstellung der Knie-Beweglichkeit im Sinne der Beseitigung oder zumindest der Senkung der entsprechenden Krankheitslast. Dieses Ziel wird nach den Festlegungen des IQWiG nicht erreicht, wenn das operierte Kniegelenk des Patienten bei Entlassung eine nach der Neutral-Null-Methode gemessene Extension/Flexion von weniger als 0/0/90 aufweist (Abschlussbericht S 13). Es liegt dann keine ausreichende postoperative Beweglichkeit vor ("Unbeweglichkeit"). Die vom IQWiG nach verschiedenen statistischen Verfahren erhobenen Relationen zwischen Menge und Unbeweglichkeit zeigten angesichts nur geringer Unterschiede, dass eine Berechnung auf der Grundlage des vom IQWiG schließlich zugrunde gelegten Modells keinen statistischen Bedenken begegnet. Die Ausgangsdaten des Jahres 2004 erwiesen sich als verlässlich. Der mengenabhängige Verlauf des Risikos Unbeweglichkeit war auch nach den Daten des Jahres 2003 ähnlich. Die ausgewerteten Daten ergaben in der graphischen Darstellung einen abgeflachten U-förmigen Verlauf der Mengen-Risiko-Relation (vgl Abschlussbericht, Abbildung 5, S 28). Der Verlauf spiegelt eine deutliche Reduzierung des Risikos bei zunehmender Fallzahl wider und erreicht ungefähr ab einer jährlichen Fallzahl von 300 Knie-TEP die besten Risikowerte. Überzeugend erblickte das IQWiG darin einen "signifikanten Zusammenhang" zwischen der Fallzahl und dem Risiko Unbeweglichkeit (Abschlussbericht S 44 f).

44

(3) Der GBA durfte ebenfalls rechtmäßig davon ausgehen, dass die Qualität des Behandlungs-ergebnisses "Infektion" in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist (vgl auch BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 55 f). Dies zeigen überzeugend die Ergebnisse des IQWiG-Gutachtens zum patientenrelevanten Endpunkt "Infektion" (Abschlussbericht S 13: postoperative Wundinfektion nach den Definitionen der Centers for Disease Control and Prevention ; vgl auch Robert-Koch-Institut - Definitionen nosokomialer Infektionen, 7. Aufl 2011, http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/ Nosokomiale_Infektionen/nosokomiale_infektionen_node.html, abgerufen am 18.9.2014; Abschlussbericht S 44 f). Nach den Berechnungen des IQWiG verringert sich das Risiko mit zunehmender Menge fortlaufend (Abschlussbericht S 45: "sehr flache, mit steigender Fallzahl sehr langsam fallende Risikokurve"). Es erreicht bei jährlich 116 Knie-TEP den Wert von 1 % Wundinfektionen bezogen auf alle Knie-TEP (vgl Abschlussbericht S 12 und S 40 Abbildung 12).

45

(4) Der Senat sieht keine Gründe, die gegen die Verwertbarkeit des Abschlussberichts des IQWiG sprechen. Denn das IQWiG ist als fachlich unabhängiges, rechtsfähiges wissenschaftliches Institut, dessen Träger der Beklagte ist (§ 139a Abs 1 S 1 SGB V), nach § 139a Abs 3 Nr 1 SGB V von Gesetzes wegen ausdrücklich zur Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei ausgewählten Krankheiten berufen. Es stellt ein Expertengremium dar, das in seiner persönlichen und fachlichen Integrität und Qualität durch Transparenz und Unabhängigkeit gesetzlich und institutionell abgesichert ist (vgl zum Ganzen BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 76 ff; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 74 ff). Es gibt keine Hinweise darauf, dass dem IQWiG bei der Auswertung der BQS-Daten Fehler unterlaufen sein könnten. Die Auswertung selbst ist sorgfältig. Die darauf gestützten Folgerungen sind in ihren vorsichtig formulierten Aussagen wohlabgewogen. Insbesondere stehen sie auch nicht im Widerspruch zu den Ergebnissen der vom GBA als valide angesehenen wissenschaftlichen Studien, die mit die Grundlage für die Aufnahme der Knie-TEP in den Mindestmengenkatalog bildeten (GBA-Beschluss vom 21.9.2004).

46

f) Der Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 ist auch im Übrigen rechtmäßig. Der GBA überschritt nicht den ihm eingeräumten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, indem er vertretbar eine jährliche Mindestmenge von 50 Knie-TEP pro Krankenhaus (Betriebsstätte) festsetzte (zur Übergangsregelung näher 7.). Diese festgesetzte Mindestmenge ist regelmäßig geeignet, die Behandlungskontinuität als eine (Mindest-)Voraussetzung für ein gutes Behandlungsergebnis zu gewährleisten (dazu aa). Dem steht nicht entgegen, dass sich weder aus den vorhandenen Studien noch aus den aufgrund der BQS-Daten durchgeführten Berechnungen des IQWiG explizite Schwellenwerte für Mindestmengen abzuleiten sind (dazu bb).

47

aa) Eine Ergebnisverbesserung ist durch die Festsetzung der Mindestmenge 50 wahrscheinlich. Nach dem Ergebnis der Beweiserhebung (zur Befugnis des Revisionsgerichts, generelle Tatsachen festzustellen, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 31 mwN)besteht bei Knie-TEP der medizinische Erfahrungssatz, dass eine mit dieser Mindestmenge bewirkte betriebsstättenbezogene Behandlungskontinuität erforderlich ist, um die Behandlungsroutine als eingeübten äußeren Behandlungsablauf zu gewährleisten, in dem sich Wissen, Erfahrung und operationstechnische sowie pflegerische Spezialisierung verkörpern. Bloße Gelegenheitsoperationen oder der Verlust der Behandlungsroutine tragen die Gefahr in sich, dass Krankenhäuser hierdurch die erzielbare Quote guter Behandlungsergebnisse nicht mehr erreichen. Der erkennende Senat stützt sich hierfür auf die von ihm beim GBA eingeholte, medizinisch begründete Stellungnahme (15.7.2014).

48

Die vom GBA festgesetzte Fallzahl ist geeignet, eine Mindest-Behandlungsroutine zu gewährleisten. Eine jährliche Fallzahl von 50 Knie-TEP stellt grundsätzlich sicher, dass durchschnittlich nahezu jede Woche eine Knie-TEP-Operation erfolgt. Dies trägt maßgeblich dazu bei, dem Behandlungsteam eine hinreichende Behandlungsroutine zu erhalten. Ausgehend von einer mittleren Verweildauer von 18,9 Tagen (DRG I43Z) bzw 16,6 Tagen (DRG I44Z) nach dem 2005 geltenden Fallpauschalen-Katalog (zum Vergleich entsprechende DRGs für das Jahr 2014: 15,9 Tage mittlere Verweildauer für DRG I44A und 11,4 Tage mittlere Verweildauer für DRG I44B) gewährleistet die Mindestmenge auch eine kontinuierliche Befassung mit der Behandlung in der prä- und postoperativen Phase. Unter Berücksichtigung des elektiven Charakters von Knie-TEP lässt dies die berechtigte Erwartung zu, dass bei 50 Behandlungsfällen im Jahr diese sich in der Abteilung (Behandlungseinheit) überlappen und hierdurch eine fortwährende Befassung des ärztlichen und nichtärztlichen Personals mit prä- und postoperativen Phasen der Knie-TEP-Therapie gewährleistet ist. Wesentlich ist für die Bewertung der Umstand, dass - in Einklang mit dem aufgezeigten Erfahrungssatz - unter neun Knie-TEP-Patienten in einem Low-Volume-Krankenhaus (weniger als 50 Knie-TEP-Fälle jährlich) im Vergleich zu den anderen High-Volume-Krankenhäusern (jährlich 50 und mehr Knie-TEP-Fälle) ein Fall mit nicht ausreichender Beweglichkeit mehr zu erwarten ist als in einem High-Volume-Krankenhaus (Abschlussbericht S 32).

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Der Eignung einer Mindestmenge von 50 Behandlungsfällen im Jahr steht unter dem Gesichtspunkt der Begrenzung des Risikos aufgrund fehlender Behandlungsroutine nicht entgegen, dass nach dem Bericht des IQWiG bei dem Vergleich der Gruppe der Low-Volume-Krankenhäuser gegenüber der so definierten Gruppe der (Ultra-)High-Volume-Krankenhäuser (mehr als 600 Behandlungsfälle) erstere besser abschneidet. Unter sechs Knie-TEP-Patienten ist zwar in (Ultra-)High-Volume-Krankenhäusern ein Fall mit nicht ausreichender Beweglichkeit mehr zu erwarten als in Low-Volume-Krankenhäusern (Abschlussbericht S 33). Es gibt aber keinen medizinischen Erfahrungssatz, dass - bei ausreichender personeller und sächlicher Ausstattung - eine Behandlungseinheit allein durch die Zahl der Behandlungsfälle "übertrainiert" sein und an Behandlungsroutine wieder verlieren könnte. Die Qualitätsverschlechterung muss vielmehr auf anderen Umstände beruhen, die die durch höhere Fallzahlen bedingte Qualität des Behandlungsergebnisses konterkarieren. Es bedarf anderer Qualitätssicherungsmaßnahmen, um dem entgegenzuwirken.

50

g) Unerheblich ist, dass der GBA die Mindestmengenregelung für Knie-TEP im Jahr 2011 befristet mit der Maßgabe außer Vollzug setzte (Beschluss vom 15.9.2011, BAnz 2011 Nr 157, S 3637), dass er nach Entscheidung des BSG über das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg (vom 17.8.2011 - L 7 KA 77/08 KL - nachfolgend BSG Urteil vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1) erneut entscheiden wird, ob und in welcher Höhe eine Mindestmenge festgelegt bleibt, und dass er eine diesen Beschluss ändernde Entscheidung bislang nicht getroffen hat. Die Außervollzugsetzung wirkt nur für künftige, nicht aber für in der Vergangenheit liegende Abrechnungssachverhalte.

51

6. Die Klägerin war 2006 gemäß § 137 Abs 1 S 4 SGB V nicht berechtigt, Knie-TEP-Leistungen im Sinne der Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 zu erbringen. Denn die Klägerin erreichte im Jahr 2006 voraussichtlich nicht die Mindestmenge von 50 Knie-TEP. Sie durfte die Versicherte deswegen nicht mit einer entsprechenden Knie-TEP versorgen. Ein Vergütungsanspruch konnte nicht entstehen.

52

Maßgeblich dafür, ob ein Krankenhaus weiterhin mindestmengenrelevante Leistungen erbringen darf, ist die Prognose, dass das Krankenhaus die Qualifikationsanforderung in Gestalt der bislang erreichten Mindestmenge voraussichtlich auch im kommenden Kalenderjahr nicht unterschreiten wird. Die Prognose setzt - vorbehaltlich der speziellen Übergangsregelung in Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 iVm § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V(näher dazu 7.) und der allgemeinen Ausnahmetatbestände in Anlage 2 MMV 2005 iVm § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V - grundsätzlich voraus, dass das Krankenhaus im zuvor abgelaufenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge erreicht hat. Nur dann kann die von § 137 Abs 1 S 4 SGB V geforderte Prognose positiv ausfallen. Dies folgt aus Entstehungsgeschichte (dazu b), Regelungssystematik und -zweck (dazu c). Der Wortlaut der Regelung steht nicht entgegen (dazu a). Danach war hier die Prognose für die Klägerin zwingend negativ (dazu d). Eine gleichwertige Maßnahme zur Sicherung der Ergebnisqualität bei Knie-TEP, die an die Stelle der Mindestmenge hätte treten können, stand nicht zur Verfügung (dazu e). Der Ausschluss der Klägerin von der Leistungserbringung ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar (dazu f).

53

a) Der Wortlaut des § 137 Abs 1 S 4 SGB V lässt eine Auslegung zu, wonach das Krankenhaus im jeweils bei Jahresbeginn zuvor abgelaufenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge erreicht haben muss. Er bestimmt: "Wenn die nach Satz 3 Nr. 3 erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht wird, dürfen ab dem Jahr 2004 entsprechende Leistungen nicht erbracht werden." Der Wortlaut lässt offen, unter welchen Voraussetzungen die Prognose gerechtfertigt sein soll, dass die erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht wird.

54

b) Schon die Entstehungsgeschichte der Norm legt nahe, die Erfüllung der Mindestmenge im laufenden Jahr als notwendige Voraussetzung für eine positive Prognoseprüfung im nachfolgenden Jahr zu sehen. § 137 Abs 1 S 4 SGB V wurde durch Art 1 Nr 5 Buchst c FPG vom 23.4.2002 (BGBl I 1412) in die Vorschrift eingefügt und geht auf die Empfehlung des Ausschusses für Gesundheit zurück (BT-Drucks 14/7824 S 7). Er begründete die von ihm vorgeschlagene Regelung damit, dass "Krankenhäuser bei Unterschreitung der Mindestmengen für planbare Leistungen, die nach Satz 3 Nr. 3 aus Gründen der Qualitätssicherung zu vereinbaren sind, die Leistungen nicht mehr erbringen dürfen. Dabei ist im Rahmen der Erlösbudgetverhandlungen die voraussichtlich erreichbare Zahl der Leistungen maßgeblich" (BT-Drucks 14/7862 S 5). Ähnlich formuliert die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zum GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378), durch dessen Art 1 Nr 110 der bisherige Abs 1 S 4 zum Abs 3 S 2 des § 137 Abs 1 SGB V wurde: "Darüber hinaus wird nach Satz 2 klargestellt, dass bei Unterschreitung der Mindestmengenvorgaben die Leistungen nicht erbracht werden dürfen"(BT-Drucks 16/3100 S 147). Die Unterschreitung einer Grenze impliziert, dass eine bestimmte quantifizierbare Vorgabe zunächst erreicht ist und zukünftig unterschritten, also nicht wieder erreicht wird.

55

c) Der Regelungszweck bestätigt die Auslegung, dass das Krankenhaus im jeweils bei Jahresbeginn abgelaufenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge erreicht haben muss. Regelungszweck und -anlass für die Einführung von Mindestmengen war, dass es teilweise an einer ausreichenden Menge zu erbringender Leistungen für die betroffenen Behandler fehlt (absolute oder relative Seltenheit, vgl oben II. 5. e bb), um eine Routine und Erfahrung zu erlangen und aufrechtzuerhalten, die zu dem rechtlich geforderten Standard der Ergebnisqualität führt. Nur der Umstand, dass zu geringe Fallzahlen keine qualitativ hinreichende Behandlungspraxis für bestimmte Leistungen in allen Krankenhäusern gewährleisten, die nach ihrer personellen und sächlichen Ausstattung zur Leistungserbringung grundsätzlich in der Lage sind, rechtfertigt die Festsetzung von Mindestmengen. Denn gäbe es hinsichtlich sämtlicher planbarer Leistungen jeweils ausreichende Fallmengen, könnten Mindestmengen keine Anhebung der Ergebnisqualität erreichen. Die Regelung soll in ihrem Kern im Interesse gebotener Ergebnisqualität einen Fallzahlenmangel steuern (vgl zum Ganzen BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 36). Die Steuerungsvorgabe von Mindestmengen zum Zweck der Qualitätssicherung bedingt, dass betroffene Krankenhäuser grundsätzlich die gebotene Untergrenze nicht unterschritten haben. Hierbei ging der Gesetzgeber selbstverständlich davon aus, dass seine Regelungen nicht auf eine erst noch entstehende stationäre Versorgungsstruktur einwirken werden, sondern auf eine voll ausgebildete, die es zu verändern gilt, indem betroffene Behandler mit dem Angebot von Leistungen, bei denen sie die mengenmäßig definierten Qualitätsanforderungen nicht erfüllen, aus dem Markt ausscheiden müssen. Umgekehrt soll eine Umverteilung zugunsten derjenigen Behandler erfolgen, die diese Voraussetzungen schon bislang erfüllten und prognostisch weiterhin erfüllen werden.

56

Das gesetzgeberische Konzept zielt darauf ab, im Interesse des Patientenschutzes (vgl nur Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BT-Drucks 14/6893 S 30 f, dort zu § 137 Abs 1 SGB V) dort einen Status quo der Krankenhausversorgungsstruktur abzusichern, wo er die mengenabhängigen Qualitätsanforde-rungen erfüllt. Dem entspricht es, dass die individuelle Prüfung des jeweiligen Krankenhauses die Prognose für das jeweils zukünftige Jahr die Annahme rechtfertigen muss, es werde aufgrund der berechtigten mengenmäßigen Erwartungen weiterhin die Gewähr für eine gute Ergebnisqualität bieten.

