Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 24. Februar 2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 28. November 2007 aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 27. März 2006 zu entscheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens vor dem Bundessozialgericht und dem Sozialgericht mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Feststellung eines "sonstigen Schadens".

2

Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse (KK), beantragte mit drei beim Prüfungsausschuss am 23.12.2003 eingegangenen Schreiben, zu Lasten der beigeladenen Gemeinschaftspraxis einen "sonstigen Schaden" festzustellen, weil die in ihr tätigen Ärzte in den Quartalen I/2002, II/2002 und III/2002 Arzneimittel-Verordnungen für Patienten ausgestellt hätten, die sich zu diesem Zeitpunkt in stationärer Behandlung befunden hätten. Die Höhe des geltend gemachten Schadens betrug - nach zwischenzeitlicher Teilrücknahme der Anträge - insgesamt 1896,34 Euro. Der Prüfungsausschuss wies die Anträge durch Bescheid vom 27.3.2006 als unzulässig zurück, da die sechsmonatige Antragsfrist des § 14 Abs 4 der maßgeblichen Prüfvereinbarung vom 5.5.1993 (in Kraft ab dem 1.1.1993 ) nicht eingehalten worden sei.

3

Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben (Bescheid des Beklagten vom 28.11.2007 und Urteil des SG vom 24.2.2010). Das SG hat zur Begründung ausgeführt, die in § 14 Abs 4 PrüfV getroffene Regelung sei eindeutig. Danach könne die vermeintlich geschädigte KK einen Antrag auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" bis zu sechs Kalendermonate nach Ablauf des Monats stellen, in dem sie - also die KK - Kenntnis von dem Schaden und der Person des Schädigers erlangt habe. Diese Frist habe die Klägerin versäumt. Die für einen deliktischen Anspruch geltenden Vorgaben der Rechtsprechung des BGH, welche bei öffentlichen Körperschaften auf die Kenntnis des zuständigen Bediensteten abstelle, seien nicht anwendbar, weil es sich bei der Feststellung eines "sonstigen Schadens" gemäß § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte(BMV-Ä) um einen verschuldensunabhängigen Anspruch handele.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Das BSG habe mit Urteil vom 3.2.2010 (B 6 KA 37/08 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 26) entschieden, dass die Versäumnis der in der PrüfV geregelten Antragsfrist nicht dazu führe, dass ein Prüfverfahren nicht mehr durchgeführt werden könne.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 24.2.2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 28.11.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Widerspruch gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 27.3.2006 zu entscheiden.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Die Verordnung für einen Patienten, der sich zur Zeit ihrer Ausstellung in der Behandlung eines Krankenhauses befinde, stelle nach der Rechtsprechung des BSG einen Fall der Festsetzung eines "sonstigen Schadens" im Sinne der bundesmantelvertraglichen Vorschriften dar; dafür gelte keine Ausschlussfrist, sondern eine vierjährige Verjährungsfrist. Es sei fraglich, ob in diesen Fällen dem Interesse des Vertragsarztes, nicht zeitlich unbegrenzt Ersatzansprüchen ausgesetzt zu sein, bereits durch die Verjährung ausreichend Rechnung getragen werde, die im Gegensatz zu der von Amts wegen zu beachtenden Ausschlussfrist grundsätzlich nur auf Einrede zu beachten sei. Vorliegend sei eine Prüfung sowohl der Antrags- als auch der Verjährungsvoraussetzungen bereits deswegen nicht möglich gewesen, weil die antragstellende Klägerin nicht den Zeitpunkt genannt habe, in dem sie Kenntnis vom Schaden erlangt habe. Dem Vertragsarzt müsse es jedoch möglich sein, die Fristen zu überprüfen, um nicht zeitlich unbegrenzt Ersatzansprüchen ausgesetzt zu sein.

8

Die Beigeladene hat sich weder geäußert noch einen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das vorinstanzliche Urteil und der Bescheid des Beklagten sind aufzuheben. Dieser ist verpflichtet, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Beschluss des Prüfungsausschusses vom 27.3.2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden. Das SG hat die zulässige Klage der Klägerin zu Unrecht abgewiesen, denn die Prüfgremien waren verpflichtet, über deren Anträge auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" in der Sache zu entscheiden; sie sind durch die Versäumung der in der PrüfV normierten Antragsfrist nicht an einer Sachentscheidung gehindert.

10

1. Gegenstand des Verfahrens ist allein der Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses, nicht zugleich der Bescheid des Prüfungsausschusses. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist in vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren grundsätzlich allein der das Verwaltungsverfahren abschließende Verwaltungsakt des Beschwerdeausschusses Streitgegenstand nach § 95 SGG(vgl BSGE 74, 59, 60 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f, mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 16; zuletzt BSG, Urteil vom 11.5.2011 - B 6 KA 13/10 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig; sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses bzw der Prüfungsstelle (stRspr des BSG, vgl BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194; zuletzt BSG, Urteil vom 11.5.2011 aaO). Dass es sich bei einem Verfahren auf Festsetzung eines "sonstigen Schadens" nicht um ein originäres Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren nach § 106 SGB V handelt, sondern eine Zuständigkeit der Prüfgremien hier erst durch (bundesmantel-)vertragliche Vereinbarung begründet wird(vgl § 48 Abs 1 BMV-Ä), ändert nichts daran, dass sich Verfahren und Entscheidung im Wesentlichen nach denselben Regeln richten. Auch das Gesetz differenziert in § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V nicht nach dem Gegenstand der angegriffenen Entscheidung(vgl hierzu auch BSGE 79, 97, 98f = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 3), sondern stellt allein auf die Entscheidungsträger ab. Daher ist es sachgerecht, die Rechtsprechung des BSG zu den Besonderheiten des Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss auch insoweit zugrunde zu legen.

11

2. In der Sache ist das SG zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein Versäumnis der in der PrüfV normierten Antragsfrist der Feststellung eines "sonstigen Schadens" entgegenstehe. Verordnungen, die während eines stationären Aufenthalts der in den Anträgen der Klägerin benannten Patienten für diese ausgestellt wurden, gehören zu den "sonstigen Schäden" im Sinne der Rechtsprechung des BSG, für welche die Prüfgremien gemäß § 48 Abs 1 BMV-Ä die Schadensfeststellungskompetenz haben (a). Auch auf derartige Verfahren findet die Rechtsprechung des BSG Anwendung, wonach die Versäumnis der in der Prüfvereinbarung geregelten Antragsfrist kein Hindernis für die Verfahrensdurchführung bzw für eine Sachentscheidung darstellt (b).

12

a) Ein "sonstiger Schaden" im Sinne der Rechtsprechung des Senats, dessen Feststellung den Prüfgremien vertraglich zugewiesen ist, liegt dem Grunde nach vor.

13

aa) (Arzneimittel-)Verordnungen, die ein Vertragsarzt während des stationären Aufenthalts eines Patienten tätigt, führen im Grundsatz - abhängig von den jeweiligen, von den Prüfgremien zu prüfenden weiteren Umständen im Einzelfall - dazu, dass mit der Einlösung der Verordnung der KK, welche die Verordnungskosten zu tragen hat, ein Schaden entsteht. Denn während eines stationären Aufenthalts obliegt dem Krankenhaus grundsätzlich auch die Arzneimittelversorgung des Patienten.

14

Dies ergibt sich aus § 39 Abs 1 Satz 3 SGB V sowie aus den Regelungen des Krankenhausentgeltgesetzes(KHEntgG). Gemäß § 39 Abs 1 Satz 3 Halbsatz 1 SGB V umfasst die Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung des Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere (ua) die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln. § 2 Abs 1 Satz 1 KHEntgG bestimmt, dass auch die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, zu den Krankenhausleistungen nach § 1 Abs 1 KHEntgG gehört. Die in diesem Sinne notwendige Arzneimittelversorgung ist mithin grundsätzlich vom Krankenhaus sicherzustellen und mit der Vergütung abgegolten, die von der KK gemäß dem KHEntgG und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz für den Krankenhausaufenthalt entrichtet wird (vgl hierzu § 1 Abs 1 KHEntgG). Daher führt eine Verordnung, die während dieses Aufenthalts durch einen niedergelassenen Vertragsarzt ausgestellt wird, sobald sie vom Patienten in der Apotheke eingelöst wird, zu zusätzlichen Kosten der KK, die nicht erforderlich geworden wären, wenn der Vertragsarzt die Zuständigkeit des Krankenhauses für die Verordnung beachtet hätte. Hierdurch ist der betroffenen KK ein Schaden in Höhe der von ihr zu tragenden Verordnungskosten entstanden. Kein Verordnungsausschluss gilt indessen für solche Verordnungen, die nicht "für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind" (so die Voraussetzung in § 2 Abs 1 Satz 1 KHEntgG und in § 39 Abs 1 Satz 3 SGB V); in welchen Konstellationen dies der Fall ist, bedarf hier keiner vertieften Betrachtung; die Feststellung, ob eine solche Ausnahmekonstellation möglicherweise in den vorliegend beanstandeten Verordnungsfällen gegeben war, wird zunächst der Beklagte im Rahmen der ihm obliegenden erneuten Entscheidung zu treffen haben.

15

bb) Hat ein Vertragsarzt während des stationären Aufenthalts eines Patienten eine solche Verordnung getätigt, für die das Krankenhaus zuständig war, so gehört der daraus resultierende Schaden der KK zum "sonstigen Schaden" im Sinne der bundesmantelvertraglichen Vorschriften, für den den Prüfgremien die Schadensfeststellungskompetenz vertraglich zugewiesen ist.

16

Nach § 48 Abs 1 BMV-Ä(ebenso § 44 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen) obliegt den Prüfgremien die Feststellung des sonstigen durch einen Vertragsarzt verursachten Schadens, der einer KK "aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, oder aus der fehlerhaften Ausstellung von Bescheinigungen" entsteht. Diese seit dem 1.1.1995 unverändert gültige Regelung (vgl DÄ 1995, A-625, A-638 = C-395, C-408) ist interpretationsbedürftig, da sie nicht an die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Senats zu den Entscheidungskompetenzen der Prüfgremien bei unzulässigen Verordnungen (vgl insbesondere BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52)angepasst wurde.

17

In der Rechtsprechung des Senats wurde dem Bereich des "sonstigen Schadens" bereits in früherer Zeit die Konstellation zugeordnet, dass das Verhalten des Arztes (zB ein Behandlungsfehler oder eine falsche Bescheinigung) Folgekosten der KK in anderen Leistungsbereichen ausgelöst hat (zB notwendige Nachbehandlung, Leistungen wegen Mutterschaft). Der dann zu ersetzende Schaden ist der Struktur nach einem Mangelfolgeschaden nach bürgerlichem Recht vergleichbar (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 284; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 24; vgl ferner BSGE 55, 144 = SozR 2200 § 368n Nr 26). Der "sonstige Schaden" ist jedoch nicht auf diese typischen Fälle beschränkt. Vielmehr kann es auch außerhalb der typischen Konstellationen Fallgestaltungen geben, die dem "sonstigen Schaden" nach den bundesmantelvertraglichen Vorschriften zuzuordnen sind. Dies kann insbesondere im Verordnungsbereich der Fall sein:

18

Hierbei ist allerdings eine Abgrenzung von solchen Verordnungsregressen erforderlich, für die eine originäre Zuständigkeit der Prüfgremien nach § 106 SGB V besteht, es also einer vertraglichen Kompetenzzuweisung nicht bedarf. Der Senat hat danach differenziert, ob Fehler in Frage stehen, die speziell der Verordnung selbst bzw ihrer inhaltlichen Ausrichtung, die sich als unzulässig bzw unwirtschaftlich darstellt, anhaften - dann Verordnungsregress auf der Grundlage des § 106 SGB V - oder sie sich aus der Art und Weise der Ausstellung der Verordnung ergeben - dann "sonstiger Schaden"(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 25 f). Ein Fehler bei der Art und Weise der Ausstellung - nämlich (im weiteren Sinne) hinsichtlich des Zeitpunkts der Ausstellung - liegt (grundsätzlich) auch dann vor, wenn ein Vertragsarzt für einen Patienten eine Verordnung ausstellt, der sich zur Zeit der Ausstellung der Verordnung in der Behandlung eines Krankenhauses befindet, in dem umfassend Therapien einschließlich aller Arzneimittel zu gewähren sind (vgl schon BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 25).

19

Da nach der Rechtsprechung des Senats der Regress wegen (unzulässiger) Verordnung von Leistungen, die durch das Gesetz oder Richtlinien aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, somit bereits in die originäre Zuständigkeit der Prüfgremien nach § 106 SGB V fällt(zur Zuordnung zu § 106 SGB V siehe BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 26; vgl auch BSG vom 11.5.2011 - B 6 KA 13/10 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), hätte § 48 Abs 1 BMV-Ä bei enger Auslegung insbesondere des Tatbestandsmerkmals "aus der Leistungspflicht … ausgeschlossen" weitgehend bloße deklaratorische Bedeutung; konstitutive Bedeutung im Sinne einer Übertragung weiterer Entscheidungskompetenzen in Fällen eines "sonstigen Schadens" käme der Norm dann allein hinsichtlich der fehlerhaften Ausstellung von Bescheinigungen zu. Ein solches Verständnis des § 48 Abs 1 BMV-Ä entspräche jedoch nicht dem Sinn und Zweck der Regelung, unwirtschaftliche Verordnungsweisen mit Blick auf den hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots möglichst effektiv zu verhindern, und trüge auch nicht dem Umstand Rechnung, dass die Vertragspartner die vorstehend dargestellte Konkretisierung des Begriffes des "sonstigen Schadens" durch die Rechtsprechung des Senats nicht nachvollzogen und die Norm nicht an die Rechtsentwicklung angepasst haben. § 48 Abs 1 BMV-Ä(ebenso § 44 Abs 1 EKV-Ä) ist vielmehr dahingehend zu interpretieren, dass den Prüfgremien eine Schadensfeststellungskompetenz in solchen Fallgruppen zugewiesen ist, in denen die unzulässige Verordnung von Leistungen in Rede steht und sie nicht bereits (unmittelbar) Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V ist. Mithin geht es um Verordnungen, bei denen Fehler in Frage stehen, welche die Art und Weise ihrer Ausstellung betreffen. Aus welchem Rechtsgrund die Verordnung unzulässig ist, ist dabei ohne Bedeutung.

20

Dieser Interpretation des § 48 Abs 1 BMV-Ä steht nicht entgegen, dass das Krankenversicherungsrecht an verschiedenen Stellen ähnlich formulierte Vorschriften enthält(etwa in § 31 Abs 1 Satz 1 oder § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V), die enger interpretiert werden (zu § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V siehe BSG, Urteil vom 11.5.2011 - B 6 KA 13/10 R -). Abgesehen davon, dass die genannten Regelungen bereits durch den dortigen Zusatz eines durch Gesetz oder Richtlinien verfügten Ausschlusses eine engere Interpretation erfordern, kann weder davon ausgegangen werden, dass die Vertragspartner des BMV-Ä die angeführten gesetzlichen Regelungen vor Augen hatten, noch besteht umgekehrt ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber sich die bundesmantelvertragliche Regelung zum Vorbild genommen hat.

21

Im Ergebnis lassen sich die aus Verstößen gegen das Regelwerk des Vertragsarztrechts resultierenden Schäden somit in drei Gruppen einteilen, nämlich in solche, die bereits nach § 106 SGB V unmittelbar in die Schadensfeststellungskompetenz der Prüfgremien fallen, zweitens solche, deren Feststellung als "sonstiger Schaden" im Sinne bundesmantelvertraglicher Regelungen den Prüfgremien übertragen worden ist, und drittens alle übrigen Schäden, deren Feststellung in die Zuständigkeit anderer Institutionen (KÄV, Schlichtungsstellen) fällt: Dies betrifft zum einen § 49 BMV-Ä, der in Abs 1 Satz 2 auch Fälle der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen und des Verstoßes gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung miterfasst, indessen mit dem Rechtsinstitut der sachlich-rechnerischen Richtigstellung(vgl § 106a SGB V) und seiner Konkretisierung durch die Rechtsprechung terminologisch und inhaltlich nicht vollständig harmonisiert worden ist. Zum anderen betrifft dies dem bürgerlichen Recht zugeordnete Schadenersatzansprüche wegen Behandlungsfehlern nach § 50 Satz 2 BMV-Ä.

22

Dieses Ergebnis korrespondiert mit der Regelung in § 6 Abs 2 PrüfV. Danach stellt die Prüfungsstelle (als Funktionsnachfolgerin des früheren Prüfungsausschusses) einen "sonstigen Schaden" "im Sinne der Rechtsprechung" fest. Damit ist den Prüfgremien - im Sinne einer dynamischen Verweisung - die Schadensfeststellungskompetenz in all jenen Fällen übertragen worden, in denen das BSG das Vorliegen eines "sonstigen Schadens" bejaht.

23

b) Eine Überschreitung von Fristen steht einer Sachentscheidung nicht entgegen.

24

Die Einhaltung der für "sonstige Schäden" maßgeblichen vierjährigen Verjährungsfrist (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 20 mwN)steht angesichts einer Antragstellung, die im Dezember 2003 für die Quartale I bis III/2002 erfolgte, nicht in Frage. Dass die Klägerin - möglicherweise - die nach § 14 Abs 4 PrüfV maßgebliche Antragsfrist versäumte, führt - entgegen der vom Beklagten und der Vorinstanz vertretenen Auffassung - nicht dazu, dass die Prüfgremien an der Feststellung eines "sonstigen Schadens" gehindert sind.

25

aa) Vorliegend kann offenbleiben, ob es überhaupt zu einem Versäumnis der Antragsfrist kam. Gemäß § 14 Abs 4 PrüfV kann die geschädigte KK einen Antrag auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" bis zu sechs Kalendermonate nach Ablauf des Monats stellen, in dem sie Kenntnis von dem Schaden und der Person des Schädigers erlangte, längstens jedoch bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren seit Eintritt des schädigenden Ereignisses.

26

Die für die Beurteilung der Einhaltung der Antragsfrist maßgebliche Vorfrage, ob hierbei auf die Kenntnis der Körperschaft selbst abzustellen ist (dann wäre eine Fristüberschreitung zweifelsfrei zu bejahen) oder auf die ihres zuständigen Bediensteten (dann bestünde noch Klärungsbedarf), ist entgegen der Auffassung der Prüfgremien wie der Vorinstanz nicht zwingend in dem Sinne zu beantworten, dass allein die Kenntnis der klagenden Körperschaft maßgeblich sein kann. So geht der BGH in ständiger Rechtsprechung (zuletzt Urteil vom 15.3.2011 - VI ZR 162/10 - VersR 2011, 682 RdNr 11 mwN = MDR 2011, 596) davon aus, dass die Verjährungsfrist bei Behörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften erst dann zu laufen beginnt, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt. Die Argumentation, diese Rechtsprechung finde nur auf deliktische Schadenersatzansprüche, nicht aber auf Regresse wegen "sonstiger Schäden" Anwendung, lässt außer Betracht, dass dieser Regress nach der Rechtsprechung des Senats gerade dadurch charakterisiert ist, dass er an die Grundsätze des Schadenersatzrechts angelehnt (so BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 28; ebenso Urteil vom 6.5.2009 - B 6 KA 3/08 R - MedR 2010, 276 RdNr 28 = USK 2009-14 S 130) und deshalb auch verschuldensabhängig ausgestaltet ist (siehe hierzu unter 3.). Daher ist es nicht ausgeschlossen, die Rechtsprechung des BGH auch auf Regresse wegen "sonstiger Schäden" anzuwenden. Dies bedarf wegen der Unbeachtlichkeit etwaiger Fristversäumnisse jedoch keiner abschließenden Entscheidung.

27

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind Fristen für die Beantragung eines Prüfverfahrens, die in Prüfvereinbarungen gemäß § 106 Abs 3 iVm Abs 2 Satz 4, Abs 5a Satz 5, Abs 5b Satz 2 SGB V festgelegt worden sind, nicht zum Schutz des Vertragsarztes normiert, sondern sie dienen dem Interesse an der Verfahrensbeschleunigung und der effektiven Verfahrensdurchführung(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 20 unter Hinweis auf BSG USK 9596 S 526 und BSGE 76, 149, 152 = SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 21). Ein Verstreichen solcher Fristen stellt daher kein Hindernis für die Verfahrensdurchführung bzw für eine Sachentscheidung dar (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 20, 21; BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 20/09 R - RdNr 29; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 21). Dem Interesse des Vertragsarztes, nach längerer Zeit nicht mehr mit der Durchführung von Prüf- und Regressverfahren rechnen zu müssen, wird vielmehr durch die vierjährige Ausschlussfrist Rechnung getragen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 21).

28

cc) Diese Aussagen gelten nicht allein für unmittelbar auf der Grundlage des § 106 SGB V durchgeführte Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren, sondern auch in den Fällen, in denen den Prüfgremien nach § 106 SGB V durch Regelung im Bundesmantelvertrag die Prüfungskompetenz für "sonstige Schäden" übertragen worden ist. Es besteht keine Veranlassung, einer durch eine Prüfvereinbarung normierten Antragsfrist für die Feststellung eines "sonstigen Schadens" höheres Gewicht beizumessen, als diesen Fristen sonst zukommt - etwa bei Einzelfallprüfungen im Verordnungsbereich (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 sowie BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 20/09 R) oder bei Sprechstundenbedarfsprüfungen (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29). Die Gesichtspunkte, die das BSG für die Einordnung der in den Prüfvereinbarungen für Prüfverfahren nach § 106 SGB V geregelten Antragsfristen als bloße Ordnungsfristen angeführt hat, gelten auch für Regresse wegen "sonstiger Schäden".

29

Der Senat hat die Einordnung von Antragsfristen als Ordnungsfristen damit begründet, dass es der Zielrichtung der Regelungen - dh der Verfahrensbeschleunigung - und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- und Verordnungsweisen zuwiderlaufen würde, wenn man aus einer verspäteten Antragstellung ein Verfahrenshindernis herleiten würde (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 20; BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 20/09 R - RdNr 30). Es ist nicht erkennbar, dass die in § 14 Abs 4 PrüfV normierte Antragsfrist eine andere Zielrichtung haben könnte als andere in Prüfvereinbarungen geregelte Antragsfristen. Ebenso steht außer Frage, dass der Grundsatz, dass das Abrechnungs- und Verordnungsverhalten aller Ärzte zu jeder Zeit einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen muss (stRspr des BSG, vgl BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 61 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 19 am Ende), auch für den Bereich des "sonstigen Schadens" gilt: Der Vertragsarzt ist auch insoweit zur Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet; dass es auch bei der Feststellung "sonstiger Schäden" durch die Prüfgremien letztlich um nichts anderes als die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots geht, folgt bereits daraus, dass eine Aufgabenübertragung auf die Prüfgremien nur innerhalb des Rechtszwecks der "Gewährleistung einer wirtschaftlichen Versorgung der Kranken" zulässig ist (vgl ua BSGE 55, 144, 150 = SozR 2200 § 368n Nr 26 S 79; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 11 mwN).

30

Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des BSG selbst ein Fehlen des nach früherem Recht (§ 106 Abs 5 Satz 1 SGB V bis zum 31.12.1999 geltenden aF) für Wirtschaftlichkeitsprüfungen gesetzlich vorgeschriebenen Antrags nicht der Durchführung eines Prüfverfahrens entgegenstand (siehe hierzu BSGE 76, 149 = SozR 3-2500 § 106 Nr 28; BSG, Urteil vom 20.9.1995 - 6 RKa 63/94 - USK 9596 S 525 f), weil der aus dem Fehlen der Antragstellung resultierende Verfahrensmangel durch die Nachholung der Antragstellung - ggf auch noch nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens - geheilt werden konnte. Wenn aber ein Antrag jederzeit nachgeholt werden kann, kann antragsbezogenen Fristen keine verfahrenshindernde Bedeutung zukommen.

31

Im Übrigen ist auch kein sachlicher Grund für eine unterschiedliche verfahrensrechtliche Behandlung der für Verordnungsregresse und "sonstige Schäden" maßgeblichen Antragsfristen erkennbar. In beiden Fällen erfolgt die Entscheidung durch dieselben Gremien sowie im Grundsatz (abgesehen vom Verschuldenserfordernis und vom Eingreifen von Verjährungsvorschriften anstelle der Ausschlussfrist) nach den gleichen Maßstäben.

32

Einer Übertragung der vom BSG für "originäre" Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 SGB V gemachten Aussagen zur Unbeachtlichkeit von Fristversäumnissen auf "sonstige Schäden" nach § 48 Abs 1 BMV-Ä steht nicht entgegen, dass hier nicht die - für Wirtschaftlichkeitsprüfungen maßgebliche - vierjährige Ausschlussfrist Anwendung findet, sondern die Geltendmachung eines "sonstigen Schadens" als ein gegen den Vertragsarzt gerichteter Schadenersatzanspruch der Verjährung unterliegt(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 20 mwN), mithin Verjährungsfristen gelten. Denn von ihrer Funktion her - nämlich in Vollziehung des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtssicherheit zu verhindern, dass ein Arzt zeitlich unbegrenzt Forderungen ausgesetzt ist (vgl BSG aaO RdNr 28) - stehen sich Ausschluss- und Verjährungsfristen gleich. In beiden Fällen ist der betroffene Arzt gleichermaßen geschützt. Zwar ist der Eintritt der Verjährung auch im Bereich des Vertragsarztrechts nur auf Einrede zu beachten (BSGE 79, 97, 104 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 8); es steht dem Vertragsarzt aber jederzeit frei, diese Einrede zu erheben.

33

3. Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten ist im Sinne einer Verpflichtung des Beschwerdeausschusses begründet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats neu über den Widerspruch zu entscheiden, den die Klägerin gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 27.3.2006 erhob. Der Beklagte hat zu Unrecht die Entscheidung des Prüfungsausschusses bestätigt, dass die Anträge der Klägerin wegen Nichteinhaltung der Antragsfrist unzulässig seien, und damit die seinem verwaltungsmäßigen Aufgabenbereich zugehörenden inhaltlichen Feststellungen insgesamt nicht getroffen.

34

Bei seiner erneuten Entscheidung wird der Beklagte zu beachten haben, dass die Feststellung eines "sonstigen Schadens" nach der Rechtsprechung des Senats verschuldensabhängig ist (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 283; BSG, Urteil vom 30.1.2002, B 6 KA 9/01 R, USK 2002-110; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12; BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27 RdNr 30; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 22, 25; siehe auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 26). Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass § 48 Abs 1 BMV-Ä im Gegensatz zu seiner Vorläufervorschrift(§ 38 BMV-Ä idF vom 28.9.1990) und zu § 23 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte kein ausdrückliches Verschuldenserfordernis mehr enthält. Wie bereits dargelegt, ist der Anspruch auf Ersatz eines "sonstigen Schadens" vom Schadenersatzanspruch nach bürgerlichem Recht abgeleitet, der - wie dem Grunde nach alle Schadenersatzansprüche - verschuldensabhängig ist. Etwas anderes gilt nur für solche Schadenersatzansprüche, die - wie Verordnungsregresse, soweit sie nicht lediglich die Art und Weise der Ausstellung der Verordnung betreffen - unmittelbar dem Rechtsbereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V zugeordnet sind(vgl ua BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 38 S 212; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 283 f). Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Partner des Bundesmantelvertrages das Verschuldenserfordernis für "sonstige Schäden" bei der Neufassung des § 48 Abs 1 BMV-Ä hätten ausschließen wollen. Dies gilt jedenfalls, soweit "sonstige Schäden" in dem durch die Rechtsprechung des Senats definierten Sinne (siehe unter 2. b aa) betroffen sind.

35

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens vor dem BSG und dem SG zu tragen, da er unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Übernahme der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da sie keinen Antrag gestellt hat.

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Bundessozialgericht Urteil, 29. Juni 2011 - B 6 KA 16/10 R zitiert 16 §§.

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(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bish

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(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und d

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Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

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(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und B

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(1) Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten ärztlichen Leistungen kann auf begründeten Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung arztbezogen durch die jeweilige Prüfungsstelle nach § 106

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Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Regressbescheiden wegen der Verordnung autologer Tumorvakzine (Quartale II und III/1998, I, II und IV/1999).

2

Der Kläger zu 1. betrieb bis zum Quartal III/1999 zusammen mit dem Kläger zu 2. eine Gemeinschaftspraxis, die danach in eine Praxisgemeinschaft umgewandelt wurde. Beide waren bzw sind als Fachärzte für Innere Medizin im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gegen sie bzw gegen die von ihnen geführte Gemeinschaftspraxis ergingen Regressbescheide, weil sie in den Quartalen II und III/1998, I, II und IV/1999 autologe Tumorvakzine verordnet hatten, ohne dass sie dazu berechtigt gewesen seien. Die jeweiligen Patienten waren bzw sind bei den zu 2., 9. bis 11. beigeladenen Krankenkassen (KKn) - bzw bei deren Rechtsvorgängern - versichert.

3

Die Verordnungen betrafen das Therapieverfahren der sogenannten aktiv-spezifischen Immunisierung (ASI) mit autologen Tumorvakzinen (Impfungen mit eigenem Körperzellmaterial) bei Patienten, die an Darmkrebs, Nierenkrebs oder Osteosarkom litten. Die Gewinnung autologer Tumorvakzine wird als sogenanntes Rezepturarzneimittel auf Rezeptblättern verordnet und erfolgt für jeden Patienten individuell aus seinen körpereigenen Tumorzellen. Die Bearbeitung und die Injektion der Zellen führte für die Kläger der damalige Pharmahersteller macropharm GmbH bzw für diese Firma der Arzt Dr. N. durch. Dabei fielen je Verordnung bzw Verordnungsserie ca 15.000 DM an. Das vorliegende Revisionsverfahren betrifft insgesamt zehn solcher Verordnung(sseri)en.

4

Die wegen dieser Verordnungen ergangenen Regressbescheide bestätigte - unter Zurückweisung der Widersprüche der Kläger - der beklagte Beschwerdeausschuss. Im Verlauf des sozialgerichtlichen Klageverfahrens ersetzte der Beklagte seine Bescheide durch neue Bescheide vom 9.11.2002. Hierin führte er unter Bezugnahme auf § 106 SGB V aus, dass er von einer vorgängigen Beratung habe absehen können, weil die Kläger - bereits seit 1992 bzw 1997 vertragsärztlich tätig - über das Wirtschaftlichkeitsgebot ausreichend informiert gewesen seien. Zur ASI mit autologen Tumorvakzinen habe es keine Anwendungsempfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und KKn (BA - heute Gemeinsamer Bundesausschuss ) gegeben.

5

Der BA beschloss am 10.4.2000 die Zuordnung der ASI zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden (s Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs 1 SGB V mit der Anfügung der Nr 29 in die Anlage B "nicht anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden", BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828).

6

Das von den Klägern angerufene SG hat ihre Klagen abgewiesen (Gerichtsbescheide vom 18.8.2003, vom 26.8.2003, vom 27.8.2003, vom 8.10.2003, vom 29.10.2003, vom 20.11.2003, vom 19.11.2003 und vom 2.12.2003). Mit ihren dagegen gerichteten Berufungen sind die Kläger nur zu einem geringen Teil erfolgreich gewesen. Das LSG, das die Berufungsverfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat mit Urteil vom 27.8.2008 auf die Berufung des Klägers zu 2. den Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 insoweit aufgehoben, als dieser einen Regress wegen der Verordnung im Quartal IV/1999 auch gegen den Kläger zu 2. ausgesprochen hatte (L 3 KA 484/03 - in Juris dokumentiert): Hierzu hat das LSG ausgeführt, die Gemeinschaftspraxis habe nur bis zum Quartal III/1999 bestanden und daher habe der Kläger zu 2. diese Verordnung nicht mehr mitzuverantworten, vielmehr habe der Kläger zu 1. sie allein vorgenommen.

7

Im Übrigen hat das LSG in seinem Urteil vom 27.8.2008 die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Der Bescheid vom 9.11.2002, der alleiniger Gegenstand des Verfahrens sei (§ 96 SGG), sei hinsichtlich des Klägers zu 2. im Übrigen rechtmäßig und hinsichtlich des Klägers zu 1. insgesamt rechtmäßig. Der auf eine Einzelfallprüfung nach § 106 SGB V gestützte Regress sei sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Weder hätte zunächst eine Beratung durchgeführt werden müssen, noch stehe dem Regress eine Überschreitung der Prüfantragsfrist entgegen. Die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Bescheide ergebe sich daraus, dass eine Leistungspflicht der KKn für die ASI nicht bestanden habe. Für diese habe es keine Empfehlung des BA oder des G-BA gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V gegeben. Es habe sich auch nicht um Fälle seltener Krankheiten im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu ausnahmsweise zulässigen sogenannten Einzelimporten gehandelt. Zwar seien die betroffenen Patienten im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG lebensbedrohlich erkrankt; sie hätten an metastasierenden bzw rezidivierenden Karzinomerkrankungen mit infauster Prognose gelitten. Die ASI sei allerdings nur adjuvant zur Lebensverlängerung eingesetzt worden. Es fehle sowohl an Darlegungen zur Nichteignung der allgemein anerkannten medizinischen Standardmaßnahmen als auch an ernsthaften Hinweisen dafür, dass die umstrittene Therapie Aussicht auf positive Einwirkung geboten habe, was erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen Wirkungszusammenhang erfordere. Wirksamkeitsbelege mit Aussagekraft für die hier zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm ergäben sich indessen aus den von den Klägern angeführten Phase-III-Studien nicht. Die von der Firma macropharm selbst veröffentlichte Studie von R. reiche nicht aus, denn sie weise methodische Unzulänglichkeiten auf, wie bereits ein LSG und das BSG ausgeführt hätten. Ferner fehle es an der erforderlichen Dokumentation durch die Kläger. Diese hätten lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen angefertigt, zudem habe die verantwortliche Behandlung jedenfalls in einigen Fällen nach ihren eigenen Berichten nicht bei ihnen gelegen, sondern bei Dr. N. Im Übrigen gebe es Zweifel, ob es sich nicht um ein Massenexperiment gehandelt habe, das als Heilversuch den Anforderungen der Deklaration von Helsinki mit vorheriger Anhörung der Ethik-Kommission und ausdrücklicher Einwilligung der Patienten hätte Rechnung tragen müssen. Schließlich könne zur Rechtfertigung der ASI nicht auf ein sogenanntes Systemversagen wegen verspäteter Entscheidung des BA zurückgegriffen werden. Dies komme allenfalls in Betracht, wenn die Wirksamkeit der Therapie durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken aufgrund einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt gewesen sei. Solche Belege hätten bis 1998/1999 nicht vorgelegen, wie sich daraus ableiten lasse, dass der BA kurze Zeit später (10.4.2000) festgestellt habe, dass es an ausreichenden Wirksamkeitsnachweisen fehle; dies habe auch das BSG in seiner ASI-Entscheidung vom 28.3.2000 so bestätigt. Auch dafür, dass sich die ASI 1998/1999 wenigstens in der medizinischen Praxis durchgesetzt habe, lägen keine ausreichenden Belege vor. Aufgrund der nach alledem zu verneinenden Leistungspflicht der KKn für die ASI könne der bei den KKn entstandene Schaden regressiert werden. Wie sich aus der Rechtsprechung des BSG ergebe, sei weder Raum für den Gesichtspunkt, dass ohne den Einsatz der Tumorvakzine - durch andere Behandlungsmaßnahmen - ebenfalls Kosten entstanden wären (sogenannte Vorteilsausgleichung), noch sei bei Verordnungsregressen, die auf § 106 SGB V gestützt seien, ein etwaiges Fehlen von Verschulden bedeutsam.

8

Der Kläger zu 1. hat allein Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß eine falsche Anwendung des § 106 SGB V in formeller und materieller Hinsicht. Entgegen der Auffassung des LSG sei der Prüfantrag nicht fristgerecht mit hinreichender Begründung gestellt worden. Auch in materieller Hinsicht sei der Regress nicht rechtmäßig. Die Auffassung, er und sein Partner, der Kläger zu 2., hätten die ASI nicht verordnen dürfen, treffe nicht zu. Als zulassungsfreie Rezepturarzneimittel hätten die Tumorvakzine keiner Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) bedurft. Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der BA durch sein Schreiben vom 7.6.1999 die Tumorvakzine vorläufig als verordnungsfähig anerkannt habe. Auch wenn dieses Schreiben nicht die rechtliche Form einer Richtlinie habe, sei es zumindest im Rahmen des Vertrauensschutzes bzw Ermessens bei der Regressentscheidung bis zu der ablehnenden Entscheidung des BA vom 10.4.2000 maßgebend gewesen. Das LSG habe auch die Vorgaben des BVerfG vom 6.12.2005 und des sogenannten Systemversagens fehlerhaft verneint. Die Annahme, die vorliegenden statistischen Wirksamkeitsnachweise seien auf die Vakzine der Firma macropharm nicht übertragbar, leide an Defiziten der Sachverhaltsaufklärung. Soweit das LSG der Auffassung sei, die Vakzine der Firma macropharm unterschieden sich wesentlich von denen, zu denen die Wirksamkeitsnachweise vorgelegen hätten, hätte dem zumindest ein Hinweis an die Kläger vorausgehen müssen, damit klägerseits hätte weiter vorgetragen werden können. Die Ansicht des LSG stehe im Gegensatz zu den Feststellungen des Gerichtsgutachters in dem früheren Verfahren des LSG Niedersachsen und der Studie von Vermorken von 1999. Auch gehe es nicht an, die bei unerklärten Krankheiten geminderten Anforderungen an ein Systemversagen bei Krebserkrankungen mit hohen Erkrankungszahlen außer Anwendung zu lassen. Jedenfalls bei Nieren- und Darmkrebs könne nicht einfach von der Zahl der Erkrankungen auf eine Klärung von Entstehung und Verlauf geschlossen werden. Zu beanstanden sei ferner das Erfordernis, die ASI könne nur dann als verordnungsfähig anerkannt werden, wenn auch eine substantiierte Dokumentation erfolgt sei. Derartige Dokumentationen seien vor 10 Jahren noch nicht üblich gewesen und könnten nicht jetzt nachträglich gefordert werden. In Fällen der vorliegenden Art dürfe nur eine Schlüssigkeit gefordert werden. Dem genügten seine - des Klägers zu 1. - Darlegungen, dass es sich bei den Krebserkrankungen in jedem Einzelfall um unheilbare Erkrankungen gehandelt habe, bei denen die ASI eine nicht fern liegende Aussicht auf Heilung bzw jedenfalls Linderung versprochen habe. Die Anforderung einer Dokumentation passe auch nicht zur Durchführung einer Einzelfallprüfung. Diese gebiete nötigenfalls die Heranziehung der Patienten. Insofern liege ein Mangel der Sachaufklärung vor. Schließlich sei zu beanstanden, dass das LSG das Erfordernis eines Verschuldens und einen Ermessensspielraum der Prüfgremien verneint habe. Dies sei weder mit § 106 Abs 5 SGB V noch mit dem verfassungsrechtlichen Willkür- und Übermaßverbot vereinbar. Die Prüfgremien müssten im Rahmen der von ihnen geforderten wertenden Entscheidung eine Verschuldensprüfung vornehmen oder jedenfalls eine Ermessensentscheidung mit einer Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen und den Auswirkungen auf den betroffenen Arzt treffen. Eine Haftung könne im Falle bösgläubiger Ärzte berechtigt sein, aber nicht bei schuldlos handelnden wie den Klägern, die in nachvollziehbarem Vertrauen subjektiv rechtstreu gehandelt hätten. Ein Regress stelle sich als "maßlose" Haftung des Vertragsarztes dar, die einer Garantiehaftung für ein Verhalten von vor 10 Jahren gleichkomme und zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit weder erforderlich noch verhältnismäßig sei.

9

Der Kläger zu 1. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 und die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Hannover vom 18.8.2003, 26.8.2003, 27.8.2003, 8.10.2003, 29.10.2003 und 19.11.2003 sowie die Bescheide des Beklagten vom 9.11.2002 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Die Beigeladene zu 2. beantragt ebenfalls, wie sie schriftsätzlich ausgeführt hat,

die Revision zurückzuweisen.

12

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1., 2., 6., 9. und 10. verteidigen das Urteil des LSG.

13

Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers zu 1. ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet. Das angefochtene Urteil des LSG lässt keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Der angefochtene Arzneikostenregress ist nicht zu beanstanden.

15

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die neuen Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 9.11.2002, mit denen dieser - seine früheren Bescheide gemäß § 96 SGG ersetzend - die Widersprüche gegen die Regressbescheide des Prüfungsausschusses wegen Verordnung autologer Tumorvakzine im Rahmen von ASI-Behandlungen zurückgewiesen, dh die Regressforderungen des Prüfungsausschusses bestätigt hat(zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids vgl stRspr des BSG, zB BSGE 72, 214, 219 f = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 10 f; BSGE 74, 59, 60 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f). Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide allerdings nur insoweit, als sie sich gegen den Kläger zu 1. gerichtet haben. Der Kläger zu 2. hat das Urteil des LSG nicht angefochten; deshalb sind die Bescheide, soweit sie gegen ihn gerichtet worden sind, bestandskräftig.

