Bundessozialgericht Beschluss, 15. Aug. 2012 - B 6 KA 13/12 B

bei uns veröffentlicht am15.08.2012

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme wegen Falschabrechnung.

2

Der Kläger ist Hautarzt und zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zugelassen. Nach einem ersten Disziplinarverfahren, das ein Ruhen der Zulassung auf drei Monate zur Folge hatte (Disziplinarbescheid vom 20.11.2000 - Ruhen auf zwei Jahre, mit Reduzierung im Wege gerichtlichen Vergleichs auf drei Monate), wurde im Jahr 2004 erneut ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Ihm wurde vorgeworfen, er habe in zahlreichen Fällen für den sog Fungiqual-A-Test den Leistungstatbestand Nr 4653 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) abgerechnet, obgleich die qualitativen Anforderungen - Verwendung einer ausreichenden Reagenzmenge - nicht eingehalten worden seien. Darüber hinaus sei nur der für einfachere Testverfahren einschlägige Leistungstatbestand Nr 3937 EBM-Ä erfüllt gewesen. Dem Kläger wurde ferner vorgeworfen, mehrfach Nr 4658 EBM-Ä (5,10 Euro) - statt Nr 3884 EBM-Ä (1,15 Euro - Angabe für 2002) - abgerechnet zu haben.

3

Die Beklagte setzte durch den bei ihr gebildeten Disziplinarausschuss eine Geldbuße von 10 000 Euro fest (Bescheid vom 8.2.2006). In dem Bescheid ist zu der Abrechnung der Nr 4653 EBM-Ä ausgeführt (die allein Gegenstand der Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde ist):
Der Leistungstatbestand Nr 4653 EBM-Ä (9,20 Euro) erfordere eine immunologische Färbemethode, während der Kläger nur eine einfache Färbemethode angewandt habe, für die nur Nr 3937 EBM-Ä (5,60 Euro) einschlägig sei (Bescheid aaO S 5 unter a). - Hinzu komme folgender Vorwurf: Die Leistung erfordere die Verwendung (und deshalb auch den Bezug) von Material, nämlich der sog Fungiqual-A Reagenz; eine Einheit davon reiche nach den Herstellerangaben für ca 200 Untersuchungen; nach diesem Maßstab habe der Kläger einen Materialbezug nur für die Hälfte seiner Untersuchungen nachweisen können, sodass anzunehmen sei, dass er die Untersuchungen nicht vollwertig durchgeführt habe und ihm somit eine inkorrekte Leistungsabrechnung zur Last falle (aaO S 5 f unter b).
Die Pflichtverletzungen seien auch schuldhaft, nämlich grob fahrlässig; die Festsetzung einer Geldbuße von 10 000 Euro gründe sich darauf, dass das Gebot peinlich genauer Leistungsabrechnung zu den Grundpflichten jeden Vertragsarztes gehöre und es sich bereits um das zweite Disziplinarverfahren handele, andererseits dieses schon einige Zeit zurückliege und der Kläger zum Teil (hinsichtlich der Nr 4658) geständig sei.

4

Das vom Kläger angerufene SG hat den Bescheid aufgehoben (Urteil vom 11.3.2008): Ein unzureichender Materialbezug reiche für den Nachweis einer Falschabrechnung nicht aus. Es sei zwar unwahrscheinlich, aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass der Kläger aus einer Einheit Fungiqual-A doch bis zu 400 Tests habe durchführen können. Da somit der Vorwurf, die Leistungen nicht vollständig erbracht zu haben, herausfalle, stimme die Gesamtbetrachtung nicht mehr. Deshalb sei die darauf gegründete Ermessensausübung bei der Festlegung der Disziplinarmaßnahme fehlerhaft.

5

Auf die Berufung der Beklagten hin hat das LSG dieses Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 5.10.2011): Der Kläger habe Nr 4653 EBM-Ä abgerechnet, obgleich deren Leistungstatbestand nicht erfüllt war. Er habe keinen Nachweis von Pilz-Antigenen mittels immunologischer Färbemethode durchgeführt; Abrechnungsempfehlungen der Herstellerfirma seien unbeachtlich. Er habe außerdem den für eine ordnungsgemäße Durchführung erforderlichen Materialbezug nicht nachweisen können. Daraus ergebe sich zwar - insoweit sei dem SG zuzustimmen - kein sicherer Schluss auf die Nichterbringung der Leistungen. Die Leistungen habe er aber jedenfalls nicht entsprechend den Qualitätsanforderungen erbracht; eine qualitativ ordnungsgemäße Leistung erfordere die Beachtung der Dosierungsangaben in der Gebrauchsanweisung (§ 2 Abs 5 Medizinprodukte-Betreiberverordnung - MPBetreibV), wonach 10 ml der Testlösung nur für ca 200 Untersuchungen ausreichen könnten.
Der Pflichtenverstoß sei zumindest grob fahrlässig und die Ermessensentscheidung zu Auswahl und Höhe der Disziplinarmaßnahme nicht zu beanstanden.

6

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

7

II. Die Beschwerde des Klägers ist zurückzuweisen. Er hat mit der Geltendmachung grundsätzlicher Bedeutung keinen Erfolg.

8

Eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3 ). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die BVerfG-Angaben in BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 sowie BVerfG, SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f).

9
        

Nach diesen Maßstäben hat der Kläger mit seiner Beschwerde keinen Erfolg. Die von ihm als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen - hier zusammengefasst wiedergegebenen - Fragen lauten:

 1.    

ob ein Vertragsarzt vertragsärztliche Pflichten verletzt, wenn er bei offenem Streit mit der KÄV unter ausdrücklichem schriftlichen, mit der Abrechnung verbundenen Hinweis die von ihm für richtig gehaltene EBM-Ä-Nr abrechnet, um die höchstrichterlich bislang nicht entschiedene Frage der richtigen Nr für diese Leistung im Rechtsweg zu klären,

 2.   

ob Herstellerangaben zur ungefähren Ergiebigkeit eines verbrauchbaren Medizinprodukts - hier: eines Reagenziums ("ca Angaben") - eine "Gebrauchsanweisung" oÄ im Sinne des § 2 Abs 5 MPBetreibV darstellen und ob bei Abweichungen des Vertragsarztes und dennoch vorgenommener Abrechnung eine Verletzung vertragsärztlicher Pflichten anzunehmen ist.

10

Diese Fragen sind nicht klärungsbedürftig bzw -fähig: Sie lassen sich teilweise schon aus den Rechtsvorschriften und aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung des erkennenden Senats klar beantworten; im Übrigen sind sie aufgrund besonderer Gestaltung des hier vorliegenden Einzelfalls einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich.

11

1. Zur ersten Rechtsfrage:

12

In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass ein Vertragsarzt auch dann seine Pflichten schuldhaft verletzen kann, wenn eine Pflichtwidrigkeit begangen wird, um zunächst eine gerichtliche Überprüfung zu erreichen, und der Arzt im Irrtum über die Rechtslage war (BSG vom 14.3.2001 - B 6 KA 67/00 R - MedR 2002, 47). Das BSG hat klargestellt:

        

Die "Auffassung, er müsse seine Rechtsansicht zunächst einmal durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit überprüfen lassen können, entbehrt einer rechtlichen Grundlage. Der Umstand, dass ein vertragsärztlicher Pflichtverstoß begangen wurde, verliert nicht dadurch an Gewicht, dass der Betroffene in Unkenntnis war oder sich in einem Irrtum über die Rechtslage befand bzw dass zur Zulässigkeit einer konkreten Verhaltensweise noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorlag" (aaO S 51 = Juris RdNr 27). Dabei hat das BSG zusätzliches Gewicht dem Umstand beigemessen, dass der Arzt "mehrfach und auf nachdrückliche Weise … auf die Rechtswidrigkeit seines … Vorgehens hingewiesen worden" war. Dem Arzt habe "ohne Weiteres klar sein" müssen, "dass die Rechtslage keineswegs zu seinen Gunsten eindeutig war, selbst wenn juristische und ärztepolitische Vertreter seiner Interessen ihn in seiner Ansicht bestärkt haben sollten" (aaO).

13

Aus dieser Rechtsprechung folgt jedenfalls, dass der Arzt, der bereits von der dafür zuständigen Institution (KÄV) auf die Fehlerhaftigkeit einer von ihm eingereichten Abrechnung hingewiesen wurde, pflichtwidrig handelt, wenn er gleiche Abrechnungen weiterhin einreicht. Vielmehr muss er auf solche Abrechnungsansätze künftig verzichten und darf sie erst dann wiederholen, falls eine rechtliche Klärung zu seinen Gunsten erfolgt ist.

14

Mit diesen Grundsätzen wird dem Arzt nicht etwa - wie in der Beschwerdebegründung unter Berufung auf Art 19 Abs 4 GG geltend gemacht wird - faktisch die Möglichkeit abgeschnitten, einen Abrechnungsstreit zur höchstrichterlichen Entscheidung zu bringen. Der Arzt muss zunächst die Klärung der Differenzen mit der KÄV abwarten. Er kann aber, um in der Folgezeit keine Honorarverluste zu erleiden, jeweils parallel zur Einreichung der Quartalsabrechnung diejenigen Leistungen auflisten, bei denen er der Ansicht ist, dass sie an sich nach einem höher bewerteten Leistungstatbestand zu honorieren sind. So behält der Arzt die Chance, im Falle einer für ihn günstigen Klärung des ersten Streitfalls nachträglich auch für die weiteren gleichen Leistungen die höhere Vergütung zu erhalten.

15

Dem Kläger stehen (weitere) Rechtsschutzmöglichkeiten im Wege einer Feststellungsklage offen, mit der er die Richtigkeit der ihm vermeintlich zustehenden günstigeren Abrechnung klären lassen kann. In der Rechtsprechung des BSG ist anerkannt, dass Rechtsschutz nicht nur gegen Quartalshonorarbescheide gegeben ist, sondern Vorfragen, die sich wiederkehrend immer wieder stellen, zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden können (vgl zB BSG vom 11.5.2011 - B 6 KA 2/10 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 25, Leitsatz 2 und RdNr 14 mwN).

16

Der Kläger hat indessen weder eine korrekte Abrechnung vorgelegt noch sich um eine Klärung im Wege einer Feststellungsklage bemüht. Vielmehr hatte ihn die KÄV nach den Feststellungen des LSG bereits eingehend darüber belehrt, dass die von ihm präferierte Auslegung fehlerhaft sei, und der Kläger hatte dies auch zunächst akzeptiert (LSG-Urteil S 10: "in Kenntnis der Ergebnisse der Laborprüfungen 1998 und nach Abschluss einer Rückzahlungsvereinbarung") - was der Kläger im Übrigen nicht seinerseits mitvorgetragen hat, obgleich dies angesichts des Senatsurteils vom 14.3.2001 sich zur vollständigen Erfassung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen -. Dass der Kläger in der Folgezeit weiterhin auf seiner Rechtsauffassung beharrte, wäre als solches nicht zu beanstanden. Aber erneut - trotz der früheren Belehrungen und der damaligen Vereinbarung - die beanstandete Abrechnungsweise zu praktizieren, stellte gemäß dem Senatsurteil vom 14.3.2001 eine Pflichtverletzung dar, die disziplinarisch geahndet werden durfte. Ungeklärte Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind nicht zu erkennen.

17

2. Zur zweiten Rechtsfrage:

18

Die Frage, ob Herstellerangaben zur ungefähren Ergiebigkeit eines verbrauchbaren Medizinprodukts - hier: eines Reagenziums ("ca Angaben") - eine "Gebrauchsanweisung" oÄ im Sinne des § 2 Abs 5 MPBetreibV darstellen und ob bei Abweichungen des Vertragsarztes und dennoch vorgenommener Abrechnung eine Verletzung vertragsärztlicher Pflichten anzunehmen ist, ist keine Frage grundsätzlicher Bedeutung. Insoweit ergibt sich die Antwort im Wesentlichen ohne Weiteres aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG; verbleibende Aspekte sind nicht entscheidungserheblich, weil die Herstellerangaben aufgrund der sonstigen Vorgaben für eine qualitativ hochwertige Versorgung - vgl zB § 72 Abs 2 SGB V - ohnehin zu beachten sind.

19

In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass eine Vergütung für eine Leistung nur dann beansprucht werden kann, wenn die Leistung ordnungsgemäß durchgeführt wurde, dh unter Beachtung aller Qualitätsanforderungen. Den Qualitätsanforderungen messen das SGB V und die Rechtsprechung des BSG einen hohen Stellenwert zu. Die Qualitätsanforderungen können sich aus dem EBM-Ä ergeben oder auch aus weiteren Regelungen außerhalb des EBM-Ä und auch aus Bestimmungen außerhalb des SGB V. Dies ergibt sich schon aus § 72 Abs 2 SGB V, wonach alle gesetzlichen Vorschriften und alle Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sowie der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse einzubeziehen sind(dies ergänzend ist auch zB auf § 2 Abs 1 Satz 3, § 70 Abs 1, § 135a Abs 1 SGB V hinzuweisen). Zu den "gesetzlichen Vorschriften" gehören nicht nur formellgesetzliche, sondern auch untergesetzliche Vorschriften wie Rechtsverordnungen, nämlich das gesamte vorrangige Recht (in diesem Sinne auch Klückmann in: Hauck/Noftz, SGB V , § 72 RdNr 7). So hat das BSG zB bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen die Erfüllung von Qualitätsvorgaben einbezogen (BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 12/09 R - SozR 4-2500 § 92 Nr 9 RdNr 10; vgl auch BSG vom 28.9.2005 - B 6 KA 14/04 R - SozR 4-5520 § 32 Nr 2 RdNr 10; BSG vom 22.3.2006 - B 6 KA 76/04 R - BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11). Entsprechend diesen Vorgaben von Gesetz und Rechtsprechung im Sinne einer höchstmöglichen Qualitätsgewähr spricht alles dafür, den zu beachtenden Vorgaben gemäß § 72 Abs 2 SGB V auch die Qualitätsregelung des § 2 Abs 5 MPBetreibV hinzuzurechnen, wonach der "Anwender … eines Medizinproduktes … die Gebrauchsanweisung … zu beachten hat."

20

Auch unabhängig von einer solchen Auslegung des § 2 Abs 5 MPBetreibV sind Gebrauchsanweisungen und sonstige Herstellerangeben, die zur Qualität der Versorgung beitragen können, zu beachten. Dies folgt aus der Rechtsprechung des BSG, die auch sonst Herstellerangaben zu den bei der Leistungserbringung zu beachtenden Vorgaben zählt. So misst das BSG in seiner Rechtsprechung zum Off-Label-Use der sog Fachinformation des Arzneimittelherstellers maßgebliches Gewicht bei: Eine Dosierung, die von der sog Fachinformation des Arzneimittelherstellers abweicht, wird als grundsätzlich rechtswidrig qualifiziert (BSG vom 3.11.2010 - B 6 KA 35/10 B - Juris RdNr 17), und auch sonst wird die Fachinformation als Maßstab herangezogen, zB dafür, bei welchen Erkrankungen etwa die Eignung und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels gegeben sein kann (BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 24/09 R - Juris RdNr 15 f; BSG vom 13.10.2010 - B 6 KA 48/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 20; vgl auch BSG vom 19.3.2002 - B 1 KR 37/00 R - BSGE 89, 184, 186 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 30; ebenso zur Festbetragsgruppenbildung BSG vom 1.3.2011 - B 1 KR 7/10 R - BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 28 ff; BSG vom 1.3.2011 - B 1 KR 10/10 R - BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 39 ff). Mithin sind unabhängig von der Auslegung des § 2 Abs 5 MPBetreibV Herstellerangaben, die zur Qualität der Leistungserbringung beitragen können, zu beachten.

21

Wegen dieser generellen Beachtlichkeit von Herstellerangaben, insbesondere auch solchen zur Dosierung, kommt es nicht darauf an, ob auch Ziff 1 Satz 3 der Allgemeinen Bestimmungen zum Laborkapitel O des EBM-Ä, wonach "alle Maßnahmen zur Qualitätssicherung … Bestandteil der einzelnen Untersuchungen" sind, Herstellerangaben zur konkreten Anwendung umfasst. Vorgaben wie zB die Dosierungsangaben für die Anwendung von Fungiqual-A sind jedenfalls wegen der in § 72 Abs 2 SGB V normierten Verbindlichkeit von Qualitätsvorgaben zu beachten.

22

Schließlich kann unerörtert bleiben, ob die Bindung an zB Dosierungsangaben möglicherweise nur "grundsätzlich" gilt, zumal wenn die Gebrauchsanweisung nur "ca Angaben" enthält, und ob in einem solchen Fall geringfügige Abweichungen noch keine Pflichtverletzung darstellen. Darauf käme es hier nicht an; denn beim Kläger steht keine nur geringfügige Abweichung in Frage. Er hatte im Vergleich zur Dosierungsvorgabe nach den Feststellungen im Disziplinarbescheid und im LSG-Urteil im Durchschnitt je Untersuchung nur die Hälfte an Fungiqual-A Reagenz gebraucht; rechnerisch hat für 622 Fälle kein ordnungsgemäßer Materialbezug nachgewiesen werden können (vgl Disziplinarbescheid S 6 und LSG-Urteil S 7 f). Das ist keine nur geringfügige Abweichung.

23

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

24

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Bei Verfahren der Anfechtung von Disziplinarverfahren legt das BSG zunächst den sog Regelwert zugrunde (vgl § 52 Abs 2 GKG) und erhöht diesen Betrag im Falle einer festgesetzten Geldbuße um deren Betrag (vgl BSG vom 1.2.2005 - B 6 KA 70/04 B - SozR 4-1935 § 33 Nr 1 RdNr 8 = Juris RdNr 7 mwN).

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(1) Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten sind insbesondere

1.
das Errichten,
2.
das Bereithalten,
3.
die Instandhaltung,
4.
die Aufbereitung sowie
5.
sicherheits- und messtechnische Kontrollen.

(2) Betreiber eines Medizinproduktes ist jede natürliche oder juristische Person, die für den Betrieb der Gesundheitseinrichtung verantwortlich ist, in der das Medizinprodukt durch dessen Beschäftigte betrieben oder angewendet wird. Abweichend von Satz 1 ist Betreiber eines Medizinproduktes, das im Besitz eines Angehörigen der Heilberufe oder des Heilgewerbes ist und von diesem zur Verwendung in eine Gesundheitseinrichtung mitgebracht wird, der betreffende Angehörige des Heilberufs oder des Heilgewerbes. Als Betreiber gilt auch, wer außerhalb von Gesundheitseinrichtungen in seinem Betrieb oder seiner Einrichtung oder im öffentlichen Raum Medizinprodukte zur Anwendung bereithält.

(3) Anwender ist, wer ein Medizinprodukt im Anwendungsbereich dieser Verordnung am Patienten einsetzt.

(4) Gesundheitseinrichtung im Sinne dieser Verordnung ist jede Einrichtung, Stelle oder Institution, einschließlich Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen, in der Medizinprodukte durch medizinisches Personal, Personen der Pflegeberufe oder sonstige dazu befugte Personen berufsmäßig betrieben oder angewendet werden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten sind insbesondere

1.
das Errichten,
2.
das Bereithalten,
3.
die Instandhaltung,
4.
die Aufbereitung sowie
5.
sicherheits- und messtechnische Kontrollen.

(2) Betreiber eines Medizinproduktes ist jede natürliche oder juristische Person, die für den Betrieb der Gesundheitseinrichtung verantwortlich ist, in der das Medizinprodukt durch dessen Beschäftigte betrieben oder angewendet wird. Abweichend von Satz 1 ist Betreiber eines Medizinproduktes, das im Besitz eines Angehörigen der Heilberufe oder des Heilgewerbes ist und von diesem zur Verwendung in eine Gesundheitseinrichtung mitgebracht wird, der betreffende Angehörige des Heilberufs oder des Heilgewerbes. Als Betreiber gilt auch, wer außerhalb von Gesundheitseinrichtungen in seinem Betrieb oder seiner Einrichtung oder im öffentlichen Raum Medizinprodukte zur Anwendung bereithält.

(3) Anwender ist, wer ein Medizinprodukt im Anwendungsbereich dieser Verordnung am Patienten einsetzt.

(4) Gesundheitseinrichtung im Sinne dieser Verordnung ist jede Einrichtung, Stelle oder Institution, einschließlich Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen, in der Medizinprodukte durch medizinisches Personal, Personen der Pflegeberufe oder sonstige dazu befugte Personen berufsmäßig betrieben oder angewendet werden.

(1) Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, medizinische Versorgungszentren und Krankenkassen wirken zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zusammen. Soweit sich die Vorschriften dieses Kapitels auf Ärzte beziehen, gelten sie entsprechend für Zahnärzte, Psychotherapeuten und medizinische Versorgungszentren, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Die vertragsärztliche Versorgung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, daß eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden.

(3) Für die knappschaftliche Krankenversicherung gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend, soweit das Verhältnis zu den Ärzten nicht durch die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See nach den örtlichen Verhältnissen geregelt ist.

(4) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.

(2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.

(1) Die Leistungserbringer sind zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der von ihnen erbrachten Leistungen verpflichtet. Die Leistungen müssen dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen und in der fachlich gebotenen Qualität erbracht werden.

(2) Vertragsärzte, medizinische Versorgungszentren, zugelassene Krankenhäuser, Erbringer von Vorsorgeleistungen oder Rehabilitationsmaßnahmen und Einrichtungen, mit denen ein Versorgungsvertrag nach § 111a besteht, sind nach Maßgabe der §§ 136 bis 136b und 137d verpflichtet,

1.
sich an einrichtungsübergreifenden Maßnahmen der Qualitätssicherung zu beteiligen, die insbesondere zum Ziel haben, die Ergebnisqualität zu verbessern und
2.
einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln, wozu in Krankenhäusern auch die Verpflichtung zur Durchführung eines patientenorientierten Beschwerdemanagements gehört.

(3) Meldungen und Daten aus einrichtungsinternen und einrichtungsübergreifenden Risikomanagement- und Fehlermeldesystemen nach Absatz 2 in Verbindung mit § 136a Absatz 3 dürfen im Rechtsverkehr nicht zum Nachteil des Meldenden verwendet werden. Dies gilt nicht, soweit die Verwendung zur Verfolgung einer Straftat, die im Höchstmaß mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist und auch im Einzelfall besonders schwer wiegt, erforderlich ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Berechtigung der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), dem klagenden Vertragsarzt die Vergütung für eine Substitutionsbehandlung zu versagen.

2

Der 1940 geborene und bis Ende 2007 als Arzt ohne Gebietsbezeichnung zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger verfügte über die Berechtigung zur Durchführung und Abrechnung von Methadon-Substitutionsbehandlungen bei manifest Opiatabhängigen. Seit 1995 führte er bei dem Versicherten G. H. eine Substitutionsbehandlung durch, die G. H. zu Beginn des Jahres 2005 von sich aus beendete. Nachdem G. H. zwischenzeitlich bei einem anderen Arzt in Behandlung gewesen war, meldete ihn der Kläger im Juli 2005 erneut zur Substitutionsbehandlung an. Die Beklagte ließ eine Evaluierung des Behandlungsfalls durch ihre Qualitätssicherungskommission durchführen. Diese gelangte auf der Grundlage der mitgeteilten Befunde und der Angaben des Klägers zu der Auffassung, die Substitutionsbehandlung könne wegen des hohen Benzodiazepin-Konsums des Versicherten G. H. nicht weitergeführt werden.

3

Mit Bescheid vom 16.1.2006 gab die Beklagte dem Kläger auf, die Substitutionsbehandlung des Versicherten durch Ausschleichen spätestens bis zum 13.2.2006 zu beenden. Danach werde eine Vergütung der Substitutionsbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr erfolgen.

4

Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben. Auf die Berufung des Klägers hat das LSG den angefochtenen Bescheid insoweit aufgehoben, als dem Kläger aufgegeben wurde, die Substitutionsbehandlung des Versicherten zu beenden. Für eine derartige Regelung bestehe zumindest seit der Neufassung der Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Durchführung von Substitutionsbehandlungen (Substitutions-RL) zum 1.1.2003 keine Grundlage mehr. Die KÄV dürfe nicht unmittelbar durch Verwaltungsakt in das Rechtsverhältnis zwischen einem Vertragsarzt und dem Versicherten eingreifen. Soweit die Beklagte dem Kläger mit dem angefochtenen Bescheid aber zugleich mitgeteilt habe, nach dem Ablauf des 13.2.2006 werde die Substitutionsbehandlung vertragsärztlich nicht mehr vergütet, sei diese Entscheidung nicht zu beanstanden. Der Fortführung der Substitutionsbehandlung habe der nach wie vor bestehende hohe Beikonsum des Versicherten hinsichtlich eines anderen Suchtstoffs entgegengestanden. Der Kläger habe mehrere Wochen Zeit gehabt, mit dem betroffenen Versicherten sowie mit potenziellen Kostenträgern zu klären, ob die Substitution auf anderer Rechtsgrundlage als derjenigen einer Behandlung zu Lasten der Krankenkasse fortgeführt werden könne (Urteil vom 11.3.2009).

5

Nur der Kläger hat Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung der Substitutions-RL. Die Annahme des LSG, zwar dürfe die KÄV einen Vertragsarzt nicht durch Verwaltungsakt auffordern, die Substitutionsbehandlung eines gesetzlich Krankenversicherten zu beenden, gleichwohl sei sie aber berechtigt, die Vergütung für eine solche Substitutionsbehandlung zu versagen, sei widersprüchlich. Aus der allein maßgeblichen Perspektive des Versicherten mache es keinen Unterschied, ob die KÄV dem substituierenden Arzt untersage, die Behandlung als vertragsärztliche Behandlung fortzuführen, oder ob sie ihm ankündige, ab einem bestimmten Termin die Behandlung nicht mehr zu honorieren. Die Reaktion des Arztes sei in beiden Varianten die gleiche, nämlich die Beendigung der Behandlung; ein heroinabhängiger Patient verfüge typischerweise nicht über die Mittel, die Behandlung privat zu bezahlen. Im Übrigen habe das LSG zu Unrecht unter Hinweis auf die Ausführungen der Qualitätssicherungskommission der Beklagten angenommen, die Substitutionsbehandlung des G. H. hätte über den 13.2.2006 hinaus nicht fortgeführt werden dürfen. Zwar habe dieser Versicherte weiterhin Benzodiazepin konsumiert, weil er anders seine Schlafstörungs- und Unruhezustände nicht habe beherrschen können, doch sei das nach dem einhellig vertretenen Standpunkt der medizinischen Wissenschaft kein Grund, eine für den Versicherten lebensnotwendige Substitutionsbehandlung nicht fortzuführen. Das Berufungsurteil beruhe auch auf einer Verletzung des Art 12 Abs 1 GG sowie der Berufsordnung für Ärzte, weil es der KÄV das Recht gebe, mittelbar über die Art und Weise der Behandlung eines Versicherten zu entscheiden. Nach der einschlägigen Richtlinie der Bundesärztekammer über Drogensubstitution entscheide allein der Arzt über die Fortführung einer medizinischen Behandlung und dürfe nach ärztlichem Berufsrecht insoweit keine Weisungen von Nichtärzten entgegennehmen. Schließlich habe das LSG § 9 der Substitutions-RL sowie die Regelung der KÄV Hessen zur Durchführung der Qualitätsprüfung im Rahmen der substitutionsgeschützten Behandlung Opiatabhängiger vom Juli 2004 falsch angewandt.

6

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Hessischen LSG vom 11.3.2009 insoweit aufzuheben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Marburg vom 22.8.2007 zurückgewiesen worden ist, und auf die Berufung des Klägers dieses Urteil zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 16.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.2.2007 insgesamt aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen

8

Sie verweist darauf, dass sie nach den Abrechnungsbestimmungen ihres Honorarverteilungsmaßstabs berechtigt sei, Leistungen von der Abrechnung auszuschließen, wenn die vorgeschriebenen Abrechnungsvoraussetzungen nicht vorlägen. Leistungen, die ohne die entsprechenden Qualifikationsvoraussetzungen erbracht worden seien, dürfe bzw müsse sie sachlich rechnerisch richtigstellen. Das geschehe durch Verwaltungsakt. Deshalb sei sie auch berechtigt, vorab durch Verwaltungsakt vertragsärztliche Leistungen von der Honorierung auszunehmen, wenn sie diese ohnehin nicht vergüten dürfe. Auch in der Sache habe das Berufungsgericht zutreffend entschieden. Die Substitutionsbehandlung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung dürfe nur im Rahmen der dazu erlassenen Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen bzw des Gemeinsamen Bundesausschusses durchgeführt werden. Behandlungen, die dieser Richtlinie nicht (mehr) entsprächen, dürften nicht als Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung honoriert werden. Das gelte unabhängig davon, ob ihre Fortführung mit ärztlichem Berufsrecht in Übereinstimmung stehe oder nicht.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist - soweit der Senat darüber auf die nur vom Kläger eingelegte Revision zu entscheiden hat - nicht rechtswidrig.

10

1. Nach § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V in der seit dem 1.1.2004 geltenden Fassung stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest. Gegenstand des Richtigstellungsverfahrens ist, die Abrechnung des Vertragsarztes auf ihre Übereinstimmung mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - zu überprüfen. Auf der Grundlage dieses nunmehr in § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V kodifizierten und zuvor in § 45 Abs 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte und § 34 Abs 4 Bundesmantelvertrag-Ärzte-Ersatzkassen geregelten Prüfungs- und Richtigstellungsrechts klärt die KÄV die Übereinstimmung der vertragsärztlichen Abrechnung mit allen maßgeblichen Vorschriften, also nicht nur mit den Leistungstatbeständen der vertragsärztlichen Gebührenordnungen, sondern prüft etwa auch die Beachtung der Fachgebietsgrenzen bei vertragsärztlichen Leistungen, das Vorliegen von Genehmigungserfordernissen und die Erfüllung von Qualitätsvorgaben(vgl zuletzt BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 15, und BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 13, 16, 21 sowie Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 21/09 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Beklagte auf dieser Rechtsgrundlage berechtigt ist, die Abrechnung der Substitutionsleistungen, die der Kläger in der Zeit nach dem 13.2.2006 durchführte, richtigzustellen und zu Unrecht gezahltes vertragsärztliches Honorar gegebenenfalls zurückzufordern, soweit er die Substitutionsbehandlung nicht im Einklang mit den maßgeblichen gesetzlichen bzw untergesetzlichen Vorschriften durchführte. § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V setzt als selbstverständlich und typisch voraus, dass vertragsärztliche Leistungen zunächst erbracht werden und im Anschluss an die Vorlage der Quartalsabrechnung durch den Vertragsarzt die Prüfung bei der KÄV vorgenommen wird.

11

In besonders gelagerten Fällen können nach der Rechtsprechung des Senats indessen Bestandteile der Honorarabrechnung losgelöst vom konkreten Honorarbescheid für ein bestimmtes Quartal zum Gegenstand von Entscheidungen der KÄV gemacht werden, soweit sie sich auf abgrenzbare Fragen beziehen und für mehrere Quartale von Bedeutung sind (vgl BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 31/08 R - RdNr 12 mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen). Das hat praktische Bedeutung für die Fachfremdheit bestimmter Leistungen, soweit diese zwischen dem Vertragsarzt und seiner KÄV umstritten ist, weiterhin für die Frage, ob bestimmte Leistungen einem Genehmigungsvorbehalt nach Qualitätssicherungsvereinbarungen auf der Grundlage des § 135 Abs 2 SGB V unterliegen und ggf, ob der betroffene Vertragsarzt die Voraussetzungen für die Erbringung der entsprechenden Leistungen nachgewiesen hat. Im Interesse der Begrenzung des Streitstoffs bei der Anfechtung von Honorarberichtigungen und der ökonomischen Steuerung und Entlastung der Verfahren von immer wiederkehrenden Streitfragen hat der Senat es gebilligt, dass bestimmte Grundfragen der Honorarabrechnung gleichsam vor die Klammer gezogen und zum Gegenstand eines eigenen Verwaltungsverfahrens gemacht werden (Urteil vom 3.2.2010, aaO, zur Einbeziehung von Nephrologen in das System der Regelleistungsvolumina). Von dieser Möglichkeit hat die KÄV hier sinngemäß mit dem Bescheid vom 16.1.2006 Gebrauch gemacht und dem Kläger mit einer Frist von knapp vier Wochen mitgeteilt, dass sie Substitutionsbehandlungen bei dem Versicherten G. H. ab dem 13.2.2006 nicht mehr für vergütungsfähig hält. Durch diese Entscheidung ist der Kläger insoweit (auch) begünstigt, als er rechtzeitig vor der Leistungserbringung den Standpunkt der Beklagten erfahren hat, sich darauf einstellen kann und nicht dem Risiko ausgesetzt ist, dass erst Monate nach der Leistungserbringung seine Abrechnung richtiggestellt und Honorar zurückgefordert wird.

12

2. Für die Vorabentscheidung der Beklagten über die Berechnungsfähigkeit der Substitutionsleistungen des Klägers gegenüber dem Versicherten G. H. über den 13.2.2006 hinaus und für eine nachträgliche Richtigstellung von (unterstellt) weiterhin erbrachten Substitutionsleistungen gelten dieselben rechtlichen Maßstäbe. Leistungen, die den maßgeblichen vertragsärztlichen Vorschriften nicht entsprechen, dürfen Vertragsärzte nicht erbringen und die KÄVen dürfen sie nicht honorieren. Zutreffend hat das LSG dazu dargelegt, dass Substitutionsleistungen des Klägers gegenüber dem intravenös heroinabhängigen Versicherten G. H. über den 13.2.2006 hinaus von der Beklagten nicht zu vergüten sind. Die Fortsetzung der Behandlung hätte nämlich im Widerspruch zu § 8 Nr 3 der Anlage A Nr 2("substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger") der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs 1 SGB V (im Folgenden: Substitutions-RL) gestanden. Nach dieser Vorschrift ist die Substitution zu beenden, wenn der Gebrauch von Suchtstoffen neben der Substitution ausgeweitet oder verfestigt wird.

13

Die Bestimmungen der Substitutions-RL sind nach § 91 Abs 6 SGB V für den klagenden Vertragsarzt, die beklagte KÄV, die Krankenkasse des Versicherten G. H. sowie diesen selbst verbindlich. Die Vorschriften der Substitutions-RL, die als Anlage zu einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V erlassen worden sind, stehen - soweit das hier von Bedeutung ist - mit höherrangigem Recht im Einklang(vgl näher BSG vom 6.11.2002 - B 6 KA 39/01 R - USK 2002-100, S 607, 610 ff, zur bis Ende 2002 geltenden Fassung der Substitutions-RL sowie grundlegend BSGE 78, 70 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6). Das bedarf hier keiner näheren Ausführungen, weil die Beteiligten dies nicht in Frage stellen.

14

Aus der Präambel der Substitutions-RL ergibt sich, dass die Krankenbehandlung iS des § 27 SGB V auch die Behandlung von Suchterkrankungen umfasst, dass aber das alleinige Ersetzen des Opiates durch ein Substitutionsmittel keine Behandlungsmethode darstellt und von der Leistungspflicht der Krankenversicherung nicht umfasst ist. Daran hat sich auch durch die Aufnahme der diamorphingestützten Substitutionsbehandlung in die Leistungspflicht der Krankenversicherung als Folge der Neufassung der Substitutions-RL durch Beschluss des G-BA vom 18.3.2010 (BAnz Nr 85 vom 11.6.2010) nichts geändert. Der verbindlichen Zielvorgabe in der Präambel trägt ua § 9 Abs 5 Substitutions-RL Rechnung. Danach hat der Arzt bei allen Substitutionsbehandlungen gemäß dieser Richtlinie mit Ablauf von jeweils fünf Behandlungsjahren die patientenbezogenen Dokumentationen gemäß § 7 mit den jeweiligen umfassenden Therapiekonzepten und den Behandlungsdokumentationen an die Qualitätssicherungskommission zur Prüfung zu übermitteln. Diese Qualitätssicherungskommissionen werden nach § 9 Abs 1 Satz 1 Substitutions-RL bei den KÄVen eingerichtet. Die Verpflichtung zur Vorlage aller Dokumentationen bei einer Substitutionsdauer von mehr als fünf Jahren dient der Überprüfung, ob nach Ablauf dieses Zeitpunktes das Behandlungsziel der Drogenfreiheit mit dem vom Arzt praktizierten Behandlungskonzept auf der Basis der persönlichen Situation des Versicherten noch erreicht werden kann. Entsprechend dieser Vorschrift teilte der Kläger, der den Versicherten G. H. von 1995 bis Ende des Jahres 2004 schon zehn Jahre substituiert hatte, der Beklagten dessen Wiedereinstieg in eine methadongestützte Substitution mit. Daraufhin hat die Qualitätssicherungskommission der Beklagten auf der Grundlage der Angaben des Klägers zum bisherigen Behandlungsverlauf, zum derzeitigen Gesundheitszustand des Versicherten G. H. und zu dessen Suchtstoffkonsum den Sachverhalt beurteilt und ist zu der Einschätzung gelangt, wegen des noch ausgeweiteten dauerhaften und kontinuierlichen Konsums von Benzodiazepin durch G. H. könne eine weitere Methadon-Substitution nicht befürwortet werden. Diese Bewertung ist nicht zu beanstanden. Wenn die Beklagte auf dieser Grundlage dem Kläger durch den angefochtenen Bescheid mitgeteilt hat, ab einem Zeitpunkt von knapp vier Wochen nach dessen Bekanntgabe seien die Voraussetzungen für eine Methadon-Substitution bei dem Versicherten G. H. als vertragsärztliche Leistung nicht mehr erfüllt, so ist auch das nicht zu beanstanden.

15

Ob die Beklagte einen Vertragsarzt, der eine Substitutionsbehandlung bei einem bestimmten Versicherten fortsetzen will, obwohl er sie nach § 8 Nr 3 Substitutions-RL abbrechen müsste, zur Beendigung auffordern darf, kann der Senat in diesem Verfahren nicht entscheiden. Das LSG hat eine dahingehende Befugnis der Beklagten verneint und deren angefochtenen Bescheid insoweit aufgehoben. Die Beklagte hat die zur Klärung dieser Frage auch für sie zugelassene Revision nicht eingelegt. Die KÄV ist jedenfalls nicht gehindert, durch Verwaltungsakt die Vergütungsfähigkeit von Substitutionsleistungen ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zu verneinen, soweit sie entsprechende vertragsärztliche Leistungsabrechnungen auch nachträglich richtigstellen dürfte.

