Bundessozialgericht Urteil, 22. Nov. 2011 - B 4 AS 204/10 R

bei uns veröffentlicht am22.11.2011

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Januar 2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 6. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2009 geändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Oktober 2009 1300 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand

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Streitig ist die Übernahme der Kosten für die Teilnahme an einem Aufenthalt in den USA im Rahmen eines Schüleraustausches mit einer High School in Pinetop-Lakeside (Arizona) vom 1.10. bis 31.10.2009.

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Der 1992 geborene Kläger ist Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus seinen Eltern, seiner Schwester und ihm. Die Bedarfsgemeinschaft bezog in dem oben benannten Zeitraum (Bescheid vom 17.9.2009 in der Fassung der Bescheide vom 14.10. und 30.10.2009) sowie vom 1.4. bis 30.9.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bescheide vom 17.3., 21.5., 18.6., 18.8. und 16.9.2009). Der Kläger war zum Zeitpunkt des Austausches Schüler der 12. Klasse an dem biotechnologischen Gymnasium der H Er wurde von der Schule wegen guter Leistungen und besonderem Engagement ausgewählt, an dem Schüleraustausch teilzunehmen. Die Kosten - insgesamt 1650 Euro, darin enthalten 350 Euro Taschengeld - übernahmen, nachdem der Beklagte die Gewährung als Leistung nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II (Klassenfahrt) abgelehnt hatte(Bescheid vom 6.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.7.2009), ehemalige Geschäftsfreunde seines Vaters. Die Schulden soll der Kläger durch Arbeit begleichen.

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Das SG Freiburg hat die Klage auf Übernahme der Kosten abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 8.1.2010) und das LSG Baden-Württemberg hat die Berufung des Klägers hiergegen zurückgewiesen (Urteil vom 22.6.2010). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, zum einen seien die Aufwendungen für Taschengeld während des Austausches nicht von den Leistungen umfasst, die nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu gewähren seien. Nur die eigentlichen Kosten der Klassenfahrt seien zu tragen. Zum Zweiten scheitere der Anspruch bereits daran, dass es sich bei dem Schüleraustausch nicht um eine Klassenfahrt handele. Das baden-württembergische Schulrecht kenne den Begriff der Klassenfahrt als eigenständigen, rechtlich ausgefüllten Begriff nicht. Das Gericht habe daher den in § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II verwendeten Begriff der "Klassenfahrt" unabhängig von den schulrechtlichen Vorschriften in Baden-Württemberg selbst auszulegen. Im Ergebnis liege eine "Klassenfahrt" nur dann vor, wenn sich die "Klasse" auch im Sinne des die Klasse ersetzenden Kursverbandes oder der Jahrgangsstufe auf eine mehrtägige Fahrt begebe. Bei einer freiwilligen, von dem konkreten fachbezogenen Klassen- oder Unterrichtsverband unabhängigen Teilnahme an einer mehrtägigen Veranstaltung liege hingegen keine "Klassenfahrt" vor. Bedarfe durch derartige Veranstaltungen würden nicht von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II erfasst. Dies gelte insbesondere deswegen, weil nur ein Teil der Schüler der Klasse des Klägers an dem Schüleraustausch teilgenommen habe, ausgewählt nach schulischen Leistungen und sozialem Engagement - die Mehrheit der Schüler hiervon jedoch ausgeschlossen gewesen sei.

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Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 23 Abs 3 SGB II. Zur Begründung hat er ausgeführt, die restriktive Auslegung des Begriffs "Klassenfahrt" durch das LSG werde durch systematische Überlegungen, die Gesetzesbegründung und den Sinn und Zweck der Norm widerlegt. Die strenge Pauschalierung des SGB II gebiete eine weite Auslegung der Tatbestände, die eine Ausnahme hiervon normierten. Dies werde durch die Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift des § 31 Abs 1 Nr 3 SGB XII bestätigt. Dort werde die Klassen- mit der Schulfahrt gleichgesetzt, was belege, dass eine Klassenfahrt nicht nur dann gegeben sei, wenn die "Klasse auf Fahrt" sei. Die Norm diene dem Zweck, eine Ausgrenzung schulpflichtiger hilfebedürftiger Kinder zu vermeiden. Der Kläger wäre im Falle der Nichtteilnahme an dem Schüleraustausch jedoch einer Ausgrenzung ausgesetzt worden. Es komme entgegen der Auffassung es LSG nicht darauf an, dass die Teilnahme an dem Schüleraustausch freiwillig erfolgt sei. Auch in diesem Fall sei eine Nichtteilnahme wegen hinreichender finanzieller Mittel ausgrenzend. Ebenso wenig sei entscheidend, dass nur eine begrenzte Zahl von Schülern den Austausch habe machen können. Innerhalb der Vergleichsgruppe bleibe der Ausschluss aus finanziellen Gründen ausschließend. Nur durch die Finanzierung der Teilnahme könne zudem Chancengleichheit gewährleistet werden.

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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Januar 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 6. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2009 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Oktober 2009 1300 Euro zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Er hält die Ausführungen des LSG in der vom Kläger angefochtenen Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers ist begründet.

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Der Kläger hat einen Anspruch auf die Erstattung der ihm für eine mehrtägige Klassenfahrt in Gestalt der Teilnahme an dem Schüleraustausch mit der High School in Pinetop-Lakeside (Arizona) vom 1.10. bis 31.10.2009 entstandenen Kosten in Höhe von 1300 Euro gegen den Beklagten. Entgegen der Auffassung des LSG handelt es sich bei diesem Schüleraustausch um eine mehrtägige Klassenfahrt iS von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II. Dies folgt aus den landesschulrechtlichen Bestimmungen Baden-Württembergs, mit denen die bundesrechtliche Rahmenregelung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II auszufüllen war.

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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Anspruch des Klägers nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II auf Erstattung der Kosten, die ihm durch den Schüleraustausch vom 1.10. bis 31.10.2009 entstanden sind. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 6.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.7.2009 einen Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt verneint. Mit dem 14. Senat des BSG geht der erkennende Senat davon aus, dass es sich zum einen bei dem Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II um einen Individualanspruch desjenigen handelt, der den entsprechenden Bedarf geltend macht(BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2). Zum Zweiten kann der Anspruch isoliert gerichtlich durchgesetzt werden (BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 1/09 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 9; BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2; so auch BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1 und Erstausstattung BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2; BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4 sowie BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 202/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Dementsprechend hat der Kläger seine Klage durch Antragstellung vor dem SG in zulässiger Weise auf die Übernahme der Kosten für den Schüleraustausch beschränkt (zur Zulässigkeit der Beschränkung des Streitstoffs auf Leistungen für Sonderbedarfe vgl BSG vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 15; BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2; BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Zum Dritten verfolgt der Kläger in zulässiger Weise den Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt, nachdem der Schüleraustausch bereits durchgeführt worden ist und er den hierfür erforderlichen Geldbetrag von Geschäftsfreunden seines Vaters zur Verfügung gestellt bekommen hat, als Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage weiter.

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Der Kläger hat die Höhe des von ihm geltend gemachten Anspruchs zudem im Revisionsverfahren zulässig auf 1300 Euro beschränkt. Er begehrt nur noch die Übernahme der eigentlichen Kosten für den Schüleraustausch (zusammengesetzt aus 740 Euro für die Flugtickets, Eintritte pp von 160 Euro, Jugendherberge/Hotel 300 Euro, anteilige Kosten für Mietwagen und Kraftstoff von 100 Euro = 1300 Euro). Er macht die Übernahme des von der Schule und dem Auswärtigen Amt veranschlagten Taschengeldes in Höhe von 350 Euro nicht mehr geltend. Insoweit ist die zurückweisende Berufungsentscheidung mithin rechtskräftig geworden.

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2. Der Kläger ist leistungsberechtigt iS des § 7 Abs 1 SGB II. Er hat - von dem Beklagten bestandskräftig beschieden - zum Zeitpunkt der Entstehung des Bedarfs, als auch der Durchführung des Schüleraustausches Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gleichwohl insbesondere nicht hilfebedürftig gewesen sein könnte, sind nach den Feststellungen des LSG nicht ersichtlich. Eine Prüfung nach § 23 Abs 3 Satz 3 SGB II erübrigt sich daher.

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3. Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den Betrag von 1300 Euro, den er darlehensweise von den Geschäftsfreunden seines Vaters erhalten hat, für den Schüleraustausch in der Zeit vom 1.10. bis 31.10.2009 nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu erstatten. Nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II(in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) sind Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht (§ 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II). Der hier durchgeführte Schüleraustausch ist eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Baden-Württemberg iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II.

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a) Die bundesrechtliche Regelung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II bestimmt den abstrakten Rahmen dafür, wann Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt zu erbringen sind. Gleichwohl ist der Rechtsbegriff der "Klassenfahrt" innerhalb dieses Rahmens durch die landesschulrechtlichen Vorschriften auszufüllen. Zwar hat das LSG festgestellt, dass der Begriff der "Klassenfahrt" in den schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Baden-Württemberg nicht ausdrücklich definiert werde. Der Senat ist hieran gebunden. Das LSG hat insoweit nicht reversibles Landesrecht ausgelegt (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO; zur Anwendung und Überprüfung von Landesrecht durch das BSG siehe BSG vom 24.1.2008 - B 3 KR 17/07 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 7; BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 20/06 R - BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1; BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27; BSG vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 162 RdNr 7). Dies führt entgegen der Auffassung des LSG jedoch nicht dazu, dass der im Bundesrecht verwendete Begriff der "mehrtägigen Klassenfahrt" hier ohne Heranziehung der schulrechtlichen Vorschriften des Landes Baden-Württemberg, gleichsam ausschließlich nach bundesrechtlichen Maßstäben zu bewerten wäre (vgl zur Ausfüllung des Begriffs der mehrtägigen Klassenfahrt durch die landesrechtlichen Schulgesetze BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Auch wenn der Begriff der "Klassenfahrt" im Landesrecht nicht verwendet oder ausdrücklich definiert wird, bestimmt sich nach den schulrechtlichen Bestimmungen, ob die Veranstaltung wie eine mehrtägige Klassenfahrt im Leistungsrecht des SGB II zu behandeln ist. Die Leistung wird durch den bundesrechtlichen Rahmen begrenzt und durch das Landesschulrecht ausgefüllt. Der bundesrechtliche Rahmen darf zwar nicht überschritten werden, das Landesrecht regelt jedoch, welche Veranstaltungen dem Grunde nach üblich sind und in welcher Höhe Aufwendungen hierfür regional übernommen werden. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II, findet seine Stütze jedoch auch in der Gesetzesbegründung, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II.

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Nach dem Wortlaut des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II sind die dortigen Leistungen unter den Bedingungen zu übernehmen, dass es sich um Aufwendungen für eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen handelt. Die Verbindung der Begriffe mehrtägige Klassenfahrt und schulrechtliche Bestimmungen gibt damit einerseits bundesrechtlich vor, dass nur Leistungen zu erbringen sind für Kosten, die durch eine schulische Veranstaltung entstanden sind, die mit mehr als nur einem Schüler und für mehr als einen Tag (vgl BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 1/09 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 9)durchgeführt wird und einer "Fahrt", also einer Veranstaltung, die außerhalb der Schule stattfindet. Andererseits folgt aus der Wortlautverbindung zu dem "schulrechtlichen Rahmen", dass nach schulrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes zu bestimmen ist, ob die konkret durchgeführte Veranstaltung im Rahmen des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II regional "üblich" ist. Bieten die schulrechtlichen Bestimmungen keinerlei Rechtsgrundlage für die Durchführung der Veranstaltung bzw die Höhe der Aufwendungen hierfür oder überschreitet ihre Durchführung (dem Grunde nach) den bundesrechtlichen Rahmen, lösen die dadurch entstehenden Kosten keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II aus. Die Aufwendungen sind vom Grundsicherungsträger mithin nur dann zu übernehmen, wenn die Veranstaltung den Vorgaben entspricht, die die bundesrechtliche Rahmenbestimmung vorgibt und für die im Landesrecht eine Grundlage vorhanden ist.

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Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung in der Gesetzesbegründung. Danach sind die Worte "mehrtägige Klassenfahrt" im bundesrechtlichen Rahmen ein Synonym für eine mehr als einen Tag dauernde schulische Veranstaltung, die näher durch die schulrechtlichen Vorschriften bestimmt werden soll. Weder erfolgt danach mit der Formulierung im Normtext eine Begrenzung der Leistungen für solche Aufwendungen, die der "Klasse auf Fahrt" entstehen (vgl hierzu LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 25.9.2008 - L 8 AS 38/08; Bayerisches LSG vom 10.5.2007 - L 11 AS 178/06 - FEVS 59, 76) noch darf das Landesrecht bei der konkreten Bestimmung des Inhalts der Leistung außer Betracht gelassen werden. In der Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II im SGB XII(§ 32 Abs 1 Nr 3 SGB XII im Entwurf - zwischen dem 1.1.2005 und 31.12.2010 § 31 Abs 1 Nr 3 SGB XII)kommt dies deutlich zum Ausdruck, wenn dort anstelle des Begriffs der "Klassenfahrt" der der "Schulfahrt" verwendet wird (vgl BT-Drucks 15/1514 S 60).

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Aus der systematischen Stellung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II folgt zudem zwingend, dass der bundesrechtliche Rahmen nur durch die jeweiligen schulrechtlichen Vorschriften ausgefüllt werden kann. Die Leistung ist regional determiniert. Die Berechnung der pauschalierten Regelleistung der §§ 19, 20 SGB II beinhaltet keine Aufwendungen für eine mehrtägige Klassenfahrt(vgl BT-Drucks 15/1514 S 60 zu § 32 SGB XII-Entwurf). § 23 Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB II stellt dies nochmals ausdrücklich klar. Aus diesem Grund sind Leistungen hierfür vom SGB II-Leistungsträger gesondert zu erbringen. Die Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt sind jedoch anders als solche für Erstausstattungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB II in tatsächlich entstandener Höhe zu übernehmen. In der Begründung zu § 32 SGB XII-Entwurfsfassung wird dies damit gerechtfertigt, dass "Schulfahrten" ein wichtiger Bestandteil der Erziehung "durch die Schulen" seien(BT-Drucks 15/1514 S 60). Damit wird der unterschiedlichen rechtlichen Umsetzung der schulpolitischen Vorstellungen in den einzelnen Bundesländern Rechnung getragen, die insbesondere durch die verfassungsrechtlich ausschließliche Zuständigkeit der Länder für die Schulgesetzgebung(BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvL 8/84, 1 BvL 16/84 - BVerfGE 75, 40) bedingt sind. Daraus ergibt sich, wie das BVerfG erkannt hat, eine weitgehende eigenständige Gestaltungsfreiheit der Länder bei der Festlegung der Schulorganisation, aber auch der Erziehungsprinzipien und Unterrichtsgegenstände (BVerfG vom 26.2.1980 - 1 BvR 684/78 - BVerfGE 53, 185, 195 f = Juris RdNr 33). In der Folge hiervon sind die schulischen Bedarfe dem Grunde und der Höhe nach durch die regionalen Verhältnisse bestimmt. Dem trägt § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II durch die Bezugnahme auf die schulrechtlichen Vorschriften Rechnung.

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Nur durch die Zugrundelegung der schulrechtlichen Regelungen als Maßstab für die Legitimation des Bedarfs für die mehrtägige Klassenfahrt kann folglich auch dem Sinn und Zweck des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II Rechnung getragen werden. Durch die Übernahme der Aufwendungen für die Teilnahme an einer "Klassenfahrt" sollen nach der Gesetzesbegründung zum heutigen, insoweit mit dem hier anzuwendenden gleichlautenden Recht (§ 28 Abs 2 SGB II, BGBl I 2011, 850), negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in der Phase des Schulbesuchs durch das Fernbleiben von schulischen Gemeinschaftsveranstaltungen vermieden werden (BT-Drucks 17/3404 S 104). Ihre Teilhabe soll auch insoweit gewährleistet sein. Welche schulischen Veranstaltungen es sind, deren Besuch zu gewährleisten ist, um die beschriebenen negativen Auswirkungen zu vermeiden, bestimmt sich jedoch nach dem jeweiligen Landesschulrecht. Allein die durch die schulrechtlichen Bestimmungen geprägte Realität des Schulalltags rechtfertigt daher die Übernahme der tatsächlichen Kosten durch staatliche Transferleistungen, also derjenigen, die nach den jeweiligen pädagogischen Vorstellungen in den einzelnen Bundesländern "üblich" sind.