16

Da nur noch der Kläger zu 1. das Verfahren im Revisionsverfahren weiter betreibt, stellt sich hier nicht die Frage, ob die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis im Rubrum als Gemeinschaftspraxis zu führen sind. Die Befugnis des Klägers zu 1., sowohl die Revision als auch die zugrunde liegende Anfechtungsklage allein zu führen, ist nicht zweifelhaft. Er ist persönlich haftender Schuldner für Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis, die sich zB im Falle rechtswidrigen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens von Praxispartnern ergeben (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21 f; BSG SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 15; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17 mwN; - zum fiktiven Fortbestehen der Gemeinschaftspraxis für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten s § 730 Abs 2 Satz 1 BGB und BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 14; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17). Als Gesellschafter muss er für solche Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis auch in eigener Person einstehen (s zB Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 714 RdNr 10 ff mwN; vgl auch zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22). Er kann Forderungen, die gegenüber der Gemeinschaftspraxis geltend gemacht werden, wahlweise zusammen mit seinen Praxispartnern gemeinschaftlich abwehren, oder er kann sie - sowohl wenn sie nur gegenüber der Gemeinschaftspraxis als auch wenn sie auch ihm selbst gegenüber geltend gemacht werden - allein abwehren (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; vgl auch BSG, MedR 2004, 172). Aus der Befugnis, eigenständig zu handeln, folgt zugleich, dass der Mitgesamtschuldner weder als sogenannter notwendiger Streitgenosse einbezogen noch notwendig beigeladen werden muss (so auch BSGE aaO mwN). Die eigenständige Anfechtungsbefugnis und Aktivlegitimation steht dem Kläger zu 1. nicht nur gegenüber denjenigen Regressforderungen zu, die die Verordnungen in den Quartalen II und III/1998 sowie I und II/1999 betreffen, sondern ohnehin auch gegenüber der Regressforderung für die Verordnung(sserie) im Quartal IV/1999, als die Gemeinschaftspraxis bereits aufgelöst war.

17

2. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266, die in den Jahren 1998 und 1999 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (aaO Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Diese Prüfvereinbarungen (PrüfVen) ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen. Diese waren auch in § 9 Abs 3, § 12 Abs 6 ff der hier einschlägigen PrüfV vorgesehen(vgl zur Nicht-Revisibilität der Feststellung und Auslegung von Landesrecht § 162 SGG, dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14 mwN). Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und die Wahl dieser Prüfmethode daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14).

18

3. Die durchgeführten Einzelfallprüfungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Weder die vom Kläger erhobenen formellen Rügen (nachfolgend a) noch seine materiellen Beanstandungen (unten b) greifen durch.

19

a) Der Senat folgt nicht der Ansicht des Klägers zu 1., das Prüf- und Regressverfahren hätte hinsichtlich derjenigen Quartale, für welche die Prüfanträge erst nach Ablauf der in der PrüfV normierten Frist gestellt worden seien, nicht durchgeführt werden dürfen. Zwar galt nach § 12 Abs 6 PrüfV(hier zugrunde zu legen in der Fassung vom 24.6.1996) eine Frist von zwölf Monaten nach Quartalsende; innerhalb dieser Frist konnten die KKn die Prüfung der Verordnungsweise nach Einzelfällen beantragen. Aus einer Versäumung dieser Frist kann aber nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden.

20

Der Senat hat bereits früher dargelegt, dass solche Fristen nicht zum Schutz des Arztes im Sinne eines Ausschlusses der Verfahrensdurchführung normiert sind, sondern dass sie - auch im Interesse des Arztes - der Verfahrensbeschleunigung dienen, also dem Interesse an effektiver Verfahrensdurchführung (s insbesondere BSG USK 9596 S 526; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159 f zur Zulässigkeit späterer Antragsnachholung). Wird der Antrag zu spät gestellt, so ist damit dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung nicht Rechnung getragen. Daraus aber ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt abzuleiten, liefe der Zielrichtung der Regelungen und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise zuwider.

21

Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regressverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (zu dieser Frist allgemein zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12 ff; BSG MedR 2008, 100, 101 f RdNr 16 ff; vgl jetzt § 106 Abs 2 Satz 7 Halbs 2 SGB V zur Frist von zwei Jahren für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina). Von dieser Ausschlussfrist und ihrer Funktion unterscheidet sich die Zwölf-Monate-Frist für die Stellung des Prüfantrags mit ihrer Ausrichtung auf Beschleunigung. Würde aus deren Versäumung ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden, so würde ihr die Funktion beigemessen, die allein der Vier-Jahres-Frist zukommt.

22

Hat mithin die Nichteinhaltung der Zwölf-Monats-Frist nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt es vorliegend nicht darauf an, ob diese Frist in einem der Regressfälle überschritten wurde. Im Übrigen beginnt sie gemäß § 12 Abs 6 PrüfV jeweils erst ab Quartalsende. Daher wurde sie vorliegend auch ohnehin nur in wenigen Fällen - und jeweils auch nur um wenige Tage - überschritten (Eingang der KK-Anträge für das Quartal II/1998 erst am 12.7.1999 - Fall 2 - und am 20.7.1999 - Fall 1 - und für das Quartal II/1999 erst am 3.7.2000 - Fall 6 -; zu diesen Feststellungen s LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 - L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 4 bis 9 iVm 37).

23

Soweit der Kläger zu 1. der Ansicht ist, entsprechend dem Grundsatz "Beratung vor Regress" hätte kein Regress, sondern nur eine Beratung erfolgen dürfen, trifft das nicht zu. Für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise ist eine vorgängige Beratung gemäß § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V dann nicht erforderlich, wenn dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines sogenannten offensichtlichen Missverhältnisses anzulasten ist(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 mit Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 296; SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 19; BSG MedR 2004, 577, 578 f). Noch weniger ist eine vorgängige Beratung dann geboten, wenn nicht Unwirtschaftlichkeiten durch einen zu hohen Aufwand, sondern einzelne Fälle gänzlich unzulässiger Verordnungen in Frage stehen, wenn also dem Arzt das Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, ein unzulässiger Off-Label-Use, eine Verordnung entgegen einem Verordnungsausschluss durch die Arzneimittel-Richtlinie (AMRL) oder die Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V angelastet wird, also in Fällen, in denen ein sogenannter Basismangel vorliegt(vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 am Ende; - zu solchen Verordnungsregressfällen vgl Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, , jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 53 ff, 56 ff, 71 ff). Dementsprechend ist in der hier einschlägigen PrüfV ausdrücklich geregelt, dass im Falle von Verordnungen unter Verstoß gegen die Arznei-, Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien Regressfestsetzungen keine vorherige Beratung voraussetzen (§ 12 Abs 10 iVm Abs 12 PrüfV). Die dem gleichwertige Konstellation des Vorwurfs der Unvereinbarkeit von Verordnungen mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V ist hier gegeben.

24

b) Die vom Kläger zu 1. angefochtenen Verordnungsregresse sind inhaltlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der ASI bestand weder eine Leistungspflicht der KKn noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.

25

Der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln besteht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur nach Maßgabe des § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 31 Abs 1 SGB V. Aus den dabei mit heranzuziehenden § 2 Abs 1 Satz 3 und § 12 Abs 1 SGB V folgt, dass im Rahmen der GKV nur solche Verordnungen zulässig sind, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, bieten(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 17 mwN).

26

aa) Für die Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hält die Rechtsordnung zwei Verfahren bereit, zum einen für Arzneimittel die Überprüfung im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung - durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach §§ 21 ff AMG oder durch die Europäische Arzneimittel-Agentur nach Europäischem Verordnungs- und Richtlinienrecht -, und zum anderen für Behandlungs- und Untersuchungsmethoden die Überprüfung durch den BA - bzw heute G-BA - gemäß § 135 Abs 1 SGB V. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müssen grundsätzlich anhand zuverlässiger wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen aufgrund der Beurteilung einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt sein; dafür ist in beiden vorgenannten Verfahren die Überprüfung durch Auswertung sogenannter randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien vorgesehen.

27

Soweit diese Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, wie es bei Arzneimitteln die Regel ist, bereits im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfolgt, wird eine etwaige zusätzliche Prüfung nach § 135 Abs 1 SGB V als entbehrlich angesehen(vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 19 mwN zur Rspr und zum Streitstand). Bei Arzneimitteln folgt somit im Regelfall aus der Verkehrsfähigkeit zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV (vgl zu diesem Zusammenhang BSG SozR aaO und MedR aaO, jeweils RdNr 19)

28

bb) Von diesen Grundsätzen sind bei Arzneimitteltherapien allerdings Ausnahmen anerkannt. In den Fällen, in denen die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit nach dem AMG ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erlangt werden kann, fehlt die Grundlage dafür, um von der Verkehrsfähigkeit gemäß dem AMG auf die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV schließen zu können.

29

In diesem Sinne hat das BSG zu Fällen aus der ersten Zeit nach der Neuordnung des deutschen Arzneimittelrechts Ende der 70er Jahre ausgesprochen, dass die damalige sogenannte fiktive Zulassung, die übergangsrechtlich bis zur fundierten Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gewährt wurde, nicht für die Annahme der Verordnungsfähigkeit ausreicht (BSG - 1. Senat - BSGE 95, 132 RdNr 18 ff = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 ff; BSG - 1. Senat - BSGE 82, 233, 235 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 17 ff; BSG - 6. Senat - SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 21 ff).

30

Dem ist vergleichbar, wenn - wie vorliegend - ein Arzneimittel ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit deshalb nach dem AMG verkehrsfähig ist, weil es sich um ein sogenanntes Rezepturarzneimittel handelt. Bei Rezepturarzneimitteln, dh solchen, die nicht wie Fertigarzneimittel im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (§ 4 Abs 1 AMG), reicht für die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit eine Herstellungserlaubnis aus (vgl §§ 13 bis 15 iVm § 43 Abs 2 Halbs 2 iVm § 47 AMG); ein Zulassungsverfahren mit Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien ist arzneimittelrechtlich nicht vorgesehen (vgl dazu BSGE 86, 54, 60 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 65 f). Bei solchen Arzneimitteln fehlt es mithin an der fundierten Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, sodass sie zwar verkehrsfähig gemäß dem AMG sind, aber ohne dass daraus abgeleitet werden könnte, dass sie auch verordnungsfähig sind.

31

cc) Anders wiederum liegt der Fall, wenn das Arzneimittel, das arzneimittelrechtlich keiner Zulassung bedarf, so eingesetzt wird, dass darin zugleich eine auf einem bestimmten theoretisch-wissenschaftlichen Konzept fußende Vorgehensweise der Krankenbehandlung liegt (sogenannte Pharmakotherapie - zur Definition s zB BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f; zum Methodenbegriff vgl ferner zB BSG - 6. Senat - zB BSGE 84, 247, 249 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 11 S 50 f; BSG SozR 3-5533 Nr 2449 Nr 2 S 9 f; ebenso BSG - 1. Senat - zB BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 14 mwN). Dann liegt eine Behandlungsmethode vor, deren Einsatz im Rahmen der GKV gemäß § 135 Abs 1 SGB V eine positive Empfehlung durch den BA bzw G-BA erfordert. In solchen Fällen ist zwar arzneimittelrechtlich keine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vorgesehen; da aber eine Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V vorliegt, ist das Arzneimittel bzw die dieses einschließende Behandlungsmethode im Verfahren gemäß § 135 Abs 1 SGB V zu überprüfen(BSGE 86, 54, 58, 59 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63, 65; vgl auch zB BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12 S 55 f). Falls die in diesem Verfahren stattfindende Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien zu einer positiven Empfehlung des BA bzw G-BA führt, ist das Arzneimittel dann auch verordnungsfähig. Kommt es demgegenüber zur Zuordnung zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden, so darf eine Therapie mit diesem Arzneimittel nicht erfolgen; dieses ist nicht verordnungsfähig.

32

Differenziert sind die Fälle zu beurteilen, in denen das Arzneimittel im Rahmen einer Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V eingesetzt werden soll, aber - wie im vorliegenden Fall - im Behandlungszeitpunkt die nach dieser Bestimmung notwendige Überprüfung durch den BA bzw G-BA noch nicht zu einem Ergebnis geführt hat(zur Maßgeblichkeit des Behandlungszeitpunkts s zB BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 69 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 12 ff; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 15 f). Dann ist zu prüfen, ob die Vorenthaltung des Einsatzes in der GKV noch gerechtfertigt ist, ob nämlich die Dauer des Verfahrens noch rechtens ist oder ob die Durchführung des Verfahrens aus sachfremden Gründen verzögert wurde; in letzterem Fall ist weiter zu prüfen, ob die Behandlungsmethode als dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechend bewertet werden kann und deshalb ungeachtet des Noch-Nicht-Vorliegens einer positiven Empfehlung für die GKV freigegeben werden kann (BSGE 86, 54, 60 ff, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66 ff, 69 ff; BSGE 94, 221 RdNr 23 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 24). Bei der ersatzweise gerichtlicherseits vorzunehmenden Bewertung sind die Belege zu würdigen, die im Behandlungszeitpunkt für eine Wirksamkeit sprechen konnten. Dabei sind für eine Wirksamkeitsanerkennung grundsätzlich wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken zu fordern. Im Falle von Krankheiten allerdings, bei denen Entstehung und Verlauf ungeklärt sind, sodass Therapien nur bei Symptomen ansetzen können, und daher die Forderung von Wirksamkeitsbelegen den Anspruch auf umfassende Krankenbehandlung gemäß § 27 Abs 1 SGB V und die damit korrespondierende Behandlungspflicht des Vertragsarztes unmöglich machen würde(vgl zu diesem Ansatz BSGE 86, 54, 60 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66), reicht es ersatzweise aus, wenn sich die in Anspruch genommene Therapie in der medizinischen Praxis und/oder in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat (BSG aaO S 62 bzw S 67 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 37; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 25 ff, 29) bzw - in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen - eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung bzw auf eine positive Einwirkung auf den weiteren Krankheitsverlauf gegeben ist (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33).

33

Auch in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen sind aber weitere einschränkende Voraussetzungen zu beachten. Zwar ergeben sich aus der Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33 f) und dem von diesem herangezogenen Sozialstaatsprinzip sowie aus der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates einerseits Abschwächungen zugunsten der Versicherten (vgl hierzu BVerfGE aaO S 41 ff, 44 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 17 ff, 24 ff; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 24 ff). Andererseits besteht aber auch eine Schutzpflicht in der Weise, dass der Staat den Versicherten davor zu bewahren hat, mit zweifelhaften Therapien behandelt zu werden. Dem dient das Erfordernis fundierter Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Dies darf nicht durch eine vermeintlich großzügige Gestattung der Versorgung mit Arzneimitteln unterlaufen und umgangen werden (vgl BSG aaO RdNr 25 iVm 35). Dementsprechend darf eine Pharmakotherapie, bei der eine fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel nicht stattgefunden hat, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur eingesetzt werden, wenn der Wirksamkeitszusammenhang, der dieser Arzneimitteltherapie zugeschrieben wird, wenigstens in gewissem Umfang belegt werden kann. Fehlen höherwertige Studien, so können als Beleg auch Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Berichte von Expertenkomitees, Konsensuskonferenzen und Einzelfallberichte in Betracht kommen (vgl Nr 8.2 unter III der NUB-RL; vgl ebenso BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40 am Ende). Insgesamt müssen - auch bei lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen - erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen jedenfalls individuellen Wirkungszusammenhang vorliegen (BSG aaO RdNr 47). Dabei kommt auch der fachlichen Einschätzung durch den behandelnden Arzt Bedeutung zu (vgl BVerfGE aaO S 50 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5, RdNr 35 am Ende und BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende).

34

dd) Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf die vorliegend zu beurteilenden Verordnungen ergibt sich, dass die vom Kläger zu 1. durchgeführten ASI-Verfahren in der GKV nicht zulässig waren. Die autologen Tumorvakzine wurden im Rahmen einer gemäß § 135 Abs 1 SGB V anerkennungsbedürftigen Behandlungsmethode verordnet, wie das BSG bereits in seiner früheren Entscheidung vom 28.3.2000 ausgeführt hat (BSGE 86, 54, 57 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 62). In dem Zeitpunkt, als der Kläger zu 1. bzw die Gemeinschaftspraxis die Verordnungen vornahm (1998/1999), war das Verfahren der ASI gemäß § 135 Abs 1 SGB V noch beim BA anhängig (dieser gab erst am 10.4.2000 eine - negative - Empfehlung ab, s BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828), sodass also der Fall fehlender Entscheidung des BA bzw G-BA gemäß § 135 Abs 1 SGB V vorlag.

35

Zu der Frage, ob das Verfahren beim BA im Sinne der in RdNr 32 angesprochenen ersten Voraussetzung zu lange dauerte, braucht vorliegend nicht Stellung genommen zu werden. Denn es fehlen jedenfalls die weiteren Voraussetzungen für eine Akzeptanz der Anwendung dieser Therapiemethode: Ausgehend davon, dass die betroffenen Patienten hier an lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen litten (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 17 betreffend Darmkrebs), bedürfte es wenigstens ausreichender Belege im Sinne erheblicher ernsthafter Hinweise auf einen individuellen Wirkungszusammenhang (s oben RdNr 33 am Ende). Daran fehlt es.

36

Nach den Feststellungen im Berufungsurteil (L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 45) gab es zwar Phase-III-Studien, diesen konnte aber keine Aussagekraft für die vom Kläger zu 1. verordneten Tumorvakzine der Firma macropharm entnommen werden. Denn die Tumorvakzine unterschieden sich nach den vorinstanzlichen Feststellungen schon in der Herstellungsweise der verschiedenen Herstellerfirmen. Diese hatten unterschiedliche Anwendungs- und Verarbeitungsmethoden. Zudem erfolgte die Herstellung jeweils speziell für den jeweiligen Versicherten, sodass sie auch untereinander verschieden waren und individueller Beurteilung bedurften (vgl LSG aaO RdNr 44). Tauglich könnte insoweit lediglich die von der Firma macropharm veröffentlichte Studie von R. sein; diese wies aber nach den Feststellungen im Berufungsurteil (aaO RdNr 45) und auch nach der Wertung des BSG in seinem früheren Urteil (BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70) methodische Unzulänglichkeiten auf.

37

Auch hatte sich die ASI mit autologen Tumorvakzinen nicht etwa schon in der medizinischen Praxis durchgesetzt. Diese Behauptung hat das Berufungsgericht als nicht ausreichend belegt bezeichnet (LSG aaO RdNr 48 bis 51). Die dazu vom Kläger zu 1. erhobene Verfahrensrüge, das LSG habe insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, greift nicht durch. Die Rüge unzureichender Aufklärung des LSG erfordert im Falle eines Klägers, der bereits dort anwaltlich vertreten gewesen ist, die Darlegung, dass sich dem LSG auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen (vgl zB BVerwGE 131, 186, 189 RdNr 13; s auch zB BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 24 bis 26). In der Revisionsbegründung wird indessen nicht aufgezeigt, aufgrund welcher konkreten Darlegungen des Klägers zu 1. im LSG-Verfahren sich dem LSG weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Mit seinen Ausführungen, entgegen der Auffassung des LSG hätten die vorliegenden Phase-III-Studien durchaus Aussagekraft für die von ihm zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm, setzt der Kläger zu 1. dem LSG lediglich seine gegenteilige Ansicht entgegen. Er müsste aber konkrete Ansatzpunkte für Möglichkeiten des LSG zu weitergehender Aufklärung benennen und darlegen, dass er auf diese schon im LSG-Verfahren hingewiesen habe. Dies ist der Revisionsbegründung so nicht zu entnehmen.

38

Zu diesem Fragenkomplex hat es keines Hinweises des LSG bedurft - wie der Kläger zu 1. geltend macht -. Denn dieser Streitpunkt lag schon während des gesamten Verfahrens zu Tage (s dazu auch schon BSGE 86, 54, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70 ff). Zudem hat bei ihm, da er bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertreten gewesen ist, vorausgesetzt werden können, dass er die Anforderungen kennt, die erfüllt sein müssen, damit das Gericht Anlass zu weiterer Aufklärung hat.

39

Bei den hier betroffenen Behandlungsfällen fehlt zudem eine weitere Voraussetzung, die für die Anerkennung ärztlich sachgerechten Vorgehens erforderlich wäre: Für die ausnahmsweise Zulässigkeit von Verordnungen zweifelhafter Art muss eine ausreichend substantiierte fachliche Einschätzung durch den verordnenden Arzt selbst erkennbar sein (vgl hierzu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende und 50); dafür ist auch eine entsprechende therapiebegleitende Kontrolle und Dokumentation durch den behandelnden Arzt erforderlich (vgl dazu BSG aaO RdNr 50 f; s auch BSG SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8). Indessen lag nach den Feststellungen im Urteil des LSG die Behandlung vor allem in den Händen des Dr. N., der im Auftrag der Firma macropharm die autologen Tumorvakzine herstellte und bearbeitete sowie die ASI bei den Patienten im Wesentlichen durchführte (LSG aaO RdNr 46). Wie im Urteil des LSG festgestellt ist, fertigten der Kläger zu 1. bzw der Partner der damaligen Gemeinschaftspraxis lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen an (LSG aaO RdNr 46).

40

Diese Feststellungen des LSG sind nach alledem tragfähig. Dem LSG fallen keine Verfahrensmängel zur Last. Abgesehen davon, dass die erhobenen Aufklärungsrügen nicht durchgreifen, sind auch keine Verstöße gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ersichtlich. Insbesondere liegen keine ausreichenden Umstände für die Annahme einer unzulässigen Überraschungsentscheidung vor. Dass das LSG, ohne dass dies voraussehbar gewesen wäre, strengere Anforderungen gestellt hätte als die bisherige BSG-Rechtsprechung, kann bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nicht anerkannt werden (vgl zB zu vorgenannten Dokumentationsanforderungen: BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 50 f). Der Kläger zu 1. hat das auch nicht in ausreichend substantiierter Weise geltend gemacht.

41

ee) Waren mithin die autologen Tumorvakzine nicht verordnungsfähig, so war Unwirtschaftlichkeit gegeben (zu dieser Gleichsetzung s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 25 mwN). Bei unwirtschaftlicher Verordnungsweise ist die Festsetzung eines Regresses grundsätzlich berechtigt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt vorliegend nicht in Betracht.

42

(1) Ohne Erfolg ist der Einwand des Klägers, ihm könne kein Verschulden oder höchstens vermindertes Verschulden angelastet werden und deshalb sei entweder ein Regress ganz ausgeschlossen oder dieser müsse jedenfalls erheblich herabgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG setzen Honorarkürzungen oder Verordnungsregresse gemäß § 106 SGB V kein Verschulden des Vertragsarztes voraus(zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 28 mwN, im Anschluss an BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 18; BSG MedR 2004, 577, 578) .

43

Bei Verordnungsregressen der hier vorliegenden Art ist auch kein Raum für eine Ermessensausübung. Bei Regressen, denen unzulässige Verordnungen zugrunde liegen, wie dies beim Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, bei einem unzulässigen Off-Label-Use, bei Verordnung entgegen einem AMRL-Verordnungsausschluss oder bei Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V der Fall ist, kann eine Unwirtschaftlichkeit nur bejaht oder verneint werden(sogenannter Basismangel, vgl oben RdNr 23, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29). Mit dem Regress lediglich einen Teil der Unwirtschaftlichkeit abzuschöpfen, kann nur in anders gelagerten Fällen in Betracht kommen, zB im Rahmen eines Regresses aufgrund einer sogenannten Durchschnittsprüfung bei insgesamt deutlich höherem Verordnungsvolumen als im Durchschnitt der Arztgruppe und/oder bei einer Anfängerpraxis, evtl auch bei der Belassung von Restüberschreitungen (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30 am Ende; vgl weiterhin BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29 mit Hinweis auf die Fallgruppe "Anfängerpraxis", hierzu s zB Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 145-147 mwN). Bei Rezepturarzneimitteln, die nicht von Apotheken bezogen werden, ist im Übrigen nicht einmal Raum für einen Abzug von Apothekenrabatt und/oder Patienteneigenanteilen (vgl hierzu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 269 mwN; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 32; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 33). Dementsprechend ist in solchen Fällen die Höhe des Regresses dahingehend vorgezeichnet, dass vom Arzt Ersatz der vollen Kosten zu fordern ist. Raum für eine Regressermäßigung aufgrund einer Ermessensentscheidung besteht nicht.

44

(2) Zu Unrecht beruft sich der Kläger weiterhin darauf, dass er jedenfalls vor dem Hintergrund des Schreibens des BA vom 7.6.1999 auf die Zulässigkeit der ASI habe vertrauen dürfen. Ein Vertrauen könnte insoweit ohnehin allenfalls für diejenigen Verordnungen in Betracht gezogen werden, die der Kläger zu 1. nach Bekanntwerden des BA-Schreibens tätigte (also für seine Verordnungen im Quartal IV/1999). Indessen begründet das Schreiben bereits von seinem Inhalt her keinen Vertrauensschutz. Denn der BA hat ausdrücklich mitgeteilt, dass der Behandlungsansatz (die Verordnung autologer Tumorvakzine) "bisher ohne abschließendes Ergebnis" von dem dem BA zuarbeitenden Arbeitsausschuss bearbeitet worden sei und dass daher "eine verbindliche Auskunft … zum jetzigen Zeitpunkt nicht gemacht" werden könne. Da das Schreiben somit schon aufgrund seines "offenen Inhalts" für eine Vertrauensbegründung nicht ausreichen kann, bedarf es keiner Erörterung, ob der vom Kläger zu 1. geltend gemachten rechtlichen Bedeutung auch entgegensteht, dass das Schreiben des BA nicht an ihn selbst gerichtet war und dass es nicht die dem BA durch § 135 Abs 1 SGB V vorgegebene Handlungsform "Richtlinie" aufwies. Ist das Schreiben des BA vom 7.6.1999 mithin für den vorliegenden Fall rechtlich irrelevant, so fehlt der vom Kläger zu 1. erhobenen Verfahrensrüge, das LSG hätte es nicht ausreichend berücksichtigt, die Grundlage.

45

Ein Vertrauenstatbestand kann auch nicht darauf gestützt werden, dass in der Regel aus der arzneirechtlichen Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels dessen Verordnungsfähigkeit folgt. Denn dies betrifft nur den Regelfall von Fertigarzneimitteln, für deren Verkehrsfähigkeit das Zulassungsverfahren mit fundierter Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchlaufen werden muss, während hier der besondere Fall eines Rezepturarzneimittels zu beurteilen ist. Dass insoweit keine Überprüfung nach dem AMG und typischerweise auch keine dem nahekommende Überprüfung stattgefunden hat, kann bei Ärzten als bekannt vorausgesetzt werden (zur ärztlichen Sachkunde vgl BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 24 mit Hinweis auf zB BSGE 96, 1= SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 34). Von daher bedürfte es besonderer Umstände, um annehmen zu können, der Arzt habe auf die Verordnungsfähigkeit vertrauen dürfen. Hierfür fehlt es an den ausreichenden Anhaltspunkten. Den vom Kläger zu 1. angeführten Gerichtsentscheidungen stehen gegenläufige Entscheidungen gegenüber, in denen die Verordnungsfähigkeit autologer Tumorvakzine verneint wurde (s die Angaben im Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 S 4; vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 30).

46

(3) Ohne Erfolg wendet der Kläger zu 1. ferner ein, er habe sich in schwierigen Konfliktsituationen bei lebensbedrohlichen Erkrankungen dafür entschieden, eine Behandlung durchzuführen, die immerhin von manchen Medizinern und Gerichten gebilligt worden sei, und deshalb sei unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) ein Regress ausgeschlossen. Dabei ist schon zweifelhaft, inwieweit nach der vom Beklagten und von den Vorinstanzen vorgenommenen umfänglichen Prüfung überhaupt noch Raum für eine Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sein kann. Selbst wenn hierfür Raum wäre, könnte dies nicht zu einem Erfolg für den Kläger zu 1. führen. Denn mit den autologen Tumorvakzinen sind Arzneimittel betroffen, bei denen sich Zweifel an der Verordnungsfähigkeit aufdrängen mussten: Eine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in einem Zulassungsverfahren hatte - da Rezepturarzneimittel - erkennbar nicht stattgefunden, eine Empfehlung des BA gab es nicht, und die Studienlage konnte nicht ohne Weiteres als tragfähig angesehen werden (vgl oben RdNr 34 ff). Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits - und daher offenzulassen - ist die Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen ein Arzt, der von einem pharmazeutischen Hersteller zur Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel veranlasst bzw verleitet wird und Regress an die vertragsärztlichen Institutionen leisten muss, Rückgriff gegen den Hersteller nehmen kann.

47

Im Rahmen von Regressen in der GKV ist auch kein Raum für die Berücksichtigung des Gesichtspunktes, dass bei Nicht-Durchführung dieser Arzneimitteltherapie Kosten für andere Behandlungsarten angefallen wären - sogenannte Vorteilsausgleichung - (vgl BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-2500 § 115b Nr 2 RdNr 21).

48

c) Dem Regress stehen schließlich auch keine Grundrechtspositionen des Klägers zu 1. entgegen. Insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 Abs 1 GG nicht verletzt. Dieses Grundrecht unterliegt - ebenso wie Art 14 Abs 1 GG - einem Gesetzesvorbehalt, darf also durch Gesetz eingeschränkt werden. Das ist durch die vorliegend einschlägigen Bestimmungen der §§ 106, 135 Abs 1 SGB V geschehen. Die Anwendung dieser Regelungen belastet den Kläger zu 1. nicht unverhältnismäßig (vgl oben RdNr 46).

49

4. Nach alledem ist nicht nur der Hauptantrag des Klägers zu 1. auf Bescheidaufhebung zurückzuweisen, sondern ebenso der Hilfsantrag: Für die hilfsweise begehrte Zurückverweisung der Sache an das LSG ist kein Raum, denn der gegenüber dem Kläger zu 1. ausgesprochene Regress hat sich im Revisionsverfahren gemäß vorstehenden Ausführungen abschließend als rechtmäßig erwiesen.

50

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden - im Hinblick auf die Klageerhebung vor diesem Stichtag hier noch anwendbaren - Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2010 aufgehoben, soweit die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25. August 2009 abgewiesen wurde. Der Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25. August 2009 wird aufgehoben. Der Beklagte zu 2. wird verpflichtet, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. vom 5. September 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin und der Beklagte zu 2. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Arzneimittelregress wegen der zulassungsüberschreitenden Verordnung eines Medikaments im Quartal II/2005.

2

Die Klägerin ist Trägerin des Universitätsklinikums C. sowie der gemäß § 311 Abs 2 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in B. zugelassenen Fachambulanz für Nephrologie mit Dispensaire-Auftrag. In dieser Fachambulanz wurde der bei der zu 2. beigeladenen gesetzlichen Krankenkasse versicherten Patientin K am 10.6.2005 das Medikament CellCept verordnet. Dieses zur Gruppe der Immunsuppressiva gehörende Medikament ist zur Prophylaxe von akuten Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantationen zugelassen, nicht aber zur Behandlung der bei der Patientin vorliegenden Wegenerschen Granulomatose mit Nierenbeteiligung. Auf Antrag der Beigeladenen zu 2. setzte die zu 1. beklagte Prüfungsstelle (als "Funktionsnachfolgerin" des Prüfungsausschusses) wegen der zulassungsüberschreitenden Verordnung von CellCept gegen die Klägerin einen Regress in Höhe von 458,09 Euro fest (Bescheid aus der Sitzung vom 5.9.2008, ausgefertigt am 31.10.2008).

3

Hiergegen hat die Klägerin mit der Begründung Klage erhoben, dass die Voraussetzungen für eine zulassungsüberschreitende Verordnung von CellCept erfüllt seien. Nach einem Hinweis des SG, dass zunächst das Vorverfahren vor dem zu 2. beklagten Beschwerdeausschuss durchzuführen sei, hat die Klägerin erklärt, dass die Klage auch als Widerspruch verstanden werden solle. Der vom SG zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens aufgeforderte Beklagte zu 2. wies den Widerspruch mit Bescheid aus der Sitzung vom 25.8.2009 (ausgefertigt am 16.10.2009) als unzulässig zurück. Die Klägerin könne ihr Klageziel mit dem Rechtsbehelf nicht erreichen, weil die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Beklagten zu 1. schon Gegenstand des bereits anhängigen Rechtsstreits sei und deshalb eine neue Klage gegen seine - des Beklagten zu 2. - Entscheidung wegen der bereits bestehenden Rechtshängigkeit unzulässig sei. Nachfolgend hat die Klägerin ihre Klage dahingehend erweitert, dass sich diese auch gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. richtet.

4

Das SG hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 17.3.2010). Zur Begründung hat es ausgeführt, die gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. erhobene Klage sei unzulässig, da sie der unzutreffende Rechtsbehelf sei; gegen die Entscheidung sei vielmehr der Beklagte zu 2. anzurufen. § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V sei nicht einschlägig, da er voraussetze, dass die Verordnung der Leistungen durch das Gesetz oder durch Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sei. Der Gesetzgeber gehe von leicht überprüfbaren Sachverhalten und gleichartig zu bewertenden Einzelvorgängen aus; es solle für die Regressentscheidung gerade nicht auf eine medizinische Bewertung des Einzelfalls ankommen. Mithin sei immer dann, wenn dies nicht der Fall sei, weiterhin ein Vorverfahren durchzuführen. Zwar beruhe auch die Unzulässigkeit einer Verordnung im Wege des Off-Label-Use auf dem Gesetz (§ 12 Abs 1 SGB V sowie § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V), doch gehe ein namentlicher, genereller und ausnahmsloser Ausschluss damit gerade nicht einher. Im Gegenteil sei hier das Arzneimittel - im Rahmen der zugelassenen Anwendungsgebiete - grundsätzlich zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig. Im Übrigen sei die Klage auch deswegen unzulässig, weil der Bescheid des Beklagten zu 2. den Bescheid der Beklagten zu 1. ersetzt habe und alleiniger Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung geworden sei.

5

Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 sei wegen dessen Bestandskraft unzulässig. Unabhängig davon, dass der Beklagte zu 2. zu Unrecht von der Unzulässigkeit des von der Klägerin erhobenen Widerspruchs ausgegangen sei, sei durch seinen Bescheid zwar das erforderliche Vorverfahren nachgeholt worden, doch sei dieser Bescheid nicht nach § 96 SGG automatisch Gegenstand des zwischen der Klägerin und der zu 1. beklagten Prüfungsstelle anhängigen Rechtsstreits geworden, da nach der Neufassung des § 96 Abs 1 SGG nur ein nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangener Bescheid Verfahrensgegenstand werden könne; der Bescheid des Beklagten zu 2. sei jedoch der Widerspruchsbescheid selbst. Die daher notwendige ausdrückliche Klageänderung (Klageerweiterung) sei zwar sachdienlich und damit (als solche) zulässig, doch habe die Klägerin diese erst nach Ablauf der Klagefrist erklärt.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Das SG habe § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V fehlerhaft ausgelegt. Regresse wegen eines Off-Label-Use seien von dieser Ausnahmevorschrift erfasst, so dass die sofortige Klage gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. vorliegend der richtige Rechtsbehelf gewesen sei. Die Auffassung des SG, die Regelung erfasse nur Leistungen, die "ausdrücklich, also namentlich unmittelbar und ausnahmslos durch gesetzliche Regelungen" ausgeschlossen seien, stelle eine unzulässige Auslegung über die Grenzen des Wortlauts des Gesetzes dar. Dieser setze lediglich voraus, dass die Leistungspflicht der Krankenkasse durch das Gesetz ausgeschlossen sei, wobei der grundsätzliche Ausschluss von Gesetzes wegen genüge. Wenn ein Arzneimittel in einem Anwendungsgebiet eingesetzt werde, für das es nicht zugelassen sei, bestehe ein Anspruch des Versicherten und damit eine Leistungspflicht wegen des Wirtschaftlichkeitsgebotes grundsätzlich nicht, sondern nur ausnahmsweise nach bestimmten Kriterien des BSG. Damit sei in derartigen Fällen die Leistung grundsätzlich durch Gesetz ausgeschlossen und die Vorschrift des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V anwendbar.

7

Auch aus der Gesetzesbegründung lasse sich die Schlussfolgerung des SG nicht herleiten. Dem Gesetzgeber sei es offenbar um die Entlastung des Beschwerdeausschusses gegangen. Aufgrund dieser Intention verbiete es sich, die Ausnahmeregelung so weit einzuschränken, dass nur namentliche, ausnahmslose Leistungsausschlüsse davon umfasst seien. Andernfalls stellte sich die Frage nach dem verbleibenden Anwendungsbereich, da die vom SG genannten Fallgestaltungen in der Praxis eher selten seien. Mit der Prüfungsstelle sei eine professionelle Fachbehörde geschaffen worden, die auch die nötige Sachkompetenz besitze, Fälle des Off-Label-Use abschließend zu klären. In der Sache sei die Festsetzung einer Ausgleichspflicht rechtswidrig, da das Medikament im vorliegenden Fall verordnungsfähig gewesen sei; die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise zulässigen Off-Label-Use seien erfüllt.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17.3.2010 sowie den Bescheid der Beklagten zu 1. vom 5.9.2008 und den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 aufzuheben.

9

Die Beklagte zu 1. stellt keinen Antrag. Hinsichtlich der Zulässigkeit der gegen sie erhobenen Klage schließt sie sich den Ausführungen der Klägerin an und verweist ergänzend auf die Anlage zur Tagesordnung eines Gesprächs mit den Leitern und Leiterinnen der Prüfungsstellen und der Vorsitzenden der Beschwerdeausschüsse, in der der Off-Label-Use als Anwendungsfall des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V genannt werde. Materiell-rechtlich habe im streitgegenständlichen Verordnungszeitpunkt aufgrund der Datenlage keine begründete Aussicht bestanden, dass mit dem verordneten Präparat CellCept ein Behandlungserfolg bei der Wegenerschen Granulomatose habe erzielt werden können.

10

Der Beklagte zu 2. stellt keinen Antrag. Er habe allein auf die als Erhebung eines Widerspruchs zu wertende Erklärung der Klägerin vom 2.7.2009 ein Widerspruchsverfahren eingeleitet. Damit sei für ihn keine Verpflichtung vorgegeben, über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten zu 1. zu entscheiden.

11

Die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung, die ebenfalls keinen Antrag stellt, hält die Revision für unbegründet. Die Auslegung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelung sei eng auszulegen, da es sich um eine Ausnahmevorschrift handele, und nach der Gesetzesbegründung der Beschwerdeausschuss nur bei vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalten von der Durchführung des Vorverfahrens habe entlastet werden sollen; dies sei bei den einen Off-Label-Use betreffenden Prüfverfahren regelmäßig nicht der Fall.

12

Die Beigeladene zu 2. hat schriftsätzlich beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Inhaltlich schließt sie sich dem Vortrag der Beigeladenen zu 1. an.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist nur zum Teil begründet. Ihre Klage gegen den Bescheid der zu 1. beklagten Prüfungsstelle hat das SG zu Recht als unzulässig abgewiesen (1.). Die Abweisung der gegen den Bescheid des zu 2. beklagten Beschwerdeausschusses erhobenen Klage ist jedoch zu Unrecht erfolgt, denn insoweit war die Klage zulässig und im Sinne einer Verpflichtung des Beschwerdeausschusses zur Neubescheidung begründet (2.).

15

1. Das SG hat die gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. erhobene Klage zu Recht als unzulässig beurteilt. Dies folgt daraus, dass Klagen gegen Bescheide der nach § 106 Abs 4 Satz 1 SGB V errichteten Prüfungsstellen wegen der Besonderheiten des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens grundsätzlich unzulässig sind (a), und auch kein Ausnahmefall vorliegt, in dem ein Vorverfahren - dh eine Überprüfung des Bescheides der Prüfungsstelle durch den Beschwerdeausschuss - ausgeschlossen ist (b).

16

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren grundsätzlich allein der das Verwaltungsverfahren abschließende Verwaltungsakt des Beschwerdeausschusses Streitgegenstand nach § 95 SGG(vgl BSGE 74, 59, 60 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f, mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 S 61). Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig; sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt der Prüfungsstelle (stRspr des BSG, vgl BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194; kritisch hierzu Clemens in jurisPK-SGB V, 2008, § 106 RdNr 282). Eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Prüfungsstelle ist daher in der Regel - von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen - unzulässig (stRspr des BSG, vgl BSGE 74, 59, 61 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 119; BSGE 75, 220, 221 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24 S 132; BSGE 76, 53, 53 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 145; BSGE 76, 149, 153 = SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 160; BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194 f).

17

b) Vorliegend wäre eine Klage gegen den Bescheid der Prüfungsstelle somit nur dann zulässig, wenn eine Entscheidung des Beschwerdeausschusses kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht zu erfolgen hätte und es nicht zu einer Ersetzung des Bescheides der Prüfungsstelle kommen kann. Ein derartiger Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben.

18

aa) Nach § 78 Abs 1 Satz 1 SGG sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Dies gilt - ungeachtet gewisser Besonderheiten und ggf nur entsprechend - auch für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V. § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V bestimmt, dass die dort aufgeführten Personen und Institutionen gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle die Beschwerdeausschüsse anrufen können; gemäß § 106 Abs 5 Satz 6 SGB V gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren(§ 78 Abs 1 SGG). Gemäß § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG bedarf es eines Vorverfahrens (nur) dann nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt.

19

bb) Ein derartiger Ausnahmefall ist in § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V(in der ab dem 1.1.2008 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes ) geregelt. Danach findet - abweichend von § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V - in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Diese Ausnahmeregelung ist, wie ihre Auslegung ergibt, auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt (in diesem Sinne auch SG Marburg, Urteil vom 15.12.2010 - S 10 KA 597/09 - juris RdNr 16; ähnlich etwa Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 25 RdNr 10; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Mai 2011, K § 106 RdNr 599c; weitergehend Clemens in jurisPK-SGB V, 2008, § 106 RdNr 279: "bei Leistungen, die … generell ausgeschlossen sind"). Zudem muss sich der Ausschluss aus spezifischen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben.

