Sozialgericht Aachen Urteil, 09. Aug. 2016 - S 14 AS 175/16

ECLI:ECLI:DE:SGAC:2016:0809.S14AS175.16.00
bei uns veröffentlicht am09.08.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.


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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 124


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. (3) Entscheidungen des Gerichts, d

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(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und d

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 95


Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

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Tenor Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 24. Februar 2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 28. November 2007 aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 24. Februar 2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 28. November 2007 aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 27. März 2006 zu entscheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens vor dem Bundessozialgericht und dem Sozialgericht mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Feststellung eines "sonstigen Schadens".

2

Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse (KK), beantragte mit drei beim Prüfungsausschuss am 23.12.2003 eingegangenen Schreiben, zu Lasten der beigeladenen Gemeinschaftspraxis einen "sonstigen Schaden" festzustellen, weil die in ihr tätigen Ärzte in den Quartalen I/2002, II/2002 und III/2002 Arzneimittel-Verordnungen für Patienten ausgestellt hätten, die sich zu diesem Zeitpunkt in stationärer Behandlung befunden hätten. Die Höhe des geltend gemachten Schadens betrug - nach zwischenzeitlicher Teilrücknahme der Anträge - insgesamt 1896,34 Euro. Der Prüfungsausschuss wies die Anträge durch Bescheid vom 27.3.2006 als unzulässig zurück, da die sechsmonatige Antragsfrist des § 14 Abs 4 der maßgeblichen Prüfvereinbarung vom 5.5.1993 (in Kraft ab dem 1.1.1993 ) nicht eingehalten worden sei.

3

Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben (Bescheid des Beklagten vom 28.11.2007 und Urteil des SG vom 24.2.2010). Das SG hat zur Begründung ausgeführt, die in § 14 Abs 4 PrüfV getroffene Regelung sei eindeutig. Danach könne die vermeintlich geschädigte KK einen Antrag auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" bis zu sechs Kalendermonate nach Ablauf des Monats stellen, in dem sie - also die KK - Kenntnis von dem Schaden und der Person des Schädigers erlangt habe. Diese Frist habe die Klägerin versäumt. Die für einen deliktischen Anspruch geltenden Vorgaben der Rechtsprechung des BGH, welche bei öffentlichen Körperschaften auf die Kenntnis des zuständigen Bediensteten abstelle, seien nicht anwendbar, weil es sich bei der Feststellung eines "sonstigen Schadens" gemäß § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte(BMV-Ä) um einen verschuldensunabhängigen Anspruch handele.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Das BSG habe mit Urteil vom 3.2.2010 (B 6 KA 37/08 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 26) entschieden, dass die Versäumnis der in der PrüfV geregelten Antragsfrist nicht dazu führe, dass ein Prüfverfahren nicht mehr durchgeführt werden könne.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 24.2.2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 28.11.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Widerspruch gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 27.3.2006 zu entscheiden.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Die Verordnung für einen Patienten, der sich zur Zeit ihrer Ausstellung in der Behandlung eines Krankenhauses befinde, stelle nach der Rechtsprechung des BSG einen Fall der Festsetzung eines "sonstigen Schadens" im Sinne der bundesmantelvertraglichen Vorschriften dar; dafür gelte keine Ausschlussfrist, sondern eine vierjährige Verjährungsfrist. Es sei fraglich, ob in diesen Fällen dem Interesse des Vertragsarztes, nicht zeitlich unbegrenzt Ersatzansprüchen ausgesetzt zu sein, bereits durch die Verjährung ausreichend Rechnung getragen werde, die im Gegensatz zu der von Amts wegen zu beachtenden Ausschlussfrist grundsätzlich nur auf Einrede zu beachten sei. Vorliegend sei eine Prüfung sowohl der Antrags- als auch der Verjährungsvoraussetzungen bereits deswegen nicht möglich gewesen, weil die antragstellende Klägerin nicht den Zeitpunkt genannt habe, in dem sie Kenntnis vom Schaden erlangt habe. Dem Vertragsarzt müsse es jedoch möglich sein, die Fristen zu überprüfen, um nicht zeitlich unbegrenzt Ersatzansprüchen ausgesetzt zu sein.

8

Die Beigeladene hat sich weder geäußert noch einen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das vorinstanzliche Urteil und der Bescheid des Beklagten sind aufzuheben. Dieser ist verpflichtet, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Beschluss des Prüfungsausschusses vom 27.3.2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden. Das SG hat die zulässige Klage der Klägerin zu Unrecht abgewiesen, denn die Prüfgremien waren verpflichtet, über deren Anträge auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" in der Sache zu entscheiden; sie sind durch die Versäumung der in der PrüfV normierten Antragsfrist nicht an einer Sachentscheidung gehindert.

10

1. Gegenstand des Verfahrens ist allein der Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses, nicht zugleich der Bescheid des Prüfungsausschusses. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist in vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren grundsätzlich allein der das Verwaltungsverfahren abschließende Verwaltungsakt des Beschwerdeausschusses Streitgegenstand nach § 95 SGG(vgl BSGE 74, 59, 60 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f, mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 16; zuletzt BSG, Urteil vom 11.5.2011 - B 6 KA 13/10 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig; sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses bzw der Prüfungsstelle (stRspr des BSG, vgl BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194; zuletzt BSG, Urteil vom 11.5.2011 aaO). Dass es sich bei einem Verfahren auf Festsetzung eines "sonstigen Schadens" nicht um ein originäres Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren nach § 106 SGB V handelt, sondern eine Zuständigkeit der Prüfgremien hier erst durch (bundesmantel-)vertragliche Vereinbarung begründet wird(vgl § 48 Abs 1 BMV-Ä), ändert nichts daran, dass sich Verfahren und Entscheidung im Wesentlichen nach denselben Regeln richten. Auch das Gesetz differenziert in § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V nicht nach dem Gegenstand der angegriffenen Entscheidung(vgl hierzu auch BSGE 79, 97, 98f = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 3), sondern stellt allein auf die Entscheidungsträger ab. Daher ist es sachgerecht, die Rechtsprechung des BSG zu den Besonderheiten des Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss auch insoweit zugrunde zu legen.

11

2. In der Sache ist das SG zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein Versäumnis der in der PrüfV normierten Antragsfrist der Feststellung eines "sonstigen Schadens" entgegenstehe. Verordnungen, die während eines stationären Aufenthalts der in den Anträgen der Klägerin benannten Patienten für diese ausgestellt wurden, gehören zu den "sonstigen Schäden" im Sinne der Rechtsprechung des BSG, für welche die Prüfgremien gemäß § 48 Abs 1 BMV-Ä die Schadensfeststellungskompetenz haben (a). Auch auf derartige Verfahren findet die Rechtsprechung des BSG Anwendung, wonach die Versäumnis der in der Prüfvereinbarung geregelten Antragsfrist kein Hindernis für die Verfahrensdurchführung bzw für eine Sachentscheidung darstellt (b).

12

a) Ein "sonstiger Schaden" im Sinne der Rechtsprechung des Senats, dessen Feststellung den Prüfgremien vertraglich zugewiesen ist, liegt dem Grunde nach vor.

13

aa) (Arzneimittel-)Verordnungen, die ein Vertragsarzt während des stationären Aufenthalts eines Patienten tätigt, führen im Grundsatz - abhängig von den jeweiligen, von den Prüfgremien zu prüfenden weiteren Umständen im Einzelfall - dazu, dass mit der Einlösung der Verordnung der KK, welche die Verordnungskosten zu tragen hat, ein Schaden entsteht. Denn während eines stationären Aufenthalts obliegt dem Krankenhaus grundsätzlich auch die Arzneimittelversorgung des Patienten.

14

Dies ergibt sich aus § 39 Abs 1 Satz 3 SGB V sowie aus den Regelungen des Krankenhausentgeltgesetzes(KHEntgG). Gemäß § 39 Abs 1 Satz 3 Halbsatz 1 SGB V umfasst die Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung des Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere (ua) die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln. § 2 Abs 1 Satz 1 KHEntgG bestimmt, dass auch die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, zu den Krankenhausleistungen nach § 1 Abs 1 KHEntgG gehört. Die in diesem Sinne notwendige Arzneimittelversorgung ist mithin grundsätzlich vom Krankenhaus sicherzustellen und mit der Vergütung abgegolten, die von der KK gemäß dem KHEntgG und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz für den Krankenhausaufenthalt entrichtet wird (vgl hierzu § 1 Abs 1 KHEntgG). Daher führt eine Verordnung, die während dieses Aufenthalts durch einen niedergelassenen Vertragsarzt ausgestellt wird, sobald sie vom Patienten in der Apotheke eingelöst wird, zu zusätzlichen Kosten der KK, die nicht erforderlich geworden wären, wenn der Vertragsarzt die Zuständigkeit des Krankenhauses für die Verordnung beachtet hätte. Hierdurch ist der betroffenen KK ein Schaden in Höhe der von ihr zu tragenden Verordnungskosten entstanden. Kein Verordnungsausschluss gilt indessen für solche Verordnungen, die nicht "für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind" (so die Voraussetzung in § 2 Abs 1 Satz 1 KHEntgG und in § 39 Abs 1 Satz 3 SGB V); in welchen Konstellationen dies der Fall ist, bedarf hier keiner vertieften Betrachtung; die Feststellung, ob eine solche Ausnahmekonstellation möglicherweise in den vorliegend beanstandeten Verordnungsfällen gegeben war, wird zunächst der Beklagte im Rahmen der ihm obliegenden erneuten Entscheidung zu treffen haben.

15

bb) Hat ein Vertragsarzt während des stationären Aufenthalts eines Patienten eine solche Verordnung getätigt, für die das Krankenhaus zuständig war, so gehört der daraus resultierende Schaden der KK zum "sonstigen Schaden" im Sinne der bundesmantelvertraglichen Vorschriften, für den den Prüfgremien die Schadensfeststellungskompetenz vertraglich zugewiesen ist.

16

Nach § 48 Abs 1 BMV-Ä(ebenso § 44 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen) obliegt den Prüfgremien die Feststellung des sonstigen durch einen Vertragsarzt verursachten Schadens, der einer KK "aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, oder aus der fehlerhaften Ausstellung von Bescheinigungen" entsteht. Diese seit dem 1.1.1995 unverändert gültige Regelung (vgl DÄ 1995, A-625, A-638 = C-395, C-408) ist interpretationsbedürftig, da sie nicht an die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Senats zu den Entscheidungskompetenzen der Prüfgremien bei unzulässigen Verordnungen (vgl insbesondere BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52)angepasst wurde.