57

Das Regelungssystem spricht ebenfalls für das gefundene Auslegungsergebnis. Der Gesetzgeber sah in Ergänzung zu den Regelungen über die Sicherung eines bestehenden Qualitätsniveaus zwei Wege vor, wie Krankenhäuser, die aktuell eine Mindestmenge nicht erfüllen, gleichwohl eine Chance erhalten, die Qualitätsanforderung der Mindestmenge innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zu erreichen: Er ließ zum einen die Regelung des FPG § 137 Abs 1 SGB V mWv 30.4.2002 in Kraft treten, ordnete aber erst für das Jahr 2004 an, dass bei negativer Prognose eine weitere Leistungserbringung ausgeschlossen sei. So sollten Krankenhäuser bei frühzeitig vereinbarten Mindestmengen Zeit erhalten, die Mindestmenge zu erreichen. Daneben wies der Gesetzgeber des FPG ausdrücklich in § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V den in S 1 genannten Vertragsparteien(und später der Gesetzgeber des GMG dem GBA ab 1.1.2004) die Kompetenz zu, Ausnahmetatbestände im Sinne der Abweichung von der Mindestmenge zu schaffen. Hierbei hatte der FPG-Gesetzgeber insbesondere Fallgestaltungen vor Augen wie zB den Wechsel des behandelnden Arztes oder den Aufbau eines Leistungsbereiches durch einen bereits erfahrenen Arzt (vgl Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 14/7862 S 5). Diese Regelungen gründen auf dem Vorverständnis, dass grundsätzlich für eine Prognose die Mindestmenge jeweils bereits erreicht sein muss.

58

Von diesem Gesetzesverständnis geht zutreffend auch Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 aus. Denn deren spezielle Übergangsregelung, die für das Hinausschieben der Prognose auf das Jahr 2007 (2006 als Karenzzeit) ua voraussetzt, dass das Krankenhaus im Jahr 2005 mindestens zwischen 40 und 49 Knie-TEP-Versorgungen durchführte, legt inzident zugrunde, dass Krankenhäuser mit noch geringerem Leistungsvolumen von vornherein keine Möglichkeit zur weiteren Leistungserbringung erhalten sollen. Ansonsten hätte die Übergangsregelung allein auf die weiteren Qualitätsanforderungen (vgl zu deren Inhalt 7.) abstellen können.

59

d) Nach diesen Maßstäben musste hier die Prognose (§ 137 Abs 1 S 4 SGB V)zwingend negativ mit der Rechtsfolge ausfallen, dass die Klägerin im Jahr 2006 nicht mehr zur Erbringung von Knie-TEP-Leistungen berechtigt und zu deren Abrechnung befugt war. Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) führte die Klägerin in ihrem Krankenhaus, das auch in den zurückliegenden Jahren Knie-TEP-Leistungen erbracht hatte, im Jahr 2005 nur 35 Knie-TEP-Versorgungen durch. Damit unterschritt die Klägerin die Mindestmenge und erreichte kein hinreichendes Qualitätsniveau, dessen weitere Aufrechterhaltung prognostisch hätte in Betracht kommen können.

60

e) Andere Qualitätssicherungsmaßnahmen sind nicht geeignet, den mit der Knie-TEP-Mindestmenge verfolgten Zweck in gleicher Weise zu erreichen. Der erkennende Senat geht bei seinem Verständnis der Mindestmengenregelung von einem Verhältnis der Spezialität zu anderen Maßnahmen der Qualitätssicherung aus. Er sieht in § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V ein eigenständiges, spezifisches Steuerungsinstrument. Dieses Instrument ist für Fälle konzipiert, in denen höhere Fallzahlen höhere Qualität herbeiführen. Bedarf es zwingend der Gewährleistung eines Mindestmaßes an Behandlungsroutine, um eine angestrebte Ergebnisqualität zu sichern oder sich dieser zumindest anzunähern, kann das durch die Mindestmenge ermöglichte Plus an Ergebnisqualität nicht durch andere Qualitätssicherungsmaßnahmen substituiert werden. Nur dort, wo die konkreten Auswirkungen unterschiedlicher Maßnahmen der Qualitätssicherung gleich sind, kommt es zu einem echten Konkurrenzverhältnis. Dies ist aber schon denklogisch ausgeschlossen, wenn die Mindestmenge ihren rechtfertigenden Grund gerade in ihrem exklusiven Wirkbeitrag zur Erreichung einer bestimmten Ergebnisqualität hat.

61

Der Tatbestand des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V erfordert diese Exklusivität, wie dargelegt. Ist eine spezifische Behandlungsroutine oberhalb des Facharztstandards nicht erforderlich (vgl oben), fehlt es bereits an einer zentralen tatbestandlichen Voraussetzung zur Festlegung einer Mindestmenge. Ist hingegen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistung abhängig, folgt daraus zwingend, dass der GBA die Qualitätssicherungsmaßnahme Mindestmenge nicht durch eine andere Qualitätssicherungsmaßnahme substituieren kann. Im Ergebnis nichts anderes gilt nach Auffassung des 3. BSG-Senats. Danach lässt das immer stärker ausdifferenzierte Nebeneinander unterschiedlicher Ansätze zur Qualitätssicherung nur den Schluss zu, dass die Steuerung der Leistungsmengen Anlässen vorbehalten bleiben soll, bei den sie Vorteile gegenüber anderen Instrumenten der Qualitätssicherung versprechen (BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 39, vgl auch RdNr 42). Eben dies ist dann gegeben, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V - wie hier - erfüllt sind.

62

f) Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 iVm § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 und S 4 SGB V verletzt die Klägerin als Grundrechtsträgerin(Art 19 Abs 3 GG) nicht dadurch in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG), dass sie ab 2006 nicht mehr berechtigt war, Patienten mit Knie-TEP zu versorgen. Die Regelung greift zwar in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin ein, ist jedoch durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt (vgl dazu BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 54 f mwN). Die Abwägung der Bedeutung der Interessen der Krankenhäuser, uneingeschränkt Knie-TEP-Leistungen zu erbringen, mit dem Interesse an einer besseren Versorgungsqualität für Patienten ergibt einen Vorrang der Qualitätssicherung zugunsten der hiervon betroffenen Individual- und Gemeinwohlbelange. Patientenschutz hat hier Vorrang vor Erwerbsschutz.

63

7. Die Klägerin war auch nach der grundsätzlichen Entscheidung im Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005, eine Übergangsregelung einzuführen, und nach deren Konkretisierung im Mindestmengenbeschluss vom 20.9.2005 (dazu a) nicht zur Leistungserbringung gegenüber der Versicherten berechtigt (dazu b).

64

a) Krankenhäuser, die im Jahr 2005 zwischen 40 und 49 Knie-TEP erbrachten und im Bundesverfahren der externen stationären Qualitätssicherung des Jahres 2004 weitere Kriterien guter Qualität erfüllten, erhielten eine "Karenzzeit" von einem Jahr (vgl Anlage 1 Nr 6, Übergangsregelung für das Jahr 2006 MMV 2005). Die Beurteilung der Kriterien guter Qualität im Sinne der Übergangsregelung erfolgt auf der Basis der Daten der externen stationären Qualitätssicherung bei der BQS für das Verfahrensjahr 2004 im Leistungsbereich Knie-TEP-Erstimplantation zu fünf ausgewählten Qualitätsindikatoren (1: Indikation; 2: Letalität; 3: Postoperative Beweglichkeit; 4: Risikoadjustierte postoperative Wundinfektion; 5: Neu aufgetretene Dekubitalulzera ; näher dazu Anlage 1 Nr 6, Übergangsregelung für das Jahr 2006, Nr 2 bis 4 MMV 2005).

65

Krankenhäuser, die diese auf einen Vorschlag der Deutschen Krankenhausgesellschaft zurückgehenden Voraussetzungen erfüllten, mussten erst am Ende des Jahres 2006 die Prognose rechtfertigen, dass sie 2007 die Mindestmenge von 50 Knie-TEP erreichen würden (vgl auch Protokoll der 10. Sitzung des GBA vom 16.8.2005). Auf Krankenhäuser mit weniger als 40 Knie-TEP im Jahr 2005 und Krankenhäuser mit 40 bis 49 Knie-TEP im Jahr 2005 bei Nichterfüllung der sonstigen Qualitätsanforderungen fand § 137 Abs 1 S 4 SGB V iVm Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 ohne spezielle Übergangsregelung unmittelbar Anwendung mit der Folge, dass ihnen die Leistungserbringung ab dem Jahr 2006 untersagt war.

66

Der GBA durfte aufgrund der aufgezeigten gesetzlichen Ermächtigung, Mindestmengen festzulegen, als Annex hierzu auch Übergangsregelungen einführen, die den Anforderungen des Patientenschutzes und einer funktionsadäquaten Anpassung der Versorgungsstruktur genügen. Die eng begrenze Funktion der speziellen Übergangsregelung in Anlage 1 Nr 6 MMV 2005 steht in Einklang mit Regelungssystematik und Regelungszweck der Grundregelung (s oben 6. c), ausnahmslos alle Krankenhäuser ohne Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte von der Leistungserbringung schon dann auszuschließen, wenn sie im Jahr 2005 weder die Mindestmenge von 50 Knie-TEP erreichten noch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Übergangsregelung erfüllten.

67

b) Das LSG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Klägerin 2004 die Qualitätssicherungsvoraussetzungen erfüllte. Das LSG hat aber Feststellungen zu Knie-TEP-Fallzahl im Krankenhaus der Klägerin für das Jahr 2005 getroffen. Nach seinen nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) erreichte das Krankenhaus der Klägerin nur eine Fallzahl von 35 Knie-TEP-Operationen. Es erfüllte damit jedenfalls eine der kumulativ erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendbarkeit der Übergangsregelung nicht.

68

8. Der erkennende 1. Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des 3. BSG-Senats ab (BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 64 ff). Das vom erkennenden 1. Senat gefundene Ergebnis beruht nicht auf der Anwendung eines Rechtssatzes, der von einem im vorgenannten Urteil aufgestellten Rechtssatz abweicht (§ 41 Abs 2 SGG), sondern auf der Berücksichtigung neuerer Erkenntnisse in Gestalt medizinischer Erfahrungssätze im Range genereller Tatsachen, die auf der Sachverhaltsermittlung des erkennenden Senats beruhen. Hiernach (vgl 5. f) steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass eine jährliche Mindestmenge von 50 Knie-TEP geeignet und erforderlich ist, um bei dem hiermit zu befassenden Behandlungsteam eine hinreichende Behandlungsroutine zu gewährleisten. Dementsprechend ist es auch erforderlich, die Mindestmenge auf die Betriebsstätte und nicht auf den einzelnen Arzt zu beziehen. Diese Erkenntnisse tragen auch dem Aufklärungs- und Abwägungsbedarf Rechnung, den der 3. BSG-Senat formuliert hat hinsichtlich einer nachvollziehbaren Begründung der konkreten Mindestmenge, der Auswirkungen auf die Versorgungssituation, der Auswahl der Qualitätsparameter, der Schaffung weiterer Ausnahmetatbestände und der Einrichtungs- oder Arztbezogenheit der Mindestmenge.

69

9. Sollten die vom LSG noch zu treffenden Feststellungen ergeben, dass die Klägerin der Versicherten keine TEP, sondern eine Endoprothese am Kniegelenk als zementierte unikondyläre Schlittenprothese implantierte (OPS-Nr 5-822.01), ist zwar ein Vergütungsanspruch nicht wegen Unterschreitung der gebotenen Mindestmenge für Knie-TEP ausgeschlossen. Ein Anspruch auf Vergütung dieser Versorgung der Versicherten setzt indes voraus, dass das Plankrankenhaus der Klägerin die Leistung innerhalb seines Versorgungsauftrags erbrachte. Hierzu fehlt es an näheren Feststellungen des LSG. Der Inhalt des Feststellungsbescheids nach § 8 Abs 1 S 3 KHG steht nicht fest.

70

Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs 1 SGB V), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation (§ 39 Abs 1 S 3 SGB V idF durch Art 5 Nr 11 SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Der Versorgungsauftrag des Krankenhauses ergibt sich bei einem Plankrankenhaus aus den Festlegungen des Krankenhausplans in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung nach § 6 Abs 1 iVm § 8 Abs 1 S 3 KHG sowie einer ergänzenden Vereinbarung nach § 109 Abs 1 S 4 SGB V(§ 8 Abs 1 S 4 Nr 1 KHEntgG). Der jährlich fortzuschreibende Krankenhausplan enthält in Niedersachsen die für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung erforderlichen Krankenhäuser, gegliedert ua nach den Fachrichtungen (Gebieten), Planbetten und Funktionseinheiten (§ 3 Abs 3 und 5 idF der Bekanntmachung der Neufassung des Niedersächsischen Gesetzes zum Bundesgesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - NdsKHG - vom 12.11.1986, GVBl 343). Er wird vom Sozialminister aufgestellt, vom Landesministerium beschlossen und ist im Niedersächsischen Ministerialblatt zu veröffentlichen (§ 3 Abs 1 S 1 und 3 NdsKHG). Der Niedersächsische Krankenhausplan 2006 (Stand 1.1.2006, 21. Fortsetzung; im Folgenden: Krankenhausplan 2006) gliedert die Versorgungsgebiete ua - soweit hier von Interesse - nach Fachrichtungen Chirurgie und Orthopädie. Besonders ausgewiesen sind die Herzchirurgie, die Kinderchirurgie, die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, die Neurochirurgie und die Plastische Chirurgie.

71

Das LSG hat den der Klägerin erteilten Versorgungsauftrag nicht genau festgestellt. Es hat den gegenüber der Klägerin ergangenen Feststellungsbescheid nach § 8 Abs 1 S 3 KHG weder beigezogen noch selbst ausgelegt, sondern sich mit dem Vorbringen der Klägerin hierzu begnügt. Das LSG wird den einschlägigen Feststellungsbescheid beizuziehen und eigenständig auszulegen haben.

72

Insoweit weist der Senat darauf hin, dass für den Fall einer Regelung im Feststellungsbescheid, wonach der Versorgungsauftrag des Krankenhauses der Klägerin die "Chirurgie" als Fachrichtung umfasst, keine bundesrechtlichen Bedenken gegen die Annahme des LSG bestehen, dass die Chirurgie auch die Unfallchirurgie einbezieht. Denn letztere weist der Krankenhausplan 2006 nicht als eigene Fachrichtung aus. Keinen bundesrechtlichen Bedenken begegnet auch die Auffassung des LSG, dass die Fachrichtungen im Krankenhausplan 2006 nach den Vorgaben der landesrechtlichen ärztlichen Weiterbildungsordnung auszulegen sind und von der Weiterbildungsordnung für Unfallchirurgen erfasste Operationen auch zum Versorgungsauftrag der Krankenhäuser mit der Fachrichtung "Chirurgie" gehören.

73

10. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1 und Abs 3 S 1, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 und Abs 2 S 1 GKG. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für alle Rechtszüge wird auf 2 500 000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenhausträgerin und der beklagte Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) streiten über die Erhöhung der Mindestmenge jährlich in Perinatalzentren der obersten Kategorie zu behandelnder sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener von 14 auf 30 ab 1.1.2011.