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b) Bedenken, dass der hier durchgeführte Schüleraustausch den eingangs aufgezeigten bundesrechtlichen Rahmen überschritten haben könnte, bestehen nicht. Der Schüleraustausch hier ist eine mehrtägige - nach den Feststellungen des LSG - von der Schule organisierte und durchgeführte Veranstaltung, an der mehrere Schüler teilgenommen haben. Unter Berücksichtigung des Teilhabeziels der Regelung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II stellt ein Ausschluss von der Teilnahme an einem Schüleraustausch, selbst wenn nicht die gesamte Klassen- oder Jahrgangsstufe die Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, auch eine Ausgrenzung aus finanziellen Gründen dar. Die Ausgrenzung erfolgt innerhalb der Gruppe der zur Teilnahme ausgewählten Schüler und soll von ihren Wirkungen her ebenso vermieden werden, wie bei der Betroffenheit der Gesamtheit der Schüler einer Klasse oder Jahrgangsstufe. Soweit das LSG auf die Entscheidungen des Hessischen VGH (VGH Hessen vom 22.3.2004 - 10 TG 743/04 - FEVS 56, 33) und des BVerwG (BVerwG vom 28.3.1996 - 5 C 32/95 - BVerwGE 101, 37) zu einmaligen Leistungen für schulische Bedarfe nach dem BSHG (Schüleraustausch und Aufwendungen im Rahmen einer freiwilligen Arbeitsgemeinschaft) zurückgreift, sind diese mit der heutigen Rechtslage nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen. Das BSHG kannte keine spezielle Leistung für "mehrtägige Klassenfahrten". Rechtsgrundlage war vielmehr § 21 BSHG. Nach § 21 Abs 1a Nr 3 BSHG waren einmalige Leistungen ua für die Beschaffung von besonderen Lernmitteln für Schüler zu gewähren. Der Anspruch war danach - selbst unter Beachtung der vom BVerwG bereits bedachten "Ausgrenzungsproblematik" (s BVerwG vom 9.2.1995 - 5 C 2/93 - BVerwGE 97, 376) - eng mit Bedarfen aufgrund des Unterrichts verknüpft und nicht zur Deckung von Aufwendungen durch außerunterrichtliche Veranstaltungen geeignet.

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Auch die Höhe der erforderlichen Aufwendungen für den Schüleraustausch führt nicht dazu, dass eine Überschreitung des bundesrechtlichen Rahmens anzunehmen wäre. Wie der 14. Senat des BSG bereits entschieden hat, hat der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende die tatsächlichen Kosten einer mehrtägigen Klassenfahrt ohne Beschränkung auf einen Höchstbetrag zu übernehmen, wenn die Veranstaltung im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen stattfindet und das Schulrecht selbst keine Kostenobergrenze vorsieht (BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Der erkennende Senat folgt dem. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass das Gesetz selbst keine bundesrechtliche Begrenzung der zu übernehmenden Aufwendungen vornimmt, weder durch eine Umschreibung etwa mit dem Begriff der "Angemessenheit", noch, wie zuvor bereits dargelegt, einer Pauschalierung. Zum Zweiten ist die Übernahme der tatsächlichen Kosten - soweit rechtlich zulässig durch die Schule veranlasst - die materielle Seite des "Teilhabegedankens". In der Gesetzesbegründung zu § 28 SGB II idF der Neubekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl I 850), in den der bisherige § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II wörtlich übernommen worden ist, wird insoweit betont, dass die Regelung dazu diene, die reale und gleichberechtigte Teilnahme durch Übernahme der Kosten in tatsächlicher Höhe zu gewährleisten(BT-Drucks 17/3404 S 104). Dies wird durch § 28 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB II iVm § 19 Abs 3 Satz 3 sowie § 19 Abs 2 Satz 2 SGB II iVm § 6b BKGG nochmals bestärkt. Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt sind nach der Neufassung des SGB II (Neubekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850) auch denjenigen zu erbringen, deren Bedarf ausschließlich ein solcher für Teilhabe und Bildung ist bzw denjenigen, die Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen, die also keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II haben.

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c) Damit ist zu entscheiden, ob die Veranstaltung im schulrechtlichen Rahmen des Landes Baden-Württemberg einer mehrtägigen Klassenfahrt entspricht. Das ist hier der Fall. Bei dem danach heranzuziehenden Landesschulrecht handelt es sich, wenn die Vorinstanz über dessen Bestehen und Inhalt befunden hat, zwar um irrevisibles Recht, dessen Auslegung das BSG grundsätzlich bindet (s nur BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27; vgl auch BSG vom 1 3.10.1992 - 4 RA 24/91 - BSGE 71, 163 = SozR 3-5050 § 15 Nr 4; BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 20/06 R - BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1). Von diesem Grundsatz ist in der Rechtsprechung des BSG jedoch dann eine Ausnahme anerkannt, wenn das LSG entscheidungserhebliche landesrechtliche Vorschriften unberücksichtigt gelassen hat (s nur BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 20/06 R - BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1). So liegt der Fall hier. Mit der Feststellung des LSG, dass das baden-württembergische Schulrecht keine Definition des Begriffs der "mehrtägigen Klassenfahrt" enthalte, hat es zugleich die Anwendung der landesrechtlichen Bestimmungen ausgeschlossen und ausschließlich Bundesrecht angewendet. Der Senat ist mithin nicht gehindert, unter Auslegung der landesschulrechtlichen Bestimmungen festzustellen, dass der durchgeführte Schüleraustausch danach einer mehrtägigen Klassenfahrt gleichgestellt wird. Dieses Ergebnis folgt aus der Systematik der schulrechtlichen Normen zu außerunterrichtlichen Veranstaltungen und den dazu ergangenen schulrechtlichen Kompetenzzuweisungen sowie dem ausdrücklich formulierten Ziel der schulrechtlichen Regelungen.

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Systematisch differenziert das baden-württembergische Schulrecht, soweit es mehrtägige schulische Veranstaltungen als pädagogisch sinnvoll erkennt, nicht zwischen "Klassenfahrten" und sonstigen Veranstaltungen. Auf Grundlage des die Rechte und Pflichten der Schulkonferenz regelnden § 47 Abs 5 Schulgesetz für Baden-Württemberg (SchulG) ergibt sich, dass die dort beispielhaft genannten Klassenfahrten und Schullandheimaufenthalte beide außerunterrichtliche Veranstaltungen sind. Die Bestimmung der Grundsätze über die Durchführungen dieser außerunterrichtlichen Veranstaltungen sowie ihre Genehmigung obliegen nach § 47 Abs 5 Nr 5 SchulG sowie § 45 Abs 2 SchulG iVm § 2 Abs 1 Nr 11 KonfO BW 1993(GBl 1984, 423; 1993, 515) jedoch der Gesamtlehrer- und Schulkonferenz sowie dem Schulleiter. Das heißt, das baden-württembergische Schulrecht delegiert in dem gesetzlich gesteckten Rahmen die Frage, ob und welche außerunterrichtlichen Veranstaltungen durchgeführt werden, an die einzelne Schule. Maßstab für die vom LSG diskutierte Ausgrenzungsproblematik ist mithin die Entscheidung der einzelnen Schule insoweit. Nach den Feststellungen des LSG muss davon ausgegangen werden, dass die Schule des Klägers hier den Schüleraustausch als ihrem pädagogischen Konzept entsprechend beschlossen hat.

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Diese Entscheidung der Schule hält sich auch im Rahmen der schulrechtlichen Regelungen des Landes Baden-Württemberg. Der baden-württembergische Landesgesetzgeber unterscheidet vom pädagogischen Konzept her nicht zwischen "Landschulheimaufenthalt" und "Schüleraustausch". So werden Lehr- und Studienfahrten sowie Schullandheimaufenthalte, aber auch der Schüleraustausch beispielhaft als außerunterrichtliche Veranstaltungen gewertet, die einen wichtigen Beitrag zur Entfaltung der gesamten Persönlichkeit des Schülers darstellten (Mitteilung des Rechnungshofs vom 24.6.2009 im Landtag von Baden-Württemberg, Drucks 14/4710 S 1, 3). Nach der Verwaltungsvorschrift "Außerunterrichtliche Veranstaltungen der Schulen" vom 6.10.2002 sollen sie gleichermaßen geeignet sein zur Vertiefung, Erweiterung und Ergänzung des Unterrichts und zur Entfaltung und Stärkung der Gesamtpersönlichkeit des einzelnen Schülers. Die Ziffern I.1. bis 9. der Verwaltungsvorschrift stellen unter 4. Lehr- und Studienfahrten sowie Veranstaltungen im Rahmen der politischen Bildung, 5. Schullandheimaufenthalte und 8. Schüleraustausch beispielhaft nebeneinander.

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Auch die hier erforderlich gewordenen Aufwendungen für den Schüleraustausch überschreiten den landesschulrechtlichen Rahmen nicht. Insoweit finden sich keine konkreten Vorgaben in den baden-württembergischen Regelungen. In der bereits benannten Verwaltungsvorschrift heißt es unter Ziffer II. 6. lediglich: "Die für Schüler entstehenden Kosten sind so niedrig wie möglich zu halten, müssen in einem vertretbaren Verhältnis zum Nutzen der Veranstaltung stehen und dürfen die Eltern nicht in unzumutbarem Maße belasten." Auch hier gilt, dass die Verantwortung und Entscheidungshoheit insoweit auf die einzelne Schule delegiert ist, die durch ihre Gremien im konkreten Fall beschlossen hat, dass der betreffende Austausch zu dem benannten Betrag durchgeführt werden sollte. Hinweise darauf, dass der Betrag von 1300 Euro für eine immerhin vierwöchige Reise in die USA diesen Vorgaben widersprechen könnte, finden sich nach den Feststellungen des LSG nicht. Der zu zahlende Betrag ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch eher niedrig, denn zu hoch.

25

4. Ein Anspruch des Klägers nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II scheidet nicht schon deswegen aus, weil er sich nach Antragstellung mit Hilfe von ehemaligen Geschäftsfreunden seines Vaters den zur Teilnahme an dem Schüleraustausch erforderlichen Geldbetrag selbst beschafft hat. Die Zahlung der Geschäftsfreunde des Vaters sollten nach den Feststellungen des LSG die fehlende Unterstützung durch den Beklagten lediglich substituieren, sodass sie dem Kläger dann wegen einer Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung nicht entgegengehalten werden können (vgl für die Sozialhilfe BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R - SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 11; BVerwGE 90, 154). Der Kläger ist zudem nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG verpflichtet, den zur Verfügung gestellten Betrag abzuarbeiten. Wegen dieser Verpflichtung zum Abarbeiten - in der Art eines Darlehensvertrags (vgl zum Darlehensvertrag BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R - BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30) -war der zur Verfügung gestellte Geldbetrag nach den Feststellungen des LSG auch nicht zum Verbleib beim Kläger gedacht. Jedenfalls dann, wenn eine Entscheidung des Trägers der Grundsicherung die Übernahme der begehrten Aufwendungen rechtswidrig abgelehnt hatte und der Leistungsberechtigte sich den erforderlichen Geldbetrag zur Finanzierung der Teilnahme an dem Austausch selbst beschafft hat, kommt ein Kostenerstattungsanspruch in Betracht. Insoweit folgt der erkennende Senat der Rechtsprechung des 14. Senats zu der im Sozialversicherungsrecht geltenden Pflicht zur Kostenerstattung bei nicht rechtzeitiger oder zu Unrecht verweigerter Sachleistung, als allgemein gültigem Rechtsprinzip (vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41; BSG vom 30.10.2001 - B 3 KR 27/01 R - BSGE 89, 50, 56 f = SozR 3-3300 § 12 Nr 1 S 8 = juris RdNr 36). An die Stelle der ursprünglich begehrten Übernahme der Aufwendungen für die Teilnahme an dem Schüleraustausch treten dann die Schulden, die gegenüber den Dritten eingegangen worden sind (s auch BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 36/09 R).

26

5. Die Kosten sind dem Kläger nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II von dem Beklagten auch in der nunmehr im Revisionsverfahren auf die reinen Teilnahmekosten von 1300 Euro beschränkten Höhe zu erstatten. Mit dem 14. Senat geht der erkennende Senat davon aus, dass der Bedarf für eine "mehrtägige Klassenfahrt" nicht bereits deswegen zu verneinen ist, weil der Kläger auch ohne diese Leistung teilgenommen hat (vgl BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2). Dahinstehen konnte, ob der Kläger verpflichtet war, für eine Bedarfsdeckung durch Dritte, also etwa einen Förderverein zu sorgen, denn ein solcher existiert nach den bindenden Feststellungen des LSG an der Schule des Klägers nicht (vgl hierzu auch BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Auch die vorläufige Bedarfsdeckung aufgrund der Finanzierung des Schüleraustausches durch ehemalige Geschäftsfreunde des Vaters des Klägers steht dem Leistungsanspruch, wie bereits oben dargelegt, nicht entgegen.

27

6. Der Beklagte hat dem Kläger nach § 193 SGG die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Der Kläger hatte zwar bis zum Revisionsverfahren einen Betrag von 1650 Euro eingeklagt. Nach der Entscheidung des LSG, das die Aufwendungen für das Taschengeld in Höhe von 350 Euro als nicht erstattungsfähig gewertet hat, hat der Kläger sein Begehren auf den ihm nunmehr zugesprochenen Betrag von 1300 Euro beschränkt. Dies kann ihm kostenmäßig nicht zum Nachteil gereichen.

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Die Entscheidung des Berufungsgerichts über das Bestehen und den Inhalt von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, ist für die auf die Revision ergehende Entscheidung maßgebend.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 23 Besonderheiten beim Bürgergeld für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte


Beim Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 2 gelten ergänzend folgende Maßgaben:1.Als Regelbedarf wird bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 6, vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahre

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(1) Angemessene Beiträge für eine Kranken- und Pflegeversicherung sind als Bedarf anzuerkennen, soweit Leistungsberechtigte diese nicht aus eigenem Einkommen tragen können. Leistungsberechtigte können die Beiträge so weit aus eigenem Einkommen tragen

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(1) Leistungen zur Deckung von Bedarfen für 1. Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,2. Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie3. Anschaffung und Reparaturen von orthopäd

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(1) Leistungen zur Deckung von Bedarfen für

1.
Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,
2.
Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie
3.
Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten
werden gesondert erbracht.

(2) Einer Person, die Sozialhilfe beansprucht (nachfragende Person), werden, auch wenn keine Regelsätze zu gewähren sind, für einmalige Bedarfe nach Absatz 1 Leistungen erbracht, wenn sie diese nicht aus eigenen Kräften und Mitteln vollständig decken kann. In diesem Falle kann das Einkommen berücksichtigt werden, das sie innerhalb eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden worden ist.

(3) Die Leistungen nach Absatz 1 Nr. 1 und 2 können als Pauschalbeträge erbracht werden. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für einen mehrtägigen Aufenthalt in einem Schullandheim sowie für den eintägigen Besuch eines Musicals.

2

Die 1988 geborene Klägerin lebt zusammen mit ihrer Mutter, deren Ehemann und einer Halbschwester. Sie bezog seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); für die Zeit vom 1.5.2005 bis 31.10.2005 aufgrund bestandskräftigen Bescheides vom 22.4.2005. Seit dem 12.9.2005 besuchte sie eine Hauptschule in D Am 25.8.2006 beantragte der Stiefvater die Erstattung der Kosten für einen Schullandheimaufenthalt in C vom 23.9. bis 2.10.2005 in Höhe von 271 Euro sowie der Kosten für den Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 in Höhe von 32,40 Euro. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 30.8.2006 die Übernahme der Kosten ab, weil der Antrag vor Antritt der Fahrten gestellt werden müsse. Außerdem seien die Kosten bereits beglichen, sodass der Bedarf aus eigenen Mitteln habe gedeckt werden können. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.9.2006 wies die Beklagte den Widerspruch hiergegen zurück.

3

Das Sozialgericht Stuttgart hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 23.10.2007 abgewiesen. Die Kosten für den Schullandheimaufenthalt seien zwar grundsätzlich nach § 23 Abs 3 SGB II erstattungsfähig. Eine Bedarfsdeckung für die Vergangenheit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundessozialhilfegesetz jedoch nicht zulässig. Dieser Grundsatz gelte auch für das SGB II. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt bestehe schon nach dem Wortlaut des § 23 Abs 3 SGB II nicht. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 26.11.2008 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt scheitere daran, dass diese Leistung nicht rechtzeitig beantragt worden sei. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende würden nach § 37 Abs 1 SGB II nach Antragstellung erbracht. Leistungen für die Zeit vor Antragstellung könnten nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II nicht erbracht werden. Auch die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lägen nicht vor. Die Beklagte habe im maßgeblichen Bewilligungszeitraum keine Anhaltspunkte für einen Sonderbedarf der Klägerin gehabt. Allein die Kenntnis vom Schulbesuch habe noch keine konkrete Beratungspflicht ausgelöst. Für eine Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt fehle es bereits an einer Anspruchsgrundlage. § 23 Abs 3 Nr 3 SGB II erfasse ausdrücklich nur mehrtägige Klassenfahrten.

4

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasse alle Leistungen nach dem zweiten Abschnitt des SGB II. Leistungen nach § 23 SGB II müssten daher nicht gesondert beantragt werden. Da aus dem Erstantrag für die Beklagte auch erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin noch die Schule besucht habe, und deshalb entsprechend ihrem Jahrgang eine mehrtägige Klassenfahrt in Betracht kommen könnte, habe eine entsprechende Beratungspflicht der Beklagten bestanden. Der Bedarf sei auch nicht durch eigene Mittel gedeckt worden. Vielmehr seien Schulden durch eine Kontoüberziehung entstanden. Zwar seien nach dem Wortlaut des § 23 SGB II Kosten für eine eintägige Klassenfahrt nicht erstattungsfähig, es sei jedoch zu beachten, dass frühere Sozialleistungen auch eintägige Klassenfahrten umfasst hätten. Bei der Klassenfahrt zu dem Musical habe es sich um Bildungsausgaben gehandelt, die in der Regelleistung nicht berücksichtigt seien.