17

In der Rechtsprechung des Senats wurde dem Bereich des "sonstigen Schadens" bereits in früherer Zeit die Konstellation zugeordnet, dass das Verhalten des Arztes (zB ein Behandlungsfehler oder eine falsche Bescheinigung) Folgekosten der KK in anderen Leistungsbereichen ausgelöst hat (zB notwendige Nachbehandlung, Leistungen wegen Mutterschaft). Der dann zu ersetzende Schaden ist der Struktur nach einem Mangelfolgeschaden nach bürgerlichem Recht vergleichbar (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 284; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 24; vgl ferner BSGE 55, 144 = SozR 2200 § 368n Nr 26). Der "sonstige Schaden" ist jedoch nicht auf diese typischen Fälle beschränkt. Vielmehr kann es auch außerhalb der typischen Konstellationen Fallgestaltungen geben, die dem "sonstigen Schaden" nach den bundesmantelvertraglichen Vorschriften zuzuordnen sind. Dies kann insbesondere im Verordnungsbereich der Fall sein:

18

Hierbei ist allerdings eine Abgrenzung von solchen Verordnungsregressen erforderlich, für die eine originäre Zuständigkeit der Prüfgremien nach § 106 SGB V besteht, es also einer vertraglichen Kompetenzzuweisung nicht bedarf. Der Senat hat danach differenziert, ob Fehler in Frage stehen, die speziell der Verordnung selbst bzw ihrer inhaltlichen Ausrichtung, die sich als unzulässig bzw unwirtschaftlich darstellt, anhaften - dann Verordnungsregress auf der Grundlage des § 106 SGB V - oder sie sich aus der Art und Weise der Ausstellung der Verordnung ergeben - dann "sonstiger Schaden"(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 25 f). Ein Fehler bei der Art und Weise der Ausstellung - nämlich (im weiteren Sinne) hinsichtlich des Zeitpunkts der Ausstellung - liegt (grundsätzlich) auch dann vor, wenn ein Vertragsarzt für einen Patienten eine Verordnung ausstellt, der sich zur Zeit der Ausstellung der Verordnung in der Behandlung eines Krankenhauses befindet, in dem umfassend Therapien einschließlich aller Arzneimittel zu gewähren sind (vgl schon BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 25).

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Da nach der Rechtsprechung des Senats der Regress wegen (unzulässiger) Verordnung von Leistungen, die durch das Gesetz oder Richtlinien aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, somit bereits in die originäre Zuständigkeit der Prüfgremien nach § 106 SGB V fällt(zur Zuordnung zu § 106 SGB V siehe BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 26; vgl auch BSG vom 11.5.2011 - B 6 KA 13/10 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), hätte § 48 Abs 1 BMV-Ä bei enger Auslegung insbesondere des Tatbestandsmerkmals "aus der Leistungspflicht … ausgeschlossen" weitgehend bloße deklaratorische Bedeutung; konstitutive Bedeutung im Sinne einer Übertragung weiterer Entscheidungskompetenzen in Fällen eines "sonstigen Schadens" käme der Norm dann allein hinsichtlich der fehlerhaften Ausstellung von Bescheinigungen zu. Ein solches Verständnis des § 48 Abs 1 BMV-Ä entspräche jedoch nicht dem Sinn und Zweck der Regelung, unwirtschaftliche Verordnungsweisen mit Blick auf den hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots möglichst effektiv zu verhindern, und trüge auch nicht dem Umstand Rechnung, dass die Vertragspartner die vorstehend dargestellte Konkretisierung des Begriffes des "sonstigen Schadens" durch die Rechtsprechung des Senats nicht nachvollzogen und die Norm nicht an die Rechtsentwicklung angepasst haben. § 48 Abs 1 BMV-Ä(ebenso § 44 Abs 1 EKV-Ä) ist vielmehr dahingehend zu interpretieren, dass den Prüfgremien eine Schadensfeststellungskompetenz in solchen Fallgruppen zugewiesen ist, in denen die unzulässige Verordnung von Leistungen in Rede steht und sie nicht bereits (unmittelbar) Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V ist. Mithin geht es um Verordnungen, bei denen Fehler in Frage stehen, welche die Art und Weise ihrer Ausstellung betreffen. Aus welchem Rechtsgrund die Verordnung unzulässig ist, ist dabei ohne Bedeutung.

20

Dieser Interpretation des § 48 Abs 1 BMV-Ä steht nicht entgegen, dass das Krankenversicherungsrecht an verschiedenen Stellen ähnlich formulierte Vorschriften enthält(etwa in § 31 Abs 1 Satz 1 oder § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V), die enger interpretiert werden (zu § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V siehe BSG, Urteil vom 11.5.2011 - B 6 KA 13/10 R -). Abgesehen davon, dass die genannten Regelungen bereits durch den dortigen Zusatz eines durch Gesetz oder Richtlinien verfügten Ausschlusses eine engere Interpretation erfordern, kann weder davon ausgegangen werden, dass die Vertragspartner des BMV-Ä die angeführten gesetzlichen Regelungen vor Augen hatten, noch besteht umgekehrt ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber sich die bundesmantelvertragliche Regelung zum Vorbild genommen hat.

21

Im Ergebnis lassen sich die aus Verstößen gegen das Regelwerk des Vertragsarztrechts resultierenden Schäden somit in drei Gruppen einteilen, nämlich in solche, die bereits nach § 106 SGB V unmittelbar in die Schadensfeststellungskompetenz der Prüfgremien fallen, zweitens solche, deren Feststellung als "sonstiger Schaden" im Sinne bundesmantelvertraglicher Regelungen den Prüfgremien übertragen worden ist, und drittens alle übrigen Schäden, deren Feststellung in die Zuständigkeit anderer Institutionen (KÄV, Schlichtungsstellen) fällt: Dies betrifft zum einen § 49 BMV-Ä, der in Abs 1 Satz 2 auch Fälle der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen und des Verstoßes gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung miterfasst, indessen mit dem Rechtsinstitut der sachlich-rechnerischen Richtigstellung(vgl § 106a SGB V) und seiner Konkretisierung durch die Rechtsprechung terminologisch und inhaltlich nicht vollständig harmonisiert worden ist. Zum anderen betrifft dies dem bürgerlichen Recht zugeordnete Schadenersatzansprüche wegen Behandlungsfehlern nach § 50 Satz 2 BMV-Ä.

22

Dieses Ergebnis korrespondiert mit der Regelung in § 6 Abs 2 PrüfV. Danach stellt die Prüfungsstelle (als Funktionsnachfolgerin des früheren Prüfungsausschusses) einen "sonstigen Schaden" "im Sinne der Rechtsprechung" fest. Damit ist den Prüfgremien - im Sinne einer dynamischen Verweisung - die Schadensfeststellungskompetenz in all jenen Fällen übertragen worden, in denen das BSG das Vorliegen eines "sonstigen Schadens" bejaht.

23

b) Eine Überschreitung von Fristen steht einer Sachentscheidung nicht entgegen.

24

Die Einhaltung der für "sonstige Schäden" maßgeblichen vierjährigen Verjährungsfrist (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 20 mwN)steht angesichts einer Antragstellung, die im Dezember 2003 für die Quartale I bis III/2002 erfolgte, nicht in Frage. Dass die Klägerin - möglicherweise - die nach § 14 Abs 4 PrüfV maßgebliche Antragsfrist versäumte, führt - entgegen der vom Beklagten und der Vorinstanz vertretenen Auffassung - nicht dazu, dass die Prüfgremien an der Feststellung eines "sonstigen Schadens" gehindert sind.

25

aa) Vorliegend kann offenbleiben, ob es überhaupt zu einem Versäumnis der Antragsfrist kam. Gemäß § 14 Abs 4 PrüfV kann die geschädigte KK einen Antrag auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" bis zu sechs Kalendermonate nach Ablauf des Monats stellen, in dem sie Kenntnis von dem Schaden und der Person des Schädigers erlangte, längstens jedoch bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren seit Eintritt des schädigenden Ereignisses.

26

Die für die Beurteilung der Einhaltung der Antragsfrist maßgebliche Vorfrage, ob hierbei auf die Kenntnis der Körperschaft selbst abzustellen ist (dann wäre eine Fristüberschreitung zweifelsfrei zu bejahen) oder auf die ihres zuständigen Bediensteten (dann bestünde noch Klärungsbedarf), ist entgegen der Auffassung der Prüfgremien wie der Vorinstanz nicht zwingend in dem Sinne zu beantworten, dass allein die Kenntnis der klagenden Körperschaft maßgeblich sein kann. So geht der BGH in ständiger Rechtsprechung (zuletzt Urteil vom 15.3.2011 - VI ZR 162/10 - VersR 2011, 682 RdNr 11 mwN = MDR 2011, 596) davon aus, dass die Verjährungsfrist bei Behörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften erst dann zu laufen beginnt, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt. Die Argumentation, diese Rechtsprechung finde nur auf deliktische Schadenersatzansprüche, nicht aber auf Regresse wegen "sonstiger Schäden" Anwendung, lässt außer Betracht, dass dieser Regress nach der Rechtsprechung des Senats gerade dadurch charakterisiert ist, dass er an die Grundsätze des Schadenersatzrechts angelehnt (so BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 28; ebenso Urteil vom 6.5.2009 - B 6 KA 3/08 R - MedR 2010, 276 RdNr 28 = USK 2009-14 S 130) und deshalb auch verschuldensabhängig ausgestaltet ist (siehe hierzu unter 3.). Daher ist es nicht ausgeschlossen, die Rechtsprechung des BGH auch auf Regresse wegen "sonstiger Schäden" anzuwenden. Dies bedarf wegen der Unbeachtlichkeit etwaiger Fristversäumnisse jedoch keiner abschließenden Entscheidung.