20

(1) Eine (einschränkende) Auslegung der Norm in diesem Sinne legt bereits ihr Wortlaut nahe. Danach gilt der Ausschluss des Vorverfahrens nur für "Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind".

21

Durch das Gesetz von der Versorgung ausgeschlossen - also nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig - sind insbesondere nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB V), sogenannte "Bagatellarzneimittel" (§ 34 Abs 1 Satz 6 SGB V) und Arzneimittel zur Erhöhung der Lebensqualität (§ 34 Abs 1 Satz 7 SGB V). Im weiteren Sinne zählen hierzu auch Arzneimittel, die aufgrund gesetzlicher Ermächtigung (vgl § 34 Abs 4 SGB V) durch Rechtsverordnung ausgeschlossen sind. Die Arzneimittelrichtlinie (AMR) nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V setzt diese gesetzlichen Verordnungsausschlüsse im Wesentlichen lediglich um, indem sie die gesetzlichen Ausschlüsse präzisiert (vgl § 34 Abs 1 Satz 9 SGB V)oder im ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag (vgl § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V)Fallgruppen benennt, in denen ausgeschlossene Arzneimittel ausnahmsweise verordnet werden können. Originäre Verordnungsausschlüsse enthält sie in Bezug auf Arzneimittel, die in der früheren Anlage 2 Nr 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der GKV aufgeführt sind, welche jetzt gemäß § 34 Abs 3 Satz 1 SGB V(in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung) Teil der AMR ist.

22

In den genannten Fallgruppen beantwortet sich die Frage, ob ein Arzneimittel einem Verordnungsausschluss unterfällt, unmittelbar aus dem Gesetz bzw aus der AMR. Dass § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V nur die Leistungen erfassen soll, deren Verordnung durch spezifische - explizite - gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen ausgeschlossen ist, wird durch die Formulierung "durch das Gesetz oder durch die Richtlinien" belegt. Wenn jedwede nicht im Einklang mit dem Gesetz stehende Verordnung hätte erfasst werden sollen, hätte es zum einen der gesonderten Erwähnung der Richtlinien nicht bedurft. Für die Erforderlichkeit eines expliziten gesetzlichen Ausschlusses spricht zum anderen auch die Verwendung des Wortes "durch". "Durch" das Gesetz ausgeschlossen sind Verordnungen dann, wenn dies auf eine eindeutige Regelung in einem spezifischen Gesetz zurückzuführen ist. Andernfalls hätte es nahegelegen, pauschal von einem "gesetzlichen" Ausschluss oder gar nur von "ausgeschlossenen" oder "nicht der Leistungspflicht der GKV unterliegenden" Leistungen zu sprechen.

23

Lediglich "mittelbare" Ausschlüsse durch andere Gesetze - wie etwa durch das Arzneimittelgesetz (AMG) im Wege einer "Transformation" über die §§ 2, 12 SGB V(s hierzu unter cc <3>) genügen daher nicht.

24

(2) Dieses Verständnis des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V bestätigen auch die Gesetzesmaterialien. Nach der Gesetzesbegründung (Fraktionsentwurf zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, BT-Drucks 16/3100 S 138 zu § 106 Abs 5 SGB V, Zu Doppelbuchstabe cc)bewirkt "der Ausschluss eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss in Prüfungssachen Verordnungen von Arzneimitteln betreffend, die durch Gesetz oder die Richtlinien aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen sind, … dass der Beschwerdeausschuss von einer Vielzahl gleichartig zu bearbeitender Einzelvorgänge entlastet wird. Der vergleichsweise leicht überprüfbare Sachverhalt, ob ein Arzneimittel grundsätzlich Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ist, kann sachgerecht durch die Prüfungsstelle abschließend geklärt werden". Der Gesetzgeber wollte ausweislich dieser Begründung die Beschwerdeausschüsse allein von Fallgestaltungen bzw Anwendungssachverhalten entlasten, die eher technischen Charakter haben und ganz überwiegend in der Umsetzung eindeutiger normativer Vorgaben bestehen. Dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen soll, schließt es aus, sie auf Konstellationen zu erstrecken, in denen sich die Entscheidung nicht ohne Weiteres - im Sinne eines "ja" oder "nein" - aus normativen Vorgaben ergibt, sondern es hierzu einer einzelfallbezogenen Prüfung bedarf. Dies wird durch die Erwartung des Gesetzgebers gestützt, dass die von der Ausnahmeregelung erfassten Fallgestaltungen einen "vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt" zum Gegenstand haben.

25

Schließlich soll die Ausnahmeregelung nach der Gesetzesbegründung nur Sachverhalte erfassen, in denen zu prüfen ist, ob ein Arzneimittel "grundsätzlich" Gegenstand der Leistungspflicht der GKV ist. Zwar könnte dies auch in dem Sinne verstanden werden, dass nur Fälle gemeint sind, in denen ein "genereller" Ausschluss der Verordnungsfähigkeit besteht (so offenbar Clemens aaO), oder aber, dass ein unspezifischer, "grundsätzlicher" Ausschluss der Leistungspflicht ("von Gesetzes wegen") für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung ausreiche und eine ausnahmsweise Zulässigkeit unschädlich sei. Würdigt man die Aussage des Gesetzgebers allerdings in ihrem Zusammenhang - nämlich, dass die Frage des grundsätzlichen Ausschlusses einen vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt darstellen soll -, bestätigt auch dies die Annahme, dass sich der Gesetzgeber auf Fallgestaltungen bezogen hat, in denen sich der Ausschluss der Leistungspflicht ohne Weiteres mit "ja" oder "nein" beantworten lässt, weil sich die Antwort unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz bzw den Richtlinien ergibt.

26

Dass sich der Ausschluss zudem unmittelbar aus spezifischen gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben muss, legt schon die Erwähnung des "Leistungskatalogs" in der Gesetzesbegründung (aaO) nahe. Danach soll die Ausnahmeregelung nur Verordnungen erfassen, die durch Gesetz oder die Richtlinien "aus dem Leistungskatalog" der GKV ausgeschlossen sind. Auch wenn diese Ausschlüsse damit nicht den Charakter eines "Negativkatalogs" haben müssen, legt der Begriff "Katalog" eine detaillierte, spezifische Regelung nahe und steht einer Heranziehung allgemeiner Regelungen entgegen.

27

(3) Die Argumentation der Klägerin, dass es für einen sich "aus dem Gesetz" ergebenden Verordnungsausschluss genügen soll, dass die Verordnung allgemeinen Grundsätzen des Krankenversicherungsrechts, nämlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach §§ 2, 12 SGB V, zuwiderläuft, überzeugt schon aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht. Insbesondere aber steht ihr entgegen, dass sie zur Konsequenz hätte, dass im Verordnungsbereich die Durchführung eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss generell ausgeschlossen wäre. Denn die Aufgabe der Prüfgremien besteht gerade darin, die Wirtschaftlichkeit der Verordnungen - und damit die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots - zu überprüfen. Wenn es für die Anwendung der Ausschlussregelung genügte, dass eine Arzneimittelverordnung allgemeinen Grundaussagen des SGB V - namentlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) - zuwiderläuft, würde § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V alle unwirtschaftlichen Verordnungen erfassen.

28

Dass der Gesetzgeber derart weitreichende Konsequenzen beabsichtigt hat, ist nicht erkennbar. Dies stünde im Übrigen nicht im Einklang mit dem Zweck eines Vorverfahrens. Dieses soll die Verwaltung in die Lage versetzen, ihre Verwaltungsakte im Wege der Selbstkontrolle zu überprüfen, den Rechtsschutz der betroffenen Bürger verbessern und die Gerichte vor Überlastung schützen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, Vor § 77 RdNr 1a). Auch der erkennende Senat hat betont, dass eine Überprüfung in einem Vorverfahren, insbesondere der Verwaltung die Gelegenheit bieten soll, Fehlentscheidungen selbst zu korrigieren, und damit zugleich im Sinne einer Filterfunktion dem Interesse der Entlastung der Gerichte dient (BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 12 unter Hinweis auf BSG SozR 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1 S 10 f). Gerade dann, wenn medizinische Fragen zu beurteilen sind, kommt dem mit Vertretern von Ärzten und Krankenkassen fachkundig besetzten Beschwerdeausschuss bei der Erreichung dieser Ziele große Bedeutung zu. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Entlastung des Beschwerdeausschusses steht dem nicht entgegen, da dieser zwar von gleichförmigen Verfahren entlastet werden sollte, nicht aber von seiner originären Aufgabe einer Überprüfung der Entscheidungen der Prüfungsstelle in allen übrigen Fällen.

29

cc) Bei Anwendung der dargestellten Maßstäbe ergibt sich, dass die vorliegend strittigen Regresse wegen der Verordnung von Arzneimitteln außerhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung - sogenannter "Off-Label-Use" - grundsätzlich nicht zu den Sachverhalten gehören, in denen die Ausnahmeregelung nach § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V Anwendung findet.

30

(1) Schon die Vorgabe des Gesetzgebers, dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen soll, wird bei Regressen wegen einer zulassungsüberschreitenden Verordnung von Arzneimitteln nicht erfüllt. Denn in derartigen Fällen ist eine Verordnung - von den hier nicht einschlägigen Fällen einer expliziten Regelung in der AMR (s hierzu unter cc <2>) abgesehen - nur ausnahmsweise bei Erfüllung der in der Rechtsprechung des BSG entwickelten (engen) Voraussetzungen zulässig. Voraussetzung für eine ausnahmsweise zulassungsüberschreitende Verordnung von Arzneimitteln ist danach, dass eine schwerwiegende - dh eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende - Erkrankung vorliegt, keine andere zugelassene Therapie verfügbar ist und aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betroffenen Arzneimittel ein Behandlungserfolg erzielt werden kann (zuletzt BSG Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 48/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daher bedarf es hier regelmäßig einer einzelfallbezogenen Prüfung.

31

Auch die Erwartung des Gesetzgebers, dass es sich um einen "vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt" handeln soll, ist - wie schon die vorstehenden dargestellten Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulassungsüberschreitende Verordnung verdeutlichen - in derartigen Fällen nicht ansatzweise erfüllt. Nicht zuletzt die Ausführungen der Beteiligten zur Validität medizinischer Meinungsäußerungen beim Nachweis der Wirksamkeit des hier regressierten Arzneimittels im konkreten Fall belegen vielmehr, dass schwierige medizinische Fragestellungen im Raum stehen.

32

(2) Keine andere Beurteilung rechtfertigt vorliegend der Umstand, dass Abschnitt K § 30 iVm Anlage VI zum Abschnitt K der AMR(zuletzt geändert durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 17.2.2011 - DÄ 2011, A 1251 f) Regelungen zur Verordnungsfähigkeit von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten enthält. Denn diese Bestimmung trifft hierzu keine abschließende Regelung, sondern erfasst nur Teilbereiche des Off-Label-Use. Insbesondere lässt sie - ausweislich der Fußnote zu Abschnitt K der AMR - für die nicht ausdrücklich geregelten Fälle eines Off-Label-Use die Rechtsprechung des BSG zur Verordnungsfähigkeit im Einzelfall unberührt. Ein die Anwendung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V ermöglichender Verordnungsausschluss kann daher allein in Bezug auf die dort ausdrücklich geregelten Fallgestaltungen angenommen werden. Das Arzneimittel, dessen Verordnung im Streit steht, ist jedoch weder in Anlage VI zum Abschnitt K der AMR im dortigen Teil A positiv noch in Teil B negativ aufgeführt.

33

(3) Ein "gesetzlicher" Ausschluss des Off-Label-Use iS des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V lässt sich auch nicht aus dem AMG herleiten. Das AMG selbst verbietet die zulassungsüberschreitende Verordnung von Arzneimitteln nicht; jeder Arzt kann derartige Verordnungen auf Privatrezept vornehmen. Der sich nach dem Recht der GKV ergebende Verordnungsausschluss beruht lediglich mittelbar auf dem AMG: Zwar kann ein Arzneimittel grundsätzlich nicht zu Lasten der GKV in einem Anwendungsbereich verordnet werden, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt (vgl schon BSGE 89, 184, 186 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 30). Nach der Rechtsprechung der BSG-Senate ergibt sich ein Zusammenspiel zwischen Arzneimittelrecht und Leistungsrecht der GKV allerdings erst unter dem Gesichtspunkt, dass das GKV-Recht bei Arzneimitteln in Bezug auf die Qualitätssicherung weitgehend auf eigene Vorschriften verzichtet und insoweit an das Arzneimittelrecht anknüpft (vgl schon BSGE 89, 184, 185 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 29). Nach dem Recht der GKV - § 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 SGB V - beschränkt sich der Anspruch der Versicherten auf die Versorgung mit Arzneimitteln, die sich als wirtschaftlich und zweckmäßig erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Bei Vorliegen der arzneimittelrechtlichen Zulassung wird davon ausgegangen, dass damit zugleich die Mindeststandards einer wirtschaftlichen und zweckmäßigen Arzneimittelversorgung im Sinne des GKV-Rechts erfüllt sind (BSG aaO). Bei einem Off-Label-Use entfällt diese Annahme.

34

2. Soweit das SG hingegen die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. als unzulässig zurückgewiesen hat, ist die Revision im Sinne einer Aufhebung des Urteils des SG sowie des Bescheides des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 und einer Verpflichtung des Beklagten zu 2. begründet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut über den von der Klägerin gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 5.9.2008 erhobenen Widerspruch zu entscheiden.

35

a) Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 bereits in Bestandskraft erwachsen ist. Dies ist nicht der Fall, da dieser Bescheid nach § 95 SGG Gegenstand des bereits anhängigen, gegen den Bescheid der Prüfungsstelle gerichteten Verfahrens geworden ist.

36

Nach § 95 SGG ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin unmittelbar gegen den Bescheid der Prüfungsstelle Klage erhoben hat, denn der Umstand, dass vor Klageerhebung kein Widerspruchsverfahren durchgeführt wurde, obwohl dies erforderlich war, führt im Regelfall nicht zur Abweisung der Klage als unzulässig (vgl BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 15 mwN; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 78 RdNr 3a). Vielmehr ist in derartigen Fällen den Beteiligten Gelegenheit zu geben, das Vorverfahren nachzuholen (BSG aaO S 11; Leitherer aaO § 78 RdNr 3a mwN); dabei liegt in der Klage zugleich die Einlegung des Widerspruchs (BSG aaO S 12; Leitherer aaO § 78 RdNr 3b mwN). § 95 SGG gilt daher auch in den Fällen, in denen das Widerspruchsverfahren während des Klageverfahrens nachgeholt wird(BSGE 71, 42, 44 = SozR 3-2500 § 87 Nr 4 S 11; Leitherer aaO § 95 RdNr 2).

37

Auch die oben (unter 1. a) dargestellten vertragsarztrechtlichen Besonderheiten des Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss stehen der Anwendung des § 95 SGG auf einen nachfolgenden Bescheid des Beschwerdeausschusses nicht entgegen. Die Aussage des § 95 SGG, dass bei Durchführung eines Vorverfahrens (auch) der Widerspruchsbescheid Gegenstand des Gerichtsverfahrens ist, wird durch die Senatsrechtsprechung als solches nicht in Frage gestellt; § 95 SGG wird durch sie nur in dem Sinne modifiziert, dass der Bescheid der Prüfungsstelle nicht Gegenstand des Verfahrens wird(vgl BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194). Einer gesonderten Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. bedurfte es somit nicht, so dass es auf die Frage einer rechtzeitigen Klageerhebung (bzw -erweiterung) nicht ankommt.

38

b) Die somit zulässige Klage gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses ist auch im Sinne einer Verpflichtung des Beklagten zu 2. begründet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut über den von der Klägerin gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 5.9.2008 erhobenen Widerspruch zu entscheiden. Der Beklagte zu 2. hat den Widerspruch der Klägerin zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen und damit unter Ablehnung einer Sachentscheidung die seinem verwaltungsmäßigen Aufgabenbereich zugehörenden Feststellungen insgesamt nicht getroffen. Die gegen den Bescheid der Prüfungsstelle erhobene Klage stand einer Bescheidung des Widerspruches in der Sache schon deswegen nicht entgegen, weil Sinn und Zweck der Nachholung des Vorverfahrens durch den Beklagten zu 2. gerade darin bestehen, die zunächst noch fehlende Zulässigkeit der Klage herbeizuführen.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Klägerin und der Beklagte zu 2. die Kosten des Verfahrens vor dem BSG und dem SG je zur Hälfte zu tragen, da sie jeweils zum Teil unterlegen sind (§§ 154 Abs 1, 159 Satz 1 VwGO). Für den Beklagten zu 2. gilt, dass er im Revisionsverfahren in der Weise unterlegen ist, dass der von ihm erlassene Bescheid, der (auch) Gegenstand des Verfahrens gewesen ist, vom Senat aufgehoben worden ist; dies ist auch dann, wenn er - wie hier - im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt hat, ein Unterliegen iS des § 154 Abs 1 VwGO(so schon BSG Urteil vom 2.9.2009 - B 6 KA 34/08 R - RdNr 35 mwN, in BSGE 104, 116 und SozR 4-2500 § 101 Nr 7 nicht abgedruckt).

40

Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16) bzw ihre Äußerung keine eindeutige Zuordnung in Bezug auf ein Obsiegen oder Unterliegen zulässt.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre, stationsäquivalente oder tagesstationäre Behandlung durch ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfaßt im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams; die tagesstationäre Behandlung umfasst einen täglich mindestens sechsstündigen Aufenthalt der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus, währenddessen überwiegend ärztliche oder pflegerische Behandlung erbracht wird, ohne Übernachtung im Krankenhaus. Die stationsäquivalente Behandlung und die tagesstationäre Behandlung entsprechen hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung. Zur Krankenhausbehandlung gehört auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten.

(1a) Die Krankenhausbehandlung umfasst ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung. § 11 Absatz 4 Satz 4 gilt. Das Krankenhaus kann mit Leistungserbringern nach § 95 Absatz 1 Satz 1 vereinbaren, dass diese Aufgaben des Entlassmanagements wahrnehmen. § 11 des Apothekengesetzes bleibt unberührt. Der Versicherte hat gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Unterstützung des Entlassmanagements nach Satz 1; soweit Hilfen durch die Pflegeversicherung in Betracht kommen, kooperieren Kranken- und Pflegekassen miteinander. Das Entlassmanagement umfasst alle Leistungen, die für die Versorgung nach Krankenhausbehandlung erforderlich sind, insbesondere die Leistungen nach den §§ 37b, 38, 39c sowie alle dafür erforderlichen Leistungen nach dem Elften Buch. Das Entlassmanagement umfasst auch die Verordnung einer erforderlichen Anschlussversorgung durch Krankenhausbehandlung in einem anderen Krankenhaus. Soweit dies für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist, können die Krankenhäuser Leistungen nach § 33a und die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 und 12 genannten Leistungen verordnen und die Arbeitsunfähigkeit feststellen; hierfür gelten die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung mit der Maßgabe, dass bis zur Verwendung der Arztnummer nach § 293 Absatz 7 Satz 3 Nummer 1 eine im Rahmenvertrag nach Satz 9 erster Halbsatz zu vereinbarende alternative Kennzeichnung zu verwenden ist. Bei der Verordnung von Arzneimitteln können Krankenhäuser eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung verordnen; im Übrigen können die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 genannten Leistungen für die Versorgung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet und die Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden (§ 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7). Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 7 und 12 die weitere Ausgestaltung des Verordnungsrechts nach Satz 7. Die weiteren Einzelheiten zu den Sätzen 1 bis 8, insbesondere zur Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den Krankenkassen, regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft unter Berücksichtigung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in einem Rahmenvertrag. Wird der Rahmenvertrag ganz oder teilweise beendet und kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Rahmenvertrag zustande, entscheidet das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Vor Abschluss des Rahmenvertrages ist der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Entlassmanagement und eine dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Die Information sowie die Einwilligung müssen schriftlich oder elektronisch erfolgen.

(2) Wählen Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus, können ihnen die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden.

(3) Die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkassen und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gemeinsam erstellen unter Mitwirkung der Landeskrankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Verzeichnis der Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in einer Region und passen es der Entwicklung an (Verzeichnis stationärer Leistungen und Entgelte). Dabei sind die Entgelte so zusammenzustellen, daß sie miteinander verglichen werden können. Die Krankenkassen haben darauf hinzuwirken, daß Vertragsärzte und Versicherte das Verzeichnis bei der Verordnung und Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung beachten.

(4) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen vom Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag je Kalendertag an das Krankenhaus. Die innerhalb des Kalenderjahres bereits an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung geleistete Zahlung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches sowie die nach § 40 Abs. 6 Satz 1 geleistete Zahlung sind auf die Zahlung nach Satz 1 anzurechnen.

(5) (weggefallen)

(1) Krankenhausleistungen nach § 1 Abs. 1 sind insbesondere ärztliche Behandlung, auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, sowie Unterkunft und Verpflegung; sie umfassen allgemeine Krankenhausleistungen und Wahlleistungen. Zu den Krankenhausleistungen gehören nicht die Leistungen der Belegärzte (§ 18) sowie der Beleghebammen und -entbindungspfleger.

(2) Allgemeine Krankenhausleistungen sind die Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind. Unter diesen Voraussetzungen gehören dazu auch

1.
die während des Krankenhausaufenthalts durchgeführten Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten im Sinne des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
2.
die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter,
3.
die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson des Patienten oder die Mitaufnahme einer Pflegekraft nach § 11 Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
4.
die besonderen Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten für die stationäre Versorgung von Patienten, insbesondere die Aufgaben von Tumorzentren und geriatrischen Zentren sowie entsprechenden Schwerpunkten,
5.
die Frührehabilitation im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
6.
das Entlassmanagement im Sinne des § 39 Absatz 1a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch.
Nicht zu den Krankenhausleistungen nach Satz 2 Nummer 2 gehören
1.
eine Dialyse, wenn hierdurch eine entsprechende Behandlung fortgeführt wird, das Krankenhaus keine eigene Dialyseeinrichtung hat und ein Zusammenhang mit dem Grund der Krankenhausbehandlung nicht besteht,
2.
bei der Krankenhausbehandlung von Menschen mit Hörbehinderung Leistungen der Dolmetscherassistenz zum Ausgleich der behinderungsbedingten Kommunikationsbeeinträchtigungen.
Besondere Aufgaben nach Satz 2 Nummer 4 setzen deren Ausweisung und Festlegung im Krankenhausplan des Landes oder eine gleichartige Festlegung durch die zuständige Landesbehörde im Einzelfall gegenüber dem Krankenhaus voraus. Die besonderen Aufgaben umfassen nur Leistungen, die nicht bereits durch die Fallpauschalen, nach sonstigen Regelungen dieses Gesetzes oder nach Regelungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vergütet werden; sie können auch Leistungen, die nicht zur unmittelbaren stationären Patientenversorgung gehören, umfassen.

(3) Bei der Erbringung von allgemeinen Krankenhausleistungen durch nicht im Krankenhaus fest angestellte Ärztinnen und Ärzte hat das Krankenhaus sicherzustellen, dass diese für ihre Tätigkeit im Krankenhaus die gleichen Anforderungen erfüllen, wie sie auch für fest im Krankenhaus angestellte Ärztinnen und Ärzte gelten.

(4) Die Deutsche Krankenhausgesellschaft prüft bis zum 31. Dezember 2021, ob zwischen Krankenhäusern erbrachte telekonsiliarärztliche Leistungen sachgerecht vergütet werden. Dabei ist auch zu prüfen, ob eine Anpassung der Vergütung notwendig ist. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft veröffentlicht das Ergebnis der Prüfung barrierefrei auf ihrer Internetseite. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft veröffentlicht bis zum 31. Dezember 2023 die Höhe von Vergütungen für telekonsiliarärztliche Leistungen, die zwischen Krankenhäusern erbracht werden.

(1) Die vollstationären und teilstationären Leistungen der DRG-Krankenhäuser werden nach diesem Gesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz vergütet.

(2) Dieses Gesetz gilt auch für die Vergütung von Leistungen der Bundeswehrkrankenhäuser, soweit diese Zivilpatienten behandeln, und der Krankenhäuser der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, soweit nicht die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten trägt. Im Übrigen gilt dieses Gesetz nicht für

1.
Krankenhäuser, auf die das Krankenhausfinanzierungsgesetz nach seinem § 3 Satz 1 keine Anwendung findet,
2.
Krankenhäuser, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2, 4 oder 7 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes nicht gefördert werden,
3.
Krankenhäuser und selbständige, gebietsärztlich geleitete Abteilungen für die Fachgebiete Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, soweit im Krankenhausfinanzierungsgesetz oder in der Bundespflegesatzverordnung nichts Abweichendes bestimmt wird.
4.
(weggefallen)

(3) Die vor- und nachstationäre Behandlung wird für alle Benutzer einheitlich nach § 115a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vergütet. Die ambulante Durchführung von Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe wird für die gesetzlich versicherten Patienten nach § 115b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und für sonstige Patienten nach den für sie geltenden Vorschriften, Vereinbarungen oder Tarifen vergütet. Die nach § 115f Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vereinbarten oder nach § 115f Absatz 4 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestimmten Leistungen werden für alle Benutzer und Benutzerinnen des Krankenhauses einheitlich nach § 115f des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vergütet.

(1) Krankenhausleistungen nach § 1 Abs. 1 sind insbesondere ärztliche Behandlung, auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, sowie Unterkunft und Verpflegung; sie umfassen allgemeine Krankenhausleistungen und Wahlleistungen. Zu den Krankenhausleistungen gehören nicht die Leistungen der Belegärzte (§ 18) sowie der Beleghebammen und -entbindungspfleger.

(2) Allgemeine Krankenhausleistungen sind die Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind. Unter diesen Voraussetzungen gehören dazu auch

1.
die während des Krankenhausaufenthalts durchgeführten Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten im Sinne des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
2.
die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter,
3.
die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson des Patienten oder die Mitaufnahme einer Pflegekraft nach § 11 Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
4.
die besonderen Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten für die stationäre Versorgung von Patienten, insbesondere die Aufgaben von Tumorzentren und geriatrischen Zentren sowie entsprechenden Schwerpunkten,
5.
die Frührehabilitation im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
6.
das Entlassmanagement im Sinne des § 39 Absatz 1a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch.
Nicht zu den Krankenhausleistungen nach Satz 2 Nummer 2 gehören
1.
eine Dialyse, wenn hierdurch eine entsprechende Behandlung fortgeführt wird, das Krankenhaus keine eigene Dialyseeinrichtung hat und ein Zusammenhang mit dem Grund der Krankenhausbehandlung nicht besteht,
2.
bei der Krankenhausbehandlung von Menschen mit Hörbehinderung Leistungen der Dolmetscherassistenz zum Ausgleich der behinderungsbedingten Kommunikationsbeeinträchtigungen.
Besondere Aufgaben nach Satz 2 Nummer 4 setzen deren Ausweisung und Festlegung im Krankenhausplan des Landes oder eine gleichartige Festlegung durch die zuständige Landesbehörde im Einzelfall gegenüber dem Krankenhaus voraus. Die besonderen Aufgaben umfassen nur Leistungen, die nicht bereits durch die Fallpauschalen, nach sonstigen Regelungen dieses Gesetzes oder nach Regelungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vergütet werden; sie können auch Leistungen, die nicht zur unmittelbaren stationären Patientenversorgung gehören, umfassen.

(3) Bei der Erbringung von allgemeinen Krankenhausleistungen durch nicht im Krankenhaus fest angestellte Ärztinnen und Ärzte hat das Krankenhaus sicherzustellen, dass diese für ihre Tätigkeit im Krankenhaus die gleichen Anforderungen erfüllen, wie sie auch für fest im Krankenhaus angestellte Ärztinnen und Ärzte gelten.

(4) Die Deutsche Krankenhausgesellschaft prüft bis zum 31. Dezember 2021, ob zwischen Krankenhäusern erbrachte telekonsiliarärztliche Leistungen sachgerecht vergütet werden. Dabei ist auch zu prüfen, ob eine Anpassung der Vergütung notwendig ist. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft veröffentlicht das Ergebnis der Prüfung barrierefrei auf ihrer Internetseite. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft veröffentlicht bis zum 31. Dezember 2023 die Höhe von Vergütungen für telekonsiliarärztliche Leistungen, die zwischen Krankenhäusern erbracht werden.

(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre, stationsäquivalente oder tagesstationäre Behandlung durch ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfaßt im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams; die tagesstationäre Behandlung umfasst einen täglich mindestens sechsstündigen Aufenthalt der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus, währenddessen überwiegend ärztliche oder pflegerische Behandlung erbracht wird, ohne Übernachtung im Krankenhaus. Die stationsäquivalente Behandlung und die tagesstationäre Behandlung entsprechen hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung. Zur Krankenhausbehandlung gehört auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten.

(1a) Die Krankenhausbehandlung umfasst ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung. § 11 Absatz 4 Satz 4 gilt. Das Krankenhaus kann mit Leistungserbringern nach § 95 Absatz 1 Satz 1 vereinbaren, dass diese Aufgaben des Entlassmanagements wahrnehmen. § 11 des Apothekengesetzes bleibt unberührt. Der Versicherte hat gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Unterstützung des Entlassmanagements nach Satz 1; soweit Hilfen durch die Pflegeversicherung in Betracht kommen, kooperieren Kranken- und Pflegekassen miteinander. Das Entlassmanagement umfasst alle Leistungen, die für die Versorgung nach Krankenhausbehandlung erforderlich sind, insbesondere die Leistungen nach den §§ 37b, 38, 39c sowie alle dafür erforderlichen Leistungen nach dem Elften Buch. Das Entlassmanagement umfasst auch die Verordnung einer erforderlichen Anschlussversorgung durch Krankenhausbehandlung in einem anderen Krankenhaus. Soweit dies für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist, können die Krankenhäuser Leistungen nach § 33a und die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 und 12 genannten Leistungen verordnen und die Arbeitsunfähigkeit feststellen; hierfür gelten die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung mit der Maßgabe, dass bis zur Verwendung der Arztnummer nach § 293 Absatz 7 Satz 3 Nummer 1 eine im Rahmenvertrag nach Satz 9 erster Halbsatz zu vereinbarende alternative Kennzeichnung zu verwenden ist. Bei der Verordnung von Arzneimitteln können Krankenhäuser eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung verordnen; im Übrigen können die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 genannten Leistungen für die Versorgung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet und die Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden (§ 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7). Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 7 und 12 die weitere Ausgestaltung des Verordnungsrechts nach Satz 7. Die weiteren Einzelheiten zu den Sätzen 1 bis 8, insbesondere zur Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den Krankenkassen, regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft unter Berücksichtigung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in einem Rahmenvertrag. Wird der Rahmenvertrag ganz oder teilweise beendet und kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Rahmenvertrag zustande, entscheidet das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Vor Abschluss des Rahmenvertrages ist der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Entlassmanagement und eine dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Die Information sowie die Einwilligung müssen schriftlich oder elektronisch erfolgen.

(2) Wählen Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus, können ihnen die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden.

(3) Die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkassen und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gemeinsam erstellen unter Mitwirkung der Landeskrankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Verzeichnis der Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in einer Region und passen es der Entwicklung an (Verzeichnis stationärer Leistungen und Entgelte). Dabei sind die Entgelte so zusammenzustellen, daß sie miteinander verglichen werden können. Die Krankenkassen haben darauf hinzuwirken, daß Vertragsärzte und Versicherte das Verzeichnis bei der Verordnung und Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung beachten.

(4) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen vom Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag je Kalendertag an das Krankenhaus. Die innerhalb des Kalenderjahres bereits an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung geleistete Zahlung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches sowie die nach § 40 Abs. 6 Satz 1 geleistete Zahlung sind auf die Zahlung nach Satz 1 anzurechnen.

(5) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2010 aufgehoben, soweit die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25. August 2009 abgewiesen wurde. Der Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25. August 2009 wird aufgehoben. Der Beklagte zu 2. wird verpflichtet, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. vom 5. September 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin und der Beklagte zu 2. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Arzneimittelregress wegen der zulassungsüberschreitenden Verordnung eines Medikaments im Quartal II/2005.

2

Die Klägerin ist Trägerin des Universitätsklinikums C. sowie der gemäß § 311 Abs 2 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in B. zugelassenen Fachambulanz für Nephrologie mit Dispensaire-Auftrag. In dieser Fachambulanz wurde der bei der zu 2. beigeladenen gesetzlichen Krankenkasse versicherten Patientin K am 10.6.2005 das Medikament CellCept verordnet. Dieses zur Gruppe der Immunsuppressiva gehörende Medikament ist zur Prophylaxe von akuten Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantationen zugelassen, nicht aber zur Behandlung der bei der Patientin vorliegenden Wegenerschen Granulomatose mit Nierenbeteiligung. Auf Antrag der Beigeladenen zu 2. setzte die zu 1. beklagte Prüfungsstelle (als "Funktionsnachfolgerin" des Prüfungsausschusses) wegen der zulassungsüberschreitenden Verordnung von CellCept gegen die Klägerin einen Regress in Höhe von 458,09 Euro fest (Bescheid aus der Sitzung vom 5.9.2008, ausgefertigt am 31.10.2008).

3

Hiergegen hat die Klägerin mit der Begründung Klage erhoben, dass die Voraussetzungen für eine zulassungsüberschreitende Verordnung von CellCept erfüllt seien. Nach einem Hinweis des SG, dass zunächst das Vorverfahren vor dem zu 2. beklagten Beschwerdeausschuss durchzuführen sei, hat die Klägerin erklärt, dass die Klage auch als Widerspruch verstanden werden solle. Der vom SG zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens aufgeforderte Beklagte zu 2. wies den Widerspruch mit Bescheid aus der Sitzung vom 25.8.2009 (ausgefertigt am 16.10.2009) als unzulässig zurück. Die Klägerin könne ihr Klageziel mit dem Rechtsbehelf nicht erreichen, weil die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Beklagten zu 1. schon Gegenstand des bereits anhängigen Rechtsstreits sei und deshalb eine neue Klage gegen seine - des Beklagten zu 2. - Entscheidung wegen der bereits bestehenden Rechtshängigkeit unzulässig sei. Nachfolgend hat die Klägerin ihre Klage dahingehend erweitert, dass sich diese auch gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. richtet.

4

Das SG hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 17.3.2010). Zur Begründung hat es ausgeführt, die gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. erhobene Klage sei unzulässig, da sie der unzutreffende Rechtsbehelf sei; gegen die Entscheidung sei vielmehr der Beklagte zu 2. anzurufen. § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V sei nicht einschlägig, da er voraussetze, dass die Verordnung der Leistungen durch das Gesetz oder durch Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sei. Der Gesetzgeber gehe von leicht überprüfbaren Sachverhalten und gleichartig zu bewertenden Einzelvorgängen aus; es solle für die Regressentscheidung gerade nicht auf eine medizinische Bewertung des Einzelfalls ankommen. Mithin sei immer dann, wenn dies nicht der Fall sei, weiterhin ein Vorverfahren durchzuführen. Zwar beruhe auch die Unzulässigkeit einer Verordnung im Wege des Off-Label-Use auf dem Gesetz (§ 12 Abs 1 SGB V sowie § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V), doch gehe ein namentlicher, genereller und ausnahmsloser Ausschluss damit gerade nicht einher. Im Gegenteil sei hier das Arzneimittel - im Rahmen der zugelassenen Anwendungsgebiete - grundsätzlich zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig. Im Übrigen sei die Klage auch deswegen unzulässig, weil der Bescheid des Beklagten zu 2. den Bescheid der Beklagten zu 1. ersetzt habe und alleiniger Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung geworden sei.

5

Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 sei wegen dessen Bestandskraft unzulässig. Unabhängig davon, dass der Beklagte zu 2. zu Unrecht von der Unzulässigkeit des von der Klägerin erhobenen Widerspruchs ausgegangen sei, sei durch seinen Bescheid zwar das erforderliche Vorverfahren nachgeholt worden, doch sei dieser Bescheid nicht nach § 96 SGG automatisch Gegenstand des zwischen der Klägerin und der zu 1. beklagten Prüfungsstelle anhängigen Rechtsstreits geworden, da nach der Neufassung des § 96 Abs 1 SGG nur ein nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangener Bescheid Verfahrensgegenstand werden könne; der Bescheid des Beklagten zu 2. sei jedoch der Widerspruchsbescheid selbst. Die daher notwendige ausdrückliche Klageänderung (Klageerweiterung) sei zwar sachdienlich und damit (als solche) zulässig, doch habe die Klägerin diese erst nach Ablauf der Klagefrist erklärt.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Das SG habe § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V fehlerhaft ausgelegt. Regresse wegen eines Off-Label-Use seien von dieser Ausnahmevorschrift erfasst, so dass die sofortige Klage gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. vorliegend der richtige Rechtsbehelf gewesen sei. Die Auffassung des SG, die Regelung erfasse nur Leistungen, die "ausdrücklich, also namentlich unmittelbar und ausnahmslos durch gesetzliche Regelungen" ausgeschlossen seien, stelle eine unzulässige Auslegung über die Grenzen des Wortlauts des Gesetzes dar. Dieser setze lediglich voraus, dass die Leistungspflicht der Krankenkasse durch das Gesetz ausgeschlossen sei, wobei der grundsätzliche Ausschluss von Gesetzes wegen genüge. Wenn ein Arzneimittel in einem Anwendungsgebiet eingesetzt werde, für das es nicht zugelassen sei, bestehe ein Anspruch des Versicherten und damit eine Leistungspflicht wegen des Wirtschaftlichkeitsgebotes grundsätzlich nicht, sondern nur ausnahmsweise nach bestimmten Kriterien des BSG. Damit sei in derartigen Fällen die Leistung grundsätzlich durch Gesetz ausgeschlossen und die Vorschrift des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V anwendbar.

7

Auch aus der Gesetzesbegründung lasse sich die Schlussfolgerung des SG nicht herleiten. Dem Gesetzgeber sei es offenbar um die Entlastung des Beschwerdeausschusses gegangen. Aufgrund dieser Intention verbiete es sich, die Ausnahmeregelung so weit einzuschränken, dass nur namentliche, ausnahmslose Leistungsausschlüsse davon umfasst seien. Andernfalls stellte sich die Frage nach dem verbleibenden Anwendungsbereich, da die vom SG genannten Fallgestaltungen in der Praxis eher selten seien. Mit der Prüfungsstelle sei eine professionelle Fachbehörde geschaffen worden, die auch die nötige Sachkompetenz besitze, Fälle des Off-Label-Use abschließend zu klären. In der Sache sei die Festsetzung einer Ausgleichspflicht rechtswidrig, da das Medikament im vorliegenden Fall verordnungsfähig gewesen sei; die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise zulässigen Off-Label-Use seien erfüllt.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17.3.2010 sowie den Bescheid der Beklagten zu 1. vom 5.9.2008 und den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 aufzuheben.

9

Die Beklagte zu 1. stellt keinen Antrag. Hinsichtlich der Zulässigkeit der gegen sie erhobenen Klage schließt sie sich den Ausführungen der Klägerin an und verweist ergänzend auf die Anlage zur Tagesordnung eines Gesprächs mit den Leitern und Leiterinnen der Prüfungsstellen und der Vorsitzenden der Beschwerdeausschüsse, in der der Off-Label-Use als Anwendungsfall des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V genannt werde. Materiell-rechtlich habe im streitgegenständlichen Verordnungszeitpunkt aufgrund der Datenlage keine begründete Aussicht bestanden, dass mit dem verordneten Präparat CellCept ein Behandlungserfolg bei der Wegenerschen Granulomatose habe erzielt werden können.

10

Der Beklagte zu 2. stellt keinen Antrag. Er habe allein auf die als Erhebung eines Widerspruchs zu wertende Erklärung der Klägerin vom 2.7.2009 ein Widerspruchsverfahren eingeleitet. Damit sei für ihn keine Verpflichtung vorgegeben, über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten zu 1. zu entscheiden.

11

Die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung, die ebenfalls keinen Antrag stellt, hält die Revision für unbegründet. Die Auslegung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelung sei eng auszulegen, da es sich um eine Ausnahmevorschrift handele, und nach der Gesetzesbegründung der Beschwerdeausschuss nur bei vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalten von der Durchführung des Vorverfahrens habe entlastet werden sollen; dies sei bei den einen Off-Label-Use betreffenden Prüfverfahren regelmäßig nicht der Fall.

12

Die Beigeladene zu 2. hat schriftsätzlich beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Inhaltlich schließt sie sich dem Vortrag der Beigeladenen zu 1. an.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist nur zum Teil begründet. Ihre Klage gegen den Bescheid der zu 1. beklagten Prüfungsstelle hat das SG zu Recht als unzulässig abgewiesen (1.). Die Abweisung der gegen den Bescheid des zu 2. beklagten Beschwerdeausschusses erhobenen Klage ist jedoch zu Unrecht erfolgt, denn insoweit war die Klage zulässig und im Sinne einer Verpflichtung des Beschwerdeausschusses zur Neubescheidung begründet (2.).