5

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.10.2007 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.11.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 30.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.9.2006 zu verurteilen, ihr die Kosten für den Schullandheimaufenthalt in C vom 23.9. bis 2.10.2005 in Höhe von 271 Euro sowie für den eintägigen Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 in Höhe von 32,40 Euro zu erstatten.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

7

Sie hält die angegriffenen Urteile für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, § 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), soweit sie die Erstattung von Kosten für den Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 begehrt. Im Übrigen ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet, § 170 Abs 2 Satz 2 SGG.

9

1. Streitig sind allein die Ansprüche der Klägerin auf Leistungen für Klassenfahrten nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II. Dabei handelt es sich um eigenständige abtrennbare Streitgegenstände, die isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden können (vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 13). Der Anspruch steht allein der Klägerin zu. Zwar bildet sie mit ihrer Schwester, ihrer Mutter und deren Ehemann eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II, Leistungen für Klassenfahrten stehen aber individuell nur ihr allein zu.

10

2. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 23 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014). Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig sind (Nr 3) sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Ausschlussgründe nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II liegen nicht vor.

11

3. Das LSG hat zu Recht einen Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II hinsichtlich des eintägigen Besuchs eines Musicals verneint, weil es am Tatbestandsmerkmal der Mehrtägigkeit fehlt. Anspruch auf Leistungen für Klassenfahrten besteht nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II nur, sofern sie mehrtägig sind. Das ist nur dann der Fall, wenn sie einen Zeitraum von mehr als einem Tag umfassen (vgl Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 23 RdNr 110). Kosten eintägiger Klassenfahrten sind hingegen durch die Regelleistung gedeckt (vgl Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 23 RdNr 36).

12

Die Klägerin kann die Leistung auch nicht als "Härteleistung" auf der Grundlage von Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz beanspruchen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 einen solchen zusätzlichen Anspruch nur bei einem unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligen und besonderen Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums bejaht (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.

13

4. Ob ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die mehrtägige Fahrt nach C nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3, § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) besteht, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

14

a) Entgegen der Auffassung des LSG scheitert ein Anspruch nicht bereits an einer fehlenden Antragstellung nach § 37 SGB II. Zwar hat die Klägerin ihren Bedarf nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu einem Zeitpunkt zur Kenntnis der Beklagten gebracht, als die Klassenfahrten bereits durchgeführt worden waren. Der Antrag auf Leistungen für Klassenfahrten war aber bereits von dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst.

15

Gemäß § 37 Abs 1 SGB II werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht. § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II schließt eine Leistungserbringung für Zeiten vor der Antragstellung aus. Die Vorschrift gilt uneingeschränkt für alle Leistungen der Grundsicherung (vgl Link in Eicher/Spellbrink, aaO, § 37 RdNr 2). Sie statuiert ein konstitutives Antragserfordernis, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustehen (vgl BT-Drucks 15/1516 S 62; Urteile des Senats vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23 und vom 7.5.2009 - B 14 AS 13/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Antrag nach dem SGB II ist eine einseitige empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - soweit sich nicht aus sozialrechtlichen Bestimmungen Anderweitiges ergibt - die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung finden (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 56/08 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Antragsteller bringt zum Ausdruck, dass Leistungen vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt werden. Welche Leistungen ein Antrag umfasst, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl Urteil des Senats vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; vgl zum Klageantrag BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen (vgl Link in Eicher/Spellbrink aaO; Striebinger in Gagel, SGB II, Stand Dezember 2009, § 37 RdNr 34). Das sind bei einem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts regelmäßig alle im 1. und 2. Unterabschnitt des 2. Abschnitts des 3. Kapitels SGB II genannten Leistungen (vgl auch die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zum Umfang des Antrags <37.4>). Mit dem Antrag wird ein Hilfebedarf geltend gemacht, der alle Leistungen umfasst, die der Sicherung des Lebensunterhalts in Form des Arbeitslosengeld II dienen. Bei den in § 23 Abs 3 SGB II vorgesehenen Leistungen handelt es sich zwar um einmalige Sonderbedarfe(vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2 RdNr 11; Urteile vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen und vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das Erfordernis einer besonderen Bedarfslage ändert aber nichts an der Zuordnung dieser Leistungen zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Auch ihre prozessuale Behandlung als eigenständiger Streitgegenstand führt nicht dazu, dass die Leistung gesondert beantragt werden müsste. Ein solches Erfordernis lässt sich § 37 SGB II nicht entnehmen. Die Vorschrift enthält keine Antragsbestimmungen für einzelne Leistungen, sondern fordert lediglich unspezifisch einen Antrag.

16

b) Da über den Bewilligungszeitraum, in dem der Schullandheimaufenthalt stattfand, bereits bestandskräftig entschieden worden war, war über den Anspruch nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 SGB X zu entscheiden. Das LSG wird zunächst im Einzelnen zu ermitteln haben, welche Bedarfe iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II tatsächlich bestanden haben. Ein Bedarf ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil die Klägerin auch ohne die begehrte Leistung tatsächlich teilgenommen hat.

17

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Kosten für Tagesfahrten, die einer mehrtägigen Klassenfahrt vorangingen.

2

Der 1992 geborene Kläger lebt mit seinen Eltern in einem Haushalt und besuchte im Schuljahr 2006/2007 die 9. Klasse der G-Schule in Bochum. Die Familienangehörigen bezogen unter anderem vom 1.11.2006 bis zum 30.4.2007 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II; Fortzahlungsantrag vom 12.9.2006; Bescheid der Beklagten vom 20.9.2006).

3

Am 18.9.2006 beantragte der Kläger Leistungen für eine Klassenfahrt vom 2.2.2007 bis 10.2.2007 nach Südtirol in Höhe von 285 Euro sowie für zwei vorausgehende Tagesfahrten nach Winterberg von jeweils 30 Euro (Fahrt und Liftpass) und legte als Nachweis eine Bescheinigung der Schule vor. Der Antrag blieb zunächst ohne Erfolg (Bescheid vom 21.12.2006), auf den Widerspruch hin bewilligte die Beklagte sodann einen Betrag in Höhe von 260 Euro (Änderungsbescheid vom 11.1.2007). Der Widerspruch war im Übrigen erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.1.2007). Der Kläger nahm am 25.1.2007 und 29.1.2007 an den beiden Tagesfahrten, die wegen Schneemangels nach Bottrop (in die dortige Skihalle) verlegt worden waren, und vom 2. bis zum 10.2.2007 an der Klassenfahrt nach Südtirol teil.

4

Im laufenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Beklagte mit Bescheid vom 25.7.2007 weitere 25 Euro gezahlt und damit die Kosten für die Fahrt nach Südtirol insgesamt übernommen. Das SG hat eine Auskunft der Schule des Klägers vom 1.3.2007 eingeholt, wonach die der Klassenfahrt vorangegangenen Tagesfahrten zum Sportkompaktkurs "Fahren, Rollen, Gleiten" als Vorbereitung und integrierter Bestandteil der Skifahrt gehörten. Es hat die Beklagte sodann zur Zahlung weiterer 60 Euro für die Tagesfahrten nach Bottrop verurteilt (Urteil vom 14.1.2008).

5

Auf die Berufung der Beklagten hin hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.11.2008). Im Rahmen des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II seien nur Kosten für solche "mehrtägige Klassenfahrten" übernahmefähig, die mindestens ununterbrochen an zwei Tagen stattfänden und durch Übernachtungen außerhalb der Wohnung des Schülers miteinander verbunden seien. Kriterium sei die von der Schule bzw begleitenden Lehrkräften übernommene Verantwortung für die Schüler, die sich ununterbrochen über mehr als einen Tag erstrecken müsse, wie sich aus den Regelungen der Richtlinien für Schulwanderungen und Schulfahrten (Wanderrichtlinien ) für das Land Nordrhein-Westfalen ergebe. Die Tagesveranstaltungen mit Skiunterricht in der Skihalle Bottrop hätten dagegen am jeweiligen Tag morgens mit der gemeinsamen Abreise nach Bottrop begonnen und am jeweils gleichen Tag mit der Rückkehr nach Bochum geendet. Eine zeitliche Nähe und/oder ein inhaltlicher bzw unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Tagesveranstaltungen und der mehrtägigen Klassenfahrt qualifiziere die Tagesfahrten nicht zu einer mehrtägigen Klassenfahrt. Schließlich wäre dem Kläger und seinen Eltern hier ein längerfristiges Ansparen eines Teilbetrages grundsätzlich zumutbar gewesen; selbst wenn sie hierzu finanziell nicht in der Lage gewesen wären, hätte ein Darlehen gemäß § 23 Abs 1 SGB II beantragt werden können.

6

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er macht eine Verletzung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II geltend. Die Kosten für die Schulfahrt hätten insgesamt 345 Euro betragen, entsprechend sei sie nach den maßgeblichen landesrechtlichen Bestimmungen genehmigt worden. Insbesondere die Begrenzung der Kosten durch Verkürzung des Aufenthalts in Südtirol und die Durchführung der Ski-Grundausbildung an zwei vorangehenden Tagen habe dem Gebot der Kostenminimierung in Ziffer 2.2 WRL entsprochen. Eine Begrenzung der dadurch entstehenden Kosten (etwa eine Kürzung um Nebenkosten, wie sie hier durch die Vorbereitungstage angefallen seien) sei dem Landesgesetzgeber im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen vorbehalten (Hinweis auf BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Im Übrigen rügt er die Kostenentscheidung des LSG, die nicht berücksichtige, dass die Beklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens ein Teilanerkenntnis abgegeben habe.

7

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20.11.2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14.1.2008 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend. Im Ergebnis habe die Schule zwar auf einem Antragsvordruck über die Durchführung gleich dreier Schulfahrten entschieden. Ob dies nach den WRL zulässig sei, könne dahinstehen. Allein die Form der Antragstellung entscheide nicht über die rechtliche Qualifikation einer schulischen Veranstaltung. Aus dem Antragsvordruck ergebe sich eindeutig, dass die Kosten für die mehrtägige Schulfahrt lediglich 285 Euro betrügen und die weiteren Kosten nicht Nebenkosten dieser Veranstaltung, sondern Hauptkosten zweier Tagesveranstaltungen seien.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

11

1. Streitgegenstand sind allein die begehrten Kosten der Klassenfahrt. Bei dem Anspruch auf Leistungen für Erstausstattungen gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 SGB II handelt es sich um einen Individualanspruch desjenigen, der den entsprechenden Bedarf geltend macht. Gegenstand des Verfahrens sind mithin die Bescheide vom 21.12.2006 und vom 11.1.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.1.2007 sowie der Bescheid vom 25.7.2007, mit denen der Träger der Grundsicherung eine eigenständige Entscheidung über die begehrten Kosten gesondert von der Entscheidung über die übrigen (insoweit mit Bescheid vom 20.9.2006 bewilligten) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Bewilligungsabschnitt vom 1.11.2006 bis zum 30.4.2007 getroffen hat. Dieses Vorgehen des Trägers der Grundsicherung ist zulässig. Über den Anspruch auf Kosten einer Klassenfahrt, der auch ohne ausdrückliche Antragstellung vom Antrag auf insgesamt bedarfsdeckende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den jeweiligen Bewilligungsabschnitt umfasst ist (vgl Urteil des Senats vom heutigen Tage - B 14 AS 6/09 R), kann isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen entschieden werden. Der Anspruch kann in der Folge auch isoliert gerichtlich geltend gemacht werden (zum Anspruch auf eine Erstausstattung für die Wohnung gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II vgl BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, jeweils RdNr 12 und BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - juris RdNr 9, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; zum Anspruch auf Gewährung von Kosten für Klassenfahrten BSGE 102, 68 = SozR 4-4300 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 13). Deshalb war nicht zu überprüfen, ob die im Übrigen gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Höhe nach richtig bemessen waren. Die Höhe der laufenden Regelleistung für den Bewilligungsabschnitt, für den auch die Sonderbedarfe geltend gemacht werden, hat der Kläger nicht angegriffen. Der Bescheid vom 20.9.2006 ist bestandskräftig geworden.

12

2. Grundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II, wonach Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst sind und gemäß § 23 Abs 3 Satz 2 SGB II gesondert erbracht werden. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs 1, Abs 2 iVm §§ 28 Abs 1, 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014) dem Grunde nach. Er lebt mit seinen erwerbsfähigen, hilfebedürftigen Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 Nr 1 und 4 SGB II), weshalb er (vor Vollendung seines 15. Lebensjahres im April 2007) als nicht erwerbsfähiger Angehöriger Sozialgeld beanspruchen kann. Dieser Anspruch umfasst auch die Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.

13

Bei der Fahrt nach Südtirol in der Zeit vom 2. bis 10.2.2007 handelt es sich nach den Feststellungen des LSG um eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Nordrhein-Westfalen, was zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig ist. Ob der Anspruch des Klägers auf Leistungen für Klassenfahrten dabei auch die Kosten für die beiden Tagesfahrten umfasst, kann der Senat gleichwohl nicht abschließend entscheiden. Entgegen der Auffassung des LSG ist für den Umfang der Kostenpflicht der Beklagten zunächst entscheidend, ob eine Teilnahme an der mehrtägigen Klassenfahrt ohne eine vorherige Teilnahme an den beiden Tagesveranstaltungen in der Skihalle Bottrop möglich war oder nicht. Waren die mehrtägige Klassenfahrt und die beiden Tagesfahrten untrennbar miteinander verknüpft, gehören die Kosten der Tagesfahrten dann zu den Leistungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II, wenn diese Verknüpfung im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Nordrhein-Westfalen zulässig war.

14

3. Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende die tatsächlichen Kosten mehrtägiger Klassenfahrten ohne Beschränkung auf einen Höchstbetrag zu übernehmen, wenn die Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen stattfindet und das Schulrecht selbst keine Kostenobergrenze für Klassenfahrten vorsieht (vgl bereits BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1).

15

a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass allein mehrtägige Fahrten einen Anspruch auf Leistungen für Klassenfahrten auslösen (vgl Urteil des Senats vom heutigen Tage B 14 AS 6/09 R, juris RdNr 11). Bei einer mehrtägigen Klassenfahrt iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II handelt es sich schon nach dem Wortlaut um eine Fahrt, die sich über mehrere Tage erstreckt. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift werden Kosten für solche Fahrten erfasst, die dabei zumindest eine Übernachtung außerhalb der Wohnung des Schülers notwendig machen (vgl Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 23 RdNr 110). Die Kosten für solche Fahrten gehen nämlich gerade wegen der notwendig werdenden Übernachtungen regelmäßig über die Beträge hinaus, die noch aus der Regelleistung aufgebracht werden können. Kosten eintägiger Klassenfahrten sind hingegen durch die Regelleistung gedeckt (vgl Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 23 RdNr 36); im Hinblick auf diese Kosten kommt nur die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs 1 SGB II in Betracht.

16

b) Wenn und soweit eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen durchgeführt worden ist, sind alle Kosten der Fahrt zu übernehmen, die mit ihr in untrennbarem Zusammenhang stehen. Von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II erfasst sind mithin auch solche Kosten für Vorbereitungstage, die mit einer Teilnahme an der sich anschließenden mehrtägigen Fahrt untrennbar verbunden sind, sofern diese Verbindung schulrechtlich zulässig ist. Dies folgt aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Um die Ausgrenzung von Schülern aus einkommensschwachen Familien zu verhindern und vor dem Hintergrund, dass Schulfahrten ein wichtiger Bestandteil der Erziehung durch die Schulen sind, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers im Anwendungsbereich des SGB II wie nach § 31 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) die tatsächlichen Kosten für Klassenfahrten übernommen werden, um eine Teilnahme zu gewährleisten(vgl die Gesetzesbegründung zu § 31 SGB XII in BT-Drucks 15/1514 S 60, rechte Spalte zu § 32 und ausführlich dazu BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 17). Der Senat hat bereits entschieden, dass eine Begrenzung der Kosten auf Pauschalen aus diesem Grund nicht in Betracht kommt (aaO RdNr 16). Es soll eine Freistellung von sämtlichen Kosten erfolgen, die mit der Teilnahme an der Klassenfahrt einhergehen. Hängt die Teilnahme an einer mehrtägigen Klassenfahrt also in schulrechtlich zulässiger Weise von der vorherigen Teilnahme an einer eintägigen Veranstaltung ab, gehören auch diese Kosten zum Leistungsumfang nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II.

17

c) Das LSG wird daher in einem ersten Schritt zu ermitteln haben, ob über den auch von ihm angenommenen "Sachzusammenhang" zwischen den Tagesfahrten in die Skihalle und der mehrtägigen Klassenfahrt nach Südtirol hinaus eine Teilnahme an der mehrtägigen Klassenfahrt ausschließlich dann möglich gewesen ist, wenn der Schüler zuvor auch die beiden eintägigen Vorbereitungskurse besucht hat. Soweit dies der Fall war, handelt es sich auch bei Kosten für die Vorbereitungskurse um Kosten einer mehrtägigen Klassenfahrt.