27

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind Fristen für die Beantragung eines Prüfverfahrens, die in Prüfvereinbarungen gemäß § 106 Abs 3 iVm Abs 2 Satz 4, Abs 5a Satz 5, Abs 5b Satz 2 SGB V festgelegt worden sind, nicht zum Schutz des Vertragsarztes normiert, sondern sie dienen dem Interesse an der Verfahrensbeschleunigung und der effektiven Verfahrensdurchführung(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 20 unter Hinweis auf BSG USK 9596 S 526 und BSGE 76, 149, 152 = SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 21). Ein Verstreichen solcher Fristen stellt daher kein Hindernis für die Verfahrensdurchführung bzw für eine Sachentscheidung dar (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 20, 21; BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 20/09 R - RdNr 29; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 21). Dem Interesse des Vertragsarztes, nach längerer Zeit nicht mehr mit der Durchführung von Prüf- und Regressverfahren rechnen zu müssen, wird vielmehr durch die vierjährige Ausschlussfrist Rechnung getragen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 21).

28

cc) Diese Aussagen gelten nicht allein für unmittelbar auf der Grundlage des § 106 SGB V durchgeführte Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren, sondern auch in den Fällen, in denen den Prüfgremien nach § 106 SGB V durch Regelung im Bundesmantelvertrag die Prüfungskompetenz für "sonstige Schäden" übertragen worden ist. Es besteht keine Veranlassung, einer durch eine Prüfvereinbarung normierten Antragsfrist für die Feststellung eines "sonstigen Schadens" höheres Gewicht beizumessen, als diesen Fristen sonst zukommt - etwa bei Einzelfallprüfungen im Verordnungsbereich (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 sowie BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 20/09 R) oder bei Sprechstundenbedarfsprüfungen (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29). Die Gesichtspunkte, die das BSG für die Einordnung der in den Prüfvereinbarungen für Prüfverfahren nach § 106 SGB V geregelten Antragsfristen als bloße Ordnungsfristen angeführt hat, gelten auch für Regresse wegen "sonstiger Schäden".

29

Der Senat hat die Einordnung von Antragsfristen als Ordnungsfristen damit begründet, dass es der Zielrichtung der Regelungen - dh der Verfahrensbeschleunigung - und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- und Verordnungsweisen zuwiderlaufen würde, wenn man aus einer verspäteten Antragstellung ein Verfahrenshindernis herleiten würde (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 20; BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 20/09 R - RdNr 30). Es ist nicht erkennbar, dass die in § 14 Abs 4 PrüfV normierte Antragsfrist eine andere Zielrichtung haben könnte als andere in Prüfvereinbarungen geregelte Antragsfristen. Ebenso steht außer Frage, dass der Grundsatz, dass das Abrechnungs- und Verordnungsverhalten aller Ärzte zu jeder Zeit einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen muss (stRspr des BSG, vgl BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 61 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 19 am Ende), auch für den Bereich des "sonstigen Schadens" gilt: Der Vertragsarzt ist auch insoweit zur Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet; dass es auch bei der Feststellung "sonstiger Schäden" durch die Prüfgremien letztlich um nichts anderes als die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots geht, folgt bereits daraus, dass eine Aufgabenübertragung auf die Prüfgremien nur innerhalb des Rechtszwecks der "Gewährleistung einer wirtschaftlichen Versorgung der Kranken" zulässig ist (vgl ua BSGE 55, 144, 150 = SozR 2200 § 368n Nr 26 S 79; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 11 mwN).

30

Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des BSG selbst ein Fehlen des nach früherem Recht (§ 106 Abs 5 Satz 1 SGB V bis zum 31.12.1999 geltenden aF) für Wirtschaftlichkeitsprüfungen gesetzlich vorgeschriebenen Antrags nicht der Durchführung eines Prüfverfahrens entgegenstand (siehe hierzu BSGE 76, 149 = SozR 3-2500 § 106 Nr 28; BSG, Urteil vom 20.9.1995 - 6 RKa 63/94 - USK 9596 S 525 f), weil der aus dem Fehlen der Antragstellung resultierende Verfahrensmangel durch die Nachholung der Antragstellung - ggf auch noch nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens - geheilt werden konnte. Wenn aber ein Antrag jederzeit nachgeholt werden kann, kann antragsbezogenen Fristen keine verfahrenshindernde Bedeutung zukommen.

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Im Übrigen ist auch kein sachlicher Grund für eine unterschiedliche verfahrensrechtliche Behandlung der für Verordnungsregresse und "sonstige Schäden" maßgeblichen Antragsfristen erkennbar. In beiden Fällen erfolgt die Entscheidung durch dieselben Gremien sowie im Grundsatz (abgesehen vom Verschuldenserfordernis und vom Eingreifen von Verjährungsvorschriften anstelle der Ausschlussfrist) nach den gleichen Maßstäben.

32

Einer Übertragung der vom BSG für "originäre" Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 SGB V gemachten Aussagen zur Unbeachtlichkeit von Fristversäumnissen auf "sonstige Schäden" nach § 48 Abs 1 BMV-Ä steht nicht entgegen, dass hier nicht die - für Wirtschaftlichkeitsprüfungen maßgebliche - vierjährige Ausschlussfrist Anwendung findet, sondern die Geltendmachung eines "sonstigen Schadens" als ein gegen den Vertragsarzt gerichteter Schadenersatzanspruch der Verjährung unterliegt(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 20 mwN), mithin Verjährungsfristen gelten. Denn von ihrer Funktion her - nämlich in Vollziehung des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtssicherheit zu verhindern, dass ein Arzt zeitlich unbegrenzt Forderungen ausgesetzt ist (vgl BSG aaO RdNr 28) - stehen sich Ausschluss- und Verjährungsfristen gleich. In beiden Fällen ist der betroffene Arzt gleichermaßen geschützt. Zwar ist der Eintritt der Verjährung auch im Bereich des Vertragsarztrechts nur auf Einrede zu beachten (BSGE 79, 97, 104 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 8); es steht dem Vertragsarzt aber jederzeit frei, diese Einrede zu erheben.

33

3. Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten ist im Sinne einer Verpflichtung des Beschwerdeausschusses begründet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats neu über den Widerspruch zu entscheiden, den die Klägerin gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 27.3.2006 erhob. Der Beklagte hat zu Unrecht die Entscheidung des Prüfungsausschusses bestätigt, dass die Anträge der Klägerin wegen Nichteinhaltung der Antragsfrist unzulässig seien, und damit die seinem verwaltungsmäßigen Aufgabenbereich zugehörenden inhaltlichen Feststellungen insgesamt nicht getroffen.

34

Bei seiner erneuten Entscheidung wird der Beklagte zu beachten haben, dass die Feststellung eines "sonstigen Schadens" nach der Rechtsprechung des Senats verschuldensabhängig ist (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 283; BSG, Urteil vom 30.1.2002, B 6 KA 9/01 R, USK 2002-110; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12; BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27 RdNr 30; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 22, 25; siehe auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 26). Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass § 48 Abs 1 BMV-Ä im Gegensatz zu seiner Vorläufervorschrift(§ 38 BMV-Ä idF vom 28.9.1990) und zu § 23 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte kein ausdrückliches Verschuldenserfordernis mehr enthält. Wie bereits dargelegt, ist der Anspruch auf Ersatz eines "sonstigen Schadens" vom Schadenersatzanspruch nach bürgerlichem Recht abgeleitet, der - wie dem Grunde nach alle Schadenersatzansprüche - verschuldensabhängig ist. Etwas anderes gilt nur für solche Schadenersatzansprüche, die - wie Verordnungsregresse, soweit sie nicht lediglich die Art und Weise der Ausstellung der Verordnung betreffen - unmittelbar dem Rechtsbereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V zugeordnet sind(vgl ua BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 38 S 212; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 283 f). Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Partner des Bundesmantelvertrages das Verschuldenserfordernis für "sonstige Schäden" bei der Neufassung des § 48 Abs 1 BMV-Ä hätten ausschließen wollen. Dies gilt jedenfalls, soweit "sonstige Schäden" in dem durch die Rechtsprechung des Senats definierten Sinne (siehe unter 2. b aa) betroffen sind.

35

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens vor dem BSG und dem SG zu tragen, da er unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Übernahme der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da sie keinen Antrag gestellt hat.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. April 2014 aufgehoben. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 2. November 2011 geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2008 bleibt nur insoweit aufgehoben, als ein Regress von mehr als 72 672,10 Euro festgesetzt worden ist. Im Übrigen werden die Berufung des Beklagten und die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 4/5 und der Beklagte trägt 1/5 der Kosten des Revisionsverfahrens und des Klageverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Der Kläger trägt 4/5 der Kosten des Berufungsverfahrens; der Beklagte und der Beigeladene zu 8) tragen je 1/10 der Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) bis 7).

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Arzneimittelregresses wegen Überschreitung der Richtgrößen in den Quartalen I/2005 bis IV/2005.

2

Der Kläger ist als praktischer Arzt in D. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf (AG) vom 1.2.2003 (Az 504 IN 143/01) wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beigeladene zu 8) zum Insolvenzverwalter bestellt. Eine Freigabe des Vermögens aus der selbstständigen Tätigkeit des Klägers als Arzt erfolgte nicht. Mit Beschluss des AG vom 25.2.2010 wurde dem Kläger die Restschuldbefreiung erteilt. Die Schlussverteilung wurde noch nicht vollzogen, sodass das AG das Insolvenzverfahren bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens noch nicht abgeschlossen hatte.

3

Nach Prüfung der Arzneimittelverordnungen des Klägers in den Quartalen I/2005 bis IV/2005 setze der Prüfungsausschuss wegen Überschreitung der Richtgrößen einen Regress in Höhe von 91 928,63 Euro fest. Auf den Widerspruch des Klägers reduzierte der beklagte Beschwerdeausschuss den Regress auf 90 840,13 Euro. Beide Bescheide wurden allein dem Kläger und nicht auch dem Beigeladenen zu 8) zugestellt.

4

Das SG Düsseldorf hat den Bescheid des Beklagten aufgehoben. Der Regress hätte nicht gegen den Kläger, sondern gegen den Insolvenzverwalter (Beigeladener zu 8) geltend gemacht werden müssen, weil er einen Zeitraum nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreffe.

5

Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.4.2014).

6

Der angefochtene Bescheid ist nach Auffassung des LSG zutreffend gegenüber dem Kläger und nicht dem Beigeladenen zu 8) erlassen worden. Die Regressforderung sei erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, so dass sie nicht als Insolvenzforderung iS des § 35 Insolvenzordnung (InsO), sondern als Neuforderung zu qualifizieren sei. Hiervon zu trennen sei die Frage der Durchsetzbarkeit der Forderung. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Regressforderung auch keine Masseforderung iS des § 55 InsO.