2

Der Gesetzgeber übertrug 2004 dem Beklagten die Kompetenz, für zugelassene Krankenhäuser einen Katalog planbarer Leistungen zu beschließen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände (§ 137 SGB V idF durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190; geändert durch Art 1 Nr 110 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007, BGBl I 378; zuvor abweichende Zuständigkeit, vgl § 137 SGB V idF durch Art 1 Nr 5 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23.4.2002, BGBl I 1412 mit Wirkung vom 30.4.2002). Die Spitzenverbände der Krankenkassen (KKn) beantragten deshalb (7.5.2004), eine Mindestmenge von 40 Geburten für die Behandlung von Neugeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht festzusetzen (<1500 g; very-low-birth-weight infants, im Folgenden: VLBW-Geburten). Sehr geringgewichtige Früh- und Neugeborene sind besonders gefährdet und bedürfen intensiver Behandlung, um gesund zu überleben. Der Beklagte nahm sehr geringgewichtige Früh- und Neugeborene zunächst nicht in die Mindestmengenvereinbarung (MMV) auf (vgl ua MMV vom 20.12.2005, geändert mit Beschluss vom 21.3.2006, BAnz Nr 143 S 5389 vom 2.8.2006; seit 1.1.2012: "Regelungen des" GBA "gemäß § 137 Abs 3 Satz 1 N 2 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser", Beschluss vom 24.11.2011, BAnz Nr 192 vom 21.12.2011 S 4509). Er beschloss lediglich die "Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen" ( vom 20.9.2005, BAnz Nr 143 vom 28.10.2005 S 15684). Sie regelt ua ein vierstufiges Versorgungskonzept. Danach versorgen Perinatalzentren der obersten Kategorie - Level 1 - Früh- und Neugeborene mit einem Gewicht <1250 g und/oder <29+0 Schwangerschaftswoche (SSW; im Folgenden: Level-1-Geburten), Perinatalzentren Level 2 Frühgeborene mit einem Gewicht von 1250 - 1499 g und/oder 29+0 bis 32+0 SSW (im Folgenden: Level-2-Geburten), Perinatale Schwerpunkte Kinder mit einem Geburtsgewicht von mindestens 1500 g bei absehbarer postnataler Therapie und Geburtskliniken reife Neugeborene ohne bestehendes Risiko. Das hiermit beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kam in einem Literaturevidenzbericht zum Ergebnis, es gebe Hinweise auf einen statistischen Zusammenhang, der sich bei steigender Leistungsmenge als Trend zur Risikoreduktion darstelle (14.8.2008). Der Beklagte legte daraufhin fest, dass bei Perinatalzentren Level 1 das Zeitintervall zwischen den Aufnahmen von Level-1-Geburten in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich weniger als 30 Tage zu betragen habe (Änderung der NICU-Vereinbarung, Beschluss vom 18.12.2008, BAnz Nr 65 vom 30.4.2009 S 1574). Der Beklagte ersetzte ab 1.1.2010 die Zeitintervallregelung durch eine Mindestmengenregelung (Änderung der NICU-Vereinbarung und der MMV, Beschluss vom 20.8.2009, BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450). Er bestimmte für Perinatalzentren Level 1 und 2 jeweils Mindestmengen von 14 Geburten. Der Beklagte erhöhte mit Wirkung zum 1.1.2011 die Mindestmenge der Level-1-Geburten auf 30 und hob die Mindestmengenregelung für Perinatalzentren Level 2 ersatzlos auf (hier in seinem ersten Teil streitiger, insoweit vorläufig außer Vollzug gesetzter Beschluss vom 17.6.2010, BAnz Nr 123 vom 18.8.2010 S 2840).

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Das nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhaus der Klägerin verfügt über eine neonatologische Intensivstation. Dort behandelt es Level-1-Geburten (2006: 8; 2007: 14; 2008: 13; 2009: 16; 2010: 16; 2011: 12; bis einschließlich 11/2012: 19). Das LSG hat auf die unmittelbar gegen die Erhöhung der Mindestmenge auf 30 Level-1-Geburten gerichtete Klage festgestellt, diese Regelung sei nichtig: Es gebe keine durch kontrollierte Studien gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses in Form der Reduzierung der Mortalität in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen von Level-1-Geburten abhänge. Eine besondere Kausalität könne dem IQWiG-Bericht nicht entnommen werden. Er beschreibe lediglich eine statistische Assoziation zwischen Ergebnisqualität und Menge (Urteil vom 21.12.2011).

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Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung des Art 19 Abs 4 GG, des § 55 SGG und des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Die Klage sei schon unzulässig, weil anderweitiger Rechtsschutz im Rahmen von Entscheidungen nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und nach § 109 Abs 1 S 5 SGB V zumutbar sei. Die Klage sei auch unbegründet. Die angegriffene Mindestmengenregelung sei als Maßnahme der vorsorglichen Risikominimierung durch § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V gedeckt.

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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Dezember 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Dezember 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des beklagten GBA ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Der erkennende, für Angelegenheiten der Krankenversicherung zuständige Senat ist zur Entscheidung in der Sache berufen, die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt (dazu 1.). Das LSG hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Erhöhung der Mindestmenge für Perinatalzentren der obersten Kategorie (Level 1) mit Wirkung vom 1.1.2011 von 14 auf 30 Fälle pro Jahr und Einrichtung nichtig ist (dazu 2. - 7.).

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1. a) Der erkennende 1. Senat des BSG ist geschäftsplanmäßig zuständig, den Rechtsstreit zu entscheiden. Die Sache betrifft eine Angelegenheit der Sozialversicherung (§ 10 Abs 1, § 12 Abs 2 S 1, § 31 Abs 1 S 1, § 40 S 1 SGG), nämlich der Krankenversicherung, und nicht eine solche des Vertragsarztrechts (§ 10 Abs 2, § 12 Abs 2, § 31 Abs 2, § 40 S 2 SGG). Entgegen der Auffassung des LSG erfasst § 10 Abs 1 SGG auch Klagen, die sich unmittelbar gegen Entscheidungen des Beklagten richten, wenn sie die Regelung von Mindestmengen nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V betreffen. Der Gesetzgeber hat die hier einschlägige Gruppe der Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien (RL) des GBA lediglich in den Ausnahmefällen dem Vertragsarztrecht zugeordnet, in denen diese ausschließlich die vertragsärztliche Versorgung betreffen, nicht aber zumindest auch die stationäre Versorgung (vgl § 10 Abs 2 S 2 Nr 1 SGG idF durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011, BGBl I 3057, und hierzu BT-Drucks 17/6764 S 26, entsprechend der bereits zuvor vertretenen Rechtsauffassung des erkennenden 1. und des 3. Senats, BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 9 f, abweichend von der damaligen Rechtsauffassung des 6. Senats, vgl BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 19 ff; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 15 ff; zur inzwischen übereinstimmenden Auslegung vgl zusammenfassender Standpunkt des 1., 3. und 6. Senats des BSG zu § 10 Abs 2 SGG unter B.II.1. Buchst b Nr 3, abgedruckt in SGb 2012, 495 ff).

10

b) Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die unmittelbar gegen die Erhöhung der Mindestmenge (Beschluss des Beklagten vom 17.6.2010, BAnz Nr 123 vom 18.8.2010 S 2840) erhobene Normenfeststellungsklage ist statthaft (dazu aa) und auch im Übrigen zulässig (dazu bb).

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aa) Die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 GG gebietet es, die Feststellungsklage gegen untergesetzliche Rechtsnormen als statthaft zuzulassen, wenn die Normbetroffenen ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können, etwa weil ihnen nicht zuzumuten ist, Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen Norm abzuwarten oder die Wirkung der Norm ohne anfechtbare Vollzugsakte eintritt (stRspr zur Überprüfung von Rechtsnormen des Beklagten und des Bundesausschusses der Ärzte und KKn: vgl BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 14; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 22; BVerfGE 115, 81, 92 f und S 95 f = SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 42 und 49 ff; vgl dazu BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr 13, RdNr 20 f).

12

Die Mindestmengenbestimmungen des Beklagten sind untergesetzliche Rechtsnormen im genannten Sinne. Der Beklagte regelt hierdurch nach abstrakt-generellem Maßstab, welche zugelassenen Krankenhäuser gegenüber den KKn welche planbaren Leistungen erbringen dürfen. Denn der Beklagte bestimmt für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände(§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V).

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Die Regelungen über die planbaren Leistungen und die ihnen zugeordneten Mindestmengen sind auch außenwirksam. Sie ergehen als Beschluss (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V idF durch Art 3 Nr 7a Buchst b Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 - Krankenhausfinanzierungsreformgesetz - vom 17.3.2009, BGBl I 534). Die Beschlüsse des Beklagten sind für seine Träger, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich (vgl § 91 Abs 6 SGB V idF durch Art 2 Nr 14 GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378 mit Wirkung vom 1.7.2008; zur Anwendbarkeit vgl Roters, KasselerKomm, Stand 1.10.2012, § 137 SGB V RdNr 27; vgl dementsprechend zur Rechtsnormqualität der RL des Beklagten als untergesetzliche Rechtsnormen zB BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 33; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 21; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 32; vgl auch Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf eines GKV-WSG - BT-Drucks 16/3100 S 180 zu Nr 14 <§ 91 SGB V> Abs 6).

14

§ 137 Abs 3 S 6 SGB V (idF durch Art 1 Nr 110 GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378; bis 30.6.2008: § 137 Abs 2 S 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 54 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000, BGBl I 1999, 2626) schließt die umfassende Bindungswirkung iS von § 91 Abs 6 SGB V nicht aus, indem er die unmittelbare Verbindlichkeit der Mindestmengenbeschlüsse des Beklagten ausdrücklich nur für Krankenhäuser anordnet. Die Regelung galt - mit dem Ziel umfassender Bindungswirkung der genannten Beschlüsse - in der Sache bereits vor Einführung der allgemeinen Vorschrift über die Verbindlichkeit von Beschlüssen des Beklagten in das SGB V (vgl bis 30.6.2008 § 91 Abs 9 SGB V idF durch Art 1 Nr 70 GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190, anknüpfend an bereits zuvor ergangene Rechtsprechung des BSG, zB BSGE 78, 70, 75 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 30; BSGE 81, 73, 81 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 56 ff; BSGE 85, 36, 44 f = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 45; BSGE 87, 105, 110 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7). Der Gesetzgeber sah lediglich von einer redaktionellen Klarstellung des § 137 Abs 3 S 6 SGB V ab.

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bb) Die Klägerin ist klagebefugt für die begehrte Feststellung, dass die Erhöhung der Mindestmenge auf 30 Level-1-Geburten nichtig ist (§ 55 Abs 1 Halbs 1 Nr 1 iVm § 54 Abs 1 S 2 SGG; dazu (1)). Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an dieser baldigen Feststellung (§ 55 Abs 1 Halbs 2 SGG; dazu (2)).

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(1) Zur Vermeidung einer Popularklage ist auch bei der Feststellungsklage der Rechtsgedanke des § 54 Abs 1 S 2 SGG heranzuziehen, nach dem bei einer zulässigen Rechtsverfolgung "eigene" Rechte betroffen sein müssen(vgl BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 14 mwN; siehe auch BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 25). Hierfür genügt es, dass eine Rechtsverletzung der Klägerin möglich ist (vgl BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 14 mwN). Die Klägerin ist in diesem Sinne klagebefugt, weil nicht ausgeschlossen ist, dass die Mindestmengenregelung eigene Rechte der Klägerin verletzt. Die begehrte Feststellung ist auf ein Rechtsverhältnis gerichtet (§ 55 Abs 1 Halbs 1 Nr 1 SGG), in dem die Klägerin eigene, grundrechtlich (Art 3 Abs 1, Art 12 Abs 1 GG) und einfachrechtlich (§ 108 iVm § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V) geschützte Belange geltend machen kann. Die Klägerin kann als nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus durch die Erhöhung der Mindestmenge beschwert sein. Die Prognose ist aufgrund ihrer bislang erbrachten Leistungen negativ, dass sie voraussichtlich die Mindestmenge von 30 Level-1-Geburten erreichen bzw überschreiten wird. Nach § 137 Abs 3 S 2 SGB V darf sie dann - unabweisbare Notfälle ausgenommen - weder zulasten der KKn noch gegenüber sonstigen Kostenträgern und Selbstzahlern bei Level-1-Geburten Leistungen erbringen(vgl zum Grund für die Anknüpfung an den "Patienten" die Begründung zu Art 1 Nr 5 Buchst a im Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser, BT-Drucks 14/6893 S 30, und die Begründung zu Art 3 Nr 7a der Beschlussempfehlung zum Entwurf eines Gesetzes zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009, BT-Drucks 16/11429 S 47).

17

Die Beschwer entfällt auch nicht deswegen, weil der Beklagte die Erhöhung der Mindestmenge bis zu einer weiteren Entscheidung außer Vollzug gesetzt hat. Insoweit handelt es sich nur um eine vorläufige Außervollzugsetzung, weil der Beklagte sich zugleich vorbehalten hat, nach der Entscheidung des BSG erneut zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine Mindestmenge festgelegt bleibt. Hieraus erwächst der Klägerin weder eine gesicherte Rechtsposition noch ist damit geklärt, ob der Beklagte eine höhere Mindestmenge als 14 Level-1-Geburten festsetzen darf.

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Auch sind ansonsten keine Gründe ersichtlich, die das Feststellungsinteresse der Klägerin entfallen lassen. Entgegen der Auffassung des Beklagten steht dem Feststellungsinteresse nicht entgegen, dass das LSG offengelassen hat, dass die Klägerin die Voraussetzungen der Anlage 1 der NICU-Vereinbarung (idF des Beschlusses vom 20.8.2009 BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450) erfüllt. Insoweit genügt es, dass die Klägerin tatsächlich Level-1-Geburten versorgt, die KKn bislang die Leistungen vergüten und es jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass die Klägerin die Qualitätssicherungsanforderungen erfüllt. Die Klägerin ist schließlich auch nicht aufgrund eines Bescheides der zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs 3 S 3 SGB V zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung berechtigt, trotz (voraussichtlichen) Nichterreichens der Mindestmenge gleichwohl Level-1-Geburten zu behandeln.

19

(2) Die Klägerin kann - entgegen der Auffassung des Beklagten - nur durch eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Erhöhung der Mindestmenge effektiven Rechtsschutz erlangen. Hieraus erwächst ihr berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung. Die Erhöhung der Mindestmenge auf der Grundlage des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V, die grundsätzlich einheitlich für alle Patienten gilt(vgl dazu BT-Drucks 14/6893 S 30 und BT-Drucks 16/11429 S 47), ist für die Klägerin nach § 137 Abs 3 S 6 SGB V in der oben dargelegten Weise "unmittelbar verbindlich". Das normativ angeordnete Verbot, bei Level-1-Geburten keine Leistungen zu erbringen (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2, S 2 und S 6 SGB V iVm dem Erhöhungsbeschluss),bedarf keines Vollzugsaktes. Dies folgt schon aus der klaren Binnensystematik des § 137 Abs 3 SGB V. Einem Krankenhaus kann aber nicht zugemutet werden, vorzuleisten und erst im Rahmen eines Abrechnungsstreits die Nichtigkeit der erhöhten Mindestmengenregelung einzuwenden. Dies gilt namentlich bei einem Krankenhaus, das - wie hier der Klägerin - deutlich unterhalb der Mindestmenge von 30 Level-1-Geburten liegt.

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2. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die Nichtigkeit der Erhöhung der Mindestmenge festgestellt. Die Rechtmäßigkeit der Heraufsetzung der jährlichen Mindestmenge für Level-1-Geburten von 14 auf 30 Behandlungsfälle je Krankenhaus mit ausgewiesenem Level 1 ist nicht isoliert, sondern - als deren untrennbarer Teil - zusammen mit der vollständigen Mindestmengenregelung für Level-1-Geburten zwecks Vermeidung einer unzulässigen Elementenfeststellungsklage zu überprüfen (zu den Grenzen vgl BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 35 f; zutreffend deshalb das Vorgehen des LSG). Der Prüfmaßstab des Gerichts hat der Funktion des Beklagten als untergesetzlicher Normgeber Rechnung zu tragen (dazu 3.). Der Beklagte entschied formal korrekt über die streitige Mindestmengenregelung (dazu 4.). Er machte rechtmäßig zunächst 14 Level-1-Geburten pro Krankenhauseinheit und nicht pro Arzt zum Gegenstand des mindestmengenabhängigen Katalogtatbestands (dazu 5.). Dies verletzt die Klägerin nicht in ihren Grundrechten (dazu 6.). Hingegen ist die Heraufsetzung der jährlichen Mindestmenge für Level-1-Geburten auf 30 Behandlungsfälle nichtig, weil der Beklagte seinen Gestaltungsspielraum überschritt. Denn die Studienlage rechtfertigt nicht uneingeschränkt die Einschätzung, dass die Güte der Versorgung Frühgeborener durch eine Erhöhung der Mindestmenge in relevanter Weise zusätzlich gefördert werden kann (dazu 7.).

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3. Die Rechtmäßigkeit der Erhöhung der Mindestmenge ist unter Berücksichtigung der Funktion des Beklagten als Normgeber an der Mindestmengenregelung des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V iVm mit dem vorgreiflichen, rechtmäßig gesetzten untergesetzlichen Recht zu messen. Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Beschlüsse des Beklagten sind hierbei gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 - LITT; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26; Schlegel, MedR 2008, 30, 32; Hauck, NZS 2010, 600, 611 f). § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V gibt dem Beklagten ein rechtlich voll überprüfbares Programm vor: In tatsächlicher Hinsicht ist die Ermittlung planbarer Leistungen, die Feststellung, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses einer planbaren Leistung in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist und die konkrete Eignung von festgesetzten Mindestmengen zur Verbesserung der Qualität der Behandlungsergebnisse sowie in rechtlicher Hinsicht die zutreffende Erfassung der Tatbestandsmerkmale durch den Beklagten vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem Beklagten bei der Auslegung dieser Regelungselemente des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom Beklagten zu berücksichtigenden Studienlage. Erst bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist er befugt, als Normgeber zu entscheiden. Soweit diese letztere Kompetenz reicht, darf allerdings die sozialgerichtliche Kontrolle ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom Beklagten getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (stRspr, vgl zB BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSGE 110, 183 = SozR 4-2500 § 34 Nr 9, RdNr 25, beide mwN). Die Entscheidungen über die Auswahl und den Zuschnitt der Leistungen für den Katalog planbarer Leistungen sowie die genaue Festlegung der Mindestmenge innerhalb der Bandbreite geeigneter Mengen unterliegen in diesem Sinne dem normativen Gestaltungsspielraum des Beklagten. Der Beklagte kann dabei in einem zeitlich gestreckten Verfahren vorgehen, um den Katalog planbarer Leistungen allmählich zu entwickeln, um insbesondere weitere Erkenntnisse zu sammeln und zu bewerten und um Mindestmengen je nach Erkenntnisfortschritt neu zu justieren.