15

1. Das SG hat die gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. erhobene Klage zu Recht als unzulässig beurteilt. Dies folgt daraus, dass Klagen gegen Bescheide der nach § 106 Abs 4 Satz 1 SGB V errichteten Prüfungsstellen wegen der Besonderheiten des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens grundsätzlich unzulässig sind (a), und auch kein Ausnahmefall vorliegt, in dem ein Vorverfahren - dh eine Überprüfung des Bescheides der Prüfungsstelle durch den Beschwerdeausschuss - ausgeschlossen ist (b).

16

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren grundsätzlich allein der das Verwaltungsverfahren abschließende Verwaltungsakt des Beschwerdeausschusses Streitgegenstand nach § 95 SGG(vgl BSGE 74, 59, 60 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f, mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 S 61). Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig; sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt der Prüfungsstelle (stRspr des BSG, vgl BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194; kritisch hierzu Clemens in jurisPK-SGB V, 2008, § 106 RdNr 282). Eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Prüfungsstelle ist daher in der Regel - von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen - unzulässig (stRspr des BSG, vgl BSGE 74, 59, 61 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 119; BSGE 75, 220, 221 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24 S 132; BSGE 76, 53, 53 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 145; BSGE 76, 149, 153 = SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 160; BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194 f).

17

b) Vorliegend wäre eine Klage gegen den Bescheid der Prüfungsstelle somit nur dann zulässig, wenn eine Entscheidung des Beschwerdeausschusses kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht zu erfolgen hätte und es nicht zu einer Ersetzung des Bescheides der Prüfungsstelle kommen kann. Ein derartiger Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben.

18

aa) Nach § 78 Abs 1 Satz 1 SGG sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Dies gilt - ungeachtet gewisser Besonderheiten und ggf nur entsprechend - auch für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V. § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V bestimmt, dass die dort aufgeführten Personen und Institutionen gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle die Beschwerdeausschüsse anrufen können; gemäß § 106 Abs 5 Satz 6 SGB V gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren(§ 78 Abs 1 SGG). Gemäß § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG bedarf es eines Vorverfahrens (nur) dann nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt.

19

bb) Ein derartiger Ausnahmefall ist in § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V(in der ab dem 1.1.2008 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes ) geregelt. Danach findet - abweichend von § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V - in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Diese Ausnahmeregelung ist, wie ihre Auslegung ergibt, auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt (in diesem Sinne auch SG Marburg, Urteil vom 15.12.2010 - S 10 KA 597/09 - juris RdNr 16; ähnlich etwa Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 25 RdNr 10; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Mai 2011, K § 106 RdNr 599c; weitergehend Clemens in jurisPK-SGB V, 2008, § 106 RdNr 279: "bei Leistungen, die … generell ausgeschlossen sind"). Zudem muss sich der Ausschluss aus spezifischen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben.

20

(1) Eine (einschränkende) Auslegung der Norm in diesem Sinne legt bereits ihr Wortlaut nahe. Danach gilt der Ausschluss des Vorverfahrens nur für "Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind".

21

Durch das Gesetz von der Versorgung ausgeschlossen - also nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig - sind insbesondere nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB V), sogenannte "Bagatellarzneimittel" (§ 34 Abs 1 Satz 6 SGB V) und Arzneimittel zur Erhöhung der Lebensqualität (§ 34 Abs 1 Satz 7 SGB V). Im weiteren Sinne zählen hierzu auch Arzneimittel, die aufgrund gesetzlicher Ermächtigung (vgl § 34 Abs 4 SGB V) durch Rechtsverordnung ausgeschlossen sind. Die Arzneimittelrichtlinie (AMR) nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V setzt diese gesetzlichen Verordnungsausschlüsse im Wesentlichen lediglich um, indem sie die gesetzlichen Ausschlüsse präzisiert (vgl § 34 Abs 1 Satz 9 SGB V)oder im ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag (vgl § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V)Fallgruppen benennt, in denen ausgeschlossene Arzneimittel ausnahmsweise verordnet werden können. Originäre Verordnungsausschlüsse enthält sie in Bezug auf Arzneimittel, die in der früheren Anlage 2 Nr 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der GKV aufgeführt sind, welche jetzt gemäß § 34 Abs 3 Satz 1 SGB V(in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung) Teil der AMR ist.

22

In den genannten Fallgruppen beantwortet sich die Frage, ob ein Arzneimittel einem Verordnungsausschluss unterfällt, unmittelbar aus dem Gesetz bzw aus der AMR. Dass § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V nur die Leistungen erfassen soll, deren Verordnung durch spezifische - explizite - gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen ausgeschlossen ist, wird durch die Formulierung "durch das Gesetz oder durch die Richtlinien" belegt. Wenn jedwede nicht im Einklang mit dem Gesetz stehende Verordnung hätte erfasst werden sollen, hätte es zum einen der gesonderten Erwähnung der Richtlinien nicht bedurft. Für die Erforderlichkeit eines expliziten gesetzlichen Ausschlusses spricht zum anderen auch die Verwendung des Wortes "durch". "Durch" das Gesetz ausgeschlossen sind Verordnungen dann, wenn dies auf eine eindeutige Regelung in einem spezifischen Gesetz zurückzuführen ist. Andernfalls hätte es nahegelegen, pauschal von einem "gesetzlichen" Ausschluss oder gar nur von "ausgeschlossenen" oder "nicht der Leistungspflicht der GKV unterliegenden" Leistungen zu sprechen.

23

Lediglich "mittelbare" Ausschlüsse durch andere Gesetze - wie etwa durch das Arzneimittelgesetz (AMG) im Wege einer "Transformation" über die §§ 2, 12 SGB V(s hierzu unter cc <3>) genügen daher nicht.

24

(2) Dieses Verständnis des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V bestätigen auch die Gesetzesmaterialien. Nach der Gesetzesbegründung (Fraktionsentwurf zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, BT-Drucks 16/3100 S 138 zu § 106 Abs 5 SGB V, Zu Doppelbuchstabe cc)bewirkt "der Ausschluss eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss in Prüfungssachen Verordnungen von Arzneimitteln betreffend, die durch Gesetz oder die Richtlinien aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen sind, … dass der Beschwerdeausschuss von einer Vielzahl gleichartig zu bearbeitender Einzelvorgänge entlastet wird. Der vergleichsweise leicht überprüfbare Sachverhalt, ob ein Arzneimittel grundsätzlich Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ist, kann sachgerecht durch die Prüfungsstelle abschließend geklärt werden". Der Gesetzgeber wollte ausweislich dieser Begründung die Beschwerdeausschüsse allein von Fallgestaltungen bzw Anwendungssachverhalten entlasten, die eher technischen Charakter haben und ganz überwiegend in der Umsetzung eindeutiger normativer Vorgaben bestehen. Dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen soll, schließt es aus, sie auf Konstellationen zu erstrecken, in denen sich die Entscheidung nicht ohne Weiteres - im Sinne eines "ja" oder "nein" - aus normativen Vorgaben ergibt, sondern es hierzu einer einzelfallbezogenen Prüfung bedarf. Dies wird durch die Erwartung des Gesetzgebers gestützt, dass die von der Ausnahmeregelung erfassten Fallgestaltungen einen "vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt" zum Gegenstand haben.

25

Schließlich soll die Ausnahmeregelung nach der Gesetzesbegründung nur Sachverhalte erfassen, in denen zu prüfen ist, ob ein Arzneimittel "grundsätzlich" Gegenstand der Leistungspflicht der GKV ist. Zwar könnte dies auch in dem Sinne verstanden werden, dass nur Fälle gemeint sind, in denen ein "genereller" Ausschluss der Verordnungsfähigkeit besteht (so offenbar Clemens aaO), oder aber, dass ein unspezifischer, "grundsätzlicher" Ausschluss der Leistungspflicht ("von Gesetzes wegen") für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung ausreiche und eine ausnahmsweise Zulässigkeit unschädlich sei. Würdigt man die Aussage des Gesetzgebers allerdings in ihrem Zusammenhang - nämlich, dass die Frage des grundsätzlichen Ausschlusses einen vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt darstellen soll -, bestätigt auch dies die Annahme, dass sich der Gesetzgeber auf Fallgestaltungen bezogen hat, in denen sich der Ausschluss der Leistungspflicht ohne Weiteres mit "ja" oder "nein" beantworten lässt, weil sich die Antwort unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz bzw den Richtlinien ergibt.

26

Dass sich der Ausschluss zudem unmittelbar aus spezifischen gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben muss, legt schon die Erwähnung des "Leistungskatalogs" in der Gesetzesbegründung (aaO) nahe. Danach soll die Ausnahmeregelung nur Verordnungen erfassen, die durch Gesetz oder die Richtlinien "aus dem Leistungskatalog" der GKV ausgeschlossen sind. Auch wenn diese Ausschlüsse damit nicht den Charakter eines "Negativkatalogs" haben müssen, legt der Begriff "Katalog" eine detaillierte, spezifische Regelung nahe und steht einer Heranziehung allgemeiner Regelungen entgegen.

27

(3) Die Argumentation der Klägerin, dass es für einen sich "aus dem Gesetz" ergebenden Verordnungsausschluss genügen soll, dass die Verordnung allgemeinen Grundsätzen des Krankenversicherungsrechts, nämlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach §§ 2, 12 SGB V, zuwiderläuft, überzeugt schon aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht. Insbesondere aber steht ihr entgegen, dass sie zur Konsequenz hätte, dass im Verordnungsbereich die Durchführung eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss generell ausgeschlossen wäre. Denn die Aufgabe der Prüfgremien besteht gerade darin, die Wirtschaftlichkeit der Verordnungen - und damit die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots - zu überprüfen. Wenn es für die Anwendung der Ausschlussregelung genügte, dass eine Arzneimittelverordnung allgemeinen Grundaussagen des SGB V - namentlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) - zuwiderläuft, würde § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V alle unwirtschaftlichen Verordnungen erfassen.

28

Dass der Gesetzgeber derart weitreichende Konsequenzen beabsichtigt hat, ist nicht erkennbar. Dies stünde im Übrigen nicht im Einklang mit dem Zweck eines Vorverfahrens. Dieses soll die Verwaltung in die Lage versetzen, ihre Verwaltungsakte im Wege der Selbstkontrolle zu überprüfen, den Rechtsschutz der betroffenen Bürger verbessern und die Gerichte vor Überlastung schützen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, Vor § 77 RdNr 1a). Auch der erkennende Senat hat betont, dass eine Überprüfung in einem Vorverfahren, insbesondere der Verwaltung die Gelegenheit bieten soll, Fehlentscheidungen selbst zu korrigieren, und damit zugleich im Sinne einer Filterfunktion dem Interesse der Entlastung der Gerichte dient (BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 12 unter Hinweis auf BSG SozR 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1 S 10 f). Gerade dann, wenn medizinische Fragen zu beurteilen sind, kommt dem mit Vertretern von Ärzten und Krankenkassen fachkundig besetzten Beschwerdeausschuss bei der Erreichung dieser Ziele große Bedeutung zu. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Entlastung des Beschwerdeausschusses steht dem nicht entgegen, da dieser zwar von gleichförmigen Verfahren entlastet werden sollte, nicht aber von seiner originären Aufgabe einer Überprüfung der Entscheidungen der Prüfungsstelle in allen übrigen Fällen.

29

cc) Bei Anwendung der dargestellten Maßstäbe ergibt sich, dass die vorliegend strittigen Regresse wegen der Verordnung von Arzneimitteln außerhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung - sogenannter "Off-Label-Use" - grundsätzlich nicht zu den Sachverhalten gehören, in denen die Ausnahmeregelung nach § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V Anwendung findet.

30

(1) Schon die Vorgabe des Gesetzgebers, dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen soll, wird bei Regressen wegen einer zulassungsüberschreitenden Verordnung von Arzneimitteln nicht erfüllt. Denn in derartigen Fällen ist eine Verordnung - von den hier nicht einschlägigen Fällen einer expliziten Regelung in der AMR (s hierzu unter cc <2>) abgesehen - nur ausnahmsweise bei Erfüllung der in der Rechtsprechung des BSG entwickelten (engen) Voraussetzungen zulässig. Voraussetzung für eine ausnahmsweise zulassungsüberschreitende Verordnung von Arzneimitteln ist danach, dass eine schwerwiegende - dh eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende - Erkrankung vorliegt, keine andere zugelassene Therapie verfügbar ist und aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betroffenen Arzneimittel ein Behandlungserfolg erzielt werden kann (zuletzt BSG Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 48/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daher bedarf es hier regelmäßig einer einzelfallbezogenen Prüfung.

31

Auch die Erwartung des Gesetzgebers, dass es sich um einen "vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt" handeln soll, ist - wie schon die vorstehenden dargestellten Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulassungsüberschreitende Verordnung verdeutlichen - in derartigen Fällen nicht ansatzweise erfüllt. Nicht zuletzt die Ausführungen der Beteiligten zur Validität medizinischer Meinungsäußerungen beim Nachweis der Wirksamkeit des hier regressierten Arzneimittels im konkreten Fall belegen vielmehr, dass schwierige medizinische Fragestellungen im Raum stehen.

32

(2) Keine andere Beurteilung rechtfertigt vorliegend der Umstand, dass Abschnitt K § 30 iVm Anlage VI zum Abschnitt K der AMR(zuletzt geändert durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 17.2.2011 - DÄ 2011, A 1251 f) Regelungen zur Verordnungsfähigkeit von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten enthält. Denn diese Bestimmung trifft hierzu keine abschließende Regelung, sondern erfasst nur Teilbereiche des Off-Label-Use. Insbesondere lässt sie - ausweislich der Fußnote zu Abschnitt K der AMR - für die nicht ausdrücklich geregelten Fälle eines Off-Label-Use die Rechtsprechung des BSG zur Verordnungsfähigkeit im Einzelfall unberührt. Ein die Anwendung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V ermöglichender Verordnungsausschluss kann daher allein in Bezug auf die dort ausdrücklich geregelten Fallgestaltungen angenommen werden. Das Arzneimittel, dessen Verordnung im Streit steht, ist jedoch weder in Anlage VI zum Abschnitt K der AMR im dortigen Teil A positiv noch in Teil B negativ aufgeführt.

33

(3) Ein "gesetzlicher" Ausschluss des Off-Label-Use iS des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V lässt sich auch nicht aus dem AMG herleiten. Das AMG selbst verbietet die zulassungsüberschreitende Verordnung von Arzneimitteln nicht; jeder Arzt kann derartige Verordnungen auf Privatrezept vornehmen. Der sich nach dem Recht der GKV ergebende Verordnungsausschluss beruht lediglich mittelbar auf dem AMG: Zwar kann ein Arzneimittel grundsätzlich nicht zu Lasten der GKV in einem Anwendungsbereich verordnet werden, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt (vgl schon BSGE 89, 184, 186 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 30). Nach der Rechtsprechung der BSG-Senate ergibt sich ein Zusammenspiel zwischen Arzneimittelrecht und Leistungsrecht der GKV allerdings erst unter dem Gesichtspunkt, dass das GKV-Recht bei Arzneimitteln in Bezug auf die Qualitätssicherung weitgehend auf eigene Vorschriften verzichtet und insoweit an das Arzneimittelrecht anknüpft (vgl schon BSGE 89, 184, 185 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 29). Nach dem Recht der GKV - § 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 SGB V - beschränkt sich der Anspruch der Versicherten auf die Versorgung mit Arzneimitteln, die sich als wirtschaftlich und zweckmäßig erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Bei Vorliegen der arzneimittelrechtlichen Zulassung wird davon ausgegangen, dass damit zugleich die Mindeststandards einer wirtschaftlichen und zweckmäßigen Arzneimittelversorgung im Sinne des GKV-Rechts erfüllt sind (BSG aaO). Bei einem Off-Label-Use entfällt diese Annahme.

34

2. Soweit das SG hingegen die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. als unzulässig zurückgewiesen hat, ist die Revision im Sinne einer Aufhebung des Urteils des SG sowie des Bescheides des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 und einer Verpflichtung des Beklagten zu 2. begründet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut über den von der Klägerin gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 5.9.2008 erhobenen Widerspruch zu entscheiden.

35

a) Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 bereits in Bestandskraft erwachsen ist. Dies ist nicht der Fall, da dieser Bescheid nach § 95 SGG Gegenstand des bereits anhängigen, gegen den Bescheid der Prüfungsstelle gerichteten Verfahrens geworden ist.

36

Nach § 95 SGG ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin unmittelbar gegen den Bescheid der Prüfungsstelle Klage erhoben hat, denn der Umstand, dass vor Klageerhebung kein Widerspruchsverfahren durchgeführt wurde, obwohl dies erforderlich war, führt im Regelfall nicht zur Abweisung der Klage als unzulässig (vgl BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 15 mwN; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 78 RdNr 3a). Vielmehr ist in derartigen Fällen den Beteiligten Gelegenheit zu geben, das Vorverfahren nachzuholen (BSG aaO S 11; Leitherer aaO § 78 RdNr 3a mwN); dabei liegt in der Klage zugleich die Einlegung des Widerspruchs (BSG aaO S 12; Leitherer aaO § 78 RdNr 3b mwN). § 95 SGG gilt daher auch in den Fällen, in denen das Widerspruchsverfahren während des Klageverfahrens nachgeholt wird(BSGE 71, 42, 44 = SozR 3-2500 § 87 Nr 4 S 11; Leitherer aaO § 95 RdNr 2).

37

Auch die oben (unter 1. a) dargestellten vertragsarztrechtlichen Besonderheiten des Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss stehen der Anwendung des § 95 SGG auf einen nachfolgenden Bescheid des Beschwerdeausschusses nicht entgegen. Die Aussage des § 95 SGG, dass bei Durchführung eines Vorverfahrens (auch) der Widerspruchsbescheid Gegenstand des Gerichtsverfahrens ist, wird durch die Senatsrechtsprechung als solches nicht in Frage gestellt; § 95 SGG wird durch sie nur in dem Sinne modifiziert, dass der Bescheid der Prüfungsstelle nicht Gegenstand des Verfahrens wird(vgl BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194). Einer gesonderten Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. bedurfte es somit nicht, so dass es auf die Frage einer rechtzeitigen Klageerhebung (bzw -erweiterung) nicht ankommt.

38

b) Die somit zulässige Klage gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses ist auch im Sinne einer Verpflichtung des Beklagten zu 2. begründet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut über den von der Klägerin gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 5.9.2008 erhobenen Widerspruch zu entscheiden. Der Beklagte zu 2. hat den Widerspruch der Klägerin zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen und damit unter Ablehnung einer Sachentscheidung die seinem verwaltungsmäßigen Aufgabenbereich zugehörenden Feststellungen insgesamt nicht getroffen. Die gegen den Bescheid der Prüfungsstelle erhobene Klage stand einer Bescheidung des Widerspruches in der Sache schon deswegen nicht entgegen, weil Sinn und Zweck der Nachholung des Vorverfahrens durch den Beklagten zu 2. gerade darin bestehen, die zunächst noch fehlende Zulässigkeit der Klage herbeizuführen.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Klägerin und der Beklagte zu 2. die Kosten des Verfahrens vor dem BSG und dem SG je zur Hälfte zu tragen, da sie jeweils zum Teil unterlegen sind (§§ 154 Abs 1, 159 Satz 1 VwGO). Für den Beklagten zu 2. gilt, dass er im Revisionsverfahren in der Weise unterlegen ist, dass der von ihm erlassene Bescheid, der (auch) Gegenstand des Verfahrens gewesen ist, vom Senat aufgehoben worden ist; dies ist auch dann, wenn er - wie hier - im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt hat, ein Unterliegen iS des § 154 Abs 1 VwGO(so schon BSG Urteil vom 2.9.2009 - B 6 KA 34/08 R - RdNr 35 mwN, in BSGE 104, 116 und SozR 4-2500 § 101 Nr 7 nicht abgedruckt).

40

Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16) bzw ihre Äußerung keine eindeutige Zuordnung in Bezug auf ein Obsiegen oder Unterliegen zulässt.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2010 aufgehoben, soweit die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25. August 2009 abgewiesen wurde. Der Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25. August 2009 wird aufgehoben. Der Beklagte zu 2. wird verpflichtet, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. vom 5. September 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin und der Beklagte zu 2. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Arzneimittelregress wegen der zulassungsüberschreitenden Verordnung eines Medikaments im Quartal II/2005.

2

Die Klägerin ist Trägerin des Universitätsklinikums C. sowie der gemäß § 311 Abs 2 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in B. zugelassenen Fachambulanz für Nephrologie mit Dispensaire-Auftrag. In dieser Fachambulanz wurde der bei der zu 2. beigeladenen gesetzlichen Krankenkasse versicherten Patientin K am 10.6.2005 das Medikament CellCept verordnet. Dieses zur Gruppe der Immunsuppressiva gehörende Medikament ist zur Prophylaxe von akuten Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantationen zugelassen, nicht aber zur Behandlung der bei der Patientin vorliegenden Wegenerschen Granulomatose mit Nierenbeteiligung. Auf Antrag der Beigeladenen zu 2. setzte die zu 1. beklagte Prüfungsstelle (als "Funktionsnachfolgerin" des Prüfungsausschusses) wegen der zulassungsüberschreitenden Verordnung von CellCept gegen die Klägerin einen Regress in Höhe von 458,09 Euro fest (Bescheid aus der Sitzung vom 5.9.2008, ausgefertigt am 31.10.2008).

3

Hiergegen hat die Klägerin mit der Begründung Klage erhoben, dass die Voraussetzungen für eine zulassungsüberschreitende Verordnung von CellCept erfüllt seien. Nach einem Hinweis des SG, dass zunächst das Vorverfahren vor dem zu 2. beklagten Beschwerdeausschuss durchzuführen sei, hat die Klägerin erklärt, dass die Klage auch als Widerspruch verstanden werden solle. Der vom SG zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens aufgeforderte Beklagte zu 2. wies den Widerspruch mit Bescheid aus der Sitzung vom 25.8.2009 (ausgefertigt am 16.10.2009) als unzulässig zurück. Die Klägerin könne ihr Klageziel mit dem Rechtsbehelf nicht erreichen, weil die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Beklagten zu 1. schon Gegenstand des bereits anhängigen Rechtsstreits sei und deshalb eine neue Klage gegen seine - des Beklagten zu 2. - Entscheidung wegen der bereits bestehenden Rechtshängigkeit unzulässig sei. Nachfolgend hat die Klägerin ihre Klage dahingehend erweitert, dass sich diese auch gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. richtet.

4

Das SG hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 17.3.2010). Zur Begründung hat es ausgeführt, die gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. erhobene Klage sei unzulässig, da sie der unzutreffende Rechtsbehelf sei; gegen die Entscheidung sei vielmehr der Beklagte zu 2. anzurufen. § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V sei nicht einschlägig, da er voraussetze, dass die Verordnung der Leistungen durch das Gesetz oder durch Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sei. Der Gesetzgeber gehe von leicht überprüfbaren Sachverhalten und gleichartig zu bewertenden Einzelvorgängen aus; es solle für die Regressentscheidung gerade nicht auf eine medizinische Bewertung des Einzelfalls ankommen. Mithin sei immer dann, wenn dies nicht der Fall sei, weiterhin ein Vorverfahren durchzuführen. Zwar beruhe auch die Unzulässigkeit einer Verordnung im Wege des Off-Label-Use auf dem Gesetz (§ 12 Abs 1 SGB V sowie § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V), doch gehe ein namentlicher, genereller und ausnahmsloser Ausschluss damit gerade nicht einher. Im Gegenteil sei hier das Arzneimittel - im Rahmen der zugelassenen Anwendungsgebiete - grundsätzlich zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig. Im Übrigen sei die Klage auch deswegen unzulässig, weil der Bescheid des Beklagten zu 2. den Bescheid der Beklagten zu 1. ersetzt habe und alleiniger Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung geworden sei.

5

Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 sei wegen dessen Bestandskraft unzulässig. Unabhängig davon, dass der Beklagte zu 2. zu Unrecht von der Unzulässigkeit des von der Klägerin erhobenen Widerspruchs ausgegangen sei, sei durch seinen Bescheid zwar das erforderliche Vorverfahren nachgeholt worden, doch sei dieser Bescheid nicht nach § 96 SGG automatisch Gegenstand des zwischen der Klägerin und der zu 1. beklagten Prüfungsstelle anhängigen Rechtsstreits geworden, da nach der Neufassung des § 96 Abs 1 SGG nur ein nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangener Bescheid Verfahrensgegenstand werden könne; der Bescheid des Beklagten zu 2. sei jedoch der Widerspruchsbescheid selbst. Die daher notwendige ausdrückliche Klageänderung (Klageerweiterung) sei zwar sachdienlich und damit (als solche) zulässig, doch habe die Klägerin diese erst nach Ablauf der Klagefrist erklärt.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Das SG habe § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V fehlerhaft ausgelegt. Regresse wegen eines Off-Label-Use seien von dieser Ausnahmevorschrift erfasst, so dass die sofortige Klage gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. vorliegend der richtige Rechtsbehelf gewesen sei. Die Auffassung des SG, die Regelung erfasse nur Leistungen, die "ausdrücklich, also namentlich unmittelbar und ausnahmslos durch gesetzliche Regelungen" ausgeschlossen seien, stelle eine unzulässige Auslegung über die Grenzen des Wortlauts des Gesetzes dar. Dieser setze lediglich voraus, dass die Leistungspflicht der Krankenkasse durch das Gesetz ausgeschlossen sei, wobei der grundsätzliche Ausschluss von Gesetzes wegen genüge. Wenn ein Arzneimittel in einem Anwendungsgebiet eingesetzt werde, für das es nicht zugelassen sei, bestehe ein Anspruch des Versicherten und damit eine Leistungspflicht wegen des Wirtschaftlichkeitsgebotes grundsätzlich nicht, sondern nur ausnahmsweise nach bestimmten Kriterien des BSG. Damit sei in derartigen Fällen die Leistung grundsätzlich durch Gesetz ausgeschlossen und die Vorschrift des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V anwendbar.

7

Auch aus der Gesetzesbegründung lasse sich die Schlussfolgerung des SG nicht herleiten. Dem Gesetzgeber sei es offenbar um die Entlastung des Beschwerdeausschusses gegangen. Aufgrund dieser Intention verbiete es sich, die Ausnahmeregelung so weit einzuschränken, dass nur namentliche, ausnahmslose Leistungsausschlüsse davon umfasst seien. Andernfalls stellte sich die Frage nach dem verbleibenden Anwendungsbereich, da die vom SG genannten Fallgestaltungen in der Praxis eher selten seien. Mit der Prüfungsstelle sei eine professionelle Fachbehörde geschaffen worden, die auch die nötige Sachkompetenz besitze, Fälle des Off-Label-Use abschließend zu klären. In der Sache sei die Festsetzung einer Ausgleichspflicht rechtswidrig, da das Medikament im vorliegenden Fall verordnungsfähig gewesen sei; die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise zulässigen Off-Label-Use seien erfüllt.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17.3.2010 sowie den Bescheid der Beklagten zu 1. vom 5.9.2008 und den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 aufzuheben.

9

Die Beklagte zu 1. stellt keinen Antrag. Hinsichtlich der Zulässigkeit der gegen sie erhobenen Klage schließt sie sich den Ausführungen der Klägerin an und verweist ergänzend auf die Anlage zur Tagesordnung eines Gesprächs mit den Leitern und Leiterinnen der Prüfungsstellen und der Vorsitzenden der Beschwerdeausschüsse, in der der Off-Label-Use als Anwendungsfall des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V genannt werde. Materiell-rechtlich habe im streitgegenständlichen Verordnungszeitpunkt aufgrund der Datenlage keine begründete Aussicht bestanden, dass mit dem verordneten Präparat CellCept ein Behandlungserfolg bei der Wegenerschen Granulomatose habe erzielt werden können.

10

Der Beklagte zu 2. stellt keinen Antrag. Er habe allein auf die als Erhebung eines Widerspruchs zu wertende Erklärung der Klägerin vom 2.7.2009 ein Widerspruchsverfahren eingeleitet. Damit sei für ihn keine Verpflichtung vorgegeben, über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten zu 1. zu entscheiden.

11

Die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung, die ebenfalls keinen Antrag stellt, hält die Revision für unbegründet. Die Auslegung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelung sei eng auszulegen, da es sich um eine Ausnahmevorschrift handele, und nach der Gesetzesbegründung der Beschwerdeausschuss nur bei vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalten von der Durchführung des Vorverfahrens habe entlastet werden sollen; dies sei bei den einen Off-Label-Use betreffenden Prüfverfahren regelmäßig nicht der Fall.

12

Die Beigeladene zu 2. hat schriftsätzlich beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Inhaltlich schließt sie sich dem Vortrag der Beigeladenen zu 1. an.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist nur zum Teil begründet. Ihre Klage gegen den Bescheid der zu 1. beklagten Prüfungsstelle hat das SG zu Recht als unzulässig abgewiesen (1.). Die Abweisung der gegen den Bescheid des zu 2. beklagten Beschwerdeausschusses erhobenen Klage ist jedoch zu Unrecht erfolgt, denn insoweit war die Klage zulässig und im Sinne einer Verpflichtung des Beschwerdeausschusses zur Neubescheidung begründet (2.).

15

1. Das SG hat die gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. erhobene Klage zu Recht als unzulässig beurteilt. Dies folgt daraus, dass Klagen gegen Bescheide der nach § 106 Abs 4 Satz 1 SGB V errichteten Prüfungsstellen wegen der Besonderheiten des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens grundsätzlich unzulässig sind (a), und auch kein Ausnahmefall vorliegt, in dem ein Vorverfahren - dh eine Überprüfung des Bescheides der Prüfungsstelle durch den Beschwerdeausschuss - ausgeschlossen ist (b).

16

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren grundsätzlich allein der das Verwaltungsverfahren abschließende Verwaltungsakt des Beschwerdeausschusses Streitgegenstand nach § 95 SGG(vgl BSGE 74, 59, 60 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f, mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 S 61). Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig; sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt der Prüfungsstelle (stRspr des BSG, vgl BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194; kritisch hierzu Clemens in jurisPK-SGB V, 2008, § 106 RdNr 282). Eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Prüfungsstelle ist daher in der Regel - von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen - unzulässig (stRspr des BSG, vgl BSGE 74, 59, 61 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 119; BSGE 75, 220, 221 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24 S 132; BSGE 76, 53, 53 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 145; BSGE 76, 149, 153 = SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 160; BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194 f).

17

b) Vorliegend wäre eine Klage gegen den Bescheid der Prüfungsstelle somit nur dann zulässig, wenn eine Entscheidung des Beschwerdeausschusses kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht zu erfolgen hätte und es nicht zu einer Ersetzung des Bescheides der Prüfungsstelle kommen kann. Ein derartiger Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben.

18

aa) Nach § 78 Abs 1 Satz 1 SGG sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Dies gilt - ungeachtet gewisser Besonderheiten und ggf nur entsprechend - auch für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V. § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V bestimmt, dass die dort aufgeführten Personen und Institutionen gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle die Beschwerdeausschüsse anrufen können; gemäß § 106 Abs 5 Satz 6 SGB V gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren(§ 78 Abs 1 SGG). Gemäß § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG bedarf es eines Vorverfahrens (nur) dann nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt.

19

bb) Ein derartiger Ausnahmefall ist in § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V(in der ab dem 1.1.2008 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes ) geregelt. Danach findet - abweichend von § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V - in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Diese Ausnahmeregelung ist, wie ihre Auslegung ergibt, auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt (in diesem Sinne auch SG Marburg, Urteil vom 15.12.2010 - S 10 KA 597/09 - juris RdNr 16; ähnlich etwa Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 25 RdNr 10; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Mai 2011, K § 106 RdNr 599c; weitergehend Clemens in jurisPK-SGB V, 2008, § 106 RdNr 279: "bei Leistungen, die … generell ausgeschlossen sind"). Zudem muss sich der Ausschluss aus spezifischen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben.

20

(1) Eine (einschränkende) Auslegung der Norm in diesem Sinne legt bereits ihr Wortlaut nahe. Danach gilt der Ausschluss des Vorverfahrens nur für "Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind".

21

Durch das Gesetz von der Versorgung ausgeschlossen - also nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig - sind insbesondere nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB V), sogenannte "Bagatellarzneimittel" (§ 34 Abs 1 Satz 6 SGB V) und Arzneimittel zur Erhöhung der Lebensqualität (§ 34 Abs 1 Satz 7 SGB V). Im weiteren Sinne zählen hierzu auch Arzneimittel, die aufgrund gesetzlicher Ermächtigung (vgl § 34 Abs 4 SGB V) durch Rechtsverordnung ausgeschlossen sind. Die Arzneimittelrichtlinie (AMR) nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V setzt diese gesetzlichen Verordnungsausschlüsse im Wesentlichen lediglich um, indem sie die gesetzlichen Ausschlüsse präzisiert (vgl § 34 Abs 1 Satz 9 SGB V)oder im ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag (vgl § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V)Fallgruppen benennt, in denen ausgeschlossene Arzneimittel ausnahmsweise verordnet werden können. Originäre Verordnungsausschlüsse enthält sie in Bezug auf Arzneimittel, die in der früheren Anlage 2 Nr 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der GKV aufgeführt sind, welche jetzt gemäß § 34 Abs 3 Satz 1 SGB V(in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung) Teil der AMR ist.

22

In den genannten Fallgruppen beantwortet sich die Frage, ob ein Arzneimittel einem Verordnungsausschluss unterfällt, unmittelbar aus dem Gesetz bzw aus der AMR. Dass § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V nur die Leistungen erfassen soll, deren Verordnung durch spezifische - explizite - gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen ausgeschlossen ist, wird durch die Formulierung "durch das Gesetz oder durch die Richtlinien" belegt. Wenn jedwede nicht im Einklang mit dem Gesetz stehende Verordnung hätte erfasst werden sollen, hätte es zum einen der gesonderten Erwähnung der Richtlinien nicht bedurft. Für die Erforderlichkeit eines expliziten gesetzlichen Ausschlusses spricht zum anderen auch die Verwendung des Wortes "durch". "Durch" das Gesetz ausgeschlossen sind Verordnungen dann, wenn dies auf eine eindeutige Regelung in einem spezifischen Gesetz zurückzuführen ist. Andernfalls hätte es nahegelegen, pauschal von einem "gesetzlichen" Ausschluss oder gar nur von "ausgeschlossenen" oder "nicht der Leistungspflicht der GKV unterliegenden" Leistungen zu sprechen.

23

Lediglich "mittelbare" Ausschlüsse durch andere Gesetze - wie etwa durch das Arzneimittelgesetz (AMG) im Wege einer "Transformation" über die §§ 2, 12 SGB V(s hierzu unter cc <3>) genügen daher nicht.

24

(2) Dieses Verständnis des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V bestätigen auch die Gesetzesmaterialien. Nach der Gesetzesbegründung (Fraktionsentwurf zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, BT-Drucks 16/3100 S 138 zu § 106 Abs 5 SGB V, Zu Doppelbuchstabe cc)bewirkt "der Ausschluss eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss in Prüfungssachen Verordnungen von Arzneimitteln betreffend, die durch Gesetz oder die Richtlinien aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen sind, … dass der Beschwerdeausschuss von einer Vielzahl gleichartig zu bearbeitender Einzelvorgänge entlastet wird. Der vergleichsweise leicht überprüfbare Sachverhalt, ob ein Arzneimittel grundsätzlich Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ist, kann sachgerecht durch die Prüfungsstelle abschließend geklärt werden". Der Gesetzgeber wollte ausweislich dieser Begründung die Beschwerdeausschüsse allein von Fallgestaltungen bzw Anwendungssachverhalten entlasten, die eher technischen Charakter haben und ganz überwiegend in der Umsetzung eindeutiger normativer Vorgaben bestehen. Dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen soll, schließt es aus, sie auf Konstellationen zu erstrecken, in denen sich die Entscheidung nicht ohne Weiteres - im Sinne eines "ja" oder "nein" - aus normativen Vorgaben ergibt, sondern es hierzu einer einzelfallbezogenen Prüfung bedarf. Dies wird durch die Erwartung des Gesetzgebers gestützt, dass die von der Ausnahmeregelung erfassten Fallgestaltungen einen "vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt" zum Gegenstand haben.

25

Schließlich soll die Ausnahmeregelung nach der Gesetzesbegründung nur Sachverhalte erfassen, in denen zu prüfen ist, ob ein Arzneimittel "grundsätzlich" Gegenstand der Leistungspflicht der GKV ist. Zwar könnte dies auch in dem Sinne verstanden werden, dass nur Fälle gemeint sind, in denen ein "genereller" Ausschluss der Verordnungsfähigkeit besteht (so offenbar Clemens aaO), oder aber, dass ein unspezifischer, "grundsätzlicher" Ausschluss der Leistungspflicht ("von Gesetzes wegen") für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung ausreiche und eine ausnahmsweise Zulässigkeit unschädlich sei. Würdigt man die Aussage des Gesetzgebers allerdings in ihrem Zusammenhang - nämlich, dass die Frage des grundsätzlichen Ausschlusses einen vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt darstellen soll -, bestätigt auch dies die Annahme, dass sich der Gesetzgeber auf Fallgestaltungen bezogen hat, in denen sich der Ausschluss der Leistungspflicht ohne Weiteres mit "ja" oder "nein" beantworten lässt, weil sich die Antwort unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz bzw den Richtlinien ergibt.

26

Dass sich der Ausschluss zudem unmittelbar aus spezifischen gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben muss, legt schon die Erwähnung des "Leistungskatalogs" in der Gesetzesbegründung (aaO) nahe. Danach soll die Ausnahmeregelung nur Verordnungen erfassen, die durch Gesetz oder die Richtlinien "aus dem Leistungskatalog" der GKV ausgeschlossen sind. Auch wenn diese Ausschlüsse damit nicht den Charakter eines "Negativkatalogs" haben müssen, legt der Begriff "Katalog" eine detaillierte, spezifische Regelung nahe und steht einer Heranziehung allgemeiner Regelungen entgegen.

27

(3) Die Argumentation der Klägerin, dass es für einen sich "aus dem Gesetz" ergebenden Verordnungsausschluss genügen soll, dass die Verordnung allgemeinen Grundsätzen des Krankenversicherungsrechts, nämlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach §§ 2, 12 SGB V, zuwiderläuft, überzeugt schon aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht. Insbesondere aber steht ihr entgegen, dass sie zur Konsequenz hätte, dass im Verordnungsbereich die Durchführung eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss generell ausgeschlossen wäre. Denn die Aufgabe der Prüfgremien besteht gerade darin, die Wirtschaftlichkeit der Verordnungen - und damit die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots - zu überprüfen. Wenn es für die Anwendung der Ausschlussregelung genügte, dass eine Arzneimittelverordnung allgemeinen Grundaussagen des SGB V - namentlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) - zuwiderläuft, würde § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V alle unwirtschaftlichen Verordnungen erfassen.

28

Dass der Gesetzgeber derart weitreichende Konsequenzen beabsichtigt hat, ist nicht erkennbar. Dies stünde im Übrigen nicht im Einklang mit dem Zweck eines Vorverfahrens. Dieses soll die Verwaltung in die Lage versetzen, ihre Verwaltungsakte im Wege der Selbstkontrolle zu überprüfen, den Rechtsschutz der betroffenen Bürger verbessern und die Gerichte vor Überlastung schützen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, Vor § 77 RdNr 1a). Auch der erkennende Senat hat betont, dass eine Überprüfung in einem Vorverfahren, insbesondere der Verwaltung die Gelegenheit bieten soll, Fehlentscheidungen selbst zu korrigieren, und damit zugleich im Sinne einer Filterfunktion dem Interesse der Entlastung der Gerichte dient (BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 12 unter Hinweis auf BSG SozR 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1 S 10 f). Gerade dann, wenn medizinische Fragen zu beurteilen sind, kommt dem mit Vertretern von Ärzten und Krankenkassen fachkundig besetzten Beschwerdeausschuss bei der Erreichung dieser Ziele große Bedeutung zu. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Entlastung des Beschwerdeausschusses steht dem nicht entgegen, da dieser zwar von gleichförmigen Verfahren entlastet werden sollte, nicht aber von seiner originären Aufgabe einer Überprüfung der Entscheidungen der Prüfungsstelle in allen übrigen Fällen.

29

cc) Bei Anwendung der dargestellten Maßstäbe ergibt sich, dass die vorliegend strittigen Regresse wegen der Verordnung von Arzneimitteln außerhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung - sogenannter "Off-Label-Use" - grundsätzlich nicht zu den Sachverhalten gehören, in denen die Ausnahmeregelung nach § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V Anwendung findet.

30

(1) Schon die Vorgabe des Gesetzgebers, dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen soll, wird bei Regressen wegen einer zulassungsüberschreitenden Verordnung von Arzneimitteln nicht erfüllt. Denn in derartigen Fällen ist eine Verordnung - von den hier nicht einschlägigen Fällen einer expliziten Regelung in der AMR (s hierzu unter cc <2>) abgesehen - nur ausnahmsweise bei Erfüllung der in der Rechtsprechung des BSG entwickelten (engen) Voraussetzungen zulässig. Voraussetzung für eine ausnahmsweise zulassungsüberschreitende Verordnung von Arzneimitteln ist danach, dass eine schwerwiegende - dh eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende - Erkrankung vorliegt, keine andere zugelassene Therapie verfügbar ist und aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betroffenen Arzneimittel ein Behandlungserfolg erzielt werden kann (zuletzt BSG Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 48/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daher bedarf es hier regelmäßig einer einzelfallbezogenen Prüfung.