7

Auch materiell sei der Bescheid des Beklagten nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der getroffenen Regelungen in § 5 Abs 4 der Richtgrößenvereinbarung (RGV) stehe den Vertragspartnern ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer normativer Gestaltungsspielraum zu. Dass dessen Grenzen überschritten seien bzw dass die getroffenen Regelungen gegen höherrangiges Recht verstoßen könnten, habe der Kläger bislang nicht dargetan und sei ansonsten auch nicht ersichtlich. Der Bescheid des Beklagten sei auch nicht deswegen rechtswidrig, weil keine Vereinbarung iS von § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V angeboten worden sei. Für die Anwendung der Regelung bestehe kein Raum mehr, wenn das Verfahren vor dem Prüfungsausschuss bzw der Prüfungsstelle abgeschlossen sei. Nachfolgend könne ein Vertragsarzt auch keine Ansprüche daraus herleiten, dass - aus welchen Gründen auch immer - keine Vereinbarung getroffen worden sei. Die Regelung in § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V sei als sanktionslose "Sollvorschrift" ausgestaltet. Etwas anderes ergebe sich auch nicht im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zu § 106 Abs 5d SGB V. Zwar seien die Prüfgremien verpflichtet, in Verhandlungen über den Abschluss einer individuellen Richtgrößenvereinbarung (IRV) einzutreten und dürften den Abschluss der IRV nicht aus sachfremden Gründen vereiteln, wenn der geprüfte Arzt von sich aus Interesse am Abschluss einer IRV bekunde oder sogar den Abschluss einer IRV beantrage. Diese Pflicht beschränke sich jedoch auf IRVen nach § 106 Abs 5d SGB V und sei nicht auf die Reglungen zum Abschluss von Regressvereinbarungen nach § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V übertragbar.

8

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, entgegen der Auffassung des LSG seien Regressforderungen, die sich - wie vorliegend - auf Prüfzeiträume nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezögen, als Masseforderungen iS des § 55 InsO anzusehen, die gegen den Insolvenzverwalter, also den Beigeladenen zu 8), geltend zu machen seien. Auch Einkünfte aus der Fortführung der Praxis gehörten nach § 35 InsO nach der Insolvenzeröffnung zur Insolvenzmasse und zwar in vollem Umfang und nicht lediglich in Höhe des nach Abzug von Ausgaben verbleibenden Gewinns. Dementsprechend müssten die Ausgaben, die mit den während des Insolvenzverfahrens in eigener Praxis erzielten Einkünften verbunden seien, nach der Rechtsprechung des BGH auch von der Masse getragen werden. Gleiches gelte auch für die im Rahmen des weitergeführten Praxisbetriebes eines Arztes entstandenen Regresse, die einen Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beträfen. Wenn die Einkünfte, die ein Arzt nach der Insolvenzeröffnung aus seiner ärztlichen Tätigkeit erziele, zur Insolvenzmasse gehörten, damit mit diesen Geldern die Insolvenzgläubiger befriedigt werden könnten, müssten konsequenterweise auch Regresse, die aus der Fortführung der Praxis resultierten, aus der Masse bedient werden.

9

Der angefochtene Bescheid sei darüber hinaus auch in materieller Hinsicht rechtswidrig. Zum einen seien vorliegende Praxisbesonderheiten nicht vollständig, sondern lediglich in Höhe des Anteils der Mehrkosten gegenüber der Vergleichsgruppe als Abzugsposten berücksichtigt worden. Dies sei schon deshalb systemwidrig, weil in § 5 Abs 4 der Anlage 2 zur RGV 2005 Indikationsgebiete aufgelistet worden seien, hinsichtlich derer darauf entfallende Verordnungskosten noch in früheren Zeiträumen vollständig als Praxisbesonderheiten zugrunde gelegt und demzufolge auch von der Bruttoverordnungssumme vollständig in Abzug gebracht worden seien (zB Insulintherapie, Behandlung der Schizophrenie mit atypischer Neuroleptika). Eine Rechtfertigung für eine nur noch anteilige Berücksichtigung vorhandener Praxisbesonderheiten bestehe nicht. Entsprechend den Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung seien die ersten Richtgrößen auf der Basis der durchschnittlichen Verordnungskosten einer Fachgruppe nach Abzug vorhandener Praxisbesonderheiten festgelegt worden. Im Rahmen der Richtgrößenprüfung sei daher vorgesehen, dass Kosten für die Verordnung von Arzneimitteln, die als Praxisbesonderheiten anzusehen seien, abgezogen werden müssten. Für die Anpassung von Richtgrößen schreibe § 84 Abs 2 SGB V vor, dass im Einzelnen dort aufgeführte Punkte zu berücksichtigen seien. Bei den maßgeblichen Indikationsgruppen hätten sich jedoch von 2004 auf 2005 keine relevanten Änderungen ergeben. Folglich sei ein Grundprinzip der Richtgrößenprüfung verletzt: Obwohl die Richtgröße gegenüber früheren Jahren leicht gesenkt worden sei, sollten nun Verordnungen für Arzneimittel, die bei der Kalkulation der Richtgrößen unberücksichtigt geblieben seien, im Rahmen der Richtgrößenprüfverfahren nicht mehr vollumfänglich als Praxisbesonderheiten in Abzug gebracht werden. Der Bescheid sei des Weiteren auch deshalb rechtswidrig, weil ihm - dem Kläger - keine Vereinbarung iS des § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V angeboten worden sei. Dazu seien die Prüfgremien verpflichtet, wie sich vor allem aus dem BSG-Urteil vom 28.8.2013 - B 6 KA 46/12 R - ergebe. Dieses Urteil befasse sich zwar grundsätzlich nur mit dem § 106 Abs 5d Satz 1 SGB V, doch habe das BSG auch einen "Quervergleich" mit der Vorschrift des § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V gezogen, um zu begründen, dass - anders als bei § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V - keine Verpflichtung der Prüfgremien bestehe, auf den Abschluss einer IRV hinzuwirken.

10

An der Rüge einer unzureichenden altersgemäßen Aufgliederung der Patientengruppen bei der Berechnung der Richtgrößen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung des Senats nicht festgehalten.

11

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. April 2014 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 2. November 2011 zurückzuweisen.

12

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Das LSG habe zutreffend den Regress insolvenzrechtlich als Neugläubigerforderung qualifiziert. Regresse für einen zeitlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Prüfzeitraum unterlägen nicht der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Die Regressforderung werde auch nicht dadurch zu einer Masseschuld, dass sie aus der vertragsärztlichen Tätigkeit resultiere, die ihrerseits dem Neuerwerb von Vermögen diene, das nach § 35 InsO zu dem unter Beschlag stehenden Aktivvermögen gehöre. Nicht jede mit dem Neuerwerb verbundene Ausgabe sei auch von der Masse zu tragen. Die Rechtsprechung des BGH könne nur so verstanden werden, dass veranlasste Verpflichtungen dem Neuerwerb zumindest zweckdienlich und förderlich sein müssten. Dies treffe auf einen Regress nicht zu.

14

Hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit des Bescheides verkenne der Kläger, dass der Begriff der Praxisbesonderheiten im Rahmen der Richtgrößenprüfung nicht anders zu verstehen sei als im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten. Es bestehe ein Beurteilungsspielraum bei der Bestimmung der von der Fachgruppentypik abweichenden Mehrkosten bei Behandlung praxisbesonderheitenrelevanter Erkrankungen. Damit werde dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach §§ 12, 70 SGB V Rechnung getragen. Hinsichtlich der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten habe sich zwischen 2004 und 2005 keine Änderung ergeben. Die Anerkennung von Praxisbesonderheiten nach den vom Kläger angeführten Anpassungskriterien nach § 84 Abs 2 SGB V habe nichts mit der Richtgrößenbildung zu tun. Die Richtgrößen basierten im Ansatz auf Bruttoverordnungskosten, ohne dass dabei auf Praxisbesonderheiten entfallende Arzneikosten in Abzug gebracht würden. Warum sinkende Richtgrößen dann gleichsam nach dem Prinzip kommunizierender Röhren den Umfang der Anerkennung von Praxisbesonderheiten vergrößern sollten, sei nicht ersichtlich. Der Bescheid sei auch ungeachtet dessen, dass die Prüfungsgremien dem Kläger keinen Vergleich gemäß § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V zur vorzeitigen Verfahrensbeendigung angeboten hätten, nicht aufzuheben. Das ergebe sich aus § 42 Satz 1 SGB X. Das Begehren des Klägers sei von Beginn an darauf gerichtet gewesen, einen Regress bereits dem Grunde nach abzuwehren. Hinzu komme, dass der Kläger sich im Verfahren vor dem Prüfungsausschuss überhaupt nicht geäußert, geschweige denn Vergleichsbereitschaft gezeigt habe. Vor diesem Hintergrund hätte ein Angebot des Beklagten, selbst wenn dieser dazu nach dem Sinn und Zweck der Regelung noch verpflichtet gewesen wäre, die Entscheidung nicht beeinflusst. Verhalten und Argumentation des Klägers seien auf das Bestreiten jeder Unwirtschaftlichkeit ausgerichtet gewesen.

15

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

16

Die zu 7) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung hält die insolvenzrechtliche Behandlung des Regresses als Masseverbindlichkeit für richtig. Der zu 8) beigeladene Insolvenzverwalter ist mit dem LSG der Auffassung, § 55 InsO erfasse Verordnungsregresse wegen Überschreitung der Richtgrößen nicht.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision des Klägers ist teilweise erfolgreich.

18

Der Bescheid vom 5.2.2008 ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil er gegenüber dem Kläger ergangen ist (1.). Der Bescheid leidet aber daran, dass dem Kläger nicht vor der Festsetzung eine Vereinbarung gemäß § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V angeboten wurde(2.). Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig (3.). Der Regressbetrag ist wegen der unterlassenen Hinwirkung auf eine Vereinbarung um 20 % zu reduzieren (4.).