18

In diesem Fall wird das LSG in einem weiteren Schritt auf Grundlage der landesrechtlichen Bestimmungen zu überprüfen haben, ob eine solche aus Einzeltagen und einer mehrtägigen Fahrt zusammengesetzte Fahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen zulässig ist, die gesamte Fahrt also im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen stattgefunden hat, wie es § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II voraussetzt. Nur soweit dies nicht der Fall war, könnten die Kostenübernahme begrenzt sein. Diese Prüfung, die der revisionsgerichtlichen Kontrolle entzogen ist (vgl § 162 SGG), hat das LSG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - bislang nicht durchgeführt.

19

Das LSG wird auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben und dabei - neben den Kosten des Revisionsverfahrens - das im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens erfolgte Teilanerkenntnis der Beklagten in seine Entscheidung einzubeziehen haben.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für einen mehrtägigen Aufenthalt in einem Schullandheim sowie für den eintägigen Besuch eines Musicals.

2

Die 1988 geborene Klägerin lebt zusammen mit ihrer Mutter, deren Ehemann und einer Halbschwester. Sie bezog seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); für die Zeit vom 1.5.2005 bis 31.10.2005 aufgrund bestandskräftigen Bescheides vom 22.4.2005. Seit dem 12.9.2005 besuchte sie eine Hauptschule in D Am 25.8.2006 beantragte der Stiefvater die Erstattung der Kosten für einen Schullandheimaufenthalt in C vom 23.9. bis 2.10.2005 in Höhe von 271 Euro sowie der Kosten für den Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 in Höhe von 32,40 Euro. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 30.8.2006 die Übernahme der Kosten ab, weil der Antrag vor Antritt der Fahrten gestellt werden müsse. Außerdem seien die Kosten bereits beglichen, sodass der Bedarf aus eigenen Mitteln habe gedeckt werden können. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.9.2006 wies die Beklagte den Widerspruch hiergegen zurück.

3

Das Sozialgericht Stuttgart hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 23.10.2007 abgewiesen. Die Kosten für den Schullandheimaufenthalt seien zwar grundsätzlich nach § 23 Abs 3 SGB II erstattungsfähig. Eine Bedarfsdeckung für die Vergangenheit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundessozialhilfegesetz jedoch nicht zulässig. Dieser Grundsatz gelte auch für das SGB II. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt bestehe schon nach dem Wortlaut des § 23 Abs 3 SGB II nicht. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 26.11.2008 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt scheitere daran, dass diese Leistung nicht rechtzeitig beantragt worden sei. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende würden nach § 37 Abs 1 SGB II nach Antragstellung erbracht. Leistungen für die Zeit vor Antragstellung könnten nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II nicht erbracht werden. Auch die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lägen nicht vor. Die Beklagte habe im maßgeblichen Bewilligungszeitraum keine Anhaltspunkte für einen Sonderbedarf der Klägerin gehabt. Allein die Kenntnis vom Schulbesuch habe noch keine konkrete Beratungspflicht ausgelöst. Für eine Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt fehle es bereits an einer Anspruchsgrundlage. § 23 Abs 3 Nr 3 SGB II erfasse ausdrücklich nur mehrtägige Klassenfahrten.

4

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasse alle Leistungen nach dem zweiten Abschnitt des SGB II. Leistungen nach § 23 SGB II müssten daher nicht gesondert beantragt werden. Da aus dem Erstantrag für die Beklagte auch erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin noch die Schule besucht habe, und deshalb entsprechend ihrem Jahrgang eine mehrtägige Klassenfahrt in Betracht kommen könnte, habe eine entsprechende Beratungspflicht der Beklagten bestanden. Der Bedarf sei auch nicht durch eigene Mittel gedeckt worden. Vielmehr seien Schulden durch eine Kontoüberziehung entstanden. Zwar seien nach dem Wortlaut des § 23 SGB II Kosten für eine eintägige Klassenfahrt nicht erstattungsfähig, es sei jedoch zu beachten, dass frühere Sozialleistungen auch eintägige Klassenfahrten umfasst hätten. Bei der Klassenfahrt zu dem Musical habe es sich um Bildungsausgaben gehandelt, die in der Regelleistung nicht berücksichtigt seien.

5

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.10.2007 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.11.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 30.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.9.2006 zu verurteilen, ihr die Kosten für den Schullandheimaufenthalt in C vom 23.9. bis 2.10.2005 in Höhe von 271 Euro sowie für den eintägigen Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 in Höhe von 32,40 Euro zu erstatten.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

7

Sie hält die angegriffenen Urteile für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, § 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), soweit sie die Erstattung von Kosten für den Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 begehrt. Im Übrigen ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet, § 170 Abs 2 Satz 2 SGG.

9

1. Streitig sind allein die Ansprüche der Klägerin auf Leistungen für Klassenfahrten nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II. Dabei handelt es sich um eigenständige abtrennbare Streitgegenstände, die isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden können (vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 13). Der Anspruch steht allein der Klägerin zu. Zwar bildet sie mit ihrer Schwester, ihrer Mutter und deren Ehemann eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II, Leistungen für Klassenfahrten stehen aber individuell nur ihr allein zu.

10

2. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 23 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014). Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig sind (Nr 3) sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Ausschlussgründe nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II liegen nicht vor.

11

3. Das LSG hat zu Recht einen Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II hinsichtlich des eintägigen Besuchs eines Musicals verneint, weil es am Tatbestandsmerkmal der Mehrtägigkeit fehlt. Anspruch auf Leistungen für Klassenfahrten besteht nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II nur, sofern sie mehrtägig sind. Das ist nur dann der Fall, wenn sie einen Zeitraum von mehr als einem Tag umfassen (vgl Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 23 RdNr 110). Kosten eintägiger Klassenfahrten sind hingegen durch die Regelleistung gedeckt (vgl Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 23 RdNr 36).

12

Die Klägerin kann die Leistung auch nicht als "Härteleistung" auf der Grundlage von Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz beanspruchen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 einen solchen zusätzlichen Anspruch nur bei einem unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligen und besonderen Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums bejaht (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.

13

4. Ob ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die mehrtägige Fahrt nach C nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3, § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) besteht, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

14

a) Entgegen der Auffassung des LSG scheitert ein Anspruch nicht bereits an einer fehlenden Antragstellung nach § 37 SGB II. Zwar hat die Klägerin ihren Bedarf nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu einem Zeitpunkt zur Kenntnis der Beklagten gebracht, als die Klassenfahrten bereits durchgeführt worden waren. Der Antrag auf Leistungen für Klassenfahrten war aber bereits von dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst.

15

Gemäß § 37 Abs 1 SGB II werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht. § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II schließt eine Leistungserbringung für Zeiten vor der Antragstellung aus. Die Vorschrift gilt uneingeschränkt für alle Leistungen der Grundsicherung (vgl Link in Eicher/Spellbrink, aaO, § 37 RdNr 2). Sie statuiert ein konstitutives Antragserfordernis, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustehen (vgl BT-Drucks 15/1516 S 62; Urteile des Senats vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23 und vom 7.5.2009 - B 14 AS 13/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Antrag nach dem SGB II ist eine einseitige empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - soweit sich nicht aus sozialrechtlichen Bestimmungen Anderweitiges ergibt - die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung finden (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 56/08 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Antragsteller bringt zum Ausdruck, dass Leistungen vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt werden. Welche Leistungen ein Antrag umfasst, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl Urteil des Senats vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; vgl zum Klageantrag BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen (vgl Link in Eicher/Spellbrink aaO; Striebinger in Gagel, SGB II, Stand Dezember 2009, § 37 RdNr 34). Das sind bei einem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts regelmäßig alle im 1. und 2. Unterabschnitt des 2. Abschnitts des 3. Kapitels SGB II genannten Leistungen (vgl auch die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zum Umfang des Antrags <37.4>). Mit dem Antrag wird ein Hilfebedarf geltend gemacht, der alle Leistungen umfasst, die der Sicherung des Lebensunterhalts in Form des Arbeitslosengeld II dienen. Bei den in § 23 Abs 3 SGB II vorgesehenen Leistungen handelt es sich zwar um einmalige Sonderbedarfe(vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2 RdNr 11; Urteile vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen und vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das Erfordernis einer besonderen Bedarfslage ändert aber nichts an der Zuordnung dieser Leistungen zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Auch ihre prozessuale Behandlung als eigenständiger Streitgegenstand führt nicht dazu, dass die Leistung gesondert beantragt werden müsste. Ein solches Erfordernis lässt sich § 37 SGB II nicht entnehmen. Die Vorschrift enthält keine Antragsbestimmungen für einzelne Leistungen, sondern fordert lediglich unspezifisch einen Antrag.

16

b) Da über den Bewilligungszeitraum, in dem der Schullandheimaufenthalt stattfand, bereits bestandskräftig entschieden worden war, war über den Anspruch nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 SGB X zu entscheiden. Das LSG wird zunächst im Einzelnen zu ermitteln haben, welche Bedarfe iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II tatsächlich bestanden haben. Ein Bedarf ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil die Klägerin auch ohne die begehrte Leistung tatsächlich teilgenommen hat.

17

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 21. April 2010 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob und ggf in welcher Höhe die Klägerin einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Wohnungserstausstattung hat.

2

Die 1973 geborene Klägerin arbeitete seit 1999 für die Firma S Wegen eines Wechsels ihres Arbeitgebers nach Spanien im Jahre 2003 entschloss sie sich, dort für ihn tätig zu werden und zog - mit Übernahme der Transportkosten durch den Arbeitgeber - mit ihrem gesamten Hausstand in eine von diesem angemietete Wohnung in S/Mallorca. Zum 15.4.2006 kündigte der Arbeitgeber ihr aus wirtschaftlichen Gründen. Die Klägerin erhielt nach ihrer Rückkehr nach Bremen von dem Beklagten ab 20.4.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

3

Den Antrag auf Erstausstattung einer Wohnung vom 10.9.2006 begründete die Klägerin damit, dass ihr Arbeitgeber ihr angeboten habe, die Möbel und den gesamten Haushalt in Spanien einzulagern. Als sie ihm telefonisch mitgeteilt habe, dass sie zum 1.10.2006 den gesamten Hausstand benötige, habe er ihr gesagt, dass die ganzen Möbel "weg seien". Sie besitze nur noch einen "Koffer mit Klamotten". Der Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 18.9.2006; Widerspruchsbescheid vom 11.10.2006).

4

Das VG Bremen hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten entsprechend dem Klageantrag verurteilt, der Klägerin für eine Erstausstattung 1003,90 Euro zu gewähren (Urteil vom 13.12.2007). Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten, weil sie ohne eigenen Hausrat sei. Zur Überzeugung der Kammer habe sie einen eigenen Haushalt in Spanien gehabt, der untergegangen sei. Der Anspruch werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie den Verlust des Hausstandes nicht bei der spanischen Polizei angezeigt und keine zivilrechtlichen Schritte gegen den Arbeitgeber eingeleitet habe. Auch der Umstand, dass die Klägerin sich in der Zwischenzeit von einer Freundin Möbel geliehen habe, schließe den Anspruch nicht aus. Der Beklagte habe die Höhe der Wohnungserstausstattung nach seinen Verwaltungsanweisungen zu § 23 Abs 3 Satz 5 SGB II auf 1003,90 Euro pauschaliert.

5

Auf die Berufung des Beklagten hat das OVG Bremen das Urteil des VG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 21.4.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht ausgeführt, eine Ersatzbeschaffung für eine Wohnungsausstattung komme nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht, etwa bei Zerstörung einer Wohnung durch Brand oder bei längerer Haft. Ein vergleichbarer Ausnahmefall könne indes unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls nicht angenommen werden. Selbst wenn man der Klägerin den Verlust ihrer Wohnungseinrichtung in Spanien "abnehme", scheide die Gewährung von Sozialleistungen für eine (erneute) Wohnungserstausstattung aus, weil sie den Verlust durch fahrlässiges Verhalten mit zu verantworten und nicht das ihr Zumutbare unternommen habe, um den (vollständigen und ersatzlosen) Verlust abzuwenden. Angesichts der Veränderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen ihres Arbeitgebers habe sie nicht damit rechnen dürfen, dass ihr Arbeitgeber für den Rücktransport der Möbel in gleicher Weise wie für den Hintransport sorge. Unabhängig hiervon sei es von ihr fahrlässig gewesen, den Hausstand einschließlich aller persönlichen Dinge in der beschriebenen Art in einer von dem Arbeitgeber angemieteten Garage unterzustellen und dort für längere Zeit zu lagern. Selbstständig tragend komme hinzu, dass die Klägerin nichts unternommen habe, nachdem ihr früherer Arbeitgeber ihr mitgeteilt habe, dass die Möbel verschwunden seien. Es sei ihr ohne Weiteres zuzumuten gewesen, die notwendigen Erkundigungen einzuholen (zB bei einem spanischen Konsulat) und sodann weitere Schritte einzuleiten, wie etwa eine Kontaktaufnahme mit dem Vermieter ihres früheren Arbeitgebers und die Aufgabe einer Strafanzeige bei der spanischen Polizei.

6

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II. Das BSG habe bereits entschieden, dass der Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II bedarfsbezogen zu verstehen sei. Entscheidend sei, ob ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung bestehe, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und Einrichtungsgegenstände gedeckt sei. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG und der Motive des Gesetzgebers liege hier ein Ausnahmefall vor, in dem wegen des Untergangs des vorhandenen Mobiliars von einer "Erstausstattung" auszugehen sei. Da der Beklagte nach dem Inhalt der Verwaltungsanweisungen in Bremen stets Pauschalen bewillige, belaufe sich der zuzusprechende Geldbetrag auf 1003,90 Euro. Unabhängig von seinem Vorliegen führe das vom Berufungsgericht festgestellte fahrlässige Verhalten nicht zu einem Wegfall des Anspruchs. Insofern habe das BSG bereits betont, dass eine "Verwirkung" des Anspruchs auf Erstausstattung - entsprechend den Voraussetzungen des § 34 Abs 1 SGB II - nur bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten möglich sei(Hinweis auf BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 45/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 5).

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 21. April 2010 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 13. Dezember 2007 zurückzuweisen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

9

Er nimmt auf die Begründung des Berufungsurteils Bezug.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des OVG und Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Niedersachsen-Bremen begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

11

1. Streitgegenstand ist allein ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen für die Wohnungserstausstattung nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II. Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen, abtrennbaren Streitgegenstand, über den isoliert und unabhängig von den übrigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entschieden werden kann (vgl zB BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, RdNr 12; BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4 RdNr 9).

12

Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Zwar ist bei Streitigkeiten um eine Wohnungserstausstattung regelmäßig die sog Verpflichtungsbescheidungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) die statthafte Klageart, weil der Hilfebedürftige einen gebundenen Rechtsanspruch nur im Hinblick auf das "Ob" und nicht auch auf das "Wie" der Leistungserbringung nach § 23 Abs 3 Satz 5 SGB II hat. Es steht regelmäßig im pflichtgemäßen Auswahlermessen des Grundsicherungsträgers, ob er die Leistung als Sachleistung oder als (gegebenenfalls pauschalierte) Geldleistung erbringt und in welcher Höhe er diesen Anspruch erfüllt (vgl BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4 RdNr 10; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 45/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 19). Vorliegend erbringt der Beklagte die Leistungen der Wohnungserstausstattung nach der Verwaltungsanweisung der Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales in Bremen zu § 23 Abs 3 SGB II, in der ausschließlich Pauschalbeträge ua für die Erstausstattung von Wohnungen einschließlich Haushaltsgeräten vorgesehen sind, aus denen bei Vorhandensein von Möbeln und Haushaltsgeräten entsprechende Geldbeträge herauszurechnen sind(Nr 2.1 iVm Anlage 1 "Teilpauschalen"). Da das Ermessen somit bereits durch Verwaltungsbinnenrecht im Sinne von pauschalen Geldleistungen gebunden ist, besteht bei Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen von vornherein ein Anspruch der Klägerin auf Geldleistungen (vgl BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 36/09 R - RdNr 14, 21).

13

Gegenstand des Verfahrens ist auch die Höhe des vom VG ausgeurteilten Pauschalbetrags, weil der Beklagte neben dem Bestreiten eines Anspruchs dem Grunde nach im Berufungsverfahren auch vorgetragen hat, die Klägerin sei nach dem Ergebnis eines Hausbesuchs am 30.10.2007 weitgehend eingerichtet und habe bisher nicht nachgewiesen, dass die nach ihrem Vortrag nur geliehenen Einrichtungsgegenstände zurückgefordert werden könnten. Entsprechend dem erstinstanzlichen Klageantrag, dem Tenor des VG-Urteils und in Ermangelung einer Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil ist die streitige Höhe des Pauschalbetrags für die Wohnungsausstattung jedoch auf den (auch in den Verwaltungsanweisungen) vorgesehenen Höchstbetrag von 1003,90 Euro begrenzt.

14

2. Das OVG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Erstausstattung nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II schon dem Grunde nach nicht besteht.

15

Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II, also ua die von der Regelleistung nicht umfassten Leistungen für Erstausstattungen der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten(§ 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II), Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Diese allgemeinen Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen des OVG hier vor.