16

a) Der Kläger macht gegenüber dieser Berechtigung der Beklagten zunächst geltend, allein der Arzt entscheide, ob und ggf wie lange er einen Opiatabhängigen trotz fortgesetzten Beigebrauchs von Suchtstoffen neben der Substitution mit Methadon versorgen wolle. Damit bezieht sich der Kläger auf Nr 11 letzter Satz der Richtlinien der Bundesärztekammer (BÄK) zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger in der Fassung vom 22.3.2002 (DÄ 2002, A 1458); die derzeit geltende Fassung der Richtlinien der BÄK vom 19.2.2010 (DÄ 2010, A 511) enthält eine solche Regelung in Nr 11 "Therapiekontrolle" nicht mehr. Aus den Richtlinien der BÄK kann jedoch nichts für die Auslegung und Anwendung der Regelung des § 8 Nr 3 Substitutions-RL abgeleitet werden. Die in Ausführung des § 5 Abs 11 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) von der BÄK beschlossenen Richtlinien beschreiben die Voraussetzungen, unter denen Ärzte Betäubungsmittel im Rahmen von Substitutionsbehandlungen straf- bzw berufsrechtlich verschreiben dürfen. Insoweit ergibt sich aus Nr 11 letzter Satz der Richtlinien der BÄK in der seit 2002 geltenden Fassung nur, dass ein Arzt trotz Beigebrauchs nicht gezwungen ist, die Verschreibung eines Opiatersatzes sofort zu beenden. In Nr 11 Satz 7 der Richtlinien der BÄK in der Fassung vom 19.2.2010 ist im Übrigen formuliert, bei einem die Substitution gefährdenden Konsum weiterer psychotroper Substanzen sei deren Entzug - ggf unter stationären Bedingungen - einzuleiten. Zu den Regelungen des G-BA über die substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 27 SGB V) verhält sich die Richtlinie der BÄK nicht. Der BÄK steht keine Befugnis zur Regelung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung zu, und sie nimmt eine solche auch für den Sachbereich der Substitution nicht für sich in Anspruch.

17

Der Senat hat bereits in seinem Urteil zur Methadon-Substitution dargelegt, dass die Ermöglichung der Heroin-Substitution durch Regelungen im Betäubungsmittelrecht nicht notwendig zur Folge hat, das jede strafrechtlich zulässige Therapie Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung wird (BSGE 78, 70, 86 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 42). Deren Gegenstand wird eine Substitutionstherapie als "neue" Behandlungsmethode iS des § 135 Abs 1 SGB V nur nach einer positiven Richtlinienempfehlung des G-BA. Wenn dieser die Leistungspflicht der Krankenkassen für Substitutionsbehandlungen nur vorschreibt, soweit diese dem Ziel dienen, den Gebrauch von Drogen zu beenden, und zugleich dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügen (BSGE aaO S 87 = SozR aaO S 43), steht das mit den gesetzlichen Vorgaben im Einklang.

18

Dieser Beurteilung der Rechtslage entspricht auch die im Jahr 2009 erfolgte Erweiterung der zur Substitution zugelassenen Stoffe um Diamorphin (= synthetisches Heroin). Der Gesetzgeber hat mit dem "Gesetz zur diamorphingestützten Substitutionsbehandlung" vom 15.7.2009 (BGBl I, 1801) durch Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes und der BtMVV den Weg zum Einsatz von verschreibungspflichtigen Diamorphin freigegeben. Mit den sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen dieser Freigabe hat er sich nicht befasst. Diese sind erst im Nachhinein durch den G-BA in Form des Änderungsbeschlusses zu der Substitutions-RL vom 18.3.2010 gezogen worden, nachdem im Gesetzgebungsverfahren eine dahingehende Erwartung formuliert worden war (vgl Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks 16/11515 S 3). Seit dem Inkrafttreten dieses Beschlusses am 12.6.2010 gilt (auch) für die diamorphingestützte Substitutionsbehandlung in krankenversicherungsrechtlicher Hinsicht allein die Substitutions-RL. Auch nach der Aufnahme der diamorphingestützten Substitution in die Substitutions-RL sind im Übrigen Reichweite und Zielsetzung jeder Substitutionsbehandlung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, wie sie ua in der Präambel der Substitutions-RL beschrieben sind, unverändert geblieben.

19

Aus vergleichbaren Erwägungen treffen auch die Schlussfolgerungen nicht zu, die die Revision aus § 2 der Berufsordnung für Ärzte ableitet. Dort ist bestimmt, dass Ärzte keine Anweisungen beachten dürfen, die mit ihren Aufgaben nicht vereinbar sind oder deren Befolgung sie nicht verantworten können, und dass sie hinsichtlich ihrer Entscheidungen keine Weisungen von Nichtärzten entgegennehmen dürfen. Zu diesen berufsrechtlichen Vorgaben hat sich die Beklagte nicht in Widerspruch gesetzt, wenn sie dem Kläger mitteilt, die Substitutionsbehandlung des G. H. ab dem 13.2.2006 nicht mehr zu vergüten. Zahlreiche ärztliche Leistungen dürfen Ärzte berufsrechtlich erbringen, ohne dafür eine Vergütung von der KÄV erhalten zu können, weil insoweit keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung besteht. Das betrifft etwa Leistungen der ästhetischen Chirurgie und der Reproduktionsmedizin, soweit die Voraussetzungen des § 27a SGB V nicht gegeben sind. In der Entscheidung der KÄV, derartige Leistungen nicht als vertragsärztliche Leistungen iS des § 85 Abs 2 Satz 2 SGB V anzusehen und zu vergüten, liegt schon von vornherein keine berufsrechtswidrige Weisung eines Nichtarztes. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass in vertragsärztlichen Regelungen Anforderungen an die Qualifikation von Ärzten für die Erbringung bestimmter ärztlicher Leistungen normiert werden dürfen, die über berufsrechtliche Anforderungen hinausgehen (BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 27; BSG vom 28.10.2009 - B 6 KA 26/08 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 19 RdNr 12 f). Soweit die KÄV einem Vertragsarzt in Anwendung entsprechender vertragsärztlicher Bestimmungen mitteilt, sie werde bestimmte Leistungen - im Fall des Senatsurteils vom 28.10.2009 (aaO) auf proktologischem Gebiet - künftig nicht mehr honorieren, muss der Vertragsarzt das hinnehmen, auch wenn er die betroffenen Leistungen medizinisch für notwendig hält und sie berufsrechtlich erbringen darf. Für den hier zu beurteilenden Fall, dass eine Behandlung wegen in der Person des Patienten liegender Umstände jedenfalls als vertragsärztliche Behandlung von keinem Arzt mehr durchgeführt werden darf, gilt im Ergebnis nichts anderes.

20

b) Soweit der Kläger rügt, das LSG hätte den Sachverhalt weiter aufklären und die Richtigkeit der Feststellungen der Qualitätssicherungskommission der Beklagten weiter überprüfen müssen, folgt der Senat dem nicht. Der Kläger selbst hat alle Unterlagen und Befunde der Beklagten zur Verfügung gestellt, die für die Beurteilung des verfestigten Gebrauchs von Suchtstoffen neben dem Heroinkonsum iS des § 8 Nr 3 Substitutions-RL von Bedeutung sind. Soweit die Qualitätssicherungskommission, die nach § 9 Abs 1 Substitutions-RL mit Fachleuten von Seiten der Vertragsärzte und der Krankenkassen besetzt ist und die besondere Erfahrung im Bereich der Behandlung heroinabhängiger Personen hat, aus dem dauerhaftem Nachweis einer hohen Benzodiazepinkonzentration im Urin des Versicherten den Schluss zog, dass dieser nicht nur gelegentlich bei auftretenden persönlichen Krisen, sondern fortdauernd neben dem Opiatersatz einen weiteren Suchtstoff konsumiert, durfte das LSG dies seiner Entscheidung zugrunde legen. Der Kläger hat nicht aufgezeigt, inwieweit die Feststellungen der Qualitätssicherungskommission fehlerhaft sein könnten. Die Auslegung, dass auch die Einnahme von Benzodiazepin einen Beikonsum iS des § 8 Nr 3 Substitutions-RL darstellt, ist nicht zu beanstanden. Der Ansicht des Klägers, die Regelung des § 8 Nr 3 Substitutions-RL sei zu unbestimmt, vermag der Senat nicht zu folgen; denn ihr Inhalt ist ohne Weiteres durch Auslegung näher bestimmbar, ohne dass unzuträgliche Ungewissheiten verbleiben (vgl BVerfGE 110, 33, 56 f mwN).

21

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren eingewandt und im Revisionsverfahren bekräftigt hat, der Versicherte G. H. habe nur wenig Benzodiazepin konsumiert, rechtfertigt das keine andere Beurteilung. Verschiedene Regelungen der Substitutions-RL lassen hinreichend deutlich erkennen, dass jeder dauerhafte Beigebrauch ua von Benzodiazepin der Aufnahme bzw Weiterführung einer Substitution des Konsums von Heroin entgegensteht. So ist in § 3 Abs 5 Satz 3 Substitutions-RL bestimmt, dass bei Beigebrauch die Indikation für eine Substitution wegen der möglichen Lebensgefahr eine sorgfältige Abwägung voraussetzt. Nach § 4 Nr 1 Substitutions-RL ist die primäre Abhängigkeit ua von Benzodiazepinen sogar ein strikter Ausschließungsgrund für eine Substitutionsbehandlung. In Verbindung mit der oben näher dargestellten Vorschrift des § 8 Nr 3 Substitutions-RL über die Notwendigkeit eines Abbruchs der Substitution hat das LSG daraus zutreffend abgeleitet, dass es für die Unvereinbarkeit von Beigebrauch und Substitution nicht auf die einmalige oder seltene Einnahme von Benzodiazepinen und auch nicht primär auf die Menge der eingenommenen Tabletten, sondern auf die Dauer des Beigebrauchs und die Chancen seiner Beendigung ankommt. Von diesen rechtlichen Ausgangspunkten her bedarf weder der Umfang eines prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums der Qualitätssicherungskommission der Beklagten (§ 9 Abs 1 Substitutions-RL) noch der Umfang der Amtsermittlungspflicht des LSG (§ 103 SGG) näherer Erörterung. Der Kläger stellt selbst nicht in Frage, dass G. H. bis zur Entscheidung der Beklagten regelmäßig Benzodiazepine eingenommen hat und dass er als Arzt keinen Versuch zur Entziehung durchgeführt hat, der mindestens vorübergehenden Erfolg gebracht hätte.

22

c) Im Zentrum des Vorbringens des Klägers stehen daher auch nicht Zweifel an der medizinisch-fachlichen Richtigkeit der Feststellung der Qualitätssicherungskommission, sondern er ist der Auffassung, selbst ein konstanter Beigebrauch eines anderen Suchtstoffs (hier: Benzodiazepin) stelle auch nach 10jähriger Substitution den Sinn der Fortsetzung der Substitutionsbehandlung nicht in Frage. Diese Beurteilung steht im Grundsatz nicht im Einklang mit der Richtlinie, wonach die Substitutionsbehandlung nur dann Bestandteil der gesetzlichen Krankenversicherung ist, wenn sie das Ziel eines Lebens ohne Abhängigkeit von Suchtstoffen verfolgt. Dauerhafter hoher Beikonsum eines anderen Suchtstoffs, für den der behandelnde Arzt keinen Zeitpunkt benennt, zu dem dieser mutmaßlich eingestellt werden wird, schließt die Substitutionsbehandlung nach den Vorgaben der Substitutions-RL aus dem Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung aus.

23

Der Kläger hat weder gegenüber der Beklagten noch in den Vorinstanzen erläutert, welche Bemühungen er unternahm, seinen Patienten G. H. von der kontinuierlichen Einnahme von Benzodiazepin zu entwöhnen und welche Aussichten entsprechende therapeutische Bemühungen nach seiner Einschätzung haben würden. So musste die Kommission nach § 9 Substitutions-RL den Eindruck gewinnen, der Versicherte sei (auch) abhängig von Benzodiazepin, oder der Kläger sehe jedenfalls keine Notwendigkeit bzw Möglichkeit, selbst in einer längeren zeitlichen Perspektive therapeutisch auf eine Reduzierung und schließlich Vermeidung des entsprechenden Beigebrauchs hinzuwirken. Weist ein Vertragsarzt gegenüber der Qualitätssicherungskommission solche Bemühungen nach, wird die KÄV ihm hinreichend Zeit zubilligen müssen, diese Absicht umzusetzen, bevor sie die Vergütung für die Behandlung versagt. Auch gelegentliche Rückschläge im gemeinsamen Bemühen von Arzt und Patient um eine Vermeidung des Beikonsums dürften im Hinblick auf die Schwere der Erkrankungen und die Schwierigkeiten erfolgreichen therapeutischen Einwirkens auf den betroffenen Patientenkreis einer Vergütung der substitutionsvertragsärztlichen Leistung nicht entgegenstehen. Eine solche Situation liegt hier jedoch nicht vor.

24

d) Soweit der Kläger pauschal eine fehlerhafte Anwendung der "Regelung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zur Durchführung der Qualitätsprüfung im Rahmen der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger gemäß § 136 Abs. 1 SGB"(Anlage 3 zum Landesrundschreiben vom 16.7.2004) rügt, ist dem nicht weiter nachzugehen. Der Revisionsbegründung ist schon nicht iS des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG hinreichend deutlich zu entnehmen, welche Vorschrift genau der Kläger als rechtswidrig oder falsch angewandt, rügen will. Im Übrigen stellt die Regelung Landesrecht iS des § 162 SGG dar, dessen Verletzung mit der Revision grundsätzlich nicht gerügt werden kann. Einer der Sachverhalte, in denen landesrechtliche Regelungen ausnahmsweise revisibel sind (dazu zuletzt Senatsurteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen), liegt nicht vor.

25

Die Kostentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 iVm § 154 Abs 2 VwGO.

(1) Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, medizinische Versorgungszentren und Krankenkassen wirken zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zusammen. Soweit sich die Vorschriften dieses Kapitels auf Ärzte beziehen, gelten sie entsprechend für Zahnärzte, Psychotherapeuten und medizinische Versorgungszentren, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Die vertragsärztliche Versorgung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, daß eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden.

(3) Für die knappschaftliche Krankenversicherung gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend, soweit das Verhältnis zu den Ärzten nicht durch die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See nach den örtlichen Verhältnissen geregelt ist.

(4) (weggefallen)

(1) Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten sind insbesondere

1.
das Errichten,
2.
das Bereithalten,
3.
die Instandhaltung,
4.
die Aufbereitung sowie
5.
sicherheits- und messtechnische Kontrollen.

(2) Betreiber eines Medizinproduktes ist jede natürliche oder juristische Person, die für den Betrieb der Gesundheitseinrichtung verantwortlich ist, in der das Medizinprodukt durch dessen Beschäftigte betrieben oder angewendet wird. Abweichend von Satz 1 ist Betreiber eines Medizinproduktes, das im Besitz eines Angehörigen der Heilberufe oder des Heilgewerbes ist und von diesem zur Verwendung in eine Gesundheitseinrichtung mitgebracht wird, der betreffende Angehörige des Heilberufs oder des Heilgewerbes. Als Betreiber gilt auch, wer außerhalb von Gesundheitseinrichtungen in seinem Betrieb oder seiner Einrichtung oder im öffentlichen Raum Medizinprodukte zur Anwendung bereithält.

(3) Anwender ist, wer ein Medizinprodukt im Anwendungsbereich dieser Verordnung am Patienten einsetzt.

(4) Gesundheitseinrichtung im Sinne dieser Verordnung ist jede Einrichtung, Stelle oder Institution, einschließlich Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen, in der Medizinprodukte durch medizinisches Personal, Personen der Pflegeberufe oder sonstige dazu befugte Personen berufsmäßig betrieben oder angewendet werden.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 4. Mai 2010 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten auch des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4347 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich gegen einen Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Arzneimitteln im Jahr 2003.

2

Der Kläger war damals als Facharzt für Innere Medizin im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Wegen des Vorwurfs fahrlässiger Tötung nach Fehlbehandlung von Herzinsuffizienz durch Fehldiagnose und Festhalten an der verfehlten Behandlung mit insbesondere oralen Nitraten verurteilten ihn das AG M. wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung und das Berufsgericht für Heilberufe zu einer Geldbuße von 2000 Euro (Urteile vom 27.3.2001 und vom 26.2.2003). Das Landesamt für Gesundheit und Arbeitssicherheit widerrief mit dem Vorwurf, ihm fielen noch weitere offenkundige Fehlbehandlungen zur Last, seine Approbation (Bescheid vom 20.8.2003 mit Anordnung der sofortigen Vollziehung, - Zurückweisung der Rechtsmittel im vorläufigen Rechtsschutz- und im Hauptsacheverfahren; - später, 2008, Wiederaufnahmeantrag, über einen Erfolg ist aber nichts bekannt). Mit Bescheid vom 29.10.2003 entzog der Zulassungsausschuss dem Kläger die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Sein Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 24.2.2004 mit Anordnung der sofortigen Vollziehung). Im Klageverfahren hat das SG nach dem Widerruf der Approbation das Ruhen des Verfahrens angeordnet (Beschluss vom 27.9.2004); eine Aufnahme des Verfahrens ist ausweislich der hier vorliegenden Aktenlage bisher nicht erfolgt.

3

Auf Antrag der zu 1. beigeladenen AOK (Anträge vom 10.12. und 11.12.2003, 13.5. und 24.8. 2004) setzte der Prüfungsausschuss gegen den Kläger unter anderem wegen Verordnungen übermäßig hoher Dosen von Nitraten in den Quartalen I bis IV/2003 einen Regress von 5570,94 Euro fest (Bescheid vom 10.2.2005). Auf den Widerspruch des Klägers hin reduzierte der beklagte Beschwerdeausschuss den Regressbetrag auf 5347,86 Euro, wiederholte aber im Übrigen, dass dem Kläger die Verordnung übermäßig hoher Dosen von Nitraten, weiterhin Verordnungen entgegen der Arzneimittel-Richtlinie bzw ohne die in der AMR vorausgesetzte vorherige nicht-medikamentöse Therapie und außerhalb des in der Zulassung ausgewiesenen Anwendungsbereichs vorzuhalten seien (Bescheid vom 1.6.2006).

4

Das vom Kläger angerufene SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 11.7.2008). Im Berufungsverfahren hat der Beklagte den Regress teilweise - in Höhe von 1000,99 Euro - fallenlassen, ihn aber im Übrigen - in Höhe von 4346,87 Euro - aufrechterhalten. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 4.5.2010): Der Regress sei berechtigt. Die vom Beklagten auf der Grundlage des § 106 SGB V vorgenommene Einzelfallprüfung sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe bei der Verordnung von Nitraten die Dosierungsempfehlungen sowohl der Roten Liste als auch der Fachinformation um mehr als das Doppelte überschritten. Das von ihm zur Rechtfertigung angeführte, von ihm selbst entwickelte Konzept einer "bisher unbekannte(n) Möglichkeit der Behandlung von Myokardinsuffizienz und kardialen Erregungsleitungsstörungen" sei weder wissenschaftlich anerkannt, noch habe er dafür Ergebnisse randomisierter kontrollierter Studien anführen können. Allein seine eigenen Erfahrungen aus seinem beruflichen Alltag sowie aus Tierversuchen reichten nicht aus. Auch soweit der Beklagte die Verordnungen anderer Arzneimittel als Nitrate beanstandet habe, sei dies berechtigt. Andante und Tensobon habe der Kläger in Kombination mit den hoch dosierten Nitraten in ebenfalls überhöhter Dosierung verordnet. Bei Venostasin habe er die in der AMR vorausgesetzte vorherige nicht-medikamentöse Therapie nicht durchgeführt. Dasselbe gelte für Hepar SL.

5

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG. Er hat erklärt, sein Rechtsmittel auf den Regress wegen der Verordnungen der Nitrate (ISDN Stada, Isoket retard, Monostenase long und Isomet) zu beschränken.

6

II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen.

7

1. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich schon nicht mit völliger Klarheit, auf welchen der drei Zulassungsgründe (§ 160 Abs 2 Nr 1, 2 oder 3 SGG) ihre Ausführungen ausgerichtet sind. Diese müssen gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ein Mindestmaß an Klarheit, Verständlichkeit und Übersichtlichkeit aufweisen(vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 = NZS 2000, 266 mwN; vgl ebenso BVerfG vom 24.8.2010 - 1 BvR 2309/09 - Juris RdNr 13). Hierfür ist entweder darzulegen, dass die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), oder es ist eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung (Nr 2 aaO) oder ein Verfahrensmangel aufzuzeigen (Nr 3 aaO). Eine dementsprechende Grundsatz-, Divergenz- oder Verfahrensrüge kann der Beschwerdebegründung nicht entnommen werden. Dafür reicht das Vorbringen nicht aus, die Sache habe allgemeine Bedeutung, das LSG habe ein Fehlurteil gesprochen, und es sei von der Rechtsprechung des BSG abgewichen, indem es sich auf Urteile des BSG gestützt habe, die auf den vorliegend zu beurteilenden Fall nicht passen.

8

Aber selbst wenn man die Beschwerdebegründung wohlwollend dahin versteht, dass die Rüge des Vorliegens grundsätzlicher Bedeutung erhoben werden soll (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG), sind die Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht erfüllt. Die zu entscheidenden Rechtsfragen werden weder konkret formuliert, noch wird die dazu vorliegende Rechtsprechung genügend aufgearbeitet (siehe nachfolgend 2.).

9

2. Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss gemäß den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet(vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Es muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Es bedarf der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung (vgl BVerfG , SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f; SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3 f; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; Nr 23 S 42; besonders deutlich auch BVerfG vom 14.4.2010 -1 BvR 2856/07 - Juris RdNr 6). Es muss auch dargelegt werden, dass die Bedeutung der Rechtsfrage über den Einzelfall hinausgeht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 S 34 f; Nr 30 S 57 f mwN). Lediglich allgemeine oder nur kursorische Hinweise ohne Durchdringung des Prozessstoffs reichen nicht aus (vgl BVerfG , DVBl 1995, 35). Diese Anforderungen an die Darlegungspflicht sind verfassungsrechtlich unbedenklich (siehe die zitierte BVerfG-Rechtsprechung).

10

Diesen Erfordernissen entsprechen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung in mehrfacher Hinsicht nicht.

11

a) Die Beschwerdebegründung wird teilweise schon nicht dem Erfordernis gerecht, eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen. Weder mit der Wendung "Es stellt sich die Frage, ob eine Einzelfallprüfung zulässig ist und welche Kriterien für diese Einzelfallprüfung maßgeblich sind" noch mit dem Passus "Die Frage ist, welche Voraussetzungen an eine solche Einzelfallprüfung zu stellen sind" wird - wie erforderlich - eine Frage formuliert, die mit Ja oder Nein beantwortet werden kann (vgl hierzu zB BAGE 121, 52, 53 = Juris RdNr 6; BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - RdNr 7, vom 16.7.2009 - B 6 KA 64/08 B - RdNr 11 und vom 14.1.2010 - B 13 R 539/09 B - RdNr 5). Überdies sind diese Formulierungen zu allgemein. Erforderlich wäre die Formulierung einer konkreten Rechtsfrage, dh einer Rechtsfrage, die konkreten Bezug zu der im Sachverhalt anstehenden Problematik hat, zB dahingehend, ob im Wege der Einzelfallprüfung die Verordnungsweise eines Arztes, die sich auf eine von ihm selbst entwickelte Therapiemethode gründet, beanstandet werden darf.

12

Aber auch wenn die zitierten Formulierungen im Wege der Einbeziehung des Gesamtbildes der Beschwerdebegründung als hinreichend konkret formulierte Rechtsfragen unterstellt würden, ist die Beschwerde nicht zulässig, weil den übrigen Darlegungsanforderungen nicht genügt wird.

13

b) Aus den Darlegungen in der Beschwerdebegründung müsste ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die aufgeworfenen Fragen nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Bei einer Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde ist es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, die einschlägige Rechtsprechung seinerseits aufzuführen und sich damit zu befassen; eine Beschwerdebegründung, die es dem Gericht überlässt, die relevanten Entscheidungen zusammenzusuchen, wird den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht gerecht. Eine ausreichende Darlegung erfordert vor allem die Auseinandersetzung mit dem Urteil des LSG und auch sonstiger einschlägiger Rechtsprechung insbesondere des BSG (zu diesen Anforderungen siehe die BSG und BVerfG-Rechtsprechung, wie oben 2. angegeben).

14

Eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG ist der Beschwerdebegründung indessen nicht zu entnehmen. Einschlägig für die Beurteilung eines Verordnungsregresses sind zB die Senatsurteile vom 20.10.2004 (SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 27 ff), vom 27.6.2007 (SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 11 ff) und vom 3.2.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 24 ff). Aus diesen Urteilen ergibt sich der rechtliche Rahmen für die Zulässigkeit und für die Voraussetzungen von Einzelfallprüfungen. Auszugehen ist davon, dass die Einzelfallprüfung im Gegensatz zur sog Durchschnittsprüfung steht. Einzelfallprüfungen sind alle Überprüfungen der Behandlungs- und Verordnungsweise, die nicht an dem allgemeinen Vergleich mit dem durchschnittlichen Aufwand der Fachgruppe ansetzen, sondern einen direkten Bezug zu dem tatsächlichen (konkreten) Behandlungs- oder Verordnungsverhalten des geprüften Arztes haben. Aus dieser Charakterisierung wird deutlich, dass Einzelfallprüfungen sich zwar auf "bestimmte einzelne Behandlungsfälle" beziehen (so die Formulierung in SozR aaO Nr 26 RdNr 17), aber weder aus den Rechtsvorschriften noch aus der Rechtsprechung ist abzuleiten, dass die Fälle auch einzeln benannt werden müssten, wie der Kläger offenbar meint (Beschwerdebegründung S 6 oben). Es reicht vielmehr aus, dass sich aus dem Zusammenhang ergibt, welche Einzelfälle betroffen sind. So betraf die vom Kläger beanstandete Prüfung alle Fälle, in denen er Nitrate verordnete. Dies ist vergleichbar mit der Fallgestaltung im Urteil des BSG vom 20.10.2004, in dem die Ausführungen alle Verordnungsfälle betrafen, in denen der damalige Kläger Generika verordnet hatte, ohne dass diese Fälle im Einzelnen aufgezählt wurden (SozR aaO Nr 6 RdNr 27 ff). Diese Rechtsprechung zeigt, dass aus dem Fehlen der Aufführung einzelner Fälle nicht abgeleitet werden kann, es sei "letztlich nur eine abstrakte Überprüfung" erfolgt (so aber die Beschwerdebegründung S 6 oben).

15

Der Kläger befasst sich indessen in seiner Beschwerdebegründung mit keinem der genannten BSG-Urteile. Er erwähnt nicht einmal dasjenige vom 27.6.2007, obgleich dieses vom LSG ausdrücklich angeführt wird, und zwar dort, wo das LSG mit der Würdigung der vom Beklagten durchgeführten Wirtschaftlichkeitsprüfung beginnt (LSG-Urteil S 11).

16

c) Auch soweit der Kläger sich sinngemäß dagegen wendet, dass ihm übermäßige Verordnungen von Nitraten angelastet werden, setzt er sich nicht mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG auseinander. Weder das vom LSG ausdrücklich genannte Urteil des BSG vom 27.6.2007 (SozR 4-2500 § 106 Nr 17)noch andere einschlägige Rechtsprechung werden in der Beschwerdebegründung überhaupt erwähnt:

17

Aus dem Urteil des Senats vom 27.6.2007 (SozR 4-2500 § 106 Nr 17) ergibt sich, dass eine Dosierung, die über die Therapieempfehlungen der Roten Liste und der Fachinformation weit hinaus geht, grundsätzlich rechtswidrig ist (aaO RdNr 17 ff). Eine Ausnahme wird für den Fall erwogen, dass es für die Abweichung eine medizinische Rechtfertigung gibt, was etwa "aufgrund von Besonderheiten im zugrunde liegenden Behandlungsfall" denkbar sein kann (aaO RdNr 18 aE). Eine solche Besonderheit will der Kläger mit den von ihm angeblich in jedem der Behandlungsfälle erzielten Behandlungserfolgen begründen (Beschwerdebegründung S 6). Indessen verkennt er, dass - vor allem - eine neue Behandlungsmethode vor ihrer Anwendung zunächst anerkannt sein muss. Dies geschieht entweder im Verfahren gemäß § 135 Abs 1 SGB V durch eine entsprechende Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses oder im Arzneimittelzulassungsverfahren gemäß dem Arzneimittelgesetz (AMG)(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 26 f, 31 bis 33). Zu der Zulassung nach dem AMG gehört auch die Vorgabe der Dosierung (§ 22 Abs 1 Nr 10, § 29 Abs 1 iVm Abs 2a Nr 1 AMG, vgl die Erwähnung der Pflicht zur Anzeige von Veränderungen der Dosierung in BSGE 89, 184, 187 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 31 f). Der Einsatz eines Arzneimittels abweichend von dem Inhalt der Zulassung stellt einen Off-Label-Use dar. Welche Kriterien für einen ausnahmsweise rechtmäßigen Off-Label-Use gelten, hat das BSG in seiner Rechtsprechung wiederholt dargelegt. Danach müssen - neben weiteren Voraussetzungen - Eignung und Unbedenklichkeit im Sinne einer Aussicht auf einen Behandlungserfolg fundiert belegt sein (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 21 mwN). Solche Belege liegen nach den Feststellungen des LSG für den Einsatz von Nitraten nicht vor. Das LSG hat ausgeführt, dass sich dafür keine Ergebnisse randomisierter kontrollierter Studien anführen lassen, sondern nur die Erfahrungen des Klägers aus seinem beruflichen Alltag und aus Tierversuchen (LSG-Urteil S 12). Es hat weiter ausgeführt, dass dies nicht ausreicht, jedenfalls nicht, um einen Verordnungsumfang zu rechtfertigen, der um mehr als das Doppelte die Dosierungsempfehlungen übersteigt (LSG-Urteil S 13 oben).

18

Mit dieser dem LSG-Urteil zugrunde liegenden Rechtsprechung des BSG setzt der Kläger sich in seiner Beschwerdebegründung nicht auseinander. Insbesondere befasst er sich nicht mit dem zentralen Rechtsprechungserfordernis, dass hinreichende Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit des Behandlungskonzepts vorliegen müssen, geschweige denn, dass er darauf bezogen eine konkrete Rechtsfrage formuliert. Um den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG angesichts der schon vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu genügen, reicht es nicht aus, dass der Kläger geltend macht, entscheidend sei der Behandlungserfolg, das Behandlungskonzept habe sich bewährt und seine Patienten seien auch im Universitätsklinikum dementsprechend weiterbehandelt worden.

19

d) Ferner verhilft es der Beschwerde auch nicht zur Zulässigkeit, dass der Kläger sich in seiner Beschwerdebegründung immerhin mit einer Entscheidung des BSG befasst, nämlich mit dem Urteil des BSG vom 9.4.2008 (SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 16). Er hält dem LSG vor, es habe sich nicht auf dieses Urteil stützen dürfen, weil dieses in einem Fall der Honorarkürzung ergangen sei, während vorliegend ein Verordnungsregress betroffen sei (Beschwerdebegründung S 5). Hieraus lässt sich indessen kein Revisionszulassungsgrund ableiten.

20

Die Bezugnahme des LSG auf das BSG-Urteil betrifft, wie sich aus dem Kontext im LSG-Urteil (S 10 unten) deutlich ergibt, nur die Frage, welche Fassung der Prüfvereinbarung die Prüfgremien anzuwenden haben, wenn sie die Wirtschaftlichkeit des Jahres 2003 erst in einem späteren Jahr überprüfen. Es liegt nahe, dass die vom BSG gegebene Antwort - dass die frühere Prüfvereinbarung anzuwenden ist - gleichermaßen für die Überprüfung der Behandlungs- wie auch der Verordnungsweise gilt. Ein Grund, sie nicht auch im Verordnungsbereich anzuwenden, ist weder aus den normativen Regelungen noch aus den Ausführungen des BSG aaO ersichtlich. Vor diesem Hintergrund hätte es dem Kläger oblegen, im Rahmen seiner Beschwerdebegründung den Versuch zu machen, Zweifel an der Anwendbarkeit im Verordnungsbereich herauszuarbeiten. Ausführungen in dieser Richtung sind der Beschwerdebegründung indessen nicht zu entnehmen. Mithin fehlen insoweit ausreichende Darlegungen entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG.

21

           

e) Vor dem Hintergrund der Ausführungen oben unter 2.c) kommt eine Revisionszulassung auch nicht wegen der Frage in Betracht,

ob eine Verordnung über Dosierungsempfehlungen hinaus einen Regress begründet, wenn bei höherer Dosierung ein zusätzlicher therapeutischer Nutzen zu erwarten war und auch eingetreten ist, andererseits mit nachteiligen Nebenwirkungen nicht zu rechnen und diese auch nicht eingetreten sind (Beschwerdebegründung S 6 unten).

Mit dieser Frage unterstellt der Kläger, dass es allein auf den (voraussichtlichen) Erfolg im Sinne des Eintritts eines Nutzens und des Nichteintritts von Nebenwirkungen ankomme. Dies ist nach der unter 2.c) dargestellten Rechtsprechung aber nicht der Fall, vielmehr muss auch gerade die Behandlungs- und Verordnungsweise als solche rechtmäßig sein, dh bei Einsatz einer neuen Therapiemethode müssen Eignung und Unbedenklichkeit belegt sein. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob solche Belege vorliegen bzw ob sie den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG genügen, findet sich in der Beschwerdebegründung nicht, sodass den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht entsprochen ist.

22

3. Schließlich hat der Kläger auch keinen Erfolg mit seinem Vorbringen, sein Behandlungskonzept habe sich zwischenzeitlich durchgesetzt und dies hätte das LSG feststellen müssen; dem LSG falle insoweit ein Verfahrensmangel zur Last (Beschwerdebegründung S 6). Vor dem Hintergrund, dass vorliegend auf das Jahr 2003 abzustellen ist und es nicht darauf ankommen kann, ob sich etwa zwischenzeitlich, nach 2003, sein Behandlungskonzept durchgesetzt hat (zum maßgeblichen Zeitpunkt vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 21 mwN), ist nicht erkennbar, welcher Gesichtspunkt dem LSG hätte Anlass geben können, solche Ermittlungen anzustellen. In der Beschwerdebegründung wird ein solcher Anlass auch nicht aufgezeigt. Mithin fehlt es an Darlegungen, inwiefern das Urteil des LSG auf dem vom Kläger geltend gemachten Unterlassen im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG "beruhen kann". Im übrigen ist die Verfahrensrüge auch deshalb unzulässig, weil die Beschwerdebegründung den besonderen Anforderungen an eine Rüge der Verletzung des § 103 SGG nicht Rechnung trägt: Bei solchen Rügen muss gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ein Beweisantrag benannt und dazu ausgeführt werden, dass das LSG ihm ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt sei(zu diesem Erfordernis vgl näher zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 29 S 49; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5).

23

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG, ausgehend von dem Regressbetrag, über den das LSG inhaltlich entschieden hat.

Tatbestand

1

Umstritten ist ein Arzneikostenregress wegen der Verordnung des Arzneimittels Alphaglobin in den Quartalen I, II und IV/1999.

2

Der als Arzt für Nervenheilkunde an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Kläger behandelte ua im Jahr 1999 die im Jahr 1971 geborene Patientin O., die an Multipler Sklerose (MS) litt. Die Patientin hatte 1996 ein erstes Kind geboren und bei ihr bestand der Wunsch nach einem zweiten Kind. Für die Zeit vor und nach der Empfängnis verordnete der Kläger in den drei streitbefangenen Quartalen insgesamt fünfmal das intravenös zu verabreichende Arzneimittel Alphaglobin, das später den Handelsnamen "Flebogamma 5 %" trug. Der Kläger hielt die Verordnung eines Immunglobulinpräparates für geboten, weil andere Arzneimittel zur Behandlung einer schubförmig verlaufenden MS im zeitlichen Zusammenhang mit Empfängnis und Geburt kontraindiziert seien.

3

Auf Antrag der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse der Versicherten O. vom 14.11.2000 setzte der Prüfungsausschuss im Juli 2001 eine Schadensersatzverpflichtung des Klägers für die Kosten von Alphaglobin in Höhe von insgesamt ca 19 100 DM fest. Der Prüfungsausschuss begründete seine Entscheidung damit, Alphaglobin sei zur Behandlung der MS nicht zugelassen. Der beklagte Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, auch die Voraussetzungen für einen indikationsüberschreitenden Einsatz seien nicht erfüllt. Es bestehe kein Konsens in der medizinischen Wissenschaft und bei den einschlägigen Fachgesellschaften hinsichtlich einer Empfehlung für eine prophylaktische Therapie mit Immunglobulinen für Patientinnen in der Zeit unmittelbar vor oder nach der Geburt eines Kindes.

4

Das SG hat den Bescheid des Beklagten aufgehoben. Es hat diese Entscheidung damit begründet, die für die Behandlung der schubförmig verlaufenden MS zugelassenen Arzneimittel seien während der Schwangerschaft und der Stillzeit einer Mutter nicht risikolos einsetzbar gewesen. Zur Anwendung eines Immunglobulins habe es daher keine therapeutisch gleichwertige und nebenwirkungsarme Behandlungsmöglichkeit gegeben.

5

Auf die Berufungen des beklagten Beschwerdeausschusses und der zu 2. beigeladenen Krankenkasse hat das LSG das sozialgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Es hat unter Hinweis auf Entscheidungen des BSG zum Anspruch von an MS erkrankten Versicherten auf die Versorgung mit Immunglobulinen ausgeführt, der Nachweis einer hinreichenden Wirksamkeit von Alphaglobin zur Behandlung der MS sei nicht geführt. Das gehe nach den anzuwendenden Grundsätzen zur Verteilung der Beweislast bei Arzneikostenregressen wegen unzulässiger Verordnungen zu Lasten des Vertragsarztes. Auch aus der Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 zum Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit nicht allgemein wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmethoden folge kein anderes Ergebnis (Urteil vom 22.4.2009).

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger in erster Linie, das LSG habe den Sachverhalt entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 103 Satz 1 SGG nicht hinreichend aufgeklärt. Entscheidungserheblich sei, ob die schubförmige MS durch einen immunologischen Pathomechanismus hervorgerufen werde und ob das ggf bereits im Jahre 1999 bekannt gewesen sei. Rechne die MS zu diesen Erkrankungen, so sei der Einsatz von Alphaglobin im Jahr 1999 von der arzneimittelrechtlichen Zulassung dieses Präparates gedeckt gewesen; die Voraussetzung eines Off-Label-Use hätten deshalb gar nicht erörtert werden müssen. Das LSG hätte sich nicht mit der Einholung einer Auskunft des Paul-Ehrlich-Instituts zufrieden geben dürfen, sondern hätte ein Sachverständigengutachten zur Zuordnung der MS zu den Erkrankungen, die durch einen immunologischen Pathomechanismus hervorgerufen werden, einholen müssen. Die Auseinandersetzung des Berufungsgerichts mit den von den Verfahrensbeteiligten eingereichten medizinischen Stellungnahmen sei unzureichend. Deshalb habe er - der Kläger - von Herrn Prof. B., Institut für Neuropathologie der Georg-August-Universität G. ein Gutachten eingeholt, das seine Auffassung bestätige. Nach diesem Gutachten könne davon ausgegangen werden, dass die schubförmig verlaufende MS eine sog Autoimmunerkrankung sei, die durch einen immunologischen Pathomechanismus hervorgerufen werde, und dass das auch schon 1999 so zu beurteilen gewesen sei. Das LSG hätte zumindest die Beteiligten darauf hinweisen müssen, dass es seine eigene Sachkunde für ausreichend halte, den Ursachenzusammenhang hinsichtlich der MS zu beurteilen.

7

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22.4.2009 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zurückzuverweisen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die zu 2. beigeladene Krankenkasse beantragt ebenfalls,

die Revision zurückzuweisen.

10

Nach ihrer Ansicht hat das LSG weder seine Amtsermittlungspflicht missachtet noch den Beteiligten unzureichend rechtliches Gehör gewährt. Die Feststellung des LSG, dass die Entstehungsbedingungen für MS in der medizinischen Wissenschaft noch ungeklärt seien, könne durch die Aussagen einzelner Sachverständiger nicht widerlegt werden. Deshalb habe das LSG von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen und den Rechtsstreit nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast entscheiden dürfen. Dass die Beweislast in diesem Fall den Kläger treffe, habe das LSG zutreffend dargelegt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das LSG hat die Klage gegen den angefochtenen Regressbescheid des beklagten Beschwerdeausschusses zu Recht abgewiesen.