31

Auch die Erwartung des Gesetzgebers, dass es sich um einen "vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt" handeln soll, ist - wie schon die vorstehenden dargestellten Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulassungsüberschreitende Verordnung verdeutlichen - in derartigen Fällen nicht ansatzweise erfüllt. Nicht zuletzt die Ausführungen der Beteiligten zur Validität medizinischer Meinungsäußerungen beim Nachweis der Wirksamkeit des hier regressierten Arzneimittels im konkreten Fall belegen vielmehr, dass schwierige medizinische Fragestellungen im Raum stehen.

32

(2) Keine andere Beurteilung rechtfertigt vorliegend der Umstand, dass Abschnitt K § 30 iVm Anlage VI zum Abschnitt K der AMR(zuletzt geändert durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 17.2.2011 - DÄ 2011, A 1251 f) Regelungen zur Verordnungsfähigkeit von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten enthält. Denn diese Bestimmung trifft hierzu keine abschließende Regelung, sondern erfasst nur Teilbereiche des Off-Label-Use. Insbesondere lässt sie - ausweislich der Fußnote zu Abschnitt K der AMR - für die nicht ausdrücklich geregelten Fälle eines Off-Label-Use die Rechtsprechung des BSG zur Verordnungsfähigkeit im Einzelfall unberührt. Ein die Anwendung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V ermöglichender Verordnungsausschluss kann daher allein in Bezug auf die dort ausdrücklich geregelten Fallgestaltungen angenommen werden. Das Arzneimittel, dessen Verordnung im Streit steht, ist jedoch weder in Anlage VI zum Abschnitt K der AMR im dortigen Teil A positiv noch in Teil B negativ aufgeführt.

33

(3) Ein "gesetzlicher" Ausschluss des Off-Label-Use iS des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V lässt sich auch nicht aus dem AMG herleiten. Das AMG selbst verbietet die zulassungsüberschreitende Verordnung von Arzneimitteln nicht; jeder Arzt kann derartige Verordnungen auf Privatrezept vornehmen. Der sich nach dem Recht der GKV ergebende Verordnungsausschluss beruht lediglich mittelbar auf dem AMG: Zwar kann ein Arzneimittel grundsätzlich nicht zu Lasten der GKV in einem Anwendungsbereich verordnet werden, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt (vgl schon BSGE 89, 184, 186 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 30). Nach der Rechtsprechung der BSG-Senate ergibt sich ein Zusammenspiel zwischen Arzneimittelrecht und Leistungsrecht der GKV allerdings erst unter dem Gesichtspunkt, dass das GKV-Recht bei Arzneimitteln in Bezug auf die Qualitätssicherung weitgehend auf eigene Vorschriften verzichtet und insoweit an das Arzneimittelrecht anknüpft (vgl schon BSGE 89, 184, 185 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 29). Nach dem Recht der GKV - § 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 SGB V - beschränkt sich der Anspruch der Versicherten auf die Versorgung mit Arzneimitteln, die sich als wirtschaftlich und zweckmäßig erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Bei Vorliegen der arzneimittelrechtlichen Zulassung wird davon ausgegangen, dass damit zugleich die Mindeststandards einer wirtschaftlichen und zweckmäßigen Arzneimittelversorgung im Sinne des GKV-Rechts erfüllt sind (BSG aaO). Bei einem Off-Label-Use entfällt diese Annahme.

34

2. Soweit das SG hingegen die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. als unzulässig zurückgewiesen hat, ist die Revision im Sinne einer Aufhebung des Urteils des SG sowie des Bescheides des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 und einer Verpflichtung des Beklagten zu 2. begründet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut über den von der Klägerin gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 5.9.2008 erhobenen Widerspruch zu entscheiden.

35

a) Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 bereits in Bestandskraft erwachsen ist. Dies ist nicht der Fall, da dieser Bescheid nach § 95 SGG Gegenstand des bereits anhängigen, gegen den Bescheid der Prüfungsstelle gerichteten Verfahrens geworden ist.

36

Nach § 95 SGG ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin unmittelbar gegen den Bescheid der Prüfungsstelle Klage erhoben hat, denn der Umstand, dass vor Klageerhebung kein Widerspruchsverfahren durchgeführt wurde, obwohl dies erforderlich war, führt im Regelfall nicht zur Abweisung der Klage als unzulässig (vgl BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 15 mwN; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 78 RdNr 3a). Vielmehr ist in derartigen Fällen den Beteiligten Gelegenheit zu geben, das Vorverfahren nachzuholen (BSG aaO S 11; Leitherer aaO § 78 RdNr 3a mwN); dabei liegt in der Klage zugleich die Einlegung des Widerspruchs (BSG aaO S 12; Leitherer aaO § 78 RdNr 3b mwN). § 95 SGG gilt daher auch in den Fällen, in denen das Widerspruchsverfahren während des Klageverfahrens nachgeholt wird(BSGE 71, 42, 44 = SozR 3-2500 § 87 Nr 4 S 11; Leitherer aaO § 95 RdNr 2).

37

Auch die oben (unter 1. a) dargestellten vertragsarztrechtlichen Besonderheiten des Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss stehen der Anwendung des § 95 SGG auf einen nachfolgenden Bescheid des Beschwerdeausschusses nicht entgegen. Die Aussage des § 95 SGG, dass bei Durchführung eines Vorverfahrens (auch) der Widerspruchsbescheid Gegenstand des Gerichtsverfahrens ist, wird durch die Senatsrechtsprechung als solches nicht in Frage gestellt; § 95 SGG wird durch sie nur in dem Sinne modifiziert, dass der Bescheid der Prüfungsstelle nicht Gegenstand des Verfahrens wird(vgl BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194). Einer gesonderten Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. bedurfte es somit nicht, so dass es auf die Frage einer rechtzeitigen Klageerhebung (bzw -erweiterung) nicht ankommt.

38

b) Die somit zulässige Klage gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses ist auch im Sinne einer Verpflichtung des Beklagten zu 2. begründet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut über den von der Klägerin gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 5.9.2008 erhobenen Widerspruch zu entscheiden. Der Beklagte zu 2. hat den Widerspruch der Klägerin zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen und damit unter Ablehnung einer Sachentscheidung die seinem verwaltungsmäßigen Aufgabenbereich zugehörenden Feststellungen insgesamt nicht getroffen. Die gegen den Bescheid der Prüfungsstelle erhobene Klage stand einer Bescheidung des Widerspruches in der Sache schon deswegen nicht entgegen, weil Sinn und Zweck der Nachholung des Vorverfahrens durch den Beklagten zu 2. gerade darin bestehen, die zunächst noch fehlende Zulässigkeit der Klage herbeizuführen.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Klägerin und der Beklagte zu 2. die Kosten des Verfahrens vor dem BSG und dem SG je zur Hälfte zu tragen, da sie jeweils zum Teil unterlegen sind (§§ 154 Abs 1, 159 Satz 1 VwGO). Für den Beklagten zu 2. gilt, dass er im Revisionsverfahren in der Weise unterlegen ist, dass der von ihm erlassene Bescheid, der (auch) Gegenstand des Verfahrens gewesen ist, vom Senat aufgehoben worden ist; dies ist auch dann, wenn er - wie hier - im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt hat, ein Unterliegen iS des § 154 Abs 1 VwGO(so schon BSG Urteil vom 2.9.2009 - B 6 KA 34/08 R - RdNr 35 mwN, in BSGE 104, 116 und SozR 4-2500 § 101 Nr 7 nicht abgedruckt).

40

Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16) bzw ihre Äußerung keine eindeutige Zuordnung in Bezug auf ein Obsiegen oder Unterliegen zulässt.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten ärztlichen Leistungen kann auf begründeten Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung arztbezogen durch die jeweilige Prüfungsstelle nach § 106c geprüft werden. Die Prüfung kann neben dem zur Abrechnung vorgelegten Leistungsvolumen auch Überweisungen sowie sonstige veranlasste ärztliche Leistungen, insbesondere aufwändige medizinisch-technische Leistungen umfassen; honorarwirksame Begrenzungsregelungen haben keinen Einfluss auf die Prüfungen.

(2) Veranlassung für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Absatz 1 besteht insbesondere

1.
bei begründetem Verdacht auf fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Fehlindikation),
2.
bei begründetem Verdacht auf fehlende Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Ineffektivität),
3.
bei begründetem Verdacht auf mangelnde Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualitätsmangel), insbesondere in Bezug auf die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses enthaltenen Vorgaben,
4.
bei begründetem Verdacht auf Unangemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel oder
5.
bei begründetem Verdacht, dass Leistungen des Zahnersatzes und der Kieferorthopädie unvereinbar mit dem Heil- und Kostenplan sind.

(3) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. November 2019 das Nähere zu den Voraussetzungen nach Absatz 2 in Rahmenempfehlungen. Die Rahmenempfehlungen sind bei den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigen.

(4) Die in § 106 Absatz 1 Satz 2 genannten Vertragspartner können über die Prüfung nach Absatz 1 hinaus Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 oder Absatz 3 getroffen, dürfen bei Ärzten der betroffenen Arztgruppe keine Prüfungen nach Durchschnittswerten durchgeführt werden. In den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 sind die Zahl der je Quartal höchstens zu prüfenden Ärzte in einer Kassenärztlichen Vereinigung sowie im Rahmen der Prüfungen nach Absatz 1 und der Prüfungen nach Satz 1 als Kriterien zur Unterscheidung Praxisbesonderheiten festzulegen, die sich aus besonderen Standort- und Strukturmerkmalen des Leistungserbringers oder bei besonderen Behandlungsfällen ergeben. Die Praxisbesonderheiten sind vor Durchführung der Prüfungen als besonderer Versorgungsbedarf durch die Prüfungsstellen anzuerkennen; dies gilt insbesondere auch bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Besuchsleistungen.

Der Prüfer hat darauf hinzuweisen, wenn sich die bei der Wahl der Wertansätze ausgeübten Ermessensspielräume wesentlich auf den Überschuss der Vermögenswerte über die Verbindlichkeiten auswirken. Unabhängig davon sind diejenigen Ermessensspielräume, deren Ausübung die Bewertung von Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten nicht unerheblich nach oben oder unten beeinflusst, anzugeben und zu beurteilen.

(1) Im Prüfungsbericht ist darauf einzugehen, ob bei der Ermittlung von Marktwerten für fremdgenutzte Immobilien alle wesentlichen Risiken der zu bewertenden Immobilien in die Bewertung eingeflossen sind.

(2) Es ist darauf einzugehen, ob die Häufigkeit der Neubewertung dem Umfang und der Volatilität des Portfolios angemessen ist und ob das Unternehmen eindeutige und angemessene Kriterien dafür festgelegt hat, wann außerhalb des regelmäßigen Turnus eine Neubewertung vorzunehmen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 162/10 Verkündet am:
15. März 2011
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Kommt es für den Beginn der Verjährung auf die Kenntnis des zuständigen
Sachbearbeiters der Pflegekasse an, ist die Kenntniserlangung durch den Beschäftigten
für die Verjährung der Forderungen der Pflegekasse nur relevant,
wenn und soweit der Bedienstete bei der Abwicklung des Schadensfalles für
diese handelt.
BGH, Urteil vom 15. März 2011 - VI ZR 162/10 - OLG Stuttgart
LGEllwangen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und
Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 2. Juni 2010 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 29. Oktober 2009 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, eine gesetzliche Pflegekasse, nimmt aus übergegangenem Recht die Beklagte als Haftpflichtversicherer auf Ersatz von Pflegeleistungen in Anspruch.
2
Der Versicherungsnehmer der Klägerin wurde am 29. August 2003 bei einem Verkehrsunfall, an dem der Versicherungsnehmer der Beklagten beteiligt war, schwer verletzt. Der Verletzte bedarf seit 2007 der Pflege, deren Kosten die Klägerin trägt. Den Übergang der Schadensersatzansprüche gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf die Klägerin und die Höhe der geltend gemachten Forderungen stellt die Beklagte nicht in Frage. Sie wendet aber die Verjährung ein.
3
Die Klägerin ist die Pflegekasse, die gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 SGB XI bei der IKK B.-W. und H. (künftig: Krankenkasse) errichtet ist. Die bei der Krankenkasse angestellte Sachbearbeiterin K. rechnete ab dem Jahr 2004 mehrfach Krankheitskosten für den Verletzten gegenüber der Beklagten ab. Im Jahr 2004 einigten sich die Beklagte und die Krankenkasse auf eine Haftungsquote von 50 %. Die Sachbearbeiterin K. stellte erstmals am 18. April 2008 eine erste Zwischenabrechnung in Höhe von 50 % der Pflegekosten, die die Klägerin am 30. Juni 2007 übernommen hatte, an die Beklagte. Diese lehnte einen Ausgleich ab.
4
Die Klage vor dem Landgericht ist im Wesentlichen erfolgreich gewesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen , weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung bezüglich der Frage der Wissenszurechnung zwischen Kranken- und Pflegekasse sowie einer etwaigen Treuwidrigkeit der Berufung auf die Verjährungseinrede gegenüber der Pflegekasse habe, wenn mit der Krankenkasse eine verjährungshemmende Abrede getroffen worden sei. Mit der Revision begehrt die Klägerin unter Aufhebung des Berufungsurteils die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der dem Grunde nach unstreitige Anspruch der Klägerin sei verjährt. Die Sachbearbeiterin K. habe bereits mit der Bearbeitung der ersten Schadensmeldung im Jahr 2004 Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände für die Klägerin erlangt. Der Versicherte sei bei dem Unfall schwer verletzt worden, so dass von vornherein der Eintritt der Pflegebedürftigkeit nicht unwahrscheinlich gewesen sei. Die Ansprüche seien deshalb bereits im Zeitpunkt des Unfalls auf die Klägerin übergegangen. Nach ganz herrschender Meinung komme es für den Verjährungsbeginn bei Ansprüchen, die nach § 116 SGB X kraft Gesetzes auf den Sozialversicherungsträger übergehen, nicht auf die Kenntnis der geschädigten Person, sondern auf die Kenntnis des Sachbearbeiters der Behörde an, die für die Bearbeitung des Regressfalls zuständig sei. Auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung bzw. des Bewusstseins des zuständigen Sachbearbeiters der Krankenkasse, nun auch für die Pflegekasse tätig zu sein, komme es hingegen nicht an. Die Krankenkasse (§ 4 Abs. 1 SGB V) und die Pflegekasse (§ 46 Abs. 2 Satz 1 SGB XI) seien zwar rechtlich selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts und somit eigenständige Rechtspersönlichkeiten. Die Pflegekassen seien aber bei den Krankenkassen eingerichtet (§ 46 Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Auch seien die Organe der Krankenkasse gleichzeitig die Organe der Pflegekasse (§ 46 Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Die Mitarbeiter der Pflegekasse seien arbeitsrechtlich Beschäftigte der Krankenkasse (§ 46 Abs. 2 Satz 3 SGB XI). Im Streitfall seien dieselben Sachbearbeiter in der Regressabteilung für die Geltendmachung von Krankheits- und Pflegekosten zuständig. Im Falle der Schadensbearbeitung für die Krankenkasse erlangten mithin beide Körperschaften die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis und könnten geeignete Maßnahmen ergreifen, um den Eintritt der Verjährung zu hindern. Es widerspräche der Wertung des § 199 BGB, wollte man die Kenntnis der Pflegekasse erst annehmen, sobald der zuständige Sachbearbeiter Pflegeleistungen abrechnet.
6
Die Geltendmachung der Verjährung durch die Beklagte verletze nicht den Grundsatz von Treu und Glauben. Die Klägerin trage nicht vor, dass sie an den im Jahr 2004 zwischen Krankenkasse und Beklagten getroffenen Vereinbarungen beteiligt gewesen sei.

II.


7
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
1. Entgegen der Auffassung der Revision ist allerdings der dem Regress der Klägerin zugrunde liegende Anspruch auf Ersatz vermehrter Bedürfnisse nach § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB nicht erst im Jahr 2007 entstanden. Ein Anspruch im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist entstanden, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann, wobei bei Schadensersatzansprüchen grundsätzlich die Möglichkeit einer Feststellungsklage ausreicht (vgl. Senat, Urteil vom 12. Mai 2009 - VI ZR 294/08, VersR 2009, 989 Rn. 9 mwN). Der gesamte einer unerlaubten Handlung entspringende Schaden stellt sich als eine Einheit dar und nicht als eine Summe einzelner selbständiger, unzusammenhängender Schäden. Daher schließt die Ungewissheit über den Umfang und die Höhe des Schadens den Beginn der Verjährung nicht aus (vgl. etwa RGZ 119, 204, 208; Senat, Urteile vom 20. Oktober 1959 - VI ZR 166/58, VersR 1959, 1045, 1046 und vom 20. Dezember 1977 - VI ZR 190/75, VersR 1978, 350, 351). Der Verletzte braucht mithin von den einzelnen Schadensfolgen keine Kenntnis erlangt zu haben. Vielmehr genügt die allgemeine Kenntnis vom Eintritt eines Schadens; wer diese erlangt hat, dem gelten auch solche Schadensfolgen als bekannt, die im Zeitpunkt der Kenntniserlangung nur als möglich voraussehbar waren (Senat, Urteile vom 12. Juli 1960 - VI ZR 73/59, BGHZ 33, 112, 116 und vom 30. Januar 1973 - VI ZR 4/72, VersR 1973, 371 mwN; st. Rspr.). Aus diesem Grunde wird der Gläubiger im Allgemeinen aus dem Gesichtspunkt drohender Verjährung schon dann Anlass zur Feststellungsklage haben, wenn mit Auswirkungen des Schadens gerechnet werden muss, die im Einzelnen noch nicht abzusehen sind und die daher mit einer Leistungsklage noch nicht geltend gemacht werden können. Das gilt besonders, wenn sogenannte Spätfolgen einer Körperverletzung zu befürchten sind oder wenn die Auswirkungen einer Verletzung auf die Erwerbsfähigkeit und die Berufstätigkeit des Verletzten noch nicht abschließend beurteilt werden können. Ausnahmen sind nur in eng begrenzten Fallkonstellationen hinnehmbar, so etwa bei schweren Folgeschäden anfänglich ganz leichter Verletzungen oder wenn sich aus anscheinend vorübergehenden Krankheiten in nicht vorhersehbarer Weise chronische Leiden entwickeln. In diesen Fällen ist der Beginn der Verjährung in der Regel erst von dem Zeitpunkt an zu rechnen, in dem der Verletzte von den erst nachträglich eingetretenen Schäden Kenntnis erhält (Senat, Urteile vom 3. Juni 1997 - VI ZR 71/96, VersR 1997, 1111 und vom 16. November 1999 - VI ZR 37/99, VersR 2000, 331).
9
Im Streitfall sind dergleichen Umstände nicht gegeben. Aufgrund der schweren Verletzungen des Geschädigten musste vielmehr bereits zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens mit einem Bedarf an Pflegeleistungen gerechnet werden. Lediglich die Höhe des Schadens war ungewiss. Der Anspruch auf Ersatz der vermehrten Bedürfnisse nach § 843 Abs. 1 BGB war mithin bereits im Zeitpunkt der Verletzung des Versicherten der Klägerin entstanden und gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf die Klägerin übergegangen. Für den Rechtsübergang reicht im Interesse eines möglichst weitgehenden Schutzes des Sozialversicherungsträgers vor anderweitigen Verfügungen des Geschädigten schon eine, wenn auch weit entfernte Möglichkeit des Eintritts von Leistungspflichten aus. Es darf nur die Entstehung solcher Pflichten nicht völlig unwahrscheinlich, also geradezu ausgeschlossen erscheinen (vgl. Senat, Urteile vom 20. September 1994 - VI ZR 285/93, BGHZ 127, 120, 125; vom 8. Juli 2003 - VI ZR 274/02, BGHZ 155, 342, 346 und vom 2. Dezember 2008 - VI ZR 312/07, VersR 2009, 230 Rn. 12 mwN).
10
2. Mit der Entstehung des Anspruchs und dessen Übergang im Jahr 2003 war jedoch nicht zwangsläufig der Beginn der Verjährung verbunden.
11
a) Nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger, von den anspruchbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Bei Behörden und öffentlichen Körperschaften beginnt die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche erst dann zu laufen, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt; verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind dabei solche Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist (Senat, Urteile vom 22. April 1986 - VI ZR 133/85, VersR 1986, 917, 918 und vom 12. Mai 2009 - VI ZR 294/08, VersR 2009, 989 Rn. 12 mwN). Sind innerhalb einer regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig - nämlich die Leistungsabteilung hinsichtlich der Einstandspflicht gegenüber dem Verletzten und die Regressabteilung bezüglich der Geltendmachung von Schadensersatz - oder Regressansprüchen gegenüber Dritten - , so kommt es für den Beginn der Verjährung von Regressansprüchen grundsätzlich auf den Kenntnisstand der Bediensteten der Regressabteilung an. Das Wissen der Bediensteten der Leistungsabteilung ist demgegenüber regelmäßig unmaßgeblich und zwar auch dann, wenn die Mitarbeiter dieser Abteilung aufgrund einer behördeninternen Anordnung gehalten sind, die Unfallakte an die Regressabteilung weiterzuleiten, sofern sich im Zuge der Unfallsachbearbeitung Anhaltspunkte für eine Unfallverursachung Dritter oder eine Gefährdungshaftung ergeben (vgl. Senat, Urteile vom 11. Februar 1992 - VI ZR 133/91, VersR 1992, 627, 628; BGH, Urteil vom 9. März 2000 - III ZR 198/99, VersR 2000, 1277, 1278).
12
b) Mit diesen Grundsätzen steht nicht im Einklang, dass das Berufungsgericht im Hinblick auf die personelle und organisatorische Verzahnung der Kranken- und Pflegekassen angenommen hat, für den Verjährungsbeginn der im Streit befindlichen Ansprüche der Klägerin sei der Zeitpunkt der früheren Befassung mit dem Schadensfall durch die für die Bearbeitung der Schadensersatzansprüche der Krankenkasse und der Pflegekasse zuständige Sachbearbeiterin maßgeblich.
13
Zwar stellt das Berufungsgericht nicht in Frage, dass die Pflegekassen unbeschadet ihrer organisatorischen und personellen Anbindung an die Krankenkassen gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB XI rechtlich selbständige rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung sind. Da sie bei den Krankenkassen errichtet werden (§ 46 Abs. 1 Satz 2 SGB XI), ihre Organe und damit auch die Vorstände beider Kassen personenidentisch sind (§ 46 Abs. 2 Satz 2 SGB XI) und sie weder über eigenes Personal noch über eigenes Verwaltungsvermögen, wie Gebäude und Einrichtungen, verfügen (§ 46 Abs. 2 Satz 3; § 62 SGB XI), besteht zwischen Pflegekasse und Kranken- kasse eine "Verwaltungsgemeinschaft" (BSG, Urteil vom 7. November 2000 - B 1 A 4/99 R, SozR 3-3300 § 47 Nr. 1). Das Berufungsgericht verkennt jedoch , dass die Krankenkasse regelmäßig über die Ansprüche der Pflegekasse nicht verfügen kann. Allein aus der gemeinsamen Organisation lässt sich die Verfügungsbefugnis der Krankenkasse über die der Pflegekasse zustehenden Schadensersatzansprüche nicht herleiten. Vielmehr handelt es sich bei Kranken - und Pflegekasse um voneinander unabhängige selbständige Gläubiger. Dem entspricht, dass der erkennende Senat den Übergang von Schadensersatzansprüchen für den Ausgleich von Pflegeleistungen von der Krankenkasse auf die Pflegekasse mit deren Schaffung als juristische Person des öffentlichen Rechts angenommen hat, nachdem durch die Regelungen in den §§ 46 ff. SGB XI nunmehr die Pflegekasse für die Zahlung von Pflegegeld zuständig ist (Senat, Urteil vom 3. Dezember 2002 - VI ZR 142/02, VersR 2003, 267, 269). Eines solchen Übergangs hätte es nicht bedurft, wäre die Krankenkasse die verfügungsbefugte Behörde über die dem Ausgleich der Pflegeleistungen dienenden Schadensersatzansprüche. Kommt mithin der Krankenkasse eine Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen der Pflegekasse nicht zu, vermag die Kenntnis der Bediensteten der Krankenkasse die Verjährungsfrist für die Pflegekasse grundsätzlich auch dann nicht in Gang zu setzen, wenn die Sachbearbeiter in Personalunion die Erstattungsansprüche für Krankheits- und Pflegekosten bearbeiten.
14
c) Darüber hinaus ist die Kenntniserlangung durch den Beschäftigten für die Verjährung der Forderungen einer Behörde oder anderen juristischen Person nur relevant, soweit dieser für die Behörde handelt und die Behörde bei der Abwicklung des Schadensfalls vertritt. Nach den zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen darf der maßgeblichen Institution nicht die Kenntnis eines jeden Bediensteten zugerechnet werden. Es ist vielmehr jeweils zu prüfen, ob es sich bei dem Bediensteten um einen Wis- sensvertreter handelt (vgl. dazu z.B. Senat, Urteile vom 25. Juni 1996 - VI ZR 117/95, BGHZ 133, 129, 139; vom 19. März 1985 - VI ZR 190/83, VersR 1985, 735; vom 22. April 1986 - VI ZR 133/85 und vom 11. Februar 1992 - VI ZR 133/91, jeweils aaO). Das ist nach dem hier heranzuziehenden Rechtsgedanken des § 166 BGB dann der Fall, wenn der Bedienstete vom Anspruchsinhaber mit der Erledigung der betreffenden Angelegenheit, hier also mit der Betreuung und der Verfolgung der in Frage stehenden Regressforderung, in eigener Verantwortung betraut worden ist (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 1994 - VI ZR 190/93, VersR 1994, 491 mwN). Hieran hält der Senat fest. Eine Wissenszurechnung in diesem Sinne setzt grundsätzlich voraus, dass derjenige , auf dessen Kenntnisse (allein oder im Zusammenwirken mit dem Wissensstand anderer) abgestellt werden soll, in den betreffenden Aufgabenkreis eingebunden war (vgl. dazu z.B. BGH, Urteil vom 24. Januar 1992 - V ZR 262/90, BGHZ 117, 104, 106 f. und Urteil vom 31. Januar 1996 - VIII ZR 297/94, NJW 1996, 1205 f.).
15
Danach ist im Streitfall maßgeblich, ab wann die Sachbearbeiterin K. als zuständige Mitarbeiterin für die Klägerin als Anspruchsinhaberin die erforderlichen Kenntnisse vom Schadensfall erlangte. Dies war nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts frühestens im Jahre 2007 der Fall, als erstmalig Pflegeleistungen für den Verletzten gegenüber der Klägerin abgerechnet wurden. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde die Sachbearbeiterin K. für die Klägerin als verfügungsberechtigte Anspruchsinhaberin mit dem Schadensfall befasst und organisatorisch für die Geltendmachung der Ansprüche der Pflegekasse zuständig.
16
d) Eine rückwirkende Zurechnung etwaiger Kenntnisse die die Sachbearbeiterin durch die Bearbeitung der Ansprüche zum Ausgleich der Krankheitskosten gebieten auch nicht die Gründe, aus denen die Verjährung von An- sprüchen gerechtfertigt ist. Die Verjährung beruht auf den Gedanken des Schuldnerschutzes und des Rechtsfriedens (vgl. Heinrichs, Karlsruher Forum 1991, 3, 6 f.). Sie soll zum einen den Schuldner davor bewahren, nach längerer Zeit mit von ihm nicht mehr erwarteten Ansprüchen überzogen zu werden. Zum anderen soll sie den Gläubiger dazu veranlassen, rechtzeitig gegen den Schuldner vorzugehen. Dem Gläubiger muss es allerdings im Regelfall auch möglich sein, den Anspruch durchzusetzen (vgl. Palandt/Ellenberger BGB, 70. Aufl., Überblick vor § 194 Rn. 7 ff.). Die Durchsetzung der Regressansprüche für Pflegekosten wäre aber in einer aus Gründen des Schuldnerschutzes nicht gebotenen Weise erschwert, begänne die Verjährung bereits dann, wenn Pflegeleistungen noch nicht beansprucht worden sind und mithin der Kostenträger auch nicht damit befasst sein kann. Es müsste regelmäßig vorsorglich in allen Schadensfällen die Rechtslage zur Entscheidung über die Erhebung einer Feststellungsklage geprüft oder vorbeugend eine verjährungshemmende Abrede mit dem Schädiger getroffen werden, obwohl bei einem abweichenden Genesungsverlauf ein Ausgleich von Kosten nicht notwendig werden würde.
17
3. Hat die Klägerin erst im Jahr 2007 Kenntnis von den nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderlichen Umständen erlangt und war demnach der Anspruch bei Erhebung der Klage im Jahr 2009 nicht verjährt, kommt es im Streitfall auf die Frage nicht an, ob es der Beklagten nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt ist, die Verjährungseinrede trotz der Vereinbarung mit der Krankenkasse über die Haftungsquote und die Hemmung der Verjährung zu erheben.

III.

18
Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und das Urteil des Landgerichts durch Zurückweisung der Berufung wiederherzustellen. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Ellwangen, Entscheidung vom 29.10.2009 - 3 O 122/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 02.06.2010 - 9 U 180/09 -

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tatbestand

1

Umstritten ist ein Arzneikostenregress wegen der Verordnung des Arzneimittels Polyglobin in den Quartalen I und III/2000.

2

Die Klägerin zu 1. ist eine zwischen dem 1.7.2000 und dem 31.12.2004 bestehende Gemeinschaftspraxis, der der Kläger zu 2. und die Klägerin zu 3. angehörten. Der Kläger zu 2. nimmt seit Jahren als Hausarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Zum 1.7.2000 schloss er sich mit der Klägerin zu 3., einer Internistin, zu einer Gemeinschaftspraxis zusammen. Der Kläger zu 2. (Quartal I/2000) und die zu 1. klagende Gemeinschaftspraxis (Quartal III/2000) verordneten zugunsten des M., der bei der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse versichert war, in 12 Fällen das Arzneimittel Polyglobin 5 % bzw 10 %. Der Versicherte litt an einem "embryonalem Hodenkarzinom mit Lungenmetastasierung".

3

Wegen dieser Verordnungen beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. bei den Prüfgremien die Feststellung eines sonstigen Schadens. Der Prüfungsausschuss setzte nach Anhörung der Kläger wegen der Verordnung von Polyglobin einen Regress gegen die Kläger zu 2. und 3. in Höhe von 17 821 Euro fest. Der beklagte Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch der Kläger zu 2. und 3. mit der Begründung zurück, Polyglobin sei nicht im Rahmen seiner arzneimittelrechtlichen Zulassung verordnet worden.

4

Das SG hat die von den Klägern zu 2. und 3. gegen diese Entscheidung des Beklagten erhobene Klage mit der Begründung abgewiesen, Polyglobin sei zur Behandlung eines Karzinomleidens außerhalb der Zulassung eingesetzt worden, und die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise zulässigen Off-Label-Use hätten nicht vorgelegen. Die Wirksamkeit von Polyglobin zur Behandlung auch eines metastasierenden Karzinomleidens sei nicht belegt.

5

Mit seiner Berufung gegen dieses Urteil hat der Kläger zu 2. geltend gemacht, der Einsatz von Polyglobin zur Behandlung des Versicherten M. sei medizinisch gerechtfertigt. Die Klägerin zu 3. hat vorgetragen, im Quartal I/2000 sei sie noch nicht Mitglied der Gemeinschaftspraxis gewesen, weshalb sie für Verordnungen aus diesem Quartal nicht in Regress genommen werden dürfe.

6

Das LSG hat zunächst durch eine Änderung des Rubrums klargestellt, dass die Klageerhebung durch die nunmehr als Klägerin zu 1. rubrizierende Gemeinschaftspraxis erfolgt sei. Es hat die Berufungen (nur) der Klägerin zu 2. und zu 3. gegen das sozialgerichtliche Urteil für zulässig gehalten, weil jeder Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft berechtigt sei, Forderungen der Gesellschaft gerichtlich geltend zu machen. Das LSG hat sodann das Urteil des SG sowie den Bescheid des Beklagten aufgehoben, soweit dieser die Regressfestsetzung für Verordnungen aus dem Quartal I/2000 betrifft. Die Regressfestsetzung sei nach dem nicht auslegungsfähigen Wortlaut der angefochtenen Entscheidung des Beklagten gegen "die" Gemeinschaftspraxis gerichtet, die im Quartal I/2000 aber noch nicht bestanden habe. Allein aus diesem Grunde sei der Bescheid insoweit rechtswidrig. Hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal III/2000 hat es die Berufungen der Kläger zu 2. und zu 3. zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use hätten nicht vorgelegen (Urteil vom 18.3.2009).

7

Mit seiner Revision rügt der Kläger zu 2., der vom Berufungsgericht herangezogene § 14 Abs 1 der Prüfvereinbarung (PV) ergebe schon generell keine tragfähige Grundlage für einen Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel. Die PV regele lediglich Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot sowie Regresse wegen schuldhafter Verursachung eines "sonstigen Schadens". Der in der Rechtsprechung des BSG zugelassene Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Mittel hätte in der PV zwar geregelt werden können, sei dort tatsächlich aber nicht geregelt worden. Zudem habe ein fristgerechter Antrag nach § 14 Abs 1 PV für das Quartal III/2000 nicht vorgelegen. Das LSG habe zu Unrecht unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG angenommen, soweit in der maßgeblichen Berliner PV ein Antragserfordernis normiert sei, stehe das mit höherrangigem Recht nicht in Einklang. Auch dem SG könne nicht gefolgt werden, soweit dieses davon ausgegangen sei, die Frist zur Stellung des Prüfantrags beginne erst zu laufen, wenn den Krankenkassen die arztbezogen sortierten Rezepte abschließend vorgelegen hätten. Die Notwendigkeit eines fristgerechten Antrags der betroffenen Krankenkasse diene auch dem Schutz der von den Regressfestsetzung potenziell betroffenen Ärzte.

8

Die Verordnung von Polyglobin sei zur Behandlung des Hodenkarzinoms bei dem Versicherten M. notwendig gewesen. Zwar sei der Einsatz von Polyglobin nicht unmittelbar zur Heilung der Tumorerkrankung bzw zur Linderung der damit verbundenen Beschwerden erfolgt, doch habe der Versicherte als Folge der Chemotherapie unter einer Antikörperstörung gelitten, die dringend habe behandelt werden müssen. Der Einsatz von Polyglobin habe die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Chemotherapie schaffen sollen, und seine Rechtmäßigkeit müsse deshalb aus medizinischen Gründen nach denselben Maßstäben beurteilt werden wie die Verordnung von Arzneimitteln zur kausalen Krebstherapie. Jedenfalls habe er - der Kläger - darauf vertrauen dürfen, dass im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG auch der die Indikationsgrenzen überschreitende Einsatz generell zugelassener Arzneimittel (Off-Label-Use) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zulässig gewesen sei. Das habe der 1. Senat des BSG im Juli 1995 zum Einsatz des Codeinpräparates Remedacen zur Drogensubstitution entschieden, und der 8. Senat des BSG, der mit dieser Rechtsprechung nicht einverstanden gewesen sei, habe im Jahr 1999 für die Zeit bis zur Verkündung seiner Entscheidung den Versicherten Vertrauensschutz zugebilligt. Auf diesen Vertrauensschutz könne er - der Kläger - sich hier auch berufen. Soweit der 6. Senat des BSG am 31.5.2006 entschieden habe, Vertrauensschutzaspekte spielten insoweit keine Rolle, weil Vertragsärzte, die Arzneimittel außerhalb der Zulassungsindikationen einsetzen wollten, gehalten seien, ein Privatrezept auszustellen und die Versicherten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Krankenkasse zu unterstützen, sei das auf die hier maßgebliche Rechtslage des Jahres 1999 nicht übertragbar. Zu diesem Zeitpunkt sei nach § 29 Abs 1 Satz 2 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) die Genehmigung von Verordnungen durch eine Krankenkasse unzulässig gewesen. In Verbindung mit dem Remedacen-Urteil des 1. Senats des BSG habe sich daraus die Berechtigung von Vertragsärzten ergeben, den Off-Label-Use im regulären Verfahren durch Ausstellen vertragsärztlicher Verordnungen zu praktizieren.

9

Schließlich hätte das LSG dem in der mündlichen Verhandlung vom 18.3.2009 unter Bezugnahme auf den Schriftsatz zur Berufungsbegründung ausdrücklich aufrecht erhaltenen Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgehen und zur Anwendung von Polyglobin ein entsprechendes Gutachten einholen müssen. Das habe es unter Verletzung des § 103 Satz 1 SGG fehlerhafterweise unterlassen.

10

Der Kläger zu 2. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen - des Klägers - Widerspruch vom 21.11.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden,

weiter hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage abgewiesen wurde, aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

11

Die Beigeladene zu 2. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009 abzuändern und die Berufung vollumfänglich zurückzuweisen sowie die Revision des Klägers zu 2. zurückzuweisen.

12

Sie rügt vor allem die Auffassung des Berufungsgerichts, der angefochtene Bescheid des Beklagten sei rechtswidrig, soweit er Verordnungen aus dem Quartal I/2000 betreffe. Der Beklagte habe nicht hinreichend beachtet, dass in diesem Quartal die Gemeinschaftspraxis noch nicht bestanden habe. Deshalb könne sich der Bescheid nur gegen den Kläger zu 2. richten, der die betroffenen Verordnungen ausgestellt habe. Nicht die Gemeinschaftspraxis, sondern die Kläger zu 2. und 3. seien im sozialgerichtlichen Verfahren als (einzige) Kläger aufgetreten. Damit sei immer klar gewesen, dass auch die Verordnungen des Klägers zu 2. betroffen gewesen seien.

13

Die Klägerin zu 3. schließt sich der Revision der Beigeladenen zu 2. an und beantragt,

1. die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen,

2. das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben,

3. hilfsweise das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch vom 21.11.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden,

4. weiter hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

14

Sie verweist auf den Umstand, dass sie im Quartal I/2000 der zu 1. klagenden Gemeinschaftspraxis nicht angehörte, und nimmt in der Sache auf die Ausführungen des Klägers zu 2. Bezug.

15

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

16

Er hält das Berufungsurteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der zu 2. beigeladenen Krankenkasse hat Erfolg. Das LSG hat das sozialgerichtliche Urteil sowie den angefochtenen Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal I/2000 zu Unrecht aufgehoben (1.). Dagegen haben die Revisionen des zu 2. klagenden Arztes und der zu 3. klagenden Ärztin in der Sache keinen Erfolg (2.). Auch die Verfahrensrüge des Klägers zu 2. ist nicht begründet (3.).

18

1. Das LSG hat angenommen, der angefochtene Bescheid des Beklagten sei hinsichtlich der aus dem Quartal I/2000 stammenden Verordnungen schon deshalb rechtswidrig, weil dieser Bescheid sich gegen eine Gemeinschaftspraxis - bestehend aus den Klägern zu 2. und 3. - richte, die im Quartal I/2000 nicht bestanden habe. Regressbescheide, die sich gegen eine Gemeinschaftspraxis richten, die zu dem Zeitpunkt, in dem die beanstandeten Verordnungen vorgenommen wurden, nicht bestand, sind rechtswidrig. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts hinsichtlich der vertragsarztrechtlich gebotenen Unterscheidung von Gemeinschaftspraxis und Einzelpraxis stehen mit Bundesrecht im Einklang. Nicht zu folgen ist dem Berufungsgericht jedoch insoweit, als es - zumindest inzident - ausgeschlossen hat, dass sich der Bescheid des Beklagten für das Quartal I/2000 (auch) gegen den Kläger zu 2. richtete.

19

a. Der Antrag der BKK Berlin (Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2.) vom 22.5.2001 nennt als Betreff "Gemeinschaftspraxis Dres. med. Kindler und Dietzmann" und verweist zunächst auf die Arztnummer 7290241, die dem Kläger zu 2. zugeordnet war, und - später - auf die Arztnummer 7280821, die der Gemeinschaftspraxis, bestehend aus den Klägern zu 2. und 3., zugeordnet war. Die Fassung des Antrags rührt daher, dass der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. im Mai 2001 nicht bewusst war, dass ein Teil der Verordnungen auf einen Zeitraum entfiel, in dem sich hinter der Abrechnungsnummer 7290241 nur die Einzelpraxis des Klägers zu 2. und noch nicht die zu 1. klagende Gemeinschaftspraxis verbarg.

20

Dieser Umstand fiel, offenbar weil hier kein quartalsweise festzusetzender Regress wegen unwirtschaftlichen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens, sondern ein Regress wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen zu Gunsten eines einzelnen Patienten über mehrere Quartale hinweg betroffen war (zu den damit verbundenen verfahrensrechtlichen Konsequenzen näher Senatsurteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R -; zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), auch weder der antragstellenden Krankenkasse noch dem Prüfungsausschuss bzw dem beklagten Beschwerdeausschuss auf. In dessen Entscheidung vom 25.3.2003 wird im Rubrum die "Gemeinschaftspraxis" als Widerspruchsführer geführt.

21

Im Klageverfahren sind dagegen - ohne Beanstandung durch das Sozialgericht - lediglich die Kläger zu 2. und 3. als Kläger aufgetreten und durch die jetzigen Bevollmächtigten des Klägers zu 2. vertreten worden. Die Vollmacht vom 27.11.2001 ist von den Klägern zu 2. und 3. unterschrieben und in Sachen dieser beiden Kläger ausgestellt worden. Bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens haben die Bevollmächtigten nicht auf den Umstand hingewiesen, dass die Gemeinschaftspraxis im Quartal I/2000 noch nicht bestand. Noch im Termin der mündlichen Verhandlung am 14.6.2006, also fast 1 1/2 Jahre nach Auflösung der Gemeinschaftspraxis, ist Rechtsanwalt Dr. S. für beide Kläger aufgetreten, ohne darauf hinzuweisen, dass der Kläger zu 2. im Quartal I/2000 noch in Einzelpraxis tätig war.