19

1. Der Beklagte hat den Bescheid über einen Kostenregress wegen Überschreitung des Richtgrößenvolumens für Arzneimittel im Jahr 2005 zu Recht an den Kläger gerichtet. Der zu 8) beigeladene Insolvenzverwalter wäre nur dann richtiger Adressat des Bescheides gewesen, wenn die vom Beklagten festgesetzte Regressforderung der Krankenkassen eine Masseverbindlichkeit iS des § 55 InsO begründet hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Beide Alternativen des § 55 Abs 1 Nr 1 InsO sind nicht erfüllt.

20

a) Der Regress wegen Überschreitung der RGV ist nicht iS des § 55 Abs 1 Nr 1 Alt 1 "durch Handlungen des Insolvenzverwalters" begründet worden. Ungeachtet der insolvenzrechtlichen Verstrickung der Praxis des Klägers im streitbefangenen Zeitraum war dieser - und nicht der Insolvenzverwalter - an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligt. Der Kläger war auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen; der Zulassungsstatus als Grundlage der Teilnahme des Arztes an der vertragsärztlichen Versorgung (§ 95 Abs 3 SGB V) erlischt nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und geht auch nicht auf den Insolvenzverwalter über (BSGE 86, 121, 123 = SozR 3-5520 § 24 Nr 4 S 16). Nur der Kläger und nicht (auch) der Verwalter durfte deshalb Arzneimittel verordnen (§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V); jede Mitwirkung oder Einflussnahme des nicht zur Ausübung der Heilkunde am Menschen (§ 2 Bundesärzteordnung) berechtigten Insolvenzverwalters am bzw auf das Verordnungsverhalten des Klägers ist ausgeschlossen. Ein Arzt, der nicht ohne Abstimmung mit einer anderen Person seine vertragsärztliche Tätigkeit ausüben darf, ist für diese Tätigkeit ungeeignet, sodass ihm die Zulassung nach § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V entzogen werden müsste. Das hat der Senat zur Situation eines Arztes entschieden, dessen Approbation dahin eingeschränkt war, dass er seine Praxis nur gemeinsam mit einem anderen Arzt während dessen Anwesenheit in seiner Praxis ausüben durfte (Beschluss vom 17.8.2011 - B 6 KA 18/11 B - RdNr 10). Die vertragsärztliche Tätigkeit wird nicht mehr in "freier Praxis" (§ 32 Abs 1 Satz 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte) ausgeübt, wenn der Arzt in beruflicher Hinsicht von den Vorgaben einer anderen Person abhängig ist. Die Verordnungen des Klägers aus dem Jahr 2005, die den hier streitbefangenen Regress ausgelöst haben, sind deshalb nicht im rechtlichen Sinne (auch) Handlungen des Verwalters. Das gilt unabhängig davon, ob dieser die Fortführung der Praxis durch den Kläger gebilligt oder nur hingenommen hat.

21

b) Der Regress ist auch nicht "in anderer Weise durch die Verwaltung … der Insolvenzmasse begründet" worden (§ 55 Abs 1 Nr 1, Alt 2 InsO). Damit sind Verbindlichkeiten gemeint, die automatisch durch ein Verhalten des Insolvenzverwalters entstehen, auch ohne dass dieser die Begründung einer Verbindlichkeit bezweckt hat (Leithaus in Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl 2014, § 55 RdNr 6). Erfasst sind insbesondere Verbindlichkeiten, die kraft Gesetzes entstehen (Jarchow in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl 2015, § 55 RdNr 8). Das betrifft etwa die Sozialversicherungsbeiträge für die Mitarbeiterinnen in der Praxis des Klägers und die Beiträge zum ärztlichen Versorgungswerk (vgl zB Bayerischer VGH vom 28.11.2005 - 9 ZB 04.3254 - Juris RdNr 17). Wenn eine freiberufliche Praxis mit Einverständnis des Insolvenzverwalters aber ohne Freigabe nach § 35 Abs 2 InsO fortgeführt wird, gelangen die aus dieser Tätigkeit erzielten Honorare zur Masse, und die mit dieser Betriebsfortführung zwingend und untrennbar verbundenen Forderungen Dritter sind sonstige Masseverbindlichkeiten. Das gilt etwa auch für Ansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) als Folge von Honorarberichtigungen nach § 106a Abs 1 SGB V, soweit dem Arzt in einem Quartal nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst zu viel Honorar ausgezahlt worden ist. Die Verpflichtung des Arztes zur Rückzahlung überzahlten Honorars ist untrennbar mit der Teilnahme an der vertragsärztlichen Honorarverteilung verbunden. Wenn der Honorarbescheid der KÄV für Quartale einer Praxisfortführung unter wirtschaftlicher Verantwortung des Verwalters zumindest auch an diesen zu richten ist, weil die Honorare zur Masse gehören, kann für Berichtigungen und daraus abgeleitete Rückforderungen in dem Sinne nichts anderes gelten, als dass es sich um sonstige Masseverbindlichkeiten handelt. Ein derart zwingender Zusammenhang besteht indessen zwischen der Fortführung der Praxis im Einverständnis mit dem Verwalter oder jedenfalls mit dessen Duldung und der Verursachung eines Arzneikostenregresses wegen Überschreitung von Richtgrößen nicht.

22

Der Arzt hat bei Überschreitung des für seine Praxis maßgeblichen Richtgrößenvolumens nach § 84 Abs 6 SGB V um mehr als 25 % den "Mehraufwand" den Krankenkassen zu erstatten(§ 106 Abs 5a Satz 3 SGB V). Die Erstattungspflicht besteht danach nur, wenn der Vertragsarzt trotz einer Beratung nach § 106 Abs 1a SGB V das - der Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebotes(§ 12 Abs 1 SGB V) bei der Verordnung von Arzneimitteln dienende - Richtgrößenvolumen seiner Praxis deutlich überschritten hat. Ein solches Verhalten ist weder rechtlich noch tatsächlich zwingend mit der Fortführung einer Praxis im Einverständnis mit dem Verwalter verbunden. Die normativen Vorgaben über die wirtschaftliche Verordnung von Arzneimitteln zielen gerade darauf ab, die Verhängung von Regressen zu vermeiden. Die Richtgrößen bilden das Verordnungsvolumen der Arztgruppe ab, Praxisbesonderheiten werden in einem geregelten Verfahren berücksichtigt (§ 106 Abs 5a Satz 7 SGB V), und ein Regress kann grundsätzlich nur festgesetzt werden, wenn der Arzt in einem förmlichen Verfahren über ein wirtschaftliches Verordnungsverhalten beraten worden ist (§ 106 Abs 5e SGB V; dazu Senatsurteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 8/14 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 49).

23

Auch tatsächlich betreffen Regresse wegen der Überschreitung des Richtgrößenvolumens keineswegs alle Ärzte oder auch nur einen größeren Anteil von ihnen. Die Bundesregierung hat am 1.9.2011 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mitgeteilt, für das Jahr 2007 seien weniger als 1 % der Vertragsärzte tatsächlich von Regressen betroffen gewesen, bei 2,7 % der niedergelassenen Ärzte seien überhaupt nur Verfahren auf Richtgrößenprüfung eingeleitet worden (BT-Drucks 17/6879 S 1, 4). Die insgesamt über Richtgrößenregresse realisierten Forderungen der Krankenkassen beliefen sich auf 21 Mio Euro (2007, bundesweit ohne Bayern und Niedersachsen) bzw 17,5 Mio Euro (2008, bundesweit ohne Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern). Das sind - vereinfacht - bei Arzneimittelausgaben der Krankenkassen von mehr als 30 Mrd Euro im Jahr deutlicher weniger als 0,1 %.

24

Die normative wie die tatsächliche Lage zeigt, dass mit Arzneikostenregressen auf ein beharrliches Fehlverhalten einzelner Ärzte in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit bei der Arzneimittelverordnung reagiert wird, und solche Regresse in keiner Weise zwingend mit der Führung einer vertragsärztlichen Praxis verbunden sind. Regressforderungen von Krankenkassen wegen Überschreitung des Richtgrößenvolumens stehen wertungsmäßig Haftungsansprüchen gleich, die nach Eröffnung des Verfahrens durch die Insolvenzschuldner oder dessen Geschäftsführer als Folge von Pflichtverletzungen begründet worden sind. Diese sind keine Massenverbindlichkeiten (BFH vom 21.7.2009 - VII R 50/08). Nicht entscheidend ist insoweit, dass die Festsetzung eines Regresses nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V kein Verschulden voraussetzten.

25

2. Der Bescheid des Beklagten ist aber deshalb teilweise rechtswidrig, weil weder der Prüfungsausschuss noch der Beklagte vor der Festsetzung des Regressbetrages auf eine Vereinbarung iS des § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V hingewirkt haben.

26

Nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss (ab 1.1.2008: die Prüfungsstelle) den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Weiter heißt es in Satz 4: "Die Prüfungsstelle soll vor ihren Entscheidungen und Festsetzungen auf eine entsprechende Vereinbarung mit dem Vertragsarzt hinwirken, die eine Minderung des Erstattungsbetrages um bis zu einem Fünftel zum Inhalt haben kann". § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V normiert eine Hinwirkungspflicht der Prüfgremien. Sowohl der Prüfungsausschuss (jetzt: Prüfungsstelle) als auch der Beklagte sind auch in den Fällen, in denen der Vertragsarzt nicht von sich aus eine Vereinbarung beantragt oder sich diesbezüglich äußert, verpflichtet, auf eine Vereinbarung hinzuwirken.

27

a) Für die Regelung des § 106 Abs 5d SGB V, wonach ein zu erstattender Mehraufwand abweichend von § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V nicht festgesetzt wird, "soweit die Prüfungsstelle mit dem Arzt eine individuelle Richtgröße vereinbart", hat der Senat entschieden, dass damit keine Verpflichtung der Prüfgremien statuiert wird, dem zu prüfenden Vertragsarzt von sich aus den Abschluss einer derartigen Vereinbarung anzubieten oder in sonstiger Weise hierauf hinzuwirken (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 16 ff). Begründet wurde dies insbesondere durch den Vergleich mit der hier einschlägigen Regelung des § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V. Anders als bei § 106 Abs 5d SGB V ist in § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V ausdrücklich bestimmt, dass die Prüfungsstelle vor ihren Entscheidungen und Festsetzungen auf den Abschluss einer (der Festsetzung) entsprechenden Vereinbarung "hinwirken soll". Auch in der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets (, vom 19.12.2001, BGBl I 3773) wird hervorgehoben, dass die Regelung den Prüfungsausschuss "anhalte", eine vertragliche Vereinbarung mit dem Arzt herbeizuführen (Gesetzentwurf zum ABAG, BT-Drucks 14/6309 S 11 zu Nr 4 <§ 106> Buchst b). Aufgrund dieser unterschiedlichen Wortlaute des § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V und des § 106 Abs 5d SGB V ist der Senat für § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V von einer "Hinwirkungspflicht" ausgegangen, bei § 106 Abs 5d SGB V dagegen nicht.