12

Auf der Grundlage des § 14 der im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) geltenden Prüfvereinbarung iVm § 106 Abs 2 SGB V war der Beklagte berechtigt, wegen der Verordnung von Arzneimitteln, die in der vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnet werden dürfen, einen Kostenregress gegen den verordnenden Arzt festzusetzen. Die Festsetzung eines derartigen Kostenregresses hat allein die Unzulässigkeit der umstrittenen Verordnung in der vertragsärztlichen Versorgung zur Voraussetzung und setzt kein Verschulden des Vertragsarztes voraus. Das hat das LSG eingehend dargelegt und wird von den Beteiligten in diesem Verfahren nicht in Frage gestellt. Im Übrigen stimmt der Senat den Ausführungen des LSG zu, wie sich aus den Urteilen vom 5.5.2010 in den Verfahren B 6 KA 6/09 R (zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) und B 6 KA 20/09 R ergibt.

13

1. Zu Recht gehen sowohl das LSG wie der Kläger davon aus, dass der vom Beklagten aufrecht erhaltene Regress rechtswidrig wäre, wenn feststünde, dass O. nach den tatsächlichen Verhältnissen des Jahres 1999 einen Anspruch auf Versorgung mit Alphaglobin als Sachleistung der Krankenkasse gehabt hätte. Diese Konsequenz aus der Entscheidung des BVerfG hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 5.11.2008 zu Wobe Mugos (SozR 4-2500 § 106 Nr 21; ebenso BSG MedR 2010, 276) inzident angesprochen und hält daran fest. Der verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen beruht im Kern darauf, dass die Krankenkasse einen Ausgleich für die Bezahlung von Medikamenten erhält, die sie bei korrekten Verhalten des Arztes nicht hätte finanzieren müssen. Wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Versicherte, zu dessen Gunsten der Vertragsarzt die umstrittenen Verordnungen ausgestellt hat, auf die Versorgung mit dem verordneten Arzneimittel einen Anspruch gegen seine Krankenkasse hatte, ist dieser durch die Bezahlung dieses Arzneimittels dem Grunde nach jedenfalls kein Schaden entstanden, den der Vertragsarzt nunmehr ersetzen müsste. Lässt sich allerdings nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise gerechtfertigten Off-Label-Use vorgelegen haben, geht das zu Lasten des Arztes. Er rückt, obwohl er sich nach der Ausrichtung des Verfahrens gegen einen Regress wendet, hinsichtlich der Verteilung von Darlegungs- und Beweislast in die Stellung ein, die der Versicherte gehabt hätte, wenn er seinen Standpunkt zu der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels gegen die Krankenkasse nach § 13 Abs 3 SGB V im Wege der Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs durchsetzen müsste. Wer geltend machen will, der Versorgungsanspruch umfasse in einer bestimmten Konstellation auch die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln außerhalb der Zulassungsindikationen, dringt damit nicht durch, wenn sich unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die dafür insbesondere in der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG und inzwischen auch vom GBA (§ 30 der Arzneimittel-Richtlinie iVm Anlage VI) formulierten Voraussetzungen vorgelegen haben.

14

Das ist auch hier der Fall und geht zu Lasten des Klägers. Die Versicherte O. konnte die Versorgung mit Alphaglobin zur Behandlung ihrer MS nicht beanspruchen. Das Medikament war für die Behandlung der MS nicht zugelassen, und die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use haben - auch unter Berücksichtigung der Grundsätze des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 - nicht vorgelegen.

15

a. Das LSG hat zunächst dargelegt, dass der Kläger das verordnete Immunglobulin außerhalb der Zulassung nach § 21 Abs 1 Arzneimittelgesetz (AMG) verordnet hat. Für das Krankheitsbild der MS ist nach der Auslegung der für die Zulassung maßgeblichen Unterlagen sowie der Fachinformation für "Alphaglobin" dieses Medikament nicht zugelassen. Dass eine ausdrückliche Zulassung von Alphaglobin zur Behandlung der MS erfolgt sei, macht auch der Kläger nicht geltend. Er ist aber der Auffassung, die MS gehöre zu den im zweiten einleitenden Absatz der Fachinformationen für Alphaglobin erwähnten Krankheitsbildern, die durch einen immunologischen Pathomechanismus induziert sind. Darauf kommt es entgegen der Auffassung des Klägers auf der Grundlage der Feststellungen des LSG jedoch nicht entscheidend an.

16

Das LSG hat unter Auswertung der Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 6.4.2009 dargestellt, dass die Fachinformationen zu Alphaglobin einerseits konkrete Indikationen im Sinne von klar umschriebenen Krankheiten aufführen (zB Leukämie, AIDS bei Kindern) und andererseits eine offene Formulierung enthalten. Danach "wird Immunglobulin von Menschen auch bei verschiedenen Krankheitsbildern angewandt, die durch einen immunologischen Pathomechanismus (zB Alloantikörper und/oder Metoantikörper) induziert werden, wie zB bei autoimmunen Thrombozytopenie (ITP)". Soweit mit dieser sehr weiten Wendung eine arzneimittelrechtliche Zulassung auch für Indikationen eröffnet wird, die nicht als Beispielsfälle konkret genannt werden oder solchen ähnlich sind, setzt ein zulassungskonformer Einsatz des Mittels voraus, dass kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass die zu behandelnde Erkrankung durch einen immunologischen Pathomechanismus als zentral wirkende Ursache induziert wird. Wenn insoweit die Meinung des einzelnen Arztes oder einzelner Wissenschaftler ausschlaggebend wären, könnte die arzneimittelrechtliche Zulassung ihre Funktion nicht erfüllen, nämlich Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Arzneimittels indikationsbezogen zu garantieren (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 20). Daher erfolgt eine Verordnung von Alphaglobin immer dann außerhalb der zugelassenen Indikation, wenn eine Krankheit behandelt werden soll, von der gerade nicht im Sinne eines Konsenses der Fachwelt feststeht, dass sie primär durch einen "immunologischen Pathomechanismus" ausgelöst wird. Dasselbe gilt, wenn auf einer konkreteren Stufe für eine bestimmte Erkrankung durch Studien keine positiven Wirkungen des Einsatzes des betroffenen Arzneimittels belegt ist. Wenn Studien keinen Beleg dafür liefern, dass eine schubförmig verlaufene MS durch die Gabe von Immunglobulinen positiv beeinflussbar ist, kann die sehr viel abstraktere Frage, ob Immunsystemstörungen ursächlich für MS sind oder sein können, offen bleiben. Kein Vertragsarzt ist unter Hinweis auf einen (möglichen oder sogar wahrscheinlichen) Zusammenhang zwischen Störungen des Immunsystems und MS berechtigt, Immunglobuline zur Behandlung der MS zu verordnen, wenn Studien belegen, dass insoweit keine Wirkungen auf den Verlauf der MS erzielt werden können. Die ohnehin problematische Einbindung der in der medizinischen Wissenschaft nach wie vor ungeklärten Frage der Verursachung von MS in die Indikation eines Arzneimittels durch die Formulierung der Fachinformationen zu Alphaglobin hat keine praktische Bedeutung mehr, wenn die Wirkungen gerade dieses Arzneimittels erforscht sind und keine positiven Wirkungen für die Behandlung der MS belegt sind. Das ist hier der Fall.

17

b. Die Studienlage zur positiven Beeinflussbarkeit der schubförmig verlaufenden MS durch die Verabreichung von Immunglobulinen hat das LSG zutreffend ausgewertet. Soweit der Kläger geltend macht, die in diesem Zusammenhang erforderlichen Feststellungen habe das Berufungsgericht unter Verletzung der ihm obliegenden Sachaufklärungsverpflichtung (§ 103 SGG)getroffen, kann dem nicht gefolgt werden.

18

Das beruht im Wesentlichen darauf, dass nach der Rechtsprechung des für das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zuständigen 1. Senats des BSG Versicherte, die an MS erkrankt waren, in den Jahren 1999 bis 2002 keinen Anspruch auf Versorgung mit Immunglobulin hatten. Das hat dieser Senat in seinem grundlegenden Urteil zum Off-label-Use vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8), das ebenfalls zu Immunglobulinen ergangen ist, näher dargelegt und mit einem Urteil vom 27.3.2007 (B 1 KR 17/06 R) zur Versorgung mit einem intravenös zu verabreichenden Immunglobulin zur Behandlung einer MS in einer sekundär-chronischen Form mit Schüben bekräftigt. Mit Urteil vom 28.2.2008 (SozR 4-2500 § 13 Nr 16) hat der 1. Senat in einem Fall, der dem hier zu beurteilenden sehr ähnlich ist, entschieden, dass auch versicherte Mütter, die an einer schweren, jedoch nicht tödlich oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit leiden, auch unter Berücksichtigung der Wertung des Art 6 Abs 4 GG während der Stillphase ihres Kindes keinen Anspruch auf Versorgung mit einem nicht zugelassenem Arzneimittel haben, wenn die bekannten Forschungsergebnisse eine arzneimittelrechtliche Erweiterung des Indikationsgebietes für das konkrete Arzneimittel nicht erwarten lassen. Diese Entscheidung ist zur Verordnung eines intravenös zu verabreichenden Immunglobulins bei einer Schwangeren mit MS in den Jahren 2002/2003 ergangen und hat sich mit den zu diesem Zeitpunkt sowie den in der Zeit bis zum Erlass des Urteils im Jahre 2008 publizierten Forschungsergebnissen eingehend befasst. Der 1. Senat des BSG ist abschließend zu dem Ergebnis gelangt, für die Anwendung von Immunglobulinen während der Schwangerschaft und danach zur Prophylaxe postportaler Schübe einer MS gebe es keinen Konsens in der medizinischen Wissenschaft. Diese Aussage beruht nach Auffassung des 1. Senats auch darauf, dass in der Vergangenheit gefährliche Nebenwirkungen der Therapie mit intravenös verabreichten Immunglobulinen auftraten und es keine hinreichenden Studien zu den Nebenwirkungen dieser Therapie, ua in der Stillzeit, gibt.

19

Eine weitere Sachaufklärung hat das LSG nicht vornehmen müssen. Die Anforderungen an die Sachaufklärung nach § 103 SGG bei Fragen der generellen Eignung und Wirksamkeit eines bestimmten Arzneimittels bzw des Zusammenhangs zwischen einer bestimmten Gesundheitsstörung und der Beeinflussbarkeit durch ein insoweit arzneimittelrechtlich nicht zugelassenes Arzneimittel einer bestimmten Wirkstoffgruppe können nicht abstrakt bestimmt werden, sondern hängen davon ab, welche Feststellungen dazu bzw zu vergleichbaren Konstellationen in der Vergangenheit getroffen worden sind. Da sich das BSG in drei Entscheidungen, davon in zwei Entscheidungen aus jüngerer bzw jüngster Zeit, eingehend mit der krankenversicherungsrechtlichen Zulässigkeit des Einsatzes von Immunglobulinen bei MS und speziell auch des Anspruchs von an MS erkrankten Müttern oder Frauen mit Kinderwunsch auf Versorgung mit Immunglobulinen in der Phase kurz vor oder kurz nach der Geburt befasst hatte, hat sich das LSG auch auf die Ergebnisse dieser Entscheidungen und die darin ausgewerteten Informationen beziehen dürfen. Da das LSG im Sommer 2009 seinerseits eine aktuelle Stellungnahme des PEI eingeholt und ausgewertet hat, war gewährleistet, dass die Frage der generellen Eignung von Immunglobulinen zur Behandlung der MS in den Jahren 1999 bis 2001 umfassend geklärt war. Dass der Kläger nunmehr Stellungnahmen von Ärzten eingeholt und dem Senat zugänglich gemacht hat, die sich mit der Einordnung der MS als einer Autoimmunerkrankung befassen und diese Zuordnung sowohl gegenwärtig wie auch schon bezogen auf die Jahre 1999 und 2000 für richtig halten, ändert nichts daran, dass das LSG der konkret entscheidungserheblichen tatsächlichen Frage einer wissenschaftlich belegten Eignung von Immunglobulinen zur Behandlung der MS hinreichend und mit einem schlüssigen Ergebnis nachgegangen ist.

20

Deshalb hat das Berufungsgericht ohne Verletzung seiner Sachaufklärungspflicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens ablehnen dürfen. Ob ein Gericht ein Gutachten oder ein weiteres Gutachten einholt, liegt in seinem Ermessen. Der für andere Beweismittel wie insbesondere den Zeugenbeweis geltende Grundsatz, dass eine Beweiswürdigung nicht vorweggenommen werden darf, gilt nicht für die Frage der Einholung von Sachverständigengutachten. Hier darf das Gericht unter Hinweis darauf, dass von einem Gutachten keine (weiteren) Erkenntnisse zu erwarten seien, weil das Gericht ausreichende eigene Sachkunde habe oder weil ihm bereits ausreichende sachverständige Erkenntnisse vorlägen, dessen Einholung ablehnen. Das Gericht übt sein Ermessen nur dann fehlerhaft aus, wenn sich ihm die Notwendigkeit der Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen (s zB BVerwG NVwZ 1993, 268; BVerwG NVwZ 2009, 320 RdNr 4; BVerwG NJW 2009, 2614 RdNr 7; BSG SozVers 2002, 218 f; ebenso BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - RdNr 29). Ein solcher Ausnahmefall hat angesichts der geschilderten Situation, insbesondere auch der im Sommer 2009 eingeholten Stellungnahme des PEI, nicht vorgelegen.

21

Im Hinblick auf den nicht belegten positiven Einfluss der Verabreichung eines Immunglobulin-Präparates auf den Verlauf der MS war die Verordnung von Polyglobin für die Versicherte O. auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Off-Label-Use gerechtfertigt. Das hat das LSG näher dargelegt und ist vom Kläger, wie ausgeführt, weder im Berufungs- noch im Revisionsverfahren durchgreifend in Frage gestellt worden. Im Übrigen hat sich der Senat zur Verordnung von Immunglobulinen im Jahr 1999 zur unterstützenden Behandlung von Krebsleiden unter dem Aspekt des Off-Label-Use und auch im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 15) in seinem Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - eingehend geäußert.

22

c. Ob der Kläger im Hinblick auf die auch in der Stellungnahme des PEI näher dargestellten abweichenden Stellungnahmen fachkundiger Ärzte im Jahr 1999 subjektiv davon überzeugt sein durfte, der Versicherten O. im zeitlichen Zusammenhang mit der Empfängnis und Geburt ihres zweiten Kindes durch die Verordnung von Alphaglobin zu helfen, ist nicht entscheidungserheblich. Der Beklagte hält dem Kläger nicht wie in einem Disziplinarverfahren die Verletzung vertragsärztlicher Pflichten, sondern die Verordnung eines Arzneimittels vor, das nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört hat. Das ist nach objektiv-rechtlichen Maßstäben zu klären, wie das LSG zutreffend erkannt hat.

23

3. Der Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid zutreffend die Position der zu 2. beigeladenen Krankenkasse bestätigt, dass sie objektiv zu Unrecht erhebliche Kosten für die Versorgung ihrer Versicherten O. mit einem Immunglobulin aufgewandt hat.

24

Weil der Kläger der Beigeladenen zu 2. keine Gelegenheit gegeben hatte, ihre Auffassung zur Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Immunglobulinen bei der Versicherten O. vor Einlösung der Verordnungen darzulegen, war die Krankenkasse darauf verwiesen, ihren Standpunkt nachträglich durchzusetzen, soweit er rechtlicher Prüfung standhält. Dazu sieht die Prüfvereinbarung im Einklang mit Bundesrecht das Verfahren der Regressfestsetzung vor. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 31.5.2006 (MedR 2007, 557, 560) zu Off-Label-Use-Verordnungen aus dem Jahre 1997 darauf hingewiesen, dass der Vertragsarzt bei von ihm als gerechtfertigt angesehenen Verordnungen außerhalb der Zulassungsindikation ein Privatrezept ausstellen darf. Das verstieß auch 1999 nicht gegen den Bundesmantelvertrag-Ärzte. Dessen § 29 Abs 1 Satz 2 enthält zwar das Verbot, sich als Vertragsarzt vertragsärztliche Verordnungen einzeln genehmigen zu lassen; dieses Verbot hat sich - wie der Senat dargelegt hat - immer nur auf Verordnungen im Rahmen der Leistungspflicht der Krankenkassen bezogen.

25

Wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn der Kläger zu Beginn des Jahres 1999 vergeblich bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. angefragt und explizit um eine Entscheidung über das aus Sicht dieser Krankenkasse richtige Vorgehen gebeten hätte, kann offen bleiben. Der Kläger macht selbst nicht geltend, diesen Weg beschritten zu haben.

26

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der zu 1. beigeladenen KÄV sind nach § 162 Abs 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil diese keine Anträge gestellt hat(vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozial-gerichts vom 6. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Regressbescheides wegen der Verordnung von zwei Arzneimitteln für Krebskranke.

2

Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin (Arzt für Onkologie und für Pneumologie ), Chefarzt des onkologischen Schwerpunktes eines Krankenhauses mit einem Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Er verordnete in den Quartalen II/2001, IV/2002 und I bis III/2003 bei Patienten, die bei der zu 1. beigeladenen Krankenkasse (KK) versichert waren, die Arzneimittel Megestat und Dronabinol. Auf Antrag der Beigeladenen zu 1. setzte der Prüfungsausschuss gegen den Kläger einen Regress von ca 1960 Euro fest; die beklagte Prüfungseinrichtung wies den Widerspruch des Klägers zurück (Bescheide vom 23.9.2004 und vom 5.1.2006) : Megestat sei nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) nur zur palliativen Behandlung fortgeschrittener Karzinome der Brust und der Gebärmutter zugelassen; die vom Kläger behandelten Patienten seien dagegen an Bronchialkrebs oder Karzinomen der Thoraxorgane erkrankt gewesen. Das Arzneimittel Dronabinol sei in Deutschland überhaupt nicht zugelassen.

3

Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 30.4.2008; Urteil des LSG vom 6.10.2009, Parallelurteil veröffentlicht in NZS 2010, 394, und in einer Kurzfassung in MedR 2010, 256). Im Urteil des LSG ist unter anderem ausgeführt, der Kläger habe die Arzneimittel Megestat und Dronabinol nicht zu Lasten der gesetzlichen KK verordnen dürfen. Megestat sei nur zur palliativen Behandlung fortgeschrittener Karzinome der Brust und der Gebärmutter zugelassen. Die vom Kläger vorgenommenen Verordnungen bei anderen Tumorerkrankungen zur Behebung der Kachexie (Appetitlosigkeit mit der Folge körperlicher Auszehrung) stellten keinen zulässigen Off-Label-Use dar. Ausreichende wissenschaftlich nachprüfbare Studien, die die Eignung und Unbedenklichkeit der Arzneimittel auch im Falle anderer Krebsarten, insbesondere bei Bronchialkrebs, belegen könnten, ergäben sich aus den vorliegenden und den vom Kläger angeführten Stellungnahmen nicht. Es fehle auch an der erforderlichen Gewichtung und Abwägung der Risiken thromboembolischer und vaskulärer Komplikationen. Das vom Kläger verordnete Dronabinol sei in Deutschland überhaupt nicht zugelassen, es sei hier nur als Rezepturarzneimittel verkehrsfähig. So unterliege es nicht dem Zulassungsverfahren nach dem AMG; aber die damit durchgeführte pharmakologische Therapie erfordere eine empfehlende Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V oder, da eine solche nicht vorliege, sonstiger ausreichender Belege ihrer Eignung und Unbedenklichkeit. Solche Belege lägen aber für die bei den Patienten des Klägers in Rede stehenden Krebserkrankungen nicht vor; auch hier fehle es an der erforderlichen Gewichtung und Abwägung der genannten Risiken. Die Zulässigkeit der Verordnungen von Megestat und/oder Dronabinol ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der abgeschwächten Anforderungen des BVerfG-Beschlusses vom 6.12.2005. Denn die vom Kläger vorgenommenen Verordnungen dieser Arzneimittel seien nicht darauf angelegt, auf die lebensbedrohliche (Krebs-)Erkrankung selbst einzuwirken, sondern hätten sich allein gegen die im Endstadium dieser Erkrankung auftretende Kachexie gerichtet. Der Gesichtspunkt, dass dies die Lebensqualität des Erkrankten in seiner Endphase insgesamt deutlich verbessert habe, reiche nicht aus.

4

Mit seiner Revision erhebt der Kläger sowohl inhaltliche als auch verfahrensbezogene Rügen. Das LSG habe verkannt, dass ausreichende Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit der von ihm - dem Kläger- vorgenommenen Behandlungen vorgelegen hätten. Als Beleg dürften außerhalb des AMG-Zulassungsverfahrens keine sog Phase III-Studien gefordert werden, vielmehr reiche der Konsens in einschlägigen Fachkreisen über den voraussichtlichen Nutzen aus. Dieser Konsens werde durch die im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Veröffentlichungen und Stellungnahmen, insbesondere auch die zusammenfassenden Metaanalysen, belegt. Das LSG habe die vorgelegten umfangreichen Studien nicht angemessen ausgewertet. Wenn das LSG diese nicht als ausreichend angesehen habe, hätte es ein Sachverständigengutachten einholen müssen; hierzu hätte es sich angesichts der Mängel des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) gedrängt fühlen müssen. Bei verfahrensfehlerfreiem Vorgehen des LSG hätte sich ergeben, dass schon im Zeitpunkt der von ihm - dem Kläger - durchgeführten Behandlungen ausreichende Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit vorgelegen hätten und ein Konsens in Fachkreisen bestanden habe. Die Rechtswidrigkeit des Regresses ergebe sich ferner daraus, dass ein Anspruch der Versicherten auf die durchgeführten Behandlungen aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) bestanden habe. Außer einer - auch vom LSG anerkannten - lebensbedrohlichen Erkrankung und dem Fehlen einer Therapiealternative habe auch eine Aussicht auf spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden. Zwar seien die Behandlungen mit Megestat und Dronabinol nicht auf die Heilung des Tumors als solchen angelegt gewesen, aber sie seien gegen die mit diesem Grundleiden einhergehende - nicht eigenständige - (Begleit-)Erkrankung der (Tumor-)Kachexie gerichtet gewesen und durch die Bekämpfung der damit einhergehenden weiteren Krankheitsauswirkungen wie starke Abmagerung, allgemeiner Kräfteverfall, Appetitlosigkeit und Apathie geeignet gewesen, eine Gewichtszunahme, eine Stärkung des Organismus und eine Förderung des psychischen Wohlbefindens und des Lebenswillens zu bewirken und damit zu einer Verlängerung der lebenswerten Lebenszeit und auch zu einer - manchmal sogar signifikanten - Verlängerung des Lebens insgesamt zu führen. Die Annahme des LSG, er - der Kläger - habe die Verlängerung der Lebensdauer nicht als Behandlungsziel angegeben, sei unrichtig; wenn das LSG sein Vorbringen derart eingeschränkt gesehen habe, hätte es ihn zumindest darauf hinweisen müssen. Die Auffassung, die Anwendungen von Megestat und Dronabinol seien ausschließlich auf die Verbesserung der Lebensqualität und nicht auf die Verlängerung der Lebensdauer gerichtet gewesen, verletze die Grenzen der freien Beweiswürdigung; sie sei auch weder als Erfahrungssatz noch medizinisch begründbar. Aber selbst wenn man die Lebensverlängerung außer Betracht lasse, sei nach den Vorgaben des BVerfG eine Leistungspflicht anzuerkennen. Der Entscheidung vom 6.12.2005 sei nicht zu entnehmen, dass sich die spürbare positive Auswirkung auf die lebensbedrohliche Krankheit selbst beziehen müsse. Der vorliegende Fall der Linderung von Krankheitsbeschwerden einer lebensbedrohlichen Erkrankung werde von den Grundsätzen des Beschlusses des BVerfG mitumfasst. Nicht tragfähig sei schließlich das Argument des LSG, durch Akzeptieren der Behandlung mit Megestat und/oder Dronabinol würde das Erfordernis der Arzneimittelzulassung und das Arzneimittelzulassungsverfahren entwertet. Bei schwerwiegenden Krebserkrankungen falle nach dem Grundsatz "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen", die Nutzen-Risiko-Analyse eindeutig positiv aus. Dabei sei eine den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende Behandlung durch den Kläger als langjährigem Chefarzt des onkologischen Schwerpunktes an dem einer Universität angeschlossenen Lehrkrankenhaus evident gewährleistet.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Oktober 2009, das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. April 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 2006 aufzuheben,
hilfsweise,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Oktober 2009 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie verteidigt das Urteil des LSG. Das LSG habe zu Recht verneint, dass die Eignung und Unbedenklichkeit der vom Kläger durchgeführten Behandlungen mit Megestat und/oder Dronabinol hinreichend belegt seien. Die Studien belegten auch keinen Konsens über eine Verbesserung der Lebensqualität durch solche Behandlungen, zumal nicht für den Zeitpunkt der durchgeführten Behandlung. Jedenfalls sei deren Einsatz nicht darauf ausgerichtet gewesen, auf die lebensbedrohliche Tumorerkrankung selbst einzuwirken. Zudem würden unkalkulierbare Risiken in Kauf genommen, sodass ein Heilversuch vorliege, der gesonderten Regelungen und Voraussetzungen unterliege. Es reiche nicht aus, dass der Kläger für seine Patienten angebe, diese hätten von der Arzneigabe kurzfristig profitiert. Auch hätte er die Entwicklung bei seinen Patienten umfassend dokumentieren müssen.

8

Die Beigeladenen geben im Revisionsverfahren keine Stellungnahme ab.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag unbegründet. Das angefochtene Urteil des LSG lässt keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Der angefochtene Arzneikostenregress ist nicht zu beanstanden.

10

A. Rechtsgrundlage des angefochtenen Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die auch in den weiteren Jahren 2001 bis 2003 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V für Verordnungsregresse in Fallkonstellationen der vorliegenden Art vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 14 iVm 21 ff mwN - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG vom 18.8.2010 - B 6 KA 14/09 R - RdNr 16 iVm 25 f mwN - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) . Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2) , geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄVen) gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG vom 18.8.2010 - B 6 KA 14/09 R - RdNr 16) . Diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen. Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und die Wahl dieser Prüfmethode rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG vom 5.5.2010 aaO RdNr 14) .

11

Wie sich aus den Urteilen des Senats vom 5.5.2010 und vom 18.8.2010 ergibt, handelt es sich bei den vorliegenden Streitigkeiten über die vertragsarztrechtliche Zulässigkeit von Arzneiverordnungen um einen Fall des § 106 SGB V und nicht um einen Regress "wegen sonstigen Schadens" im Sinne des § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte(BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 20 bis 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, und BSG vom 18.8.2010 - B 6 KA 14/09 R - RdNr 25 f, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) . Denn vorliegend steht ein Fehler der Verordnung selbst in Frage, wie dies bei Verstößen gegen die Arzneimittel-Richtlinie bzw bei Verordnungen nicht verordnungsfähiger Arzneimittel und auch bei Verordnungen außerhalb der nach dem AMG erteilten Zulassung der Fall ist (vgl BSG vom 18.8.2010 aaO RdNr 25 am Ende) .

12

B. Der Regressbescheid war rechtmäßig. Die Voraussetzungen für einen Regress im Wege der Einzelfallprüfung gemäß § 106 SGB V waren erfüllt. Der Kläger durfte die Arzneimittel Megestat und Dronabinol nicht zur Behandlung der Kachexie (Appetitlosigkeit mit der Folge körperlicher Auszehrung) bei Bronchialkarzinomen und Tumoren der Thoraxorgane verordnen.

13

Dies folgt für Megestat daraus, dass dessen Zulassung nach dem AMG nur für die Anwendung bei der Kachexie im Falle von Brust- und Gebärmutterkrebs erfolgt war, sodass die Verordnung von Megestat bei anderen Krebsarten einen Off-Label-Use darstellte. Dessen Voraussetzungen waren nicht erfüllt, insbesondere waren die Eignung und Unbedenklichkeit des Einsatzes dieses Arzneimittels nicht ausreichend belegt (unten 1.). Für Dronabinol ergibt sich die Unzulässigkeit der Verordnungen des Klägers daraus, dass es in Deutschland nicht zugelassen, hier vielmehr nur als Rezepturarzneimittel verkehrsfähig war, ohne dass aber der G-BA für eine pharmakologische Therapie unter Einsatz dieses Medikaments eine empfehlende Richtlinie gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V erlassen hat. Es lagen auch keine sonstigen ausreichenden Belege seiner Eignung und Unbedenklichkeit vor (unten 2.). Schließlich können die Verordnungen von Megestat und Dronabil auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung und den dafür vom BVerfG herausgestellten abgeschwächten Anforderungen gerechtfertigt werden (unten 3.).

14

1. Die Verordnungsfähigkeit eines Fertigarzneimittels wie Megestat ist in erster Linie danach zu beurteilen, mit welchen Maßgaben es im Arzneimittelzulassungsverfahren nach dem AMG zugelassen wurde. In diesem Verfahren werden Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand vom Arzneimittelhersteller vorzulegender Studien überprüft (vgl §§ 21, 22, 24, 25 Abs 5 Satz 1 AMG) . Die Zulassung des Arzneimittels erfolgt nicht unbegrenzt, sondern nur nach Maßgabe der anhand der Studien ausgewiesenen und überprüften Anwendungsgebiete (vgl § 22 Abs 1 Nr 6 AMG und dazu BSGE 89, 184, 186 f = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 30 f). So erfolgte die Zulassung von Megestat, wie im Urteil des LSG festgestellt worden ist, für die palliative Behandlung bei Brust- und Gebärmutterkrebs und hier für den Einsatz gegen die bei solchen Krebsbehandlungen auftretende Kachexie.

15

Der Kläger setzte Megestat indessen nicht in diesem Anwendungsgebiet ein. Zwar waren die Verordnungen des Klägers auch gegen die bei Krebsbehandlungen auftretende Kachexie gerichtet, aber nicht im Zusammenhang mit Brust- und Gebärmutterkrebs von Frauen. Er verordnete Megestat vielmehr gegen die Kachexie insbesondere bei fortgeschrittenen Bronchialkarzinomen und Tumoren der Thoraxorgane. Mithin lag ein Off-Label-Use vor.

16

Ein Off-Label-Use ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass nicht das Verfahren nach dem AMG durchlaufen wurde, das mit der Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auf die Gewährleistung von Arzneimittelsicherheit angelegt ist. Wie vom 1. Senat des BSG in langjähriger Rechtsprechung wiederholt herausgestellt und vom 6. Senat weitergeführt worden ist, müssen für einen zulässigen Off-Label-Use - zum einen - eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen (dh eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung), und es darf - zum anderen - keine andere - zugelassene - Therapie verfügbar sein, und - zum dritten - aufgrund der Datenlage muss die begründete Aussicht bestehen, dass mit dem betroffenen Arzneimittel ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (so zB BSG vom 28.2.2008, SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 21, 23, 26 mit Hinweis auf die stRspr; vgl auch Senatsurteile vom 5.5.2010, zB - B 6 KA 6/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 27 RdNr 51 f und - B 6 KA 20/09 R - in RdNr 46 f sowie - B 6 KA 24/09 R - in RdNr 18 ff). Abzustellen ist dabei auf die im Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (BSG vom 28.2.2008 aaO RdNr 21). Das Erfordernis der Aussicht auf einen Behandlungserfolg umfasst dabei nicht nur die Qualität und Wirksamkeit eines Arzneimittels, sondern schließt auch ein, dass mit der Medikation keine unvertretbaren Nebenwirkungen und Risiken verbunden sein dürfen. Gerade die Notwendigkeit der Analyse und Gewichtung eventueller unzuträglicher Nebenwirkungen ist ein zentrales Element des Überprüfungsstandards, auf den die Neugestaltung des AMG vom 24.8.1976 ausgerichtet ist, deren Konzeption ihren Ursprung in den Erfahrungen der 1960er Jahre mit den nicht ausreichend analysierten Nebenwirkungen von Contergan hat (vgl hierzu BR-Drucks 552/74 S 43 und BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 21) . Soll die Verordnung eines Arzneimittels ausnahmsweise ohne derartige Gewähr der Arzneimittelsicherheit in Betracht kommen, so müssen für diesen Off-Label-Use anderweitig Qualitätsstandards, die dem Einsatz im Rahmen der Zulassungsindikation vergleichbar sind, gewährleistet und hinreichend belegt sein. Dabei muss auch gesichert sein, dass von der Off-Label-Medikation keine unzuträglichen Nebenwirkungen ausgehen; die Patienten sollen vor unkalkulierbaren Risiken geschützt werden (vgl BSGE 104, 160 = SozR 4-2500 § 13 Nr 22 RdNr 18 mwN; s auch zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 33).

17

Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, sind nicht alle für einen Off-Label-Use bestehenden Regelvoraussetzungen erfüllt. Das LSG hat, ohne dass seine Ausführungen insoweit revisionsgerichtlich zu beanstanden wären (zu den vom Kläger dagegen erhobenen Verfahrensrügen siehe unten D.) , ausgeführt, dass es sich zwar bei fortgeschrittenen Bronchialkarzinomen und Tumoren der Thoraxorgane um schwerwiegende Erkrankungen handelt. Das LSG hat auch die weitere Voraussetzung, dass keine andere zugelassene Therapie zur Verfügung gestanden hat, tendenziell bejaht: Es hat dargelegt, die Ansicht der Beklagten sei unzutreffend, die Patienten könnten auf die Gabe hochkalorischer Kost verwiesen werden; denn dies stelle keine gleichwertige Alternative dar. Damit würde zwar die tumorinduzierte Kachexie behandelt, aber nicht - wie mit Megestat - erreicht, dass der Patient wieder mit Appetit natürliche Nahrung zu sich nehme. Ferner hat das LSG ins Feld geführt, dass die Gabe hochkalorischer Kost nicht selten zu Verdauungsproblemen führe (Diarrhoe). Das LSG hat über das Vorliegen dieser Voraussetzung (Fehlen einer anderen zugelassenen Therapie) allerdings nicht abschließend entschieden, dies vielmehr offengelassen, weil es jedenfalls an der dritten Voraussetzung fehle, nämlich an ausreichenden Belegen für eine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg: Das LSG hat hierzu ausgeführt, dass diese dritte Voraussetzung nur dann erfüllt wäre, wenn im Behandlungszeitpunkt entweder bereits eine klinische Prüfung mit Phase III-Studien veröffentlicht und ein entsprechender Zulassungsantrag gestellt worden wäre oder wenn sonstwie zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen vorgelegen hätten, aufgrund derer sich in den einschlägigen Fachkreisen ein Konsens über den voraussichtlichen Nutzen der angewendeten Methode gebildet hätte. Das LSG hat die dritte Voraussetzung für einen zulässigen Off-Label-Use in unbedenklicher Weise als nicht erfüllt angesehen.

18

Im Einzelnen hat das LSG - unter anderem unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK vom 17.4.2003, das im Widerspruchsverfahren von der Beklagten eingeholt worden war - Folgendes ausgeführt: Bis 2003 gab es keine Phase III-Studien zum Einsatz von Megestat zur Bekämpfung der Kachexie bei anderen Krebsarten als Brust- und Gebärmutterkrebs. Die Studie, an der auch der Kläger selbst beteiligt war, betraf nur 33 Patienten; zudem wurde darin konzediert, dass noch eine Reihe von Fragen offen geblieben war und noch eine Placebo-kontrollierte Doppelblindstudie erforderlich sei. Andere Studien kamen zwar zum Ergebnis einer Verbesserung der Kachexie, aber vielfach mit der Einschränkung, dass dies nicht mit einer Verbesserung der Lebensqualität einhergehe. Es wurden auch erhebliche Nebenwirkungen beschrieben wie Übelkeit/Erbrechen, Diarrhoe, Sodbrennen, Muskelkrämpfe, Müdigkeit, Kopfschmerzen und, wie das LSG weiterhin hervorgehoben hat, auch Thrombose und Embolie, womit tödliche Komplikationen und Lebensverkürzungen verbunden sein könnten.

19

Das LSG hat weiter rechtsfehlerfrei aufgezeigt, dass sich nichts anderes aus der Zusammenfassung (dem sog abstract) einer Metaanalyse von Berenstein und Ortiz aus dem Jahr 2005 ergibt. Abgesehen davon, dass diese schon nicht ohne Weiteres für den früher gelegenen Verordnungs- und Regresszeitraum (bis 2003) maßgeblich sein kann, ergibt sie, dass auch im Jahr 2005 noch keine ausreichenden Belege für eine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg mit Megestat bei Bronchialkarzinom vorlagen. Auch sie erfüllten nicht die Voraussetzungen einer Phase III-Studie an einem größeren Patientenkollektiv. Zwar bezogen sie auch andere Studien - und damit insgesamt 4000 Patienten ein -, die aber teilweise andere Erkrankungen als Krebs betrafen; zudem bestätigten sie zwar, dass Megestat den Appetit verbessere und zur Gewichtszunahme führe, ergaben aber nicht den Schluss auf eine Verbesserung der Lebensqualität. Auch die Zusammenfassung (das sog abstract) einer Metaanalyse von Lesniak/Bala/Jaeschke/Krzakowski aus dem Jahr 2008 ergab, wie im Urteil des LSG festgestellt, keine vorteilhaften Auswirkungen der Behandlung mit Megestat auf die gesamte Lebensqualität. Für eine valide Beurteilung wurde eine neue Studie für erforderlich gehalten.

20

Gegen die Eignung und Unbedenklichkeit von Megestat für die Behandlung von Kachexie in Fällen von Bronchialkarzinomen und Karzinomen der Thoraxorgane spricht auch die aktualisierte Fachinformation mit Stand vom Januar 2009: In ihr sind, wie das LSG dargestellt hat, als Indikation nur die palliative Behandlung von Mammakarzinomen und Endometriumkarzinomen (Innenhaut der Gebärmutter) genannt, und die Anwendung von Megestat zur Behandlung anderer neoplastischer Erkrankungen wird ausdrücklich nicht empfohlen.

21

Demnach fehlte es bei den vom Kläger vorgenommenen Verordnungen von Megestat an einer begründeten Aussicht auf einen Behandlungserfolg. Wie dargelegt, erfordert dies ausreichende Belege für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit (oben RdNr 16) . Dies haben die im Verfahren eingeholten und die vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen nicht ausreichend belegt. Wie das LSG ausgeführt hat, war der Kläger an einer der Studien zu Megestat sogar selbst beteiligt und diese ergab zusammengefasst, dass noch eine Reihe von Fragen offen war, sodass noch weiterer Überprüfungsbedarf gesehen wurde. Mithin war unter eigener Beteiligung des Klägers klargestellt, dass die Überprüfungen noch nicht zu einem abschließenden positiven Ergebnis gelangt waren, die Erprobungsphase vielmehr noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden konnte. Dabei ist auch von Bedeutung, dass die zahlreichen Studien keine Abwägung mit eventuell zu befürchtenden Nebenwirkungen im Falle anderer Krebsarten als Brust- und Gebärmutterkrebs enthielten, solche aber im Zusammenhang mit dem Einsatz von Megestat in vielfältiger und schwerwiegender Gestalt diskutiert wurden, bis hin zu lebensgefährdenden Komplikationen wie Thrombose und Embolie (zur Ausrichtung des AMG auf Arzneimittelsicherheit vgl oben RdNr 16) .