22

Erst im Berufungsverfahren sind die Kläger zu 2. und 3. getrennt aufgetreten; der Kläger zu 2. ist durch die bisherigen Bevollmächtigten beider Kläger und die Klägerin zu 3. durch ihre jetzige Bevollmächtigte vertreten worden. Die Klägerin zu 3. hat erstmals mit ihrer Berufung vom 30.8.2006 erläutert, dass sie ihre Tätigkeit in der Praxis des Klägers zu 2. erst zum Quartal III/2000 aufgenommen habe (vgl das ursprünglich unter dem Aktenzeichen L 7 KA 109/06 geführte Berufungsverfahren, das das LSG zum Verfahren L 7 KA 108/06 des Klägers zu 2. verbunden hat).

23

b. In dieser besonderen Konstellation stellt sich die Rubrizierung der zu 1. klagenden Gemeinschaftspraxis im Rubrum des angefochtenen Bescheides des Beklagten als partielle, aber unschädliche Falschbezeichnung heraus (zur revisionsgerichtlichen Befugnis, Verwaltungsakte auszulegen, s BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 16 mwN). Der Bescheid des Beklagten sollte ersichtlich die unter der Arztnummer 7290241 (Kläger zu 2.) ausgestellten Verordnungen auch des Quartals I/2000 erfassen, und das ist weder im Widerspruchs- noch im Klageverfahren als fehlerhaft gerügt worden. Die Beigeladene zu 2. hat zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt, sie wolle aus dem Bescheid des Beklagten gegenüber der Klägerin zu 3. Rechte im Hinblick auf Verordnungen aus dem Quartal I/2000 herleiten. Bei verständiger Auslegung der angefochtenen Entscheidung des Beklagten und bei Würdigung des Verhaltens der zu 2. und 3. klagenden Ärzte sowie ihrer Bevollmächtigten im Widerspruchs- und Klageverfahren betrifft der Bescheid des Beklagten, soweit er sich auf das Quartal I/2000 bezieht, Verordnungen nur des Klägers zu 2. und setzt nur diesem gegenüber einen Regress fest. Diese selbstverständliche Rechtsfolge hat der Senat ausdrücklich zur Klarstellung in den Tenor seines Urteils aufgenommen.

24

2. Die Regressfestsetzungen des Beklagten gegenüber dem Kläger zu 2. hinsichtlich der Quartale I und III/2000 und gegenüber der Klägerin zu 3. hinsichtlich des Quartals III/2000 sind weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden.

25

a. Das Berufungsgericht hat zunächst angenommen, § 14 Abs 1 iVm Abs 3 der seit dem Jahre 1994 geltenden PV, die für die Verordnungen der Kläger im Jahre 2000 noch galt, gestatte die Festsetzung von Arzneikostenregressen, soweit der Vertragsarzt Arzneimittel verordnete, die in der vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnungsfähig sind. Die Kenntnis des Vertragsarztes von der fehlenden Verordnungsfähigkeit oder generell ein Verschulden des Arztes seien insoweit nicht Voraussetzung für die Festsetzung eines Regresses. Soweit der Kläger zu 2. § 14 PV anders versteht und annimmt, diese Norm erfasse nur Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw die Festsetzung eines verschuldensabhängigen "sonstigen Schadens" und nicht die Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel, ist dem im Revisionsverfahren nicht weiter nachzugehen. Die PV stellt Landesrecht iS des § 162 SGG dar, das das Revisionsgericht in der Auslegung des Berufungsgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat.

26

Von diesem Grundsatz sind in der Rechtsprechung des BSG zwei Ausnahmen anerkannt. Danach können landesrechtliche Normen vom Revisionsgericht eigenständig ausgelegt und angewandt werden, wenn es sich um Normen handelt, die inhaltsgleich in Bezirken verschiedener LSG gelten, soweit die Übereinstimmung im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (BSG vom 8.9.2009 - B 1 KR 8/09 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Es ist weder geltend gemacht noch gerichtsbekannt, dass die Berliner PV aus dem Jahr 1994 inhaltsgleich in anderen KÄV-Bezirken gilt bzw gegolten hat.

27

Landesrechtliche Normen sind weiterhin einer eigenständigen Auslegung und Anwendung des BSG zugänglich, wenn das LSG entscheidungserhebliche Vorschriften unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, jeweils RdNr 15). Hier hat jedoch das LSG die als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ersichtlich einschlägige Vorschrift des § 14 PV zutreffend herangezogen und unter Anwendung der allgemein anerkannten juristischen Auslegungskriterien ausgelegt. Der Kläger zu 2. rügt auch keinen Verstoß gegen diese Auslegungsgrundsätze oder die Denkgesetze, sondern setzt der Auslegung des Berufungsgerichts seine abweichende Auslegung entgegen. Das führt nicht dazu, dass entgegen der Vorgabe des § 162 SGG das Revisionsgericht zu einer eigenständigen Auslegung berufen wäre.

28

Soweit § 14 PV in der Auslegung des LSG eine hinreichende Grundlage für die Festsetzung von Arzneikostenregressen wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel darstellt, steht die Vorschrift mit Bundesrecht in Einklang. Der Senat hat mehrfach entschieden, dass auf der Grundlage des § 106 Abs 2 SGB V in den PV Rechtsgrundlagen für Arzneikostenregresse festgeschrieben werden dürfen, soweit Vertragsärzte Arznei- und Heilmittel verordnet haben, die nicht Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung sind(zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52; vgl zuletzt BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 17 ff mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das stellt der Kläger zu 2. selbst nicht in Abrede.

29

b. Soweit der Kläger zu 2. geltend macht, der Antrag der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse sei verspätet gestellt worden, muss dem ebenfalls nicht weiter nachgegangen werden. Es kann vielmehr offen bleiben, ob die Frist von "sechs Monaten nach Bekanntwerden des Sachverhalts" iS des § 14 Abs 2 PV hier eingehalten ist, wie das SG angenommen hat, oder ob die Normierung dieser Frist in der PV wegen Unvereinbarkeit mit § 106 SGB V unwirksam ist, wovon das LSG ausgegangen ist. Selbst wenn eine Antragsfrist normiert werden durfte und diese von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. nicht eingehalten worden sein sollte, würde daraus nicht die Rechtswidrigkeit der Regressfestsetzung folgen. Aus einer evtl Versäumung der Antragsfrist durch die Krankenkasse kann nämlich nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden. Das hat der Senat mit Urteil vom 3.2.2010 (B 6 KA 37/08 R; - RdNr 19 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) entschieden.

30

Der Senat hatte bereits früher dargelegt, dass solche Fristen nicht zum Schutz des Arztes im Sinne eines Ausschlusses der Verfahrensdurchführung normiert sind, sondern dass sie - auch im Interesse des Arztes - der Verfahrensbeschleunigung und einer effektiven Verfahrensdurchführung dienen (s insbesondere BSG USK 9596, S 526; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159 f zur Zulässigkeit späterer Antragsnachholung). Wird der Antrag zu spät gestellt, so ist damit dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung nicht Rechnung getragen. Daraus aber ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt abzuleiten, liefe der Zielrichtung der Regelung und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- und Verordnungsweise zuwider (vgl BSG USK aaO und SozR aaO S 159).

31

Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regessverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (zu dieser Frist allgemein zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15 RdNr 12 ff; BSG MedR 2008, 100, 101 f RdNr 16 ff, vgl jetzt § 106 Abs 2 Satz 7 Halbs 2 SGB V zur Frist von zwei Jahren für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina). Von dieser Ausschlussfrist und ihrer Funktion unterscheidet sich die Sechs-Monats-Frist für die Stellung des Prüfantrags mit ihrer Ausrichtung auf Beschleunigung. Würde aus deren Versäumung ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden, so würde ihr die Funktion beigemessen, die allein der Vier-Jahres-Frist zukommt.

32

c. Die Kläger durften über "Polyglobin 5 %" in den streitbefangenen Quartalen keine vertragsärztliche Verordnung ausstellen. Sie haben dieses Arzneimittel außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung verordnet.

33

Die Zulassung von Polyglobin war nach den Feststellungen des LSG - bei Vorliegen eines Immunmangelsyndroms - auf die Behandlung eines primären, ursächlichen Mangelsyndroms oder - bei sekundärem Immunmangelsyndrom - auf die Behandlung von Grunderkrankungen wie eine chronisch-lymphatische Leukämie oder ein multiples Myelom begrenzt. An solchen Erkrankungen hat der Versicherte M. nicht gelitten. Ein Arzneimittel darf grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für einen Einsatz außerhalb der arzneimittelrechtlich zugelassenen Indikation verordnet werden. Das hat der 1. Senat des BSG mit Urteil vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden und daran bis heute festgehalten (zB BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1). Der 6. Senat des BSG ist dem für die Festsetzung von Arzneikostenregressen gefolgt (zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19; vgl auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

34

Die Kläger können sich zur Rechtfertigung ihrer Verordnung von Polyglobin weder auf Vertrauensschutz noch auf einen der Annahmefälle stützen, in denen Arzneimittel vertragsärztlich auch außerhalb der zugelassenen Indikation verordnet werden dürfen. Der Kläger zu 2. ist der Auffassung, Vertragsärzte hätten in der Zeit zwischen dem Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995 zur Drogensubstitution mit dem Codein-Präparat Remedacen (BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5) und dem Bekanntwerden des Urteils des 8. Senats vom 30.9.1999 zur SKAT-Therapie (BSGE 85, 36 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11) generell darauf vertrauen dürfen, Arzneimittel im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auch außerhalb der Zulassungsindikationen nach dem Arzneimittelrecht verordnen zu dürfen. Dem folgt der Senat in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht nicht.

35

Es ist bereits fraglich, ob ein Vertragsarzt im Hinblick auf das zu der sehr speziellen Situation der Drogensubstitution ergangene Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995 generell darauf vertrauen durfte, Arzneimittel auch außerhalb ihrer Zulassungsindikation verordnen zu dürfen. Allenfalls kommt ein Vertrauen darauf in Betracht, dass die Bindung der vertragsärztlichen Verordnung an die Zulassung des jeweiligen Fertigarzneimittels nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) in dem Sinne gelockert ist, dass in bestimmten Konstellationen eine die arzneimittelrechtliche Zulassung überschreitende Verordnung, die medizinisch sinnvoll oder sogar geboten ist, auch krankenversicherungsrechtlich zulässig sein kann. In diesem Sinne ist das Urteil des 8. Senats vom 30.9.1999 richtigerweise zu verstehen. Weitergehende Schlussfolgerungen aus diesem Urteil im Sinne eines uneingeschränkt erlaubten indikationsfremden Einsatzes von Fertigarzneimitteln liegen eher fern, zumal ein beliebiger, allein nach Gutdünken jedes einzelnen Arztes erfolgender, Einsatz eines Medikaments außerhalb der Zulassung nicht ernsthaft für sachgerecht gehalten werden kann .

36

d. Im Übrigen sind schon kurz nach Veröffentlichung des Urteils des 1. Senats vom 5.7.1995 zur Drogensubstitution in der Rechtsprechung des BSG Zweifel an der allgemeinen Aussagekraft dieses Urteils über den entschiedenen Fall hinaus artikuliert worden. Schon drei Monate nach dem Urteil des 1. Senats hat der allein für das Vertragsarztrecht zuständige erkennende Senat Bedenken gegen die Zulässigkeit des Einsatzes von Remedacen zur Drogensubstitution geäußert und auf die Problematik der Beachtung der Richtlinien des (früheren) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen im Zusammenhang mit sog Außenseitermethoden hingewiesen (Urteil vom 18.10.1995, SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 5). In der Sache sind sodann die Grundsätze des Urteils vom 5.7.1995 durch die neuere Rechtsprechung des 6. und des 1. Senats zur Rechtsqualität der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, zur Methodenanerkennung nach § 135 Abs 1 SGB V und zum Zusammenhang zwischen dieser Anerkennung und den Prinzipien der Arzneimitteltherapie deutlich modifiziert worden(Urteil des 6. Senats vom 20.3.1996, BSGE 78, 70 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 "Methadon"; Urteile des 1. Senats vom 16.9.1997, BSGE 81, 54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4, BSGE 81, 73 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7). Spätestens nach Bekanntwerden dieser Urteile war deutlich, dass die ältere Rechtsprechung des BSG zu den (untergesetzlichen) Vorgaben des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr uneingeschränkt fortgeführt werden würde. Kein Vertragsarzt musste die aufgezeigten Wendungen der Rechtsprechung kennen oder nachvollziehen. Wer aber - wie der Kläger zu 2 - geltend macht, Verordnungen aus dem Jahre 2000 im Vertrauen auf eine zu einer Sonderkonstellation ergangene und vereinzelt gebliebene Rechtsprechung des BSG aus dem Jahre 1995 getätigt zu haben, muss sich entgegenhalten lassen, dass sich die Rechtsprechung weiterentwickelt hat. Jedenfalls im Jahr 2000 hat es für einen Vertragsarzt erkennbar keine hinreichende Sicherheit mehr gegeben, nach eigener Einschätzung Off-Label-Use-Verordnungen ausstellen zu dürfen, ohne Gefahr zu laufen, insoweit in Regress genommen zu werden.

37

e. Zudem sind sowohl das Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995, auf das sich der Kläger zu 2. beruft, wie auch die folgenden Entscheidungen des 1. und des 8. Senats des BSG zu den Rechtsansprüchen von Versicherten gegen ihre Krankenkasse ergangen. Aus diesen Urteilen ergibt sich nicht unmittelbar, wie sich ein Vertragsarzt zu Arzneimittelverordnungen verhalten sollte, die erkennbar außerhalb der Zulassungsindikation des jeweiligen Arzneimittels erfolgten, von denen er aber annahm, sie könnten vom Patienten beansprucht werden. Dazu ist dem Urteil des erkennenden Senats vom 18.10.1995 (6 RKa 3/93) zur Drogensubstitution zu entnehmen, dass in solchen Fällen jedenfalls eine exakte Dokumentation und eine engmaschige Verlaufskontrolle der Behandlung geboten waren (SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8; vgl auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 39, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Damit ist es zB nicht vereinbar, auf laborchemische Untersuchungen zum Nachweis eines - vermeintlichen oder tatsächlich bestehenden - "Antikörpermangelsyndroms" zu verzichten, wenn die umstrittene Off-Label-Verordnung von Immunglobulinen gerade auf diese Diagnose reagiert.

38

Ein Vertragsarzt, der Medikamente außerhalb ihrer zugelassenen Indikationen verordnet, kann weder sich noch der Krankenkasse Gewissheit darüber verschaffen, dass die Verordnung den Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebotes genügt, also notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Bei Off-Label-Verordnungen hat nämlich gerade keine Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des jeweiligen Arzneimittels stattgefunden, die seinen Einsatz (auch) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigt. Eine solche Prüfung ist im AMG nur indikationsbezogen vorgeschrieben und durchführbar; die von der Zulassung nach dem AMG ausgehende Schutzwirkung und Qualitäts- wie Wirksamkeitserwartung greift bei einem Einsatz des Medikaments außerhalb der Zulassung gerade nicht ein (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19; s auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 - RdNr 27 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Soweit danach ein Vertragsarzt Verordnungen ohne gesicherten Nachweis von Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels ausstellt, muss zwingend nachträglich geprüft werden dürfen, ob die jeweilige Verordnung den Regeln des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Wenn der Vertragsarzt davon absieht, in Fällen eines Off-Label-Use die Krankenkasse vor Ausstellung der Verordnung einzuschalten, wie es der Senat in einem Beschluss vom 31.5.2006 dargestellt hat (B 6 KA 53/05 B, MedR 2007, 557, 560), muss er hinnehmen, dass die Einhaltung der Vorgaben der vertragsärztlichen Versorgung im Nachhinein geprüft wird.

39

Der Beklagte hält den Klägern - anders als diese nahe legen wollen - keine schuldhafte Verletzung vertragsärztlicher Pflichten vor, die nunmehr sanktioniert wird. Der Beklagte hat lediglich die Position der zu 2. beigeladenen Krankenkasse bestätigt, dass sie objektiv zu Unrecht erhebliche Kosten für die Versorgung des M. mit einem Immunglobulin aufgewandt hat. Weil die Kläger der Beigeladenen zu 2. keine Gelegenheit gegeben haben, ihre Auffassung zur Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Immunglobulinen bei dem Versicherten M. vor Einlösung der Verordnungen darzulegen, muss es der Krankenkasse möglich sein, ihren Standpunkt nachträglich durchzusetzen, soweit er rechtlicher Prüfung standhält. Dazu sieht die PV im Einklang mit Bundesrecht das Verfahren der Regressfestsetzung vor. Soweit der Kläger zu 1. geltend macht, nach dem im Jahr 2000 geltenden Recht habe er zu Gunsten des M. kein Privatrezept ausstellen dürfen, weil das gegen § 29 Abs 1 Satz 2 BMV-Ä verstoßen hätte, folgt der Senat dem nicht. Der Beschluss des Senats vom 31.5.2006 (MedR 2007, 557), der diesen Weg aufgezeigt hat, ist zu Off-Label-Use-Verordnungen aus dem Jahr 1997 ergangen. Auch in den Jahren 1997 und 2000 galt das Verbot, sich als Vertragsarzt vertragsärztliche Verordnungen einzeln genehmigen zu lassen; dieses Verbot hat sich - wie der Senat dargelegt hat - immer nur auf Verordnungen im Rahmen der Leistungspflicht der Krankenkassen bezogen. Wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn die Kläger zu Beginn des Jahres 2000 vergeblich bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. angefragt und explizit um eine Entscheidung über das aus Sicht dieser Krankenkasse richtige Vorgehen gebeten hätten, kann offen bleiben. Die Kläger machen selbst nicht geltend, diesen Weg beschritten zu haben.

40

f. Der vom Beklagten aufrecht erhaltene Regress ist schließlich nicht deshalb rechtswidrig, weil dem Versicherten M. bei Ausstellung der umstrittenen Verordnungen nach den Grundsätzen des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) gegen die Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse ein Anspruch auf Versorgung mit Polyglobin 5 % zugestanden hätte. Nach den Feststellungen des LSG liegen die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen, auf §§ 27 und 31 SGB V iVm Art 2 Abs 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip bzw Art 2 Abs 2 Satz 1 GG und der hieraus abzuleitenden Schutzpflicht gegründeten Anspruchs nicht vor. Diese Feststellungen des LSG sind für den Senat nach § 163 SGG bindend, weil die dazu vom Kläger zu 2. angebrachte Rüge nicht durchgreift (unten 3.).

41

Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt der Revision: Wenn feststünde, dass M. nach den tatsächlichen Verhältnissen des Jahres 2000 einen Anspruch auf Versorgung mit Polyglobin als Sachleistung der Krankenkasse gehabt hätte, dürfte wegen der für diese Versorgung angefallenen Kosten kein Regress gegen die Kläger festgesetzt werden. Diese Konsequenz aus der Entscheidung des BVerfG hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 5.11.2008 zu Wobe Mugos (SozR 4-2500 § 106 Nr 21; ebenso BSG MedR 2010, 276) inzident angesprochen und hält daran fest. Der verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen beruht im Kern darauf, dass die Krankenkasse einen Ausgleich für die Bezahlung von Medikamenten erhält, die sie bei korrektem Verhalten des Arztes nicht hätte finanzieren müssen. Wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Versicherte, zu dessen Gunsten der Vertragsarzt die umstrittenen Verordnungen ausgestellt hat, auf die Versorgung mit dem verordneten Arzneimittel einen Anspruch gegen seine Krankenkasse hatte, ist dieser durch die Bezahlung dieses Arzneimittels dem Grunde nach jedenfalls kein Schaden entstanden, den der Vertragsarzt nunmehr ersetzen müsste. Lässt sich allerdings nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise gerechtfertigten Off-Label-Use vorgelegen haben, geht das zu Lasten des Arztes. Er rückt, obwohl er sich nach der Ausrichtung des Verfahrens gegen einen Regress wendet, hinsichtlich der Verteilung von Darlegungs- und Beweislast in die Stellung ein, die der Versicherte gehabt hätte, wenn er seinen Standpunkt zur der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels gegen die Krankenkasse nach § 13 Abs 3 SGB V im Wege der Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs durchsetzen müsste. Wer geltend machen will, der Versorgungsanspruch umfasse in einer bestimmten Konstellation auch die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln außerhalb der Zulassungsindikationen, dringt damit nicht durch, wenn sich unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die dafür insbesondere in der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG und inzwischen auch vom Gemeinsamen Bundesausschuss (§ 30 der Arzneimittel-Richtlinie iVm Anlage VI) formulierten Voraussetzungen vorgelegen haben. Das ist auch hier der Fall und geht zu Lasten der Kläger.

42

g. Das LSG ist in Übereinstimmung mit der Revision zutreffend davon ausgegangen, dass der Versicherte M. an einer schwerwiegenden Erkrankung (Hodenkarzinom) gelitten hat. Ob zu dessen kausaler Behandlung bei Fehlen einer allgemein anerkannten, medizinischem Standard entsprechenden Behandlungsmethode nach der Rechtsprechung des BVerfG ein Arzneimittel auch außerhalb seiner Zulassungsindikation hätte eingesetzt werden dürfen, wenn nach der vorhandenen Studienlage auf diese Weise die nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf positive Behandlungserfolge bestanden hätte (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33), kann offen bleiben. Das nehmen die Kläger nämlich selbst für die Verordnung von Polyglobin nicht an. Sie gehen vielmehr davon aus, dass der Versicherte M. an einem Antikörpermangel litt, der unbehandelt eine Fortführung der notwendigen Chemotherapie erschwert hätte oder hat. Wenn die Rechtsprechung des BVerfG auf diese Konstellation Anwendung finden sollte, was der Senat entgegen der Auffassung des LSG nicht von vornherein für ausgeschlossen hält, müssen jedenfalls die Anforderungen an einen zulässigen Off-Label-Use entsprechend erfüllt sein. Es muss deshalb feststehen, dass der Patient neben der besonders schwerwiegenden Erkrankung (Karzinom) an einer weiteren Gesundheitsstörung gelitten hat, die die Anwendung aller zur Behandlung des Hauptleidens in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten ausschließt. Weiterhin muss der Off-Label-Einsatz des anzuwendenden Arzneimittels mit gewisser Wahrscheinlichkeit die zweite Erkrankung so beeinflussen, dass eine Erfolg versprechende Behandlung des Hauptleidens wieder oder erstmals möglich wird. Schließlich darf es für die zweite Erkrankung keine anerkannten Behandlungsmöglichkeiten - zB mit entsprechend zugelassenen Arzneimitteln - geben. Diese Voraussetzungen sind hier jedenfalls nicht - wie es notwendig wäre, um der Klage zum Erfolg zu verhelfen - kumulativ erfüllt.

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h. Erhebliche Zweifel bestehen bereits daran, ob das von den Klägern so bezeichnete "sekundäre Antikörpermangelsyndrom" eine eigenständige und hinreichende spezifische Erkrankung ist, die abgegrenzt vom Karzinomleiden behandelt werden kann und muss. Die Kläger haben dazu in den Tatsacheninstanzen nicht Präzises vorgetragen. Zudem steht nicht fest, dass M. an einem Antikörpermangelsyndrom litt, das schulmedizinisch nicht behandelbar war. Die zur Abstützung dieser Diagnose und des Ausmaßes der Erkrankung möglichen laborchemischen Untersuchungen haben die Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht durchgeführt oder veranlasst. Dazu mögen sie - wie die Revision geltend macht - berufsrechtlich nicht verpflichtet gewesen sein. Sie haben damit aber im Hinblick auf den Off-Label-Use zur Unaufklärbarkeit des genauen Gesundheitszustandes des Versicherten M. im Jahr 2000 beigetragen. Das geht zu ihren Lasten.

44

i. Außerdem fehlt es an ausreichenden Feststellungen bzw Belegen für das von den Klägern geltend gemachte Dilemma, die schwerwiegende Ersterkrankung nur durch die Behandlung der Zweiterkrankung mit Polyglobin 5 % therapieren zu können. Der Kläger zu 2. setzt schon die Anforderungen an den Nachweis einer eigenständigen Zweiterkrankung zu niedrig an. Der Versicherte M. litt nach den Ausführungen des Klägers zu 2. an einer "Verminderung der Immunitätslage" als Folge vor allem der aggressiven Chemotherapien. Einzelne Infektionen des Patienten hätten sie - die Kläger - als "Zeichen eines sekundären Antikörpermangels" gedeutet. Für diese Infektionen haben die Kläger im Verwaltungsverfahren oder in den Vorinstanzen jedoch nicht konkret und eingehend belegt, dass ihnen durch anerkannte Behandlungsmaßnahmen nicht hätte effektiv entgegengewirkt werden können. Spezifische Darlegungen dazu, die dann dem LSG ggf Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätten geben können, waren vor allem deshalb unerlässlich, weil der Kläger zu 2. selbst einen Zusammenhang zwischen dem Krebsleiden und der Chemotherapie mit der geschwächten Immunitätslage des M. herstellt. Da nicht alle Patienten, deren Abwehrsystem durch Krebs und Chemotherapie geschwächt ist, mit Immunglobulin behandelt werden bzw nach dem gebotenen Behandlungsstandard behandelt werden müssen oder im Jahr 2000 so behandelt wurden oder behandelt werden mussten, hätten die Kläger fallbezogen und detailliert darlegen müssen, inwieweit sich die gesundheitliche Lage des M. von derjenigen anderer chemotherapeutisch behandelter Krebspatienten unterschied, und auf der Basis welcher exakten Befunde sie die Anwendung von Polyglobin 5 % für unerlässlich hielten. Das ist nicht geschehen und spricht dafür, dass sich die Kläger von der Gabe eines Immunglobulins ganz generell eine Stärkung der Abwehrlage des M. und damit mutmaßlich eine bessere Resistenz gegen Infektionen versprachen. Das reicht für einen Off-Label-Use, dessen Zulässigkeit jedenfalls in Fällen der hier vorliegenden Art von dem Gesundheitszustand des konkreten Patienten abhängt, nicht aus.

45

j. Schließlich ist die positive Wirkung, die die Kläger dem Einsatz von Immunglobulin bei fortgeschrittener Krebserkrankung zuschreiben, nach den Feststellungen des LSG nicht hinreichend belegt.

46

Das LSG hat im Einzelnen dargestellt, dass die bis 1999 zum Einsatz von Immunglobulinen vorhandenen Studien und publizierten Forschungsergebnisse nicht darauf hindeuten, dass die Gesundheitsstörungen des Versicherten M. durch den Einsatz von Polyglobin erfolgreich behandelt werden konnten. Das LSG ist zutreffend von den in der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG entwickelten Grundsätzen zum Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit (in Deutschland oder der EU) nicht zugelassenen Arzneimitteln (dazu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4) oder mit Arzneimitteln außerhalb zugelassene Indikationen (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) ausgegangen. Es hat näher ausgeführt, dass keine wissenschaftliche Arbeit vorliege oder von den Klägern benannt sei, in der der zulassungsüberschreitende Einsatz von Immunglobulinen zur Behandlung einer auf der Intoleranz von Chemotherapeutika beruhenden Erkrankung als medizinisch geboten bewertet wird. Einen Konsens der einschlägigen Fachkreise, dass Polyglobin ein sekundäres Antikörpersyndrom positiv beeinflussen könne, hat das LSG gerade nicht feststellen können. Soweit die Revision die vorhandenen medizinischen Unterlagen lediglich anders würdigt, vermag sie damit die Feststellungen iS des § 163 SGG nicht zu entkräften.

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Soweit der Kläger zu 2. die Sachaufklärung des LSG zu den Erfolgsaussichten der Behandlung mit Immunglobulinen für unzureichend hält, berücksichtigt er nicht hinreichend, dass sich der 1. Senat des BSG bereits mehrfach mit dem Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Immunglobulinen befasst hat. In den Urteilen vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8), vom 27.3.2007 (B 1 KR 17/06 R) und vom 28.2.2008 (SozR 4-2500 § 13 Nr 16), die sämtlich die Versorgung mit Immunglobulinpräparaten - jeweils bezogen auf die Indikation Multiple Sklerose - zum Gegenstand hatten, wird der Stand der medizinischen Forschung zu dieser Wirkstoffgruppe für die streitbefangenen Jahre 1997 bis 2003 eingehend aufgearbeitet. Zwar können die Forschungsergebnisse zur Möglichkeit, durch die Gabe von Immunglobulinen die Multiple Sklerose günstig zu beeinflussen, nicht ohne Weiteres auf die hier zu beurteilende Situation der unterstützenden Behandlung bei Krebserkrankungen übertragen werden, doch sind die Wirkungen und die in Frage kommenden Indikationen für Immunglobulin bezogen auf den hier relevanten Zeitraum gut erforscht und die Forschungsergebnisse - soweit krankenversicherungsrechtlich von Bedeutung - in der Rechtsprechung des BSG umfassend rezipiert worden. Zudem sind die Urteile des 1. Senats des BSG vom 27.3.2007 und vom 28.2.2008 Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung gewesen. Mit Kammerbeschlüssen vom 30.6.2008 (1 BvR 1665/07 zum BSG-Urteil B 1 KR 17/06 R) und vom 8.7.2009 (1 BvR 1531/09 zum BSG-Urteil B 1 KR 15/07 R) sind die Verfassungsbeschwerden der unterlegenen Kläger jeweils nicht zur Entscheidung angenommen worden. Beide Kammerbeschlüsse sind auf der Basis der grundlegenden Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 ergangen und billigen insbesondere, dass die Rechtsprechung des BSG strenge Anforderungen an den Nachweis stellt, dass mit dem zulassungsüberschreitenden Einsatz des jeweils betroffenen Arzneimittels hinzureichende Erfolgsaussichten verbunden sein müssen (BVerfG vom 30.6.2008 - 1 BvR 1665/07 - NJW 2008, 3556 f RdNr 9 bis 11). Es reicht danach als Grundlage für einen Off-Label-Use von Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus, dass positive Folgen einer solchen Behandlung nach dem Wirkungsmechanismus von Immunglobulinen nicht schlechthin ausgeschlossen werden können, dass Patienten in Einzelfällen nach Verabreichung der umstrittenen Medikamente eine Verbesserung ihres Befindens beschreiben und dass einzelne Ärzte oder Wissenschaftler mit plausiblen Gründen einen von der verbreiteten Auffassung abweichenden Standpunkt zu den Erfolgsaussichten einer Behandlung vertreten. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe und im Hinblick auf die schon vorliegende Rechtsprechung des 1. Senats des BSG ist die Sachverhaltsermittlung des Berufungsgerichts ausreichend.

48

3. Ohne Erfolg macht der Kläger zu 2. schließlich geltend, das LSG hätte einem Beweisantrag vom 12.3.2009, den er in der mündlichen Verhandlung explizit aufrechterhalten hat, nachkommen und ein Gutachten zur Wirkung von Polyglobin 5 % einholen müssen. Das LSG ist diesem Antrag mit hinreichender Begründung nicht gefolgt.

49

Grundsätzlich liegt es im Ermessen des Gerichts, ob es dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens oder eines weiteren Gutachtens nachkommt. Der für andere Beweismittel wie insbesondere den Zeugenbeweis geltende Grundsatz, dass eine Beweiswürdigung nicht vorweggenommen werden darf, gilt nicht für die Frage der Einholung von Sachverständigengutachten. Hier darf das Gericht unter Hinweis darauf, dass von einem Sachverständigengutachten keine (weiteren) Erkenntnisse zu erwarten seien, weil das Gericht ausreichend eigene Sachkunde habe oder weil ihm bereits ausreichende sachverständige Erkenntnisse vorliegen, dessen Einholung ablehnen. Das Gericht übt sein Ermessen nur dann fehlerhaft aus, wenn sich ihm die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen (s zB BVerwG NVwZ 1993, 268; BVerfG NVwZ 2009, 320, RdNr 4; BVerwG NJW 2009, 2614 RdNr 7; BSG SozVers 2002, 218 f; ebenso BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - RdNr 29). Ein solcher Ausnahmefall hat hier nicht vorgelegen. Das LSG hat in seiner Entscheidung dargelegt, warum es keinen weiteren Aufklärungsbedarf gesehen hat. Dabei spielt eine Rolle, dass zur Wirksamkeit von Immunglobulinen im (auch) hier betroffenen Zeitraum zahlreiche Entscheidungen des BSG ergangen sind, wie oben (unter 2. j.) näher dargelegt worden ist.

50

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 iVm § 155 Abs 1 VwGO und berücksichtigt die unterschiedliche wirtschaftliche Betroffenheit der Kläger zu 2. und 3. Die außergerichtlichen Kosten der zu 1. beigeladenen KÄV sind nach § 162 Abs 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil diese keine Anträge gestellt hat(vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tatbestand

1

Umstritten ist ein Arzneikostenregress wegen der Verordnung des Arzneimittels Polyglobin in den Quartalen I und III/2000.

2

Die Klägerin zu 1. ist eine zwischen dem 1.7.2000 und dem 31.12.2004 bestehende Gemeinschaftspraxis, der der Kläger zu 2. und die Klägerin zu 3. angehörten. Der Kläger zu 2. nimmt seit Jahren als Hausarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Zum 1.7.2000 schloss er sich mit der Klägerin zu 3., einer Internistin, zu einer Gemeinschaftspraxis zusammen. Der Kläger zu 2. (Quartal I/2000) und die zu 1. klagende Gemeinschaftspraxis (Quartal III/2000) verordneten zugunsten des M., der bei der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse versichert war, in 12 Fällen das Arzneimittel Polyglobin 5 % bzw 10 %. Der Versicherte litt an einem "embryonalem Hodenkarzinom mit Lungenmetastasierung".

3

Wegen dieser Verordnungen beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. bei den Prüfgremien die Feststellung eines sonstigen Schadens. Der Prüfungsausschuss setzte nach Anhörung der Kläger wegen der Verordnung von Polyglobin einen Regress gegen die Kläger zu 2. und 3. in Höhe von 17 821 Euro fest. Der beklagte Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch der Kläger zu 2. und 3. mit der Begründung zurück, Polyglobin sei nicht im Rahmen seiner arzneimittelrechtlichen Zulassung verordnet worden.

4

Das SG hat die von den Klägern zu 2. und 3. gegen diese Entscheidung des Beklagten erhobene Klage mit der Begründung abgewiesen, Polyglobin sei zur Behandlung eines Karzinomleidens außerhalb der Zulassung eingesetzt worden, und die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise zulässigen Off-Label-Use hätten nicht vorgelegen. Die Wirksamkeit von Polyglobin zur Behandlung auch eines metastasierenden Karzinomleidens sei nicht belegt.

5

Mit seiner Berufung gegen dieses Urteil hat der Kläger zu 2. geltend gemacht, der Einsatz von Polyglobin zur Behandlung des Versicherten M. sei medizinisch gerechtfertigt. Die Klägerin zu 3. hat vorgetragen, im Quartal I/2000 sei sie noch nicht Mitglied der Gemeinschaftspraxis gewesen, weshalb sie für Verordnungen aus diesem Quartal nicht in Regress genommen werden dürfe.

6

Das LSG hat zunächst durch eine Änderung des Rubrums klargestellt, dass die Klageerhebung durch die nunmehr als Klägerin zu 1. rubrizierende Gemeinschaftspraxis erfolgt sei. Es hat die Berufungen (nur) der Klägerin zu 2. und zu 3. gegen das sozialgerichtliche Urteil für zulässig gehalten, weil jeder Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft berechtigt sei, Forderungen der Gesellschaft gerichtlich geltend zu machen. Das LSG hat sodann das Urteil des SG sowie den Bescheid des Beklagten aufgehoben, soweit dieser die Regressfestsetzung für Verordnungen aus dem Quartal I/2000 betrifft. Die Regressfestsetzung sei nach dem nicht auslegungsfähigen Wortlaut der angefochtenen Entscheidung des Beklagten gegen "die" Gemeinschaftspraxis gerichtet, die im Quartal I/2000 aber noch nicht bestanden habe. Allein aus diesem Grunde sei der Bescheid insoweit rechtswidrig. Hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal III/2000 hat es die Berufungen der Kläger zu 2. und zu 3. zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use hätten nicht vorgelegen (Urteil vom 18.3.2009).

7

Mit seiner Revision rügt der Kläger zu 2., der vom Berufungsgericht herangezogene § 14 Abs 1 der Prüfvereinbarung (PV) ergebe schon generell keine tragfähige Grundlage für einen Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel. Die PV regele lediglich Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot sowie Regresse wegen schuldhafter Verursachung eines "sonstigen Schadens". Der in der Rechtsprechung des BSG zugelassene Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Mittel hätte in der PV zwar geregelt werden können, sei dort tatsächlich aber nicht geregelt worden. Zudem habe ein fristgerechter Antrag nach § 14 Abs 1 PV für das Quartal III/2000 nicht vorgelegen. Das LSG habe zu Unrecht unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG angenommen, soweit in der maßgeblichen Berliner PV ein Antragserfordernis normiert sei, stehe das mit höherrangigem Recht nicht in Einklang. Auch dem SG könne nicht gefolgt werden, soweit dieses davon ausgegangen sei, die Frist zur Stellung des Prüfantrags beginne erst zu laufen, wenn den Krankenkassen die arztbezogen sortierten Rezepte abschließend vorgelegen hätten. Die Notwendigkeit eines fristgerechten Antrags der betroffenen Krankenkasse diene auch dem Schutz der von den Regressfestsetzung potenziell betroffenen Ärzte.

8

Die Verordnung von Polyglobin sei zur Behandlung des Hodenkarzinoms bei dem Versicherten M. notwendig gewesen. Zwar sei der Einsatz von Polyglobin nicht unmittelbar zur Heilung der Tumorerkrankung bzw zur Linderung der damit verbundenen Beschwerden erfolgt, doch habe der Versicherte als Folge der Chemotherapie unter einer Antikörperstörung gelitten, die dringend habe behandelt werden müssen. Der Einsatz von Polyglobin habe die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Chemotherapie schaffen sollen, und seine Rechtmäßigkeit müsse deshalb aus medizinischen Gründen nach denselben Maßstäben beurteilt werden wie die Verordnung von Arzneimitteln zur kausalen Krebstherapie. Jedenfalls habe er - der Kläger - darauf vertrauen dürfen, dass im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG auch der die Indikationsgrenzen überschreitende Einsatz generell zugelassener Arzneimittel (Off-Label-Use) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zulässig gewesen sei. Das habe der 1. Senat des BSG im Juli 1995 zum Einsatz des Codeinpräparates Remedacen zur Drogensubstitution entschieden, und der 8. Senat des BSG, der mit dieser Rechtsprechung nicht einverstanden gewesen sei, habe im Jahr 1999 für die Zeit bis zur Verkündung seiner Entscheidung den Versicherten Vertrauensschutz zugebilligt. Auf diesen Vertrauensschutz könne er - der Kläger - sich hier auch berufen. Soweit der 6. Senat des BSG am 31.5.2006 entschieden habe, Vertrauensschutzaspekte spielten insoweit keine Rolle, weil Vertragsärzte, die Arzneimittel außerhalb der Zulassungsindikationen einsetzen wollten, gehalten seien, ein Privatrezept auszustellen und die Versicherten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Krankenkasse zu unterstützen, sei das auf die hier maßgebliche Rechtslage des Jahres 1999 nicht übertragbar. Zu diesem Zeitpunkt sei nach § 29 Abs 1 Satz 2 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) die Genehmigung von Verordnungen durch eine Krankenkasse unzulässig gewesen. In Verbindung mit dem Remedacen-Urteil des 1. Senats des BSG habe sich daraus die Berechtigung von Vertragsärzten ergeben, den Off-Label-Use im regulären Verfahren durch Ausstellen vertragsärztlicher Verordnungen zu praktizieren.

9

Schließlich hätte das LSG dem in der mündlichen Verhandlung vom 18.3.2009 unter Bezugnahme auf den Schriftsatz zur Berufungsbegründung ausdrücklich aufrecht erhaltenen Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgehen und zur Anwendung von Polyglobin ein entsprechendes Gutachten einholen müssen. Das habe es unter Verletzung des § 103 Satz 1 SGG fehlerhafterweise unterlassen.

10

Der Kläger zu 2. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen - des Klägers - Widerspruch vom 21.11.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden,

weiter hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage abgewiesen wurde, aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

11

Die Beigeladene zu 2. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009 abzuändern und die Berufung vollumfänglich zurückzuweisen sowie die Revision des Klägers zu 2. zurückzuweisen.

12

Sie rügt vor allem die Auffassung des Berufungsgerichts, der angefochtene Bescheid des Beklagten sei rechtswidrig, soweit er Verordnungen aus dem Quartal I/2000 betreffe. Der Beklagte habe nicht hinreichend beachtet, dass in diesem Quartal die Gemeinschaftspraxis noch nicht bestanden habe. Deshalb könne sich der Bescheid nur gegen den Kläger zu 2. richten, der die betroffenen Verordnungen ausgestellt habe. Nicht die Gemeinschaftspraxis, sondern die Kläger zu 2. und 3. seien im sozialgerichtlichen Verfahren als (einzige) Kläger aufgetreten. Damit sei immer klar gewesen, dass auch die Verordnungen des Klägers zu 2. betroffen gewesen seien.