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Der Beklagte ist zur Konkretisierung des sich aus § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V ergebenden Regelungsprogramms ermächtigt, außenwirksame Normen im Range untergesetzlichen Rechts zu erlassen. Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (dazu und insbesondere zur hinreichenden demokratischen Legitimation des Bundesausschusses vgl BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 57 ff mit ausführlicher Darstellung der Rspr des BVerfG; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 33; Neumann, NZS 2010, 593 ff; Hauck, NZS 2010, 600 ff; aA Vießmann, Die demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Entscheidungen nach § 135 Abs 1 S 1 SGB V, 2009, S 127 ff).

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4. Der Beklagte beachtete die formellen Voraussetzungen für den Erlass der untergesetzlichen Normen. Wie auch das LSG nicht in Zweifel zieht, wahrte er die im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Betroffenenpartizipation durch Gesetz und seine eigenen Verfahrensvorgaben ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 34 mwN; Hauck, NZS 2010, 600, 604). Der dokumentierte Ablauf der Beratungen, die Einbeziehung des IQWiG, die Diskussion der Auswirkungen unterschiedlicher Mindestmengen-Schwellenwerte für die Versorgung sowie die Einholung von Stellungnahmen bei betroffenen Fachverbänden belegen anschaulich das formal korrekte Vorgehen. Es bedurfte verfahrensrechtlich - über das Dokumentierte und die tatsächlich erfolgte Veröffentlichung der tragenden Gründe entsprechend § 7 Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses(VerfO idF vom 18.12.2008, BAnz Nr 84a vom 10.6.2009 , in Kraft getreten am 1.4.2009, geändert am 17.12.2009, BAnz Nr 38 vom 10.3.2010 S 968, in Kraft getreten am 12.2.2010) hinaus - keiner gesonderten Begründung. Für Normgeber besteht grundsätzlich keine Begründungspflicht (stRspr, vgl zB BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 44; BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 29 mwN).

24

Eine Ausnahme im Sinne einer materiell-rechtlichen Begründungspflicht besteht nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 82)insofern, als der Gesetzgeber darauf abzielt, durch Einbindung des IQWiG in die Zuarbeit für den GBA den dynamischen Prozess der Fortentwicklung der medizinischen und pflegerischen Leistungen zu sichern und die kontinuierliche Einbeziehung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in eine qualitativ gesicherte Leistungserbringung zu gewährleisten (BT-Drucks 15/1525 S 127). Das IQWiG leitet deshalb seine Arbeitsergebnisse dem GBA als Empfehlungen zu (vgl § 139b Abs 4 S 1 SGB V). Dieser hat die Empfehlungen im Rahmen seiner Aufgabenstellung "zu berücksichtigen", wird also nur mit besonderer Begründung davon abweichen (vgl Hauck, NZS 2007, 461, 464). Insbesondere hat er zu prüfen, ob das IQWiG seine Feststellungen ausgehend von einem zutreffenden Rechtsverständnis der zugrunde gelegten Begriffe auf der Basis einer umfassenden Einbeziehung der relevanten Studien nachvollziehbar und widerspruchsfrei getroffen hat. Für die Umsetzung von Handlungsempfehlungen des IQWiG - hier etwa die Durchführung einer Begleitevaluation - verbleibt ihm indes grundsätzlich sein gesetzgeberisches Ermessen.

25

Es hielt sich auch im Rahmen des - wie aufgezeigt - grundsätzlich zulässigen schrittweisen Vorgehens, dass der Beklagte zunächst die "NICU-Vereinbarung" ohne Mindestmengen beschloss (20.9.2005) und später - nach Einführung einer "Regelmäßigkeitszahl" (vgl II.3 Buchst k des Beschlusses über eine Änderung der NICU-Vereinbarung vom 18.12.2008, BAnz Nr 65 vom 30.4.2009 S 1574, in Kraft getreten am 1.4.2009) - diese durch eine Mindestmenge ersetzte (vgl II. des Beschlusses zur Versorgung von Früh- und Neugeborenen vom 20.8.2009, BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450).

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Unerheblich ist schließlich, dass in der streitigen Mindestmengenregelung keine Angabe von OPS-Ziffern enthalten ist. Denn die Regelung ist einerseits inhaltlich klar. Der OPS-Katalog umfasst andererseits keine spezifischen, eindeutigen Ziffern für diese Behandlung. Für eine Verletzung formeller Voraussetzungen (vgl dazu auch § 3 MMV; zur materiellen Reichweite s sogleich, unter 5.b), die die Nichtigkeit der zu prüfenden Mindestmengenregelung (s - wie dargelegt - Beschluss über eine Änderung der Anlage 1 der MMV: Mindestmengen bei Früh- und Neugeborenen, vom 17.6.2010, BAnz Nr 123 vom 18.8.2010 S 2840, und Beschluss vom 20.8.2009, BAnz Nr 195 vom 24.12.2009 S 4450) begründen könnte, ist insgesamt nichts ersichtlich.

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5. Der Beklagte machte rechtmäßig zunächst 14 Level-1-Geburten pro Krankenhauseinheit und nicht pro Arzt zum Gegenstand des mindestmengenabhängigen Katalogtatbestands. Er bejahte ausgehend von einem zutreffenden Verständnis der gesetzlichen Vorgaben einer planbaren Leistung (dazu a), deren Ergebnisqualität in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist (dazu b), rechtmäßig für die Gruppe der Level-1-Geburten die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V(dazu c). Der Beklagte durfte auch eine Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten in Krankenhäusern mit ausgewiesenem Level 1 festsetzen, ohne Ausnahmen hiervon vorzusehen (dazu d).

28

a) Eine "planbare" Krankenhausleistung iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V ist eine Leistung, welche die dafür vorgesehenen Krankenhaus-Zentren in der Regel medizinisch sinnvoll und für die Patienten zumutbar erbringen können. Erforderlich ist, dass die Aufnahme und Durchführung gebotener stationärer Behandlung in einem Zentrum - trotz ggf längerer Anfahrt - unter Berücksichtigung zu überwindender räumlicher und zeitlicher Distanzen ohne unzumutbares Risiko für die Patienten erfolgen kann. Dies folgt aus Regelungssystem und Normzweck in Einklang mit der Entstehungsgeschichte, ohne dass der Wortlaut entgegensteht.

29

Der Wortlaut "planbare Leistungen" lässt es zu, den Begriff im aufgezeigten Sinne im Interesse der angestrebten Versorgungsqualität zu verstehen. Entstehungsgeschichtlich harmoniert hiermit, dass der Gesetzgeber die Fixierung von zu erbringenden "Mindestfallmengen" als Teil einer Vielzahl von Qualitätssicherungsinstrumenten vorsah, um ein Gegengewicht gegen Fehlanreize eines festen Preissystems bei Einführung von Fallpauschalen zu schaffen, etwa gegen den Anreiz der Versorgungsqualitätsminderung in Form von medizinisch nicht indizierter "Fallvermehrung" sowie der verfrühten Entlassung (vgl Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Gesetzentwurf eines FPG, BT-Drucks 14/7862 S 3). Diese Zielrichtung gilt erst recht für eine Tätigkeitsausdehnung der Krankenhäuser auf Felder unzureichender Qualitätskompetenz.

30

Nach dem Regelungssystem ergänzt die Festlegung von Mindestmengen die anderen, weiteren Maßnahmen des Gesetzgebers zur Qualitätssicherung wie verpflichtende durch die Kliniken vorzulegende Qualitätsberichte, bundeseinheitliche Kriterien für die Prüfdienste, sowie eine stetige Begleitforschung. Vor allem entspricht das Auslegungsergebnis dem Normzweck, die Ergebnisqualität zu verbessern (vgl dazu Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines FPG, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Der Regelungsgehalt des Begriffs der Planbarkeit erschließt sich insbesondere auch aus den von den Mindestmengen ausgelösten Verteilungswirkungen. Die Einführung von Mindestmengen hat die Umverteilung von Behandlungsfällen und in Abhängigkeit von den absoluten Fallzahlen eine damit einhergehende Regionalisierung oder gar Zentralisierung der für die planbaren Leistungen noch zur Verfügung stehenden Krankenhäuser zur Folge. Dies bewirkt jedoch nur insoweit eine Verbesserung der Ergebnisqualität im stationären Bereich, als die Patienten den Zugewinn an Qualität im stationären Bereich nicht durch Transport- und Verlegungsrisiken wieder einbüßen. Zur Verbesserung der Ergebnisqualität ist es vor diesem Hintergrund erforderlich, die Transport- und Zentralisierungsrisiken zu ermitteln. Wollte man dagegen unter "planbare" "vorhersehbare" Krankenhausleistungen verstehen, wäre der Begriff sinnentleert. Ähnlich zweckwidrig wäre es, ihn auf elektive Leistungen zu reduzieren.

31

b) Die Qualität des Behandlungsergebnisses der planbaren Leistungen ist jedenfalls bereits dann in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig, wenn eine Studienlage besteht, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität wahrscheinlich macht. Hierbei ist nicht die Struktur- oder Prozessqualität, sondern allein die Qualität des Behandlungsergebnisses maßgeblich. Regelmäßig wird es um hochkomplexe medizinische Leistungen gehen, bei denen die mit wissenschaftlichen Belegen untermauerte Erwartung berechtigt ist, dass die Güte der Leistungserbringung in besonderem Maße auch von der Erfahrung und Routine des mit der jeweiligen Versorgung betrauten Behandlers - Krankenhauseinheit und/oder Arzt - beeinflusst ist.

32

Schon der Wortlaut des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V verdeutlicht, dass die vom Beklagten zu treffende Mindestmengenregelung nicht darauf ausgerichtet ist, umfassend sektorenübergreifend für alle vertragsärztlichen und stationären Leistungen zusätzliche Qualitätsanforderungen aufzustellen. Vielmehr fasst der Beklagte danach lediglich für einen Teilbereich, für zugelassene Krankenhäuser - grundsätzlich einheitlich für alle Patienten - auch Beschlüsse über einen "Katalog" planbarer Leistungen nach §§ 17 und 17b KHG. Das Gesetz schränkt diesen Teilausschnitt aus dem Gesamtbereich der Leistungen nach §§ 17 und 17b KHG weiter spezifisch ein: Es muss um planbare Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG gehen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist.

33

Der erkennende Senat vermag dem LSG allerdings nicht zu folgen, soweit es hierfür den wissenschaftlichen Beleg einer "besonderen" Kausalität zwischen Leistungsmenge und Ergebnisqualität fordert. Vielmehr genügt ein nach wissenschaftlichen Maßstäben wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität. Dafür spricht nicht nur der aufgezeigte Wortlaut. Auch die Entstehungsgeschichte belegt, dass es um einen durch Studien untermauerten wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Leistungen und der Qualität des Behandlungsergebnisses geht (vgl dazu Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines FPG, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Die in den Gesetzesmaterialien angesprochenen "Studien" sind in aller Regel nicht im naturwissenschaftlichen Sinne für einen Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität voll beweisend, sondern darauf hinweisend. Andernfalls könnte die Regelung kaum ihren Zweck erfüllen, der "herausgehobene(n) Bedeutung" einer "gute(n) Ergebnisqualität" Rechnung zu tragen, wie es im Rahmen der "bisher eingeführten Qualitätssicherungsmaßnahmen" … "noch zu wenig" erfolgte (vgl ebenda, BT-Drucks 14/6893 S 31 zu Nr 5 Buchst b). Hierfür genügt nicht schon die landläufige Erfahrung, dass routinierte Praxis im Allgemeinen eine bessere Ergebnisqualität sichert als deren Fehlen.

34

Das Auslegungsergebnis entspricht auch dem Regelungssystem. Die in § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V angesprochenen "Leistungen nach den §§ 17 und 17b KHG" müssen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich bereits dem Qualitätsgebot(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V)genügen, um überhaupt zulasten der GKV abrechenbar zu sein (vgl grundlegend BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 52 f unter Aufgabe von BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1, auch zur Berücksichtigung grundrechtskonformer Auslegung; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23; aA Felix, SGb 2009, 367 und öfter, zB NZS 2012, 1, 7 mwN in Fn 91). Die Anforderungen integrieren in wesentlichem Maße das Krankenhausplanungs- und das ärztliche Weiterbildungsrecht. Diese Regelungskomplexe erfordern bereits ein ausreichendes Maß an Erfahrung und Routine als Voraussetzung von Facharztqualifikationen, an die wiederum die Strukturvorgaben in der stationären Versorgung anknüpfen (vgl zutreffend Bohle, GesR 2010, 587). Der Mindestmengenkatalog (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V)stellt demgegenüber zusätzliche Qualitätsanforderungen auf im Interesse einer weiteren Risikominimierung.

35

Die Rechtsordnung begnügt sich auch in vergleichbaren Regelungsbereichen mit einer durch wissenschaftliche Belege untermauerten Annahme eines Zusammenhangs. So ist für die Aufnahme in die Liste der Berufskrankheiten ( § 9 Abs 1 S 2 SGB VII)ein ursächlicher Zusammenhang zwischen besonderen Einwirkungen, denen bestimmte Personengruppen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung bei versicherter Tätigkeit ausgesetzt sind, und der Erkrankung erforderlich. Der generelle Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Krankheit bei der Prüfung der Voraussetzungen einer BK-Bezeichnung unterscheidet sich aufgrund der allgemeinen und abstrakten Prüfungsebene von dem Ursachenzusammenhang bei der Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität beim einzelnen Arbeitsunfall oder der Listen-BK im Einzelfall. Dennoch gilt auch insofern die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 18 RdNr 29). Jedenfalls für den Parallelbereich einer Entschädigung wie eine Berufskrankheit (§ 9 Abs 2 SGB VII) kann die erforderliche gruppenspezifische Risikoerhöhung im Ausnahmefall eines seltenen Leidens ohne - wie üblich - gesicherte epidemiologische Erkenntnisse auf der Grundlage der im Allgemeinen notwendigen langfristigen zeitlichen Überwachung betroffener Krankheitsbilder zum Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen bejaht werden, wenn infolge der Seltenheit des Leidens medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse durch statistisch abgesicherte Zahlen nicht erbracht werden können. In einem solchen Ausnahmefall kann die "generelle Geeignetheit" der Einwirkungen für die Entstehung der betroffenen Krankheit aus Einzelfallstudien, Erkenntnissen und Anerkennungen in ausländischen Prüfverfahren und Ähnlichem abgeleitet werden (vgl BSGE 79, 250, 252 = SozR 3-2200 § 551 Nr 9 S 21). Es würde die Anforderungen regelmäßig überspannen, den wissenschaftlich geführten Vollbeweis eines ursächlichen Zusammenhangs auf der Grundlage epidemiologischer Studien zu fordern.

36

Das Auslegungsergebnis trägt insbesondere auch dem Regelungszweck und -anlass für die Einführung von Mindestmengen Rechnung: Es fehlt teilweise an einer ausreichenden Menge zu erbringender Leistungen für die betroffenen Behandler, um eine Routine und Erfahrung zu erlangen und aufrechtzuerhalten, die zu dem rechtlich geforderten Standard der Ergebnisqualität führt. Nur der Umstand, dass zu geringe Fallzahlen keine qualitativ hinreichende Behandlungspraxis für bestimmte Leistungen in allen Krankenhäusern gewährleisten, die nach ihrer personellen und sächlichen Ausstattung zur Leistungserbringung grundsätzlich in der Lage sind, rechtfertigt die Festsetzung von Mindestmengen. Denn gäbe es hinsichtlich sämtlicher planbarer Leistungen jeweils ausreichende Fallmengen, könnten Mindestmengen keine Anhebung der Ergebnisqualität erreichen. Die Regelung soll in ihrem Kern im Interesse gebotener Ergebnisqualität einen Fallzahlenmangel steuern.