22

Demgegenüber greift keine der vom Kläger erhobenen Einwendungen durch. Weder die von ihm gegen die Verfahrensweise des LSG vorgebrachten Rügen (hierzu im Einzelnen s unten D.) noch seine Einwände gegen die vom LSG zugrunde gelegten inhaltlichen Maßstäbe haben Erfolg. Der Senat folgt schon nicht seiner Ansicht, die vom LSG gestellten Anforderungen an die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse für einen zulässigen Off-Label-Use seien überzogen. Der Kläger meint, es werde mehr gefordert, als an wissenschaftlichen Erkenntnissen überhaupt möglich und ethisch vertretbar sei. Für Krankheitsfälle der hier vorliegenden Art lasse sich kein Patientenkollektiv finden, das für eine Phase III-Studie ausreichend groß sei, das weiterhin einheitlich vorbehandelt werde und bei dem die Parameter zur Lebensqualität und Toxizität standardisiert erfasst werden könnten. Es müsse ausreichen, dass in den einschlägigen Fachkreisen aufgrund einer Vielzahl der veröffentlichten Erkenntnisse mit positiven Ergebnissen zur Appetitsteigerung und Gewichtszunahme sowie zum Allgemeinbefinden ein Konsens über den Nutzen einer Verabreichung von Megestat bestanden habe, wogegen etwaige Nachteile durch Nebenwirkungen und Risiken nicht ins Gewicht fallen könnten und zu vernachlässigen seien. Abgesehen davon, dass nach den Feststellungen des LSG für den Off-Label-Use von Megestat keine Phase III-Studien vorliegen, konnten auch den anderen - weniger validen - Studien keine ausreichenden Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit des Einsatzes von Megestat entnommen werden. Insbesondere ergab die Studie, an der der Kläger selbst teilnahm, dass - wie schon erwähnt - die Erprobungsphase noch nicht als abgeschlossen angesehen werden konnte. Das LSG hat auch keinen Konsens über die Eignung und Unbedenklichkeit der Anwendung von Megestat feststellen können, es hat vielmehr formuliert, dass für das Vorliegen eines Konsenses keine Anhaltspunkte vorlagen. Dieser Feststellung hat der Kläger mit seinem Einwand, schon im Zeitpunkt seiner Medikation habe in den Fachkreisen Konsens über Qualität und Wirksamkeit von Megestat bei Tumor-Kachexie bestanden, lediglich seine gegenteilige Ansicht entgegengesetzt. Den vom LSG getroffenen Tatsachenfeststellungen, die vom Revisionsgericht grundsätzlich als verbindlich zugrunde zu legen sind (§ 163 SGG) , lediglich die Behauptung anderer Tatsachen entgegenzusetzen, reicht revisionsrechtlich nicht aus (vgl BSGE 89, 250, 252 = SozR 3-4100 § 119 Nr 24 S 123 mwN; BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 1/09 R - RdNr 25, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) .

23

Die "Regel"voraussetzungen eines zulässigen Off-Label-Use bei den vom Kläger vorgenommenen Verordnungen von Megestat sind damit nicht erfüllt. Aber auch die vom BVerfG herausgestellten Anforderungen greifen nicht ein, wie noch unter 3. darzulegen ist.

24

2. Für Dronabinol gilt im Ergebnis nichts anderes. Dronabinol ist allerdings anders als Megestat kein Fertigarzneimittel, für das eine Zulassung nach dem AMG erforderlich ist, sodass dementsprechend auch nicht die Maßstäbe des Off-Label-Use anwendbar sind. Dronabinol ist ein sog Rezepturarzneimittel und als solches nach dem AMG aufgrund der erteilten Herstellungserlaubnis (§ 13 AMG) auch verkehrsfähig, ohne dass eine Überprüfung seiner Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nach dem AMG stattfinden musste oder stattgefunden hat (vgl §§ 13 bis 15 iVm § 43 Abs 2 Halbsatz 2 iVm § 47 AMG; s dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 30) . Mit der Verkehrsfähigkeit sind Rezepturarzneimittel zugleich auch verordnungsfähig, es sei denn, nach anderen Regelungen ist ein Anerkennungsverfahren erforderlich. Dies ist gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V der Fall, wenn der Einsatz des Arzneimittels Gegenstand einer neuen Arzneitherapie im Sinne dieser Regelung ist, für die dann entsprechend den Vorgaben dieser Vorschrift eine empfehlende Richtlinie erforderlich ist(zu diesen Zusammenhängen s ausführlich BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 26 ff; - zur Anwendung des § 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V auch auf Behandlungen unter Anwendung von Hilfsmitteln: BSG - 3. Senat - vom 12.8.2009, BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 17 ff) .

25

Dementsprechend bedurfte es für den Einsatz von Dronabinol grundsätzlich einer anerkennenden Richtlinie gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V. Denn es handelte sich um eine neue Arzneitherapie. Die Einordnung als Arzneitherapie ergibt sich aus dem Urteil des 1. Senats vom 27.3.2007 (USK 2007- 36 ); auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen, in denen der 1. Senat sich mit Behandlungen mit cannabinolhaltigen Arzneimitteln befasst hat und diese als eine auf einem bestimmten theoretisch-wissenschaftlichen Konzept fußende Vorgehensweise der Krankenbehandlung qualifiziert hat (vgl BSG USK aaO S 236 f; zur "Methode" iS des § 135 Abs 1 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 31 mwN).

26

Eine unter Einsatz von Dronabinol durchgeführte Arzneitherapie ist auch "neu" iS des § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V. Neu ist eine Behandlungsmethode zunächst dann, wenn sie erst nach Inkrafttreten des § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V - also erst in der Zeit seit dem 1.1.1989 - als kassen- bzw vertragsärztliche Behandlungsmethode praktiziert worden ist. Neu ist auch eine Behandlungsmethode, für die eine entsprechende Leistungsposition im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) zunächst nicht bestand, diese vielmehr erst später - nach dem 1.1.1989 - in das Leistungsverzeichnis des EBM-Ä aufgenommen wurde (vgl BSG vom 22.3.2005, BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG vom 26.9.2006, SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 17-19; s auch BSGE 81, 54, 57 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 12 f) . Nach diesen Abgrenzungen ist bei Arzneitherapien - bei Arzneimitteln ist kein Raum für die Schaffung einer Leistungsposition im EBM-Ä - darauf abzustellen, ob sie schon vor dem 1.1.1989 oder erst nach dem 1.1.1989 praktiziert wurden. Wurden sie schon vorher praktiziert, so sind sie nicht neu; dann käme nur eine Überprüfung durch den § 135 Abs 1 Satz 2 SGB V in Betracht, wonach die Verordnungsfähigkeit erst ausgeschlossen wäre, wenn der G-BA die Methode ausdrücklich für unvereinbar mit den Erfordernissen des § 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V erklärt hatte(§ 135 Abs 1 Satz 3 SGB V). Im vorliegenden Fall der Verordnung von Dronabinol wird weder vom LSG noch vom Kläger erwogen, es könnte sich um eine schon vor dem 1.1.1989 praktizierte Arzneitherapie handeln; vielmehr haben sowohl das LSG als auch der Kläger ihren Ausführungen zugrunde gelegt, dass es sich um eine neue Behandlungsmethode handelt.

27

Liegt eine neue Behandlungsmethode vor, ohne dass aber eine empfehlende Richtlinie des G-BA ergangen ist, so ist die Anwendung dieser Methode - dh hier eine Therapie unter Einsatz von Dronabinol - grundsätzlich unzulässig, es sei denn, ein Ausnahmetatbestand wäre erfüllt. Als Ausnahmetatbestand kommt vorliegend ein sog Seltenheitsfall, der ausnahmsweise zu einem Einzelimport oder zu einer Einzelanwendung berechtigen würde, nicht in Betracht; denn die Krankheitsbeschwerden, derentwegen der Kläger Dronabinol einsetzte, sind nicht so selten, dass sie sich systematischer Erforschung und Behandlung entzögen (zu diesen Voraussetzungen vgl zB BSG vom 27.3.2007, USK 2007-36 S 237; BSG vom 8.9.2009, BSGE 104, 160 = SozR 4-2500 § 13 Nr 22, RdNr 20) . Auch die besondere Situation, dass als Folge des Fehlens einer durch Richtlinie anerkannten Behandlungsmethode eine Versorgungslücke entsteht und ein Bedarf nach ihrem Einsatz auch ohne empfehlende Richtlinie des GBA besteht, war nicht gegeben. Ein solcher Bedarf würde voraussetzen, dass ausreichende Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit der Methode vorliegen (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 32 mwN) . Solche lagen indessen für Dronabinol ebenso wenig wie für Megestat vor; hierzu wird auf obige Ausführungen unter 1. (RdNr 17 ff) verwiesen.

28

3. Schließlich lagen auch die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des BVerfG der Einsatz eines Arzneimittels unter Außerachtlassung der Begrenzungen durch das AMG und durch § 135 Abs 1 SGB V zulässig sein kann, nicht vor. Allerdings hat das BVerfG in Erkrankungsfällen, die als hoffnungslos erscheinen, aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 Satz 1 GG iVm der daraus abzuleitenden Schutzpflicht entnommen, dass Therapiemethoden, die nach dem AMG oder dem SGB V an sich nicht angewendet werden dürfen, unter bestimmten Voraussetzungen doch zulässig sind. Das BVerfG hat insoweit dem Versicherten einen erweiterten Behandlungsanspruch gemäß §§ 27 ff SGB V eingeräumt, was reziprok bedeutet, dass dann in entsprechender Weise der Arzt zur Gewährung der Behandlung bzw zur Verordnung des Arzneimittels berechtigt und verpflichtet ist.

29

a) Das BVerfG hat - zunächst für nicht anerkannte Behandlungsmethoden - aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 Satz 1 GG iVm der sich daraus ergebenden Schutzpflicht abgeleitet, dass in Fällen, in denen eine lebensbedrohliche oder in der Regel tödlich verlaufende Krankheit vorliegt und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, der Versicherte nicht von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode ausgeschlossen werden darf, wenn diese eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bietet (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33) . Es muss eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage gegeben sein (BVerfG vom 30.6.2008, NJW 2008, 3556 RdNr 10; an die verfassungsrechtliche Rechtsprechung anknüpfend BSG vom 4.4.2006, BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 35; BSG vom 14.12.2006, SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 20; BSG vom 27.3.2007, USK 2007-36 S 238; BSG vom 28.2.2008, BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32; BSG vom 16.12.2008, USK 2008-73 S 575) . Das BVerfG hat in einer speziellen Situation - Apheresebehandlung in einem besonderen Fall - ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG vom 6.2.2007 - 1 BvR 3101/06 - RdNr 22, in Juris dokumentiert) .

30

Diese Grundsätze haben das BVerfG und das BSG auf den Bereich der Versorgung mit Arzneimitteln übertragen. Sofern eine im vorgenannten Sinne lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt (oder - wie das BSG es formuliert - eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung, vgl dazu BSG vom 4.4.2006, BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 am Ende; BSG vom 14.12.2006, USK 2006-111 S 767/768; BSG vom 27.3.2007, USK 2007-36 S 237 unter 2.; BSG vom 28.2.2008, BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9 RdNr 32 am Ende) und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, erstreckt sich der Versorgungsanspruch des Versicherten über die Beschränkungen der arzneimittelrechtlichen Zulassung hinaus - dh sowohl bei Fehlen jeglicher Arzneimittelzulassung als auch bei Einsatz außerhalb des in der Zulassung ausgewiesenen Anwendungsbereichs - auf die Versorgung mit solchen Arzneimitteln, die eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bieten (s hierzu BVerfG vom 30.6.2008 aaO; ebenso zB BSG vom 4.4.2006, BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 19; BSG vom 28.2.2008, SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 30 mwN) . Dies bedeutet, verglichen mit den "Regel"voraussetzungen für einen Off-Label-Use bzw für eine gemäß § 135 Abs 1 SGB V anerkennungsbedürftige, aber nicht anerkannte Behandlungsmethode, dass - über eine schwerwiegende Erkrankung hinausgehend - eine lebensbedrohliche oder in der Regel tödlich verlaufende Krankheit vorliegen muss: Nur unter dieser Voraussetzung ist das Erfordernis ausreichender Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit des Einsatzes des Arzneimittels bzw der Behandlungsmethode dahin abzuschwächen, dass eine nicht ganz fern liegende Aussicht positiver Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ausreicht.

31

Hat der erkrankte Versicherte nach diesen rechtlichen Maßstäben Anspruch auf die Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel, so darf nicht wegen der Verordnung dieses Medikaments ein Regress gegen den verordnenden Arzt festgesetzt werden.

32

b) Dabei ist stets der Ausgangspunkt des BVerfG zu beachten, nämlich dass nur insoweit, als eine lebensbedrohliche Erkrankung und deren Heilung in Frage steht, die erweiternde Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB V geboten ist. Dementsprechend gilt der Maßstab, dass eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ausreicht, nur insoweit, als eine Aussicht auf Heilung der Grunderkrankung selbst oder auf positive Einwirkung auf den Verlauf der Grunderkrankung als solcher besteht. Nur in einer solchen Situation ist die dargelegte verfassungskonforme Erweiterung des Leistungsanspruchs des Versicherten gemäß §§ 27 ff SGB V veranlasst und gerechtfertigt. Diese (str)enge Sicht ist nicht etwa, wie gelegentlich geltend gemacht wird, durch die Entscheidung des BVerfG vom 6.2.2007 in Frage gestellt worden (BVerfG - 1 BvR 3101/06 -, in Juris dokumentiert) . Hierin hat das BVerfG lediglich klargestellt, dass bei der Frage, ob eine Behandlung auf eine lebensbedrohliche Erkrankung einwirkt, das sog Gesamtrisikoprofil mitzuberücksichtigen ist in dem Sinne, dass die Einwirkung auf einen Faktor im Gesamtrisikoprofil ausreicht. Damit ist aber nicht in Zweifel gezogen, dass es sich auch in solchen Fällen um die Einwirkung auf die lebensbedrohliche Erkrankung selbst handeln muss.

33

Diesen rechtlichen Ausgangspunkt hat auch das LSG zugrunde gelegt. Dementsprechend hat es das Erfordernis einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fern liegenden Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf als nicht erfüllt angesehen, denn die vom Kläger praktizierte Anwendung von Megestat und Dronabinol bei Patienten mit einem fortgeschrittenen Bronchialkarzinom oder einem Karzinom der Thoraxorgane war nicht darauf gerichtet, die lebensbedrohliche Erkrankung als solche zu heilen oder positiv auf ihren Verlauf einzuwirken, sondern der Einsatz von Megestat und Dronabinol zielte "nur" auf die Verbesserung der Lebensqualität in dem Sinne, dass der Erkrankte wieder mit Appetit natürliche Nahrung zu sich nimmt und dadurch der tumorinduzierten Kachexie (Appetitlosigkeit mit der Folge körperlicher Auszehrung) entgegengewirkt wird. Der Kläger wollte mit der Anwendung von Megestat und Dronabinol also nicht auf die lebensbedrohliche Erkrankung als solche einwirken, sondern nur deren weitere Auswirkungen abmildern. Dementsprechend hat das LSG zu Recht für den vorliegenden Fall die Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 als nicht einschlägig erachtet.

34

Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es hier nicht darauf an, ob durch den Einsatz von Megestat und Dronabinol der Appetit von Patienten, die er wegen eines Bronchialkarzinoms oder eines Karzinoms der Thoraxorgane behandelte, wiederhergestellt und ob dadurch eine günstigere Prognose hinsichtlich der diesen noch verbleibenden Lebenszeit erreicht werden konnte. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33) soll dem Patienten - bildlich gesprochen - der Strohhalm der Hoffnung auf Heilung, an den er sich klammert, nicht wegen Fehlens wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verweigert werden. Hoffnungen in diesem Sinne kann ein Patient aber nur mit Behandlungsmethoden verbinden, die darauf gerichtet sind, auf seine mutmaßlich tödlich verlaufende Grunderkrankung als solche einzuwirken. Für Behandlungsverfahren, die dies nach ihrem eigenen methodischen Ansatz nicht leisten, gelten die reduzierten Wirksamkeitsanforderungen der Rechtsprechung des BVerfG von vornherein nicht. Soweit mit dem in § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Behandlungsziel "Krankheitsbeschwerden zu lindern" jede Verbesserung der Lebensqualität eines schwerkranken Patienten verbunden wird, ist dieses Ziel nicht von der Ausweitung der Leistungsansprüche der Versicherten gemäß dem Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 erfasst. Allein die Hoffnung einer - unter Umständen ganz geringen - Chance auf Heilung der Krankheit oder auf nachhaltige, nicht nur wenige Tage oder Wochen umfassende, Lebensverlängerung rechtfertigt es, die Voraussetzungen an den Nachweis der Wirksamkeit von Behandlungsmethoden so weit zu reduzieren, wie das in dem Beschluss des BVerfG erfolgt ist.

35

Dem wird die Ansicht des Klägers nicht gerecht, jede Verbesserung des Appetits des Patienten könne dessen subjektive Lebensqualität verbessern und so mittelbar - ungeachtet des dadurch nicht beeinflussten Wachstums des Tumors - eine (geringfügige) Lebensverlängerung bewirken. Nicht jede Verbesserung der Lebensqualität - zumal wenn diese in der Gesamtschau mit den möglichen vielfältigen und schwerwiegenden Nebenwirkungen zweifelhaft erscheint -, sondern nur die Erfüllung der Hoffnung des Patienten auf eine rettende Behandlung in einer aussichtslosen gesundheitlichen Situation indiziert die vom BVerfG beschriebene notstandsähnliche Lage, in der (nahezu) jeder Behandlungsansatz auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung möglich sein soll.

36

Sind demnach die vom BVerfG herausgestellten Voraussetzungen für erweiterte Behandlungsmöglichkeiten ohne die Beschränkungen durch das AMG und durch § 135 Abs 1 SGB V für den Einsatz von Megestat und Dronabinol nicht erfüllt, so kommt es auf die weiteren Voraussetzungen für die Anwendung der Rechtsprechung des BVerfG nicht an. Das BVerfG und das BSG haben in ihren Entscheidungen insbesondere klargestellt, dass in Fällen, in denen die genannte Rechtsprechung des BVerfG einschlägig ist, immer auch die Voraussetzung erfüllt sein muss, dass keine Alternative einer allgemein anerkannten - dh nach dem AMG und SGB V zulässigen -, dem medizinischem Standard entsprechenden Behandlung besteht. Hierauf einzugehen, erübrigt sich, weil es schon an den "Grund"voraussetzungen für eine Anwendung der BVerfG-Rechtsprechung fehlt.

37

C. Bei allem ist schließlich darauf hinzuweisen, dass der Kläger das Risiko eines Regresses, wie er ihm gegenüber festgesetzt worden ist, hätte vermeiden können: Er hätte - worauf der Senat in ständiger Rechtsprechung hinweist -, für den Versicherten ein Privatrezept ausstellen und es diesem überlassen können, sich bei seiner KK um Erstattung der Kosten zu bemühen. Ermöglicht der Vertragsarzt indessen nicht auf diese Weise eine Vorab-Prüfung durch die KK, sondern stellt er ohne vorherige Rückfrage bei dieser eine vertragsärztliche Verordnung aus und löst der Patient diese in der Apotheke ein, so sind damit die Arzneikosten angefallen und die KK kann nur noch im Regressweg geltend machen, ihre Leistungspflicht habe nicht bestanden. Verhindert der Vertragsarzt durch diesen Weg der vertragsärztlichen Verordnung bei einem medizinisch umstrittenen Arzneieinsatz ohne dementsprechende Zulassung eine Vorab-Prüfung durch die KK und übernimmt er damit das Risiko, dass später die Leistungspflicht der KK verneint wird, so kann ein entsprechender Regress nicht beanstandet werden (stRspr, zB BSG vom 31.5.2006, MedR 2007, 557, 560, und - ausführlich - BSG vom 5.5.2010, SozR 4-2500 § 106 Nr 27 RdNr 43 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) .

38

D. Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

39

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens steht im Ermessen des Gerichts. Eine Pflicht zur Einholung besteht nur dann, wenn sich dem Gericht dessen Einholung aufdrängen muss (stRspr, vgl zB BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 20/09 R -, Juris RdNr 49, und - B 6 KA 24/09 R -, Juris RdNr 20 - jeweils mwN; vgl auch BSG vom 3.2.2010, SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 37) . Das war hier nicht der Fall. Nach der für die Beurteilung der Notwendigkeit (weiterer) Beweiserhebung maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG hat dieses kein Gutachten einholen müssen. Das LSG hat als maßgeblich erachtet, dass es im maßgeblichen Zeitraum der Jahre 2001 bis 2003 keinen fachwissenschaftlichen Konsens zum Einsatz von Megestat und Dronabinol auch bei Bronchialkarzinomen und Karzinomen der Thoraxorgane gegeben hat. Die Anregungen des Klägers zur Einholung eines Gutachtens sind darauf gerichtet gewesen, Belege dafür zu gewinnen, dass dieser Einsatz auch Befürworter hatte. Dem hat das LSG nicht ohne Weiteres nachgehen müssen, weil das zur Feststellung eines allgemeinen Konsenses, den das LSG aus Rechtsgründen für erforderlich gehalten hat, nichts Entscheidendes hätte beitragen können.

40

Die Rüge des Klägers, das LSG habe die von ihm im Berufungsverfahren eingereichten Studien nicht ausgewertet, scheitert daran, dass grundsätzlich die Vermutung besteht, dass das Gericht alles Eingereichte zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen hat (stRspr des BVerfG und des BSG, vgl zB BSG vom 2.9.2009, SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 20 mit zahlreichen BVerfG- und BSG-Angaben) . Gegenteiliges bedürfte besonderer Anhaltspunkte, die der Kläger nicht aufgezeigt hat und auch nicht ersichtlich sind.

41

Ebenso wenig dringt der Kläger mit seiner Rüge durch, das LSG habe das Vorliegen eines Konsenses in Fachkreisen nicht erkannt. Hierin liegt lediglich die Rüge, das LSG sei von einem falschen Ausgangspunkt ausgegangen. Dem lediglich die abweichende Sicht eines anderen Ausgangspunktes entgegenzusetzen, reicht für eine Verfahrensrüge nicht aus (vgl oben RdNr 22 am Ende) .

42

Schließlich greift auch seine Rüge der Verkennung der Grenzen der freien Beweiswürdigung nicht durch. Er bringt dazu vor, die Feststellungen des LSG, dass die Anwendung von Megestat und Dronabinol ausschließlich auf die Verbesserung der Lebensqualität und nicht auf die Verlängerung der Lebensdauer gerichtet sei, seien weder als Erfahrungssatz noch medizinisch begründbar. Dies ist schon nicht entscheidungserheblich, wie aus obigen Ausführungen zu C. folgt, wonach eine nur geringfügige Lebensverlängerung bei einem Behandlungsansatz, der von vornherein nicht auf eine Beeinflussung des Grundleidens zielt, nicht der vom BVerfG herausgearbeiteten Ausnahme von den Verordnungsvoraussetzungen gemäß dem AMG bzw gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V entspricht(vgl RdNr 36) . Vor allem ist nicht ersichtlich, dass das LSG insoweit einen Erfahrungssatz hätte aufstellen wollen. Vielmehr setzt auch hier der Kläger nur seine eigene Auffassung derjenigen des LSG entgegen.

43

E. Dem Regress stehen schließlich auch keine Grundrechtspositionen des Klägers entgegen. Insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 Abs 1 GG nicht verletzt. Dieses Grundrecht unterliegt - ebenso wie Art 14 Abs 1 GG - einem Gesetzesvorbehalt, darf also durch Gesetz eingeschränkt werden. Das ist durch die vorliegend einschlägigen Bestimmungen des AMG und der §§ 106, 135 Abs 1 SGB V geschehen. Die Anwendung dieser Regelungen belastet den Kläger nicht unverhältnismäßig (vgl BSG vom 3.2.2010, SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 46 iVm 48) .

44

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zu 1. beigeladene KK bei Nichtverordnung von Megestat und Dronabinol Kosten für andere Behandlungsarten hätte tragen müssen - sog Vorteilsausgleichung - (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; BSGE 101, 252 = SozR 4-2500 § 115b Nr 2 RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 47) .

45

F. Nach alledem ist nicht nur der Hauptantrag des Klägers auf Bescheidaufhebung zurückzuweisen, sondern ebenso der Hilfsantrag: Für die hilfsweise begehrte Zurückverweisung der Sache an das LSG ist kein Raum, denn der gegenüber dem Kläger ausgesprochene Regress hat sich im Revisionsverfahren gemäß vorstehenden Ausführungen abschließend als rechtmäßig erwiesen.

46

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 iVm § 162 Abs 3 VwGO. Der Kläger trägt als unterlegener Rechtsmittelführer die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 154 Abs 2 VwGO) . Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten von Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16) .

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen auch die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 8.

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 2 500 000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die klagenden pharmazeutischen Unternehmen wenden sich gegen die Festsetzung eines Festbetrages für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin.

2

Atorvastatin gehört zur Wirkstoffgruppe der Statine, die insbesondere dazu dienen, den Cholesterin-Spiegel im Menschen zu senken. Dazu vermindern sie die körpereigene Erzeugung des an Lipoprotein geringer Dichte (LDL) gebundenen Cholesterins, das im Blutkreislauf zur Leber transportiert wird, indem sie die Wirkung des Schlüsselenzyms für die Cholesterinproduktion in Körperzellen (ß-Hydroxy-ß-Methylglutaryl-Coenzym A-Reduktase ) hemmen. Die Zellen reagieren auf den hierdurch hervorgerufenen Cholesterinmangel, indem sie vermehrt Rezeptoren bilden, die das LDL aus dem Blut aufnehmen. Der Wirkstoff Atorvastatin ist enthalten in dem von den Klägerinnen seit 1997 in Deutschland hergestellten und vertriebenen Fertigarzneimittel Sortis. Atorvastatin wird synthetisch hergestellt und genießt bis 2011 Patentschutz. Sortis wurde am 17.12.1996 mit den Wirkstärken 10, 20, 40 mg, später auch mit der Wirkstärke 80 mg arzneimittelrechtlich zugelassen. Nach der Fachinformation erstreckt sich die Zulassung von Sortis ua auf das Anwendungsgebiet der primären und kombinierten Hypercholesterinämie. Für diese Anwendungsgebiete sind auch die übrigen Arzneimittel zugelassen, die die Statine Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin und Simvastatin enthalten. Der Beigeladene zu 1. fasste auf der Grundlage einer Anhörung und einer gutachterlichen Stellungnahme Arzneimittel mit Statinen als Wirkstoff in der Festbetragsgruppe "HMG-CoA-Reduktasehemmer" in der Anlage 2 der Arzneimittel-Richtlinien zusammen (Wirkstoffe und Vergleichsgrößen Atorvastatin: 16,7; Fluvastatin: 42,2; Lovastatin: 23,2; Pravastatin: 21,3 sowie Simvastatin: 20,7; Beschluss vom 20.7.2004, BAnz Nr 182 vom 25.9.2004, S 21086). Die Beigeladenen zu 3. bis 8. setzten mit Wirkung vom 1.1.2005 einen Festbetrag von 62,55 Euro für die Wirkstoffgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer fest (Standardpackung 100, Wirkstärkenvergleichsgröße 0,97; Beschluss vom 29.10.2004, BAnz Nr 210 vom 5.11.2004, S 22602). Die Wirkstoffe Fluvastatin, Lovastatin und Simvastatin waren bei Beschlussfassung zu diesem Festbetrag erhältlich. Der Apothekenabgabepreis von Sortis liegt seit Inkrafttreten dieser Festbetragsfestsetzung deutlich über dem Festbetrag.

3

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.11.2005). Während des Berufungsverfahrens haben die Beigeladenen zu 3. bis 8. am 10.2.2006 beschlossen, den Festbetrag für die Wirkstoffgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer mit Wirkung vom 1.4.2006 um fünf Prozent auf 59,42 Euro abzusenken (Standardpackung 100, Wirkstärkenvergleichsgröße 0,97; BAnz Nr 48 vom 9.3.2006, S 1524, 1534). Das LSG hat den Streit über die Anfechtung der Festbetragsfestsetzungen abgetrennt, die ab 1.7.2006 Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin betreffen (Aktenzeichen L 9 KR 351/09; vgl näher Senatsurteil vom selben Tage - B 1 KR 13/10 R), die Berufung gegen das SG-Urteil zurückgewiesen sowie die Klage gegen die Festbetragsfestsetzung vom 10.2.2006 abgewiesen: Die an § 35 SGB V zu messenden Allgemeinverfügungen der Beigeladenen zu 3. bis 8. wie auch der zugrunde liegende Beschluss des Beigeladenen zu 1. vom 20.7.2004 zur Festbetragsgruppen- und Vergleichsgrößenbildung seien nicht zu beanstanden (Urteil vom 16.12.2009).

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Mit ihrer Revision rügen die Klägerinnen die Verletzung von § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2, Satz 3, Satz 5, Abs 1a, Abs 2, Abs 5 Satz 1 und 2 SGB V sowie von Verfahrensrecht. Der Beigeladene zu 1. habe Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin nicht in die Festbetragsgruppe der Statine einbeziehen dürfen, insbesondere da sie nachweislich pleiotrope Eigenschaften, eine therapierelevant besonders starke Wirkpotenz und einen schnellen Wirkeintritt sowie ein überlegenes Sicherheitsprofil hätten. Die festgesetzten Vergleichsgrößen spiegelten die Wirkunterschiede der betroffenen Arzneimittel nicht angemessen wider. Die festgesetzten Festbetragshöhen seien rechtswidrig, weil sie nicht das gesamte Spektrum der zu behandelnden Patienten berücksichtigten. Das LSG habe gegen §§ 103 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG verstoßen, da es entgegen seiner Aufklärungspflicht abgelehnt habe, antragsgemäß Prof. Dr. W. zu hören.

5

Die Klägerinnen beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Dezember 2009 und des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2005 aufzuheben sowie die Festbetragsfestsetzungen vom 29. Oktober 2004 und 10. Februar 2006 insoweit abzuändern, als darin ein Festbetrag für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin festgesetzt wird.

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Der Beklagte und der Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

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Beide halten das Urteil des LSG für zutreffend.

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Die übrigen Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerinnen ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, insbesondere sind die Klägerinnen klagebefugt (dazu 1.). Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Festbetragsfestsetzung für den Geltungszeitraum vom 1.1.2005 bis 31.3.2006 (dazu 2.) sowie vom 1.4. bis 30.6.2006 (dazu 3.) die Klägerinnen nicht rechtswidrig beschwert, obwohl sie Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin einbezieht.

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1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt.

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a) Die auf die Aufhebung von Festbetragsfestsetzungen gerichtete Klage ist eine ohne Vorverfahren statthafte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGG iVm § 35 Abs 7 Satz 3 SGB V). Festbetragsfestsetzungen sind grundsätzlich Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung (§ 31 Satz 2 SGB X; vgl BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2; BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 8). Zulässiger Streitgegenstand der Klage ist der Anspruch auf Aufhebung der Festbetragsfestsetzung vom 29.10.2004 und der später kraft Gesetzes (§ 153 Abs 1, § 96 Abs 1 SGG) einbezogenen Festbetragsanpassung vom 10.2.2006 für die Zeit bis zum Ablauf des 30.6.2006. Die Klägerinnen verfolgen zulässig ihren Anspruch auf Aufhebung der Festbetragsfestsetzungen vom 29.10.2004, 10.2.2006, 11.5.2006 und 7.4.2008 für die Zeit ab 1.7.2006 in einem gesonderten Verfahren (vgl zur Teilbarkeit des Anfechtungsbegehrens Senatsurteile vom selben Tage - B 1 KR 10/10 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, und - B 1 KR 13/10 R).

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b) Die Klägerinnen haben ihre Klage im Berufungsverfahren zulässig gegen den Beklagten umgestellt, um nach Änderung der Zuständigkeit für Festbetragsfestsetzungen in § 35 Abs 3 Satz 1 SGB V iVm § 217f Abs 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl l 378) dem mit dieser Funktionsnachfolge verbundenen gesetzlichen Beteiligtenwechsel von den Beigeladenen zu 3. bis 8. zum Beklagten Rechnung zu tragen (vgl hierzu BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 13; BSGE 102, 248 = SozR 4-5050 § 15 Nr 6).

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c) Die Klägerinnen sind als Herstellerinnen eines von der Festbetragsfestsetzung betroffenen Arzneimittels klagebefugt iS von § 54 Abs 1 Satz 2 SGG, obwohl sie nicht Adressaten der Regelung sind. Festbetragsfestsetzungen sind Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung, die sich nach der Gesetzeskonzeption an Versicherte und Vertragsärzte, nicht jedoch an Arzneimittelhersteller richten (§ 31 Satz 2 SGB X; vgl zur Regelung gegenüber Versicherten und Vertragsärzten näher Senatsurteil vom selben Tage - B 1 KR 10/10 R - unter II. 1.a, mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen). Festgesetzte Festbeträge legen insbesondere als solche nicht Arzneimittelpreise fest. Betroffene Arzneimittelhersteller können die Aufhebung einer Festbetragsfestsetzung verlangen, soweit sie in ihren Anhörungsrechten verletzt oder wegen einer willkürlichen Handhabung des § 35 SGB V benachteiligt sind.

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§ 35 SGB V verbürgt für Arzneimittelhersteller lediglich das - vorliegend unstreitig beachtete - Recht, vor Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) Stellung zu nehmen(vgl § 35 Abs 2 SGB V). Im Übrigen regelt § 35 SGB V im Interesse des Wirtschaftlichkeitsgebots der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV -(vgl § 12 Abs 1 SGB V)Voraussetzungen, Verfahren und Rechtsschutz bei Festbetragsfestsetzungen. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und aufgezeigter Regelungszweck sowie die Gesetzesentwicklung nach der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit des § 35 SGB V vom 17.12.2002 (BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2) geben keinen Hinweis auf einen drittschützenden Gehalt der Regelung zugunsten von Arzneimittelherstellern. Daran hat sich auch dadurch nichts geändert, dass der GBA neuerdings die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen darf, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 SGB V oder durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrags nach § 130b SGB V hergestellt werden kann(s § 92 Abs 2 Satz 11 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst b Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung - Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz vom 22.12.2010, BGBl I 2262; vgl hierzu Hauck, GesR 2011, 69, 70 ff). Diese Regelung begründet subjektive Rechte zugunsten von Arzneimittelherstellern bloß im Zusammenhang mit Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüssen durch den GBA. Arzneimittelhersteller können sich indes darauf berufen, dass eine fehlerhafte Festbetragsfestsetzung ihre Grundrechte verletzt, soweit sie eine grundrechtlich maßgebliche Wettbewerbsverfälschung beinhaltet (vgl BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 15).

15

Nach der Rechtsprechung des BVerfG verletzen Festbetragsfestsetzungen - ähnlich wie Ausschreibungen von Rabattverträgen - die Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) pharmazeutischer Unternehmer nicht (BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2; BVerfG A&R 2011, 38). Das Grundrecht der Berufsfreiheit umfasst zwar ua die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen selbst festzusetzen oder mit den Interessenten auszuhandeln (vgl BVerfGE 101, 331, 347; 106, 275, 298; 117, 163, 181). Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen. Art 12 Abs 1 GG sichert in diesem Rahmen die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen (vgl BVerfGE 105, 252, 265). Dagegen umfasst das Grundrecht keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb und Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten (vgl BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18; BVerfGE 116, 135, 152). Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber und die der Vergabeentscheidung zugrunde gelegten Kriterien berühren ebenso wie mögliche Vorstufen einer Vergabeentscheidung, hier die Festbetragsfestsetzung, grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers. Bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags beeinflusst die handelnde staatliche Stelle den Wettbewerb nicht von außen, sondern wird selbst auf der Nachfrageseite wettbewerblich tätig und eröffnet so einen Vergabewettbewerb zwischen den potentiellen Anbietern. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Nachfragers, nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren er das günstigste Angebot auswählt. Dementsprechend trägt ein Wettbewerber auf der Angebotsseite stets das Risiko, dass seinem Angebot ein anderes, für den Nachfrager günstigeres vorgezogen wird (vgl BVerfGE 116, 135, 151 f). Festbetragsfestsetzungen betreffen lediglich die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Betätigung pharmazeutischer Unternehmer, nämlich in einem weiteren Sinne Auswahlkriterien für die Einbeziehung von Arzneimitteln in den GKV-Leistungskatalog. Pharmazeutische Unternehmer haben keinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch darauf, dass ihre Angebote in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen werden und nicht von Festbetragsfestsetzungen betroffen sind.

16

Anders läge es nur, wenn die angewandten Bewertungskriterien nach ihrer Zielsetzung und ihren Wirkungen einen Ersatz für eine staatliche Maßnahme darstellen würden, die als Grundrechtseingriff in die Berufsfreiheit zu qualifizieren wäre (vgl BVerfGE 105, 252, 273; 116, 135, 153; 118, 1, 20). An einer eingriffsgleichen Wirkung einer staatlichen Maßnahme fehlt es jedoch, wenn mittelbare Folgen lediglich ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten Regelung sind (vgl BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18; BVerfGE 116, 202, 222). Zwar verringern sich die Chancen eines Unternehmens erheblich, dessen Arzneimittel zu einem Preis oberhalb des Festbetrags verkauft werden. Die Marktbedeutung der Festbetragsfestsetzung mag dazu führen, dass sich pharmazeutische Unternehmen deshalb regelmäßig - anders als die Klägerinnen - veranlasst sehen, eine Festbetragsüberschreitung zu vermeiden. Die Rechtsgrundlagen der Festbetragsfestsetzung dienen aber erkennbar nicht dem Zweck, einer solchen Überschreitung generell entgegenzuwirken, sondern zielen darauf ab, im Interesse der Finanzierbarkeit der GKV für die Wirtschaftlichkeit der Angebote zu sorgen. Etwaige Auswirkungen auf die allgemeine Preisgestaltung der Arzneimittel für den GKV-Leistungskatalog anbietenden pharmazeutischen Unternehmen stellen sich lediglich als Reflex dieser Zielsetzung dar.

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Zu messen ist die angegriffene Entscheidung allerdings am allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Einer staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es aufgrund des Gleichheitssatzes verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen (vgl BVerfGE 116, 135, 153), gleiches gilt für die Vorstufe von Vergaben, wie hier die Festbetragsfestsetzungen. Nach diesem Maßstab können staatliche Maßnahmen, die den Wettbewerb der Unternehmen untereinander willkürlich verfälschen, im Einzelfall eine Grundrechtsverletzung bedeuten. Wird eine Versorgungsalternative infolge willkürlicher medizinisch-pharmakologischer Bewertung zu Unrecht als mit anderen Arzneimitteln gleichwertig eingestuft, so beinhaltet dies jedenfalls dann eine Benachteiligung des betroffenen Arzneimittelherstellers im Wettbewerb, wenn die besondere therapeutische Qualität seines Arzneimittels durch Gleichbewertung mit andersartigen Konkurrenzprodukten ohne jeden sachlichen Grund verneint wird und dieses Arzneimittel als durch andere gleichwertig ersetzbar erscheint. Dagegen schützt der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art 3 Abs 1 GG. Er verbietet nicht nur die unterschiedliche Behandlung von Gleichem, sondern auch die Gleichbehandlung von sachlich Ungleichem anhand offensichtlich sachwidriger Kriterien (vgl BVerfG A&R 2011, 38 RdNr 14).