16

§ 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II bestimmt, dass Leistungen für Erstausstattungen der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten gesondert erbracht werden. Der Anspruch ist - entsprechend den anderen Leistungen des SGB II - bedarfsbezogen zu verstehen. Entscheidend ist, ob erstmals ein Bedarf entsteht (BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, RdNr 19). In Abgrenzung zu einem Erhaltungs- und Ergänzungsbedarf, der aus der Regelleistung zu bestreiten ist, kommt eine Wohnungserstausstattung aber auch bei einem erneuten Bedarfsanfall in Betracht, wenn der Hilfebedürftige nachweist, dass er - regelmäßig im Zusammenhang mit besonderen Ereignissen - über die nunmehr notwendigen Ausstattungsgegenstände bisher nicht oder nicht mehr verfügt. Von den in den Gesetzesmaterialien beispielhaft genannten Bedarfen für eine Wohnungserstausstattung, zB nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft (BT-Drucks 15/1514 S 60 zum gleichlautenden § 32 Abs 1 SGB XII), steht jedenfalls der Wohnungsbrand für Konstellationen, bei denen - nach dem Willen des Gesetzgebers - Leistungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II für einen erneuten Bedarfsanfall im Sinne einer Ersatzbeschaffung als "Wohnungserstausstattung" gewährt werden können. Entsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass der erstmaligen Ausstattung einer Wohnung wertungsmäßig diejenigen Fälle einer Ersatzbeschaffung gleichzustellen sind, bei denen vorhandene Ausstattungsgegenstände allein durch einen vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzug in eine angemessene Wohnung unbrauchbar werden (BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4 RdNr 14 f). Gleiches gilt unter Berücksichtigung der gebotenen bedarfsbezogenen Betrachtungsweise, wenn die Wohnungsausstattung bei einem Zuzug aus dem Ausland (zB durch die besonderen Umstände des Umzugs) untergegangen ist (vgl bejahend für den Zuzug aus dem Ausland: O. Loose in GK-SGB II, § 23 RdNr 36, Stand 11/2009; zum inhaltsgleichen § 24 SGB II idF ab 1.1.2011: Bender in Gagel, SGB II/SGB III, § 24 SGB II RdNr 58, Stand Juni 2011; vgl Behrend in jurisPK-SGB II, § 24 SGB II RdNr 52, Stand 8/2011). Auch diese Fallgestaltungen sind grundsätzlich von einer Ersatzbeschaffung für Wohnungserstausstattung nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II umfasst.

17

Soweit das OVG meint, ein den Fallgestaltungen in den Gesetzesmaterialien vergleichbarer Sachverhalt liege nicht vor, weil die Klägerin - auch bei unterstelltem tatsächlichen Verlust - diesen Verlust durch fahrlässiges Verhalten mit zu verantworten habe, geht es von unzutreffenden rechtlichen Überlegungen aus. Insofern verbindet das OVG die gebotene ausschließlich bedarfsbezogene Betrachtungsweise hinsichtlich des Vorhandenseins eines Bedarfs an Wohnungserstausstattung in unzulässiger Weise mit der Frage nach den Ursachen der Hilfebedürftigkeit und Verschuldensgesichtspunkten. Mit dem 14. Senat geht auch der erkennende Senat davon aus, dass Verschuldensgesichtspunkte nicht schon bei der Feststellung des Bedarfs berücksichtigt werden dürfen, weil der im SGB II zu deckende Bedarf grundsätzlich aktuell bestehen muss und auch aktuell vom Grundsicherungsträger zu decken ist (BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 45/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 15; BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 36/09 R - RdNr 17).

18

3. Ob ein Anspruch auf Wohnungserstausstattung im konkreten Fall gegeben ist, hängt mithin davon ab, ob die Klägerin eine Wohnungseinrichtung in Spanien hatte und diese tatsächlich untergegangen ist. Dies hat das OVG letztlich offen gelassen, weil es - diese Tatsachen unterstellend - den geltend gemachten Anspruch der Klägerin im Ergebnis ausschließlich wegen eines ihr zugerechneten Verhaltens im Zusammenhang mit dem Verlust der Wohnungsausstattung abgelehnt hat. Dieser Ablehnungsgrund greift jedoch nicht durch (s dazu näher unter 4).

19

Das LSG wird daher von Amts wegen (§ 103 Satz 1 SGG) aufklären und feststellen müssen, ob bei der Klägerin als Grundvoraussetzung für einen Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II überhaupt ein Bedarf für die Wohnungserstausstattung bestand. Anlass für die Annahme von verringerten Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht - etwa wegen des vom OVG erhobenen Vorwurfs eines fahrlässigen Verhaltens der Klägerin - bestehen nicht (vgl ua zur Hinweispflicht des Gerichts vor nachteiligen Schlüssen aus dem Verhalten eines Beteiligten zB BSGE 102, 181 ff = SozR 4-2500 § 109 Nr 15 RdNr 25; BSG SozR 4-1500 § 128 Nr 5 RdNr 15; BSG SozR 1500 § 103 Nr 23 und 27 mwN).

20

4. Anders als vom OVG angenommen, steht ein von diesem festgestelltes und als fahrlässig bewertetes Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit dem Verlust der Wohnungserstausstattung einem etwaigen Anspruch auch nicht wegen einer Verletzung ihrer Pflicht zur Eigenaktivität nach § 2 Abs 1 SGB II entgegen. Nach § 2 Abs 1 Satz 1 SGB II haben Hilfebedürftige in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, um ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu bestreiten. Auch dürfen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 3 Abs 3 SGB II nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann.

21

Diese Vorschriften regeln keine eigenständigen Ausschlusstatbestände. Es handelt sich vielmehr um Grundsatznormen, die durch die Regelungen insbesondere über den Einsatz von Einkommen und Vermögen bzw sonstige leistungshindernde Normen konkretisiert werden und regelmäßig nur im Zusammenhang mit ihnen Wirkung entfalten. Hierfür spricht der Standort dieser Normen in den Allgemeinen Vorschriften des Ersten Kapitels des SGB II und der Umstand, dass das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende in den §§ 31 ff SGB II konkrete Leistungsausschlussnormen enthält(vgl zur Sozialhilfe BSG Urteil vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 16/07 R - FEVS 60, 346 ff; BSG Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 ff = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 20), die hier nicht einschlägig sind.

22

Der Leistungsausschluss in der Existenzsicherung bedarf auch im Hinblick auf den Bedarfdeckungsgrundsatz einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums folgt (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09 - BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12; vgl auch BVerfGE 82, 60, 80 = SozR 3-5870 § 10 Nr 1 S 5). Bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit ist daher ausschließlich auf die gegenwärtige Lage und auf Umstände in der Vergangenheit nur insoweit abzustellen, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage ermöglichen (BVerfG Beschluss vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, 803, 807). Nicht zulässig ist es daher - wie hier geschehen - einen Anspruch allgemein wegen eines fahrlässigen Verhaltens in der Verfolgung eigener Belange in der Vergangenheit oder bloßen Mutmaßungen abzulehnen.

23

5. Kommt das LSG nach weiteren Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch auf Wohnungserstausstattung besteht, wird es noch prüfen müssen, ob und ggf in welchem Umfang durch von Freunden zwischenzeitlich zur Verfügung gestellte Möbel der Bedarf an Wohnungserstausstattung gedeckt worden ist. Sollte eine zwischenzeitliche und zulässige "Selbstbeschaffung" der begehrten Leistung vorliegen, welche die fehlende Unterstützung durch den Beklagten lediglich substituierte, kann diese der Klägerin dann wegen einer Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung nicht entgegengehalten werden (vgl für die Sozialhilfe BSG Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R - SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 11; BVerwGE 90, 154 ff). Kommt das LSG bei seinen weiteren Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die ihr überlassenen Möbel und Haushaltsgegenstände auch im Falle eines Obsiegens nicht zurückgeben muss, es sich also tatsächlich um dauerhaft zugewandte Wohnungseinrichtungsgegenstände handelt, liegt wegen eines (teilweisen) Bedarfswegfalls bei einmaligen Leistungen nach Erlass ablehnender Bescheide eine Änderung der Sachlage vor, die zu einer (teilweisen) Erledigung der Ablehnungsbescheide auf andere Weise iS des § 39 Abs 2 SGB X führt(BSG Beschluss vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 6; vgl zur Sozialhilfe: BSG Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R - BSGE 104, 213, 217 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20, RdNr 17; zur Erledigung aus Rechtsgründen vgl auch BSG Urteil vom 11.7.2000 - B 1 KR 14/99 - SozR 3-1300 § 39 Nr 7 = juris RdNr 20). Leistungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II können dann wegen Wegfalls des konkreten Bedarfs trotz ggf rechtswidriger Leistungsablehnung nicht mehr erbracht werden, weil die SGB II-Leistungen ihren Zweck der Bedarfsdeckung nicht mehr erfüllen können(vgl zur Sozialhilfe BSG Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R - BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20, RdNr 17; vgl zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses bei zwischenzeitlicher Bedarfsdeckung BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 75/10 R - RdNr 10).

24

6. Kommt das LSG zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch auf eine Wohnungserstausstattung besteht, dieser aber nur zu einem Teil zu einem späteren Zeitpunkt durch dauerhaft zur Verfügung gestellte Gegenstände der Wohnungsausstattung gedeckt worden ist, sind weitere Feststellungen zum Umfang des Anspruchs erforderlich.

25

Wie die zuständigen Senate des BSG mehrfach entschieden haben, sind Leistungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen sollen(BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, RdNr 18; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, RdNr 23 mwN). Die zu gewährende Erstausstattung muss - in Anlehnung an die Vorschrift des § 22 SGB II zur Unterkunft - nur eine angemessene Ausstattung berücksichtigen, die der Befriedigung von einfachen und grundlegenden Wohnbedürfnissen genügt(BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 53/10 R - RdNr 19, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 36/09 R - RdNr 20). Wird - wie hier - zur Erfüllung des Wohnungserstausstattungsanspruchs vom Grundsicherungsträger die Leistungsart "Geldleistung" gewählt, so kann er diese auch in Form von Pauschalbeträgen erbringen (§ 23 Abs 3 Satz 5 SGB II). Insofern ist aber eine richterliche Plausibilitätskontrolle durchzuführen, ob bei deren Bemessung iS von § 23 Abs 3 Satz 6 SGB II geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte über die Kosten von Einrichtungsgegenständen zur Stützung der Pauschalbeträge berücksichtigt worden sind(BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 45/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 20 f).

26

Ob die vom VG zugrunde gelegte Verwaltungsanweisung der Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen in Bremen den genannten Anforderungen hinsichtlich des Umfangs der zu gewährenden Erstausstattung genügt und die festgesetzten Pauschalbeträge und Teilpauschalen, insbesondere für die regelmäßig von dem Einzelposten "Küchenausstattung" erfassten Haushaltsgeräte (Herd, Kühlschrank, Waschmaschine), hinreichend abgesichert sind, wird das LSG mithin prüfen müssen (vgl BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 45/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 21; vgl auch SG Bremen Beschlüsse vom 2.3.2010 - S 23 AS 257/10 ER und vom 28.5.2009 - S 23 AS 877/09 ER).

27

7. Der Rechtsstreit ist an das LSG Niedersachsen-Bremen zurückzuverweisen, obwohl das OVG der Freien Hansestadt Bremen "das Urteil erlassen" hat (vgl § 170 Abs 2 Satz 2 SGG am Ende). Die früheren §§ 50a ff SGG, nach denen aufgrund Landesrechts die Sozialgerichtsbarkeit in bestimmten sozialrechtlichen Materien durch besondere Spruchkörper der Verwaltungsgerichte ausgeübt wurde(eingeführt durch Gesetz vom 9.12.2004, BGBl I 3302), sind mit Wirkung vom 1.1.2009 aufgehoben. Die Übergangsregelung in § 206 Abs 2 SGG sieht vor, dass Verfahren, die am 1.1.2009 bei den besonderen Spruchkörpern der Verwaltungsgerichte anhängig sind, bei diesen anhängig bleiben und entsprechend der bisherigen Rechtslage fortgeführt werden; für Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung eines besonderen Spruchkörpers, die nach dem 31.12.2008 ergehen, ist jedoch das LSG zuständig. Dieser Grundsatz, die anhängigen Verfahren in den besonderen Spruchkörpern zu belassen, diese nach Abschluss der Instanz aber der üblichen Zuständigkeitsregelung zu unterwerfen, ist auch auf das zurückverwiesene Verfahren anwendbar (vgl bereits BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R).

28

Das LSG wird ggf abschließend auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts über das Bestehen und den Inhalt von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, ist für die auf die Revision ergehende Entscheidung maßgebend.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23. April 2008 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 24. November 2006 wird zurückgewiesen.

Kosten des Rechtsstreits sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die inzwischen verstorbene Ehefrau bzw Mutter der Kläger als Tagesmutter in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig war.

2

Die im Januar 2009 verstorbene Ehefrau bzw Mutter der Kläger (im Folgenden: Betroffene) war in der Zeit vom 1.10.2001 bis 31.3.2003 als Tagesmutter regelmäßig mehr als 15 Wochenstunden selbstständig tätig. Sie betreute in dieser Zeit ganztags drei Kinder unter drei Jahren. Für diese Tagespflege erhielt sie nach dem insoweit maßgebenden Recht des Landes Mecklenburg-Vorpommern Zahlungen in Höhe von insgesamt 403 Euro je Kind monatlich. Die Zahlungen erfolgten zu 70 vH (282 Euro je Kind monatlich) aus öffentlichen Mitteln (durch das Land zu 30 vH, durch die Wohnsitzgemeinde zu 30 vH und durch den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu 10 vH) sowie zu 30 vH (121 Euro je Kind monatlich) als "Elternbeitrag" von den Eltern auf der Grundlage eines privatrechtlichen Betreuungsvertrags. Die Einkommensteuerbescheide wiesen für die Betroffene in den Veranlagungszeiträumen 2002 und 2003 positive Einkünfte aus freiberuflicher (selbstständiger) Tätigkeit in Höhe von 2607 Euro bzw 1655 Euro aus, in den Veranlagungszeiträumen 2004 und 2005 1755 Euro bzw 1796 Euro.

3

Mit Bescheid vom 8.11.2002 stellte der beklagte Rentenversicherungsträger (Deutsche Rentenversicherung Bund) fest, dass die Betroffene als Tagesmutter ab 1.10.2001 nach § 2 Satz 1 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.6.2003 zurück. Eine erwerbsmäßig ausgeübte, die Rentenversicherungspflicht begründende Tätigkeit als Tagesmutter liege - in Anlehnung an die einkommensteuerrechtliche Behandlung - nur dann nicht vor, wenn ausschließlich steuerfrei gestellte Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln bezogen würden. Werde eine Vergütung ausschließlich oder - wie hier die Elternbeiträge - auch auf privatrechtlicher Grundlage gezahlt, sei im Hinblick auf die Steuerpflichtigkeit der Vergütung Erwerbsmäßigkeit der Tätigkeit anzunehmen und damit auch Rentenversicherungspflicht.

4

Das SG hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die Betroffene für die Zeit vom 1.4.2003 an von der Rentenversicherungspflicht befreit (Bescheid vom 28.12.2006) und hat die Betroffene daraufhin ihre Klage auf die Zeit vom 1.10.2001 bis 31.3.2003 beschränkt. Auf die - insoweit weiterverfolgte - Berufung hat das LSG das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Als Tagesmutter sei die Betroffene selbstständig tätige Erzieherin und damit grundsätzlich nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI rentenversicherungspflichtig gewesen, weil sie ihre Tätigkeit im streitigen Zeitraum auch in mehr als geringfügigem Umfang ausgeübt habe. Eine solchermaßen anzunehmende Versicherungspflicht bestehe jedoch nicht, wenn die selbstständige Tätigkeit nicht erwerbsmäßig betrieben werde. Dies sei im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 22.6.2005 (B 12 R 12/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 2) anzunehmen, wenn ein ausschließlicher oder überwiegender Bezug von gemäß § 3 Nr 11 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfreien Leistungen aus öffentlichen Mitteln oder ein (bloßer) Aufwendungs- und Kostenersatz vorliege, weil dann die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht entfalle. So liege der Fall hier. Auch wenn die Tätigkeit aus Sicht der Tagesmutter mit Gewinnerzielungsabsicht verfolgt worden sei, sei aus "landesrechtlicher normativer" Sicht hier zumindest ein überwiegender Bezug steuerfreier Leistungen öffentlich-rechtlicher Leistungsträger zu bejahen, der als bloßer Aufwendungsersatz eine Gewinnerzielungsabsicht entfallen lasse.

5

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision sinngemäß eine Verletzung von § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI. Das für eine in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit erforderliche Merkmal der Erwerbsmäßigkeit bzw Gewinnerzielungsabsicht liege vor. Entscheidend dafür sei allein, ob eine Tagesmutter überhaupt Einkünfte erziele, die der Besteuerung unterlägen. Es komme nicht darauf an, ob neben steuerpflichtigen auch steuerfreie Zahlungen erfolgten.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23. April 2008 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 24. November 2006 zurückzuweisen.