37

Der Regelungszweck steht ebenfalls - wie das -system - einem Normverständnis entgegen, das Mindestmengen auf bloße (fach-)ärztliche Grundfertigkeiten oder eine Grundversorgung im Krankenhausbereich erstreckt. Festsetzungen von Mindestmengen sind ebenfalls kein Instrument, um Behandler von der Versorgung auszuschließen, die trotz ausreichender Fallzahl nur eine durchschnittliche oder gar eine unterdurchschnittliche Ergebnisqualität oberhalb einer berufs-, gewerbe- oder schadensersatzrechtlichen Interventionsschwelle erreichen. Die Regelung betrifft dagegen - unter Berücksichtigung des aufgezeigten Auslegungsergebnisses - insbesondere Krankheitsbilder, deren Behandlung mehr als bloße (fach-)ärztliche Grundfertigkeiten erfordert. Hierbei wird es regelmäßig um hoch komplexe Leistungen gehen, die standardisierbar und unter Berücksichtigung des Verhältnisses von erforderlicher Fallzahl zu Ergebnisqualität relativ selten sind.

38

Regelungszweck und -system sprechen schließlich dafür, eine bloße, nach wissenschaftlichen Maßstäben belegte Wahrscheinlichkeit für den Zusammenhang zwischen Ergebnisqualität und Leistungsmenge genügen zu lassen. Dies entspricht dem mit § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V verfolgten Zweck der Risikominimierung in einem nennenswerten Bereich. Anforderungen nach Art eines statistisch sauber geführten vollständigen Kausalitätsbeweises würden den Anwendungsbereich der Norm auf ein vernachlässigbares Minimum reduzieren. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Steigerung der Ergebnisqualität und Festsetzung einer Mindestmenge besteht zwar unproblematisch, wenn er statistisch bewiesen ist. Das wird aber nur in höchst seltenen Ausnahmefällen möglich sein. Vergleichende Studien mit unterschiedlichen Mengenansätzen sind regelmäßig aus praktischen oder ethischen Gründen schon im Ansatz undurchführbar, ganz abgesehen davon, dass etwa unter Berücksichtigung der international unterschiedlichen Versorgungssituationen kaum eine statistisch hinreichende Fallzahl zur Verfügung stehen wird. Die Probleme potenzieren sich, wenn ein Beleg für die Mengenabhängigkeit der Ergebnisqualität bei Kombination mehrerer ergebnisqualitätsbezogener Parameter zu erbringen ist, wie das Gutachten des IQWiG zeigt. Es würde die Anforderungen überspitzen, für den Nachweis des genannten Zusammenhangs mehr zu verlangen, als dass auf der Grundlage einer umfassend ermittelten, mittels statistisch anerkannter Methoden metaanalytisch überprüften und zutreffend ausgewerteten Studienlage mehr für eine Verbesserung der Behandlungsergebnisse durch Einführung einer Mindestmenge spricht als dagegen.

39

Ist der genannte Zusammenhang allerdings - wie regelmäßig der Fall - nicht statistisch bewiesen, ist er anhand medizinischer Erfahrungssätze ergänzend zu untermauern. Mit statistischen Methoden ermittelte und risikoadjustiert bewertete Korrelationen allein reichen nämlich beim Fehlen eines statistischen Kausalitätsbeweises nicht aus, um einen Fallzahlenmangel als Ursache schlechterer Behandlungsergebnisse zu identifizieren (vgl rechtsähnlich stRspr zur Wirtschaftlichkeitsprüfung im Vertragsarztrecht, zB BSG Urteil vom 9.3.1994 - 6 RKa 16/92 - Juris RdNr 22 = USK 94131; BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 18/11 R - Juris RdNr 23 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 106 Nr 34 vorgesehen).

40

Entgegen der Auffassung des LSG ist der Maßstab dagegen nicht sinngemäß nach einem "Goldstandard" der evidenzbasierten Medizin abzuleiten. Dies widerspräche dem mit § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V verfolgten Zweck der Risikominimierung. Ist eine Verschlechterung der Ergebnisqualität durch die Einführung einer Mindestmenge nicht zu erwarten, sondern besteht die Wahrscheinlichkeit einer Ergebnisqualitätsverbesserung, könnte das Erfordernis der Beachtung eines evidenzbasierten "Goldstandards" für den Nachweis des Zusammenhangs zwischen der Steigerung der Ergebnisqualität und einer Mindestmenge den Patienten möglicherweise dauerhaft Versorgungsstandards vorenthalten, die - jeweils nach dem Stand der aktuellen Erkenntnis - geeignet sind, zu einer relevanten Reduzierung von Versorgungsrisiken beizutragen. In diesem Sinne fordert auch § 3 Abs 2 Nr 1 MMV mit einem "evidenzbasierten Verfahren" nur eine praktisch verfügbare, den dargelegten Maßstäben genügende Evidenz.

41

c) Der Beklagte bejahte - ausgehend von der dargelegten Auslegung - rechtmäßig für die Gruppe der Level-1-Geburten (dazu aa) die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V(dazu bb - cc).

42

aa) Der Beklagte durfte rechtmäßig für die Mindestmengenbestimmung von der Gruppe der Level-1-Geburten ausgehen. Er knüpfte hierbei an die rechtswirksamen Bestimmungen der NICU-Vereinbarung über ein vierstufiges Versorgungskonzept an. Das SGB V gibt dem Beklagten auf, ua Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten festzulegen (vgl § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB V). Der Beklagte ist dieser Pflicht durch den Beschluss der NICU-Vereinbarung nachgekommen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz war es nicht willkürlich, sondern im Gegenteil sachgerecht, die Mindestmengenbestimmung mit Blick auf das vierstufige Versorgungskonzept der NICU-Vereinbarung zu treffen. Die Verwendung gegriffener metrischer Größen bei internationalen Vergleichsstudien, die teilweise fehlende und zum Teil von der NICU-Vereinbarung abweichende nationale Versorgungskonzepte zu berücksichtigen haben, steht dem nicht entgegen.

43

bb) Der Beklagte durfte die erfasste Gruppe der Level-1-Geburten als - im dargelegten Rechtssinne - "planbare Leistungen" ansehen. Die dafür vorgesehenen Perinatalzentren der obersten Kategorie können Level-1-Geburten nach den allgemein anerkannten medizinischen Erkenntnissen in der Regel medizinisch sinnvoll und zumutbar versorgen. Die gebotene stationäre Behandlung in einem Zentrum kann trotz ggf längerer Anfahrt ohne unzumutbares Risiko für die Patienten erfolgen. Das belegen sowohl die internationalen Studien etwa über Australien und Neuseeland (vgl Cust et al, Outcomes for high risk New Zealand newborn infants in 1998-1999, Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 2003 [88<1>], F15-F22; Lui et al, Improved Outcomes of Extremly Premature Outborn Infants, Pediatrics 2006 [118<5>], 2076-2083) als auch nationale Publikationen (vgl zB Heller, Krankenhaus-Report 2008/2009, S 183 ff; Pohlandt et al, Regionalisierung bei Frühgeburtsbestrebungen im ländlichen Raum? Yes we can!, Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie 2009 [213], 135-137). In diesem Sinne äußert sich auch der Bericht des IQWiG (Abschlussbericht des IQWiG "Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnis bei der Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht", Stand 14.8.2008; im Folgenden: Abschlussbericht). Frühgeborene werden danach in der Regel nicht notfallmäßig, sondern erst nach abgeschlossener, medikamentös bewirkter Lungenreife geboren (vgl Abschlussbericht S 2 f). Die Versorgung Frühgeborener - die schon im pränatalen Stadium beginnt - scheint umso weniger risikobehaftet zu sein, je eher die werdende Mutter sich bei nahendem Geburtstermin in ein Perinatalzentrum Level 1 begibt (vgl Abschlussbericht S 53 zum in-utero-Transfer; zu Portugal vgl auch Abschlussbericht S 52). Diese Schlussfolgerung ist plausibel, weil auftretende Komplikationen dort besser und schneller behandelt werden können, als dies während eines Transports oder bei Aufnahme in eine Einrichtung niedrigerer Versorgungsstufe der Fall sein dürfte. Der ambulante und der stationäre Sektor müssen und können hierzu effektiv miteinander verzahnt sein, um Fehlplatzierungen zu vermeiden und das relativ enge antenatale Zeitfenster zum Transport in ein Perinatalzentrum Level 1 zu nutzen. Die genannte Literatur zeigt, dass dies in Deutschland ebenso wie in vielen ausländischen Staaten möglich ist.

44

Der Senat sieht keine Gründe, die gegen die Verwertbarkeit des Abschlussberichts des IQWiG sprechen. Denn das IQWiG ist als fachlich unabhängiges, rechtsfähiges wissenschaftliches Institut, dessen Träger der Beklagte ist (§ 139a Abs 1 S 1 SGB V), nach § 139a Abs 3 Nr 1 SGB V von Gesetzes wegen ausdrücklich zur Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei ausgewählten Krankheiten berufen. Es stellt ein Expertengremium dar, das in seiner persönlichen und fachlichen Integrität und Qualität durch Transparenz und Unabhängigkeit gesetzlich und institutionell abgesichert ist (vgl zum Ganzen BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 76 ff; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 74 ff). Es gibt keine Hinweise darauf, dass das IQWiG nicht alle zum damaligen Zeitpunkt verfügbaren relevanten Studien ausgewertet haben könnte. Die Auswertung selbst ist sorgfältig. Die darauf gestützten Folgerungen sind in ihren vorsichtig formulierten Aussagen wohlabgewogen.

45

cc) Der Beklagte konnte auch rechtmäßig davon ausgehen, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses der Level-1-Geburten, hier insbesondere mit Blick auf die Mortalität, in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist. Denn es besteht - im dargelegten Sinne - eine Studienlage, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses wahrscheinlich macht.

46

Der Beklagte durfte - ausgehend von der Studienlage (vgl dazu Abschlussbericht S V) - die Qualität des Behandlungsergebnisses als Ausgangspunkt an der zu erwartenden Reduzierung des Mortalitätsrisikos messen. Er musste nicht alle Morbiditätsvariablen einbeziehen, zumal die hierfür verfügbaren Daten spärlich sind (vgl dazu Abschlussbericht S V). Das Vorgehen ist vertretbar, da die Zusammenhänge zwischen Leistungsmenge und Mortalitätsrisiko am besten untersucht sind und andererseits eine gleiche Tendenz wie beim Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Morbiditätsrisiko aufweisen.

47

Ein Zusammenhang zwischen der Erhöhung der Leistungsmenge und der Reduzierung des Mortalitätsrisikos ist auch wahrscheinlich. Davon ist der Senat - der dies als generelle Tatsache selbst zu bewerten hat (vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 31; s ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 7 mwN)- aufgrund der zur Beurteilung vorliegenden wissenschaftlichen Studien und Aussagen überzeugt. Er folgt den Erkenntnissen des IQWiG, das in nicht zu beanstandender Weise zu folgender Einschätzung gelangt ist: "Die Ergebnisse der eingeschlossenen Publikationen weisen bezüglich eines statistischen Zusammenhangs zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität bei der Versorgung von Frühgeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht kein völlig einheitliches und eindeutiges Bild auf. Allerdings geben die Daten der Gesamtschau bezüglich der primären Zielgröße "Mortalität" unter Berücksichtigung der Studien- und Publikationsqualität sowie ihres Populationsbezugs deutliche Hinweise auf einen statistischen Zusammenhang, der sich als Trend einer Risikoreduktion mit steigender Leistungsmenge darstellt" (Abschlussbericht S 59).

48

Dem steht nicht entgegen, dass das IQWiG aus den zwölf Beobachtungsstudien, insbesondere auch aus den vier Studien mit einem geringen Verzerrungspotential, zwei davon zur Behandlungssituation in Deutschland, keine expliziten Schwellenwerte für Mindestmengen ableiten konnte (vgl Abschlussbericht S 59). Eine Ergebnisverbesserung ist durch Festsetzung einer Mindestmenge wahrscheinlich, die typischerweise Behandlungskontinuität ermöglicht. Hierfür streitet maßgeblich der Erfahrungssatz, dass eine laufende Befassung eines Level-1-Zentrums mit der Behandlung sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener durch das ganze Jahr hindurch notwendig ist, um eine Festigung der Behandlungsabläufe als Teamleistung zu gewährleisten. Es ist hingegen nicht plausibel, dass bloß zeitweilige Behandlungsepisoden das Qualitätsniveau der Versorgung in gleicher Weise zu sichern vermögen.

49

d) Der Beklagte überschritt nicht den ihm eingeräumten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, indem er vertretbar eine Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten für Krankenhäuser festsetzte, ohne weitere Ausnahmen vorzusehen. Diese festgesetzte Mindestmenge ist regelmäßig geeignet, die Behandlungskontinuität als eine (Mindest-)Voraussetzung für ein gutes Behandlungsergebnis zu gewährleisten.

50

Die ausgewählte Versorgung von Level-1-Geburten in Krankenhäusern mit ausgewiesenem Level 1 betrifft kategorial eine Versorgung, die einen hoch komplexen, relativ seltenen Behandlungsaufwand auslöst. Die Versorgung von Level-1-Geburten stellt ganz erheblich über dem Durchschnitt liegende Anforderungen an Können und Erfahrung des behandelnden ärztlichen und nichtärztlichen Personals, um als Team über einen längeren Zeitraum je Behandlungsfall eine bestmögliche Versorgung zu erbringen. Dies folgt aus dem in der Unreife dieser Kinder begründeten, ausgeprägten multifaktoriellen Mortalitätsrisiko (vgl Abschlussbericht S 1 f) und der Notwendigkeit intensivmedizinischer Maßnahmen über einen längeren Zeitraum unter Einsatz eines ständig verfügbaren, in herausgehobener Weise spezialisierten Behandlungsteams. Letzteres belegt schon die in der Anlage 1 der NICU-Vereinbarung an ein Perinatalzentrum Level 1 gestellten Anforderungen. Bei diesen Vorgaben verbietet es sich von selbst, eine Mindestmenge an die Behandlungstätigkeit eines einzelnen Arztes anzuknüpfen.

51

Die Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten gefährdet nach der vertretbaren Einschätzung des Beklagten nicht die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung. Nach den ermittelten Daten verblieben bei einer Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten in den Jahren 2005 und 2006 bundesweit zwischen rund 130 und 150 Krankenhäuser, die zur Versorgung zur Verfügung standen (Krankenhäuser mit 20 und mehr VLBW-Geburten, 2005: 151; 2006: 153, wobei Level-1-Geburten etwa 2/3 aller VLBW-Geburten ausmachen). Dies deckt sich mit den Angaben des Spitzenverbandes Bund der KKn, wonach ab 2010 mehr als 128 Krankenhäuser die Mindestmenge für Level-1-Geburten erreichen dürften (Präsentation am 17.6.2010 in der Plenumssitzung des Beklagten mit Übersichtskarte zur räumlichen Verteilung). Im Übrigen kann jeweils die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde, um einer danach etwa noch verbleibenden regionalen Unterversorgung zu begegnen, Ausnahmegenehmigungen erteilen (§ 137 Abs 3 S 3 SGB V).

52

Der Beklagte musste unter Berücksichtigung der Datenlage auch keine weiteren sachlichen Ausnahmebestimmungen von der Mindestmenge 14 vorsehen, um Sonderfällen Rechnung zu tragen. Anlage 2 Nr 3 und 4 MMV räumen beim Aufbau neuer Leistungsbereiche Übergangszeiträume von 36 Monaten und bei personeller Neuausrichtung bestehender Leistungsbereiche Übergangszeiträume von maximal 24 Monaten ein. Konflikte, die aus dem Leistungsverbot erwachsen, wenn die erforderliche Mindestmenge voraussichtlich nicht erreicht wird (§ 137 Abs 3 S 2 SGB V), bedürfen keiner weiteren Regelung in der MMV. Die Regelung verbietet nicht bei punktuellen Unterschreitungen der erforderlichen Mindestmenge, dass die Betroffenen künftig Leistungen erbringen. Die geforderte Prognose, dass die erforderliche Mindestmenge voraussichtlich nicht erreicht wird, greift erst ein, wenn eine valide Einschätzung auf der Grundlage eines hinreichend langen Zeitraums möglich ist.

53

6. Sowohl die gesetzliche Regelung des § 137 Abs 3 S 2 iVm § 137 Abs 3 S 1 SGB V als auch die untergesetzliche Bestimmung der Nr 8 Anlage 1 MMV(idF des Beschlusses des Beklagten vom 20.8.2009) verletzen die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art 12 Abs 1 GG. Die Klägerin ist Trägerin dieses Grundrechts. Es erstreckt sich nach Art 19 Abs 3 GG auch auf juristische inländische Personen, zu denen die Klägerin zählt (vgl nur Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 12 RdNr 13 mwN).