28

Die unterschiedlichen Vorgaben im Normtext des § 106 Abs 5a Satz 4 und Abs 5d SGB V sind - wie der Senat ausgeführt hat - auch sachlich begründet. Zwar haben beide Regelungen gemein, dass sie auf eine freiwillige Vereinbarung zwischen Prüfungsausschuss bzw Prüfungsstelle und Vertragsarzt abzielen. Der Charakter beider Maßnahmen ist ansonsten jedoch grundverschieden: § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V erleichtert die Durchsetzung eines Regresses, indem er eine begrenzte Reduzierung des an sich fälligen Regressbetrages im Gegenzug zu einem Verzicht des Arztes auf eine förmliche Entscheidung und ein gerichtliches Verfahren ermöglicht. Dies kommt auch in der Gesetzesbegründung (Gesetzentwurf zum ABAG, BT-Drucks 14/6309 S 11 zu Nr 4 <§ 106> Buchst b) zum Ausdruck, wenn es dort heißt, die Regelung ziele darauf ab, aufwändige und langwierige Streitverfahren möglichst zu vermeiden. Da die Prüfgremien auch ohne diese Vorschrift berechtigt wären, ein Prüfverfahren im Vergleichswege zu beenden, erweitert die Norm deren Handlungsmöglichkeiten nicht, sondern forciert lediglich (in engen Grenzen) den Abschluss derartiger Vergleiche. Demgegenüber ermöglicht § 106 Abs 5d Satz 1 SGB V, eine Prüfmaßnahme - die Festsetzung des Mehraufwandes - vollständig durch den Abschluss einer auf die Zukunft bezogenen IRV zu ersetzen, mithin auf die gesamte Forderung zu verzichten(so auch Gesetzentwurf zum GMG, BT-Drucks 15/1525 S 117 zu Nr 82 <§ 106> Buchst k: "Verzicht"). Die Chance, einen an sich auch der Höhe nach gerechtfertigten Regress für einen bereits abgelaufenen Zeitraum im Gegenzug gegen den Verzicht auf ein langjähriges Verfahren zu reduzieren, muss jeder Vertragsarzt erhalten. Über zukunftsbezogene IRVen müssen die Prüfgremien dagegen nur verhandeln, wenn der Vertragsarzt daran von sich aus Interesse zeigt, vor allem, weil aus der Vereinbarung einer IRV für die Zukunft besondere Handlungspflichten des Vertragsarztes resultieren.

29

b) Die Vereinbarung gemäß § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V ist nicht ausschließlich für das Verfahren vor der Prüfungsstelle vorgesehen(so aber - in Übereinstimmung mit dem LSG - auch Rompf/Weinrich in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, § 106 SGB V, Lfg 2/2014 - Stand 05/2015, Anm C 106-70). Zwar ist in § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V allein die Prüfungsstelle (nach dem bis 31.12.2007 geltenden Recht: der Prüfungsausschuss) genannt. Für die Vereinbarung der individuellen Richtgröße nach § 106 Abs 5d SGB V hat der Senat jedoch klargestellt, dass die Verpflichtung, einem Antrag bzw einer Anregung des geprüften Arztes auf Abschluss einer IRV nachzugehen, auch den Beschwerdeausschuss trifft(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 21). Das gilt auch für die verfahrensvermeidende Vereinbarung nach § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V. Dem Beschwerdeausschuss stehen - soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt - dieselben Handlungsmöglichkeiten bzw Kompetenzen wie der Prüfungsstelle zu. Danach rechtfertigen die Besonderheiten in der organisationsrechtlichen Stellung des Beschwerdeausschusses sowie die vielfältigen Unterschiede in der Ausgestaltung des Vorverfahrens nach dem SGG einerseits und des Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss andererseits die Bewertung, dass die Funktion des Beschwerdeausschusses nicht auf die einer Widerspruchsstelle beschränkt ist, sondern dass es sich bei dem Beschwerdeverfahren - dem Verfahren vor dem Berufungsausschuss nach § 97 SGB V vergleichbar - um ein eigenständiges und umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz handelt(BSGE 74, 59, 62 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 120; vgl auch BSGE 72, 214, 220 = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 11; BSG SozR 2200 § 368n Nr 36 S 118; BSGE 62, 24, 32 = SozR 2200 § 368n Nr 48 S 164; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 13.4.2011 - L 11 KA 121/10 B ER ua - Juris RdNr 38). Daher beschränkt sich die Aufgabe des Beschwerdeausschusses nicht darauf, die Entscheidung der Prüfungsstelle (bzw des Prüfungsausschusses) auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, sondern dieser wird mit seiner Anrufung für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- bzw Verordnungsweise des Arztes in vollem Umfang zuständig (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 22). Der Beklagte trifft als zweite Verwaltungsinstanz ggf die Feststellungen nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V. Entsprechend gilt für ihn auch die Vorgabe "Vertrag vor Verwaltungsakt" nach Satz 4 (vgl auch Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 08/14, § 106 RdNr 230).

30

Dem steht auch nicht der Zweck des § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V entgegen, aufwändige und langwierige Streitverfahren möglichst zu vermeiden(vgl Gesetzentwurf zum ABAG, BT-Drucks 14/6309 S 11 zu Nr 4 <§ 106> Buchst b). Dass nur die Prüfgremien von der Norm begünstigt werden sollen und allein die Verfahrensökonomie in deren Interesse im Vordergrund steht, wie das LSG annimmt, überzeugt nicht. Die Vermeidung langwieriger "Streitverfahren", womit auch ein sich anschließendes Gerichtsverfahren gemeint ist, entlastet auch den Vertragsarzt. Entsprechend leisten beide "Seiten" ihren Beitrag. Die Prüfgremien reduzieren den Regressbetrag bis zu einem Fünftel, und der Vertragsarzt begibt sich seiner weitergehenden Rechtsschutzmöglichkeiten. Auch wenn durch eine Vereinbarung vor dem Beschwerdeausschuss "nur" ein Gerichtsverfahren und nicht das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss vermieden wird, ist dem Zweck der Regelung noch gedient.

31

Für eine entsprechende Hinwirkungspflicht (auch) des Beschwerdeausschusses spricht, dass der Senat in Bezug auf Mitwirkungspflichten des Vertragsarztes in Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht zwischen der Prüfungsstelle und dem Beschwerdeausschuss differenziert. Vielmehr geht er hinsichtlich der Darlegungsobliegenheiten des Vertragsarztes davon aus, dass die erforderlichen Darlegungen grundsätzlich "gegenüber den Prüfgremien" (und nicht erst im nachfolgenden Gerichtsverfahren) zu erfolgen haben (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 41). Die Hinwirkungspflicht nach § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V trifft deshalb den Beschwerdeausschuss, wenn die Prüfungsstelle bzw der Prüfungsausschuss in dieser Hinsicht nichts unternommen haben.

32

c) Der Beklagte hat vor der Festsetzung des Regresses nicht auf eine Vereinbarung gemäß § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V hingewirkt und ist damit nicht seiner Hinwirkungspflicht nachgekommen. Bei § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V handelt es sich nicht um eine reine sanktionslose "Sollvorschrift". Die Verpflichtung entfällt nur dann, wenn der Vertragsarzt beispielsweise von vornherein klarstellt, am Abschluss einer derartigen Vereinbarung nicht interessiert zu sein (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 08/14, § 106 RdNr 230). Feststellungen in dieser Richtung hat das LSG nicht getroffen.

33

d) Die Nichtbeachtung der Hinwirkungspflicht durch den Beklagten ist nicht im Hinblick auf § 42 Satz 1 SGB X unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Es bedarf keiner Entscheidung, ob es sich bei der Hinwirkungspflicht nach § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V um eine Verfahrensvorschrift handelt. Als Verfahrensregeln in diesem Sinne sind allgemein diejenigen Normen anzusehen, die für das Verfahren von seiner Einleitung bis zu seinem Abschluss gelten (Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 42 SGB X, RdNr 29). Die Vorschrift des § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V könnte zumindest als eine solche Norm qualifiziert werden, weil sie das Hinwirken auf eine entsprechende Vereinbarung noch vor der Entscheidung und Festsetzung vorsieht(anders Wehebrink in BeckOK SGB V, Stand 6/2015, § 106 RdNr 11-15, der von einer Regelung auf der Rechtsfolgenseite ausgeht).

34

Es fehlt jedenfalls an dem Tatbestandsmerkmal der Offensichtlichkeit der Nichtbeeinflussung der Entscheidung in der Sache. Insbesondere bei der Feststellung und Bewertung der Praxisbesonderheiten steht den Prüfgremien auch im Rahmen von § 106 Abs 5a SGB V ein Beurteilungsspielraum zu(vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 14). In Konstellationen, in denen der Behörde ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum eingeräumt wird, kommt es nicht auf die "rechtliche Alternativlosigkeit" der Entscheidung, sondern auf den Gang des Entscheidungsprozesses und den Einfluss des Verfahrensfehlers auf diesen Gang an (Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 42 RdNr 12). Von einer solchen "faktische Alternativlosigkeit" (BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 9 RdNr 30; Steinwedel in Kasseler Komm, Stand April 2015, § 42 SGB X RdNr 8) kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Zwar hat sich der Kläger im Verfahren vor dem Prüfungsausschuss nicht geäußert, sein Widerspruch gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses war darauf gerichtet, den Regress dem Grunde nach abzuwehren und auch eine mündliche Verhandlung beim Beklagten hat er nicht beantragt. Allein daraus kann aber noch nicht geschlossen werden, dass - sofern der Beklagte die Möglichkeit einer Vereinbarung nach § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V angesprochen hätte - er darauf mit Sicherheit nicht eingegangen wäre. Das zeigt sich schon daran, dass er in seinem Widerspruchsschreiben vom 14.9.2007 zwar gegen die festgestellte Unwirtschaftlichkeit seiner Verordnungspraxis argumentierte, aber auch darauf hinwies, dass er bereits einen Antrag auf Erhöhung seines "Medikamentenbudgets" gestellt und sich "bei der KV zu einer Beratung angemeldet" habe. Dass der Kläger zu keinem Entgegenkommen bereit wäre, ergibt sich daraus zumindest nicht. Es ist zudem nicht sicher, ob dem im Verwaltungsverfahren nicht anwaltlich vertretenen Kläger überhaupt bewusst war, dass die Möglichkeit einer vergleichsweisen Einigung bestand.