7

Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Tätigkeit als Tagesmutter sei von der Betroffenen ohne Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt worden. Es seien ausschließlich öffentlich-rechtlich vermittelte Aufträge zur Kinderbetreuung ausgeführt und hierfür überwiegend aus öffentlichen Mitteln Aufwandsentschädigungen gezahlt worden. Die im geringeren Umfang erfolgten privatrechtlichen Zahlungen durch die Personensorgeberechtigten stellten ebenfalls lediglich Aufwandsentschädigungen dar.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten (Deutsche Rentenversicherung Bund) ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG der Berufung der verstorbenen Ehefrau bzw Mutter der Kläger (im Folgenden: Betroffene) stattgegeben und das die Klage abweisende Urteil erster Instanz aufgehoben. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben, die von der Betroffenen als früherer Klägerin eingelegte Berufung zurückzuweisen. Zutreffend hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 8.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.6.2003 festgestellt, dass die Betroffene in ihrer Tätigkeit als Tagesmutter vom 1.10.2001 bis 31.3.2003 nach § 2 Satz 1 SGB VI der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.

10

1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist nur noch der Zeitraum vom 1.10.2001 bis 31.3.2003, nachdem die Beklagte die Betroffene während des Berufungsverfahrens in ihrer Tätigkeit als Tagesmutter ab 1.4.2003 nach § 229 Abs 6 SGB VI von der Rentenversicherungspflicht befreit(Bescheid vom 28.12.2006) und die Betroffene ihre zulässigerweise erhobene Anfechtungsklage gegen die Bescheide der Beklagten daraufhin nur noch bezogen auf den erstgenannten Zeitraum weiterverfolgt hat.

11

2. Die Betroffene war in ihrer Tätigkeit als Tagesmutter als "Erzieherin" nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI rentenversicherungspflichtig und nicht (auch) - wie es in den angefochtenen Bescheiden heißt - als in der Kinderpflege tätige Pflegeperson nach § 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI(vgl zu dieser Unterscheidung im Einzelnen BSG Urteil vom 22.6.2005 - B 12 RA 12/04 R, SozR 4-2600 § 2 Nr 2 RdNr 7 f, 12, mwN). Sie war ausgehend von den hierzu im angegriffenen Urteil des LSG getroffenen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), selbstständig tätig (vgl zur selbstständigen Ausübung einer Tätigkeit als sog Tagesmutter etwa BSG SozR 3-4100 § 101 Nr 10 S 37, zur - alternativ - ebenso bestehenden Möglichkeit der Ausübung im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung vgl andererseits BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 40 S 157 f) und beschäftigte im Zusammenhang hiermit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer. Die Betroffene war in der Zeit vom 1.10.2001 bis 31.3.2003 nicht etwa nach § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei, weil sie eine geringfügige selbstständige Tätigkeit(§ 8 Abs 3 SGB IV) ausübte. Nach den im streitigen Zeitraum (noch) geltenden Fassungen des § 8 SGB IV war für die Annahme einer geringfügigen selbstständigen Tätigkeit nach dessen Abs 1 Nr 1 neben der Geringfügigkeit des Entgelts nämlich erforderlich, dass diese Tätigkeit regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wurde(vgl erst die Änderung des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV durch Gesetz vom 23.12.2002 mWv 1.4.2003, BGBl I 4621). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war diese - seinerzeit kumulativ zu erfüllende - zeitliche Voraussetzung nicht gegeben, sodass es hier auf die Höhe des aus der selbstständigen Tätigkeit als Tagesmutter erzielten Arbeitseinkommens für die Beurteilung der Geringfügigkeit nicht (mehr) ankommt.

12

Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung steht der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit der Betroffenen als einer der Voraussetzungen ihrer Rentenversicherungspflicht nicht entgegen, dass sie im streitigen Zeitraum aus ihrer Tätigkeit als Tagesmutter im Umfang von 70 vH - und damit überwiegend - von der Finanzverwaltung als steuerfrei angesehene Einnahmen aus öffentlichen Mitteln nach dem Recht des Landes Mecklenburg-Vorpommern erhielt. Der Senat folgt dem Berufungsgericht nicht, soweit es unter Hinweis auf eine Formulierung im Urteil des Senats vom 22.6.2005 (SozR 4-2600 § 2 Nr 2 RdNr 8) die Meinung vertritt, die Betroffene habe ihre (gesamte) Tätigkeit mit Blick auf diese Fallgestaltung deshalb ohne Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt. Der Senat hält es zunächst durchaus für überprüfungswürdig, ob es in diesem Zusammenhang für die Annahme der Rentenversicherungspflicht Selbstständiger - im Hinblick auf die Voraussetzung "selbstständige Tätigkeit" - überhaupt auf das Vorliegen eines ungeschriebenen (Tatbestands)Merkmals der "Gewinnerzielungsabsicht" ankommen kann (dazu a). Jedoch braucht er sich in diesem Punkt nicht abschließend festzulegen, weil eine solche Gewinnerzielungsabsicht der Betroffenen - wenn man sie weiter fordern will - auf der Grundlage der Feststellungen des LSG hier jedenfalls zu bejahen ist (dazu b).

13

a) Der Senat hat allerdings in der Vergangenheit, im Zusammenhang mit der Beitragsbemessung bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen in der freiwilligen Krankenversicherung (Urteil vom 26.9.1996 - 12 RK 46/95, BSGE 79, 133 = SozR 3-2500 § 240 Nr 27), mit der Antragspflichtversicherung selbstständig Erwerbstätiger in der gesetzlichen Rentenversicherung (Urteil vom 25.2.1997 - 12 RK 33/96, SozR 3-2200 § 1227 Nr 8), mit der Rentenversicherungspflicht selbstständig Tätiger (SozR 4-2600 § 2 Nr 2) und mit dem Ausschluss hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger von der Familienversicherung (Urteil vom 4.6.2009 - B 12 KR 3/08 R, SozR 4-2500 § 10 Nr 9) für die Annahme selbstständiger (Erwerbs)Tätigkeit stets als unerlässlich angesehen, dass die Tätigkeit (auch) auf die Erzielung positiver Einkünfte gerichtet war. Er hat dies zum Teil - bezogen auf die jeweilige gesetzliche Regelung - mit der Entstehungsgeschichte, dem Zweck und dem Wortlaut dieser Regelung begründet (vgl zB SozR 3-2200 § 1227 Nr 8 S 10). Zur Erläuterung hat der Senat ausgeführt, dass es nicht zum Begriff der selbstständigen (Erwerbs)Tätigkeit gehöre, dass Einkünfte, dh Arbeitseinkommen iS von § 15 SGB IV, tatsächlich erzielt werden. Die Tätigkeit müsse lediglich (subjektiv) darauf gerichtet sein, positive Einkünfte zu erzielen; das sei etwa ausgeschlossen, wenn sie der Liebhaberei diene (SozR 3-2200 § 1227 Nr 8 S 10 f).

14

Gegen das Erfordernis einer Gewinnerzielungsabsicht als Voraussetzung einer die Rentenversicherungspflicht begründenden selbstständigen Tätigkeit könnte vor allem sprechen, dass das Gesetz mit den auch für selbstständig Tätige geltenden Regelungen über die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen (Entgelt)Geringfügigkeit (§ 5 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI iVm § 8 Abs 1 Nr 1, Abs 3 SGB IV) schon ein sozialversicherungsrechtliches Instrument und Korrektiv bereithält, um für die Zuordnung zum Kreis der Rentenversicherungspflichtigen relevante von irrelevanten selbstständigen Tätigkeiten zu unterscheiden. Dem - einer genaueren Betrachtung bedürfenden - Regelungskontext des § 2 Satz 1 SGB VI könnte möglicherweise zu entnehmen sein, dass es für die Annahme von Rentenversicherungspflicht ohne Rücksicht auf subjektive Vorstellungen allein auf die Erfüllung des objektiven Tatbestandes selbstständiger Tätigkeit ankommen soll, dies mit der Folge, dass dann alle selbstständig Tätigen iS von § 2 Satz 1 SGB VI - unter den weiteren, für die einzelnen Personengruppen in Nr 1 bis 10 der Vorschrift geregelten Voraussetzungen - der Rentenversicherungspflicht unterliegen; die Frage, ob mit dieser Tätigkeit des Betroffenen Arbeitseinkommen erzielt werden "soll", hätte dann grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung mehr und die Frage, ob (tatsächlich) Arbeitseinkommen erzielt worden ist, nur insoweit, als wegen dessen Höhe Versicherungsfreiheit wegen (Entgelt)Geringfügigkeit nach § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI bestehen kann.

15

b) Einer abschließenden Festlegung des Senats zu der geschilderten Problematik bedarf es vorliegend indessen nicht, weil den Feststellungen des LSG jedenfalls zu entnehmen ist, dass die Tätigkeit der Betroffenen als Tagesmutter in der Zeit vom 1.10.2001 bis 31.3.2003 auf die Erzielung positiver Einkünfte gerichtet war. Denn eine - ggf weiterhin erforderliche - Gewinnerzielungsabsicht kann bereits daraus hergeleitet werden, dass die Betroffene Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erzielen wollte, von dem jedenfalls Teile - nämlich die von den Eltern bzw Personensorgeberechtigten der betreuten Kinder an sie geleisteten Zahlungen - einkommensteuerpflichtig waren (dazu aa). Dass und in welchem Verhältnis aus dieser Tätigkeit neben steuerpflichtigen Einkünften auch solche erzielt werden sollten, die steuerfrei waren oder einen (bloßen) Aufwendungs- und Kostenersatz darstellten, ist für die Annahme der Gewinnerzielungsabsicht ohne Bedeutung (dazu bb).

16

aa) Die von den Eltern auf der Grundlage des privatrechtlichen Betreuungsvertrags an die Betroffene geleisteten Zahlungen ("Elternbeiträge") waren nach § 18 Abs 1 Nr 3 EStG als Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit einkommensteuerpflichtig. Sie waren nicht nach § 3 Nr 11 EStG(oder § 3 Nr 26 EStG) steuerfrei. Wie sich aus dem vom LSG herangezogenen und angewandten einschlägigen Landesrecht ebenfalls ergibt, stellten die Zahlungen auch keinen (bloßen) Aufwendungs- und Kostenersatz dar.

17

Nach § 10 Abs 5 und Abs 9 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Ersten Ausführungsgesetzes zum Kinder- und Jugendhilfegesetz (KitaG) des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 11.12.1995 (GVOBl M-V 1995, 603) hatten sich die Personensorgeberechtigten an der Erstattung der Tagespflegekosten zu beteiligen und durfte die Höhe dieser Beteiligung 30 vH der der Tagesmutter zur erstattenden Tagespflegekosten nicht übersteigen. Nach § 4 Abs 1 der im maßgebenden Zeitraum geltenden, aufgrund des § 10 Abs 4 Satz 3 und des § 16 Abs 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des KitaG erlassenen Betriebskostenlandesverordnungen vom 20.11.2000 (GVOBl M-V 2000, 546), 26.3.2002 (GVOBl M-V 2002, 148) und 29.1.2003 (GVOBl M-V 2003, 104) hatten sich die Personensorgeberechtigten für Kinder bis zum Schuleintritt an den Tagespflegekosten mit höchstens 231,90 DM bzw 121 Euro bzw 123,80 Euro monatlich zu beteiligen. Nach den Feststellungen des LSG stellten sich die von den Eltern der betreuten Kinder auf privatrechtlicher Grundlage als "Elternbeitrag" geleisteten Zahlungen in Höhe von 121 Euro je Kind monatlich als Beteiligung der Personensorgeberechtigten an der Tagespflegekostenerstattung im Sinne dieser Vorschriften dar, die der Senat - als Landesrecht und damit im Sinne von § 162 SGG nicht revisibel - sowohl in der Feststellung des genannten Inhalts als auch in ihrer Auslegung durch das Berufungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat.

18

Private Zahlungen für die Betreuung, Versorgung und Erziehung eines Kindes in einer fremden Familie wurden in den Jahren 2001 bis 2003, um die es hier geht, nach einer Verwaltungsanweisung des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 20.1.1984 (IV B 4-S 2248-2/84, BStBl I 1984, 134) als solche aus einer sonstigen selbstständigen Tätigkeit iS des § 18 Abs 1 Nr 3 EStG und damit als einkommensteuerpflichtig angesehen. Die in der Anweisung vom 20.1.1984 vertretene Auffassung des BMF, dass die - für das aus öffentlichen Mitteln gezahlte Pflegegeld im engeren Sinne und das Erziehungsgeld geltende (vgl die Verwaltungsanweisung des BMF vom 16.11.1982 ; später Verwaltungsanweisung des BMF vom 7.2.1990 ) - Steuerbefreiung nach § 3 Nr 11 EStG auf Zahlungen aus privaten Mitteln nicht entsprechend anzuwenden war, wurde weder in der Rechtsprechung der Finanzgerichte(vgl etwa BFHE 161, 361 = BStBl II 1990, 1018) noch in der steuerrechtlichen Literatur (vgl zB Wacker in Schmidt, EStG, 21. Aufl 2002, § 18 RdNr 155 - Tagesmutter -; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 2. Aufl 2002, § 18 RdNr 151, 25) in Zweifel gezogen. Nach einem Schreiben der für die Betroffene örtlich zuständigen Oberfinanzdirektion Rostock vom 10.4.2002, dessen Inhalt das LSG in seinem Urteil festgestellt hat und das auf den Erlass des Finanzministeriums des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 6.3.1992 (IV 310-S 2248-1/91) verweist, betrachtete auch die Finanzverwaltung des Landes Mecklenburg-Vorpommern die von privater Seite gezahlten "Elternbeiträge" als nach § 18 Abs 1 Nr 3 EStG steuerpflichtig.

19

Die von den Eltern geleisteten Zahlungen stellten auch keinen (bloßen) Aufwendungs- und Kostenersatz dar. Das ist auf der Grundlage der Feststellungen des LSG zum einschlägigen Landesrecht aus § 10 Abs 4 Satz 3 des bereits erwähnten Zweiten Gesetzes zur Änderung des KitaG vom 11.12.1995 des Landes Mecklenburg-Vorpommern und aus § 1 Abs 5 der maßgebenden Betriebskostenlandesverordnungen zu entnehmen. Danach setzten sich die Tagespflegekosten aus den Kosten für angemessene Sachaufwendungen (Sachkosten) und den Kosten der Erziehung zusammen und teilten sich die Kosten für angemessene Aufwendungen und diejenigen für Erziehung im Verhältnis 30 vH zu 70 vH auf (vgl im Übrigen - zu dem Abzug einer Betriebsausgabenpauschale bei von privater Seite vorgenommenen Zahlungen - die Verwaltungsanweisung des BMF vom 1.8.1988 ).

20

bb) War die Tätigkeit der Betroffenen als Tagesmutter mithin nicht schon (von vornherein) darauf gerichtet, ausschließlich nach § 3 EStG steuerfreie Einnahmen zu erzielen oder einen (bloßen) Aufwendungs- und Kostenersatz zu erhalten - nur dann könnte eine ggf erforderliche Gewinnerzielungsabsicht entfallen -, so kann offenbleiben, ob und inwieweit der an die Betroffene aus öffentlichen Mitteln vom Land, der Wohnsitzgemeinde und dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe gezahlte Anteil der Tagespflegekostenerstattung einkommensteuerrechtlich zu behandeln war. Denn darauf, in welchem Verhältnis aus der Tätigkeit als Tagesmutter bezogene steuerpflichtige zu steuerfreien Einkünften standen, kommt es für die Annahme einer - ggf erforderlichen - Gewinnerzielungsabsicht nicht an. Insbesondere war es nicht notwendig, dass der steuerpflichtige Anteil der Zahlungen als steuerfrei zu behandelnde Einkünfte "überwog".

21

Dem LSG ist nicht zu folgen, soweit es einer Formulierung im Urteil des Senats vom 22.6.2005 (SozR 4-2600 § 2 Nr 2 RdNr 8) entnommen hat, es komme für die Annahme einer - sozialversicherungsrechtlich bedeutsamen - Gewinnerzielungsabsicht der Betroffenen und damit für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit als einer der Voraussetzungen ihrer Rentenversicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI allgemein darauf an, dass der steuerpflichtige Anteil der (privaten) Zahlungen als steuerfrei zu behandelnde Einkünfte (aus öffentlichen Mitteln) "überwogen" haben muss. Der Senat stellt insoweit vielmehr klar, dass sich ein solches generelles Erfordernis des "Überwiegens" weder aus dem Sozialversicherungsrecht noch aus dem Einkommensteuerrecht und den dazu ergangenen ministeriellen Verwaltungsanweisungen ausdrücklich oder mittelbar herleiten lässt. Der Senat sieht sich in dieser Auslegung bestätigt durch eine in diesem Sinne erfolgte Antwort der Bundesregierung vom 4.12.2001 auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Ina Lenke ua, betreffend die "Einkommensteuerliche und rentenversicherungsrechtliche Situation von Müttern und Vätern in der Tagespflege" (BT-Drucks 14/7725, S 5). Dort wird ebenfalls ausgeführt, bei einer stets in ihrer Gesamtheit zu betrachtenden Tätigkeit werde "eine erwerbsmäßige und infolgedessen rentenversicherungsrechtlich zu beurteilende Tätigkeit … immer dann vorliegen …, wenn die Tagespflegeperson aus ihrer Tätigkeit Einkünfte erziele, die nach § 2 EStG der Besteuerung unterliegen"; dabei sei "unerheblich, ob ggf für einzelne Kinder anteilsmäßig oder in vollem Umfang Pflege- und Erziehungsgelder aus öffentlichen Kassen gezahlt werden, die gemäß § 3 Nr 11 EStG steuerfrei gestellt" seien. Das kann dahingehend verstanden werden, dass nach Ansicht der Bundesregierung für eine ggf weiterhin zu verlangende Gewinnerzielungsabsicht allein an die (bloße) Steuerbarkeit von Einkünften (ohne Rücksicht auf deren einkommensteuerrechtliche Behandlung als steuerpflichtig oder steuerfrei) als Kriterium angeknüpft werden soll.