54

Art 12 Abs 1 S 1 GG schützt - neben der Freiheit der Berufswahl - die Freiheit der Berufsausübung. Zu den Rahmenbedingungen der Berufsausübung gehört für Krankenhäuser auch, dass sie bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen müssen, um einzelne Operationen und Prozeduren, aber auch um eine aus einer Vielheit von Einzelmaßnahmen bestehende Behandlung eines bestimmten Krankheitsbildes erbringen zu dürfen. Von einer bloßen Berufsausübungsregelung ist dann auszugehen, wenn sie nur einen Ausschnitt aus einer fachärztlichen Tätigkeit betrifft (vgl zu § 135 SGB V iVm untergesetzlichen Vorschriften als Berufsausübungsregelungen: BVerfG SozR 4-2500 § 135 Nr 2 RdNr 22; BVerfGK 17, 381, 385 f = SozR 4-2500 § 135 Nr 16 RdNr 13 f; vgl auch BVerfGE 33, 125, 161, das offen lässt, ob der Facharzt iS von Art 12 Abs 1 GG ein eigener Beruf oder nur eine Form der Berufsausübung ist). Die Geburtshilfe durch Gynäkologen und die Behandlung von Level-1-Geburten durch Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Neonatologie stellt jeweils nur einen kleineren Teil der jeweiligen gesamten fachärztlichen Tätigkeit dar. Nichts anders gilt für die Schwerpunktbezeichnungen Kinderchirurgie, Kinderkardiologie, Kinderradiologie und Neuropädiatrie sowie auf nichtärztlicher Seite für die Hebammen, Kinderschwestern und Kinderkrankenpfleger. Insoweit macht es keinen Unterschied, wenn ein einer Qualitätssicherungsregelung unterworfener Teil einer fachärztlichen Tätigkeit nicht ambulant erbracht wird, sondern der zentrale Teil einer umfassenderen Versorgungsleistung eines Krankenhauses ist. Dies gilt umso mehr, als die Ermächtigungsgrundlage für die Qualitätssicherungsregelung (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V) erlaubt, an die Versorgung entweder vom Krankenhaus oder vom Arzt anzuknüpfen. Sie ist letztlich aber auch bei der Anknüpfung an das Krankenhaus darauf ausgerichtet, bloß einen begrenzten Teil der gesamten Tätigkeit der ärztlichen, aber auch der nichtärztlichen Therapeuten in ihrem Verbund als Gemeinschaftsleistung zu regeln.

55

§ 137 Abs 3 S 1 SGB V und Nr 8 Anlage 1 Mindestmengenvereinbarung greifen in die Berufsausübung ein. Werden ihre Voraussetzungen nicht erfüllt, darf die Leistung gegenüber keinem Patienten erbracht werden. Die Regelung erfüllt das Erfordernis, dass ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Art 12 Abs 1 S 2 GG einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseinschränkende Gesetze genügen muss (stRspr, vgl BVerfGE 94, 372, 389 f; BVerfGE 111, 366, 373). Gesetzliche Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind nur dann mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind (vgl nur BVerfGE 106, 181, 192 = SozR 3-2500 § 95 Nr 35 S 172). Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Beschränkungen des Grundrechts stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit (vgl BVerfGE 19, 330, 336 f; 54, 301, 313). Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen deshalb nicht weitergehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern (vgl BVerfGE 101, 331, 347). Eine sowohl den Freiheitsanspruch des Berufstätigen wie die Schutzbedürftigkeit der Gemeinschaft berücksichtigende Lösung kann nur in Abwägung der Bedeutung der einander gegenüberstehenden und möglicherweise einander widerstreitenden Interessen gefunden werden (vgl BVerfGE 7, 377, 404 f).

56

Die Abwägung der Bedeutung des Interesses der Kinderkliniken, uneingeschränkt Kinder von Level-1-Geburten zu versorgen, mit dem Interesse an einer besseren Versorgungsqualität für Frühgeborene ergibt einen Vorrang der Qualitätssicherung zugunsten der hiervon betroffenen Individual- und Gemeinwohlbelange. Die Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten sichert eine (Mindest-)Erfahrung des Behandlungsteams, die mit Wahrscheinlichkeit nach der aufgezeigten Studienlage die besonders hohe Mortalität bei Level-1-Geburten reduzieren kann. Die Studienlage belegt, wie dringlich solche Qualitätssicherung ist. So betrug zB im Jahr 2011 in Deutschland der Anteil der VLBW-Geburten an allen Lebendgeburten 1,233 %, ihr Anteil an den Todesfällen der lebend geborenen Kinder im ersten Lebensjahr dagegen 41,32 % (Quelle: Statistisches Bundesamt). Die Mortalität von Level-1-Geburten war bezogen auf die Jahre 2004 bis 2008 im Vergleich zu Level-2-Geburten sogar um den Faktor 10,12 höher (Angabe nach Ausführungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft in der Plenumssitzung am 17.6.2010 unter Auswertung von aufgrund der NICU-Vereinbarung erhobenen Ergebnisdaten).

57

7. Die Heraufsetzung der jährlichen Mindestmenge für Level-1-Geburten von 14 auf 30 Behandlungsfälle je Krankenhaus mit ausgewiesenem Level 1 (Beschluss vom 17.6.2010) ist indes nichtig. Der Beklagte ermittelte den zugrunde liegenden Sachverhalt unzureichend, als er die jährliche Mindestmenge für Level-1-Geburten erhöhte. Er gelangte dadurch fehlerhaft zur Überzeugung, dass die neue höhere Mindestmenge die Mortalität bei der Behandlung von Level-1-Geburten bundesweit einheitlich stärker reduzieren könne.

58

Der Beklagte ist - wie dargelegt - grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen eines gestuften Verfahrens eine zunächst niedriger festgesetzte Mindestmenge anzuheben, wenn die Studienlage eine Bandbreite von gleichermaßen geeigneten Mindestmengen aufzeigt. Der Beklagte konnte von einer solchen Datenlage für die Erhöhung der Mindestmenge nicht ohne Weiteres ausgehen. So sah sich das IQWiG in seinem Abschlussbericht nachvollziehbar außerstande, Schwellenwerte, eine bestimmte Mindestmenge oder auch nur einen Mindestmengenkorridor vorzuschlagen. Während für die Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten wie dargelegt ergänzend zu den statistischen Grundlagen der Erfahrungssatz streitet, dass eine kontinuierliche Befassung eines Level-1-Zentrums mit der Behandlung sehr geringgewichtiger Früh- und Neugeborener durch das ganze Jahr hindurch notwendig ist, konnte der Beklagte hierauf für die Erhöhung der Mindestmenge auf 30 Level-1-Geburten nicht zurückgreifen.

59

Der Rechtsgedanke einer Beweiserleichterung (vgl dazu allgemein zB BSG SozR 4-1500 § 128 Nr 5 RdNr 15; BSG SozR 3-1750 § 444 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-1500 § 128 Nr 11 S 17 ff mwN; Hauck in Hennig, SGG, Stand Dezember 2012, § 103 RdNr 75 ff)kommt schon im Ansatz zu Gunsten des Beklagten nicht (mehr) in Betracht. Er verfügt nämlich zur Beschaffung und Auswertung der hierfür erforderlichen Daten inzwischen über ein umfassendes Rechtsinstrumentarium (§§ 137a, 299 SGB V, § 21 Abs 3a Krankenhausentgeltgesetz). Er muss das ihm verfügbare Instrumentarium indes auch nutzen, um sich nach Einführung von Mindestmengen bei einer Datenlage wie der vorliegenden bessere Erkenntnisse zu verschaffen (vgl zur Beobachtungspflicht bei RL BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 74 ff mwN). Der Beklagte strebt zu Recht in diesem Sinne grundsätzlich selbst eine wissenschaftliche Begleitung der Auswirkungen von Mindestmengen an (vgl § 3 Abs 3 Mm-R). In diesem Sinne empfahl auch das IQWiG, im Falle der Festsetzung einer Mindestmenge deren Auswirkungen anhand einer differenzierten Begleitevaluation auszuwerten (vgl Abschlussbericht S 56 ff).

60

Der Beklagte setzte eine solche Begleitevaluation seit Festsetzung einer Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten nicht ins Werk. Auch sonst konnte sich der Beklagte nicht auf neuere Studien stützen, die geeignet gewesen wären, die Anhebung der letztlich auf Plausibilitätserwägungen gestützten Mindestmenge auf jährlich 30 Level-1-Geburten in der erforderlichen Qualität zu begründen. Die im Abschlussbericht des IQWiG als "Trend zur Risikoreduktion" bezeichnete statistische Korrelation zwischen Mengenzunahme und Mortalitätsabnahme, welchen auch zwischenzeitlich erschienene Studien belegen, genügt allein hierfür nicht. Sie müsste ergänzend durch weitere medizinische Erfahrungssätze untermauert sein, an denen es aber fehlt. Im Gegenteil kommt bei der umstrittenen Erhöhung der Mindestmenge in Betracht, dass in einzelnen Regionen Deutschlands durch den Ausschluss von Abteilungen mit überdurchschnittlicher Qualität die Behandlungsqualität insgesamt mit der Folge sinkt, dass den in einer Region zusätzlich überlebenden Kindern, solche in nennenswerter Zahl gegenüberstehen, die in einer anderen Region zusätzlich sterben.

61

Bereits der mit Daten unterlegte Vortrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (17.6.2010) deutete an, dass sich jenseits der Mindestmenge 14 eine mengenunabhängige erhebliche Variabilität der Behandlungsergebnisse ergibt. Dies deckt sich mit der auch im Abschlussbericht des IQWiG als valide angesehenen Studie von Rogowski et al (JAMA 2004 <291>, 202, 208) und der dort dargestellten Auffassung, dass eine Steuerung über die beobachtete Mortalität deutlich effektiver sein kann als eine Steuerung über die Menge. Die inzwischen veröffentlichte Studie von Kutschmann et al (DÄBl 2012 <109>, 519) bestätigt den Befund eines hohen Prozentsatzes falschpositiver Ergebnisse bei Krankenhäuser mit Fallzahlen von ≥ 30 Level-1-Geburten und falschnegativer Ergebnisse bei Krankenhäusern mit Fallzahlen von 14 bis 29 Level-1-Geburten. Die Autoren der Studie werteten den vollständigen Datensatz der Neonatalerhebungen 2007 bis 2009 der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen aus. Sie kamen wie auch schon andere Studien, die zum Teil im Abschlussbericht des IQWiG ausgewertet sind, zum Teil aber auch neueren Datums sind (Trotter/Pohlandt, Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie 2010 <214>, 55; Chung et al, Med Care 2010 <48>, 635), zwar zum Ergebnis, dass die risikoadjustierte Mortalität in der Gruppe der Abteilungen mit höheren Fallzahlen (hier von mindestens 30) signifikant niedriger ist als in der Gruppe kleinerer Abteilungen (Kutschmann et al, aaO, S 525). Zugleich konstatierten sie aber, dass die Mortalitätsrate bei Level-1-Geburten nicht linear mit steigender Zahl behandelter Kinder sank. Vielmehr behandelten mit überdurchschnittlicher Qualität unter Berücksichtigung risikoadjustierter Mortalität 56 % der Abteilungen mit einer Fallzahl von jährlich mindestens 30 Frühgeborenen, aber auch immerhin 44 % der Abteilungen mit einer Fallzahl von 14 bis 29 Frühgeborenen (Kutschmann et al, aaO, S 525). Auch Trotter/Pohlandt (aaO S 58) kommen zu vergleichbaren Schlüssen.

62

Der Beklagte schuf anlässlich der angegriffenen Erhöhung der Mindestmenge auch keine Ausnahmetatbestände, die die drohenden Folgen einer regionalen Qualitätsminderung bei einer Erhöhung der Mindestmenge auf 30 verhindern. Ein solches Vorgehen auf der Basis einer validen Begleitevaluation könnte eine Erhöhung der Mindestmenge rechtmäßig machen. Der Beklagte kann auf der Grundlage spezifischerer Erkenntnisse eine Veränderung der Mindestmengenregelung beschließen, die eine Qualitätsverbesserung ohne Gefahr regionaler Qualitätsminderung erwarten lässt. Hierbei muss er auch berücksichtigen, dass eine Regelung, die ein überdurchschnittlich leistungsfähiges Krankenhaus von der Leistungserbringung durch eine Mindestmenge ausschließt, als erheblicher Eingriff in die durch Art 12 Abs 1 S 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit nur dann - wie dargelegt - gerechtfertigt ist, wenn dieser Eingriff in die Berufsfreiheit nicht weiter geht, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern.

63

8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1 und Abs 3 S 1, § 52 Abs 1 und 4 sowie § 47 Abs 1 und Abs 2 S 1 GKG.

(1) Die Krankenkassen erhalten als Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds (§ 271) zur Deckung ihrer Ausgaben eine Grundpauschale und risikoadjustierte Zu- und Abschläge zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen und Zuweisungen für sonstige Ausgaben (§ 270). Mit den risikoadjustierten Zuweisungen wird jährlich ein Risikostrukturausgleich durchgeführt. Durch diesen werden die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden zwischen den Krankenkassen ausgeglichen, die sich aus der Verteilung der Versicherten auf nach Risikomerkmalen getrennte Risikogruppen gemäß Absatz 2 ergeben.

(2) Die Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen erfolgt anhand der Risikomerkmale Alter, Geschlecht, Morbidität, regionalen Merkmalen und danach, ob die Mitglieder Anspruch auf Krankengeld nach § 44 haben. Die Morbidität der Versicherten wird auf der Grundlage von Diagnosen, Diagnosegruppen, Indikationen, Indikationengruppen, medizinischen Leistungen oder Kombinationen dieser Merkmale unmittelbar berücksichtigt. Regionale Merkmale sind solche, die die unterschiedliche Ausgabenstruktur der Region beeinflussen können.

(3) Die Grundpauschale und die risikoadjustierten Zu- und Abschläge dienen zur Deckung der standardisierten Leistungsausgaben der Krankenkassen.

(4) Die Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben nach Absatz 3 orientiert sich an der Höhe der durchschnittlichen krankheitsspezifischen Leistungsausgaben der den Risikogruppen zugeordneten Versicherten. Dabei bleiben außer Betracht

1.
die von Dritten erstatteten Ausgaben,
2.
Aufwendungen für satzungsgemäße Mehr- und Erprobungsleistungen sowie für Leistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.
Die Aufwendungen für die Leistungen der Knappschaftsärzte und -zahnärzte werden in der gleichen Weise berechnet wie für Vertragsärzte und -zahnärzte.

(5) Die Bildung der Risikogruppen nach Absatz 2 und die Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben nach Absatz 3 erfolgt nach Kriterien, die zugleich

1.
Anreize zu Risikoselektion verringern und
2.
keine Anreize zu medizinisch nicht gerechtfertigten Leistungsausweitungen setzen.

(6) Das Bundesamt für Soziale Sicherung ermittelt die Höhe der Zuweisungen und weist die entsprechenden Mittel den Krankenkassen zu. Es gibt für die Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 jährlich bekannt

1.
die Höhe der standardisierten Leistungsausgaben aller am Ausgleich beteiligten Krankenkassen je Versicherten, getrennt nach Risikogruppen nach Absatz 2, und
2.
die Höhe der risikoadjustierten Zu- und Abschläge.
Das Bundesamt für Soziale Sicherung kann zum Zwecke der einheitlichen Zuordnung und Erfassung der für die Berechnung maßgeblichen Daten über die Vorlage der Geschäfts- und Rechnungsergebnisse hinaus weitere Auskünfte und Nachweise verlangen.