35

3. Inhaltlich ist die Festsetzung des Regresses jedoch nicht zu beanstanden.

36

a) Soweit der Kläger noch im Berufungsverfahren die Aufgliederung der Versicherten durch die RGV lediglich in Allgemeinversicherte und Rentner beanstandet hatte, hat sich diese Frage durch das nach Erlass des Berufungsurteils ergangene Senatsurteil vom 22.10.2014 (B 6 KA 8/14 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 53) erledigt. Das hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch so gesehen.

37

b) Art und Umfang der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten durch den Beklagten sind nicht zu beanstanden. Ebenso wie bei der Prüfung nach Durchschnittswerten besteht auch bei einer Richtgrößenprüfung ein Beurteilungsspielraum der Prüfgremien, soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36). Der Begriff der Praxisbesonderheiten ist hier nicht anders zu verstehen als im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35; Clemens in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 123 Fn 129). Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35). Seit dem 1.1.2004 verpflichtet § 106 Abs 5a Satz 5 SGB V(idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 - BGBl I 2190) die Vertragspartner, in der Prüfungsvereinbarung Maßstäbe für die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten zu bestimmen.

38

In § 5 der Anlage 2 zur Vereinbarung über Richtgrößen für Arznei- und Verbandmittel 2005(RGV 2005; veröffentlicht im Rheinischen Ärzteblatt I/2005) wurden pauschal anzuerkennende Praxisbesonderheiten festgelegt, hinsichtlich derer abweichend vom üblichen Grundsatz die Beweislast nicht beim betreffenden Arzt liegt (§ 5 Abs 2 der Anlage 2 zur RGV 2005). Anders als die in § 5 Abs 3 der Anlage 2 zur RGV 2005 genannten Indikationsgebiete, bezüglich derer sämtliche darauf entfallende Verordnungskosten regelmäßig als Praxisbesonderheiten zugrunde zu legen sind, sind in § 5 Abs 4 der Anlage 2 zur RGV 2005 Indikationsgebiete genannt, bei denen (nur) die von der Arztgruppentypik abweichenden Mehrkosten grundsätzlich als Praxisbesonderheiten zugrunde zu legen sind. Die Mehrkosten sind regelmäßig aufgrund der Fall- bzw Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe zu berücksichtigen. Entsprechend dieser Vorgabe hat der Beklagte die Praxisbesonderheiten in der Praxis des Klägers ermittelt. Er hat insbesondere im Einzelnen die jeweilige Verordnungssumme der Vergleichsgruppe aufgelistet und die darüber hinausgehenden Verordnungskosten des Klägers ermittelt. Damit ist sachgerecht abgebildet, in welchem Umfang diese Indikationen im Durchschnitt Mehrkosten verursachen.

39

Die Regelung in § 5 Abs 4 der Anlage 2 zur RGV 2005 verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Hinsichtlich der im Einzelnen getroffenen Regelungen steht den Vertragspartnern nach § 106 Abs 5a Satz 5 SGB V ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer normativer Gestaltungsspielraum zu(vgl Freudenberg in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 84 SGB V, RdNr 108). Dass die Vertragspartner in § 5 der Anlage 2 zur RGV 2005 hinsichtlich der Verordnungskosten für bestimmte Indikationsgebiete eine "volle Anerkennung" vorgesehen haben(Abs 3), für andere dagegen auf die Feststellung eines Mehrbedarfes abstellen (Abs 4) überschreitet die Grenzen des Gestaltungsspielraumes nicht (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 9.2.2011 - L 11 KA 38/09 - Juris, RdNr 34; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 08/14, § 106 RdNr 454). Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich zB bei den Arzneimitteltherapien wie der Insulin-Therapie bei insulinpflichtigem Diabetes oder der Behandlung von Schizophrenie mit atypischen Neuroleptika um Therapien handelt, die für die jeweilige Fachgruppe keine Besonderheit darstellen, aber sehr teuer sind (vgl KVNOextra Arzneimittel- und Heilmittelregress 2005, S 13) und deshalb die betroffenen Arzneimittel grundsätzlich bei der Bildung der Richtgrößen einbezogen sind, besteht keine Verpflichtung, die entsprechenden Verordnungen pauschal vorab als Praxisbesonderheit anzuerkennen (BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2, RdNr 39).

40

Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass noch im Jahr 2003 (nicht, wie vom Kläger behauptet, im Jahr 2004) die Verordnungskosten für die streitgegenständlichen Indikationsgebiete vollständig als Praxisbesonderheiten von der Verordnungssumme abgezogen wurden (vgl RGV 2003, Rheinisches Ärzteblatt 3/2003, S 80). Die vorgenommene Änderung zum 1.1.2004 war von dem den Vertragspartnern zustehenden Gestaltungsspielraum gedeckt. Sie reagierten damit auf den nach Einschätzung der zu 7) beigeladenen KÄV auch von der Pharmaindustrie gesteuerten Kostenschub bezogen auf die Verordnungskosten der streitgegenständlichen Arzneimittel, wie den Vertragsärzten ua in dem Informationsblatt KVNOextra Arzneimittel- und Heilmittelregress 2005 erläutert wurde.

41

Entgegen der Auffassung des Klägers stellt die Änderung kein systemwidriges Vorgehen der Vertragspartner dar. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass die Frage, welche Praxisbesonderheiten beim einzelnen Vertragsarzt anerkannt werden, nicht in dem vom Kläger beschriebenen Zusammenhang mit der Bildung der Richtgrößen steht. Nach § 1 Abs 1 der Anlage 2 der RGV 2005 wurde das Richtgrößenvolumen durch das (Brutto-)Ausgabenvolumen einschließlich des Apothekenrabatts sowie der gesetzlichen Versichertenzuzahlungen gebildet. Das nach § 84 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V zu vereinbarende Ausgabenvolumen erfasst sämtliche von den Vertragsärzten nach § 31 SGB V veranlassten Leistungen(Gesetzentwurf zum ABAG, BT-Drucks 14/6309 S 7 zu Nr 3 <§ 84 Abs 1>). Ein Abzug von Praxisbesonderheiten erfolgt dabei nicht. Entsprechend muss auch eine Änderung der Anerkennungspraxis von Kosten für als Praxisbesonderheiten anerkannte Indikationsgebiete nicht an § 84 Abs 2 SGB V gemessen werden.

42

Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Zum einen wurden die Verordnungskosten für die Indikationen, die als Praxisbesonderheiten in Betracht kommen, auch schon im Jahr 2004 nicht mehr vollständig in Abzug gebracht. Sofern auch für das Jahr 2004 bei dem Kläger eine Richtgrößenprüfung durchgeführt wurde - was nicht feststeht -, ist davon auszugehen, dass auch dort - entsprechend der RGV 2004 (Rheinisches Ärzteblatt 4/2004, S 66) - schon kein vollständiger Abzug der Verordnungskosten mehr vorgenommen wurde. Ungeachtet dessen handelt es sich zum anderen bei der Regelung in § 5 Abs 4 der Anlage 2 zur RGV 2005, mit welcher die Maßstäbe zur Prüfung der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten nach § 106 Abs 5a Satz 5 SGB V bestimmt wurden, nicht um eine rückwirkende Regelung, durch welche der grundrechtlich verortete Vertrauensschutz des Vertragsarztes tangiert sein könnte(vgl zB BVerfGE 109, 133, 181; BVerfGE 126, 369, 393 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 75; BVerfGE 131, 20, 38 f; zuletzt BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - RdNr 63). Die Anlage 2 zur RGV 2005 wurde im Rheinischen Ärzteblatt I/2005 veröffentlicht und lag damit zum Jahresbeginn 2005 vor.

43

4. Damit steht fest, dass der angefochtene Bescheid des Beklagten in der Sache richtig ist, dass er allerdings an dem Mangel leidet, dass dem Kläger keine Vereinbarung nach § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V angeboten worden ist. Wenn sich ein solcher Verfahrensfehler vor Abschluss des gerichtlichen Verfahrens in der letzten Tatsacheninstanz herausstellt, muss den Beteiligten im Rahmen des Verfahrens die Möglichkeit gegeben werden, eine solche Vereinbarung abzuschließen. In der Revisionsinstanz ist das ausgeschlossen, weil der Prozess in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossen ist. Eine Aufhebung des Berufungsurteils nach § 170 Abs 2 Satz 2 SGG allein zu dem Zweck, dass das LSG das wiedereröffnete Berufungsverfahren aussetzt, um den Beteiligten Gelegenheit zu geben, eine Vereinbarung nach § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V zu schließen, ist jedenfalls dann nicht prozessökonomisch, wenn der Rechtsstreit ansonsten entscheidungsreif ist. Zudem hat der Beklagte, der endgültig weiß, dass der Regress in voller Höhe gerechtfertigt ist, keinen Anlass, dem Kläger einen mehr als nur symbolischen Nachlass zu gewähren. Die Nichtbeachtung der Hinwirkungspflicht des § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V darf aber auch nicht völlig folgenlos bleiben, weil es sich insoweit nach der Konzeption des Gesetzes nicht um eine letztlich unverbindliche Sollvorschrift handelt. Jeder Vertragsarzt soll die Chance einer Regressreduzierung erhalten. Deshalb ist der Kläger hier so zu stellen, als hätte ihm der Beklagte die für ihn günstigste Möglichkeit einer Vereinbarung angeboten, die er akzeptiert hätte. Das hat hier eine Reduzierung des Regressbetrages um 20 % zur Folge.

44

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO und trägt dem anteiligen Obsiegen der Beteiligten in den drei Rechtszügen Rechnung.

Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg vom 16. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 32 602 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger, der als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Infektiologie an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, wendet sich gegen einen Arzneikostenregress in Höhe von 32 602 Euro wegen der Verordnung von LeukoNorm CytoChemia (im Folgenden: LeukoNorm) im Jahr 2006. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers waren erfolglos. Als in der DDR zugelassenes Altarzneimittel habe LeukoNorm lediglich über eine fiktive Zulassung verfügt, aber kein Verfahren nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) durchlaufen und sei daher nicht verordnungsfähig gewesen. Das Arzneimittel ist mittlerweile vom Markt genommen worden.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG richtet sich die Beschwerde des Klägers, zu deren Begründung er eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, sowie Verfahrensfehler, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, geltend macht.

3

II. Es kann offenbleiben, ob die Darlegungen des Klägers den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügen. Die Beschwerde des Klägers ist jedenfalls unbegründet.

4

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt. Das ist hier der Fall.

5

Die Frage, "ob die Rechtsprechung des BSG zu der sozialrechtlichen Verordnungsfähigkeit des Arzneimittels Wobe-Mugos zu einem generellen Ausschluss aus der sozialrechtlichen Versorgung sogenannter Altarzneimittel (und auch ehemaliger DDR-Arzneimittel) führen darf", ist nicht klärungsbedürftig. Sie kann anhand der vorliegenden Rechtsprechung des BSG im Sinne der Entscheidung des LSG beantwortet werden. In der Rechtsprechung des 1. wie des 6. Senats des BSG ist geklärt, dass aus der arzneimittelrechtlichen Zulassung eines Arzneimittels, sofern hierbei dessen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geprüft worden waren, zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gefolgert werden kann (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 32 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 21, jeweils mwN). Für eine solche Schlussfolgerung von der arzneimittelrechtlichen Zulassung auf die Verordnungsfähigkeit im System der GKV fehlt aber dann die Grundlage, wenn der arzneimittelrechtlichen Zulassung eines Medikaments keine - oder eine strukturell nur unzureichende - Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zugrunde liegt. Solche Fälle arzneimittelrechtlicher Zulassung ohne Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gab es während der Geltung des Übergangsrechts nach der Neuordnung des Arzneimittelrechts Ende der 1970er Jahre. Damals genügte eine Anzeige mit der Mitteilung über die bisherige Anwendung des Arzneimittels, damit dieses weiterhin als zugelassen galt. Soweit ein Arzneimittel in dieser Weise, ohne Durchlaufen des Arzneimittelzulassungsverfahrens mit Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit die Zulassung behielt bzw diese verlängert wurde, fehlte es an den inhaltlichen Merkmalen, die es rechtfertigen konnten, die Arzneimittelzulassung als ausreichend für die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV zu akzeptieren. Die lediglich auf übergangsrechtlichen Vorschriften beruhende Verkehrsfähigkeit von Arzneimitteln, die keine Prüfung nach den Maßstäben des AMG durchlaufen haben, führt daher nicht ohne Weiteres zur Verordnungsfähigkeit zu Lasten der Krankenkassen (vgl etwa BSGE 95, 132 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276 f zu Wobe Mugos E). Nur wenn im Verfahren der Zulassung des Arzneimittels eine Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfolgt ist, ist die Arzneimittelzulassung als ausreichend auch für die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV zu akzeptieren.

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Das LSG hat bereits in früheren Verfahren zutreffend entschieden, dass diese Grundsätze auch auf in der DDR zugelassene Altarzneimittel übertragbar sind (Urteil vom 24.3.2011 - L 1 KA 21/07 - NZB vom Senat verworfen mit Beschluss vom 23.8.2011 - B 6 KA 37/11 B - Juris; Urteil vom 8.3.2013 - L 1 KA 42/11 - NZB vom Senat zurückgewiesen mit Beschluss vom 28.8.2013 - B 6 KA 28/13 B - unveröffentlicht). Soweit sich die vom BSG entschiedenen Fälle verfahrensrechtlich von dem hier zu beurteilenden insofern unterscheiden, als für Wobe Mugos E bereits eine Ablehnung der Verlängerung der Zulassung vorlag, macht dies keinen relevanten Unterschied. Unabhängig vom Stadium des Verfahrens auf Verlängerung der Zulassung ist entscheidend, dass in beiden Fällen die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels arzneimittelrechtlich lediglich fingiert wurde. Die in der DDR zugelassenen Arzneimittel galten nach § 2 Nr 2 und Anlage 3 Kapitel II Nr 1 § 4 Abs 1 der Verordnung zur Überleitung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das in Art 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet(vom 18.12.1990 - BGBl I 2915) als zugelassen. Die Fortdauer der Zulassung über den 30.6.1991 hinaus war nach § 4 Abs 2 aaO an einen Antrag auf Verlängerung der Zulassung geknüpft. Dieser Antrag wurde für LeukoNorm im Juni 1991 gestellt und im Dezember 2006 wegen fehlender Wirksamkeitsnachweise abgelehnt. Die Klage hiergegen war erfolglos. Eine Überprüfung wie im Arzneimittelzulassungsverfahren nach dem AMG hatte LeukoNorm mithin im streitbefangenen Zeitraum nicht erfolgreich durchlaufen. Die Zulassung des Arzneimittels in der DDR steht einer Zulassung nach dem AMG nicht gleich. Dass der Kläger das Arzneimittel für ausreichend geprüft hält und jahrelang aus seiner Sicht erfolgreich angewendet hat, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Das Gleiche gilt für etwaige positive Stellungnahmen einzelner Sachverständiger. Ebenso wenig ist Raum für eine Einzelbetrachtung des jeweiligen Arzneimittels.

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Auch die Frage, "ob ein an der krankenkassenärztlichen Versorgung teilnehmender Arzt für verordnete Arzneimittel, welche aus seiner Sicht zum Zeitpunkt der Behandlung als Medikamente nach Ausschöpfung alle vorrangigen medikamentösen und nicht medikamentösen Maßnahmen zur Verhinderung einer Bedrohung für Leib und Leben eingesetzt wurden und deren Zulassungsstatus als 'fiktiv verkehrsfähige' Arzneimittel nicht erkennbar war, in Regress genommen werden kann" ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass ein Verschuldenserfordernis im Rahmen von Honorarkürzungen und Verordnungsregressen nicht besteht (vgl SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 28 mwN; ebenso Urteil vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 42 mwN; Verfassungsbeschwerden jeweils nicht zur Entscheidung angenommen, s BVerfG vom 30.6.2009 - 1 BvR 827/09 und vom 26.7.2010 - 1 BvR 1785/10; Urteile vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27 sowie - B 6 KA 5/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 28). Soweit der Kläger damit geltend machen will, dass entgegen der Auffassung des LSG die Voraussetzungen für die Verordnung von LeukoNorm nach der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts der GKV vorlagen, betrifft dies die Bewertung des Einzelfalles und keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung.

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Schließlich ist nicht erkennbar, inwiefern die Entscheidung über einen Regress wegen der Verordnung von LeukoNorm, das inzwischen vom Markt genommen ist, über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Der Hinweis darauf, dass es weiterhin andere fiktiv zugelassene Arzneimittel gibt, deren Status für den Vertragsarzt nicht erkennbar sei, ist insofern nicht ausreichend. Im Übrigen ist gerade im Hinblick auf das vom Kläger vorgelegte Informationsschreiben nicht nachvollziehbar, dass der besondere Zulassungsstatus jeweils nicht erkennbar gewesen sein soll.

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2. Auch ein Verfahrensmangel liegt nicht vor. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

10

a) Soweit der Kläger eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör rügt, weil er der Absicht des LSG, gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG zu verfahren, widersprochen habe, begründet dies bereits deshalb keinen Verfahrensfehler, weil in § 153 Abs 4 Satz 2 SGG nur eine vorherige Anhörung der Beteiligten angeordnet ist. Einer Zustimmung bedarf es - anders als im Falle einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG - nicht. Mit dem sachlichen Vorbringen des Klägers hat das LSG sich hinreichend auseinandergesetzt.

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b) Die Rüge, das Berufungsgericht habe seine Pflicht zur Amtsermittlung gemäß § 103 SGG verletzt, ist nicht ausreichend dargetan und damit unzulässig. Bei Beanstandung der Amtsermittlungspflicht sind die besonderen Anforderungen an Rügen einer Verletzung des § 103 SGG zu beachten. Danach kommt nicht jeder geltend gemachte Verstoß gegen die Pflicht des Gerichts zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen als - die Zulassung der Revision ermöglichender - Verfahrensfehler in Betracht; dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn sich der geltend gemachte Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

12

Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muss ein Beweisantrag benannt und dazu ausgeführt werden, dass das LSG diesem ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Darzulegen ist ferner, dass der Beweisantrag im Berufungsverfahren noch zusammen mit den Sachanträgen gestellt oder sonst aufrechterhalten worden ist. Konkret bedeutet dies (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5), dass die Beschwerdebegründung (1) einen ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, (2) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) die von dem Beweisantrag betroffenen Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5) schildern muss, weshalb die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).

13

Ein anwaltlich vertretener Beteiligter kann nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt(stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG soll die Sachaufklärungsrüge die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch einen Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts(§ 103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; Nr 31 S 52). Wird im Beschlussverfahren entschieden (§ 153 Abs 4 Satz 1 SGG), ist der Beweisantrag, der nach Erhalt einer Anhörungsmitteilung nicht wiederholt wird, grundsätzlich so zu behandeln, als habe er sich erledigt (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52; SozR 4-1500 § 160 Nr 11 RdNr 7).

14

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger verweist auf Beweisanträge, die in der Klageschrift gestellt worden seien. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klagebegründung prozessordnungsgemäße Beweisanträge enthalten hat (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6). Der Kläger hat jedenfalls nicht aufgezeigt, dass entsprechende Anträge vor dem LSG aufrechterhalten wurden. Ebenso wenig ist dargetan, warum das LSG sich, ausgehend von der Rechtsauffassung, dass es auf den arzneimittelrechtlichen Zulassungsstatus ankommt, zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang meint, die von ihm vorgelegten Unterlagen zur Verordnungsfähigkeit von LeukoNorm seien nicht hinreichend berücksichtigt worden, greift er die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung an. Eine solche Rüge vermag die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht zu begründen.

15

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Als erfolgloser Rechtsmittelführer hat der Kläger auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen (§ 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO).

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4. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Der Streitwert entspricht der Höhe der Regressforderung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.