13

Die Klägerin zu 3. schließt sich der Revision der Beigeladenen zu 2. an und beantragt,

1. die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen,

2. das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben,

3. hilfsweise das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch vom 21.11.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden,

4. weiter hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

14

Sie verweist auf den Umstand, dass sie im Quartal I/2000 der zu 1. klagenden Gemeinschaftspraxis nicht angehörte, und nimmt in der Sache auf die Ausführungen des Klägers zu 2. Bezug.

15

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

16

Er hält das Berufungsurteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der zu 2. beigeladenen Krankenkasse hat Erfolg. Das LSG hat das sozialgerichtliche Urteil sowie den angefochtenen Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal I/2000 zu Unrecht aufgehoben (1.). Dagegen haben die Revisionen des zu 2. klagenden Arztes und der zu 3. klagenden Ärztin in der Sache keinen Erfolg (2.). Auch die Verfahrensrüge des Klägers zu 2. ist nicht begründet (3.).

18

1. Das LSG hat angenommen, der angefochtene Bescheid des Beklagten sei hinsichtlich der aus dem Quartal I/2000 stammenden Verordnungen schon deshalb rechtswidrig, weil dieser Bescheid sich gegen eine Gemeinschaftspraxis - bestehend aus den Klägern zu 2. und 3. - richte, die im Quartal I/2000 nicht bestanden habe. Regressbescheide, die sich gegen eine Gemeinschaftspraxis richten, die zu dem Zeitpunkt, in dem die beanstandeten Verordnungen vorgenommen wurden, nicht bestand, sind rechtswidrig. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts hinsichtlich der vertragsarztrechtlich gebotenen Unterscheidung von Gemeinschaftspraxis und Einzelpraxis stehen mit Bundesrecht im Einklang. Nicht zu folgen ist dem Berufungsgericht jedoch insoweit, als es - zumindest inzident - ausgeschlossen hat, dass sich der Bescheid des Beklagten für das Quartal I/2000 (auch) gegen den Kläger zu 2. richtete.

19

a. Der Antrag der BKK Berlin (Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2.) vom 22.5.2001 nennt als Betreff "Gemeinschaftspraxis Dres. med. Kindler und Dietzmann" und verweist zunächst auf die Arztnummer 7290241, die dem Kläger zu 2. zugeordnet war, und - später - auf die Arztnummer 7280821, die der Gemeinschaftspraxis, bestehend aus den Klägern zu 2. und 3., zugeordnet war. Die Fassung des Antrags rührt daher, dass der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. im Mai 2001 nicht bewusst war, dass ein Teil der Verordnungen auf einen Zeitraum entfiel, in dem sich hinter der Abrechnungsnummer 7290241 nur die Einzelpraxis des Klägers zu 2. und noch nicht die zu 1. klagende Gemeinschaftspraxis verbarg.

20

Dieser Umstand fiel, offenbar weil hier kein quartalsweise festzusetzender Regress wegen unwirtschaftlichen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens, sondern ein Regress wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen zu Gunsten eines einzelnen Patienten über mehrere Quartale hinweg betroffen war (zu den damit verbundenen verfahrensrechtlichen Konsequenzen näher Senatsurteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R -; zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), auch weder der antragstellenden Krankenkasse noch dem Prüfungsausschuss bzw dem beklagten Beschwerdeausschuss auf. In dessen Entscheidung vom 25.3.2003 wird im Rubrum die "Gemeinschaftspraxis" als Widerspruchsführer geführt.

21

Im Klageverfahren sind dagegen - ohne Beanstandung durch das Sozialgericht - lediglich die Kläger zu 2. und 3. als Kläger aufgetreten und durch die jetzigen Bevollmächtigten des Klägers zu 2. vertreten worden. Die Vollmacht vom 27.11.2001 ist von den Klägern zu 2. und 3. unterschrieben und in Sachen dieser beiden Kläger ausgestellt worden. Bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens haben die Bevollmächtigten nicht auf den Umstand hingewiesen, dass die Gemeinschaftspraxis im Quartal I/2000 noch nicht bestand. Noch im Termin der mündlichen Verhandlung am 14.6.2006, also fast 1 1/2 Jahre nach Auflösung der Gemeinschaftspraxis, ist Rechtsanwalt Dr. S. für beide Kläger aufgetreten, ohne darauf hinzuweisen, dass der Kläger zu 2. im Quartal I/2000 noch in Einzelpraxis tätig war.

22

Erst im Berufungsverfahren sind die Kläger zu 2. und 3. getrennt aufgetreten; der Kläger zu 2. ist durch die bisherigen Bevollmächtigten beider Kläger und die Klägerin zu 3. durch ihre jetzige Bevollmächtigte vertreten worden. Die Klägerin zu 3. hat erstmals mit ihrer Berufung vom 30.8.2006 erläutert, dass sie ihre Tätigkeit in der Praxis des Klägers zu 2. erst zum Quartal III/2000 aufgenommen habe (vgl das ursprünglich unter dem Aktenzeichen L 7 KA 109/06 geführte Berufungsverfahren, das das LSG zum Verfahren L 7 KA 108/06 des Klägers zu 2. verbunden hat).

23

b. In dieser besonderen Konstellation stellt sich die Rubrizierung der zu 1. klagenden Gemeinschaftspraxis im Rubrum des angefochtenen Bescheides des Beklagten als partielle, aber unschädliche Falschbezeichnung heraus (zur revisionsgerichtlichen Befugnis, Verwaltungsakte auszulegen, s BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 16 mwN). Der Bescheid des Beklagten sollte ersichtlich die unter der Arztnummer 7290241 (Kläger zu 2.) ausgestellten Verordnungen auch des Quartals I/2000 erfassen, und das ist weder im Widerspruchs- noch im Klageverfahren als fehlerhaft gerügt worden. Die Beigeladene zu 2. hat zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt, sie wolle aus dem Bescheid des Beklagten gegenüber der Klägerin zu 3. Rechte im Hinblick auf Verordnungen aus dem Quartal I/2000 herleiten. Bei verständiger Auslegung der angefochtenen Entscheidung des Beklagten und bei Würdigung des Verhaltens der zu 2. und 3. klagenden Ärzte sowie ihrer Bevollmächtigten im Widerspruchs- und Klageverfahren betrifft der Bescheid des Beklagten, soweit er sich auf das Quartal I/2000 bezieht, Verordnungen nur des Klägers zu 2. und setzt nur diesem gegenüber einen Regress fest. Diese selbstverständliche Rechtsfolge hat der Senat ausdrücklich zur Klarstellung in den Tenor seines Urteils aufgenommen.

24

2. Die Regressfestsetzungen des Beklagten gegenüber dem Kläger zu 2. hinsichtlich der Quartale I und III/2000 und gegenüber der Klägerin zu 3. hinsichtlich des Quartals III/2000 sind weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden.

25

a. Das Berufungsgericht hat zunächst angenommen, § 14 Abs 1 iVm Abs 3 der seit dem Jahre 1994 geltenden PV, die für die Verordnungen der Kläger im Jahre 2000 noch galt, gestatte die Festsetzung von Arzneikostenregressen, soweit der Vertragsarzt Arzneimittel verordnete, die in der vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnungsfähig sind. Die Kenntnis des Vertragsarztes von der fehlenden Verordnungsfähigkeit oder generell ein Verschulden des Arztes seien insoweit nicht Voraussetzung für die Festsetzung eines Regresses. Soweit der Kläger zu 2. § 14 PV anders versteht und annimmt, diese Norm erfasse nur Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw die Festsetzung eines verschuldensabhängigen "sonstigen Schadens" und nicht die Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel, ist dem im Revisionsverfahren nicht weiter nachzugehen. Die PV stellt Landesrecht iS des § 162 SGG dar, das das Revisionsgericht in der Auslegung des Berufungsgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat.

26

Von diesem Grundsatz sind in der Rechtsprechung des BSG zwei Ausnahmen anerkannt. Danach können landesrechtliche Normen vom Revisionsgericht eigenständig ausgelegt und angewandt werden, wenn es sich um Normen handelt, die inhaltsgleich in Bezirken verschiedener LSG gelten, soweit die Übereinstimmung im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (BSG vom 8.9.2009 - B 1 KR 8/09 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Es ist weder geltend gemacht noch gerichtsbekannt, dass die Berliner PV aus dem Jahr 1994 inhaltsgleich in anderen KÄV-Bezirken gilt bzw gegolten hat.

27

Landesrechtliche Normen sind weiterhin einer eigenständigen Auslegung und Anwendung des BSG zugänglich, wenn das LSG entscheidungserhebliche Vorschriften unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, jeweils RdNr 15). Hier hat jedoch das LSG die als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ersichtlich einschlägige Vorschrift des § 14 PV zutreffend herangezogen und unter Anwendung der allgemein anerkannten juristischen Auslegungskriterien ausgelegt. Der Kläger zu 2. rügt auch keinen Verstoß gegen diese Auslegungsgrundsätze oder die Denkgesetze, sondern setzt der Auslegung des Berufungsgerichts seine abweichende Auslegung entgegen. Das führt nicht dazu, dass entgegen der Vorgabe des § 162 SGG das Revisionsgericht zu einer eigenständigen Auslegung berufen wäre.

28

Soweit § 14 PV in der Auslegung des LSG eine hinreichende Grundlage für die Festsetzung von Arzneikostenregressen wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel darstellt, steht die Vorschrift mit Bundesrecht in Einklang. Der Senat hat mehrfach entschieden, dass auf der Grundlage des § 106 Abs 2 SGB V in den PV Rechtsgrundlagen für Arzneikostenregresse festgeschrieben werden dürfen, soweit Vertragsärzte Arznei- und Heilmittel verordnet haben, die nicht Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung sind(zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52; vgl zuletzt BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 17 ff mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das stellt der Kläger zu 2. selbst nicht in Abrede.

29

b. Soweit der Kläger zu 2. geltend macht, der Antrag der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse sei verspätet gestellt worden, muss dem ebenfalls nicht weiter nachgegangen werden. Es kann vielmehr offen bleiben, ob die Frist von "sechs Monaten nach Bekanntwerden des Sachverhalts" iS des § 14 Abs 2 PV hier eingehalten ist, wie das SG angenommen hat, oder ob die Normierung dieser Frist in der PV wegen Unvereinbarkeit mit § 106 SGB V unwirksam ist, wovon das LSG ausgegangen ist. Selbst wenn eine Antragsfrist normiert werden durfte und diese von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. nicht eingehalten worden sein sollte, würde daraus nicht die Rechtswidrigkeit der Regressfestsetzung folgen. Aus einer evtl Versäumung der Antragsfrist durch die Krankenkasse kann nämlich nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden. Das hat der Senat mit Urteil vom 3.2.2010 (B 6 KA 37/08 R; - RdNr 19 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) entschieden.

30

Der Senat hatte bereits früher dargelegt, dass solche Fristen nicht zum Schutz des Arztes im Sinne eines Ausschlusses der Verfahrensdurchführung normiert sind, sondern dass sie - auch im Interesse des Arztes - der Verfahrensbeschleunigung und einer effektiven Verfahrensdurchführung dienen (s insbesondere BSG USK 9596, S 526; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159 f zur Zulässigkeit späterer Antragsnachholung). Wird der Antrag zu spät gestellt, so ist damit dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung nicht Rechnung getragen. Daraus aber ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt abzuleiten, liefe der Zielrichtung der Regelung und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- und Verordnungsweise zuwider (vgl BSG USK aaO und SozR aaO S 159).

31

Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regessverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (zu dieser Frist allgemein zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15 RdNr 12 ff; BSG MedR 2008, 100, 101 f RdNr 16 ff, vgl jetzt § 106 Abs 2 Satz 7 Halbs 2 SGB V zur Frist von zwei Jahren für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina). Von dieser Ausschlussfrist und ihrer Funktion unterscheidet sich die Sechs-Monats-Frist für die Stellung des Prüfantrags mit ihrer Ausrichtung auf Beschleunigung. Würde aus deren Versäumung ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden, so würde ihr die Funktion beigemessen, die allein der Vier-Jahres-Frist zukommt.

32

c. Die Kläger durften über "Polyglobin 5 %" in den streitbefangenen Quartalen keine vertragsärztliche Verordnung ausstellen. Sie haben dieses Arzneimittel außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung verordnet.

33

Die Zulassung von Polyglobin war nach den Feststellungen des LSG - bei Vorliegen eines Immunmangelsyndroms - auf die Behandlung eines primären, ursächlichen Mangelsyndroms oder - bei sekundärem Immunmangelsyndrom - auf die Behandlung von Grunderkrankungen wie eine chronisch-lymphatische Leukämie oder ein multiples Myelom begrenzt. An solchen Erkrankungen hat der Versicherte M. nicht gelitten. Ein Arzneimittel darf grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für einen Einsatz außerhalb der arzneimittelrechtlich zugelassenen Indikation verordnet werden. Das hat der 1. Senat des BSG mit Urteil vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden und daran bis heute festgehalten (zB BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1). Der 6. Senat des BSG ist dem für die Festsetzung von Arzneikostenregressen gefolgt (zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19; vgl auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

34

Die Kläger können sich zur Rechtfertigung ihrer Verordnung von Polyglobin weder auf Vertrauensschutz noch auf einen der Annahmefälle stützen, in denen Arzneimittel vertragsärztlich auch außerhalb der zugelassenen Indikation verordnet werden dürfen. Der Kläger zu 2. ist der Auffassung, Vertragsärzte hätten in der Zeit zwischen dem Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995 zur Drogensubstitution mit dem Codein-Präparat Remedacen (BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5) und dem Bekanntwerden des Urteils des 8. Senats vom 30.9.1999 zur SKAT-Therapie (BSGE 85, 36 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11) generell darauf vertrauen dürfen, Arzneimittel im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auch außerhalb der Zulassungsindikationen nach dem Arzneimittelrecht verordnen zu dürfen. Dem folgt der Senat in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht nicht.

35

Es ist bereits fraglich, ob ein Vertragsarzt im Hinblick auf das zu der sehr speziellen Situation der Drogensubstitution ergangene Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995 generell darauf vertrauen durfte, Arzneimittel auch außerhalb ihrer Zulassungsindikation verordnen zu dürfen. Allenfalls kommt ein Vertrauen darauf in Betracht, dass die Bindung der vertragsärztlichen Verordnung an die Zulassung des jeweiligen Fertigarzneimittels nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) in dem Sinne gelockert ist, dass in bestimmten Konstellationen eine die arzneimittelrechtliche Zulassung überschreitende Verordnung, die medizinisch sinnvoll oder sogar geboten ist, auch krankenversicherungsrechtlich zulässig sein kann. In diesem Sinne ist das Urteil des 8. Senats vom 30.9.1999 richtigerweise zu verstehen. Weitergehende Schlussfolgerungen aus diesem Urteil im Sinne eines uneingeschränkt erlaubten indikationsfremden Einsatzes von Fertigarzneimitteln liegen eher fern, zumal ein beliebiger, allein nach Gutdünken jedes einzelnen Arztes erfolgender, Einsatz eines Medikaments außerhalb der Zulassung nicht ernsthaft für sachgerecht gehalten werden kann .

36

d. Im Übrigen sind schon kurz nach Veröffentlichung des Urteils des 1. Senats vom 5.7.1995 zur Drogensubstitution in der Rechtsprechung des BSG Zweifel an der allgemeinen Aussagekraft dieses Urteils über den entschiedenen Fall hinaus artikuliert worden. Schon drei Monate nach dem Urteil des 1. Senats hat der allein für das Vertragsarztrecht zuständige erkennende Senat Bedenken gegen die Zulässigkeit des Einsatzes von Remedacen zur Drogensubstitution geäußert und auf die Problematik der Beachtung der Richtlinien des (früheren) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen im Zusammenhang mit sog Außenseitermethoden hingewiesen (Urteil vom 18.10.1995, SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 5). In der Sache sind sodann die Grundsätze des Urteils vom 5.7.1995 durch die neuere Rechtsprechung des 6. und des 1. Senats zur Rechtsqualität der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, zur Methodenanerkennung nach § 135 Abs 1 SGB V und zum Zusammenhang zwischen dieser Anerkennung und den Prinzipien der Arzneimitteltherapie deutlich modifiziert worden(Urteil des 6. Senats vom 20.3.1996, BSGE 78, 70 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 "Methadon"; Urteile des 1. Senats vom 16.9.1997, BSGE 81, 54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4, BSGE 81, 73 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7). Spätestens nach Bekanntwerden dieser Urteile war deutlich, dass die ältere Rechtsprechung des BSG zu den (untergesetzlichen) Vorgaben des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr uneingeschränkt fortgeführt werden würde. Kein Vertragsarzt musste die aufgezeigten Wendungen der Rechtsprechung kennen oder nachvollziehen. Wer aber - wie der Kläger zu 2 - geltend macht, Verordnungen aus dem Jahre 2000 im Vertrauen auf eine zu einer Sonderkonstellation ergangene und vereinzelt gebliebene Rechtsprechung des BSG aus dem Jahre 1995 getätigt zu haben, muss sich entgegenhalten lassen, dass sich die Rechtsprechung weiterentwickelt hat. Jedenfalls im Jahr 2000 hat es für einen Vertragsarzt erkennbar keine hinreichende Sicherheit mehr gegeben, nach eigener Einschätzung Off-Label-Use-Verordnungen ausstellen zu dürfen, ohne Gefahr zu laufen, insoweit in Regress genommen zu werden.

37

e. Zudem sind sowohl das Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995, auf das sich der Kläger zu 2. beruft, wie auch die folgenden Entscheidungen des 1. und des 8. Senats des BSG zu den Rechtsansprüchen von Versicherten gegen ihre Krankenkasse ergangen. Aus diesen Urteilen ergibt sich nicht unmittelbar, wie sich ein Vertragsarzt zu Arzneimittelverordnungen verhalten sollte, die erkennbar außerhalb der Zulassungsindikation des jeweiligen Arzneimittels erfolgten, von denen er aber annahm, sie könnten vom Patienten beansprucht werden. Dazu ist dem Urteil des erkennenden Senats vom 18.10.1995 (6 RKa 3/93) zur Drogensubstitution zu entnehmen, dass in solchen Fällen jedenfalls eine exakte Dokumentation und eine engmaschige Verlaufskontrolle der Behandlung geboten waren (SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8; vgl auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 39, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Damit ist es zB nicht vereinbar, auf laborchemische Untersuchungen zum Nachweis eines - vermeintlichen oder tatsächlich bestehenden - "Antikörpermangelsyndroms" zu verzichten, wenn die umstrittene Off-Label-Verordnung von Immunglobulinen gerade auf diese Diagnose reagiert.

38

Ein Vertragsarzt, der Medikamente außerhalb ihrer zugelassenen Indikationen verordnet, kann weder sich noch der Krankenkasse Gewissheit darüber verschaffen, dass die Verordnung den Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebotes genügt, also notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Bei Off-Label-Verordnungen hat nämlich gerade keine Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des jeweiligen Arzneimittels stattgefunden, die seinen Einsatz (auch) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigt. Eine solche Prüfung ist im AMG nur indikationsbezogen vorgeschrieben und durchführbar; die von der Zulassung nach dem AMG ausgehende Schutzwirkung und Qualitäts- wie Wirksamkeitserwartung greift bei einem Einsatz des Medikaments außerhalb der Zulassung gerade nicht ein (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19; s auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 - RdNr 27 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Soweit danach ein Vertragsarzt Verordnungen ohne gesicherten Nachweis von Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels ausstellt, muss zwingend nachträglich geprüft werden dürfen, ob die jeweilige Verordnung den Regeln des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Wenn der Vertragsarzt davon absieht, in Fällen eines Off-Label-Use die Krankenkasse vor Ausstellung der Verordnung einzuschalten, wie es der Senat in einem Beschluss vom 31.5.2006 dargestellt hat (B 6 KA 53/05 B, MedR 2007, 557, 560), muss er hinnehmen, dass die Einhaltung der Vorgaben der vertragsärztlichen Versorgung im Nachhinein geprüft wird.

39

Der Beklagte hält den Klägern - anders als diese nahe legen wollen - keine schuldhafte Verletzung vertragsärztlicher Pflichten vor, die nunmehr sanktioniert wird. Der Beklagte hat lediglich die Position der zu 2. beigeladenen Krankenkasse bestätigt, dass sie objektiv zu Unrecht erhebliche Kosten für die Versorgung des M. mit einem Immunglobulin aufgewandt hat. Weil die Kläger der Beigeladenen zu 2. keine Gelegenheit gegeben haben, ihre Auffassung zur Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Immunglobulinen bei dem Versicherten M. vor Einlösung der Verordnungen darzulegen, muss es der Krankenkasse möglich sein, ihren Standpunkt nachträglich durchzusetzen, soweit er rechtlicher Prüfung standhält. Dazu sieht die PV im Einklang mit Bundesrecht das Verfahren der Regressfestsetzung vor. Soweit der Kläger zu 1. geltend macht, nach dem im Jahr 2000 geltenden Recht habe er zu Gunsten des M. kein Privatrezept ausstellen dürfen, weil das gegen § 29 Abs 1 Satz 2 BMV-Ä verstoßen hätte, folgt der Senat dem nicht. Der Beschluss des Senats vom 31.5.2006 (MedR 2007, 557), der diesen Weg aufgezeigt hat, ist zu Off-Label-Use-Verordnungen aus dem Jahr 1997 ergangen. Auch in den Jahren 1997 und 2000 galt das Verbot, sich als Vertragsarzt vertragsärztliche Verordnungen einzeln genehmigen zu lassen; dieses Verbot hat sich - wie der Senat dargelegt hat - immer nur auf Verordnungen im Rahmen der Leistungspflicht der Krankenkassen bezogen. Wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn die Kläger zu Beginn des Jahres 2000 vergeblich bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. angefragt und explizit um eine Entscheidung über das aus Sicht dieser Krankenkasse richtige Vorgehen gebeten hätten, kann offen bleiben. Die Kläger machen selbst nicht geltend, diesen Weg beschritten zu haben.

40

f. Der vom Beklagten aufrecht erhaltene Regress ist schließlich nicht deshalb rechtswidrig, weil dem Versicherten M. bei Ausstellung der umstrittenen Verordnungen nach den Grundsätzen des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) gegen die Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse ein Anspruch auf Versorgung mit Polyglobin 5 % zugestanden hätte. Nach den Feststellungen des LSG liegen die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen, auf §§ 27 und 31 SGB V iVm Art 2 Abs 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip bzw Art 2 Abs 2 Satz 1 GG und der hieraus abzuleitenden Schutzpflicht gegründeten Anspruchs nicht vor. Diese Feststellungen des LSG sind für den Senat nach § 163 SGG bindend, weil die dazu vom Kläger zu 2. angebrachte Rüge nicht durchgreift (unten 3.).

41

Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt der Revision: Wenn feststünde, dass M. nach den tatsächlichen Verhältnissen des Jahres 2000 einen Anspruch auf Versorgung mit Polyglobin als Sachleistung der Krankenkasse gehabt hätte, dürfte wegen der für diese Versorgung angefallenen Kosten kein Regress gegen die Kläger festgesetzt werden. Diese Konsequenz aus der Entscheidung des BVerfG hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 5.11.2008 zu Wobe Mugos (SozR 4-2500 § 106 Nr 21; ebenso BSG MedR 2010, 276) inzident angesprochen und hält daran fest. Der verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen beruht im Kern darauf, dass die Krankenkasse einen Ausgleich für die Bezahlung von Medikamenten erhält, die sie bei korrektem Verhalten des Arztes nicht hätte finanzieren müssen. Wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Versicherte, zu dessen Gunsten der Vertragsarzt die umstrittenen Verordnungen ausgestellt hat, auf die Versorgung mit dem verordneten Arzneimittel einen Anspruch gegen seine Krankenkasse hatte, ist dieser durch die Bezahlung dieses Arzneimittels dem Grunde nach jedenfalls kein Schaden entstanden, den der Vertragsarzt nunmehr ersetzen müsste. Lässt sich allerdings nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise gerechtfertigten Off-Label-Use vorgelegen haben, geht das zu Lasten des Arztes. Er rückt, obwohl er sich nach der Ausrichtung des Verfahrens gegen einen Regress wendet, hinsichtlich der Verteilung von Darlegungs- und Beweislast in die Stellung ein, die der Versicherte gehabt hätte, wenn er seinen Standpunkt zur der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels gegen die Krankenkasse nach § 13 Abs 3 SGB V im Wege der Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs durchsetzen müsste. Wer geltend machen will, der Versorgungsanspruch umfasse in einer bestimmten Konstellation auch die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln außerhalb der Zulassungsindikationen, dringt damit nicht durch, wenn sich unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die dafür insbesondere in der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG und inzwischen auch vom Gemeinsamen Bundesausschuss (§ 30 der Arzneimittel-Richtlinie iVm Anlage VI) formulierten Voraussetzungen vorgelegen haben. Das ist auch hier der Fall und geht zu Lasten der Kläger.

42

g. Das LSG ist in Übereinstimmung mit der Revision zutreffend davon ausgegangen, dass der Versicherte M. an einer schwerwiegenden Erkrankung (Hodenkarzinom) gelitten hat. Ob zu dessen kausaler Behandlung bei Fehlen einer allgemein anerkannten, medizinischem Standard entsprechenden Behandlungsmethode nach der Rechtsprechung des BVerfG ein Arzneimittel auch außerhalb seiner Zulassungsindikation hätte eingesetzt werden dürfen, wenn nach der vorhandenen Studienlage auf diese Weise die nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf positive Behandlungserfolge bestanden hätte (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33), kann offen bleiben. Das nehmen die Kläger nämlich selbst für die Verordnung von Polyglobin nicht an. Sie gehen vielmehr davon aus, dass der Versicherte M. an einem Antikörpermangel litt, der unbehandelt eine Fortführung der notwendigen Chemotherapie erschwert hätte oder hat. Wenn die Rechtsprechung des BVerfG auf diese Konstellation Anwendung finden sollte, was der Senat entgegen der Auffassung des LSG nicht von vornherein für ausgeschlossen hält, müssen jedenfalls die Anforderungen an einen zulässigen Off-Label-Use entsprechend erfüllt sein. Es muss deshalb feststehen, dass der Patient neben der besonders schwerwiegenden Erkrankung (Karzinom) an einer weiteren Gesundheitsstörung gelitten hat, die die Anwendung aller zur Behandlung des Hauptleidens in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten ausschließt. Weiterhin muss der Off-Label-Einsatz des anzuwendenden Arzneimittels mit gewisser Wahrscheinlichkeit die zweite Erkrankung so beeinflussen, dass eine Erfolg versprechende Behandlung des Hauptleidens wieder oder erstmals möglich wird. Schließlich darf es für die zweite Erkrankung keine anerkannten Behandlungsmöglichkeiten - zB mit entsprechend zugelassenen Arzneimitteln - geben. Diese Voraussetzungen sind hier jedenfalls nicht - wie es notwendig wäre, um der Klage zum Erfolg zu verhelfen - kumulativ erfüllt.

43

h. Erhebliche Zweifel bestehen bereits daran, ob das von den Klägern so bezeichnete "sekundäre Antikörpermangelsyndrom" eine eigenständige und hinreichende spezifische Erkrankung ist, die abgegrenzt vom Karzinomleiden behandelt werden kann und muss. Die Kläger haben dazu in den Tatsacheninstanzen nicht Präzises vorgetragen. Zudem steht nicht fest, dass M. an einem Antikörpermangelsyndrom litt, das schulmedizinisch nicht behandelbar war. Die zur Abstützung dieser Diagnose und des Ausmaßes der Erkrankung möglichen laborchemischen Untersuchungen haben die Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht durchgeführt oder veranlasst. Dazu mögen sie - wie die Revision geltend macht - berufsrechtlich nicht verpflichtet gewesen sein. Sie haben damit aber im Hinblick auf den Off-Label-Use zur Unaufklärbarkeit des genauen Gesundheitszustandes des Versicherten M. im Jahr 2000 beigetragen. Das geht zu ihren Lasten.

44

i. Außerdem fehlt es an ausreichenden Feststellungen bzw Belegen für das von den Klägern geltend gemachte Dilemma, die schwerwiegende Ersterkrankung nur durch die Behandlung der Zweiterkrankung mit Polyglobin 5 % therapieren zu können. Der Kläger zu 2. setzt schon die Anforderungen an den Nachweis einer eigenständigen Zweiterkrankung zu niedrig an. Der Versicherte M. litt nach den Ausführungen des Klägers zu 2. an einer "Verminderung der Immunitätslage" als Folge vor allem der aggressiven Chemotherapien. Einzelne Infektionen des Patienten hätten sie - die Kläger - als "Zeichen eines sekundären Antikörpermangels" gedeutet. Für diese Infektionen haben die Kläger im Verwaltungsverfahren oder in den Vorinstanzen jedoch nicht konkret und eingehend belegt, dass ihnen durch anerkannte Behandlungsmaßnahmen nicht hätte effektiv entgegengewirkt werden können. Spezifische Darlegungen dazu, die dann dem LSG ggf Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätten geben können, waren vor allem deshalb unerlässlich, weil der Kläger zu 2. selbst einen Zusammenhang zwischen dem Krebsleiden und der Chemotherapie mit der geschwächten Immunitätslage des M. herstellt. Da nicht alle Patienten, deren Abwehrsystem durch Krebs und Chemotherapie geschwächt ist, mit Immunglobulin behandelt werden bzw nach dem gebotenen Behandlungsstandard behandelt werden müssen oder im Jahr 2000 so behandelt wurden oder behandelt werden mussten, hätten die Kläger fallbezogen und detailliert darlegen müssen, inwieweit sich die gesundheitliche Lage des M. von derjenigen anderer chemotherapeutisch behandelter Krebspatienten unterschied, und auf der Basis welcher exakten Befunde sie die Anwendung von Polyglobin 5 % für unerlässlich hielten. Das ist nicht geschehen und spricht dafür, dass sich die Kläger von der Gabe eines Immunglobulins ganz generell eine Stärkung der Abwehrlage des M. und damit mutmaßlich eine bessere Resistenz gegen Infektionen versprachen. Das reicht für einen Off-Label-Use, dessen Zulässigkeit jedenfalls in Fällen der hier vorliegenden Art von dem Gesundheitszustand des konkreten Patienten abhängt, nicht aus.

45

j. Schließlich ist die positive Wirkung, die die Kläger dem Einsatz von Immunglobulin bei fortgeschrittener Krebserkrankung zuschreiben, nach den Feststellungen des LSG nicht hinreichend belegt.

46

Das LSG hat im Einzelnen dargestellt, dass die bis 1999 zum Einsatz von Immunglobulinen vorhandenen Studien und publizierten Forschungsergebnisse nicht darauf hindeuten, dass die Gesundheitsstörungen des Versicherten M. durch den Einsatz von Polyglobin erfolgreich behandelt werden konnten. Das LSG ist zutreffend von den in der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG entwickelten Grundsätzen zum Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit (in Deutschland oder der EU) nicht zugelassenen Arzneimitteln (dazu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4) oder mit Arzneimitteln außerhalb zugelassene Indikationen (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) ausgegangen. Es hat näher ausgeführt, dass keine wissenschaftliche Arbeit vorliege oder von den Klägern benannt sei, in der der zulassungsüberschreitende Einsatz von Immunglobulinen zur Behandlung einer auf der Intoleranz von Chemotherapeutika beruhenden Erkrankung als medizinisch geboten bewertet wird. Einen Konsens der einschlägigen Fachkreise, dass Polyglobin ein sekundäres Antikörpersyndrom positiv beeinflussen könne, hat das LSG gerade nicht feststellen können. Soweit die Revision die vorhandenen medizinischen Unterlagen lediglich anders würdigt, vermag sie damit die Feststellungen iS des § 163 SGG nicht zu entkräften.

47

Soweit der Kläger zu 2. die Sachaufklärung des LSG zu den Erfolgsaussichten der Behandlung mit Immunglobulinen für unzureichend hält, berücksichtigt er nicht hinreichend, dass sich der 1. Senat des BSG bereits mehrfach mit dem Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Immunglobulinen befasst hat. In den Urteilen vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8), vom 27.3.2007 (B 1 KR 17/06 R) und vom 28.2.2008 (SozR 4-2500 § 13 Nr 16), die sämtlich die Versorgung mit Immunglobulinpräparaten - jeweils bezogen auf die Indikation Multiple Sklerose - zum Gegenstand hatten, wird der Stand der medizinischen Forschung zu dieser Wirkstoffgruppe für die streitbefangenen Jahre 1997 bis 2003 eingehend aufgearbeitet. Zwar können die Forschungsergebnisse zur Möglichkeit, durch die Gabe von Immunglobulinen die Multiple Sklerose günstig zu beeinflussen, nicht ohne Weiteres auf die hier zu beurteilende Situation der unterstützenden Behandlung bei Krebserkrankungen übertragen werden, doch sind die Wirkungen und die in Frage kommenden Indikationen für Immunglobulin bezogen auf den hier relevanten Zeitraum gut erforscht und die Forschungsergebnisse - soweit krankenversicherungsrechtlich von Bedeutung - in der Rechtsprechung des BSG umfassend rezipiert worden. Zudem sind die Urteile des 1. Senats des BSG vom 27.3.2007 und vom 28.2.2008 Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung gewesen. Mit Kammerbeschlüssen vom 30.6.2008 (1 BvR 1665/07 zum BSG-Urteil B 1 KR 17/06 R) und vom 8.7.2009 (1 BvR 1531/09 zum BSG-Urteil B 1 KR 15/07 R) sind die Verfassungsbeschwerden der unterlegenen Kläger jeweils nicht zur Entscheidung angenommen worden. Beide Kammerbeschlüsse sind auf der Basis der grundlegenden Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 ergangen und billigen insbesondere, dass die Rechtsprechung des BSG strenge Anforderungen an den Nachweis stellt, dass mit dem zulassungsüberschreitenden Einsatz des jeweils betroffenen Arzneimittels hinzureichende Erfolgsaussichten verbunden sein müssen (BVerfG vom 30.6.2008 - 1 BvR 1665/07 - NJW 2008, 3556 f RdNr 9 bis 11). Es reicht danach als Grundlage für einen Off-Label-Use von Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus, dass positive Folgen einer solchen Behandlung nach dem Wirkungsmechanismus von Immunglobulinen nicht schlechthin ausgeschlossen werden können, dass Patienten in Einzelfällen nach Verabreichung der umstrittenen Medikamente eine Verbesserung ihres Befindens beschreiben und dass einzelne Ärzte oder Wissenschaftler mit plausiblen Gründen einen von der verbreiteten Auffassung abweichenden Standpunkt zu den Erfolgsaussichten einer Behandlung vertreten. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe und im Hinblick auf die schon vorliegende Rechtsprechung des 1. Senats des BSG ist die Sachverhaltsermittlung des Berufungsgerichts ausreichend.

48

3. Ohne Erfolg macht der Kläger zu 2. schließlich geltend, das LSG hätte einem Beweisantrag vom 12.3.2009, den er in der mündlichen Verhandlung explizit aufrechterhalten hat, nachkommen und ein Gutachten zur Wirkung von Polyglobin 5 % einholen müssen. Das LSG ist diesem Antrag mit hinreichender Begründung nicht gefolgt.

49

Grundsätzlich liegt es im Ermessen des Gerichts, ob es dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens oder eines weiteren Gutachtens nachkommt. Der für andere Beweismittel wie insbesondere den Zeugenbeweis geltende Grundsatz, dass eine Beweiswürdigung nicht vorweggenommen werden darf, gilt nicht für die Frage der Einholung von Sachverständigengutachten. Hier darf das Gericht unter Hinweis darauf, dass von einem Sachverständigengutachten keine (weiteren) Erkenntnisse zu erwarten seien, weil das Gericht ausreichend eigene Sachkunde habe oder weil ihm bereits ausreichende sachverständige Erkenntnisse vorliegen, dessen Einholung ablehnen. Das Gericht übt sein Ermessen nur dann fehlerhaft aus, wenn sich ihm die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen (s zB BVerwG NVwZ 1993, 268; BVerfG NVwZ 2009, 320, RdNr 4; BVerwG NJW 2009, 2614 RdNr 7; BSG SozVers 2002, 218 f; ebenso BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - RdNr 29). Ein solcher Ausnahmefall hat hier nicht vorgelegen. Das LSG hat in seiner Entscheidung dargelegt, warum es keinen weiteren Aufklärungsbedarf gesehen hat. Dabei spielt eine Rolle, dass zur Wirksamkeit von Immunglobulinen im (auch) hier betroffenen Zeitraum zahlreiche Entscheidungen des BSG ergangen sind, wie oben (unter 2. j.) näher dargelegt worden ist.

50

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 iVm § 155 Abs 1 VwGO und berücksichtigt die unterschiedliche wirtschaftliche Betroffenheit der Kläger zu 2. und 3. Die außergerichtlichen Kosten der zu 1. beigeladenen KÄV sind nach § 162 Abs 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil diese keine Anträge gestellt hat(vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tatbestand

1

Umstritten ist ein Arzneikostenregress wegen der Verordnung des Arzneimittels Polyglobin in den Quartalen I und III/2000.

2

Die Klägerin zu 1. ist eine zwischen dem 1.7.2000 und dem 31.12.2004 bestehende Gemeinschaftspraxis, der der Kläger zu 2. und die Klägerin zu 3. angehörten. Der Kläger zu 2. nimmt seit Jahren als Hausarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Zum 1.7.2000 schloss er sich mit der Klägerin zu 3., einer Internistin, zu einer Gemeinschaftspraxis zusammen. Der Kläger zu 2. (Quartal I/2000) und die zu 1. klagende Gemeinschaftspraxis (Quartal III/2000) verordneten zugunsten des M., der bei der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse versichert war, in 12 Fällen das Arzneimittel Polyglobin 5 % bzw 10 %. Der Versicherte litt an einem "embryonalem Hodenkarzinom mit Lungenmetastasierung".

3

Wegen dieser Verordnungen beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. bei den Prüfgremien die Feststellung eines sonstigen Schadens. Der Prüfungsausschuss setzte nach Anhörung der Kläger wegen der Verordnung von Polyglobin einen Regress gegen die Kläger zu 2. und 3. in Höhe von 17 821 Euro fest. Der beklagte Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch der Kläger zu 2. und 3. mit der Begründung zurück, Polyglobin sei nicht im Rahmen seiner arzneimittelrechtlichen Zulassung verordnet worden.

4

Das SG hat die von den Klägern zu 2. und 3. gegen diese Entscheidung des Beklagten erhobene Klage mit der Begründung abgewiesen, Polyglobin sei zur Behandlung eines Karzinomleidens außerhalb der Zulassung eingesetzt worden, und die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise zulässigen Off-Label-Use hätten nicht vorgelegen. Die Wirksamkeit von Polyglobin zur Behandlung auch eines metastasierenden Karzinomleidens sei nicht belegt.

5

Mit seiner Berufung gegen dieses Urteil hat der Kläger zu 2. geltend gemacht, der Einsatz von Polyglobin zur Behandlung des Versicherten M. sei medizinisch gerechtfertigt. Die Klägerin zu 3. hat vorgetragen, im Quartal I/2000 sei sie noch nicht Mitglied der Gemeinschaftspraxis gewesen, weshalb sie für Verordnungen aus diesem Quartal nicht in Regress genommen werden dürfe.

6

Das LSG hat zunächst durch eine Änderung des Rubrums klargestellt, dass die Klageerhebung durch die nunmehr als Klägerin zu 1. rubrizierende Gemeinschaftspraxis erfolgt sei. Es hat die Berufungen (nur) der Klägerin zu 2. und zu 3. gegen das sozialgerichtliche Urteil für zulässig gehalten, weil jeder Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft berechtigt sei, Forderungen der Gesellschaft gerichtlich geltend zu machen. Das LSG hat sodann das Urteil des SG sowie den Bescheid des Beklagten aufgehoben, soweit dieser die Regressfestsetzung für Verordnungen aus dem Quartal I/2000 betrifft. Die Regressfestsetzung sei nach dem nicht auslegungsfähigen Wortlaut der angefochtenen Entscheidung des Beklagten gegen "die" Gemeinschaftspraxis gerichtet, die im Quartal I/2000 aber noch nicht bestanden habe. Allein aus diesem Grunde sei der Bescheid insoweit rechtswidrig. Hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal III/2000 hat es die Berufungen der Kläger zu 2. und zu 3. zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use hätten nicht vorgelegen (Urteil vom 18.3.2009).

7

Mit seiner Revision rügt der Kläger zu 2., der vom Berufungsgericht herangezogene § 14 Abs 1 der Prüfvereinbarung (PV) ergebe schon generell keine tragfähige Grundlage für einen Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel. Die PV regele lediglich Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot sowie Regresse wegen schuldhafter Verursachung eines "sonstigen Schadens". Der in der Rechtsprechung des BSG zugelassene Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Mittel hätte in der PV zwar geregelt werden können, sei dort tatsächlich aber nicht geregelt worden. Zudem habe ein fristgerechter Antrag nach § 14 Abs 1 PV für das Quartal III/2000 nicht vorgelegen. Das LSG habe zu Unrecht unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG angenommen, soweit in der maßgeblichen Berliner PV ein Antragserfordernis normiert sei, stehe das mit höherrangigem Recht nicht in Einklang. Auch dem SG könne nicht gefolgt werden, soweit dieses davon ausgegangen sei, die Frist zur Stellung des Prüfantrags beginne erst zu laufen, wenn den Krankenkassen die arztbezogen sortierten Rezepte abschließend vorgelegen hätten. Die Notwendigkeit eines fristgerechten Antrags der betroffenen Krankenkasse diene auch dem Schutz der von den Regressfestsetzung potenziell betroffenen Ärzte.