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Im Bereich der Festbeträge liegt eine solche verfassungswidrige Gleichbehandlung vor, wenn die Arzneimittel eines Arzneimittelherstellers offensichtlich aus pharmakologisch-therapeutischer Sicht so unterschiedlich sind, dass sie durch die Arzneimittel eines anderen Herstellers praktisch nicht ersetzt werden können, sie dennoch aber ohne Rechtfertigung in einer Festbetragsgruppe zusammengefasst sind. Dabei ergeben sich aus dem Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl für das Verhältnis zum Gesetzgeber BVerfGE 89, 15, 22 f; 90, 46, 56; 97, 271, 290 f; 99, 341, 355 f; 103, 242, 258; 105, 73, 110f; 116, 135, 161).

19

2. In der Sache bleibt die Revision ohne Erfolg. Die klagenden pharmazeutischen Unternehmen können anhand des dargelegten Prüfmaßstabs der willkürlichen Wettbewerbsverfälschung (vgl oben II.1.c) nicht beanspruchen, dass der Beschluss über die Festbetragsfestsetzung vom 29.10.2004 aufgehoben wird, da er rechtmäßig und keineswegs offensichtlich sachwidrig ist. Ein strengerer Maßstab als das Willkürverbot ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten (vgl BVerfGE 116, 135, 161) angesichts der rein sachbezogenen Ausgestaltung der Festbetragsregelung im SGB V weder bei der Bildung der Festbetragsgruppe und der Vergleichsgrößen noch bei der Festsetzung der Festbetragshöhe geboten. Nach der anzuwendenden gesetzlichen Regelung (dazu a) handelte der hierzu berufene Beigeladene zu 1. formell rechtmäßig (dazu b). Er bildete die Festbetragsgruppe (dazu c, d) und die Vergleichsgrößen (dazu e) materiell rechtmäßig. Die Beigeladenen zu 3. bis 8. setzten die Festbeträge rechtmäßig fest (dazu f).

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a) Zu messen ist die Rechtmäßigkeit des Beschlusses vom 29.10.2004 an der Festbetragsregelung des § 35 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Modernisierungsgesetz ) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) mit Wirkung vom 20.11.2003. Diese Norm gibt für die Festsetzung von Festbeträgen ein zweistufiges Verfahren vor: Zunächst bestimmt der Beigeladene zu 1. in den Arzneimittel-Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden können und welche Vergleichsgrößen dabei zugrunde zu legen sind(§ 35 Abs 1 und 2 SGB V). Auf der Grundlage dieses Beschlusses erfolgt sodann die Festsetzung der jeweiligen Festbeträge im Wege einer Allgemeinverfügung (vgl § 35 Abs 3 bis 6 und Abs 7 Satz 1 SGB V). Die Entscheidung des Beigeladenen zu 1. ist nicht isoliert anfechtbar (§ 35 Abs 7 Satz 4 SGB V), ihre Überprüfung indessen Bestandteil der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der auf ihrer Grundlage ergangenen Allgemeinverfügung (BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 11, unter Hinweis auf BT-Drucks 11/3480 S 54).

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b) Der hierzu berufene Beigeladene zu 1. hat die Festbetragsgruppe (§ 35 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB V) und die Vergleichsgrößen (§ 35 Abs 1 Satz 5 SGB V) als Grundlage der Festbetragsfestsetzung formell rechtsfehlerfrei bestimmt. Er hat erstmals eine Festbetragsgruppe der Statine bestehend aus Atorvastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Simvastatin gebildet, Vergleichsgrößen festgesetzt (Beschluss vom 20.7.2004) und dies in Arzneimittel-Richtlinien geregelt (§ 35 Abs 1 Satz 1 und 5 SGB V idF des GMG; § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000). Die Richtlinien des GBA sind in der Rechtsprechung seit Langem als untergesetzliche Rechtsnormen anerkannt (stRspr; vgl nur BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 26). Ihre Bindungswirkung gegenüber allen Systembeteiligten steht außer Frage (vgl § 91 Abs 9 SGB V idF des GMG; jetzt § 91 Abs 6 SGB V idF des GKV-WSG; BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 33; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 22; vgl auch BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 57 ff).

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Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 mwN - LITT; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18 mwN). Kritischen Stimmen ist in jüngerer Zeit Literatur entgegengetreten (vgl Neumann, NZS 2010, 593; Hauck, NZS 2010, 600 mwN). Für die Bildung von Festbetragsgruppen gilt die Bejahung der Verfassungsmäßigkeit im Besonderen, weil der Gesetzgeber einen konkreten Katalog von gesetzlichen Voraussetzungen formuliert, bei deren Vorliegen er den Beigeladenen zu 1. im Bereich der Arzneimittelversorgung mit der Gruppenbildung betraut (vgl Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 30). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2002 (BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2) zwar ausdrücklich nur das System der Festsetzung von Festbeträgen (§§ 35 ff SGB V) im Ganzen als verfassungskonform bewertet, folgerichtig die Verfassungsmäßigkeit der Kompetenzen des Beigeladenen zu 1. damit aber unausgesprochen vorausgesetzt (vgl auch BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 61 - Therapiehinweise).

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Die im Interesse der verfassungsrechtlichen Anforderungen der Betroffenenpartizipation umfassend durch Gesetz und - inzwischen - Verfahrensordnung des Beigeladenen zu 1. ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte wurden gewahrt. Sie stellen sicher, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu Hauck, NZS 2010, 600, 604).

24

Auf die von den Klägerinnen unter Beweis gestellte Behauptung, dass der Beigeladene zu 1. anlässlich der Gruppenbildung für Statine im Jahre 2004 Prof. Dr. W. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt hat, kommt es demgegenüber nicht an. Auswahl und Entpflichtung von Sachverständigen liegen im Ermessen des Beigeladenen zu 1. (vgl auch Kraftberger/Adelt: in Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 38; Hess in: Kasseler Komm, Stand 1.10.2010, § 35 SGB V RdNr 19). Seine Entscheidung war ohne Zweifel sachgerecht, eine auf Neutralität angelegte Institution wie die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) mit einem Gutachten zu betrauen und einem Einzelsachverständigen vorzuziehen. Die AkdÄ hat als wissenschaftlicher Fachausschuss der Bundesärztekammer ua die Aufgabe, entsprechend den Regelungen in den ärztlichen Berufsordnungen - wie in § 62 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln(Arzneimittelgesetz ) vorausgesetzt - unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die ihr aus der deutschen Ärzteschaft mitgeteilt werden müssen, zu erfassen, zu dokumentieren und zu bewerten. Der Gesetzgeber bindet vor diesem Hintergrund die AkdÄ inzwischen selbst in Verfahren des GBA zur Anforderung ergänzender versorgungsrelevanter Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit von Arzneimitteln ein (vgl § 92 Abs 2a Satz 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst c AMNOG - vom 22.12.2010, BGBl I 2262, mit Wirkung vom 1.1.2011).

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c) Die gebildete Gruppeneinteilung entspricht nach der gebotenen gerichtlichen Prüfung (dazu aa) materiellem Recht. Der Beigeladene zu 1. hat mit seinem Beschluss vom 20.7.2004 ausgehend von rechtmäßigen Kriterien (dazu bb) - hier: dem Inhalt der Arzneimittelzulassungen (dazu cc) - in der Gruppe "HMG-CoA-Reduktasehemmer" Arzneimittel mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen, zusammengefasst (dazu dd), ohne unterschiedliche Bioverfügbarkeiten der Arzneimittel berücksichtigen zu müssen (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB V; dazu ee). Die gebildete Gruppe gewährleistet, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 1 SGB V; dazu ff). Der Einbeziehung von Sortis steht nicht die Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen entgegen, deren Wirkungsweise neuartig ist und die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V; dazu d).

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aa) Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Richtlinien des Beigeladenen zu 1. sind gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 - LITT; Schlegel, MedR 2008, 30, 32; Hauck, NZS 2010, 600, 611 f). § 35 SGB V gibt dem Beigeladenen zu 1. ein engmaschiges, rechtlich voll überprüfbares Programm vor: Die Verwendung ihrer Art nach rechtmäßiger Prüfkriterien, die Ermittlung des Inhalts der Arzneimittelzulassungen, die Qualifizierung von Arzneimitteln als solche mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen, die Gewährleistung sowohl fehlender Einschränkungen von Therapiemöglichkeiten als auch der Verfügbarkeit medizinisch notwendiger Verordnungsalternativen sowie die zutreffende rechtliche Erfassung der Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen ist vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem Beigeladenen zu 1. bei der Umsetzung dieser Regelungselemente des § 35 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom Beigeladenen zu 1. zu berücksichtigenden Studienlage.

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Anders liegt es dagegen bei der Entscheidung über Zeitpunkt, Zuschnitt und Auswahl der Gruppe sowie bei der Bewertung des zutreffend ermittelten Standes der Studienlage im Hinblick auf ihre Eignung, für die Gruppenbildung relevante Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse zu erlassen. Hier entscheidet der Beigeladene zu 1. als Normgeber. Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom Beigeladenen zu 1. getroffenen Wertungen setzen (vgl ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 67 - Therapiehinweise). Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen.

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bb) Grundlage und Ausgangspunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Festbetragsgruppenbildung ist grundsätzlich der Inhalt der arzneimittelrechtlichen Zulassung nach dem AMG. Der Inhalt ergibt sich zusammengefasst insbesondere aus der Fachinformation gemäß § 11a AMG. Eine Berücksichtigung darüber hinausgehender Unterlagen ist für die Prüfung des Vorliegens vergleichbarer Wirkstoffe nach Maßgabe des § 35 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 und Satz 3 Halbs 1 SGB V grundsätzlich nicht vorgesehen. Hiervon abweichend ist dagegen nicht allein die arzneimittelrechtliche Zulassung, sondern eine neuere Studienlage maßgeblich, wenn eine solche für die Gruppenbildung bedeutsame Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse durch den GBA rechtfertigt, weil sie Indikationsbereiche eines Arzneimittels oder von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen als unwirtschaftlich erscheinen lässt und nicht lediglich insgesamt das Therapiegebiet der Gesamtgruppe einschränkt. Dies folgt aus Regelungssystem (dazu <1.>), Normsystematik und Wortlaut (dazu <2.>), Entstehungsgeschichte (dazu <3.>) sowie Sinn und Zweck des § 35 SGB V(dazu <4.>).

29

(1.) § 35 SGB V knüpft an das allgemeine Regelungssystem der Arzneimittelversorgung in der GKV an und ändert es nur in spezifischen, genau umrissenen Teilbereichen. Nach diesem System ist Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf ein zur Krankenbehandlung notwendiges Arzneimittel in der Regel seine Anwendung im Rahmen der durch die arzneimittelrechtliche Zulassung vorgegebenen Indikation. Notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der GKV ist ihre Qualität als Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelrechts. Dieses bezweckt, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von Mensch und Tier für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel zu sorgen (§ 1 AMG). Insoweit stellen das SGB V und das AMG auf denselben Zweck ab (stRspr, vgl BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 15 mwN - D-Ribose; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 15 - Lorenzos Öl; vgl auch BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 55 f - Therapiehinweise und SozR 4-2500 § 106 Nr 21<6. BSG-Senat>). Daher verzichtet das Krankenversicherungsrecht bei der Arzneimittelversorgung weitgehend auf eigene Vorschriften zur Qualitätssicherung. Es knüpft insoweit vielmehr im Ausgangspunkt an das Arzneimittelrecht nach dem AMG an, das für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt und deren Erteilung vom Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Medikaments (vgl § 25 Abs 2 AMG) abhängig macht (vgl BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 29 - Lorenzos Öl; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21). Wurde diese Prüfung erfolgreich durchlaufen und ist für das Arzneimittel die Zulassung einschließlich der darin enthaltenen Ausweisung der Anwendungsgebiete erteilt worden, so ist es in diesem Umfang grundsätzlich auch verordnungsfähig im Sinne des SGB V (vgl BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mit Bezugnahme auf BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7). Eine eigene Sachprüfungsbefugnis der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit kommt hinsichtlich der erteilten arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht in Betracht (BSGE 95, 132 RdNr 15 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 22). Eine erforderliche, aber nicht vorhandene Zulassung schließt grundsätzlich die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels aus. Insoweit ist die arzneimittelrechtliche Zulassung für die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels in der GKV "negativ vorgreiflich" (vgl BSGE 95, 132 RdNr 16 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 23 mwN).

30

Auch soweit Versicherte ausnahmsweise außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung Versorgung mit arzneimittelrechtlich zugelassenen Arzneimitteln nach den Grundsätzen des sogenannten Off-Label-Use beanspruchen können, setzt dies ua eine Studienlage voraus, die eine Zulassung des Arzneimittels nach den Anforderungen des AMG zur betroffenen Indikation rechtfertigen würde. Nach der Rechtsprechung des Senats (BSGE 89, 184, 191 f = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36 - Sandoglobulin; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 31 mwN - Ritalin) kommt die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet nämlich grundsätzlich nur in Betracht, wenn es 1.) um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2.) keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3.) aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, entspricht derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich. Sie ist während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich. Der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht zugrunde liegt und - wie dargelegt - in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht (vgl BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 24 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 34 mwN - Ritalin).

31

Änderungen des Maßstabs der danach an der arzneimittelrechtlichen Zulassung ausgerichteten Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der GKV können sich indes mit Blick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) ergeben. Dies erwächst daraus, dass eine Diskrepanz bestehen kann zwischen der Aussagekraft der für die Zulassung durchgeführten klinischen Studien und den in der Praxis auftretenden Anforderungen an ein Arzneimittel, insbesondere beim Fehlen klinischer Studien zu patientenrelevanten Endpunkten. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt ua den sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) ergebenden Einschränkungen (vgl BSGE 95, 132 RdNr 20 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 27). Das Wirtschaftlichkeitsgebot kann weitergehende Einschränkungen der generellen Verordnungsfähigkeit zugelassener Arzneimittel im Rahmen der GKV fordern, etwa weil eine neuere Studienlage Therapiehinweise rechtfertigt, da Indikationsbereiche eines Arzneimittels oder von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen als unwirtschaftlich erscheinen (vgl zum bisher geltenden Recht zB BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 39 ff - Therapiehinweise). Der Beigeladene zu 1. kann nach heutiger Rechtslage die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist (§ 92 Abs 1 Satz 1 Halbs 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst a AMNOG, vom 22.12.2010, BGBl I 2262, mit Wirkung vom 1.1.2011). Er kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der AkdÄ, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Werden die Studien nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der GBA das Arzneimittel schon allein deshalb von der Verordnungsfähigkeit ausschließen (§ 92 Abs 2a Satz 1 und 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst c AMNOG). Die in besonderen Fällen mögliche Ausrichtung an auf patientenrelevante Endpunkte bezogene Studien wird schließlich auch daran deutlich, dass der GBA neuerdings die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen darf, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 SGB V oder durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrags nach § 130b SGB V hergestellt werden kann(s § 92 Abs 2 Satz 11 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst b AMNOG; vgl zum Ganzen Hauck, GesR 2011, 69, 70 ff).

32

(2.) Auch Wortlaut und Normsystematik des § 35 Abs 1 SGB V verdeutlichen, dass grundsätzlich für die Festbetragsgruppen auf die arzneimittelrechtliche Zulassung abzustellen ist. Das Prüfprogramm für die Bildung von Festbetragsgruppen weist breite sachliche Überschneidungen mit dem Arzneimittelrecht auf. So enthält § 35 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB V die grundlegende Aufzählung denkbarer Festbetragsgruppen anhand von Kriterien, die sich entsprechend auch in der arzneimittelrechtlichen Überprüfung der Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels wiederfinden und keinen Hinweis auf Abweichungen vom dargelegten allgemeinen Regelungssystem enthalten. Der Begriff des Wirkstoffs in Nr 1 greift den Wirkstoffbegriff nach § 4 Abs 19 AMG auf, der infolgedessen sinngemäß anwendbar ist(vgl Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 37; zur arzneimittelrechtlichen Anbindung des Begriffs "Bioverfügbarkeit" in diesem Zusammenhang vgl Orlowski in: Orlowski/Wasem/Rau/Zipperer, GKV-Kommentar SGB V, Stand Januar 2011, § 35 RdNr 9 f). Mit Blick darauf ist auch die Eingrenzung auf pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe in Nr 2 folgerichtig in Anlehnung an das AMG vorzunehmen. Denn pharmakologisch-therapeutische Wirkungsweisen eines Wirkstoffs sind Bestandteil der arzneimittelrechtlichen Zulassungsprüfung (§ 25 Abs 2 Nr 1 bis 5a AMG) und dementsprechend Inhalt der Fachinformation (§ 11a AMG).

33

Dagegen hat der Gesetzgeber in § 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V idF des GMG eine Ausnahmeregelung für patentgeschützte Arzneimittel statuiert, für die er einen über die arzneimittelrechtliche Zulassung hinausgehenden Überprüfungsmaßstab angewendet wissen will: Von der Bildung eigentlich zulässiger Festbetragsgruppen sind patentgeschützte Arzneimittel ausgenommen, deren Wirkungsweise neuartig ist und (ab 1.5.2006 "oder", dazu d und 3.b) die eine therapeutische Verbesserung bedeuten. Diese Regelung bezweckt, den Arzneimittelherstellern Anreize zur Entwicklung von innovativen Arzneimitteln zu bieten (vgl hierzu Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 11/3480, S 53; zur Klarstellung späterer Gesetzesfassungen BT-Drucks 15/1525 S 87; s zur nachträglichen Einfügung der Regelung auch Schulin, Patentschutz und Festbeträge für Arzneimittel, 1993, 92 ff). Nach Auffassung des Gesetzgebers sind echte Innovationen mit therapeutischem Zusatznutzen erwünscht und unterliegen nicht der Festbetragsregelung (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung <AVWG> der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 16/194 S 7 zu Art 1 Nr 2 Buchst c). Um bloße Scheininnovationen nicht zu begünstigen, erfolgt der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung nicht allein aufgrund der Fachinformationen, sondern auch durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen (§ 35 Abs 1b Satz 4 und 5 SGB V; vgl näher unten II 3. b bb).

34

(3.) Auch die Entstehungsgeschichte des § 35 SGB V belegt die Bedeutung der arzneimittelrechtlichen Zulassung als Ausgangspunkt der Gruppenbildung. Die erste Fassung einer Festbetragsregelung nach dem Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988 (BGBl I S 2477) sah in Abs 4 die Festsetzung eines Festbetrags für Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen (§ 35 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V) erst drei Jahre nach der ersten Zulassung eines wirkstoffgleichen Arzneimittels vor. Damit stellte die Regelung den Zusammenhang zwischen SGB V und AMG für den Wirkstoffbegriff ausdrücklich her. Dass diese Regelung durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) beseitigt worden ist, beruht auf der Verlängerung des Patentschutzes für Arzneimittel um bis zu fünf Jahre durch die Verordnung des Rates der Europäischen Gemeinschaften über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikates für Arzneimittel (vgl BT-Drucks 12/3608 S 81). Eine Loslösung des Wirkstoffbegriffs im SGB V von demjenigen des AMG war nicht beabsichtigt.

35

(4.) Schließlich entspricht die grundsätzliche Anknüpfung der Festbetragsgruppenbildung an die arzneimittelrechtliche Zulassung dem Regelungszweck des § 35 SGB V. Die Festbetragsregelung des § 35 SGB V zielt - wie dargelegt - unter Ausgestaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots darauf ab, den Bereich zu Lasten der GKV verordnungsfähiger Arzneimittel de iure zu erweitern, die Leistungspflicht der Krankenkassen hierbei auf den einschlägigen festgesetzten Festbetrag zu begrenzen und hierdurch zugleich den Wettbewerb unter den Arzneimittelanbietern zu verstärken und das Interesse der Anbieter zu wecken, Preise unterhalb des Festbetrags festzusetzen. All dies kann nur im Rahmen des allgemeinen Systems der in den GKV-Leistungskatalog einbezogenen Arzneimittel gelingen.

36

cc) Hinsichtlich der Arzneimittelgruppe der Statine ist für den hier betroffenen Zeitraum ab 1.1.2005 an die Inhalte der arzneimittelrechtlichen Zulassung anzuknüpfen. Dass für einzelne Statine der Festbetragsgruppe eine Studienlage besteht, die weitergehende Einschränkungen der generellen Verordnungsfähigkeit zugelassener Arzneimittel mit diesem Wirkstoff im Rahmen der GKV rechtfertigt, hat das LSG nicht festgestellt. Der Beigeladene zu 1. hat dies ebenfalls nicht angenommen und deshalb keine der ihm rechtlich für einen solchen Fall eröffneten Maßnahmen ergriffen. Weder er noch die AkdÄ und später das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gehen nach eingehender Recherche hiervon aus. Bei einem solchen Sachstand verbleibt es beim durch das Arzneimittelzulassungsrecht vorgegebenen Prüfmaßstab für die Festbetragsgruppenbildung, ohne dass weitere Ermittlungen des erkennenden Senats zu diesen generellen Tatsachen geboten wären.

37

dd) Auf der Grundlage des Inhalts der arzneimittelrechtlichen Zulassung stellen die fünf fraglichen Statine pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe, insbesondere chemisch verwandte Stoffe iS von § 35 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 Nr 2 SGB V dar. Zutreffend ist der Beigeladene zu 1. davon ausgegangen, dass die Überprüfung der pharmakologisch-therapeutischen Vergleichbarkeit zwei verschiedene Aspekte, namentlich einen pharmakologischen wie einen therapeutischen umfasst (vgl Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 38). Für das Verständnis des Begriffs der Vergleichbarkeit ist mit den Vorinstanzen davon auszugehen, dass Vergleichbarkeit nicht Austauschbarkeit oder Identität bedeutet. Anders als nach Nr 1 geht es bei der Gruppenbildung nach Nr 2 vielmehr darum, einen übergreifenden gemeinsamen Bezugspunkt mehrerer Wirkstoffe herzustellen (ebenso Sodan, PharmR 2007, 485, 487). Dementsprechend steht mit der Überprüfung der pharmakologisch-therapeutischen, insbesondere chemischen Vergleichbarkeit eine Beurteilung von Art und Aufbau der einzelnen Wirkstoffe, ihrer Wirkmechanismen und ihrer Anwendungsgebiete an.

38

Der Beigeladene zu 1. hat die dargelegten Vergleichsmaßstäbe entsprechend seinen Ausführungen zu chemischer Zusammensetzung, Wirkprofil und therapeutischem Einsatzgebiet der fünf Statine rechtsfehlerfrei angewendet. Nicht zu beanstanden ist, dass er hierbei als Einstieg die in der Fachinformation enthaltene Anatomisch-Therapeutisch-Chemische (ATC) Klassifikation der WHO nach Maßgabe des § 73 Abs 8 Satz 5 SGB V gewählt hat, wie es inzwischen seiner Verfahrensordnung (VerfO) entspricht(vgl § 16 Abs 2 VerfO). Die ATC-Klassifikation teilt die Wirkstoffe nach dem Organ oder Organsystem, auf das sie einwirken, und nach ihren chemischen, pharmakologischen und therapeutischen Eigenschaften in verschiedene Gruppen ein (abrufbar unter www.dimdi.de). Sie geht von einem identischen Code für die Wirkstoffgruppe der fünf Statine Simvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Fluvastatin und Atorvastatin aus.

39

Zu Recht bejaht der Beigeladene zu 1. die chemische Verwandtschaft der betroffenen Wirkstoffe. Er beurteilt sie im Einklang mit dem Wortlaut des § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V maßgeblich vom Endprodukt und nicht von der Herstellungsform her: Die fünf Statine haben nicht nur eine gemeinsame b-, d- Dihydroxy-n-Carbonsäure-Struktur, sondern darüber hinaus auch eine gemeinsame molekulare räumliche Struktur, die erst die spezifische Interaktion Wirkstoff - Enzym ermöglicht.

40

Der Beigeladene zu 1. stellt rechtmäßig auch für die pharmakologische Vergleichbarkeit maßgeblich auf den Wirkmechanismus der erfassten Arzneimittel ab. Er geht nämlich von einem vergleichbaren Wirkprofil aller HMG-CoA-Reduktase (=CSE)-Hemmer aus, weil durch alle Hemmer der HMG-CoA-Reduktase Vorstufen von Cholesterin verringert synthetisiert werden. Die daraus resultierende Verarmung an interzellulärem Cholesterin führt zu einer Zunahme von LDL-Rezeptoren an der Zelloberfläche, die Aufnahme von LDL-Cholesterin in die Zelle wird hierdurch erhöht.

41

Auch die therapeutische Vergleichbarkeit hat der Beigeladene zu 1. anhand der Anwendungsgebiete der Statine, wie sie sich aus der arzneimittelrechtlichen Zulassung ergeben, frei von Rechtsfehlern beurteilt. Für alle fünf Wirkstoffe bestand im hier maßgeblichen Zeitraum eine Zulassung für das Anwendungsgebiet der Hypercholesterinämie; schon daraus lässt sich die therapeutische Vergleichbarkeit ableiten. Atorvastatin besitzt zudem seit Mai 2006 eine Zulassung auch für das Anwendungsgebiet der Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen; über eine Zulassung für dieses Anwendungsgebiet verfügen aber auch die Konkurrenzwirkstoffe Fluvastatin, Pravastatin und Simvastatin, so dass auch insoweit für Atorvastatin keine Sonderstellung beansprucht werden kann.

42

ee) Der Beigeladene zu 1. musste keine für die Therapie bedeutsamen unterschiedlichen Bioverfügbarkeiten wirkstoffgleicher Arzneimittel berücksichtigen (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB V). Denn mit den Statinen ist eine Festbetragsgruppe nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V betroffen, der lediglich pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe angehören.

43

ff) Dass alle fünf Statine einschließlich Atorvastatin in eine Festbetragsgruppe einbezogen wurden, schränkt iS von § 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 1 SGB V keine Therapiemöglichkeiten ein und schneidet keine medizinisch notwendigen Verordnungsalternativen ab. Der Wirkstoff Atorvastatin war im hier zu prüfenden Zeitraum ab 1.1.2005 für kein Behandlungsgebiet zugelassen, für das nicht wenigstens ein anderes Statin zugelassen war. Gleichzeitig erlaubt die arzneimittelrechtliche Zulassung von Atorvastatin keinen Rückschluss darauf, dass ausschließlich mit diesem Wirkstoff besondere Patientenkollektive zu erschließen seien. Ebenso wenig kommt es unter dem Aspekt der Nebenwirkungen zu einer Einengung der Therapiemöglichkeiten, denn der Fachinformation für Atorvastatin ist im Vergleich zu denjenigen der anderen vier Statine kein Vorteil im Hinblick auf das Nebenwirkungsspektrum zu entnehmen; dies wird im Übrigen auch von den Klägerinnen nicht behauptet.

44

d) Der Einbeziehung von Sortis steht nicht die Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen entgegen, deren Wirkungsweise neuartig ist und die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V idF des GMG). Die Wirkungsweise von dem noch bis 2011 patentgeschützten Wirkstoff Atorvastatin ist im Rechtssinne nicht neuartig. Als neuartig gilt ein Wirkstoff nämlich nur, solange derjenige Wirkstoff, der als erster dieser Gruppe in Verkehr gebracht worden ist, unter Patentschutz steht (§ 35 Abs 1 Satz 4 SGB V). Nach den unangegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG wurde der Wirkstoff Lovastatin als erster der Gruppe der Statine in Verkehr gebracht und war schon vor 2003 patentfrei.

45

Ob eine therapeutische Verbesserung vorlag, ist mangels neuartiger Wirkungsweise von Atorvastatin nicht entscheidend. Zu Recht hat das LSG erkannt, dass § 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V in der hier maßgeblichen, bis zum 30.4.2006 geltenden Fassung des GMG die Erfüllung der beiden Merkmale der "Neuartigkeit" der Wirkungsweise und der "therapeutischen Verbesserung" kumulativ fordert, um die Aufnahme eines Arzneimittels in eine Festbetragsgruppe nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und 3 SGB V auszuschließen. Das entspricht dem klaren Wortlaut in Bezug auf die Konjunktion "und" sowie der Entstehungsgeschichte. Nach der Gesetzesbegründung greift die Ausnahme von der Festbetragsregelung nur für Arzneimittel mit solchen patentgeschützten Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig ist und die deshalb mit anderen Wirkstoffen nicht vergleichbar sind. Eine therapeutische Verbesserung - so die Begründung - kann auch in der Minderung von Nebenwirkungen liegen (vgl BT-Drucks 11/3480 S 53). Aus dem Regelungssystem und -zweck folgt nichts anderes. Der Gesetzgeber hat erst mit dem AVWG vom 26.4.2006 (BGBl I 984) mit Wirkung vom 1.5.2006 das Erfordernis des kumulativen Vorliegens beider Tatbestandsvoraussetzungen aufgegeben, indem er das "und" durch ein "oder" ersetzt hat. Dies entspricht der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Intention, Anreize zur Forschung nach echten Arzneimittelinnovationen zu setzen (vgl BT-Drucks 16/194, S 6, 7; 16/691, S 14). Dass der Gesetzgeber selbst diese Änderung nur als Klarstellung bezeichnet hat (BT-Drucks 16/194, S 7), ist unerheblich. Denn auch die Grenzen der authentischen Interpretation sind durch den Wortlaut vorgegeben (vgl BSG SozR 4-2500 § 62 Nr 8; BSG SozR 4-4300 § 147a Nr 9).

46

Die Regelung des § 35 Abs 1a SGB V ist hier von vornherein nicht anwendbar. Sie ermöglicht die Bildung von Festbetragsgruppen für Arzneimittel, die allesamt noch unter Patentschutz stehen. Für den Fall, dass dies nicht mehr auf alle Arzneimittel einer Festbetragsgruppe zutrifft, ist § 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V die maßgebliche Regelung für die Möglichkeit der Einbeziehung patentgeschützter Arzneimittel(vgl BT-Drucks 16/691, S 15; Kraftberger/Adelt in: Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 25; aA im Ergebnis für Arzneimittel der Festbetragsgruppe 2, Reese/Gaßner, PharmR 2004, 428).

47

e) Auch die Entscheidung über die Bildung der Vergleichsgrößen ist rechtmäßig. Gemäß § 35 Abs 1 Satz 5 SGB V ermittelt der Beigeladene zu 1. die nach § 35 Abs 3 SGB V "notwendigen rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichsgrößen". Die von ihm festgeschriebenen Werte sind in diesem Sinne geeignete Vergleichsgrößen.

48

Die gerichtliche Kontrolle der Ermittlung von Vergleichsgrößen ist beschränkt. Dem Beigeladenen zu 1. steht nämlich bei der Entscheidung über die Vergleichsgrößenbildung ein Gestaltungsspielraum zu. Er kann selbst darüber entscheiden, anhand welcher Kriterien er die Vergleichsgrößen bestimmt. Das Gesetz gibt keine Wahl dahin vor, ob der Tagesdosis, der Einzeldosis oder aber einer gänzlich anderen geeigneten Vergleichsgröße der Vorrang gebührt (Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, aaO, § 35 SGB V RdNr 45). Die Gerichte haben lediglich zu kontrollieren, ob der GBA hierbei auf der Grundlage eines vollständig ermittelten Sachverhalts den Zweck der Vergleichsgrößenbildung nachvollziehbar beachtet hat, die Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffen innerhalb einer Gruppe vergleichbar zu machen (zum Grundsatz oben, II. 2. c aa; s auch Kraftberger/Adelt in: Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 20a). Diesen Anforderungen genügt der Beschluss vom 20.7.2004. Der Beigeladene zu 1. hat sämtliche Daten anhand der zum Zeitpunkt des Gruppenbeschlusses zuletzt verfügbaren Jahresdaten des GKV-Arzneimittelindexes ermittelt und diese rechnerisch korrekt für alle fünf Statine umgesetzt. Das ziehen die Beteiligten nicht in Zweifel.

49

Der Beigeladene zu 1. hat den Gesetzeszweck der Vergleichsgrößen beachtet, sicherzustellen, dass die aufzuwendenden Arzneimittelkosten unabhängig vom jeweiligen Wirkstoff für die von jedem Versicherten individuell benötigte Arzneimitteldosis annähernd gleich sind (vgl dazu Kraftberger/Adelt in: Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 20a). Er hat jedem Wirkstoff einen bestimmten Zahlenwert zugewiesen, der ihn innerhalb der Gruppe vergleichbar macht. Seine hierbei gewählte Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Wirkstärke ist geeignet, eine sachgerechte mengenbezogene Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Wirkstoffen herzustellen. Sie errechnet für jeden der fünf Wirkstoffe einen Einzelwert als Vergleichsgröße, der sich am Verordnungsverhalten der Ärzte orientiert, also daran, welcher Wirkstoff wie häufig in welcher Wirkstärke verordnet wurde.

50

Die dagegen vorgetragenen Einwendungen der Klägerinnen greifen nicht durch. Die vom Beigeladenen zu 1. angewendete Methode geht systemgerecht davon aus, dass nur therapeutisch sinnvolle Wirkstärken gemäß § 25 Abs 1 Satz 1 AMG zugelassen werden, und die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte diese Wirkstärken zutreffend verordnen(vgl Hess in: Kasseler Komm, Stand 1.10.2010, § 35 SGB V RdNr 9). Die von den Klägerinnen bevorzugte Methode, die Vergleichsgröße anhand einer tatsächlichen Wirkstärke zu bestimmen, leidet dagegen daran, dass sich ihre Prämisse, bei jedem Patienten wirke etwa Atorvastatin "doppelt so gut" wie Pravastatin oder "viermal so gut" wie Simvastatin, schwerlich objektivieren lässt. Bei Anwendung eines Wirkstoffs bringt die doppelte Wirkmenge nicht automatisch auch den doppelten Behandlungserfolg mit sich. Ua vor diesem Hintergrund ist eine arzneimittelrechtliche Zulassung stets wirkstärkenbezogen (vgl § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AMG). Dem trägt die hier gewählte Methode sachgerecht Rechnung, sich nicht an einer fiktiven "tatsächlichen Wirkstärke", sondern an der tatsächlichen Situation der Verordnungen in der Praxis im Hinblick auf die Wirkstärke zu orientieren (ähnlich für den Vergleich der Wirksamkeit mehrerer Wirkstoffe BSGE 93, 296 RdNr 14 = SozR 4-2500 § 35 Nr 2 RdNr 16).

51

f) Die (hier noch zuständigen) Beigeladenen zu 3. bis 8. haben die Festbeträge durch Beschluss vom 29.10.2004 rechtmäßig festgesetzt. Sie haben die notwendige Form gewahrt, da die Festsetzung im Bundesanzeiger öffentlich bekannt gemacht wurde (§ 35 Abs 7 Satz 1 SGB V), und die Festbeträge auch materiell rechtmäßig festgesetzt. Sie haben die in § 35 Abs 5 SGB V formulierten Vorgaben befolgt, Festbeträge so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten(Satz 1), Wirtschaftlichkeitsreserven ausschöpfen, einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen, sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten ausrichten und soweit wie möglich eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl sicherstellen (Satz 2).

52

Die gerichtliche Kontrolle der festgesetzten Festbetragshöhe erfolgt grundsätzlich in vollem Umfang. Sie beschränkt sich jedoch dort auf die zutreffende Konkretisierung der bestehenden Zielvorgaben nebst wissenschaftlich haltbarer Schätzungen, wo in Unkenntnis der Reaktion jedes einzelnen Arzneimittelanbieters prognostische Elemente und Schätzungen mit in die Festbetragsfestsetzung einfließen müssen. Es besteht allerdings kein Beurteilungsspielraum der Beigeladenen zu 3. bis 8. mit Blick darauf, dass im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche, in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet ist (vgl Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 46; aA - einen Beurteilungsspielraum bejahend - Hess in: Kasseler Komm, Stand 1.10.2010, § 35 SGB V RdNr 31; Flint in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2011, K § 35 RdNr 93). Anderes wäre auch verfassungsrechtlich bedenklich. Das BVerfG hat die Regelungen über die Festsetzung von Festbeträgen in § 35 Abs 5 SGB V gerade mit Blick darauf nicht beanstandet, dass sie klar überprüfbare Festsetzungsmaßstäbe enthalten. Eine wesentliche Änderung des Inhalts des Wirtschaftlichkeitsgebots oder wirtschaftslenkende Handlungsspielräume sind dem Beklagten und waren den beigeladenen Krankenkassenverbänden nicht eröffnet (vgl näher BVerfGE 106, 275, 302 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 20).

53

Die konkrete Festbetragsfestsetzung von 62,55 Euro für eine Standardpackung zu 100 Stück (Wirkstärkenvergleichsgröße 0,97) setzt die Zielvorgaben des § 35 Abs 5 SGB V idF des GMG zutreffend um. Rechenfehler sind durch die Klägerinnen nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich. Der Beklagte nähert sich iterativ unter Anwendung einer Maßzahl der optimalen Festbetragshöhe an (sogenannte Maßzahl M). Sie ist als Summe des prozentualen Anteils zuzahlungspflichtiger Verordnungen und des prozentualen Anteils zuzahlungspflichtiger Packungen definiert. Der Gesetzgeber selbst hat das Grundprinzip dieser mathematischen Methodik mithilfe der Maßzahl M mittlerweile ausdrücklich anerkannt, indem er diesem Berechnungsverfahren nunmehr in § 35 Abs 5 Satz 5 SGB V idF des AVWG Gesetzesrang verschafft hat(vgl BT-Drucks 16/194 S 8 f). Als Grenzwert für die Maßzahl M haben die Beigeladenen zu 3. bis 8. für die Festbetragsgruppen nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V den Wert 100 festgelegt. Dies bedeutet, dass im Idealfall mindestens die Hälfte der Verordnungen und die Hälfte der Packungen für die Versicherten ohne festbetragsbedingte Zuzahlung zur Verfügung stehen. In der Festbetragsgruppe der Statine lag die Maßzahl M im hier maßgeblichen Zeitraum bei 98,8. Es standen hierdurch rund 75 Prozent der Packungen und 26,3 Prozent der Verordnungen den Versicherten zum Festbetrag zur Verfügung. Dabei waren drei der fünf Wirkstoffe der Gruppe der Statine zum Festbetrag ohne Mehrzahlung erhältlich (Fluvastatin, Lovastatin und Simvastatin).

54

Mit diesem Ergebnis wird in der Festbetragsgruppe der Statine der gesetzgeberische Zweck erfüllt, unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots eine in der Qualität gesicherte Versorgung sowie eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl zu gewährleisten. Danach greift das Vorbringen der Klägerinnen nicht durch, die festgesetzte Festbetragshöhe stelle keine hinreichende Arzneimittelauswahl sicher. Die Sicherstellung einer für die Therapie hinreichenden Arzneimittelauswahl hat nur "soweit wie möglich" zu erfolgen, kann also auch dazu führen, dass lediglich ein einziges therapiegerechtes Arzneimittel zum Festbetrag zur Verfügung steht. Darüber ging das Angebot zum Festbetrag erhältlicher therapiegerechter Statine deutlich hinaus.