(7) Das Bundesamt für Soziale Sicherung stellt im Voraus für ein Kalenderjahr die Werte nach Absatz 6 Satz 2 Nr. 1 und 2 vorläufig fest. Es legt bei der Berechnung der Höhe der monatlichen Zuweisungen die Werte nach Satz 1 und die zuletzt erhobenen Versichertenzahlen der Krankenkassen je Risikogruppe nach Absatz 2 zugrunde. Nach Ablauf des Kalenderjahres ist die Höhe der Zuweisungen für jede Krankenkasse vom Bundesamt für Soziale Sicherung aus den für dieses Jahr erstellten Geschäfts- und Rechnungsergebnissen und den für dieses Jahr erhobenen Versichertenzahlen der beteiligten Krankenkassen zu ermitteln. Die nach Satz 2 erhaltenen Zuweisungen gelten als Abschlagszahlungen. Sie sind nach der Ermittlung der endgültigen Höhe der Zuweisung für das Geschäftsjahr nach Satz 3 auszugleichen. Werden nach Abschluss der Ermittlung der Werte nach Satz 3 sachliche oder rechnerische Fehler in den Berechnungsgrundlagen festgestellt, hat das Bundesamt für Soziale Sicherung diese bei der nächsten Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach den dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen. Klagen gegen die Höhe der Zuweisungen im Risikostrukturausgleich einschließlich der hierauf entfallenden Nebenkosten haben keine aufschiebende Wirkung.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über

1.
die Ermittlung der Höhe der Grundpauschale nach Absatz 1 Satz 1, der Werte nach Absatz 6 sowie die Art, den Umfang und den Zeitpunkt der Bekanntmachung der für die Durchführung des Risikoausgleichsverfahrens erforderlichen Berechnungswerte,
2.
die Abgrenzung und die Verfahren der Standardisierung der Leistungsausgaben nach den Absätzen 3 bis 6; dabei können für Risikogruppen, die nach dem Anspruch der Mitglieder auf Krankengeld zu bilden sind, besondere Standardisierungsverfahren und Abgrenzungen für die Berücksichtigung des Krankengeldes geregelt werden,
2a.
die Abgrenzung und die Verfahren der Standardisierung der sonstigen Ausgaben nach § 270, die Kriterien der Zuweisung der Mittel zur Deckung dieser Ausgaben sowie das Verfahren der Verarbeitung der nach § 270 Absatz 2 zu übermittelnden Daten,
2b.
die Abgrenzung der zu berücksichtigenden Risikogruppen nach Absatz 2 einschließlich der Altersabstände zwischen den Altersgruppen, auch abweichend von Absatz 2; hierzu gehört auch die Festlegung des Verfahrens zur Auswahl der regionalen Merkmale,
3.
die Festlegung der Anforderungen an die Zulassung der Programme nach § 137g hinsichtlich des Verfahrens der Einschreibung der Versicherten einschließlich der Dauer der Teilnahme und des Verfahrens der Verarbeitung der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten,
4.
die Berechnungsverfahren sowie die Durchführung des Zahlungsverkehrs,
5.
die Fälligkeit der Beträge und die Erhebung von Säumniszuschlägen,
6.
das Verfahren und die Durchführung des Ausgleichs einschließlich des Ausschlusses von Risikogruppen, die anhand der Morbidität der Versicherten gebildet werden, mit den höchsten relativen Steigerungsraten,
7.
die Umsetzung der Vorgaben nach Absatz 5 und 12,
8.
die Vergütung des wissenschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung für die Erstellung von Gutachten nach Absatz 10,
9.
die Prüfung der von den Krankenkassen mitzuteilenden Daten durch die mit der Prüfung nach § 274 befassten Stellen einschließlich der Folgen fehlerhafter Datenlieferungen oder nicht prüfbarer Daten sowie das Verfahren der Prüfung und der Prüfkriterien, auch abweichend von § 274.
Abweichend von Satz 1 können die Verordnungsregelungen zu Satz 1 Nr. 3 ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden.

(9) Die landwirtschaftliche Krankenkasse nimmt am Risikostrukturausgleich nicht teil.

(10) Die Wirkungen des Risikostrukturausgleichs insbesondere auf den Wettbewerb der Krankenkassen und die Manipulationsresistenz des Risikostrukturausgleichs sind regelmäßig, mindestens alle vier Jahre, durch den wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung in einem Gutachten zu überprüfen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann den Gegenstand des Gutachtens näher bestimmen; im Jahr 2023 sind gesondert die Wirkungen der regionalen Merkmale als Risikomerkmal im Risikostrukturausgleich zu untersuchen. Die Wirkungen des Ausschlusses von Risikogruppen nach § 18 Absatz 1 Satz 4 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung insbesondere auf die Manipulationsresistenz und Zielgenauigkeit des Risikostrukturausgleichs einschließlich der Einhaltung der Vorgaben des § 266 Absatz 5 sind zusätzlich zu dem Gutachten nach Satz 2 zweiter Halbsatz durch den wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung im Jahr 2023 zu untersuchen. Für den Zweck des Gutachtens nach Satz 3 ist auch die Veränderung der Häufigkeit der Diagnosen nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 unter Berücksichtigung der Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen zu untersuchen.

(11) Die Krankenkassen erhalten die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für die Ausgleichsjahre 2019 und 2020 nach Maßgabe der §§ 266 bis 270 in der bis zum 31. März 2020 geltenden Fassung. Die Anpassung der Datenmeldung nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung gemäß § 7 Absatz 1 Satz 3 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung ist ab dem Ausgleichsjahr 2021 bei den Zuweisungen nach Absatz 3 zu berücksichtigen. Die Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen, die nach dem Anspruch der Mitglieder auf Krankengeld zu bilden sind, erfolgt für das Ausgleichsjahr 2020 danach, ob die Mitglieder Anspruch auf Krankengeld nach den §§ 44 und 45 haben.

(12) Bei den Zuweisungen nach Absatz 3 werden die finanziellen Auswirkungen der Bildung von Risikogruppen anhand von regionalen Merkmalen nach Absatz 2 durch Zu- und Abschläge im Ausgleichsjahr 2021 auf 75 Prozent begrenzt. Die Begrenzung erfolgt für alle Länder jeweils einheitlich für die Summe der Zuweisungen nach Absatz 3 für die Versicherten mit Wohnsitz in einem Land. Durch die Zu- und Abschläge werden 25 Prozent der Differenz der hypothetischen Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 ohne Bildung von Risikogruppen anhand von regionalen Merkmalen und der Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 einheitlich auf die Versicherten mit Wohnsitz in einem Land verteilt.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

(1) Die Krankenkassen erhalten als Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds (§ 271) zur Deckung ihrer Ausgaben eine Grundpauschale und risikoadjustierte Zu- und Abschläge zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen und Zuweisungen für sonstige Ausgaben (§ 270). Mit den risikoadjustierten Zuweisungen wird jährlich ein Risikostrukturausgleich durchgeführt. Durch diesen werden die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden zwischen den Krankenkassen ausgeglichen, die sich aus der Verteilung der Versicherten auf nach Risikomerkmalen getrennte Risikogruppen gemäß Absatz 2 ergeben.

(2) Die Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen erfolgt anhand der Risikomerkmale Alter, Geschlecht, Morbidität, regionalen Merkmalen und danach, ob die Mitglieder Anspruch auf Krankengeld nach § 44 haben. Die Morbidität der Versicherten wird auf der Grundlage von Diagnosen, Diagnosegruppen, Indikationen, Indikationengruppen, medizinischen Leistungen oder Kombinationen dieser Merkmale unmittelbar berücksichtigt. Regionale Merkmale sind solche, die die unterschiedliche Ausgabenstruktur der Region beeinflussen können.

(3) Die Grundpauschale und die risikoadjustierten Zu- und Abschläge dienen zur Deckung der standardisierten Leistungsausgaben der Krankenkassen.

(4) Die Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben nach Absatz 3 orientiert sich an der Höhe der durchschnittlichen krankheitsspezifischen Leistungsausgaben der den Risikogruppen zugeordneten Versicherten. Dabei bleiben außer Betracht

1.
die von Dritten erstatteten Ausgaben,
2.
Aufwendungen für satzungsgemäße Mehr- und Erprobungsleistungen sowie für Leistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.
Die Aufwendungen für die Leistungen der Knappschaftsärzte und -zahnärzte werden in der gleichen Weise berechnet wie für Vertragsärzte und -zahnärzte.

(5) Die Bildung der Risikogruppen nach Absatz 2 und die Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben nach Absatz 3 erfolgt nach Kriterien, die zugleich

1.
Anreize zu Risikoselektion verringern und
2.
keine Anreize zu medizinisch nicht gerechtfertigten Leistungsausweitungen setzen.

(6) Das Bundesamt für Soziale Sicherung ermittelt die Höhe der Zuweisungen und weist die entsprechenden Mittel den Krankenkassen zu. Es gibt für die Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 jährlich bekannt

1.
die Höhe der standardisierten Leistungsausgaben aller am Ausgleich beteiligten Krankenkassen je Versicherten, getrennt nach Risikogruppen nach Absatz 2, und
2.
die Höhe der risikoadjustierten Zu- und Abschläge.
Das Bundesamt für Soziale Sicherung kann zum Zwecke der einheitlichen Zuordnung und Erfassung der für die Berechnung maßgeblichen Daten über die Vorlage der Geschäfts- und Rechnungsergebnisse hinaus weitere Auskünfte und Nachweise verlangen.

(7) Das Bundesamt für Soziale Sicherung stellt im Voraus für ein Kalenderjahr die Werte nach Absatz 6 Satz 2 Nr. 1 und 2 vorläufig fest. Es legt bei der Berechnung der Höhe der monatlichen Zuweisungen die Werte nach Satz 1 und die zuletzt erhobenen Versichertenzahlen der Krankenkassen je Risikogruppe nach Absatz 2 zugrunde. Nach Ablauf des Kalenderjahres ist die Höhe der Zuweisungen für jede Krankenkasse vom Bundesamt für Soziale Sicherung aus den für dieses Jahr erstellten Geschäfts- und Rechnungsergebnissen und den für dieses Jahr erhobenen Versichertenzahlen der beteiligten Krankenkassen zu ermitteln. Die nach Satz 2 erhaltenen Zuweisungen gelten als Abschlagszahlungen. Sie sind nach der Ermittlung der endgültigen Höhe der Zuweisung für das Geschäftsjahr nach Satz 3 auszugleichen. Werden nach Abschluss der Ermittlung der Werte nach Satz 3 sachliche oder rechnerische Fehler in den Berechnungsgrundlagen festgestellt, hat das Bundesamt für Soziale Sicherung diese bei der nächsten Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach den dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen. Klagen gegen die Höhe der Zuweisungen im Risikostrukturausgleich einschließlich der hierauf entfallenden Nebenkosten haben keine aufschiebende Wirkung.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über

1.
die Ermittlung der Höhe der Grundpauschale nach Absatz 1 Satz 1, der Werte nach Absatz 6 sowie die Art, den Umfang und den Zeitpunkt der Bekanntmachung der für die Durchführung des Risikoausgleichsverfahrens erforderlichen Berechnungswerte,
2.
die Abgrenzung und die Verfahren der Standardisierung der Leistungsausgaben nach den Absätzen 3 bis 6; dabei können für Risikogruppen, die nach dem Anspruch der Mitglieder auf Krankengeld zu bilden sind, besondere Standardisierungsverfahren und Abgrenzungen für die Berücksichtigung des Krankengeldes geregelt werden,
2a.
die Abgrenzung und die Verfahren der Standardisierung der sonstigen Ausgaben nach § 270, die Kriterien der Zuweisung der Mittel zur Deckung dieser Ausgaben sowie das Verfahren der Verarbeitung der nach § 270 Absatz 2 zu übermittelnden Daten,
2b.
die Abgrenzung der zu berücksichtigenden Risikogruppen nach Absatz 2 einschließlich der Altersabstände zwischen den Altersgruppen, auch abweichend von Absatz 2; hierzu gehört auch die Festlegung des Verfahrens zur Auswahl der regionalen Merkmale,
3.
die Festlegung der Anforderungen an die Zulassung der Programme nach § 137g hinsichtlich des Verfahrens der Einschreibung der Versicherten einschließlich der Dauer der Teilnahme und des Verfahrens der Verarbeitung der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten,
4.
die Berechnungsverfahren sowie die Durchführung des Zahlungsverkehrs,
5.
die Fälligkeit der Beträge und die Erhebung von Säumniszuschlägen,
6.
das Verfahren und die Durchführung des Ausgleichs einschließlich des Ausschlusses von Risikogruppen, die anhand der Morbidität der Versicherten gebildet werden, mit den höchsten relativen Steigerungsraten,
7.
die Umsetzung der Vorgaben nach Absatz 5 und 12,
8.
die Vergütung des wissenschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung für die Erstellung von Gutachten nach Absatz 10,
9.
die Prüfung der von den Krankenkassen mitzuteilenden Daten durch die mit der Prüfung nach § 274 befassten Stellen einschließlich der Folgen fehlerhafter Datenlieferungen oder nicht prüfbarer Daten sowie das Verfahren der Prüfung und der Prüfkriterien, auch abweichend von § 274.
Abweichend von Satz 1 können die Verordnungsregelungen zu Satz 1 Nr. 3 ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden.

(9) Die landwirtschaftliche Krankenkasse nimmt am Risikostrukturausgleich nicht teil.

(10) Die Wirkungen des Risikostrukturausgleichs insbesondere auf den Wettbewerb der Krankenkassen und die Manipulationsresistenz des Risikostrukturausgleichs sind regelmäßig, mindestens alle vier Jahre, durch den wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung in einem Gutachten zu überprüfen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann den Gegenstand des Gutachtens näher bestimmen; im Jahr 2023 sind gesondert die Wirkungen der regionalen Merkmale als Risikomerkmal im Risikostrukturausgleich zu untersuchen. Die Wirkungen des Ausschlusses von Risikogruppen nach § 18 Absatz 1 Satz 4 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung insbesondere auf die Manipulationsresistenz und Zielgenauigkeit des Risikostrukturausgleichs einschließlich der Einhaltung der Vorgaben des § 266 Absatz 5 sind zusätzlich zu dem Gutachten nach Satz 2 zweiter Halbsatz durch den wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesamt für Soziale Sicherung im Jahr 2023 zu untersuchen. Für den Zweck des Gutachtens nach Satz 3 ist auch die Veränderung der Häufigkeit der Diagnosen nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 unter Berücksichtigung der Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen zu untersuchen.

(11) Die Krankenkassen erhalten die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für die Ausgleichsjahre 2019 und 2020 nach Maßgabe der §§ 266 bis 270 in der bis zum 31. März 2020 geltenden Fassung. Die Anpassung der Datenmeldung nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung gemäß § 7 Absatz 1 Satz 3 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung ist ab dem Ausgleichsjahr 2021 bei den Zuweisungen nach Absatz 3 zu berücksichtigen. Die Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen, die nach dem Anspruch der Mitglieder auf Krankengeld zu bilden sind, erfolgt für das Ausgleichsjahr 2020 danach, ob die Mitglieder Anspruch auf Krankengeld nach den §§ 44 und 45 haben.

(12) Bei den Zuweisungen nach Absatz 3 werden die finanziellen Auswirkungen der Bildung von Risikogruppen anhand von regionalen Merkmalen nach Absatz 2 durch Zu- und Abschläge im Ausgleichsjahr 2021 auf 75 Prozent begrenzt. Die Begrenzung erfolgt für alle Länder jeweils einheitlich für die Summe der Zuweisungen nach Absatz 3 für die Versicherten mit Wohnsitz in einem Land. Durch die Zu- und Abschläge werden 25 Prozent der Differenz der hypothetischen Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 ohne Bildung von Risikogruppen anhand von regionalen Merkmalen und der Höhe der Zuweisungen nach Absatz 3 einheitlich auf die Versicherten mit Wohnsitz in einem Land verteilt.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Förderung der Qualität ein gestuftes System von Folgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen nach den §§ 136 bis 136c festzulegen. Er ist ermächtigt, neben Maßnahmen zur Beratung und Unterstützung bei der Qualitätsverbesserung je nach Art und Schwere von Verstößen gegen wesentliche Qualitätsanforderungen angemessene Durchsetzungsmaßnahmen vorzusehen. Solche Maßnahmen können insbesondere sein

1.
Vergütungsabschläge,
2.
der Wegfall des Vergütungsanspruchs für Leistungen, bei denen Mindestanforderungen nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 nicht erfüllt sind,
3.
die Information Dritter über die Verstöße,
4.
die einrichtungsbezogene Veröffentlichung von Informationen zur Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen.
Die Maßnahmen sind verhältnismäßig zu gestalten und anzuwenden. Der Gemeinsame Bundesausschuss trifft die Festlegungen nach den Sätzen 1 bis 4 und zu den Stellen, denen die Durchsetzung der Maßnahmen obliegt, in grundsätzlicher Weise in einer Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 13. Die Festlegungen nach Satz 5 sind vom Gemeinsamen Bundesausschuss in einzelnen Richtlinien und Beschlüssen jeweils für die in ihnen geregelten Qualitätsanforderungen zu konkretisieren. Bei wiederholten oder besonders schwerwiegenden Verstößen kann er von dem nach Satz 1 vorgegebenen gestuften Verfahren abweichen.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seinen Richtlinien über Maßnahmen der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung eine Dokumentationsrate von 100 Prozent für dokumentationspflichtige Datensätze der Leistungserbringer fest. Er hat bei der Unterschreitung dieser Dokumentationsrate Vergütungsabschläge vorzusehen, es sei denn, der Leistungserbringer weist nach, dass die Unterschreitung unverschuldet ist.