22

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Kosten für Tagesfahrten, die einer mehrtägigen Klassenfahrt vorangingen.

2

Der 1992 geborene Kläger lebt mit seinen Eltern in einem Haushalt und besuchte im Schuljahr 2006/2007 die 9. Klasse der G-Schule in Bochum. Die Familienangehörigen bezogen unter anderem vom 1.11.2006 bis zum 30.4.2007 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II; Fortzahlungsantrag vom 12.9.2006; Bescheid der Beklagten vom 20.9.2006).

3

Am 18.9.2006 beantragte der Kläger Leistungen für eine Klassenfahrt vom 2.2.2007 bis 10.2.2007 nach Südtirol in Höhe von 285 Euro sowie für zwei vorausgehende Tagesfahrten nach Winterberg von jeweils 30 Euro (Fahrt und Liftpass) und legte als Nachweis eine Bescheinigung der Schule vor. Der Antrag blieb zunächst ohne Erfolg (Bescheid vom 21.12.2006), auf den Widerspruch hin bewilligte die Beklagte sodann einen Betrag in Höhe von 260 Euro (Änderungsbescheid vom 11.1.2007). Der Widerspruch war im Übrigen erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.1.2007). Der Kläger nahm am 25.1.2007 und 29.1.2007 an den beiden Tagesfahrten, die wegen Schneemangels nach Bottrop (in die dortige Skihalle) verlegt worden waren, und vom 2. bis zum 10.2.2007 an der Klassenfahrt nach Südtirol teil.

4

Im laufenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Beklagte mit Bescheid vom 25.7.2007 weitere 25 Euro gezahlt und damit die Kosten für die Fahrt nach Südtirol insgesamt übernommen. Das SG hat eine Auskunft der Schule des Klägers vom 1.3.2007 eingeholt, wonach die der Klassenfahrt vorangegangenen Tagesfahrten zum Sportkompaktkurs "Fahren, Rollen, Gleiten" als Vorbereitung und integrierter Bestandteil der Skifahrt gehörten. Es hat die Beklagte sodann zur Zahlung weiterer 60 Euro für die Tagesfahrten nach Bottrop verurteilt (Urteil vom 14.1.2008).

5

Auf die Berufung der Beklagten hin hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.11.2008). Im Rahmen des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II seien nur Kosten für solche "mehrtägige Klassenfahrten" übernahmefähig, die mindestens ununterbrochen an zwei Tagen stattfänden und durch Übernachtungen außerhalb der Wohnung des Schülers miteinander verbunden seien. Kriterium sei die von der Schule bzw begleitenden Lehrkräften übernommene Verantwortung für die Schüler, die sich ununterbrochen über mehr als einen Tag erstrecken müsse, wie sich aus den Regelungen der Richtlinien für Schulwanderungen und Schulfahrten (Wanderrichtlinien ) für das Land Nordrhein-Westfalen ergebe. Die Tagesveranstaltungen mit Skiunterricht in der Skihalle Bottrop hätten dagegen am jeweiligen Tag morgens mit der gemeinsamen Abreise nach Bottrop begonnen und am jeweils gleichen Tag mit der Rückkehr nach Bochum geendet. Eine zeitliche Nähe und/oder ein inhaltlicher bzw unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Tagesveranstaltungen und der mehrtägigen Klassenfahrt qualifiziere die Tagesfahrten nicht zu einer mehrtägigen Klassenfahrt. Schließlich wäre dem Kläger und seinen Eltern hier ein längerfristiges Ansparen eines Teilbetrages grundsätzlich zumutbar gewesen; selbst wenn sie hierzu finanziell nicht in der Lage gewesen wären, hätte ein Darlehen gemäß § 23 Abs 1 SGB II beantragt werden können.

6

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er macht eine Verletzung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II geltend. Die Kosten für die Schulfahrt hätten insgesamt 345 Euro betragen, entsprechend sei sie nach den maßgeblichen landesrechtlichen Bestimmungen genehmigt worden. Insbesondere die Begrenzung der Kosten durch Verkürzung des Aufenthalts in Südtirol und die Durchführung der Ski-Grundausbildung an zwei vorangehenden Tagen habe dem Gebot der Kostenminimierung in Ziffer 2.2 WRL entsprochen. Eine Begrenzung der dadurch entstehenden Kosten (etwa eine Kürzung um Nebenkosten, wie sie hier durch die Vorbereitungstage angefallen seien) sei dem Landesgesetzgeber im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen vorbehalten (Hinweis auf BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Im Übrigen rügt er die Kostenentscheidung des LSG, die nicht berücksichtige, dass die Beklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens ein Teilanerkenntnis abgegeben habe.

7

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20.11.2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14.1.2008 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend. Im Ergebnis habe die Schule zwar auf einem Antragsvordruck über die Durchführung gleich dreier Schulfahrten entschieden. Ob dies nach den WRL zulässig sei, könne dahinstehen. Allein die Form der Antragstellung entscheide nicht über die rechtliche Qualifikation einer schulischen Veranstaltung. Aus dem Antragsvordruck ergebe sich eindeutig, dass die Kosten für die mehrtägige Schulfahrt lediglich 285 Euro betrügen und die weiteren Kosten nicht Nebenkosten dieser Veranstaltung, sondern Hauptkosten zweier Tagesveranstaltungen seien.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

11

1. Streitgegenstand sind allein die begehrten Kosten der Klassenfahrt. Bei dem Anspruch auf Leistungen für Erstausstattungen gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 SGB II handelt es sich um einen Individualanspruch desjenigen, der den entsprechenden Bedarf geltend macht. Gegenstand des Verfahrens sind mithin die Bescheide vom 21.12.2006 und vom 11.1.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.1.2007 sowie der Bescheid vom 25.7.2007, mit denen der Träger der Grundsicherung eine eigenständige Entscheidung über die begehrten Kosten gesondert von der Entscheidung über die übrigen (insoweit mit Bescheid vom 20.9.2006 bewilligten) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Bewilligungsabschnitt vom 1.11.2006 bis zum 30.4.2007 getroffen hat. Dieses Vorgehen des Trägers der Grundsicherung ist zulässig. Über den Anspruch auf Kosten einer Klassenfahrt, der auch ohne ausdrückliche Antragstellung vom Antrag auf insgesamt bedarfsdeckende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den jeweiligen Bewilligungsabschnitt umfasst ist (vgl Urteil des Senats vom heutigen Tage - B 14 AS 6/09 R), kann isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen entschieden werden. Der Anspruch kann in der Folge auch isoliert gerichtlich geltend gemacht werden (zum Anspruch auf eine Erstausstattung für die Wohnung gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II vgl BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, jeweils RdNr 12 und BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - juris RdNr 9, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; zum Anspruch auf Gewährung von Kosten für Klassenfahrten BSGE 102, 68 = SozR 4-4300 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 13). Deshalb war nicht zu überprüfen, ob die im Übrigen gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Höhe nach richtig bemessen waren. Die Höhe der laufenden Regelleistung für den Bewilligungsabschnitt, für den auch die Sonderbedarfe geltend gemacht werden, hat der Kläger nicht angegriffen. Der Bescheid vom 20.9.2006 ist bestandskräftig geworden.

12

2. Grundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II, wonach Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst sind und gemäß § 23 Abs 3 Satz 2 SGB II gesondert erbracht werden. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs 1, Abs 2 iVm §§ 28 Abs 1, 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014) dem Grunde nach. Er lebt mit seinen erwerbsfähigen, hilfebedürftigen Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 Nr 1 und 4 SGB II), weshalb er (vor Vollendung seines 15. Lebensjahres im April 2007) als nicht erwerbsfähiger Angehöriger Sozialgeld beanspruchen kann. Dieser Anspruch umfasst auch die Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.

13

Bei der Fahrt nach Südtirol in der Zeit vom 2. bis 10.2.2007 handelt es sich nach den Feststellungen des LSG um eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Nordrhein-Westfalen, was zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig ist. Ob der Anspruch des Klägers auf Leistungen für Klassenfahrten dabei auch die Kosten für die beiden Tagesfahrten umfasst, kann der Senat gleichwohl nicht abschließend entscheiden. Entgegen der Auffassung des LSG ist für den Umfang der Kostenpflicht der Beklagten zunächst entscheidend, ob eine Teilnahme an der mehrtägigen Klassenfahrt ohne eine vorherige Teilnahme an den beiden Tagesveranstaltungen in der Skihalle Bottrop möglich war oder nicht. Waren die mehrtägige Klassenfahrt und die beiden Tagesfahrten untrennbar miteinander verknüpft, gehören die Kosten der Tagesfahrten dann zu den Leistungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II, wenn diese Verknüpfung im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Nordrhein-Westfalen zulässig war.

14

3. Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende die tatsächlichen Kosten mehrtägiger Klassenfahrten ohne Beschränkung auf einen Höchstbetrag zu übernehmen, wenn die Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen stattfindet und das Schulrecht selbst keine Kostenobergrenze für Klassenfahrten vorsieht (vgl bereits BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1).

15

a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass allein mehrtägige Fahrten einen Anspruch auf Leistungen für Klassenfahrten auslösen (vgl Urteil des Senats vom heutigen Tage B 14 AS 6/09 R, juris RdNr 11). Bei einer mehrtägigen Klassenfahrt iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II handelt es sich schon nach dem Wortlaut um eine Fahrt, die sich über mehrere Tage erstreckt. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift werden Kosten für solche Fahrten erfasst, die dabei zumindest eine Übernachtung außerhalb der Wohnung des Schülers notwendig machen (vgl Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 23 RdNr 110). Die Kosten für solche Fahrten gehen nämlich gerade wegen der notwendig werdenden Übernachtungen regelmäßig über die Beträge hinaus, die noch aus der Regelleistung aufgebracht werden können. Kosten eintägiger Klassenfahrten sind hingegen durch die Regelleistung gedeckt (vgl Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 23 RdNr 36); im Hinblick auf diese Kosten kommt nur die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs 1 SGB II in Betracht.

16

b) Wenn und soweit eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen durchgeführt worden ist, sind alle Kosten der Fahrt zu übernehmen, die mit ihr in untrennbarem Zusammenhang stehen. Von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II erfasst sind mithin auch solche Kosten für Vorbereitungstage, die mit einer Teilnahme an der sich anschließenden mehrtägigen Fahrt untrennbar verbunden sind, sofern diese Verbindung schulrechtlich zulässig ist. Dies folgt aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Um die Ausgrenzung von Schülern aus einkommensschwachen Familien zu verhindern und vor dem Hintergrund, dass Schulfahrten ein wichtiger Bestandteil der Erziehung durch die Schulen sind, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers im Anwendungsbereich des SGB II wie nach § 31 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) die tatsächlichen Kosten für Klassenfahrten übernommen werden, um eine Teilnahme zu gewährleisten(vgl die Gesetzesbegründung zu § 31 SGB XII in BT-Drucks 15/1514 S 60, rechte Spalte zu § 32 und ausführlich dazu BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 17). Der Senat hat bereits entschieden, dass eine Begrenzung der Kosten auf Pauschalen aus diesem Grund nicht in Betracht kommt (aaO RdNr 16). Es soll eine Freistellung von sämtlichen Kosten erfolgen, die mit der Teilnahme an der Klassenfahrt einhergehen. Hängt die Teilnahme an einer mehrtägigen Klassenfahrt also in schulrechtlich zulässiger Weise von der vorherigen Teilnahme an einer eintägigen Veranstaltung ab, gehören auch diese Kosten zum Leistungsumfang nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II.

17

c) Das LSG wird daher in einem ersten Schritt zu ermitteln haben, ob über den auch von ihm angenommenen "Sachzusammenhang" zwischen den Tagesfahrten in die Skihalle und der mehrtägigen Klassenfahrt nach Südtirol hinaus eine Teilnahme an der mehrtägigen Klassenfahrt ausschließlich dann möglich gewesen ist, wenn der Schüler zuvor auch die beiden eintägigen Vorbereitungskurse besucht hat. Soweit dies der Fall war, handelt es sich auch bei Kosten für die Vorbereitungskurse um Kosten einer mehrtägigen Klassenfahrt.

18

In diesem Fall wird das LSG in einem weiteren Schritt auf Grundlage der landesrechtlichen Bestimmungen zu überprüfen haben, ob eine solche aus Einzeltagen und einer mehrtägigen Fahrt zusammengesetzte Fahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen zulässig ist, die gesamte Fahrt also im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen stattgefunden hat, wie es § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II voraussetzt. Nur soweit dies nicht der Fall war, könnten die Kostenübernahme begrenzt sein. Diese Prüfung, die der revisionsgerichtlichen Kontrolle entzogen ist (vgl § 162 SGG), hat das LSG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - bislang nicht durchgeführt.

19

Das LSG wird auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben und dabei - neben den Kosten des Revisionsverfahrens - das im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens erfolgte Teilanerkenntnis der Beklagten in seine Entscheidung einzubeziehen haben.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 11. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten für eine Schulfahrt des Klägers streitig; hierbei streiten die Beteiligten insbesondere darum, ob es sich bei der im September 2005 stattgefundenen Fahrt nach Rom um eine "mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen" gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des 2. Sozialgesetzbuches (SGB II) gehandelt hat.

2

Der ... 1987 geborene Kläger besuchte im September 2005 als Schüler der Jahrgangsstufe 13 das Goethe Gymnasium in R; unter anderem besuchte er einen Grundkurs Geographie. Zum damaligen Zeitpunkt war er Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft seiner Eltern nach den Vorschriften des SGB II.

3

Unter dem 16. August 2005 beantragte der Vater des Klägers, Gerd M, die Übernahme der Kosten für eine "Klassenfahrt" entsprechend einer beigefügten Rechnung in Höhe von 356,00 Euro. Er wies darauf hin, dass das Goethe Gymnasium R für die 13. Klassen eine Klassenfahrt durchführe, an der der Kläger teilnehmen möchte. In der beigefügten Rechnung des Goethe Gymnasiums wurde unter anderem ausgeführt, dass der Termin der Studienfahrt nach Rom immer näher rücke und, nachdem jeder Teilnehmer eine Anzahlung von 26,00 bezahlt habe, müsse nun das restliche Geld in Höhe von 330,00 Euro überwiesen werden.

4

Mit Bescheid vom 30. August 2005 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten ab. Bei der beantragten Leistung handele es sich nicht um eine Klassenfahrt im Klassenverband nach den schulrechtlichen Bestimmungen, sondern um eine klassenübergreifende Studienfahrt. Studienfahrten würden nach dem SGB II nicht gefördert.

5

Seinen hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass es sich bei dieser Reise um eine besondere Organisationsform einer Klassenfahrt gehandelt habe, die von der Schule in Übereinstimmung mit einer neuen Studienform am Goethe Gymnasium an klassenübergreifenden Schulungskursen und nicht an der herkömmlichen Klassenform ausgerichtet worden sei. Es habe sich um einen dynamischen Klassenverband gehandelt, der aufgaben- und interessenspezifisch (wie alle Grund- und Leistungskurse im Gymnasium) zeitweise zusammengestellt worden sei. Die Ausbildung im Goethe Gymnasium erfolge generell nicht mehr in alt hergebrachten Klassen, sondern in Kursen. Es hätten mehrere derartige Reisen nach verschiedenen Orten stattgefunden, für die diese Gruppen aus allen Schülern der 13. Klasse des Gymnasiums zusammengestellt worden seien. Für die Gruppen seien entsprechende schulische Aufgaben an die Teilnehmer vergeben worden, die Bestandteil des Schulplanes gewesen seien und natürlich bei der Teilnahme hätten erfüllt werden können. Somit habe es sich um eine Klassenfahrt im "Klassenverband" gehandelt; die Fahrt habe auch in der regulären Schulzeit stattgefunden.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte ergänzend aus, in den Richtlinien zur Durchführung von Schulfahrten an den öffentlichen Schulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern hieße es unter Punkt 2.2., dass Schulfahrten als

7

- Klassenfahrten mit oder ohne Übernachtung,
- Schullandheimaufenthalten,
- Studienfahrten (Exkursion),
- Schüleraustausch,
- sonstige genehmigte Schulveranstaltungen außerhalb des Schulortes

8

durchgeführt würden. Hiernach müsse eindeutig unterschieden werden zwischen einer Klassenfahrt und einer Studienfahrt im Sinne dieser Richtlinie. Hierbei werde nicht verkannt, dass eine Studienfahrt allein schon wegen der in der Richtlinie gegebenen Definition immer auch Elemente einer Klassenfahrt enthalte. Doch zeigten die Definitionen, dass das Ziel von Studienfahrten über das Ziel von Klassenfahrten hinausgehe, insbesondere die Studienfahrten zusätzliche Bildungselemente enthielten und daher durchgeführte Schulfahrten nicht gleichzeitig als Studienfahrt und Klassenfahrt definiert werden könnten. Bei der vom 12. bis 16. September 2005 durchgeführten Fahrt habe es sich um eine mehrtägige Studienfahrt bzw. um eine Bildungs- oder Sprachreise gehandelt. Die über die Ziele einer Klassenfahrt hinausgehenden Bildungselemente seien bei der Reise nach Rom deutlich ausgeprägt gewesen, sodass eine Studienfahrt im Sinne von Punkt 2.2.4 der Richtlinie vorgelegen habe.