55

3. Die Revision ist schließlich unbegründet, soweit die klagenden pharmazeutischen Unternehmen die Aufhebung des Festbetragsbeschlusses vom 10.2.2006 für die Zeit vom 1.4. bis zum Ablauf des 30.6.2006 begehren (zu den Folgezeiträumen vgl Senatsurteile vom selben Tage - B 1 KR 10/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen und - B 1 KR 13/10 R). Auch diese Allgemeinverfügung, die die Festsetzung vom 29.10.2004 mit Wirkung vom 1.4.2006 ersetzte, beschwert die Klägerinnen nach dem dargelegten reduzierten Prüfmaßstab der grundrechtsrelevanten Wettbewerbsverfälschung (vgl oben II.1.c und 2) sowohl für die Zeit bis zum 30.4.2006 (dazu a) als auch für die Zeit ab 1.5.2006 (dazu b) nicht rechtswidrig. Sie ist, soweit sie Rechte der Klägerinnen betrifft, rechtmäßig und nicht etwa offensichtlich sachwidrig. Die infolge der Gesetzesänderung durch das AVWG zum 1.5.2006 erheblich gewordene Frage, ob Atorvastatin eine therapeutische Verbesserung gegenüber den anderen vier Statinen bedeutet, hat der Beigeladene zu 1. rechtmäßig verneint.

56

a) Die Rechtmäßigkeit des Festbetragsbeschlusses vom 10.2.2006 ist zunächst für den Geltungszeitraum vom 1.4. bis zum 30.4.2006 an § 35 SGB V idF des GMG zu messen. Hinsichtlich der gebildeten Gruppe und der ermittelten Vergleichsgröße ergeben sich keine Abweichungen gegenüber der Vorgängerverfügung. Auch der Höhe nach ist die Festsetzung der Festbeträge durch den Beschluss vom 10.2.2006 rechtlich nicht zu beanstanden, soweit dies für die Klägerinnen von rechtlichem Interesse ist. Rechtsgrundlage der Festbetragsanpassung ist § 35 Abs 5 Satz 3 SGB V, wonach die Festbeträge einmal im Jahr zu überprüfen sind und eine Anpassung an die geänderte Marktlage vorzunehmen ist. Neben § 35 Abs 5 Satz 1 und 2 SGB V ist die durch das AVWG(rückwirkend zum 17.2.2006) eingeführte Regelung in § 35 Abs 5 Satz 4 und 5 SGB V zu berücksichtigen. Hiernach soll erstmals zum 1.4.2006 der Festbetrag auch einer Festbetragsgruppe nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht übersteigen. Dabei müssen mindestens ein Fünftel aller Verordnungen und mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar sein; zugleich darf die Summe der jeweiligen Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum Festbetrag erhältlich sind, den Wert von 160 nicht überschreiten.

57

Der festgesetzte Festbetrag von 59,42 Euro genügt diesen gesetzlichen Anforderungen, soweit die Klägerinnen betroffen sein können. Die Beigeladenen zu 3. bis 8. ermittelten den Festbetrag wiederum unter Anwendung des iterativen Verfahrens. Die Maßzahl M lag am Berechnungsstichtag bei 60,8. Damit standen rund 87,5 Prozent der 766 Packungen und 51,7 Prozent der Verordnungen den Versicherten zum angepassten Festbetrag zur Verfügung. Nach wie vor waren zudem drei der fünf Wirkstoffe der Festbetragsgruppe zum Festbetrag erhältlich. Es bedarf nicht der - vom LSG nicht getroffenen - Feststellung, dass der Festbetrag sich noch innerhalb des unteren Drittels aller Abgabepreise für Statine befand. Selbst ein Überschreiten dieser Soll-Grenze könnte Rechte der Klägerinnen nicht verletzen. Rechenfehler sind im Übrigen weder gerügt noch ersichtlich.

58

b) Der Festbetragsbeschluss vom 10.2.2006 beschwert die Klägerinnen auch im verbleibenden zu prüfenden Zeitraum vom 1.5. bis 30.6.2006 nicht rechtswidrig. Der Beschluss zur Festbetragsgruppenbildung vom 20.7.2004 blieb weiterhin rechtmäßig (dazu aa bis gg). Auch die gebildete Vergleichsgröße und die festgesetzte Festbetragshöhe beschwerten die Klägerinnen nicht (dazu hh).

59

Die zunächst 2004 rechtmäßige Gruppenbildung wurde durch das AVWG nicht unwirksam (dazu aa). Der Einbeziehung von Sortis stand nicht die Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen entgegen, deren Wirkungsweise neuartig ist oder die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V idF des AVWG). Der Senat vermag nicht festzustellen, dass der Beigeladene zu 1. die ab dem 1.5.2006 hier zusätzlich zur (fehlenden) Neuartigkeit zu prüfende therapeutische Verbesserung durch Sortis zu Unrecht verneint hat. Der Beigeladene zu 1. hat die Anforderungen an eine therapeutische Verbesserung (dazu bb) und deren Nachweis (dazu cc) gerichtlich voll überprüfbar (dazu dd) gesetzeskonform zugrunde gelegt. Ihm sind bei seiner Bewertung der Studienlage hinsichtlich einer therapeutischen Verbesserung keine Beurteilungsfehler unterlaufen (dazu ee). Die Gruppenbildung ist auch nicht wegen Verletzung der Beobachtungspflicht bezüglich einer therapeutischen Verbesserung rechtswidrig geworden (dazu ff). Es bedarf keiner weiteren gerichtlichen Ermittlungen (dazu gg).

60

aa) Die Gruppenbildung erfolgte 2004 insgesamt rechtmäßig, ohne dass ihre Wirksamkeit durch das AVWG entfiel. Unerheblich ist, dass der Beigeladene zu 1. in seinem Beschluss vom 20.7.2004 die Erfüllung beider Voraussetzungen eines Festbetragsausschlusses - Neuartigkeit und Bestehen einer therapeutischen Verbesserung - geprüft und verneint hat, obwohl § 35 SGB V idF des GMG eine Ausnahme von der Gruppenbildung schon bei Nichterfüllung einer der beiden Voraussetzungen ausschloss(vgl dazu oben II. 2.d). Die zusätzliche Prüfung wirkte sich im Ergebnis nicht aus, auch wenn erst aufgrund der Änderung des § 35 SGB V durch das AVWG ab 1.5.2006 die Kriterien der Neuartigkeit und therapeutischen Verbesserung kumulativ zu prüfen sind.

61

Die Gesetzesänderung durch das AVWG ließ die bisher beschlossene Richtlinie nicht unwirksam werden. Die Änderung oder der Wegfall der Ermächtigungsgrundlage einer untergesetzlichen Norm berührt nämlich nicht per se deren Rechtswirksamkeit (vgl entsprechend zu Rechtsverordnungen zB BVerwG Buchholz 451.20 § 139i GewO Nr 1 = GewArch 1997, 245; vgl auch BVerfGE 14, 245, 249; BVerfGE 78, 179, 198). Ab Inkrafttreten des AVWG war die Rechtmäßigkeit des fortwirkenden Beschlusses des Beigeladenen zu 1. indes an der neuen Gesetzesfassung zu messen, da § 35 SGB V idF des AVWG wegen seines unmittelbaren Geltungsanspruchs ohne Übergangsregelung ein solcher Normanwendungsbefehl zu entnehmen ist. Der Gruppenbildungsbeschluss genügt aber auch diesen gesetzlichen Anforderungen.

62

bb) Schon im Jahre 2004 waren für die Anforderungen an eine therapeutische Verbesserung die sachlichen Kriterien zugrunde zu legen, die der Gesetzgeber durch Art 1 Nr 2 Buchst c AVWG ausdrücklich erst 2006 in § 35 Abs 1b SGB V normiert hat. Bereits auf der Grundlage des GMG stand ein solches Vorgehen mit der Gesetzeslage in Einklang. Demgemäß geht die Begründung des Gesetzentwurfs eines AVWG davon aus, dass sich eine Änderung des geltenden Verfahrens für die Bildung von Festbetragsgruppen durch Einführung des § 35 Abs 1b SGB V zum 1.5.2006 nicht ergebe, da der GBA bereits jetzt entsprechend verfahre (vgl BT-Drucks 16/194 S 7). Auch in der Folgezeit hat sich das danach maßgebliche gesetzliche Prüfprogramm für das Bestehen einer therapeutischen Verbesserung nicht geändert.

63

Danach besteht eine therapeutische Verbesserung, wenn ein patentgeschützter Wirkstoff für die betroffenen Patienten einen therapierelevanten höheren Nutzen als andere Arzneimittel dieser Wirkstoffgruppe hat und deshalb als zweckmäßige Therapie regelmäßig oder auch für relevante Patientengruppen oder Indikationsbereiche den anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe vorzuziehen ist (§ 35 Abs 1b Satz 1 SGB V). Der geforderte "höhere Nutzen" entspricht dem "Zusatznutzen" gegenüber anderen Wirkstoffen, wie er vom Gesetzgeber auch in § 35b Abs 1 Satz 3 SGB V(idF durch Art 1 Nr 20 Buchst b GKV-WSG mit Wirkung ab 1.4.2007; vgl ab 1.1.2011 § 35b Abs 1 Satz 3 idF durch Art 1 Nr 6 Buchst b DBuchst bb AMNOG)zur zentralen Vorgabe einer Nutzenbewertung durch das IQWiG gemacht worden ist. Gleiches gilt für den "medizinischen Zusatznutzen" bei dem durch das AMNOG eingeführten Verfahren der frühen Nutzenbewertung (§ 35a Abs 1 Satz 4 SGB V, vgl BT-Drucks 17/2413, S 21).

64

Inhaltlich gibt der Gesetzgeber als Maßstab einer therapeutischen Verbesserung eine Verbesserung hinsichtlich der Lebensqualität, zB durch Verringerung von Nebenwirkungen bezüglich Häufigkeit und Schweregrad, sowie Morbidität und Mortalität vor (§ 35 Abs 1 Satz 3 und 5 SGB V, sog patientenrelevante Endpunkte). Nur im Zusammenhang mit einer an der positiven Beeinflussung patientenrelevanter Endpunkte ausgerichteten Therapie kann sich ein höherer Nutzen auch daraus ergeben, dass das Arzneimittel eine überlegene Wirksamkeit gegenüber anderen Arzneimitteln der Wirkstoffgruppe zeigt oder über besondere therapierelevante Leistungsmerkmale verfügt, zB Wechsel des Applikationsortes oder -weges, oder eine andere für die Therapie relevante Galenik aufweist (vgl BT-Drucks 16/194 S 8). Anders als bei der Gruppenbildung anhand von Wirkstoffen nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V kommen im Rahmen dieses Tatbestandsmerkmals daher auch die ganz spezifischen Besonderheiten eines Wirkstoffs in Betracht, soweit diese therapeutisch relevant sind.

65

cc) Methodisch erfolgt der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung aufgrund der Fachinformationen und durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen (§ 35b Abs 1b Satz 4 und 5 SGB V). Maßgeblich ist hierbei der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V, vgl BT-Drucks 16/194 S 8). Erforderlich ist dabei der Nachweis der erfolgreichen therapeutischen Verbesserung in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen auf der Grundlage wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Therapierelevanz (stRspr; BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN - Immucothel; BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E). Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Wirkstoffen. Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden (vgl auch Flint in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2011, K § 35 RdNr 64). Sie müssen in jedem Fall das Kriterium erfüllen, mit dem Primärziel des Erreichens patientenrelevanter Endpunkte durchgeführt worden zu sein. Studien, die als Primärziel bloße Surrogatparameter formuliert haben, kommen dagegen zum Nachweis einer therapeutischen Verbesserung nicht in Betracht (vgl Schickert, PharmR 2010, 452, 456).

66

dd) Der Beigeladene zu 1. ist nicht ermächtigt, von diesem gesetzlichen Prüfprogramm abzuweichen. Soweit der Regelungsgehalt reicht, verbleibt ihm kein eigener Gestaltungsspielraum. Wie bereits ausgeführt (vgl II.2.c aa), erfolgt insoweit eine volle gerichtliche Überprüfung. Den dargelegten gesetzlichen Anforderungen ist der Beigeladene zu 1. durch seinen Beschluss vom 20.7.2004 gerecht geworden. Er hat nach diesen Maßstäben geprüft, dass für Atorvastatin eine therapeutische Verbesserung im aufgezeigten Sinne nicht nachgewiesen ist. Die Standards, die der Beigeladene zu 1. ausweislich seiner Beschlussbegründung vom 15.9.2004 zur Prüfung des Vorliegens einer therapeutischen Verbesserung verlangt, korrespondieren inhaltlich (sogar zT fast wortgleich formuliert) mit dem gesetzlich festgeschriebenen Prüfmaßstab. Bei dem Nachweis einer therapeutischen Verbesserung hat der Beigeladene zu 1. rechtsfehlerfrei auf den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse im Sinne der Rechtsprechung des BSG abgestellt und als Unterlagen in erster Linie direkte Vergleichsstudien, für den Fall ihres Fehlens placebokontrollierte Studien in Form von randomisierten, doppelblinden und kontrollierten Studien mit dem Ziel der Beeinflussung klinisch bedeutsamer Endpunkte gefordert.

67

ee) Der Beigeladene zu 1. hat das ermächtigungskonforme Prüfprogramm über den Nachweis einer therapeutischen Verbesserung ausweislich der Beschlussbegründung auch rechtmäßig angewendet. Der Beschluss des Beigeladenen zu 1. vom 20.7.2004 beruht auf einer umfassenden Sichtung der aktuellen relevanten Studienlage zur Wirkstoffgruppe der Statine. Auf die Einbeziehung irgendwelcher Meinungsäußerungen von Fachleuten kommt es jenseits der bereits geprüften Anhörungsrechte (vgl § 35 Abs 2 SGB V)insoweit entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht an.

68

Der Beigeladene zu 1. ist insgesamt nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass für Atorvastatin gegenüber den anderen Statinen keine Alleinstellungsmerkmale bewiesen sind, die eine therapeutische Verbesserung bedeuten. Er hat anhand des gesetzlich gebotenen Maßstabs die Aussage- und Beweiskraft der einzelnen Studien nachvollziehbar bewertet, nachdem er ihr Design, ihre Ziele und ihre Vergleichbarkeit überprüft und qualifiziert hat. Seine Folgerungen sind schlüssig und lassen keine Widersprüche erkennen. Zu allen von den Klägerinnen als Alleinstellungsmerkmal hervorgehobenen Aspekten, namentlich den besonderen pleiotropen (außerhalb der Hauptwirkung heilend wirkenden) Eigenschaften (dazu <1.>), der größten Wirkstärke (dazu <2.>), dem schnelleren Wirkeintritt (dazu <3.>) und einem überlegenen Sicherheitsprofil von Atorvastatin gegenüber den anderen Statinen (dazu <4.>), begründet der Beschluss nachvollziehbar, dass eine therapeutische Verbesserung nach den gesetzlichen Kriterien nicht festzustellen ist.

69

(1.) So fehlen hinsichtlich der besonderen pleiotropen Eigenschaften von Atorvastatin danach genauere Kenntnisse darüber, in welchem Ausmaß pleiotrope Effekte zur Risikoverbesserung beitragen und ob Unterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffen bestehen. Studien zum Nachweis von Art und Umfang angeblich pleiotroper Effekte liegen nicht vor.

70

(2.) Gegen die von den Klägerinnen ins Feld geführte höhere Wirkstärke Atorvastatins wendet der Beigeladene 1. schlüssig ein, dass sich daraus nicht per se eine klinische Überlegenheit ableiten lässt. Es mangelt nämlich hierzu an den erforderlichen qualitativ hochwertigen Vergleichsstudien mit klinisch relevanten Endpunkten, die hinreichende Schlüsse auf nennenswerte Patientenkollektive erlauben: Die vorliegenden indirekten Vergleichsstudien eignen sich nach der nachvollziehbaren Beurteilung des Beigeladenen zu 1. nicht zum Nachweis relevanter Unterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffen. Die Ausgangsrisiken der untersuchten Populationen weichen so erheblich voneinander ab, dass sie kaum miteinander vergleichbar sind. Ebenso variiert - wohl vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Zuschnitts der Vergleichsgruppen - das Ausmaß der LDL-Senkung in den einzelnen Studien in einem Ausmaß, das Vergleichsschlüsse problematisch macht.

71

(3.) Auch hinsichtlich der Frage, ob ein schnellerer Wirkeintritt von Atorvastatin gegenüber anderen Statinen mit Blick auf patientenrelevante Endpunkte nachweisbare Vorteile bietet, gibt es bisher keine direkten Vergleichsstudien. Die vorliegenden indirekten Vergleichsstudien können therapierelevante Vorteile nach der nachvollziehbaren Beurteilung des Beigeladenen zu 1. nicht hinreichend belegen, da sie sich wesentlich in der jeweiligen Größe des Ausgangsrisikos der untersuchten Populationen und Stärke der Interventionen unterscheiden. Diese Parameter sind indes die stärksten Determinanten für die Geschwindigkeit des Eintretens einer statistisch signifikanten Wirkung einer Statintherapie.

72

(4.) Das geltend gemachte besondere Sicherheitsprofil von Atorvastatin ist entsprechend der Beschlussbegründung schließlich ebenfalls nicht evidenzbasiert nachgewiesen. Direkte Vergleichsstudien zwischen den Statinen zu unerwünschten Nebenwirkungen liegen nicht vor. Eine signifikante Unterscheidung der nach der Häufigkeit schwerer unerwünschter Ereignisse wird bei den placebokontrollierten Studien als "overall health impact" in den seltensten Fällen angegeben. Diese Argumentation deckt sich wiederum nachvollziehbar mit der bestehenden Studienlage.

73

ff) Der Beigeladene zu 1. hat für die Zeit bis zum 30.6.2006 auch die ihm als Normgeber obliegende Beobachtungspflicht nicht verletzt. Von einer Verletzung der Beobachtungspflicht wäre nur auszugehen, wenn der Beigeladene zu 1. eine neue Studienlage übergangen hätte, die nach den aufgezeigten gesetzlichen Maßstäben Anlass zur erneuten Überprüfung eines einmal gefassten Gruppenbildungsbeschlusses gegeben hätte. Daran fehlt es.

74

Der Beigeladene zu 1. muss auch nach Erlass einer Richtlinie über die Bildung einer Festbetragsgruppe prüfen, ob neuere wissenschaftliche Erkenntnisse eine Änderung seiner Entscheidung gebieten. Dies folgt auch ohne besondere, ausdrückliche Regelung in § 35 SGB V aus der generellen, dem GBA als Normgeber obliegenden Beobachtungspflicht. Wesentlicher innerer Grund des gesetzlichen Regelungskonzepts des GBA als Normgeber ist es gerade, ihn die sich ständig ändernde Entwicklung des allgemein anerkannten Standes der Medizin und der Pharmakologie beobachten zu lassen, damit er wesentliche Änderungen umgehend in den Richtlinien berücksichtigt (vgl dazu Hauck, NZS 2010, 600, 611 mwN). Im Falle der hier in Frage stehenden Richtlinien ist der GBA zur Beobachtung dessen verpflichtet, ob die bisher festgelegte Zusammenfassung mehrerer Arzneimittel in einer Festbetragsgruppe dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht mehr entspricht (vgl ähnlich BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2).

75

Eine solche Beobachtungspflicht setzt der Beigeladene zu 1. auch selbst in Kapitel 3, Abschnitt D der Beschlussbegründung (nunmehr in § 7 Abs 4 seiner VerfO) voraus. Danach muss er Hinweisen dazu nachgehen, dass getroffene Entscheidungen nicht mehr mit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse übereinstimmen. Hinweise darauf, dass für den Wirkstoff Atorvastatin zwischenzeitlich Studien erstellt worden sind, die unter Berücksichtigung der aufgezeigten gesetzlichen Wertungen für eine abweichende Bewertung der therapeutischen Verbesserung sprechen, liegen indes nicht vor. Das belegen für die hier relevante Zeit bis zum 30.6.2006 (zu Folgezeiträumen vgl Senatsurteile vom selben Tage - B 1 KR 10/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen und - B 1 KR 13/10 R) die Untersuchungen des IQWiG vom 15.8.2005 und des Beigeladenen zu 1. vom Februar 2010 unter Einbeziehung aller neueren Studien für die Folgejahre. Keiner der Beteiligten hat denn auch dargelegt, dass abweichend von der Beurteilung des IQWiG und der Recherche des Beigeladenen zu 1. neue endpunktrelevante Studien mit bisher nicht berücksichtigten Ergebnissen zu den Statinen veröffentlicht worden sind.

76

gg) Der erkennende Senat kann sich auf die vorliegenden Ermittlungsergebnisse stützen, ohne dass es weiterer Beweiserhebung bedarf. Zwar geht es beim Nachweis einer therapeutischen Verbesserung durch Arzneimittel um die Feststellung genereller Tatsachen, die auch der Ermittlung des Senats im Revisionsverfahren unterliegen. Weitere Beweiserhebung drängt sich aber nicht auf. Auch hier (vgl bereits oben II.2.b und c cc) ist von Bedeutung, dass sich der Beigeladene zu 1. nicht beliebiger Einzelgutachter bedient, sondern die vom Gesetzgeber hervorgehobene AkdÄ mit der Überprüfung der Voraussetzungen betraut hat. Hinzu kommt, dass er in der Folgezeit im Rahmen eines Generalauftrags das IQWiG mit einer Überprüfung beauftragt hat und schließlich unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung bei dem LSG nochmals selbst recherchiert hat. Nur die Darlegung, eine therapeutische Verbesserung sei anhand aussagekräftiger Studien in der gesetzlich gebotenen Qualität nachgewiesen, würde vorliegend zu weiteren Ermittlungen zwingen. Daran fehlt es indes.

77

Das IQWiG hat nämlich die Einschätzung des Beigeladenen zu 1. bestätigt, ohne Anhaltspunkte für neuere abweichende Studienergebnisse in hinreichend qualifizierten Studien zu finden. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Absicherung von Neutralität und Qualität der in Auftrag gegebenen Untersuchung des IQWiG streitet bei Beachtung aller gesetzlicher Vorgaben eine Rechtsvermutung für die Richtigkeit seiner Beurteilung, die in derartigen Fällen wie dem vorliegenden eine weitere Beweiserhebung erübrigt. Das folgt aus Ausstattung (dazu <1.>), Aufgabe (dazu <2.>) und Gesetzeszweck der Einrichtung des IQWiG (dazu <3.>). Mit Blick darauf kommt gesetzeskonformen Bewertungen des IQWiG eine Richtigkeitsgewähr zu.

78

(1.) Das IQWiG stellt ein Expertengremium dar, das in seiner persönlichen und fachlichen Integrität und Qualität durch Transparenz und Unabhängigkeit gesetzlich und institutionell besonders abgesichert ist (vgl Hauck, NZS 2010, 600, 609; Rixen, MedR 2008, 24, 26). Der Beigeladene zu 1. hat gesetzeskonform das IQWiG als fachlich unabhängiges, rechtsfähiges, wissenschaftliches Institut errichtet (§ 139a Abs 1 Satz 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 112 GMG). Der Gesetzgeber hat bereits die zulässige Rechtsform des IQWiG eingegrenzt, um dessen Kompetenz und Unabhängigkeit sicherzustellen. Zur Sicherung der fachlichen Unabhängigkeit des IQWiG haben die Beschäftigten vor ihrer Einstellung alle Beziehungen zu Interessenverbänden, Auftragsinstituten, insbesondere der pharmazeutischen Industrie und der Medizinprodukteindustrie, einschließlich Art und Höhe von Zuwendungen offen zu legen (vgl § 139a Abs 6 SGB V). Entsprechendes gilt, soweit das IQWiG wissenschaftliche Forschungsaufträge an externe Sachverständige vergibt (s § 139b Abs 3 SGB V). Die Vergabe von Forschungsaufträgen gewährleistet, dass die Arbeiten des IQWiG höchsten wissenschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Hierzu hat es ausgewiesene Experten mit wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen in ihren jeweiligen Arbeitsbereichen einzubeziehen (vgl BT-Drucks 15/1525 S 128 Zu § 139a Abs 4).

79

Das IQWiG arbeitet in einer transparenten Form unter Unterrichtung Betroffener und Interessierter über alle Arbeitsschritte und Arbeitsergebnisse (vgl § 139a Abs 4 SGB V und hierzu BT-Drucks 15/1525 S 128 Zu § 139a Abs 4), insbesondere auch über die Grundlagen für die Entscheidungsfindung. Indem das IQWiG zu gewährleisten hat, dass die Bewertung des medizinischen Nutzens nach den international anerkannten Standards der evidenzbasierten Medizin erfolgt (§ 139a Abs 4 Satz 1 Halbs 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 117 Buchst b GKV-WSG),hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es seine Arbeitsmethode nach den international üblichen und akzeptierten Standards der evidenzbasierten Medizin auszurichten hat. Das IQWiG geht nach der Gesetzeskonzeption bei seinen Bewertungen in vergleichbarer hoch qualitativer Weise vor wie andere mit entsprechenden Aufgaben betraute Stellen im internationalen Bereich, zB das National Institute for Health and Clinical Excellence (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 151 Zu Nummer 117 <§ 139a> Zu Buchst b; Engelmann in: jurisPK-SGB V, § 139a RdNr 30). Zusätzlich bestehen Rechte Sachverständiger, Interessierter und Betroffener, Stellung zu nehmen (vgl § 139a Abs 5 SGB V).

80

(2.) Das IQWiG wird zu Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der GKV erbrachten Leistungen in gesetzlich vorgegebenem Umfang tätig (vgl § 139a Abs 3 SGB V). Die Arbeit des IQWiG hat zum Ziel, die grundsätzlichen Anforderungen des SGB V bei der Leistungserbringung zu sichern. Hierzu soll es Erkenntnisse über den Wert der Leistungen auch im Verhältnis zu den aufzuwendenden Kosten sowie zu den Auswirkungen auf die Verbesserung der medizinischen Behandlung erarbeiten. Dies soll gewährleisten, dass diagnostische und therapeutische Maßnahmen dem besten verfügbaren wissenschaftlichen Stand entsprechen und auch weiterhin finanzierbar bleiben (vgl BT-Drucks 15/1525 S 127 Zu Nummer 112 Zu § 139a Zu Abs 3).

81

Zu den gesetzlich vorgegebenen Aufgaben gehört auch die Bewertung des Nutzens und der Kosten von Arzneimitteln (vgl § 139a Abs 3 Nr 5 SGB V). Der Beigeladene zu 1. beauftragt das IQWiG mit den gesetzlich umrissenen Arbeiten (vgl § 139b Abs 1 Satz 1 SGB V). Hierzu hat er dem IQWiG ua am 21.12.2004 den Generalauftrag erteilt, durch die Erfassung und Auswertung des relevanten Schrifttums eine kontinuierliche Beobachtung und Bewertung medizinischer Entwicklungen von grundlegender Bedeutung und ihrer Auswirkungen auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung in Deutschland vorzunehmen und den GBA hierüber regelmäßig zu informieren. Das IQWiG soll aus der eigenverantwortlichen wissenschaftlichen Arbeit heraus dem GBA für dessen gesetzliche Aufgaben notwendige Informationen zur Verfügung stellen und konkrete Vorschläge für Einzelaufträge erarbeiten.

82

(3.) Ziel des Gesetzgebers ist es, durch Einbindung des IQWiG in die Zuarbeit für den GBA den dynamischen Prozess der Fortentwicklung der medizinischen und pflegerischen Leistungen zu sichern und die kontinuierliche Einbeziehung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in eine qualitativ gesicherte Leistungserbringung zu gewährleisten (BT-Drucks 15/1525, S 127). Das IQWiG leitet deshalb seine Arbeitsergebnisse dem GBA als Empfehlungen zu (vgl § 139b Abs 4 Satz 1 SGB V). Dieser hat die Empfehlungen im Rahmen seiner Aufgabenstellung "zu berücksichtigen", wird also nur mit besonderer Begründung davon abweichen (vgl Hauck, NZS 2007, 461, 464). Insbesondere hat er zu prüfen, ob das IQWiG seine Bewertungen ausgehend von einem zutreffenden Rechtsverständnis der zugrunde gelegten Begriffe auf der Basis einer umfassenden Einbeziehung der relevanten Studien nachvollziehbar und widerspruchsfrei getroffen hat. Für die Umsetzung von Handlungsempfehlungen des IQWiG verbleibt ihm indes sein gesetzgeberisches Ermessen.

83

Dass von AkdÄ und IQWiG nicht berücksichtigte Studien hinreichender Qualität im gesetzlich gebotenen Sinne vorliegen, ist schließlich weder von den Klägerinnen noch von sonstigen Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits oder der beim erkennenden Senat anhängigen Parallelverfahren in Kenntnis der Beurteilungen von AkdÄ und IQWiG behauptet worden. Es ist auch ansonsten nicht ersichtlich.

84

hh) Auch die gebildete Vergleichsgröße und die festgesetzte Festbetragshöhe beschwerten die Klägerinnen nicht. Es gilt hierfür dasselbe wie im vorangegangenen Zeitraum (vgl dazu II. 3. a).

85

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3 und § 162 Abs 3 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 4 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung eines Festbetrages für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin.

2

Der im Jahre 1954 geborene Kläger ist freiwillig bei einer Ersatzkasse versichert. Er leidet an erhöhten Blutfettwerten (Hyperlipoproteinämie) und beginnender geringer Arteriosklerose in den Halsschlagadern. Hinweise für eine koronare Herzerkrankung bestehen nicht. Seine vertragsärztlich verordnete Therapie zielt mittels Statinen erfolgreich auf die Absenkung seines LDL-Cholesterin-Werts (an Lipoprotein geringer Dichte gebundenes Cholesterin, das im Blutkreislauf zur Leber transportiert wird) im Serum auf weniger als 70 mg/dl. Statine dienen insbesondere dazu, als zu hoch angesehene Spiegel von LDL-Cholesterin im Menschen zu senken. Hierzu vermindern sie die körpereigene Erzeugung dieses Stoffes, indem sie die Wirkung des Schlüsselenzyms für die Cholesterinproduktion in Körperzellen (ß-Hydroxy-ß-Methylglutaryl-Coenzym A-Reduktase ) hemmen. Die Zellen reagieren auf den hierdurch hervorgerufenen Cholesterinmangel, indem sie vermehrt Rezeptoren bilden, die das LDL aus dem Blut aufnehmen. Zur Gruppe der Statine gehören ua Atorvastatin und Simvastatin. Der Kläger erhält seit 2003 vertragsärztliche Verordnungen über in Deutschland zugelassene Fertigarzneimittel mit Statinen, und zwar zunächst Sortis 20 mg/d mit dem Wirkstoff Atorvastatin, ab 2005 das Kombipräparat Inegy 10/20 mit den Wirkstoffen Ezetimib und Simvastatin, das der Kläger - ärztlich attestiert - bestens verträgt, und am 23.11.2009 Atorvastatin 40 mg N3 "aut idem". Der Wirkstoff Atorvastatin wird synthetisch hergestellt und genießt bis 2011 Patentschutz. Sortis wurde am 17.12.1996 mit den Wirkstärken 10, 20, 40 mg, später auch mit der Wirkstärke 80 mg arzneimittelrechtlich zugelassen. Seine Zulassung erstreckt sich nach der Fachinformation ua auf das Anwendungsgebiet der primären und kombinierten Hypercholesterinämie. Für diese Anwendungsgebiete sind auch die übrigen Arzneimittel zugelassen, die als Wirkstoffe die Statine Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin und Simvastatin enthalten. Der Beigeladene zu 1. fasste auf der Grundlage einer Anhörung und einer gutachterlichen Stellungnahme Arzneimittel mit Statinen als Wirkstoff in der Festbetragsgruppe "HMG-CoA-Reduktasehemmer" in der Anlage 2 der Arzneimittel-Richtlinien zusammen (Wirkstoffe und Vergleichsgrößen Atorvastatin: 16,7; Fluvastatin: 42,2; Lovastatin: 23,2; Pravastatin: 21,3 sowie Simvastatin: 20,7; Beschluss vom 20.7.2004, BAnz Nr 182 vom 25.9.2004, S 21086). Die Beigeladenen zu 2. bis 7. setzten mit Wirkung vom 1.1.2005 einen Festbetrag von 62,55 Euro für die Wirkstoffgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer fest (Standardpackung 100, Wirkstärkenvergleichsgröße 0,97; Beschluss vom 29.10.2004, BAnz Nr 210 vom 5.11.2004, S 22602). Die Wirkstoffe Fluvastatin, Lovastatin und Simvastatin waren bei Beschlussfassung zu diesem Festbetrag erhältlich. Der Apothekenabgabepreis von Sortis liegt seit Inkrafttreten der Festbetragsfestsetzungen deutlich über dem Festbetrag.

3

Das SG hat die hiergegen mit der Begründung erhobene Klage, der Kläger müsse nun selbst neben der Zuzahlung zu Unrecht noch 57,08 Euro je "N3-Packung" für die Versorgung mit Sortis tragen, abgewiesen (Urteil vom 22.1.2008). Während des Klage- und Berufungsverfahrens haben die Beigeladenen zu 2. bis 7. beschlossen, den Festbetrag für die Wirkstoffgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer abzusenken, und zwar mit Wirkung vom 1.4.2006 auf 59,42 Euro (Standardpackung 100, Wirkstärkenvergleichsgröße 0,97; Beschluss vom 10.2.2006, BAnz Nr 48 vom 9.3.2006, S 1524, 1534) und mit Wirkung vom 1.7.2006 auf 36,61 Euro (Standardpackung 100, Wirkstärkenvergleichsgröße 0,97; Beschluss vom 11.5.2006, BAnz Nr 105 vom 7.6.2006, S 4218, 4219). Der Beigeladene zu 1. hat die Vergleichsgrößen in der Festbetragsgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer aktualisiert (Atorvastatin: 25,9; Fluvastatin: 58,2; Lovastatin: 25,2; Pravastatin: 25,3; Simvastatin: 26,9; Beschluss vom 13.3.2008, BAnz Nr 52 vom 4.4.2008, S 1224). Die Beigeladenen zu 2. bis 7. haben daraufhin den Festbetrag für die Wirkstoffgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer mit Wirkung vom 1.6.2008 wie folgt angepasst: Festbetrag 13,48 Euro (Standardpackung zu 100 Stück, Wirkstärkenvergleichsgröße 0,4; Beschluss vom 7.4.2008, BAnz Nr 57 vom 15.4.2008, S 1345, 1346). Der Kläger hat erklärt, nur noch gegen den Beschluss vom 7.4.2008 vorzugehen. Das LSG hat die Klage abgewiesen: Gemessen an § 35 SGB V in der seit 1.5.2006 geltenden Fassung verletzten die Beschlüsse zur Gruppenbildung der Statine und zur Aktualisierung der Vergleichsgrößen keine Rechte des Klägers. Die festgesetzte Höhe der Festbeträge sei rechtmäßig (Urteil vom 24.2.2010).

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 35 Abs 1 SGB V, § 35 Abs 5 Satz 1 und 2 SGB V sowie von Verfahrensrecht. Sowohl die Bildung der Festbetragsgruppe der Statine unter Einbeziehung des Wirkstoffs Atorvastatin als auch die Vergleichsgrößen in der Festbetragsgruppe sowie die Festbetragshöhe seien rechtswidrig. Das LSG habe gegen §§ 103 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG verstoßen, da es entgegen seiner Aufklärungspflicht abgelehnt habe, antragsgemäß Prof. Dr. W. zu hören und Beweis durch Sachverständige zu erheben.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2010 und des Sozialgerichts Berlin vom 22. Januar 2008 aufzuheben und ab 1. Juni 2008 die Festbetragsfestsetzungen vom 29. Oktober 2004, 10. Februar 2006, 11. Mai 2006 und 7. April 2008 insoweit abzuändern, als darin ein Festbetrag für den Wirkstoff Atorvastatin festgesetzt wird.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

8

Der Beigeladene zu 1. beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er schließt sich dem Vorbringen des Beklagten an.

10

Die Beigeladenen zu 2. und 3. schließen sich dem Vorbringen des Beklagten an.

11

Die Beigeladenen zu 4. bis 7. haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

12

Der Beklagte hat den Festbetrag der Festbetragsgruppe der Statine mit Wirkung vom 1.9.2010 erneut angepasst (Beschluss vom 29.6.2010, BAnz Nr 99 vom 7.7.2010, S 2338, 2339).

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die bei ihm anhängig gewordene Klage abgewiesen, weil der Kläger teilweise mangels Klagebefugnis (dazu 1.) und zum Teil in der Sache (dazu 2.) keinen Anspruch auf Aufhebung der angegriffenen Festbetragsfestsetzungen hat.

14

1. Die Revision ist zum Teil bereits deshalb unbegründet, weil dem Kläger die Klagebefugnis als eine auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtende Sachurteilsvoraussetzung für die Anfechtung der Festsetzung vom 1.6.2008 bis 22.11.2009 fehlt.

15

a) Die auf die Aufhebung der Festbetragsfestsetzung gerichtete Klage ist eine ohne Vorverfahren zulässige Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGG iVm § 35 Abs 7 Satz 3 SGB V). Festbetragsfestsetzungen sind grundsätzlich Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung (§ 31 Satz 2 SGB X; vgl BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2; BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 8). Sie richten sich nach der Gesetzeskonzeption an Versicherte und Vertragsärzte (zur Anfechtbarkeit durch Arzneimittelhersteller vgl Senat Urteile vom selben Tage - B 1 KR 7/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen und B 1 KR 13/10 R): Versicherte erhalten die krankheitsbedingt notwendigen Arzneimittel (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V)aus dem GKV-Leistungskatalog aufgrund vertragsärztlicher Verordnung (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 3 RdNr 14 mwN). Ist für ein Arzneimittel ein Festbetrag festgesetzt, trägt die Krankenkasse grundsätzlich die Kosten bis zur Höhe dieses Betrags (§ 31 Abs 2 Satz 1 bis 5 SGB V idF durch Art 1 Nr 1 Buchst a Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung vom 26.4.2006, BGBl I 984). Für andere Arznei- oder Verbandmittel trägt die Krankenkasse dagegen regelmäßig die vollen Kosten abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung (§ 31 Abs 2 Satz 1 Halbs 2 SGB V). Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten mit dem Festbetrag (§ 12 Abs 2 SGB V). Die behandelnden Ärzte müssen ihr Therapieverhalten an der Verpflichtung zur wirtschaftlichen Verordnung ausrichten und auf die sich aus der Verordnung ergebende Pflicht zur Übernahme der Mehrkosten hinweisen, wenn sie ein Arzneimittel verordnen, dessen Preis den Festbetrag überschreitet (§ 73 Abs 5 Satz 3 SGB V).

16

b) Zulässiger Streitgegenstand der Klage ist der Anspruch auf Aufhebung der Festbetragsfestsetzungen vom 29.10.2004, 10.2.2006, 11.5.2006 und 7.4.2008 für die Zeit ab 1.6.2008, obwohl der Kläger beim LSG erklärt hat, nur noch gegen den Beschluss vom 7.4.2008 vorzugehen und das Berufungsverfahren im Übrigen für erledigt anzusehen. Diese Erklärung ist als teilweise Klagerücknahme (vgl Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 125 RdNr 10 mwN; zur klägerischen Erledigungserklärung Hauck, SGb 2004, 407) und Beschränkung des Begehrens auf die Aufhebung der Festbetragsfestsetzungen ab 1.6.2008 auszulegen. Dieser Ausgangszeitpunkt beruht darauf, dass die Festsetzung vom 7.4.2008 mit Wirkung vom 1.6.2008 erfolgt ist.