8

Die Verordnung von Polyglobin sei zur Behandlung des Hodenkarzinoms bei dem Versicherten M. notwendig gewesen. Zwar sei der Einsatz von Polyglobin nicht unmittelbar zur Heilung der Tumorerkrankung bzw zur Linderung der damit verbundenen Beschwerden erfolgt, doch habe der Versicherte als Folge der Chemotherapie unter einer Antikörperstörung gelitten, die dringend habe behandelt werden müssen. Der Einsatz von Polyglobin habe die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Chemotherapie schaffen sollen, und seine Rechtmäßigkeit müsse deshalb aus medizinischen Gründen nach denselben Maßstäben beurteilt werden wie die Verordnung von Arzneimitteln zur kausalen Krebstherapie. Jedenfalls habe er - der Kläger - darauf vertrauen dürfen, dass im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG auch der die Indikationsgrenzen überschreitende Einsatz generell zugelassener Arzneimittel (Off-Label-Use) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zulässig gewesen sei. Das habe der 1. Senat des BSG im Juli 1995 zum Einsatz des Codeinpräparates Remedacen zur Drogensubstitution entschieden, und der 8. Senat des BSG, der mit dieser Rechtsprechung nicht einverstanden gewesen sei, habe im Jahr 1999 für die Zeit bis zur Verkündung seiner Entscheidung den Versicherten Vertrauensschutz zugebilligt. Auf diesen Vertrauensschutz könne er - der Kläger - sich hier auch berufen. Soweit der 6. Senat des BSG am 31.5.2006 entschieden habe, Vertrauensschutzaspekte spielten insoweit keine Rolle, weil Vertragsärzte, die Arzneimittel außerhalb der Zulassungsindikationen einsetzen wollten, gehalten seien, ein Privatrezept auszustellen und die Versicherten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Krankenkasse zu unterstützen, sei das auf die hier maßgebliche Rechtslage des Jahres 1999 nicht übertragbar. Zu diesem Zeitpunkt sei nach § 29 Abs 1 Satz 2 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) die Genehmigung von Verordnungen durch eine Krankenkasse unzulässig gewesen. In Verbindung mit dem Remedacen-Urteil des 1. Senats des BSG habe sich daraus die Berechtigung von Vertragsärzten ergeben, den Off-Label-Use im regulären Verfahren durch Ausstellen vertragsärztlicher Verordnungen zu praktizieren.

9

Schließlich hätte das LSG dem in der mündlichen Verhandlung vom 18.3.2009 unter Bezugnahme auf den Schriftsatz zur Berufungsbegründung ausdrücklich aufrecht erhaltenen Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgehen und zur Anwendung von Polyglobin ein entsprechendes Gutachten einholen müssen. Das habe es unter Verletzung des § 103 Satz 1 SGG fehlerhafterweise unterlassen.

10

Der Kläger zu 2. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen - des Klägers - Widerspruch vom 21.11.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden,

weiter hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage abgewiesen wurde, aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

11

Die Beigeladene zu 2. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009 abzuändern und die Berufung vollumfänglich zurückzuweisen sowie die Revision des Klägers zu 2. zurückzuweisen.

12

Sie rügt vor allem die Auffassung des Berufungsgerichts, der angefochtene Bescheid des Beklagten sei rechtswidrig, soweit er Verordnungen aus dem Quartal I/2000 betreffe. Der Beklagte habe nicht hinreichend beachtet, dass in diesem Quartal die Gemeinschaftspraxis noch nicht bestanden habe. Deshalb könne sich der Bescheid nur gegen den Kläger zu 2. richten, der die betroffenen Verordnungen ausgestellt habe. Nicht die Gemeinschaftspraxis, sondern die Kläger zu 2. und 3. seien im sozialgerichtlichen Verfahren als (einzige) Kläger aufgetreten. Damit sei immer klar gewesen, dass auch die Verordnungen des Klägers zu 2. betroffen gewesen seien.

13

Die Klägerin zu 3. schließt sich der Revision der Beigeladenen zu 2. an und beantragt,

1. die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen,

2. das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben,

3. hilfsweise das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch vom 21.11.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden,

4. weiter hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

14

Sie verweist auf den Umstand, dass sie im Quartal I/2000 der zu 1. klagenden Gemeinschaftspraxis nicht angehörte, und nimmt in der Sache auf die Ausführungen des Klägers zu 2. Bezug.

15

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

16

Er hält das Berufungsurteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der zu 2. beigeladenen Krankenkasse hat Erfolg. Das LSG hat das sozialgerichtliche Urteil sowie den angefochtenen Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal I/2000 zu Unrecht aufgehoben (1.). Dagegen haben die Revisionen des zu 2. klagenden Arztes und der zu 3. klagenden Ärztin in der Sache keinen Erfolg (2.). Auch die Verfahrensrüge des Klägers zu 2. ist nicht begründet (3.).

18

1. Das LSG hat angenommen, der angefochtene Bescheid des Beklagten sei hinsichtlich der aus dem Quartal I/2000 stammenden Verordnungen schon deshalb rechtswidrig, weil dieser Bescheid sich gegen eine Gemeinschaftspraxis - bestehend aus den Klägern zu 2. und 3. - richte, die im Quartal I/2000 nicht bestanden habe. Regressbescheide, die sich gegen eine Gemeinschaftspraxis richten, die zu dem Zeitpunkt, in dem die beanstandeten Verordnungen vorgenommen wurden, nicht bestand, sind rechtswidrig. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts hinsichtlich der vertragsarztrechtlich gebotenen Unterscheidung von Gemeinschaftspraxis und Einzelpraxis stehen mit Bundesrecht im Einklang. Nicht zu folgen ist dem Berufungsgericht jedoch insoweit, als es - zumindest inzident - ausgeschlossen hat, dass sich der Bescheid des Beklagten für das Quartal I/2000 (auch) gegen den Kläger zu 2. richtete.

19

a. Der Antrag der BKK Berlin (Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2.) vom 22.5.2001 nennt als Betreff "Gemeinschaftspraxis Dres. med. Kindler und Dietzmann" und verweist zunächst auf die Arztnummer 7290241, die dem Kläger zu 2. zugeordnet war, und - später - auf die Arztnummer 7280821, die der Gemeinschaftspraxis, bestehend aus den Klägern zu 2. und 3., zugeordnet war. Die Fassung des Antrags rührt daher, dass der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. im Mai 2001 nicht bewusst war, dass ein Teil der Verordnungen auf einen Zeitraum entfiel, in dem sich hinter der Abrechnungsnummer 7290241 nur die Einzelpraxis des Klägers zu 2. und noch nicht die zu 1. klagende Gemeinschaftspraxis verbarg.

20

Dieser Umstand fiel, offenbar weil hier kein quartalsweise festzusetzender Regress wegen unwirtschaftlichen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens, sondern ein Regress wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen zu Gunsten eines einzelnen Patienten über mehrere Quartale hinweg betroffen war (zu den damit verbundenen verfahrensrechtlichen Konsequenzen näher Senatsurteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R -; zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), auch weder der antragstellenden Krankenkasse noch dem Prüfungsausschuss bzw dem beklagten Beschwerdeausschuss auf. In dessen Entscheidung vom 25.3.2003 wird im Rubrum die "Gemeinschaftspraxis" als Widerspruchsführer geführt.

21

Im Klageverfahren sind dagegen - ohne Beanstandung durch das Sozialgericht - lediglich die Kläger zu 2. und 3. als Kläger aufgetreten und durch die jetzigen Bevollmächtigten des Klägers zu 2. vertreten worden. Die Vollmacht vom 27.11.2001 ist von den Klägern zu 2. und 3. unterschrieben und in Sachen dieser beiden Kläger ausgestellt worden. Bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens haben die Bevollmächtigten nicht auf den Umstand hingewiesen, dass die Gemeinschaftspraxis im Quartal I/2000 noch nicht bestand. Noch im Termin der mündlichen Verhandlung am 14.6.2006, also fast 1 1/2 Jahre nach Auflösung der Gemeinschaftspraxis, ist Rechtsanwalt Dr. S. für beide Kläger aufgetreten, ohne darauf hinzuweisen, dass der Kläger zu 2. im Quartal I/2000 noch in Einzelpraxis tätig war.

22

Erst im Berufungsverfahren sind die Kläger zu 2. und 3. getrennt aufgetreten; der Kläger zu 2. ist durch die bisherigen Bevollmächtigten beider Kläger und die Klägerin zu 3. durch ihre jetzige Bevollmächtigte vertreten worden. Die Klägerin zu 3. hat erstmals mit ihrer Berufung vom 30.8.2006 erläutert, dass sie ihre Tätigkeit in der Praxis des Klägers zu 2. erst zum Quartal III/2000 aufgenommen habe (vgl das ursprünglich unter dem Aktenzeichen L 7 KA 109/06 geführte Berufungsverfahren, das das LSG zum Verfahren L 7 KA 108/06 des Klägers zu 2. verbunden hat).

23

b. In dieser besonderen Konstellation stellt sich die Rubrizierung der zu 1. klagenden Gemeinschaftspraxis im Rubrum des angefochtenen Bescheides des Beklagten als partielle, aber unschädliche Falschbezeichnung heraus (zur revisionsgerichtlichen Befugnis, Verwaltungsakte auszulegen, s BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 16 mwN). Der Bescheid des Beklagten sollte ersichtlich die unter der Arztnummer 7290241 (Kläger zu 2.) ausgestellten Verordnungen auch des Quartals I/2000 erfassen, und das ist weder im Widerspruchs- noch im Klageverfahren als fehlerhaft gerügt worden. Die Beigeladene zu 2. hat zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt, sie wolle aus dem Bescheid des Beklagten gegenüber der Klägerin zu 3. Rechte im Hinblick auf Verordnungen aus dem Quartal I/2000 herleiten. Bei verständiger Auslegung der angefochtenen Entscheidung des Beklagten und bei Würdigung des Verhaltens der zu 2. und 3. klagenden Ärzte sowie ihrer Bevollmächtigten im Widerspruchs- und Klageverfahren betrifft der Bescheid des Beklagten, soweit er sich auf das Quartal I/2000 bezieht, Verordnungen nur des Klägers zu 2. und setzt nur diesem gegenüber einen Regress fest. Diese selbstverständliche Rechtsfolge hat der Senat ausdrücklich zur Klarstellung in den Tenor seines Urteils aufgenommen.

24

2. Die Regressfestsetzungen des Beklagten gegenüber dem Kläger zu 2. hinsichtlich der Quartale I und III/2000 und gegenüber der Klägerin zu 3. hinsichtlich des Quartals III/2000 sind weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden.

25

a. Das Berufungsgericht hat zunächst angenommen, § 14 Abs 1 iVm Abs 3 der seit dem Jahre 1994 geltenden PV, die für die Verordnungen der Kläger im Jahre 2000 noch galt, gestatte die Festsetzung von Arzneikostenregressen, soweit der Vertragsarzt Arzneimittel verordnete, die in der vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnungsfähig sind. Die Kenntnis des Vertragsarztes von der fehlenden Verordnungsfähigkeit oder generell ein Verschulden des Arztes seien insoweit nicht Voraussetzung für die Festsetzung eines Regresses. Soweit der Kläger zu 2. § 14 PV anders versteht und annimmt, diese Norm erfasse nur Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw die Festsetzung eines verschuldensabhängigen "sonstigen Schadens" und nicht die Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel, ist dem im Revisionsverfahren nicht weiter nachzugehen. Die PV stellt Landesrecht iS des § 162 SGG dar, das das Revisionsgericht in der Auslegung des Berufungsgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat.

26

Von diesem Grundsatz sind in der Rechtsprechung des BSG zwei Ausnahmen anerkannt. Danach können landesrechtliche Normen vom Revisionsgericht eigenständig ausgelegt und angewandt werden, wenn es sich um Normen handelt, die inhaltsgleich in Bezirken verschiedener LSG gelten, soweit die Übereinstimmung im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (BSG vom 8.9.2009 - B 1 KR 8/09 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Es ist weder geltend gemacht noch gerichtsbekannt, dass die Berliner PV aus dem Jahr 1994 inhaltsgleich in anderen KÄV-Bezirken gilt bzw gegolten hat.

27

Landesrechtliche Normen sind weiterhin einer eigenständigen Auslegung und Anwendung des BSG zugänglich, wenn das LSG entscheidungserhebliche Vorschriften unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, jeweils RdNr 15). Hier hat jedoch das LSG die als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ersichtlich einschlägige Vorschrift des § 14 PV zutreffend herangezogen und unter Anwendung der allgemein anerkannten juristischen Auslegungskriterien ausgelegt. Der Kläger zu 2. rügt auch keinen Verstoß gegen diese Auslegungsgrundsätze oder die Denkgesetze, sondern setzt der Auslegung des Berufungsgerichts seine abweichende Auslegung entgegen. Das führt nicht dazu, dass entgegen der Vorgabe des § 162 SGG das Revisionsgericht zu einer eigenständigen Auslegung berufen wäre.

28

Soweit § 14 PV in der Auslegung des LSG eine hinreichende Grundlage für die Festsetzung von Arzneikostenregressen wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel darstellt, steht die Vorschrift mit Bundesrecht in Einklang. Der Senat hat mehrfach entschieden, dass auf der Grundlage des § 106 Abs 2 SGB V in den PV Rechtsgrundlagen für Arzneikostenregresse festgeschrieben werden dürfen, soweit Vertragsärzte Arznei- und Heilmittel verordnet haben, die nicht Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung sind(zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52; vgl zuletzt BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 17 ff mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das stellt der Kläger zu 2. selbst nicht in Abrede.

29

b. Soweit der Kläger zu 2. geltend macht, der Antrag der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse sei verspätet gestellt worden, muss dem ebenfalls nicht weiter nachgegangen werden. Es kann vielmehr offen bleiben, ob die Frist von "sechs Monaten nach Bekanntwerden des Sachverhalts" iS des § 14 Abs 2 PV hier eingehalten ist, wie das SG angenommen hat, oder ob die Normierung dieser Frist in der PV wegen Unvereinbarkeit mit § 106 SGB V unwirksam ist, wovon das LSG ausgegangen ist. Selbst wenn eine Antragsfrist normiert werden durfte und diese von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. nicht eingehalten worden sein sollte, würde daraus nicht die Rechtswidrigkeit der Regressfestsetzung folgen. Aus einer evtl Versäumung der Antragsfrist durch die Krankenkasse kann nämlich nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden. Das hat der Senat mit Urteil vom 3.2.2010 (B 6 KA 37/08 R; - RdNr 19 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) entschieden.

30

Der Senat hatte bereits früher dargelegt, dass solche Fristen nicht zum Schutz des Arztes im Sinne eines Ausschlusses der Verfahrensdurchführung normiert sind, sondern dass sie - auch im Interesse des Arztes - der Verfahrensbeschleunigung und einer effektiven Verfahrensdurchführung dienen (s insbesondere BSG USK 9596, S 526; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159 f zur Zulässigkeit späterer Antragsnachholung). Wird der Antrag zu spät gestellt, so ist damit dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung nicht Rechnung getragen. Daraus aber ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt abzuleiten, liefe der Zielrichtung der Regelung und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- und Verordnungsweise zuwider (vgl BSG USK aaO und SozR aaO S 159).

31

Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regessverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (zu dieser Frist allgemein zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15 RdNr 12 ff; BSG MedR 2008, 100, 101 f RdNr 16 ff, vgl jetzt § 106 Abs 2 Satz 7 Halbs 2 SGB V zur Frist von zwei Jahren für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina). Von dieser Ausschlussfrist und ihrer Funktion unterscheidet sich die Sechs-Monats-Frist für die Stellung des Prüfantrags mit ihrer Ausrichtung auf Beschleunigung. Würde aus deren Versäumung ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden, so würde ihr die Funktion beigemessen, die allein der Vier-Jahres-Frist zukommt.

32

c. Die Kläger durften über "Polyglobin 5 %" in den streitbefangenen Quartalen keine vertragsärztliche Verordnung ausstellen. Sie haben dieses Arzneimittel außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung verordnet.

33

Die Zulassung von Polyglobin war nach den Feststellungen des LSG - bei Vorliegen eines Immunmangelsyndroms - auf die Behandlung eines primären, ursächlichen Mangelsyndroms oder - bei sekundärem Immunmangelsyndrom - auf die Behandlung von Grunderkrankungen wie eine chronisch-lymphatische Leukämie oder ein multiples Myelom begrenzt. An solchen Erkrankungen hat der Versicherte M. nicht gelitten. Ein Arzneimittel darf grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für einen Einsatz außerhalb der arzneimittelrechtlich zugelassenen Indikation verordnet werden. Das hat der 1. Senat des BSG mit Urteil vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden und daran bis heute festgehalten (zB BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1). Der 6. Senat des BSG ist dem für die Festsetzung von Arzneikostenregressen gefolgt (zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19; vgl auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

34

Die Kläger können sich zur Rechtfertigung ihrer Verordnung von Polyglobin weder auf Vertrauensschutz noch auf einen der Annahmefälle stützen, in denen Arzneimittel vertragsärztlich auch außerhalb der zugelassenen Indikation verordnet werden dürfen. Der Kläger zu 2. ist der Auffassung, Vertragsärzte hätten in der Zeit zwischen dem Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995 zur Drogensubstitution mit dem Codein-Präparat Remedacen (BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5) und dem Bekanntwerden des Urteils des 8. Senats vom 30.9.1999 zur SKAT-Therapie (BSGE 85, 36 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11) generell darauf vertrauen dürfen, Arzneimittel im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auch außerhalb der Zulassungsindikationen nach dem Arzneimittelrecht verordnen zu dürfen. Dem folgt der Senat in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht nicht.

35

Es ist bereits fraglich, ob ein Vertragsarzt im Hinblick auf das zu der sehr speziellen Situation der Drogensubstitution ergangene Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995 generell darauf vertrauen durfte, Arzneimittel auch außerhalb ihrer Zulassungsindikation verordnen zu dürfen. Allenfalls kommt ein Vertrauen darauf in Betracht, dass die Bindung der vertragsärztlichen Verordnung an die Zulassung des jeweiligen Fertigarzneimittels nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) in dem Sinne gelockert ist, dass in bestimmten Konstellationen eine die arzneimittelrechtliche Zulassung überschreitende Verordnung, die medizinisch sinnvoll oder sogar geboten ist, auch krankenversicherungsrechtlich zulässig sein kann. In diesem Sinne ist das Urteil des 8. Senats vom 30.9.1999 richtigerweise zu verstehen. Weitergehende Schlussfolgerungen aus diesem Urteil im Sinne eines uneingeschränkt erlaubten indikationsfremden Einsatzes von Fertigarzneimitteln liegen eher fern, zumal ein beliebiger, allein nach Gutdünken jedes einzelnen Arztes erfolgender, Einsatz eines Medikaments außerhalb der Zulassung nicht ernsthaft für sachgerecht gehalten werden kann .

36

d. Im Übrigen sind schon kurz nach Veröffentlichung des Urteils des 1. Senats vom 5.7.1995 zur Drogensubstitution in der Rechtsprechung des BSG Zweifel an der allgemeinen Aussagekraft dieses Urteils über den entschiedenen Fall hinaus artikuliert worden. Schon drei Monate nach dem Urteil des 1. Senats hat der allein für das Vertragsarztrecht zuständige erkennende Senat Bedenken gegen die Zulässigkeit des Einsatzes von Remedacen zur Drogensubstitution geäußert und auf die Problematik der Beachtung der Richtlinien des (früheren) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen im Zusammenhang mit sog Außenseitermethoden hingewiesen (Urteil vom 18.10.1995, SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 5). In der Sache sind sodann die Grundsätze des Urteils vom 5.7.1995 durch die neuere Rechtsprechung des 6. und des 1. Senats zur Rechtsqualität der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, zur Methodenanerkennung nach § 135 Abs 1 SGB V und zum Zusammenhang zwischen dieser Anerkennung und den Prinzipien der Arzneimitteltherapie deutlich modifiziert worden(Urteil des 6. Senats vom 20.3.1996, BSGE 78, 70 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 "Methadon"; Urteile des 1. Senats vom 16.9.1997, BSGE 81, 54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4, BSGE 81, 73 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7). Spätestens nach Bekanntwerden dieser Urteile war deutlich, dass die ältere Rechtsprechung des BSG zu den (untergesetzlichen) Vorgaben des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr uneingeschränkt fortgeführt werden würde. Kein Vertragsarzt musste die aufgezeigten Wendungen der Rechtsprechung kennen oder nachvollziehen. Wer aber - wie der Kläger zu 2 - geltend macht, Verordnungen aus dem Jahre 2000 im Vertrauen auf eine zu einer Sonderkonstellation ergangene und vereinzelt gebliebene Rechtsprechung des BSG aus dem Jahre 1995 getätigt zu haben, muss sich entgegenhalten lassen, dass sich die Rechtsprechung weiterentwickelt hat. Jedenfalls im Jahr 2000 hat es für einen Vertragsarzt erkennbar keine hinreichende Sicherheit mehr gegeben, nach eigener Einschätzung Off-Label-Use-Verordnungen ausstellen zu dürfen, ohne Gefahr zu laufen, insoweit in Regress genommen zu werden.

37

e. Zudem sind sowohl das Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995, auf das sich der Kläger zu 2. beruft, wie auch die folgenden Entscheidungen des 1. und des 8. Senats des BSG zu den Rechtsansprüchen von Versicherten gegen ihre Krankenkasse ergangen. Aus diesen Urteilen ergibt sich nicht unmittelbar, wie sich ein Vertragsarzt zu Arzneimittelverordnungen verhalten sollte, die erkennbar außerhalb der Zulassungsindikation des jeweiligen Arzneimittels erfolgten, von denen er aber annahm, sie könnten vom Patienten beansprucht werden. Dazu ist dem Urteil des erkennenden Senats vom 18.10.1995 (6 RKa 3/93) zur Drogensubstitution zu entnehmen, dass in solchen Fällen jedenfalls eine exakte Dokumentation und eine engmaschige Verlaufskontrolle der Behandlung geboten waren (SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8; vgl auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 39, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Damit ist es zB nicht vereinbar, auf laborchemische Untersuchungen zum Nachweis eines - vermeintlichen oder tatsächlich bestehenden - "Antikörpermangelsyndroms" zu verzichten, wenn die umstrittene Off-Label-Verordnung von Immunglobulinen gerade auf diese Diagnose reagiert.

38

Ein Vertragsarzt, der Medikamente außerhalb ihrer zugelassenen Indikationen verordnet, kann weder sich noch der Krankenkasse Gewissheit darüber verschaffen, dass die Verordnung den Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebotes genügt, also notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Bei Off-Label-Verordnungen hat nämlich gerade keine Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des jeweiligen Arzneimittels stattgefunden, die seinen Einsatz (auch) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigt. Eine solche Prüfung ist im AMG nur indikationsbezogen vorgeschrieben und durchführbar; die von der Zulassung nach dem AMG ausgehende Schutzwirkung und Qualitäts- wie Wirksamkeitserwartung greift bei einem Einsatz des Medikaments außerhalb der Zulassung gerade nicht ein (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19; s auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 - RdNr 27 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Soweit danach ein Vertragsarzt Verordnungen ohne gesicherten Nachweis von Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels ausstellt, muss zwingend nachträglich geprüft werden dürfen, ob die jeweilige Verordnung den Regeln des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Wenn der Vertragsarzt davon absieht, in Fällen eines Off-Label-Use die Krankenkasse vor Ausstellung der Verordnung einzuschalten, wie es der Senat in einem Beschluss vom 31.5.2006 dargestellt hat (B 6 KA 53/05 B, MedR 2007, 557, 560), muss er hinnehmen, dass die Einhaltung der Vorgaben der vertragsärztlichen Versorgung im Nachhinein geprüft wird.

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Der Beklagte hält den Klägern - anders als diese nahe legen wollen - keine schuldhafte Verletzung vertragsärztlicher Pflichten vor, die nunmehr sanktioniert wird. Der Beklagte hat lediglich die Position der zu 2. beigeladenen Krankenkasse bestätigt, dass sie objektiv zu Unrecht erhebliche Kosten für die Versorgung des M. mit einem Immunglobulin aufgewandt hat. Weil die Kläger der Beigeladenen zu 2. keine Gelegenheit gegeben haben, ihre Auffassung zur Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Immunglobulinen bei dem Versicherten M. vor Einlösung der Verordnungen darzulegen, muss es der Krankenkasse möglich sein, ihren Standpunkt nachträglich durchzusetzen, soweit er rechtlicher Prüfung standhält. Dazu sieht die PV im Einklang mit Bundesrecht das Verfahren der Regressfestsetzung vor. Soweit der Kläger zu 1. geltend macht, nach dem im Jahr 2000 geltenden Recht habe er zu Gunsten des M. kein Privatrezept ausstellen dürfen, weil das gegen § 29 Abs 1 Satz 2 BMV-Ä verstoßen hätte, folgt der Senat dem nicht. Der Beschluss des Senats vom 31.5.2006 (MedR 2007, 557), der diesen Weg aufgezeigt hat, ist zu Off-Label-Use-Verordnungen aus dem Jahr 1997 ergangen. Auch in den Jahren 1997 und 2000 galt das Verbot, sich als Vertragsarzt vertragsärztliche Verordnungen einzeln genehmigen zu lassen; dieses Verbot hat sich - wie der Senat dargelegt hat - immer nur auf Verordnungen im Rahmen der Leistungspflicht der Krankenkassen bezogen. Wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn die Kläger zu Beginn des Jahres 2000 vergeblich bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. angefragt und explizit um eine Entscheidung über das aus Sicht dieser Krankenkasse richtige Vorgehen gebeten hätten, kann offen bleiben. Die Kläger machen selbst nicht geltend, diesen Weg beschritten zu haben.

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f. Der vom Beklagten aufrecht erhaltene Regress ist schließlich nicht deshalb rechtswidrig, weil dem Versicherten M. bei Ausstellung der umstrittenen Verordnungen nach den Grundsätzen des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) gegen die Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse ein Anspruch auf Versorgung mit Polyglobin 5 % zugestanden hätte. Nach den Feststellungen des LSG liegen die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen, auf §§ 27 und 31 SGB V iVm Art 2 Abs 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip bzw Art 2 Abs 2 Satz 1 GG und der hieraus abzuleitenden Schutzpflicht gegründeten Anspruchs nicht vor. Diese Feststellungen des LSG sind für den Senat nach § 163 SGG bindend, weil die dazu vom Kläger zu 2. angebrachte Rüge nicht durchgreift (unten 3.).

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Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt der Revision: Wenn feststünde, dass M. nach den tatsächlichen Verhältnissen des Jahres 2000 einen Anspruch auf Versorgung mit Polyglobin als Sachleistung der Krankenkasse gehabt hätte, dürfte wegen der für diese Versorgung angefallenen Kosten kein Regress gegen die Kläger festgesetzt werden. Diese Konsequenz aus der Entscheidung des BVerfG hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 5.11.2008 zu Wobe Mugos (SozR 4-2500 § 106 Nr 21; ebenso BSG MedR 2010, 276) inzident angesprochen und hält daran fest. Der verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen beruht im Kern darauf, dass die Krankenkasse einen Ausgleich für die Bezahlung von Medikamenten erhält, die sie bei korrektem Verhalten des Arztes nicht hätte finanzieren müssen. Wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Versicherte, zu dessen Gunsten der Vertragsarzt die umstrittenen Verordnungen ausgestellt hat, auf die Versorgung mit dem verordneten Arzneimittel einen Anspruch gegen seine Krankenkasse hatte, ist dieser durch die Bezahlung dieses Arzneimittels dem Grunde nach jedenfalls kein Schaden entstanden, den der Vertragsarzt nunmehr ersetzen müsste. Lässt sich allerdings nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise gerechtfertigten Off-Label-Use vorgelegen haben, geht das zu Lasten des Arztes. Er rückt, obwohl er sich nach der Ausrichtung des Verfahrens gegen einen Regress wendet, hinsichtlich der Verteilung von Darlegungs- und Beweislast in die Stellung ein, die der Versicherte gehabt hätte, wenn er seinen Standpunkt zur der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels gegen die Krankenkasse nach § 13 Abs 3 SGB V im Wege der Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs durchsetzen müsste. Wer geltend machen will, der Versorgungsanspruch umfasse in einer bestimmten Konstellation auch die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln außerhalb der Zulassungsindikationen, dringt damit nicht durch, wenn sich unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die dafür insbesondere in der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG und inzwischen auch vom Gemeinsamen Bundesausschuss (§ 30 der Arzneimittel-Richtlinie iVm Anlage VI) formulierten Voraussetzungen vorgelegen haben. Das ist auch hier der Fall und geht zu Lasten der Kläger.

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g. Das LSG ist in Übereinstimmung mit der Revision zutreffend davon ausgegangen, dass der Versicherte M. an einer schwerwiegenden Erkrankung (Hodenkarzinom) gelitten hat. Ob zu dessen kausaler Behandlung bei Fehlen einer allgemein anerkannten, medizinischem Standard entsprechenden Behandlungsmethode nach der Rechtsprechung des BVerfG ein Arzneimittel auch außerhalb seiner Zulassungsindikation hätte eingesetzt werden dürfen, wenn nach der vorhandenen Studienlage auf diese Weise die nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf positive Behandlungserfolge bestanden hätte (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33), kann offen bleiben. Das nehmen die Kläger nämlich selbst für die Verordnung von Polyglobin nicht an. Sie gehen vielmehr davon aus, dass der Versicherte M. an einem Antikörpermangel litt, der unbehandelt eine Fortführung der notwendigen Chemotherapie erschwert hätte oder hat. Wenn die Rechtsprechung des BVerfG auf diese Konstellation Anwendung finden sollte, was der Senat entgegen der Auffassung des LSG nicht von vornherein für ausgeschlossen hält, müssen jedenfalls die Anforderungen an einen zulässigen Off-Label-Use entsprechend erfüllt sein. Es muss deshalb feststehen, dass der Patient neben der besonders schwerwiegenden Erkrankung (Karzinom) an einer weiteren Gesundheitsstörung gelitten hat, die die Anwendung aller zur Behandlung des Hauptleidens in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten ausschließt. Weiterhin muss der Off-Label-Einsatz des anzuwendenden Arzneimittels mit gewisser Wahrscheinlichkeit die zweite Erkrankung so beeinflussen, dass eine Erfolg versprechende Behandlung des Hauptleidens wieder oder erstmals möglich wird. Schließlich darf es für die zweite Erkrankung keine anerkannten Behandlungsmöglichkeiten - zB mit entsprechend zugelassenen Arzneimitteln - geben. Diese Voraussetzungen sind hier jedenfalls nicht - wie es notwendig wäre, um der Klage zum Erfolg zu verhelfen - kumulativ erfüllt.

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h. Erhebliche Zweifel bestehen bereits daran, ob das von den Klägern so bezeichnete "sekundäre Antikörpermangelsyndrom" eine eigenständige und hinreichende spezifische Erkrankung ist, die abgegrenzt vom Karzinomleiden behandelt werden kann und muss. Die Kläger haben dazu in den Tatsacheninstanzen nicht Präzises vorgetragen. Zudem steht nicht fest, dass M. an einem Antikörpermangelsyndrom litt, das schulmedizinisch nicht behandelbar war. Die zur Abstützung dieser Diagnose und des Ausmaßes der Erkrankung möglichen laborchemischen Untersuchungen haben die Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht durchgeführt oder veranlasst. Dazu mögen sie - wie die Revision geltend macht - berufsrechtlich nicht verpflichtet gewesen sein. Sie haben damit aber im Hinblick auf den Off-Label-Use zur Unaufklärbarkeit des genauen Gesundheitszustandes des Versicherten M. im Jahr 2000 beigetragen. Das geht zu ihren Lasten.

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i. Außerdem fehlt es an ausreichenden Feststellungen bzw Belegen für das von den Klägern geltend gemachte Dilemma, die schwerwiegende Ersterkrankung nur durch die Behandlung der Zweiterkrankung mit Polyglobin 5 % therapieren zu können. Der Kläger zu 2. setzt schon die Anforderungen an den Nachweis einer eigenständigen Zweiterkrankung zu niedrig an. Der Versicherte M. litt nach den Ausführungen des Klägers zu 2. an einer "Verminderung der Immunitätslage" als Folge vor allem der aggressiven Chemotherapien. Einzelne Infektionen des Patienten hätten sie - die Kläger - als "Zeichen eines sekundären Antikörpermangels" gedeutet. Für diese Infektionen haben die Kläger im Verwaltungsverfahren oder in den Vorinstanzen jedoch nicht konkret und eingehend belegt, dass ihnen durch anerkannte Behandlungsmaßnahmen nicht hätte effektiv entgegengewirkt werden können. Spezifische Darlegungen dazu, die dann dem LSG ggf Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätten geben können, waren vor allem deshalb unerlässlich, weil der Kläger zu 2. selbst einen Zusammenhang zwischen dem Krebsleiden und der Chemotherapie mit der geschwächten Immunitätslage des M. herstellt. Da nicht alle Patienten, deren Abwehrsystem durch Krebs und Chemotherapie geschwächt ist, mit Immunglobulin behandelt werden bzw nach dem gebotenen Behandlungsstandard behandelt werden müssen oder im Jahr 2000 so behandelt wurden oder behandelt werden mussten, hätten die Kläger fallbezogen und detailliert darlegen müssen, inwieweit sich die gesundheitliche Lage des M. von derjenigen anderer chemotherapeutisch behandelter Krebspatienten unterschied, und auf der Basis welcher exakten Befunde sie die Anwendung von Polyglobin 5 % für unerlässlich hielten. Das ist nicht geschehen und spricht dafür, dass sich die Kläger von der Gabe eines Immunglobulins ganz generell eine Stärkung der Abwehrlage des M. und damit mutmaßlich eine bessere Resistenz gegen Infektionen versprachen. Das reicht für einen Off-Label-Use, dessen Zulässigkeit jedenfalls in Fällen der hier vorliegenden Art von dem Gesundheitszustand des konkreten Patienten abhängt, nicht aus.

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j. Schließlich ist die positive Wirkung, die die Kläger dem Einsatz von Immunglobulin bei fortgeschrittener Krebserkrankung zuschreiben, nach den Feststellungen des LSG nicht hinreichend belegt.

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Das LSG hat im Einzelnen dargestellt, dass die bis 1999 zum Einsatz von Immunglobulinen vorhandenen Studien und publizierten Forschungsergebnisse nicht darauf hindeuten, dass die Gesundheitsstörungen des Versicherten M. durch den Einsatz von Polyglobin erfolgreich behandelt werden konnten. Das LSG ist zutreffend von den in der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG entwickelten Grundsätzen zum Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit (in Deutschland oder der EU) nicht zugelassenen Arzneimitteln (dazu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4) oder mit Arzneimitteln außerhalb zugelassene Indikationen (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) ausgegangen. Es hat näher ausgeführt, dass keine wissenschaftliche Arbeit vorliege oder von den Klägern benannt sei, in der der zulassungsüberschreitende Einsatz von Immunglobulinen zur Behandlung einer auf der Intoleranz von Chemotherapeutika beruhenden Erkrankung als medizinisch geboten bewertet wird. Einen Konsens der einschlägigen Fachkreise, dass Polyglobin ein sekundäres Antikörpersyndrom positiv beeinflussen könne, hat das LSG gerade nicht feststellen können. Soweit die Revision die vorhandenen medizinischen Unterlagen lediglich anders würdigt, vermag sie damit die Feststellungen iS des § 163 SGG nicht zu entkräften.

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Soweit der Kläger zu 2. die Sachaufklärung des LSG zu den Erfolgsaussichten der Behandlung mit Immunglobulinen für unzureichend hält, berücksichtigt er nicht hinreichend, dass sich der 1. Senat des BSG bereits mehrfach mit dem Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Immunglobulinen befasst hat. In den Urteilen vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8), vom 27.3.2007 (B 1 KR 17/06 R) und vom 28.2.2008 (SozR 4-2500 § 13 Nr 16), die sämtlich die Versorgung mit Immunglobulinpräparaten - jeweils bezogen auf die Indikation Multiple Sklerose - zum Gegenstand hatten, wird der Stand der medizinischen Forschung zu dieser Wirkstoffgruppe für die streitbefangenen Jahre 1997 bis 2003 eingehend aufgearbeitet. Zwar können die Forschungsergebnisse zur Möglichkeit, durch die Gabe von Immunglobulinen die Multiple Sklerose günstig zu beeinflussen, nicht ohne Weiteres auf die hier zu beurteilende Situation der unterstützenden Behandlung bei Krebserkrankungen übertragen werden, doch sind die Wirkungen und die in Frage kommenden Indikationen für Immunglobulin bezogen auf den hier relevanten Zeitraum gut erforscht und die Forschungsergebnisse - soweit krankenversicherungsrechtlich von Bedeutung - in der Rechtsprechung des BSG umfassend rezipiert worden. Zudem sind die Urteile des 1. Senats des BSG vom 27.3.2007 und vom 28.2.2008 Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung gewesen. Mit Kammerbeschlüssen vom 30.6.2008 (1 BvR 1665/07 zum BSG-Urteil B 1 KR 17/06 R) und vom 8.7.2009 (1 BvR 1531/09 zum BSG-Urteil B 1 KR 15/07 R) sind die Verfassungsbeschwerden der unterlegenen Kläger jeweils nicht zur Entscheidung angenommen worden. Beide Kammerbeschlüsse sind auf der Basis der grundlegenden Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 ergangen und billigen insbesondere, dass die Rechtsprechung des BSG strenge Anforderungen an den Nachweis stellt, dass mit dem zulassungsüberschreitenden Einsatz des jeweils betroffenen Arzneimittels hinzureichende Erfolgsaussichten verbunden sein müssen (BVerfG vom 30.6.2008 - 1 BvR 1665/07 - NJW 2008, 3556 f RdNr 9 bis 11). Es reicht danach als Grundlage für einen Off-Label-Use von Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus, dass positive Folgen einer solchen Behandlung nach dem Wirkungsmechanismus von Immunglobulinen nicht schlechthin ausgeschlossen werden können, dass Patienten in Einzelfällen nach Verabreichung der umstrittenen Medikamente eine Verbesserung ihres Befindens beschreiben und dass einzelne Ärzte oder Wissenschaftler mit plausiblen Gründen einen von der verbreiteten Auffassung abweichenden Standpunkt zu den Erfolgsaussichten einer Behandlung vertreten. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe und im Hinblick auf die schon vorliegende Rechtsprechung des 1. Senats des BSG ist die Sachverhaltsermittlung des Berufungsgerichts ausreichend.

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3. Ohne Erfolg macht der Kläger zu 2. schließlich geltend, das LSG hätte einem Beweisantrag vom 12.3.2009, den er in der mündlichen Verhandlung explizit aufrechterhalten hat, nachkommen und ein Gutachten zur Wirkung von Polyglobin 5 % einholen müssen. Das LSG ist diesem Antrag mit hinreichender Begründung nicht gefolgt.

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Grundsätzlich liegt es im Ermessen des Gerichts, ob es dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens oder eines weiteren Gutachtens nachkommt. Der für andere Beweismittel wie insbesondere den Zeugenbeweis geltende Grundsatz, dass eine Beweiswürdigung nicht vorweggenommen werden darf, gilt nicht für die Frage der Einholung von Sachverständigengutachten. Hier darf das Gericht unter Hinweis darauf, dass von einem Sachverständigengutachten keine (weiteren) Erkenntnisse zu erwarten seien, weil das Gericht ausreichend eigene Sachkunde habe oder weil ihm bereits ausreichende sachverständige Erkenntnisse vorliegen, dessen Einholung ablehnen. Das Gericht übt sein Ermessen nur dann fehlerhaft aus, wenn sich ihm die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen (s zB BVerwG NVwZ 1993, 268; BVerfG NVwZ 2009, 320, RdNr 4; BVerwG NJW 2009, 2614 RdNr 7; BSG SozVers 2002, 218 f; ebenso BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - RdNr 29). Ein solcher Ausnahmefall hat hier nicht vorgelegen. Das LSG hat in seiner Entscheidung dargelegt, warum es keinen weiteren Aufklärungsbedarf gesehen hat. Dabei spielt eine Rolle, dass zur Wirksamkeit von Immunglobulinen im (auch) hier betroffenen Zeitraum zahlreiche Entscheidungen des BSG ergangen sind, wie oben (unter 2. j.) näher dargelegt worden ist.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 iVm § 155 Abs 1 VwGO und berücksichtigt die unterschiedliche wirtschaftliche Betroffenheit der Kläger zu 2. und 3. Die außergerichtlichen Kosten der zu 1. beigeladenen KÄV sind nach § 162 Abs 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil diese keine Anträge gestellt hat(vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Im Prüfungsbericht ist darauf einzugehen, ob bei der Ermittlung von Marktwerten für fremdgenutzte Immobilien alle wesentlichen Risiken der zu bewertenden Immobilien in die Bewertung eingeflossen sind.

(2) Es ist darauf einzugehen, ob die Häufigkeit der Neubewertung dem Umfang und der Volatilität des Portfolios angemessen ist und ob das Unternehmen eindeutige und angemessene Kriterien dafür festgelegt hat, wann außerhalb des regelmäßigen Turnus eine Neubewertung vorzunehmen ist.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.