(3) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in einer Richtlinie die Einzelheiten zu den Kontrollen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nach § 275a, die durch Anhaltspunkte begründet sein müssen,, die die Einhaltung der Qualitätsanforderungen nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder § 136a Absatz 5 zum Gegenstand haben oder als Stichprobenprüfungen erforderlich sind. Er trifft insbesondere Festlegungen, welche Stellen die Kontrollen beauftragen, welche Anhaltspunkte Kontrollen auch unangemeldet rechtfertigen, zu Art, Umfang und zum Verfahren der Kontrollen sowie zum Umgang mit den Ergebnissen und zu deren Folgen. Die Krankenkassen und die die Kontrollen beauftragenden Stellen sind befugt und verpflichtet, die für das Verfahren zur Durchführung von Stichprobenprüfungen erforderlichen einrichtungsbezogenen Daten an die vom Gemeinsamen Bundesausschuss zur Auswahl der zu prüfenden Leistungserbringer bestimmte Stelle zu übermitteln, und diese Stelle ist befugt, die ihr übermittelten Daten zu diesem Zweck zu verarbeiten, soweit dies in der Richtlinie nach Satz 1 vorgesehen ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat bei den Festlegungen nach Satz 2 vorzusehen, dass die nach Absatz 1 Satz 5 für die Durchsetzung der Qualitätsanforderungen zuständigen Stellen zeitnah einrichtungsbezogen über die Prüfergebnisse informiert werden. Er legt fest, in welchen Fällen der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Prüfergebnisse wegen erheblicher Verstöße gegen Qualitätsanforderungen unverzüglich einrichtungsbezogen an Dritte, insbesondere an jeweils zuständige Behörden der Länder zu übermitteln hat. Die Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach den Sätzen 1 und 2 sollen eine möglichst aufwandsarme Durchführung der Kontrollen nach § 275a unterstützen.

(1) Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung umfasst die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehören nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 insbesondere folgende Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen, seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen:

1.
Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen wie
a)
onkologische Erkrankungen,
b)
rheumatologische Erkrankungen,
c)
HIV/AIDS,
d)
Herzinsuffizienz
(NYHA Stadium 3 – 4),
e)
Multiple Sklerose,
f)
zerebrale Anfallsleiden (Epilepsie),
g)
komplexe Erkrankungen im Rahmen der pädiatrischen Kardiologie,
h)
Folgeschäden bei Frühgeborenen oder
i)
Querschnittslähmung bei Komplikationen, die eine interdisziplinäre Versorgung erforderlich machen;
bei Erkrankungen nach den Buchstaben c bis i umfasst die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nur schwere Verlaufsformen der jeweiligen Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen;
2.
seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen wie
a)
Tuberkulose,
b)
Mukoviszidose,
c)
Hämophilie,
d)
Fehlbildungen, angeborene Skelettsystemfehlbildungen und neuromuskuläre Erkrankungen,
e)
schwerwiegende immunologische Erkrankungen,
f)
biliäre Zirrhose,
g)
primär sklerosierende Cholangitis,
h)
Morbus Wilson,
i)
Transsexualismus,
j)
Versorgung von Kindern mit angeborenen Stoffwechselstörungen,
k)
Marfan-Syndrom,
l)
pulmonale Hypertonie,
m)
Kurzdarmsyndrom oder
n)
Versorgung von Patienten vor oder nach Organtransplantation und von lebenden Spendern sowie
3.
hochspezialisierte Leistungen wie
a)
CT/MRT-gestützte interventionelle schmerztherapeutische Leistungen oder
b)
Brachytherapie.
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden können Gegenstand des Leistungsumfangs in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sein, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss im Rahmen der Beschlüsse nach § 137c für die Krankenhausbehandlung keine ablehnende Entscheidung getroffen hat.

(2) An der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer und nach § 108 zugelassene Krankenhäuser sind berechtigt, Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach Absatz 1, deren Behandlungsumfang der Gemeinsame Bundesausschuss nach den Absätzen 4 und 5 bestimmt hat, zu erbringen, soweit sie die hierfür jeweils maßgeblichen Anforderungen und Voraussetzungen nach den Absätzen 4 und 5 erfüllen und dies gegenüber dem nach Maßgabe des Absatzes 3 Satz 1 erweiterten Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 90 Absatz 1 unter Beifügung entsprechender Belege anzeigen. Soweit der Abschluss von Vereinbarungen nach Absatz 4 Satz 9 und 10 zwischen den in Satz 1 genannten Leistungserbringern erforderlich ist, sind diese im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach Satz 1 ebenfalls vorzulegen. Dies gilt nicht, wenn der Leistungserbringer glaubhaft versichert, dass ihm die Vorlage aus den in Absatz 4 Satz 11 zweiter Halbsatz genannten Gründen nicht möglich ist. Der Leistungserbringer ist nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten nach Eingang seiner Anzeige zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung berechtigt, es sei denn, der Landesausschuss nach Satz 1 teilt ihm innerhalb dieser Frist mit, dass er die Anforderungen und Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt. Der Landesausschuss nach Satz 1 kann von dem anzeigenden Leistungserbringer zusätzlich erforderliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist nach Satz 4 unterbrochen. Danach läuft die Frist weiter; der Zeitraum der Unterbrechung wird in die Frist nicht eingerechnet. Nach Satz 4 berechtigte Leistungserbringer haben ihre Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung sowie der Landeskrankenhausgesellschaft zu melden und dabei den Erkrankungs- und Leistungsbereich anzugeben, auf den sich die Berechtigung erstreckt. Erfüllt der Leistungserbringer die für ihn nach den Sätzen 1 und 2 maßgeblichen Voraussetzungen für die Berechtigung zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nicht mehr, hat er dies unverzüglich unter Angabe des Zeitpunkts ihres Wegfalls gegenüber dem Landesausschuss nach Satz 1 anzuzeigen sowie den in Satz 7 genannten Stellen zu melden. Der Landesausschuss nach Satz 1 kann einen an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer aus gegebenem Anlass sowie unabhängig davon nach Ablauf von mindestens fünf Jahren seit seiner erstmaligen Teilnahmeanzeige oder der letzten späteren Überprüfung seiner Teilnahmeberechtigung auffordern, ihm gegenüber innerhalb einer Frist von zwei Monaten nachzuweisen, dass er die Voraussetzungen für seine Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung weiterhin erfüllt. Die Sätze 4, 5 und 8 gelten entsprechend.

(3) Für die Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 2 wird der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 90 Absatz 1 um Vertreter der Krankenhäuser in der gleichen Zahl erweitert, wie sie nach § 90 Absatz 2 jeweils für die Vertreter der Krankenkassen und die Vertreter der Ärzte vorgesehen ist (erweiterter Landesausschuss). Die Vertreter der Krankenhäuser werden von der Landeskrankenhausgesellschaft bestellt. Über den Vorsitzenden des erweiterten Landesausschusses und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen sowie die Landeskrankenhausgesellschaft einigen. Kommt eine Einigung nicht zustande, werden sie durch die für die Sozialversicherung zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Landes im Benehmen mit den beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen sowie der Landeskrankenhausgesellschaft berufen. Die dem Landesausschuss durch die Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 2 entstehenden Kosten werden zur Hälfte von den Verbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen sowie zu je einem Viertel von den beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen und der Landeskrankenhausgesellschaft getragen. Der erweiterte Landesausschuss beschließt mit einfacher Mehrheit; bei der Gewichtung der Stimmen zählen die Stimmen der Vertreter der Krankenkassen doppelt. Der erweiterte Landesausschuss kann für die Beschlussfassung über Entscheidungen im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach Absatz 2 in seiner Geschäftsordnung abweichend von Satz 1 die Besetzung mit einer kleineren Zahl von Mitgliedern festlegen; die Mitberatungsrechte nach § 90 Absatz 4 Satz 2 sowie § 140f Absatz 3 bleiben unberührt. Er ist befugt, geeignete Dritte ganz oder teilweise mit der Durchführung von Aufgaben nach Absatz 2 zu beauftragen und kann hierfür nähere Vorgaben beschließen.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in einer Richtlinie bis zum 31. Dezember 2012 das Nähere zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach Absatz 1. Er konkretisiert die Erkrankungen nach Absatz 1 Satz 2 nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der jeweiligen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung oder nach weiteren von ihm festzulegenden Merkmalen und bestimmt den Behandlungsumfang. In Bezug auf Krankenhäuser, die an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmen, hat der Gemeinsame Bundesausschuss für Leistungen, die sowohl ambulant spezialfachärztlich als auch teilstationär oder stationär erbracht werden können, allgemeine Tatbestände zu bestimmen, bei deren Vorliegen eine ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung ausnahmsweise nicht ausreichend ist und eine teilstationäre oder stationäre Durchführung erforderlich sein kann. Er regelt die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung sowie sonstige Anforderungen an die Qualitätssicherung unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3. Bei Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen setzt die ambulante spezialfachärztliche Versorgung die Überweisung durch einen Vertragsarzt voraus; das Nähere hierzu regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach Satz 1. Satz 5 gilt nicht bei Zuweisung von Versicherten aus dem stationären Bereich. Für seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss, in welchen Fällen die ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung die Überweisung durch den behandelnden Arzt voraussetzt. Für die Behandlung von Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1, bei denen es sich nicht zugleich um seltene Erkrankungen oder Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen handelt, kann er Empfehlungen als Entscheidungshilfe für den behandelnden Arzt abgeben, in welchen medizinischen Fallkonstellationen bei der jeweiligen Krankheit von einem besonderen Krankheitsverlauf auszugehen ist. Zudem kann er für die Versorgung bei Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen Regelungen zu Vereinbarungen treffen, die eine Kooperation zwischen den beteiligten Leistungserbringern nach Absatz 2 Satz 1 in diesem Versorgungsbereich fördern. Für die Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen hat er Regelungen für solche Vereinbarungen zu treffen. Diese Vereinbarungen nach den Sätzen 9 und 10 sind Voraussetzung für die Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung, es sei denn, dass ein Leistungserbringer eine Vereinbarung nach den Sätzen 9 oder 10 nicht abschließen kann, weil in seinem für die ambulante spezialfachärztliche Versorgung relevanten Einzugsbereich

a)
kein geeigneter Kooperationspartner vorhanden ist oder
b)
er dort trotz ernsthaften Bemühens innerhalb eines Zeitraums von mindestens zwei Monaten keinen zur Kooperation mit ihm bereiten geeigneten Leistungserbringer finden konnte.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat spätestens jeweils zwei Jahre nach dem Inkrafttreten eines Richtlinienbeschlusses, der für eine Erkrankung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b getroffen wurde, die Auswirkungen dieses Beschlusses hinsichtlich Qualität, Inanspruchnahme und Wirtschaftlichkeit der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sowie die Erforderlichkeit einer Anpassung dieses Beschlusses zu prüfen. Über das Ergebnis der Prüfung berichtet der Gemeinsame Bundesausschuss dem Bundesministerium für Gesundheit.

(5) Der Gemeinsame Bundesausschuss ergänzt den Katalog nach Absatz 1 Satz 2 auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, einer Trägerorganisation des Gemeinsamen Bundesausschusses oder der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen nach § 140f nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 1 um weitere Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen, seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen. Im Übrigen gilt Absatz 4 entsprechend.

(6) Die Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung werden unmittelbar von der Krankenkasse vergütet; Leistungserbringer können die Kassenärztliche Vereinigung gegen Aufwendungsersatz mit der Abrechnung von Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung beauftragen. Für die Vergütung der Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeinsam und einheitlich die Kalkulationssystematik, diagnosebezogene Gebührenpositionen in Euro sowie deren jeweilige verbindliche Einführungszeitpunkte nach Inkrafttreten der entsprechenden Richtlinien gemäß den Absätzen 4 und 5. Die Kalkulation erfolgt auf betriebswirtschaftlicher Grundlage ausgehend vom einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen unter ergänzender Berücksichtigung der nichtärztlichen Leistungen, der Sachkosten sowie der spezifischen Investitionsbedingungen. Bei den seltenen Erkrankungen und Erkrankungszuständen mit entsprechend geringen Fallzahlen sollen die Gebührenpositionen für die Diagnostik und die Behandlung getrennt kalkuliert werden. Die Vertragspartner können einen Dritten mit der Kalkulation beauftragen. Die Gebührenpositionen sind in regelmäßigen Zeitabständen daraufhin zu überprüfen, ob sie noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungserbringung entsprechen. Kommt eine Vereinbarung nach Satz 2 ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Bis zum Inkrafttreten einer Vereinbarung nach Satz 2 erfolgt die Vergütung auf der Grundlage der vom Bewertungsausschuss gemäß § 87 Absatz 5a bestimmten abrechnungsfähigen ambulanten spezialfachärztlichen Leistungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen mit dem Preis der jeweiligen regionalen Euro-Gebührenordnung. Der Bewertungsausschuss gemäß § 87 Absatz 5a hat den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen bis zum Inkrafttreten einer Vereinbarung nach Satz 2 und jeweils bis spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten der Richtlinien gemäß den Absätzen 4 und 5 insbesondere so anzupassen, dass die Leistungen nach Absatz 1 unter Berücksichtigung der Vorgaben nach den Absätzen 4 und 5 angemessen bewertet sind und nur von den an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern abgerechnet werden können. Die Prüfung der Abrechnung und der Wirtschaftlichkeit sowie der Qualität, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss hierzu in der Richtlinie nach Absatz 4 keine abweichende Regelung getroffen hat, erfolgt durch die Krankenkassen, die hiermit eine Arbeitsgemeinschaft oder den Medizinischen Dienst beauftragen können; ihnen sind die für die Prüfungen erforderlichen Belege und Berechtigungsdaten nach Absatz 2 auf Verlangen vorzulegen. Für die Abrechnung gilt § 295 Absatz 1b Satz 1 entsprechend. Das Nähere über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens sowie über die erforderlichen Vordrucke wird von den Vertragsparteien nach Satz 2 vereinbart; Satz 7 gilt entsprechend. Die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung ist nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7 in den Vereinbarungen nach § 87a Absatz 3 um die Leistungen zu bereinigen, die Bestandteil der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sind. Die Bereinigung darf nicht zulasten des hausärztlichen Vergütungsanteils und der fachärztlichen Grundversorgung gehen. In den Vereinbarungen zur Bereinigung ist auch über notwendige Korrekturverfahren zu entscheiden.

(7) Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nach Absatz 1 schließt die Verordnung von Leistungen nach § 73 Absatz 2 Nummer 5 bis 8 und 12 ein, soweit diese zur Erfüllung des Behandlungsauftrags nach Absatz 2 erforderlich sind; § 73 Absatz 2 Nummer 9 gilt entsprechend. Die Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 gelten entsprechend. Die Vereinbarungen über Vordrucke und Nachweise nach § 87 Absatz 1 Satz 2 sowie die Richtlinien nach § 75 Absatz 7 gelten entsprechend, soweit sie Regelungen zur Verordnung von Leistungen nach Satz 1 betreffen. Verordnungen im Rahmen der Versorgung nach Absatz 1 sind auf den Vordrucken gesondert zu kennzeichnen. Leistungserbringer nach Absatz 2 erhalten ein Kennzeichen nach § 293 Absatz 1 und Absatz 4 Satz 2 Nummer 1, das eine eindeutige Zuordnung im Rahmen der Abrechnung nach den §§ 300 und 302 ermöglicht, und tragen dieses auf die Vordrucke auf. Das Nähere zu Form und Zuweisung der Kennzeichen nach den Sätzen 4 und 5, zur Bereitstellung der Vordrucke sowie zur Auftragung der Kennzeichen auf die Vordrucke ist in der Vereinbarung nach Absatz 6 Satz 12 zu regeln. Für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen nach Satz 1 gilt § 113 Absatz 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Prüfung durch die Prüfungsstellen gegen Kostenersatz durchgeführt wird, soweit die Krankenkasse mit dem Leistungserbringer nach Absatz 2 nichts anderes vereinbart hat.

(8) Bestimmungen, die von einem Land nach § 116b Absatz 2 Satz 1 in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung getroffen wurden, gelten weiter. Bestimmungen nach Satz 1 für eine Erkrankung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder Nummer 2 oder eine hochspezialisierte Leistung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3, für die der Gemeinsame Bundesausschuss das Nähere zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung in der Richtlinie nach Absatz 4 Satz 1 geregelt hat, werden unwirksam, wenn das Krankenhaus zu dieser Erkrankung oder hochspezialisierten Leistung zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung berechtigt ist, spätestens jedoch drei Jahre nach Inkrafttreten des entsprechenden Richtlinienbeschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die von zugelassenen Krankenhäusern aufgrund von Bestimmungen nach Satz 1 erbrachten Leistungen werden nach § 116b Absatz 5 in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung vergütet.

(9) Die Auswirkungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung auf die Kostenträger, die Leistungserbringer sowie auf die Patientenversorgung sind fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zu bewerten. Gegenstand der Bewertung sind insbesondere der Stand der Versorgungsstruktur, der Qualität sowie der Abrechnung der Leistungen in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung auch im Hinblick auf die Entwicklung in anderen Versorgungsbereichen. Die Ergebnisse der Bewertung sind dem Bundesministerium für Gesundheit zum 31. März 2017 zuzuleiten. Die Bewertung und die Berichtspflicht obliegen dem Spitzenverband Bund, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft gemeinsam.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.