17

Die teilweise Rücknahme seiner Klage bezogen auf die zeitlich vor dem 1.6.2008 liegenden Zeiträume konnte der Kläger wirksam erklären, weil es sich um jeweils abtrennbare, tatsächlich und rechtlich selbstständige Teile des Gesamtstreitstoffs handelt. Denn die Allgemeinverfügungen in Form der Festbetragsfestsetzungen vom 29.10.2004, 10.2.2006 und 11.5.2006 sind in zeitlicher Hinsicht teilbare Verwaltungsakte. Das SGG gibt selbst nicht vor, wann und unter welchen Voraussetzungen die Regelungen eines Verwaltungsaktes teilbar und damit der teilweisen Bestandskraft zugänglich sind. Vielmehr knüpft es an die nach materiell-rechtlichen Vorschriften zu beurteilende Teilbarkeit an (vgl § 54 Abs 1 Satz 1 iVm § 131 Abs 1 Satz 1 SGG und BSGE 59, 137, 143 = SozR 2200 § 368a Nr 13 S 43; BVerwG Beschluss vom 2.1.1997 - 8 B 240/96; BVerwG Beschluss vom 30.7.2010 - 8 B 125/09; BFH Beschluss vom 24.3.2009 - III B 120/07; Hauck in: Zeihe, SGG, Stand 1.11.2010, § 131 Anm 3 mwN). Insbesondere aus § 35 Abs 5 Satz 3 SGB V folgt, dass die einzelne Festbetragsfestsetzung als Dauerverwaltungsakt in zeitliche Abschnitte teilbar ist.

18

Die Einbeziehung der vor 2008 erlassenen Festbetragsfestsetzungen ab 1.6.2008 ist auch interessengerecht. Bei einer alleinigen Aufhebung der Festbetragsfestsetzung des Jahres 2008 würden die zuvor geltenden Festbetragsregelungen - zunächst des Jahres 2006, nach Aufhebung sodann des Jahres 2004, die seinerzeit nicht befristet waren, jeweils wieder in Kraft treten (vgl entsprechend BSGE 87, 95, 98 f = SozR 3-2500 § 35 Nr 1 S 4 f). Im Zweifel ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren des Klägers auszugehen (vgl etwa BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 6 mwN; BVerfGE 107, 395, 401 ff = SozR 4-1100 Art 103 Nr 1 RdNr 5 ff; BVerfGE 110, 77, 85; BVerfG SozR 4-2500 § 87 Nr 6 RdNr 10). Hinzu kommt, dass ungeachtet des Zeitpunktes, von dem an der Kläger klagebefugt war (vgl unten II 1. d), die Festbetragsfestsetzungen in das Klage- und Berufungsverfahren nach § 96 Abs 1, § 153 Abs 1 SGG zulässig einbezogen waren. Die neuere ersetzte jeweils mit Wirkung für die Zukunft die vorangegangene Allgemeinverfügung (vgl zur wirksamen Einbeziehung eines Verwaltungsaktes im Berufungsverfahren trotz unzulässiger Klage BSGE 4, 24, 26; BSGE 18, 84, 85; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 96 RdNr 2 und RdNr 7). Es findet sich bis zur Verfügung vom 7.4.2008 eine ununterbrochene Kette wirksamer Einbeziehungen nach § 96 Abs 1, § 153 Abs 1 SGG.

19

Nicht in das Verfahren einbezogen ist die während des laufenden Revisionsverfahrens ergangene Festbetragsfestsetzung vom 29.6.2010 für die Gruppe der Statine (Beschluss vom 29.6.2010 mit Wirkung vom 1.9.2010, BAnz Nr 99 vom 7.7.2010, S 2338, 2339). Sie gilt nach Maßgabe des sinngemäß auszulegenden § 171 Abs 2 SGG als beim erstinstanzlich hierfür gemäß § 29 Abs 4 Nr 3 SGG zuständigen LSG angefochten.

20

c) Der Kläger hat seine Klage im Berufungsverfahren zulässig gegen den Beklagten umgestellt, um nach Änderung der Zuständigkeit für Festbetragsfestsetzungen in § 35 Abs 3 Satz 1 SGB V iVm § 217f Abs 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl l 378) dem mit dieser Funktionsnachfolge verbundenen gesetzlichen Beteiligtenwechsel von den Beigeladenen zu 2. bis 7. zum Beklagten Rechnung zu tragen (vgl hierzu BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 13; BSGE 102, 248 = SozR 4-5050 § 15 Nr 6).

21

d) Die Anfechtungsklage des Klägers ist erst mit der vertragsärztlichen Verordnung vom 23.11.2009 zulässig geworden. Für den Anfechtungszeitraum vom 1.6.2008 bis 22.11.2009 fehlt es dem Kläger an der erforderlichen Klagebefugnis. Eine Klage, mit der die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsaktes begehrt wird, ist regelmäßig nur zulässig, wenn der Kläger behaupten kann, durch den angefochtenen, von ihm als rechtswidrig angesehenen Verwaltungsakt beschwert zu sein (vgl § 54 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 Satz 1 SGG; BSGE 98, 129 = SozR 4-2400 § 35a Nr 1, RdNr 12). Daran mangelt es Versicherten als Adressaten einer Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel, bei denen der Eintritt eines einschlägigen Leistungsfalles gänzlich ungewiss ist. Die völlig unabsehbare Tatsache, dass ihm in Zukunft evtl bei entsprechender Erkrankung ein Fertigarzneimittel verordnet werden könnte, dessen Kosten über dem festgesetzten Festbetrag für das Arzneimittel liegen, stellt noch keine hinreichende Betroffenheit eines Versicherten dar, sondern eine bloße ganz ferne Möglichkeit, eines Tages betroffen zu sein. So verhielt es sich beim Kläger bis zum Ablauf des 22.11.2009. Klagebefugt sind dagegen Versicherte, die ein zum Festbetrag nicht erhältliches Fertigarzneimittel vertragsärztlich verordnet bekommen haben. Sie haben aufgrund dessen gegen ihre Krankenkasse einen Sachleistungsanspruch auf das verordnete Arzneimittel (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V) und können geltend machen, dieser Anspruch werde durch die Festbetragsfestsetzung rechtswidrig beschränkt (vgl auch BVerfGE 106, 275, 304 f = SozR 3-2500 § 35 Nr 2, S 22).

22

e) Der erkennende Senat weicht mit seiner Rechtsprechung, die die Rechtmäßigkeitskontrolle der Festbetragsfestsetzung auf das zuvor beschriebene Verfahren beschränkt, nicht von der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG in einer Weise ab, die es erfordert, den Großen Senat anzurufen, denn die Arzneimittelversorgung sieht insoweit von der Hilfsmittelversorgung abweichende Regelungen vor.

23

aa) Der 3. BSG-Senat eröffnet Versicherten bei Streit über eine konkrete Hilfsmittelversorgung die Möglichkeit, im Rahmen einer Klage auf Naturalleistung oder sachleistungsersetzende Kostenerstattung gegen die Krankenkasse auch Festbetragsfestsetzungen nicht nur auf ihre Wirksamkeit (§ 39 Abs 1 bis 3 SGB X),sondern - unabhängig von ihrer Bestandskraft - umfassend inzidenter auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen (vgl BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 30 f - Hörgeräteversorgung). Die Festbetragsfestsetzung hat bei Hilfsmitteln indes partiell eine andere Funktion als bei Arzneimitteln: Versicherte sind berechtigt, Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, zu wählen, haben dann aber die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 Satz 5 SGB V).

24

bb) In der - auch durch die arzneimittelrechtliche Zulassung beeinflussten - Arzneimittelversorgung gilt dies nicht, vielmehr kann dort ein solcher Anspruch Versicherter erst durch die Festbetragsfestsetzung im Zusammenspiel mit der vertragsärztlichen Verordnung begründet und zugleich begrenzt werden: Arzneimittel, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen oder unwirtschaftlich sind, weil sie gegenüber gleich geeigneten, ausreichenden und erforderlichen Mitteln teurer sind, sind aus dem Leistungskatalog der GKV grundsätzlich ausgeschlossen (vgl zur Regelungskonzeption für Arzneimittel BSGE 95, 132 RdNr 17 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 24 mwN). Infolgedessen müssen betroffene Versicherte unmittelbar die Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel selbst gerichtlich überprüfen lassen, wenn sie hiermit nicht einverstanden sind. Der Gesetzgeber hat ihnen dafür das Verfahren der Anfechtungsklage ohne Vorverfahren zur Verfügung gestellt (vgl oben, unter II 1. a). Ein auf eine konkrete Leistung eines Arzneimittels gerichtetes Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gegen die Krankenkasse ist für Versicherte weder zulässig noch erforderlich, um die Rechtmäßigkeit einer Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel zu überprüfen. In solchen Streitigkeiten über die konkrete Gewährung eines Arzneimittels kann inzidenter lediglich noch eine Überprüfung der Wirksamkeit der Festbetragsfestsetzung geboten sein (§ 39 Abs 1 bis 3 SGB X),nicht aber ihrer Rechtmäßigkeit.

25

cc) Die umschriebene gestufte gesetzliche Rechtsschutzkonzeption für Versicherte bei der Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel sichert effizienten Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG), ohne ihn zu verkürzen. Die nicht nichtige Allgemeinverfügung der Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel entfaltet zwar mit ihrer Bekanntmachung (§ 35 Abs 7 Satz 1 SGB V; § 37 Abs 3 SGB X)gegenüber allen Versicherten Rechtswirksamkeit (vgl § 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Sind Versicherte indes zunächst nicht klagebefugt, sondern erst später durch den Erhalt einer vertragsärztlichen Verordnung, verbleibt ihnen die Möglichkeit eines Antrags auf Überprüfung der Festbetragsfestsetzung nach § 44 SGB X.

26

Die daraus folgende, für Ansprüche Versicherter auf Arzneimittelversorgung gesetzlich vorgegebene Zweiteilung der Rechtsschutzverfahren betrifft klar abgrenzbare unterschiedliche Streitgegenstände und Beteiligte. Die nur sacheinheitlich (§ 35 Abs 7 Satz 4 SGB V), wenn auch für unterschiedliche Geltungszeiträume teilbar anfechtbare Festbetragsfestsetzung gilt jeweils für eine Gruppe von Arzneimitteln (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB V) und setzt hierfür die Geldbeträge fest, mit denen einerseits eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet, andererseits aber ein Preiswettbewerb unter den Herstellern ermöglicht werden soll (§ 35 Abs 5 Satz 1 und 2 SGB V). Die gesetzlich vorgegebenen Kriterien der Festbetragsfestsetzung sind nicht an den individuellen Verhältnissen des einzelnen Patienten ausgerichtet, sondern orientieren sich generell an den Versicherten. So sind bei der Gruppenbildung unterschiedliche Bioverfügbarkeiten wirkstoffgleicher Arzneimittel zu berücksichtigen, sofern sie für die Therapie bedeutsam sind (§ 35 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 SGB V). Die nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und 3 SGB V gebildeten Gruppen müssen gewährleisten, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen(§ 35 Abs 1 Satz 3 SGB V). Für die Frage, ob ein Wirkstoff gegenüber den anderen Wirkstoffen einer Festbetragsgruppe eine therapeutische Verbesserung bedeutet mit der Folge, dass er in eine Festbetragsgruppe nicht einbezogen werden kann, ist maßgeblich, ob der Wirkstoff "regelmäßig oder auch für relevante Patientengruppen" vorzuziehen ist (§ 35 Abs 1b SGB V). Die Festbeträge sind so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten (§ 35 Abs 5 Satz 1 SGB V). Soweit wie möglich ist eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl sicherzustellen (§ 35 Abs 5 Satz 2 Halbs 2 SGB V). Der generell an den Versicherten ausgerichtete Prüfmaßstab korrespondiert mit dem generell auf die Wirkungen für Patienten abstellenden, auch für die GKV bedeutsamen Maßstab des Arzneimittelzulassungsrechts (vgl näher zur erforderlichen Qualität der Studien zB BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 RdNr 13 ff mwN).

27

Entsprechend dem erlassenen Verfügungssatz kann ein als Versicherter betroffener Kläger gegen eine Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel auf tatsächlicher Ebene rechtsrelevant nur geltend machen, die generellen Kriterien der Festbetragsfestsetzung seien missachtet. Zieht ein Versicherter dagegen nicht in Zweifel, dass der Festbetrag "im Allgemeinen" eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet (§ 35 Abs 5 Satz 1 SGB V), beruft er sich jedoch für sich selbst auf einen atypischen Einzelfall, in welchem er trotz genereller Achtung der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben für Festbeträge keine hinreichende Arzneimittelversorgung zum Festbetrag erhält, kann er - gerichtlich überprüfbar - Vollversorgung individuell und systemgerecht gegenüber seiner Krankenkasse einfordern, sei es als Sachleistung für die Zukunft oder als sachleistungsersetzende Kostenerstattung (§ 13 Abs 3 Satz 1 SGB V). Soweit im vorliegenden Rechtsstreit der Kläger etwa im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, er halte die bei ihm zur Cholesterinsenkung durchgeführte Therapie mit Inegy für bedenklich, weil er sich hierdurch der möglichen Nebenwirkungen gleich zweier Wirkstoffe ausgesetzt sehe, ist ein solches rein individualbezogenes Vorbringen im Anfechtungsstreit gegen die Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel aus der Gruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer unerheblich.

28

Die Zweiteilung des Rechtsschutzes entspricht den Rechten und Pflichten der Beteiligten. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) und - heute - der Spitzenverband Bund der Krankenkassen sind im Rahmen des gestuften Verfahrens der Festbetragsbildung allein für die Festsetzung von Festbeträgen anhand der aufgezeigten Kriterien zuständig, die einen generellen Personenkreis betreffen. Abweichende, aus der Individualsituation des Versicherten erwachsende Ausnahmen, wie sie der erkennende Senat rechtsähnlich etwa im Bereich des arzneimittelrechtlichen Zulassungserfordernisses für Einzelimporte nach § 73 Abs 3 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln - Arzneimittelgesetz (AMG) anerkannt hat(vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 14 ff - Tomudex; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 28 mwN - Ilomedin),hat der Versicherte gegenüber seiner Krankenkasse geltend zu machen.

29

2. Im Übrigen bleibt die Revision ohne Erfolg, auch soweit die Anfechtungsklage zulässig ist, weil der Kläger in der Sache keinen Anspruch auf die begehrte Aufhebung der Festbetragsfestsetzung für die Zeit ab dem 23.11.2009 hat. Der Senat sieht von Feststellungen zu der Frage ab, inwieweit die ärztliche Verordnung vom 23.11.2009 ungültig geworden ist, weil sie ungenutzt geblieben ist, sowie ob und in welchem Umfang der Kläger Anschlussverordnungen erhalten hat. Sollte es an Folgeverordnungen fehlen, wäre die Revision ab dem 23.2.2010 schon - entsprechend dem unter 1. Ausgeführten - mangels Klagebefugnis unbegründet, andernfalls wegen der Rechtmäßigkeit der Festsetzung.

30

Anhand des dargelegten Maßstabs der Überprüfung (vgl oben II 1. e) kann der Kläger nicht beanspruchen, dass der Beschluss über die Festbetragsfestsetzung vom 7.4.2008 aufgehoben wird, weil er rechtmäßig ist. Nach der anzuwendenden gesetzlichen Regelung (dazu a) handelte der hierzu berufene Beigeladene zu 1. formell rechtmäßig (dazu b). Er bildete die Festbetragsgruppe (dazu c, d) und die Vergleichsgrößen (dazu e) materiell rechtmäßig. Die Beigeladenen zu 2. bis 7. setzten die Festbeträge rechtmäßig fest (dazu f). Die früheren Festbetragsfestsetzungen vom 11.5.2006, 10.2.2006 und 29.10.2004 sind nicht zu überprüfen.

31

a) Zu messen ist die Rechtmäßigkeit des Beschlusses vom 7.4.2008 an der Festbetragsregelung des § 35 SGB V(idF durch Art 1 Nr 2 AVWG vom 26.4.2006, BGBl I 984; Abs 3 geändert mit Wirkung vom 1.7.2008 durch Art 1 Nr 18 GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378 sowie Abs 5 Satz 7 geändert mit Wirkung vom 1.1.2009 durch Art 1 Nr 1c Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der GKV vom 15.12.2008, BGBl I 2426). Diese Norm gibt für die Festsetzung von Festbeträgen ein zweistufiges Verfahren vor: Zunächst bestimmt der Beigeladene zu 1. in den Arzneimittel-Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden können und welche Vergleichsgrößen dabei zugrunde zu legen sind(§ 35 Abs 1 und 2 SGB V). Auf der Grundlage dieses Beschlusses erfolgt sodann die Festsetzung der jeweiligen Festbeträge im Wege einer Allgemeinverfügung (vgl § 35 Abs 3 bis 6 und Abs 7 Satz 1 SGB V). Die Entscheidung des Beigeladenen zu 1. ist nicht isoliert anfechtbar (§ 35 Abs 7 Satz 4 SGB V),ihre Überprüfung daher Bestandteil der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der auf ihrer Grundlage ergangenen Allgemeinverfügung (BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 11, unter Hinweis auf BT-Drucks 11/3480 S 54).

32

b) Der hierzu berufene Beigeladene zu 1. hat die Festbetragsgruppe (§ 35 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB V) und die Vergleichsgrößen (§ 35 Abs 1 Satz 5 SGB V) als Grundlage der Festbetragsfestsetzung formell rechtsfehlerfrei bestimmt. Er hat zunächst erstmals eine Festbetragsgruppe der Statine bestehend aus Atorvastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Simvastatin gebildet und Vergleichsgrößen festgesetzt (Beschluss vom 20.7.2004), später lediglich die Vergleichsgrößen neu ermittelt (Beschluss vom 13.3.2008) und sodann die Gruppe um Rosuvastatin erweitert (Beschluss vom 15.10.2009, BAnz Nr 184 vom 4.12.2009, S 4112). Der Beigeladene zu 1. hat all dies in Arzneimittel-Richtlinien geregelt (§ 35 Abs 1 Satz 1 und 5 SGB V idF des AVWG; § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000). Die Richtlinien sind in der Rechtsprechung des BSG seit Langem als untergesetzliche Rechtsnormen anerkannt (stRspr; vgl nur BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 26). Ihre Bindungswirkung gegenüber allen Systembeteiligten steht außer Frage (vgl § 91 Abs 9 SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes - GMG - vom 14.11.2003, BGBl I 2190; § 91 Abs 6 SGB V idF des GKV-WSG; BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 33; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 22; vgl auch BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 57 ff).

33

Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 mwN - LITT; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18 mwN). Kritischen Stimmen ist in jüngerer Zeit Literatur entgegengetreten (vgl Neumann, NZS 2010, 593; Hauck NZS 2010, 600 mwN). Für die Bildung von Festbetragsgruppen gilt die Bejahung der Verfassungsmäßigkeit im Besonderen, weil der Gesetzgeber einen konkreten Katalog von gesetzlichen Voraussetzungen formuliert, bei deren Vorliegen er den Beigeladenen zu 1. im Bereich der Arzneimittelversorgung mit der Gruppenbildung betraut (vgl Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 30). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2002 (BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2)zwar ausdrücklich nur das System der Festsetzung von Festbeträgen (§§ 35 ff SGB V) im Ganzen als verfassungskonform bewertet, folgerichtig die Verfassungsmäßigkeit der Kompetenzen des Beigeladenen zu 1. damit aber unausgesprochen vorausgesetzt (vgl auch BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 61 - Therapiehinweise).

34

Die im Interesse der verfassungsrechtlichen Anforderungen der Betroffenenpartizipation umfassend durch Gesetz und - inzwischen - Verfahrensordnung des Beigeladenen zu 1. ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte wurden gewahrt. Sie stellen sicher, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu Hauck, NZS 2010, 600, 604).

35

Auf die vom Kläger unter Beweis gestellte Behauptung, dass der Beigeladene zu 1. anlässlich der Gruppenbildung für Statine im Jahre 2004 Prof. Dr. W. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt hat, kommt es demgegenüber nicht an. Auswahl und Entpflichtung von Sachverständigen liegen im Ermessen des Beigeladenen zu 1. (vgl auch Kraftberger/Adelt in: Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 38; Hess in: Kasseler Komm, Stand 1.10.2010, § 35 SGB V RdNr 19). Seine Entscheidung war ohne Zweifel sachgerecht, eine auf Neutralität angelegte Institution wie die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) mit einem Gutachten zu betrauen und einem Einzelsachverständigen vorzuziehen. Die AkdÄ hat als wissenschaftlicher Fachausschuss der Bundesärztekammer ua die Aufgabe, entsprechend den Regelungen in den ärztlichen Berufsordnungen - wie in § 62 AMG vorausgesetzt - unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die ihr aus der deutschen Ärzteschaft mitgeteilt werden müssen, zu erfassen, zu dokumentieren und zu bewerten. Der Gesetzgeber bindet vor diesem Hintergrund die AkdÄ inzwischen selbst in Verfahren des GBA zur Anforderung ergänzender versorgungsrelevanter Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit von Arzneimitteln ein (vgl § 92 Abs 2a Satz 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst c Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG - vom 22.12.2010, BGBl I 2262, mit Wirkung vom 1.1.2011).

36

c) Die gebildete Gruppeneinteilung entspricht nach der gebotenen gerichtlichen Prüfung (dazu aa) materiellem Recht. Der Beigeladene zu 1. hat mit seinem Beschluss vom 20.7.2004 ausgehend von rechtmäßigen Kriterien (dazu bb) - hier: dem Inhalt der Arzneimittelzulassungen (dazu cc) - in der Gruppe "HMG-CoA-Reduktasehemmer" Arzneimittel mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen, zusammengefasst (dazu dd), ohne unterschiedliche Bioverfügbarkeiten der Arzneimittel berücksichtigen zu müssen (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB V; dazu ee). Die gebildete Gruppe gewährleistet, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 1 SGB V; dazu ff). Der Einbeziehung von Sortis steht nicht die Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen entgegen, deren Wirkungsweise neuartig ist oder die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V; dazu d).

37

aa) Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Richtlinien des Beigeladenen zu 1. sind gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 - LITT; Schlegel, MedR 2008, 30, 32; Hauck NZS 2010, 600, 611 f). § 35 SGB V gibt dem Beigeladenen zu 1. ein engmaschiges, rechtlich voll überprüfbares Programm vor: Die Verwendung ihrer Art nach rechtmäßiger Prüfkriterien, die Ermittlung des Inhalts der Arzneimittelzulassungen, die Qualifizierung von Arzneimitteln als solche mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen, die Gewährleistung sowohl fehlender Einschränkungen von Therapiemöglichkeiten als auch der Verfügbarkeit medizinisch notwendiger Verordnungsalternativen sowie die zutreffende rechtliche Erfassung der Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen ist vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem Beigeladenen zu 1. bei der Umsetzung dieser Regelungselemente des § 35 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom Beigeladenen zu 1. zu berücksichtigenden Studienlage.

38

Anders liegt es dagegen bei der Entscheidung über Zeitpunkt, Zuschnitt und Auswahl der Gruppe sowie bei der Bewertung des zutreffend ermittelten Standes der Studienlage im Hinblick auf ihre Eignung, für die Gruppenbildung relevante Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse zu erlassen. Hier entscheidet der Beigeladene zu 1. als Normgeber. Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom Beigeladenen zu 1. getroffenen Wertungen setzen (vgl ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 67 - Therapiehinweise). Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen.

39

bb) Grundlage und Ausgangspunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Festbetragsgruppenbildung ist grundsätzlich der Inhalt der arzneimittelrechtlichen Zulassung nach dem AMG. Der Inhalt ergibt sich zusammengefasst insbesondere aus der Fachinformation gemäß § 11a AMG. Eine Berücksichtigung darüber hinausgehender Unterlagen ist für die Prüfung des Vorliegens vergleichbarer Wirkstoffe nach Maßgabe des § 35 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 und Satz 3 Halbs 1 SGB V grundsätzlich nicht vorgesehen. Hiervon abweichend ist dagegen nicht allein die arzneimittelrechtliche Zulassung, sondern eine neuere Studienlage maßgeblich, wenn eine solche für die Gruppenbildung bedeutsame Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse durch den GBA rechtfertigt, weil sie Indikationsbereiche eines Arzneimittels oder von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen als unwirtschaftlich erscheinen lässt und nicht lediglich insgesamt das Therapiegebiet der Gesamtgruppe einschränkt. Dies folgt aus Regelungssystem (dazu <1.>), Normsystematik und Wortlaut (dazu <2.>), Entstehungsgeschichte (dazu <3.>) sowie Sinn und Zweck des § 35 SGB V(dazu <4.>).

40

(1.) § 35 SGB V knüpft an das allgemeine Regelungssystem der Arzneimittelversorgung in der GKV an und ändert es nur in spezifischen, genau umrissenen Teilbereichen. Nach diesem System ist Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf ein zur Krankenbehandlung notwendiges Arzneimittel in der Regel seine Anwendung im Rahmen der durch die arzneimittelrechtliche Zulassung vorgegebenen Indikation. Notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der GKV ist ihre Qualität als Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelrechts. Dieses bezweckt, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von Mensch und Tier für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel zu sorgen (§ 1 AMG). Insoweit stellen das SGB V und das AMG auf den selben Zweck ab (stRspr, vgl BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 15 mwN - D-Ribose; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 15 - Lorenzos Öl; vgl auch BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 55 f - Therapiehinweise, und SozR 4-2500 § 106 Nr 21<6. BSG-Senat>). Daher verzichtet das Krankenversicherungsrecht bei der Arzneimittelversorgung weitgehend auf eigene Vorschriften zur Qualitätssicherung. Es knüpft insoweit vielmehr im Ausgangspunkt an das Arzneimittelrecht nach dem AMG an, das für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt und deren Erteilung vom Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Medikaments (vgl § 25 Abs 2 AMG)abhängig macht (vgl BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 29 - Lorenzos Öl; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21). Wurde diese Prüfung erfolgreich durchlaufen und ist für das Arzneimittel die Zulassung einschließlich der darin enthaltenen Ausweisung der Anwendungsgebiete erteilt worden, so ist es in diesem Umfang grundsätzlich auch verordnungsfähig im Sinne des SGB V (vgl BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mit Bezugnahme auf BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7). Eine eigene Sachprüfungsbefugnis der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit kommt hinsichtlich der erteilten arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht in Betracht (BSGE 95, 132 RdNr 15 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 22). Eine erforderliche, aber nicht vorhandene Zulassung schließt grundsätzlich die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels aus. Insoweit ist die arzneimittelrechtliche Zulassung für die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels in der GKV "negativ vorgreiflich" (vgl BSGE 95, 132 RdNr 16 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 23 mwN).

41

Auch soweit Versicherte ausnahmsweise außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung Versorgung mit arzneimittelrechtlich zugelassenen Arzneimitteln nach den Grundsätzen des sogenannten Off-Label-Use beanspruchen können, setzt dies ua eine Studienlage voraus, die eine Zulassung des Arzneimittels nach den Anforderungen des AMG zur betroffenen Indikation rechtfertigen würde. Nach der Rechtsprechung des Senats (BSGE 89, 184, 191 f = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36 - Sandoglobulin; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 31 mwN - Ritalin) kommt die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet nämlich grundsätzlich nur in Betracht, wenn es 1.) um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2.) keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3.) aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, entspricht derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich. Sie ist während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich. Der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht zugrunde liegt und - wie dargelegt - in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht (vgl BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 24 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 34 mwN - Ritalin).

42

Änderungen des Maßstabs der danach an der arzneimittelrechtlichen Zulassung ausgerichteten Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der GKV können sich indes mit Blick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) ergeben. Dies erwächst daraus, dass eine Diskrepanz bestehen kann zwischen der Aussagekraft der für die Zulassung durchgeführten klinischen Studien und den in der Praxis auftretenden Anforderungen an ein Arzneimittel, insbesondere beim Fehlen klinischer Studien zu patientenrelevanten Endpunkten. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt ua den sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) ergebenden Einschränkungen (vgl BSGE 95, 132 RdNr 20 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 27). Das Wirtschaftlichkeitsgebot kann weitergehende Einschränkungen der generellen Verordnungsfähigkeit zugelassener Arzneimittel im Rahmen der GKV fordern, etwa weil eine neuere Studienlage Therapiehinweise rechtfertigt, da Indikationsbereiche eines Arzneimittels oder von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen als unwirtschaftlich erscheinen (vgl zum bisher geltenden Recht zB BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 39 ff - Therapiehinweise). Der Beigeladene zu 1. kann nach heutiger Rechtslage die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist (§ 92 Abs 1 Satz 1 Halbs 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst a AMNOG, vom 22.12.2010, BGBl I 2262, mit Wirkung vom 1.1.2011). Er kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der AkdÄ und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Werden die Studien nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der GBA das Arzneimittel schon allein deshalb von der Verordnungsfähigkeit ausschließen (§ 92 Abs 2a Satz 1 und 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst c AMNOG). Die in besonderen Fällen mögliche Ausrichtung an auf patientenrelevante Endpunkte bezogene Studien wird schließlich auch daran deutlich, dass der GBA neuerdings die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen darf, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 SGB V oder durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrags nach §130b SGB V hergestellt werden kann(s § 92 Abs 2 Satz 11 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst b AMNOG; vgl zum Ganzen Hauck, GesR 2011, 69, 70 ff).

43

(2.) Auch Wortlaut und Normsystematik des § 35 Abs 1 SGB V verdeutlichen, dass grundsätzlich für die Festbetragsgruppen auf die arzneimittelrechtliche Zulassung abzustellen ist. Das Prüfprogramm für die Bildung von Festbetragsgruppen weist breite sachliche Überschneidungen mit dem Arzneimittelrecht auf. So enthält § 35 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB V die grundlegende Aufzählung denkbarer Festbetragsgruppen anhand von Kriterien, die sich entsprechend auch in der arzneimittelrechtlichen Überprüfung der Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels wiederfinden und keinen Hinweis auf Abweichungen vom dargelegten allgemeinen Regelungssystem enthalten. Der Begriff des Wirkstoffs in Nr 1 greift den Wirkstoffbegriff nach § 4 Abs 19 AMG auf, der infolgedessen sinngemäß anwendbar ist(vgl Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 37; zur arzneimittelrechtlichen Anbindung des Begriffs "Bioverfügbarkeit" in diesem Zusammenhang vgl Orlowski in: Orlowski/Wasem/Rau/Zipperer, GKV-Kommentar SGB V, Stand Januar 2011, § 35 RdNr 9 f). Mit Blick darauf ist auch die Eingrenzung auf pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe in Nr 2 folgerichtig in Anlehnung an das AMG vorzunehmen. Denn pharmakologisch-therapeutische Wirkungsweisen eines Wirkstoffs sind Bestandteil der arzneimittelrechtlichen Zulassungsprüfung (§ 25 Abs 2 Nr 1 bis 5a AMG) und dementsprechend Inhalt der Fachinformation (§ 11a AMG).

44

Dagegen hat der Gesetzgeber in § 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V eine Ausnahmeregelung für patentgeschützte Arzneimittel statuiert, für die er einen über die arzneimittelrechtliche Zulassung hinausgehenden Überprüfungsmaßstab angewendet wissen will: Von der Bildung eigentlich zulässiger Festbetragsgruppen sind patentgeschützte Arzneimittel ausgenommen, deren Wirkungsweise neuartig ist oder(zunächst idF vor dem AVWG: "und"; s hierzu näher Urteil des erkennenden Senats vom selben Tage - B 1 KR 7/10 R) die eine therapeutische Verbesserung bedeuten. Diese Regelung bezweckt, den Arzneimittelherstellern Anreize zur Entwicklung von innovativen Arzneimitteln zu bieten (vgl hierzu Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 11/3480, S 53; zur Klarstellung späterer Gesetzesfassungen BT-Drucks 15/1525 S 87; s zur nachträglichen Einfügung der Regelung auch Schulin, Patentschutz und Festbeträge für Arzneimittel, 1993, 92 ff). Nach Auffassung des Gesetzgebers sind echte Innovationen mit therapeutischem Zusatznutzen erwünscht und unterliegen nicht der Festbetragsregelung (Gesetzentwurf eines AVWG der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 16/194 S 7 zu Art 1 Nr 2 Buchst c). Um bloße Scheininnovationen nicht zu begünstigen, erfolgt der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung nicht allein aufgrund der Fachinformationen, sondern auch durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen (§ 35 Abs 1b Satz 4 und 5 SGB V; vgl näher unten, II 2. d).

45

(3.) Auch die Entstehungsgeschichte des § 35 SGB V belegt die Bedeutung der arzneimittelrechtlichen Zulassung als Ausgangspunkt der Gruppenbildung. Die erste Fassung einer Festbetragsregelung nach dem Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I S 2477) sah in Abs 4 die Festsetzung eines Festbetrags für Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen (§ 35 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V) erst drei Jahre nach der ersten Zulassung eines wirkstoffgleichen Arzneimittels vor. Damit stellte die Regelung den Zusammenhang zwischen SGB V und AMG für den Wirkstoffbegriff ausdrücklich her. Dass diese Regelung durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) beseitigt worden ist, beruht auf der Verlängerung des Patentschutzes für Arzneimittel um bis zu fünf Jahre durch die Verordnung des Rates der Europäischen Gemeinschaften über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikates für Arzneimittel (vgl BT-Drucks 12/3608 S 81). Eine Loslösung des Wirkstoffbegriffs im SGB V von demjenigen des AMG war nicht beabsichtigt.

46

(4.) Schließlich entspricht die grundsätzliche Anknüpfung der Festbetragsgruppenbildung an die arzneimittelrechtliche Zulassung dem Regelungszweck des § 35 SGB V. Die Festbetragsregelung des § 35 SGB V zielt - wie dargelegt - unter Ausgestaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots darauf ab, den Bereich zu Lasten der GKV verordnungsfähiger Arzneimittel de iure zu erweitern, die Leistungspflicht der Krankenkassen hierbei auf den einschlägigen festgesetzten Festbetrag zu begrenzen und hierdurch zugleich den Wettbewerb unter den Arzneimittelanbietern zu verstärken und das Interesse der Anbieter zu wecken, Preise unterhalb des Festbetrags festzusetzen. All dies kann nur im Rahmen des allgemeinen Systems der in den GKV-Leistungskatalog einbezogenen Arzneimittel gelingen.

47

cc) Hinsichtlich der Arzneimittelgruppe der Statine ist für den hier betroffenen Zeitraum an die Inhalte der arzneimittelrechtlichen Zulassung anzuknüpfen. Dass für einzelne Statine der Festbetragsgruppe eine Studienlage besteht, die weitergehende Einschränkungen der generellen Verordnungsfähigkeit zugelassener Arzneimittel mit diesem Wirkstoff im Rahmen der GKV rechtfertigt, hat das LSG nicht festgestellt. Der Beigeladene zu 1. hat dies ebenfalls nicht angenommen und deshalb keine der ihm rechtlich für einen solchen Fall eröffneten Maßnahmen ergriffen. Weder er noch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gehen nach eingehender Recherche hiervon aus. Keiner der Beteiligten in den beim erkennenden Senat anhängigen Verfahren behauptet Entsprechendes. Bei einem solchen Sachstand verbleibt es beim durch das Arzneimittelzulassungsrecht vorgegebenen Prüfmaßstab für die Festbetragsgruppenbildung, ohne dass weitere Ermittlungen des erkennenden Senats zu diesen generellen Tatsachen geboten wären.

48

dd) Auf der Grundlage des Inhalts der arzneimittelrechtlichen Zulassung stellen die fünf fraglichen Statine pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe, insbesondere chemisch verwandte Stoffe iS von § 35 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 Nr 2 SGB V dar. Zutreffend ist der Beigeladene zu 1. davon ausgegangen, dass die Überprüfung der pharmakologisch-therapeutischen Vergleichbarkeit zwei verschiedene Aspekte, namentlich einen pharmakologischen wie einen therapeutischen umfasst (vgl Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 38). Für das Verständnis des Begriffs der Vergleichbarkeit ist mit den Vorinstanzen davon auszugehen, dass Vergleichbarkeit nicht Austauschbarkeit oder Identität bedeutet. Anders als nach Nr 1 geht es bei der Gruppenbildung nach Nr 2 vielmehr darum, einen übergreifenden gemeinsamen Bezugspunkt mehrerer Wirkstoffe herzustellen (ebenso Sodan, PharmR 2007, 485, 487). Dementsprechend steht mit der Überprüfung der pharmakologisch-therapeutischen, insbesondere chemischen Vergleichbarkeit eine Beurteilung von Art und Aufbau der einzelnen Wirkstoffe, ihrer Wirkmechanismen und ihrer Anwendungsgebiete an.

49

Der Beigeladene zu 1. hat die dargelegten Vergleichsmaßstäbe entsprechend seinen Ausführungen zu chemischer Zusammensetzung, Wirkprofil und therapeutischem Einsatzgebiet der fünf Statine rechtsfehlerfrei angewendet. Nicht zu beanstanden ist, dass er hierbei als Einstieg die in der Fachinformation enthaltene Anatomisch-Therapeutisch-Chemische (ATC) Klassifikation der WHO nach Maßgabe des § 73 Abs 8 Satz 5 SGB V gewählt hat, wie es inzwischen seiner Verfahrensordnung (VerfO) entspricht(vgl § 16 Abs 2 VerfO). Die ATC-Klassifikation teilt die Wirkstoffe nach dem Organ oder Organsystem, auf das sie einwirken, und nach ihren chemischen, pharmakologischen und therapeutischen Eigenschaften in verschiedene Gruppen ein (abrufbar unter www.dimdi.de) und kann als Orientierungshilfe dienen. Sie geht von einem identischen Code für die Wirkstoffgruppe der fünf Statine Simvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Fluvastatin und Atorvastatin aus.

50

Zu Recht bejaht der Beigeladene zu 1. die chemische Verwandtschaft der betroffenen Wirkstoffe. Er beurteilt sie im Einklang mit dem Wortlaut des § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V maßgeblich vom Endprodukt und nicht von der Herstellungsform her: Die fünf Statine haben nicht nur eine gemeinsame b-, d-Dihydroxy-n-Carbonsäure-Struktur, sondern darüber hinaus auch eine gemeinsame molekulare räumliche Struktur, die erst die spezifische Interaktion Wirkstoff-Enzym ermöglicht.

51

Ebenfalls stellt der Beigeladene zu 1. rechtmäßig für die pharmakologische Vergleichbarkeit maßgeblich auf den Wirkmechanismus der erfassten Arzneimittel ab. Er geht nämlich von einem vergleichbaren Wirkprofil aller HMG-CoA-Reduktase (=CSE)-Hemmer aus, weil durch alle Hemmer der HMG-CoA-Reduktase Vorstufen von Cholesterin verringert synthetisiert werden. Die daraus resultierende Verarmung an interzellulärem Cholesterin führt zu einer Zunahme von LDL-Rezeptoren an der Zelloberfläche, die Aufnahme von LDL-Cholesterin in die Zelle wird hierdurch erhöht.

52

Auch die therapeutische Vergleichbarkeit hat der Beigeladene zu 1. anhand der Anwendungsgebiete der Statine, wie sie sich aus der arzneimittelrechtlichen Zulassung ergeben, frei von Rechtsfehlern beurteilt. Für alle fünf Wirkstoffe bestand im hier maßgeblichen Zeitraum eine Zulassung für das Anwendungsgebiet der Hypercholesterinämie; schon daraus lässt sich die therapeutische Vergleichbarkeit ableiten. Atorvastatin besitzt zudem seit Mai 2006 eine Zulassung auch für das Anwendungsgebiet der Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen; über eine Zulassung für dieses Anwendungsgebiet verfügen auch die Konkurrenzwirkstoffe Fluvastatin, Pravastatin und Simvastatin.

53

ee) Der Beigeladene zu 1. musste keine für die Therapie bedeutsamen unterschiedlichen Bioverfügbarkeiten wirkstoffgleicher Arzneimittel berücksichtigen (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB V). Denn mit den Statinen ist eine Festbetragsgruppe nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V betroffen, der lediglich pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe angehören.

54

ff) Dass alle fünf Statine einschließlich Atorvastatin in eine Festbetragsgruppe einbezogen wurden, schränkt iS von § 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 1 SGB V keine Therapiemöglichkeiten ein und schneidet keine medizinisch notwendigen Verordnungsalternativen ab. Der Wirkstoff Atorvastatin war im hier zu prüfenden Zeitraum für kein Behandlungsgebiet zugelassen, für das nicht wenigstens ein anderes Statin arzneimittelrechtlich zugelassen war. Gleichzeitig erlaubt die arzneimittelrechtliche Zulassung von Atorvastatin keinen Rückschluss darauf, dass ausschließlich mit diesem Wirkstoff besondere Patientenkollektive zu erschließen seien. Ebenso wenig kommt es unter dem Aspekt der Nebenwirkungen zu einer Einengung der Therapiemöglichkeiten. Der Fachinformation für Atorvastatin ist im Vergleich zu denjenigen der anderen vier Statine kein Vorteil im Hinblick auf Art und Häufigkeit der Nebenwirkungen zu entnehmen.

55

d) Der Einbeziehung von Sortis steht nicht die Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen entgegen, deren Wirkungsweise neuartig ist oder die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V). Die Wirkungsweise von dem noch bis 2011 patentgeschützten Wirkstoff Atorvastatin ist im Rechtssinne nicht neuartig. Als neuartig gilt ein Wirkstoff nämlich nur, solange derjenige Wirkstoff, der als erster dieser Gruppe in Verkehr gebracht worden ist, unter Patentschutz steht (§ 35 Abs 1 Satz 4 SGB V). Nach den unangegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG wurde der Wirkstoff Lovastatin als erster der Gruppe der Statine in Verkehr gebracht und war schon vor 2003 patentfrei.

56

Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Beigeladene zu 1. eine therapeutische Verbesserung durch Sortis zu Unrecht verneint hat. Die zunächst 2004 rechtmäßige Gruppenbildung wurde durch das AVWG nicht unwirksam (dazu aa). Der Beigeladene zu 1. hat die Anforderungen an eine therapeutische Verbesserung (dazu bb) und deren Nachweis (dazu cc) gerichtlich voll überprüfbar (dazu dd) gesetzeskonform zugrunde gelegt. Ihm sind bei seiner Bewertung der Studienlage hinsichtlich einer therapeutischen Verbesserung keine Beurteilungsfehler unterlaufen (dazu ee). Die Gruppenbildung ist auch nicht wegen Verletzung der Beobachtungspflicht bezüglich einer therapeutischen Verbesserung rechtswidrig geworden (dazu ff). Es bedarf keiner weiteren gerichtlichen Ermittlungen (dazu gg). Die vom Kläger hierzu erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch (dazu hh).

57

aa) Die Gruppenbildung erfolgte 2004 insgesamt rechtmäßig, ohne dass ihre Wirksamkeit durch das AVWG entfiel. Unerheblich ist, dass der Beigeladene zu 1. zunächst (Beschluss vom 20.7.2004) die Erfüllung beider Voraussetzungen eines Festbetragsausschlusses - Neuartigkeit und Bestehen einer therapeutischen Verbesserung - geprüft und verneint hat, obwohl § 35 SGB V aF(idF durch das GMG) eine Ausnahme von der Gruppenbildung schon bei Nichterfüllung einer der beiden Voraussetzungen ausschloss (vgl dazu näher Urteil des erkennenden Senats vom selben Tage - B 1 KR 7/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Die zusätzliche Prüfung wirkte sich im Ergebnis nicht aus, auch wenn erst aufgrund der Änderung des § 35 SGB V durch das AVWG ab 1.5.2006 die Kriterien der Neuartigkeit und therapeutischen Verbesserung kumulativ zu prüfen sind.

58

Die Gesetzesänderung durch das AVWG ließ die bisher beschlossene Richtlinie nicht unwirksam werden. Die Änderung oder der Wegfall der Ermächtigungsgrundlage einer untergesetzlichen Norm berührt nämlich nicht per se deren Rechtswirksamkeit (vgl entsprechend zu Rechtsverordnungen zB BVerwG Buchholz 451.20 § 139i GewO Nr 1 = GewArch 1997, 245; vgl auch BVerfGE 14, 245, 249; BVerfGE 78, 179, 198). Ab Inkrafttreten des AVWG war die Rechtmäßigkeit des fortwirkenden Beschlusses des Beigeladenen zu 1. indes an der neuen Gesetzesfassung zu messen, da § 35 SGB V idF des AVWG wegen seines unmittelbaren Geltungsanspruchs ohne Übergangsregelung ein solcher Normanwendungsbefehl zu entnehmen ist. Der Gruppenbildungsbeschluss genügt aber auch diesen gesetzlichen Anforderungen (vgl das Folgende).

59

bb) Schon im Jahre 2004 waren für die Anforderungen an eine therapeutische Verbesserung die sachlichen Kriterien zugrunde zu legen, die der Gesetzgeber durch Art 1 Nr 2 Buchst c AVWG ausdrücklich erst 2006 in § 35 Abs 1b SGB V normiert hat. Bereits auf der Grundlage des GMG stand ein solches Vorgehen mit der Gesetzeslage in Einklang. Demgemäß geht die Begründung des Gesetzentwurfs eines AVWG davon aus, dass sich eine Änderung des geltenden Verfahrens für die Bildung von Festbetragsgruppen durch Einführung des § 35 Abs 1b SGB V zum 1.5.2006 nicht ergebe, da der GBA bereits jetzt entsprechend verfahre (vgl BT-Drucks 16/194 S 7). Auch in der Folgezeit hat sich das danach maßgebliche gesetzliche Prüfprogramm für das Bestehen einer therapeutischen Verbesserung nicht geändert.

60

Danach besteht eine therapeutische Verbesserung, wenn ein patentgeschützter Wirkstoff für die betroffenen Patienten einen therapierelevanten höheren Nutzen als andere Arzneimittel dieser Wirkstoffgruppe hat und deshalb als zweckmäßige Therapie regelmäßig oder auch für relevante Patientengruppen oder Indikationsbereiche den anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe vorzuziehen ist (§ 35 Abs 1b Satz 1 SGB V). Der geforderte "höhere Nutzen" entspricht dem "Zusatznutzen" gegenüber anderen Wirkstoffen, wie er vom Gesetzgeber auch in § 35b Abs 1 Satz 3 SGB V(idF durch Art 1 Nr 20 Buchst b GKV-WSG mit Wirkung ab 1.4.2007; vgl ab 1.1.2011 § 35b Abs 1 Satz 3 idF durch Art 1 Nr 6 Buchst b DBuchst bb AMNOG)zur zentralen Vorgabe einer Nutzenbewertung durch das IQWiG gemacht worden ist. Gleiches gilt für den "medizinischen Zusatznutzen" bei dem durch das AMNOG eingeführten Verfahren der frühen Nutzenbewertung (§ 35a Abs 1 Satz 4 SGB V, vgl BT-Drucks 17/2413, S 21).

61

Inhaltlich gibt der Gesetzgeber als Maßstab einer therapeutischen Verbesserung eine Verbesserung hinsichtlich der Lebensqualität, zB durch Verringerung von Nebenwirkungen bezüglich Häufigkeit und Schweregrad, sowie Morbidität und Mortalität vor (§ 35 Abs 1 Satz 3 und 5 SGB V, sog patientenrelevante Endpunkte). Nur im Zusammenhang mit einer an der positiven Beeinflussung patientenrelevanter Endpunkte ausgerichteten Therapie kann sich ein höherer Nutzen auch daraus ergeben, dass das Arzneimittel eine überlegene Wirksamkeit gegenüber anderen Arzneimitteln der Wirkstoffgruppe zeigt oder über besondere therapierelevante Leistungsmerkmale verfügt, zB Wechsel des Applikationsortes oder -weges, oder eine andere für die Therapie relevante Galenik aufweist (vgl BT-Drucks 16/194 S 8). Anders als bei der Gruppenbildung anhand von Wirkstoffen (§ 35 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V) kommen im Rahmen dieses Tatbestandsmerkmals daher auch die ganz spezifischen Besonderheiten eines Wirkstoffs in Betracht, soweit diese therapeutisch relevant sind.

62

cc) Methodisch erfolgt der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung aufgrund der Fachinformationen und durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen (§ 35 Abs 1b Satz 4 und 5 SGB V). Maßgeblich ist hierbei der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V, vgl BT-Drucks 16/194 S 8). Erforderlich ist dabei der Nachweis der erfolgreichen therapeutischen Verbesserung in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen auf der Grundlage wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Therapierelevanz (stRspr, BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN - Immucothel; BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E). Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Wirkstoffen. Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden (vgl auch Flint in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2011, K § 35 RdNr 64). Sie müssen in jedem Fall das Kriterium erfüllen, mit dem Primärziel des Erreichens patientenrelevanter Endpunkte durchgeführt worden zu sein. Studien, die als Primärziel bloße Surrogatparameter formuliert haben, kommen dagegen zum Nachweis einer therapeutischen Verbesserung nicht in Betracht (vgl zur neueren Rechtslage Schickert, PharmR 2010, 452, 456).

63

dd) Der Beigeladene zu 1. ist nicht ermächtigt, von diesem gesetzlichen Prüfprogramm abzuweichen. Soweit der Regelungsgehalt reicht, verbleibt ihm kein eigener Gestaltungsspielraum. Wie bereits ausgeführt (vgl II 2. c aa) erfolgt insoweit eine volle gerichtliche Überprüfung. Den dargelegten gesetzlichen Anforderungen ist der Beigeladene zu 1. durch seinen Beschluss vom 20.7.2004 gerecht geworden. Er hat nach diesen Maßstäben geprüft, dass für Atorvastatin eine therapeutische Verbesserung im aufgezeigten Sinne nicht nachgewiesen ist. Die Standards, die der Beigeladene zu 1. ausweislich seiner Beschlussbegründung vom 15.9.2004 zur Prüfung des Vorliegens einer therapeutischen Verbesserung verlangt, korrespondieren inhaltlich (sogar zT fast wortgleich formuliert) mit dem gesetzlich festgeschriebenen Prüfmaßstab. Bei dem Nachweis einer therapeutischen Verbesserung hat der Beigeladene zu 1. rechtsfehlerfrei auf den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse im Sinne der Rechtsprechung des BSG abgestellt und als Unterlagen in erster Linie direkte Vergleichsstudien, für den Fall ihres Fehlens placebokontrollierte Studien in Form von randomisierten, doppelblinden und kontrollierten Studien mit dem Ziel der Beeinflussung klinisch bedeutsamer Endpunkte gefordert.

64

ee) Der Beigeladene zu 1. hat das ermächtigungskonforme Prüfprogramm über den Nachweis einer therapeutischen Verbesserung mit seinem Beschluss vom 20.7.2004 ausweislich der Beschlussbegründung auch rechtmäßig angewendet. Der Beschluss beruht auf einer umfassenden Sichtung der aktuellen relevanten Studienlage zur Wirkstoffgruppe der Statine. Auf die Einbeziehung irgendwelcher Meinungsäußerungen von Einzelnen oder Gruppen von Fachleuten kommt es jenseits der bereits geprüften Anhörungsrechte (vgl § 35 Abs 2 SGB V)insoweit entgegen der Ansicht des Klägers nicht an.

65

Der Beigeladene zu 1. ist insgesamt nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass für Atorvastatin gegenüber den anderen Statinen keine Alleinstellungsmerkmale bewiesen sind, die eine therapeutische Verbesserung bedeuten. Er hat anhand des gesetzlich gebotenen Maßstabs die Aussage- und Beweiskraft der einzelnen Studien nachvollziehbar bewertet, nachdem er ihr Design, ihre Ziele und ihre Vergleichbarkeit überprüft und qualifiziert hat. Seine Folgerungen sind schlüssig und lassen keine Widersprüche erkennen. Zu allen von dem Kläger als Alleinstellungsmerkmal hervorgehobenen Aspekten, namentlich den besonderen pleiotropen (außerhalb der Hauptwirkung heilend wirkenden) Eigenschaften (dazu <1.>), der größten Wirkstärke (dazu <2.>), dem schnelleren Wirkeintritt (dazu <3.>) und einem überlegenen Sicherheitsprofil von Atorvastatin gegenüber den anderen Statinen (dazu <4.>) begründet der Beschluss nachvollziehbar, dass eine therapeutische Verbesserung nach den gesetzlichen Kriterien nicht festzustellen ist.

66

(1.) So fehlen hinsichtlich der behaupteten pleiotropen Eigenschaften von Atorvastatin genauere Kenntnisse darüber, in welchem Ausmaß pleiotrope Effekte zur Risikoverbesserung beitragen und ob Unterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffen bestehen. Studien zum Nachweis von Art und Umfang angeblich pleiotroper Effekte liegen nicht vor.

67

(2.) Gegen die vom Kläger ins Feld geführte höhere Wirkstärke Atorvastatins wendet der Beigeladene zu 1. schlüssig ein, dass sich daraus nicht per se eine klinische Überlegenheit ableiten lässt. Es mangelt nämlich hierzu an den erforderlichen qualitativ hochwertigen Vergleichsstudien mit klinisch relevanten Endpunkten, die hinreichende Schlüsse auf nennenswerte Patientenkollektive erlauben: Die vorliegenden indirekten Vergleichsstudien eignen sich nach der nachvollziehbaren Beurteilung des Beigeladenen zu 1. nicht zum Nachweis relevanter Unterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffen. Die Ausgangsrisiken der untersuchten Populationen weichen so erheblich voneinander ab, dass sie kaum miteinander vergleichbar sind. Ebenso variiert - wohl vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Zuschnitts der Vergleichsgruppen - das Ausmaß der LDL-Senkung in den einzelnen Studien in einem Ausmaß, das Vergleichsschlüsse problematisch macht.

68

(3.) Auch hinsichtlich der Frage, ob ein schnellerer Wirkeintritt von Atorvastatin gegenüber anderen Statinen mit Blick auf patientenrelevante Endpunkte nachweisbare Vorteile bietet, gibt es bisher keine direkten Vergleichsstudien. Die vorliegenden indirekten Vergleichsstudien können therapierelevante Vorteile nach der nachvollziehbaren Beurteilung des Beigeladenen zu 1. nicht hinreichend belegen, da sie sich wesentlich in der jeweiligen Größe des Ausgangsrisikos der untersuchten Populationen und Stärke der Interventionen unterscheiden. Diese Parameter sind indes die stärksten Determinanten für die Geschwindigkeit des Eintretens einer statistisch signifikanten Wirkung einer Statintherapie.

69

(4.) Das geltend gemachte besondere Sicherheitsprofil von Atorvastatin ist entsprechend der Beschlussbegründung schließlich ebenfalls nicht evidenzbasiert nachgewiesen. Direkte Vergleichsstudien zwischen den Statinen zu unerwünschten Nebenwirkungen liegen nicht vor. Eine signifikante Unterscheidung nach der Häufigkeit schwerer unerwünschter Ereignisse wird bei den placebokontrollierten Studien als "overall health impact" in den seltensten Fällen angegeben. Diese Argumentation deckt sich wiederum nachvollziehbar mit der bestehenden Studienlage.

70

ff) Der Beigeladene zu 1. hat im Ergebnis die ihm als Normgeber obliegende Beobachtungspflicht nicht verletzt. Von einer Verletzung der Beobachtungspflicht wäre nur auszugehen, wenn der Beigeladene zu 1. eine neue Studienlage übergangen hätte, die nach den aufgezeigten gesetzlichen Maßstäben Anlass zur erneuten Überprüfung eines einmal gefassten Gruppenbildungsbeschlusses gegeben hätte. Daran fehlt es.

71

Der Beigeladene zu 1. muss nach Erlass einer Richtlinie über die Bildung einer Festbetragsgruppe im Blick behalten, ob neuere wissenschaftliche Erkenntnisse eine Änderung seiner Entscheidung gebieten. Dies folgt auch ohne besondere, ausdrückliche Regelung in § 35 SGB V aus der generellen, dem GBA als Normgeber obliegenden Beobachtungspflicht. Wesentlicher innerer Grund des gesetzlichen Regelungskonzepts, den GBA als Normgeber vorzusehen, ist es gerade, ihn die sich ständig ändernde Entwicklung des allgemein anerkannten Standes der Medizin und der Pharmakologie beobachten zu lassen, damit er wesentliche Änderungen umgehend in den Richtlinien berücksichtigt (vgl dazu Hauck, NZS 2010, 600, 611 mwN). Im Falle der hier in Frage stehenden Richtlinien ist der GBA zur Beobachtung dessen verpflichtet, ob die bisher festgelegte Zusammenfassung mehrerer Arzneimittel in einer Festbetragsgruppe dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht mehr entspricht (vgl ähnlich BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2).

72

Eine solche Beobachtungspflicht setzt der Beigeladene zu 1. auch selbst in § 7 Abs 4 seiner VerfO voraus. Danach muss er Hinweisen dazu nachgehen, dass getroffene Entscheidungen nicht mehr mit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse übereinstimmen. Hinweise darauf, dass für den Wirkstoff Atorvastatin zwischenzeitlich Studien erstellt worden sind, die unter Berücksichtigung der aufgezeigten gesetzlichen Wertungen für eine abweichende Bewertung der therapeutischen Verbesserung sprechen, liegen indes nicht vor. Das belegen die Untersuchungen des IQWiG vom 15.8.2005 und des Beigeladenen zu 1. von Februar 2010 unter Einbeziehung aller neueren Studien für die Folgejahre. Keiner der Beteiligten hat denn auch dargelegt, dass abweichend von der Beurteilung des IQWiG und der Recherche des Beigeladenen zu 1. neue endpunktrelevante Studien mit bisher nicht berücksichtigten Ergebnissen zu den Statinen veröffentlicht worden sind.

73

gg) Der erkennende Senat kann sich auf die vorliegenden Ermittlungsergebnisse stützen, ohne dass es weiterer Beweiserhebung bedarf. Zwar geht es beim Nachweis einer therapeutischen Verbesserung durch Arzneimittel um die Feststellung genereller Tatsachen, die auch der Ermittlung des Senats im Revisionsverfahren unterliegen. Weitere Beweiserhebung drängt sich aber nicht auf. Auch hier (vgl bereits oben, II 2. b und c cc) ist von Bedeutung, dass sich der Beigeladene zu 1. nicht beliebiger Einzelgutachter bedient, sondern die vom Gesetzgeber hervorgehobene AkdÄ mit der Überprüfung der Voraussetzungen betraut hat. Hinzu kommt, dass er in der Folgezeit im Rahmen eines Generalauftrags das IQWiG mit einer Überprüfung beauftragt und schließlich unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung bei dem LSG nochmals selbst recherchiert hat. Nur die Darlegung, eine therapeutische Verbesserung sei anhand aussagekräftiger Studien in der gesetzlich gebotenen Qualität nachgewiesen, würde vorliegend zu weiteren Ermittlungen zwingen. Daran fehlt es indes.

74

Das IQWiG hat nämlich die Einschätzung des Beigeladenen zu 1. bestätigt, ohne Anhaltspunkte für neuere abweichende Studienergebnisse in hinreichend qualifizierten Studien zu finden. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Absicherung von Neutralität und Qualität der in Auftrag gegebenen Untersuchung des IQWiG streitet bei Beachtung aller gesetzlicher Vorgaben eine Rechtsvermutung für die Richtigkeit seiner Beurteilung, die in derartigen Fällen wie dem vorliegenden eine weitere Beweiserhebung erübrigt. Das folgt aus Ausstattung (dazu <1.>), Aufgabe (dazu <2.>) und Gesetzeszweck der Einrichtung des IQWiG (dazu <3.>). Mit Blick darauf kommt gesetzeskonformen Bewertungen des IQWiG eine Richtigkeitsgewähr zu.

75

(1.) Das IQWiG stellt ein Expertengremium dar, das in seiner persönlichen und fachlichen Integrität und Qualität durch Transparenz und Unabhängigkeit gesetzlich und institutionell besonders abgesichert ist (vgl Hauck, NZS 2010, 600, 609; Rixen, MedR 2008, 24, 26). Der Beigeladene zu 1. hat gesetzeskonform das IQWiG als fachlich unabhängiges, rechtsfähiges, wissenschaftliches Institut errichtet (§ 139a Abs 1 Satz 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 112 GMG). Der Gesetzgeber hat bereits die zulässige Rechtsform des IQWiG eingegrenzt, um dessen Kompetenz und Unabhängigkeit sicherzustellen. Zur Sicherung der fachlichen Unabhängigkeit des IQWiG haben die Beschäftigten vor ihrer Einstellung alle Beziehungen zu Interessenverbänden, Auftragsinstituten, insbesondere der pharmazeutischen Industrie und der Medizinprodukteindustrie, einschließlich Art und Höhe von Zuwendungen offen zu legen (vgl § 139a Abs 6 SGB V). Entsprechendes gilt, soweit das IQWiG wissenschaftliche Forschungsaufträge an externe Sachverständige vergibt (s § 139b Abs 3 SGB V). Die Vergabe von Forschungsaufträgen gewährleistet, dass die Arbeiten des IQWiG höchsten wissenschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Hierzu hat es ausgewiesene Experten mit wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen in ihren jeweiligen Arbeitsbereichen einzubeziehen (vgl BT-Drucks 15/1525 S 128 Zu § 139a Abs 4).

76

Das IQWiG arbeitet in einer transparenten Form unter Unterrichtung Betroffener und Interessierter über alle Arbeitsschritte und Arbeitsergebnisse (vgl § 139a Abs 4 SGB V und hierzu BT-Drucks 15/1525 S 128 Zu § 139a Abs 4), insbesondere auch über die Grundlagen für die Entscheidungsfindung. Indem das IQWiG zu gewährleisten hat, dass die Bewertung des medizinischen Nutzens nach den international anerkannten Standards der evidenzbasierten Medizin erfolgt (§ 139a Abs 4 Satz 1 Halbs 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 117 Buchst b GKV-WSG),hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es seine Arbeitsmethode nach den international üblichen und akzeptierten Standards der evidenzbasierten Medizin auszurichten hat. Das IQWiG geht nach der Gesetzeskonzeption bei seinen Bewertungen in vergleichbarer hoch qualitativer Weise vor wie andere mit entsprechenden Aufgaben betraute Stellen im internationalen Bereich, zB das National Institute for Health and Clinical Excellence (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 151 Zu Nummer 117 <§ 139a > Zu Buchst b; Engelmann in: jurisPK-SGB V § 139a RdNr 30). Zusätzlich bestehen Rechte Sachverständiger, Interessierter und Betroffener, Stellung zu nehmen (vgl § 139a Abs 5 SGB V).

77

(2.) Das IQWiG wird zu Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der GKV erbrachten Leistungen in gesetzlich vorgegebenem Umfang tätig (vgl § 139a Abs 3 SGB V). Die Arbeit des IQWiG hat zum Ziel, die grundsätzlichen Anforderungen des SGB V bei der Leistungserbringung zu sichern. Hierzu soll es Erkenntnisse über den Wert der Leistungen auch im Verhältnis zu den aufzuwendenden Kosten sowie zu den Auswirkungen auf die Verbesserung der medizinischen Behandlung erarbeiten. Dies soll gewährleisten, dass diagnostische und therapeutische Maßnahmen dem besten verfügbaren wissenschaftlichen Stand entsprechen und auch weiterhin finanzierbar bleiben (vgl BT-Drucks 15/1525 S 127 Zu Nummer 112 Zu § 139a Zu Abs 3).

78

Zu den gesetzlich vorgegebenen Aufgaben gehört auch die Bewertung des Nutzens und der Kosten von Arzneimitteln (vgl § 139a Abs 3 Nr 5 SGB V). Der Beigeladene zu 1. beauftragt das IQWiG mit den gesetzlich umrissenen Arbeiten (vgl § 139b Abs 1 Satz 1 SGB V). Hierzu hat er dem IQWiG ua am 21.12.2004 den Generalauftrag erteilt, durch die Erfassung und Auswertung des relevanten Schrifttums eine kontinuierliche Beobachtung und Bewertung medizinischer Entwicklungen von grundlegender Bedeutung und ihrer Auswirkungen auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung in Deutschland vorzunehmen und den GBA hierüber regelmäßig zu informieren. Das IQWiG soll aus der eigenverantwortlichen wissenschaftlichen Arbeit heraus dem GBA für dessen gesetzliche Aufgaben notwendige Informationen zur Verfügung stellen und konkrete Vorschläge für Einzelaufträge erarbeiten.

79

(3.) Ziel des Gesetzgebers ist es, durch Einbindung des IQWiG in die Zuarbeit für den GBA den dynamischen Prozess der Fortentwicklung der medizinischen und pflegerischen Leistungen zu sichern und die kontinuierliche Einbeziehung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in eine qualitativ gesicherte Leistungserbringung zu gewährleisten (BT-Drucks 15/1525, S 127). Das IQWiG leitet deshalb seine Arbeitsergebnisse dem GBA als Empfehlungen zu (vgl § 139b Abs 4 Satz 1 SGB V). Dieser hat die Empfehlungen im Rahmen seiner Aufgabenstellung "zu berücksichtigen", wird also nur mit besonderer Begründung davon abweichen (vgl Hauck, NZS 2007, 461, 464). Insbesondere hat er zu prüfen, ob das IQWiG seine Bewertungen ausgehend von einem zutreffenden Rechtsverständnis der zugrunde gelegten Begriffe auf der Basis einer umfassenden Einbeziehung der relevanten Studien nachvollziehbar und widerspruchsfrei getroffen hat. Für die Umsetzung von Handlungsempfehlungen des IQWiG verbleibt ihm indes sein gesetzgeberisches Ermessen.

80

Dass von AkdÄ und IQWiG nicht berücksichtigte Studien hinreichender Qualität im gesetzlich gebotenen Sinne vorliegen, ist schließlich weder vom Kläger oder von sonstigen Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits noch von den Arzneimittelherstellern in den beim erkennenden Senat anhängigen Parallelverfahren in Kenntnis der Beurteilungen von AkdÄ und IQWiG behauptet worden. Es ist auch ansonsten nicht ersichtlich.

81

hh) Die Verfahrensrüge des Klägers, das LSG habe unter Verstoß gegen §§ 103, 128 SGG keinen Beweis darüber erhoben, dass in medizinischen Fachkreisen ein Konsens bestehe, dass ein bestimmtes Patientenkollektiv nur mit Atorvastatin wirksam behandelt werde, greift nach alledem nicht durch. Es bestehen nämlich, wie dargelegt, derzeit keine weiteren Ermittlungspflichten.

82

e) Der Beigeladene zu 1. hat die Vergleichsgrößen materiell rechtmäßig festgesetzt (den Beschluss vom 20.7.2004 ersetzender Beschluss vom 13.3.2008). Gemäß § 35 Abs 1 Satz 5 SGB V ermittelt der Beigeladene zu 1. die nach § 35 Abs 3 SGB V "notwendigen rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichsgrößen". Die von ihm festgeschriebenen Werte sind in diesem Sinne geeignete Vergleichsgrößen.

83

Die gerichtliche Kontrolle der Ermittlung von Vergleichsgrößen ist beschränkt. Dem Beigeladenen zu 1. steht nämlich bei der Entscheidung über die Vergleichsgrößenbildung ein Gestaltungsspielraum zu. Er kann selbst darüber entscheiden, anhand welcher Kriterien er die Vergleichsgrößen bestimmt. Das Gesetz gibt keine Wahl dahin vor, ob der Tagesdosis, der Einzeldosis oder aber einer gänzlich anderen geeigneten Vergleichsgröße der Vorrang gebührt (Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, aaO, § 35 SGB V RdNr 45). Die Gerichte haben lediglich zu kontrollieren, ob der GBA hierbei auf der Grundlage eines vollständig ermittelten Sachverhalts den Zweck der Vergleichsgrößenbildung nachvollziehbar beachtet hat, die Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffen innerhalb einer Gruppe vergleichbar zu machen (vgl zum Grundsatz oben, II 2. c aa mwN; siehe auch Kraftberger/Adelt in: Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 20a). Diesen Anforderungen genügt die hier gewählte Vergleichsgrößenbildung. Der Beigeladene zu 1. hat sämtliche Daten anhand der zum Zeitpunkt des Gruppenbeschlusses zuletzt verfügbaren Jahresdaten des GKV-Arzneimittelindexes ermittelt und diese rechnerisch korrekt für alle fünf Statine umgesetzt. Das ziehen die Beteiligten nicht in Zweifel.

84

Der Beigeladene zu 1. hat den Gesetzeszweck der Vergleichsgrößen beachtet, sicherzustellen, dass die aufzuwendenden Arzneimittelkosten unabhängig vom jeweiligen Wirkstoff für die von jedem Versicherten individuell benötigte Arzneimitteldosis annähernd gleich sind (vgl dazu Kraftberger/Adelt in: Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 20a). Er hat jedem Wirkstoff einen bestimmten Zahlenwert zugewiesen, der ihn innerhalb der Gruppe vergleichbar macht. Seine hierbei gewählte Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Wirkstärke ist geeignet, eine sachgerechte mengenbezogene Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Wirkstoffen herzustellen. Sie errechnet für jeden der fünf Wirkstoffe einen Einzelwert als Vergleichsgröße, der sich am Verordnungsverhalten der Ärzte orientiert, also daran, welcher Wirkstoff wie häufig in welcher Wirkstärke verordnet wurde. Um zwischen Wirkstoffen mit vergleichbarer und mit unterschiedlicher Applikationsfrequenz, Wirkstoffen mit unterschiedlichen Applikationsfrequenzen und Behandlungszeiten, Wirkstoffen mit unterschiedlichen Applikationsfrequenzen und Intervallen, unterschiedlichen Behandlungszeiten und unterschiedlicher Anzahl therapiefreier Tage sowie Wirkstoffkombinationen mit vergleichbarer Applikationsfrequenz zu unterscheiden, bezieht die Berechnung zusätzlich einen sogenannten Applikationsfaktor ein.

85

Die dagegen vorgetragenen Einwendungen des Klägers greifen nicht durch. Die vom Beigeladenen zu 1. angewendete Methode geht systemgerecht davon aus, dass nur therapeutisch sinnvolle Wirkstärken gemäß § 25 Abs 1 Satz 1 AMG zugelassen werden, und die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte diese Wirkstärken zutreffend verordnen(vgl Hess in: Kasseler Komm, Stand 1.10.2010, § 35 SGB V RdNr 9). Die vom Kläger bevorzugte Methode, die Vergleichsgröße anhand einer tatsächlichen Wirkstärke zu bestimmen, leidet dagegen daran, dass sich seine Prämisse, bei jedem Patienten wirke etwa Atorvastatin "doppelt so gut" wie Pravastatin oder "viermal so gut" wie Simvastatin, schwerlich objektivieren lässt. Bei Anwendung eines Wirkstoffs bringt die doppelte Wirkmenge nicht automatisch auch den doppelten Behandlungserfolg mit sich. Ua vor diesem Hintergrund ist eine arzneimittelrechtliche Zulassung stets wirkstärkenbezogen (vgl § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AMG). Dem trägt die hier gewählte Methode Rechnung, sich nicht an einer fiktiven "tatsächlichen Wirkstärke", sondern an der tatsächlichen Situation der Verordnungen in der Praxis im Hinblick auf die Wirkstärke zu orientieren (vgl ähnlich für den Vergleich der Wirksamkeit mehrerer Wirkstoffe BSGE 93, 296 RdNr 14 = SozR 4-2500 § 35 Nr 2 RdNr 16).

86

f) Die (hier noch zuständigen) Beigeladenen zu 2. bis 7. haben die Festbeträge rechtmäßig festgesetzt. Sie haben die notwendige Form gewahrt, da die Festsetzung im Bundesanzeiger öffentlich bekanntgemacht wurde (§ 35 Abs 7 Satz 1 SGB V), und die Festbeträge auch materiell rechtmäßig festgesetzt. Sie haben die in § 35 Abs 5 SGB V formulierten Vorgaben befolgt, Festbeträge so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten(Satz 1), Wirtschaftlichkeitsreserven ausschöpfen, einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen, sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten ausrichten und soweit wie möglich eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl sicherstellen (Satz 2).

87

Die gerichtliche Kontrolle der festgesetzten Festbetragshöhe erfolgt grundsätzlich in vollem Umfang. Sie beschränkt sich jedoch auf die zutreffende Konkretisierung der bestehenden Zielvorgaben nebst wissenschaftlich haltbarer Schätzungen, wo in Unkenntnis der Reaktion jedes einzelnen Arzneimittelanbieters prognostische Elemente und Schätzungen mit in die Festbetragsfestsetzung einfließen müssen (vgl Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 46). Es besteht allerdings kein Beurteilungsspielraum der Beigeladenen zu 2. bis 7. mit Blick darauf, dass im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche, in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet ist (vgl dagegen zum Rechtsschutz im Hinblick auf atypische Einzelfälle oben II 1. e; aA - einen Beurteilungsspielraum bejahend - Hess in: Kasseler Komm, Stand 1.10.2010, § 35 SGB V RdNr 31; Flint in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2011, K § 35 RdNr 93). Anderes wäre auch verfassungsrechtlich bedenklich. Das BVerfG hat die Regelungen über die Festsetzung von Festbeträgen in § 35 Abs 5 SGB V mit Rücksicht darauf nicht beanstandet, dass sie klar überprüfbare Festsetzungsmaßstäbe enthalten. Eine wesentliche Änderung des Inhalts des Wirtschaftlichkeitsgebots oder wirtschaftslenkende Handlungsspielräume sind dem Beklagten und waren den beigeladenen Krankenkassenverbänden nicht eröffnet (vgl näher BVerfGE 106, 275, 302 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2, S 20).

88

Die Beigeladenen zu 2. bis 7. haben das gesetzliche Berechnungsverfahren beachtet (s § 35 Abs 5 Satz 3 bis 7 SGB V). Danach sind die Festbeträge mindestens einmal im Jahr zu überprüfen; sie sind in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte Marktlage anzupassen. Der Festbetrag für die Arzneimittel in einer Festbetragsgruppe nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V soll den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht übersteigen. Dabei müssen mindestens ein Fünftel aller Verordnungen und mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar sein; zugleich darf die Summe der jeweiligen Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum Festbetrag erhältlich sind, den Wert von 160 nicht überschreiten. Bei der Berechnung nach § 35 Abs 5 Satz 4 SGB V sind hochpreisige Packungen mit einem Anteil von weniger als 1 vH an den verordneten Packungen in der Festbetragsgruppe nicht zu berücksichtigen. Für die Zahl der Verordnungen sind die zum Zeitpunkt des Berechnungsstichtages zuletzt verfügbaren Jahresdaten des Arzneimittelindexes der gesetzlichen Krankenversicherung zu Grunde zu legen. Demgemäß hat sich die Festsetzung der optimalen Festbetragshöhe iterativ unter Anwendung einer Maßzahl anzunähern (sogenannte Maßzahl M). Sie ist als Summe des prozentualen Anteils zuzahlungspflichtiger Verordnungen und des prozentualen Anteils zuzahlungspflichtiger Packungen definiert und muss durch die Festbetragsfestsetzung eingehalten werden.

89

Der Festbetrag von 13,48 Euro (Wirkstärkenvergleichsgröße 0,4 und Packungsgröße 100 Stück) genügt - soweit hier von Interesse - diesen Anforderungen. Die festgesetzte Festbetragshöhe muss nur im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten, nicht aber im atypischen Einzelfall (vgl oben, II 1. e). Die Maßzahl M hat am Berechnungsstichtag bei 96,4 gelegen. Damit standen den Versicherten 35,1 Prozent der Packungen und 68,5 Prozent der Verordnungen - und folglich weit mehr als gesetzlich erforderlich - zum angepassten Festbetrag zur Verfügung. Außerdem waren Arzneimittel mit zwei der fünf Wirkstoffe der Festbetragsgruppe zum Festbetrag erhältlich. Danach greift auch das Vorbringen des Klägers nicht durch, die festgesetzte Festbetragshöhe stelle keine hinreichende Arzneimittelauswahl sicher. Die Sicherstellung einer für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl hat nur "soweit wie möglich" zu erfolgen, kann also auch dazu führen, dass lediglich ein einziges therapiegerechtes Arzneimittel zum Festbetrag zur Verfügung steht. Darüber ging das Angebot zum Festbetrag erhältlicher therapiegerechter Statine deutlich hinaus.

90

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG. Der Kläger muss als nach § 183 SGG Kostenprivilegierter nicht die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen. Allerdings sind nach § 193 Abs 4 SGG nur die Aufwendungen der in § 184 Abs 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen nicht erstattungsfähig. Das sind lediglich Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten privilegierten Personen gehören, nicht aber Beigeladene. Kosten eines Beigeladenen sind grundsätzlich durch eine im Verfahren unterlegene Behörde zu erstatten (vgl BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 5; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 17). Es entspricht aber in der Regel der Billigkeit, nach § 183 Abs 1 SGG kostenprivilegierte Beteiligte von der Erstattungspflicht gegenüber beigeladenen Trägern öffentlicher Verwaltung freizustellen. Sie sollen nicht durch eine drohende Kostenlast von der Anstrengung eines gerichtlichen Verfahrens abgehalten werden. So liegt es hier.

(1) Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten sind insbesondere

1.
das Errichten,
2.
das Bereithalten,
3.
die Instandhaltung,
4.
die Aufbereitung sowie
5.
sicherheits- und messtechnische Kontrollen.

(2) Betreiber eines Medizinproduktes ist jede natürliche oder juristische Person, die für den Betrieb der Gesundheitseinrichtung verantwortlich ist, in der das Medizinprodukt durch dessen Beschäftigte betrieben oder angewendet wird. Abweichend von Satz 1 ist Betreiber eines Medizinproduktes, das im Besitz eines Angehörigen der Heilberufe oder des Heilgewerbes ist und von diesem zur Verwendung in eine Gesundheitseinrichtung mitgebracht wird, der betreffende Angehörige des Heilberufs oder des Heilgewerbes. Als Betreiber gilt auch, wer außerhalb von Gesundheitseinrichtungen in seinem Betrieb oder seiner Einrichtung oder im öffentlichen Raum Medizinprodukte zur Anwendung bereithält.

(3) Anwender ist, wer ein Medizinprodukt im Anwendungsbereich dieser Verordnung am Patienten einsetzt.

(4) Gesundheitseinrichtung im Sinne dieser Verordnung ist jede Einrichtung, Stelle oder Institution, einschließlich Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen, in der Medizinprodukte durch medizinisches Personal, Personen der Pflegeberufe oder sonstige dazu befugte Personen berufsmäßig betrieben oder angewendet werden.

(1) Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, medizinische Versorgungszentren und Krankenkassen wirken zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zusammen. Soweit sich die Vorschriften dieses Kapitels auf Ärzte beziehen, gelten sie entsprechend für Zahnärzte, Psychotherapeuten und medizinische Versorgungszentren, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Die vertragsärztliche Versorgung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, daß eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden.

(3) Für die knappschaftliche Krankenversicherung gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend, soweit das Verhältnis zu den Ärzten nicht durch die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See nach den örtlichen Verhältnissen geregelt ist.

(4) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.