9

Mit seiner am 06. Juni 2006 vor dem Sozialgericht (SG) Rostock erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Klassenfahrten im herkömmlichen Sinne gebe es an dieser Bildungseinrichtung nicht, da es auch keinen klassischen Klassenverbund, sondern nur Grund- oder Leistungskurse gebe. Die Ablehnung durch die Beklagte beziehe sich auf eine rein formelle Bezeichnung dieser Schulfahrt und favorisiere eine Klassenfahrt, die es in dieser klassischen Form beim Gymnasium gar nicht mehr gebe. Zur Stützung seines Vortrages wurde ein Schreiben des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern vom 14. März 2006 zu den Akten gereicht, worin es unter anderem hieße, die Schulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern hätten die Aufgabe, den ihnen übertragenen Bildungs- und Erziehungsauftrag zu erfüllen. Diese Schule habe die Möglichkeit, selbst eine Strukturform zu finden, in dessen Rahmen das Schulleben gestaltet werden könne. Eine Gleichsetzung von Leistungskursen mit dem "klassischen Klassenverbund" biete sich häufig an, müsse aber nicht unbedingt sein. Neben dem Leistungskursverbund seien auch andere Organisationsformen denkbar, wie z. B. der Verbund, der durch die Mentoren vorgegeben werde oder der Verbund bezüglich bestimmter Fächer. Leistungskurse seien somit nicht die einzige Organisationsform, die es im Übrigen 2007 nicht mehr geben werde.

10

Ergänzend hat der Kläger auf Befragen des SG Rostock im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2008 erklärt, dass die Klassenfahrt nach Rom vom Fach Geographie organisiert worden sei. Man habe vorweg Fragestellungen erhalten, die im Nachhinein abzuarbeiten gewesen seien und wofür es dann eine entsprechende Note gegeben habe. Während der Fahrt habe es dann ein straffes Programm mit Stadtrundfahrten, Besuch des Stadtarchivs, Museen etc. gegeben, bei denen dann jeweils auf die erteilten Fragestellungen zu achten gewesen sei. Die Teilnehmer der Fahrt seien Schüler des Grundkurses Geographie sowie weitere Interessierte gewesen.

11

Der Kläger hat beantragt,

12

den Bescheid der Beklagten vom 30. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kosten der Klassenfahrt vom 12. bis 16. September 2005 in Höhe des Kostenbeitrages der Eltern von 356,00 Euro zu erstatten.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

15

Sie hat die angefochtene Entscheidung verteidigt. Für sie sei maßgeblich für die Übernahme von Kosten, ob es sich bei der jeweiligen Schulfahrt um eine Klassenfahrt nach den geltenden schulrechtlichen Bestimmungen gehandelt habe. Dies sei nach den Richtlinien zur Durchführung von Schulwanderungen und Schulfahrten an den öffentlichen Schulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern nicht der Fall. Der Begriff "Klassenfahrt" gelte nicht als Oberbegriff für alle Schulfahrten. Nach Punkt 2.2.4 der Richtlinie seien Studienfahrten mehrtägige Fahrten im Klassenverband oder in Lerngruppen von mindestens zwölf Schülern. Ziel und Inhalt von Studienfahrten wurden durch den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule bestimmt. Die Fahrten würden im Unterricht vorbereitet und ausgewertet. Sie seien als Bildungsveranstaltung zu planen und führten die Schüler über die nähere Umgebung hinaus an politische, wirtschaftliche, naturkundliche und kulturell-historisch bedeutsame Städten im In- und Ausland. Es müsse eine strikte Trennung zwischen Klassenfahrten (Punkt 2.2.1) und Studienfahrten (Punkt 2.2.4) vorgenommen werden. Sie verkenne nicht, dass die Fahrt auch beinhaltet habe, dass die sozialen Strukturen im Rahmen des Klassenverbandes/Lerngruppe/Sekundarstufen hätten weiter ausgeprägt werden sollen. Inhaltlich liege aber eine Studienfahrt im Sinne von Punkt 2.2.4 der Richtlinie vor.

16

Ergänzend hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie ihre Einwendung hinsichtlich der Unangemessenheit der Höhe der Kosten zurückziehe. Die Einwendung hinsichtlich des "ob" der zu gewährenden Leistung blieben jedoch streitig.

17

Durch Urteil vom 11. Januar 2008 hat das SG Rostock die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger die Kosten der Klassenfahrt in Höhe von 356,00 Euro zu erstatten. Zur Begründung seiner Entscheidung, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird, hat es unter anderem ausgeführt: Inhaber des streitgegenständlichen Anspruches sei gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit Satz 2 a.a.O. der Kläger selbst als Schüler. Die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II setzte voraus, dass eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen stattfinde; dies sei hier gegeben. Eine Klassenfahrt im Sinne dieser Vorschrift, auch Studien- oder auch Schulfahrten genannt, sei eine mehrtägige, im Klassen- bzw. klassenersetzenden Kursverband vorliegenden Reise, die mit dem der besuchten Schule zuzurechnenden Unterricht zusammenhänge. Sie führten den schulischen Bildungsauftrag in besonderer Form fort. Die Einschätzung der Frage, ob und wann eine Klassenfahrt sinnvoll sei, sei allerdings nicht Sache des Grundsicherungsträgers, sondern obliege den Beurteilungen der Schule; grundsicherungsrechtlich relevant sei allein, ob der Ausgrenzung eines hilfebedürftigen Schülers im Wege einer einmaligen Beihilfe begegnet werden müsse.

18

Der Begriff der Studienfahrt sei daher als Synonym für den der Klassenfahrt zu verwenden. Es sei nicht nachvollziehbar, woher die Beklagte die Schlussfolgerung ziehe, dass Studien- oder Sprachreisen von der Regelung des § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II nicht erfasst seien. Maßgebend für die Frage, ob eine Klassenfahrt im Sinne der Bestimmungen vorliege, sei vielmehr der Sinn und Zweck der Regelung, der gerade eine Ausgrenzung des Leistungsempfängers zu verhindern suche. Entsprechend dieser Auslegung seien die Voraussetzungen an den Begriff der Klassenfahrt und die weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 23 Abs. 3 SGB II erfüllt. Das Gymnasium habe in der gleichen Jahrgangsstufe mehrere Fahrten durchgeführt, in denen jeweils Kurse bzw. an dem entsprechenden Thema der Fahrt interessierte Schüler zusammengefasst worden seien. Darüber hinaus enthalte die Fahrt klassische Elemente der Klassenfahrt, indem es den Schülern die Gelegenheit zur Bildung sozialer Kontakte außerhalb des normalen Schulbetrieben gegeben werde. Die Fahrt habe darüber hinaus umfangreiche Bildungselemente umfasst, da die Fahrt die durch den Grundkurs Geographie vorgegebene Thematik mit inhaltlich vorgegebenen Fragestellung erfasst habe, die anschließend im Rahmen des Unterrichts weiter zu bearbeiten bzw. zu benoten gewesen sei. Dass im Fall weitreichender Bildungselemente nicht mehr die Voraussetzung des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II erfüllt sei, sei nicht nachvollziehbar.

19

Entsprechend dem Schultyp sowie dem Anspruch der Schule seien die Bildungselemente selbst ausgeprägter, was natürlich den Schülern zugute kommen solle und wovon ebenfalls Empfänger von Hartz-IV-Leistungen nicht ausgeschlossen werden dürften. Die Klassenfahrt habe im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmung stattgefunden, da es sich um eine genehmigte Fahrt gehandelt habe. Die Beklagte sei darauf hinzuweisen, dass die Formulierung "im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmung" nicht bedeute, dass durch die jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen oder Verwaltungsrichtlinien eine Definition der Klassenfahrt, wie sie in § 23 SGB II benannt werde, folgen solle. Die Definition der Klassenfahrt gebe das SGB II vielmehr selbst vor. Der Verweis auf die schulrechtlichen Bestimmungen der jeweiligen Länder beinhalte vielmehr die Voraussetzung, dass es sich um eine von einer oberen Schulbehörde genehmigte Fahrt handeln müsse. Schließlich stehe auch die Tatsache, dass im vorliegenden Fall eine kursübergreifende Fahrt organisiert worden sei, nicht dem Begriff der Klassenfahrt entgegen. Soweit an den jeweiligen Schulen, was entsprechend dort zu entscheiden sei, ein kursübergreifendes Unterrichtssystem bestehe, seien diese Fahrten entsprechend von der Regelung umfasst.

20

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihre bisherige Auffassung. Im Übrigen habe sie auf Grund der durchgeführten mündlichen Verhandlung und den dort erfolgten weiteren Ausführung zum Inhalt und der Durchführung auch Zweifel dahingehend, ob es sich um eine jahrgangsübergreifende Studien- bzw. Kursfahrt gehandelt habe. Die Schulfahrt habe im Rahmen des Schulfaches Geographie stattgefunden, die Teilnahme sei fakultativ gewesen. Die Teilnehmer seien Schüler gewesen, die den Geographiekurs belegten hätten bzw. weitere Interessenten. Andere Fahrten von anderen Kursen seien ebenfalls erfolgt. Dann könne man die beschriebene Fahrt auch als "Projektfahrt" ansehen, wobei zweifelhaft sei, inwieweit eine solche Fahrt unter den Begriff der Klassenfahrt falle.

21

Die Beklagte beantragt,

22

das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 11. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

23

Der Kläger beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

26

Der Kläger hat ergänzend auf Befragen des Senates in der mündlichen Verhandlung u. a. angegeben, dass die Fahrt nach Rom vom Grundkurs Geographie bzw. dem Kursleiter organisiert und durchgeführt worden sei. Sämtliche Teilnehmer des Geographiekurses, also auch er selbst, hätten sich sofort in die "Liste eingetragen" und an dieser Fahrt teilgenommen. Zusätzlich hätten dann noch andere Schüler, u. a. aus anderen Geographiekursen, teilgenommen. Eine Verpflichtung zur Teilnahme an dieser Fahrt habe nicht bestanden.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten L 8 AS 38/08 - S 13 AS 290/06 - und L 8 B 48/08 NZ sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, deren Inhalt im Übrigen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

29

Das SG Rostock hat in dem angefochtenen Urteil zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen entschieden, dass der vom Kläger angefochtene Bescheid rechtswidrig und die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten für die Fahrt vom 12. bis 16. September 2005 in Höhe der geltend gemachten 356,00 Euro zu erstatten. Der Senat nimmt insoweit - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und macht sie - nach Überprüfung - zum Gegenstand seiner eigenen Rechtsfindung (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

30

Der Vortrag der Beklagten rechtfertigt keine andere Entscheidung.

31

Die Auffassung der Beklagten, dass die Prüfung einer "mehrtägigen Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen" im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II nur anhand der "Richtlinie zur Durchführung von Schulwanderungen und Schulfahrten an den öffentlichen Schulen" - Erlass des Kultusministers vom 06. Februar 1997 in der Fassung des 2. Erlasses zur Änderung der Richtlinien zur Durchführung von Schulwanderungen und Schulfahrten an den öffentlichen Schulen vom 21. Dezember 2000 (Mittl.bl. BM M-V 2/2001 Seite 68) zu erfolgen habe bzw. eine Klassenfahrt im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II nur gegeben sei, wenn es sich bei dieser Schulfahrt um eine Klassenfahrt im Sinne von Ziffer 2.2.1 a.a.O. handele, ist - wie bereits das SG Rostock zutreffend dargelegt hat - nicht haltbar.

32

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass es sich bei der durchgeführten Fahrt um eine "Veranstaltung" im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II gehandelt hat. Bei der voranzustellenden Prüfung, ob eine Fahrt bzw. Schulveranstaltung im Rahmen der "schulrechtlichen Bestimmungen" im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II stattgefunden hat, ist bei einer - hier auch gegebenen - Genehmigung dieser Veranstaltung davon auszugehen, dass dieser Tatbestand als geklärt angesehen werden kann (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, § 23 Rz. 382). Bei einer vorliegenden Genehmigung durch die Schulaufsichtsbehörde bedarf es keiner weiteren Prüfung seitens der Beklagten bzw. der Sozialgerichte dahingehend, ob diese "Schulfahrt" sich im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen gehalten hat.

33

Die Beklagte nimmt rechtsirrig an - da es sich ihrer Auffassung nach um eine Studienfahrt im Sinne von 2.2.4 der genannten Richtlinie gehandelt habe -, dass es sich nicht um eine "Klassenfahrt" im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II habe handeln können bzw. die Richtlinie auf Grund einer dort eigens dargelegten Definition einer "Klassenfahrt" letztlich bestimme, welche Schulfahrten als "Klassenfahrt" im Sinne der genannten Vorschrift des SGB II zu gelten habe.

34

Dabei verkennt die Beklagte die Motive des Gesetzgebers, der auf die Gesetzesbegründung zu der sozialhilferechtlichen Parallelvorschrift des § 31 SGB XII Bezug genommen hat (vgl. Hengelhaupt a.a.O., § 23 Rz. 322; Lang/Bügle in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage, § 23 Rz. 89 und 91). Darüber hinaus greift die Vorschrift die bisherige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zum Bundessozialhilfegesetz auf.

35

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Ausgrenzung eines hilfebedürftigen Schülers für den Fall seiner Nichtteilnahme wirksam zu begegnen ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwGE 97, 76). Zu den wortgleichen Vorschriften des § 31 Abs. 1 SGB XII heißt es darüber hinaus in der BT-Drucksache 15/1540, Seite 16 wörtlich:

36

"Da die Regelung Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen umfasse, sollen die tatsächlichen Kosten übernommen werden, um eine Teilnahme zu gewährleisten. Damit würde auch dem Gesichtspunkt Rechnung getragen, dass Schulfahrten ein wichtiger Bestandteil der Erziehung durch die Schulen sind."

37

Insofern handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten bei dem Begriff "Klassenfahrt" im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II nur um einen "Oberbegriff", der daher z. B. Wandertage, Studienfahrten, Schullandheimaufenthalte - wenn sie nur mehrtägig sind - grundsätzlich mitumfassen kann. Die hierzu vom SG gegebene Definition ist daher zutreffend. Es ist somit in jedem Einzelfall anhand des oben dargestellten Sinn und Zweckes einer zu vermeidenden "Ausgrenzung" zu prüfen, ob die entsprechende Veranstaltung eine "mehrtägigen Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen" darstellt, zumal diese Kosten nicht von der Regelleistung nach § 20 SGB II umfasst sind. Diese Prüfung, wozu die Beklagte verpflichtet ist, kann im Hinblick auf das Vorliegen einer Klassenfahrt nicht nach der oben genannten Richtlinie erfolgen, die nicht die Qualität einer Rechtsnorm besitzt.

38

Dies ergibt sich, neben dem oben genannten Sinn und Zweck der entsprechenden Vorschrift des SGB II, auch schon daraus, dass die Richtlinie als Oberbegriff (vgl. Ziffer 1.1 a.a.O.) selbst Schulwanderungen und Schulfahrten benennt. Sie differenziert dann weiter bei Schulfahrten unter anderem nach Klassenfahrten, Schullandheimaufenthalten, Studienfahrten, Schüleraustausch etc. Gemäß der Ziffer 2.2.1 sind Klassenfahrten in der Regel mehrtägige Veranstaltungen, deren Aufgabe neben der Vertiefung, Erweiterung und Ergänzung des Unterrichts auch in der Förderung des Gemeinschaftssinnes besteht, wobei bei Klassenfahrten bevorzugt öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen sind. Die Richtlinie selbst benutzt den eigentlichen Begriff einer "Klassenfahrt" auch etwa bei Schullandheimaufenthalten im Sinne von Ziff. 2.2. der genannten Richtlinie. Hier heißt es unter anderem, dass durch den Aufenthalt von Schulklassen und anderen schulischen Gruppen in Schullandheimen Unterricht und Erziehung in besonders günstiger Weise miteinander verbunden werden; auch in der Definition von Studienfahrten im Sinne von 2.2.4 werden unter anderem mehrtägige Fahrten im Klassenverband oder in Lerngruppen erwähnt, das heißt die Elemente einer Klassenfahrt werden mitumfasst bzw. vorausgesetzt. Die Ansicht der Beklagten, ihre Verpflichtung zur Kostentragung solcher Schulfahrten auf "Klassenfahrten" begrenzen zu können, die keine Bildungselemente beinhalten oder aber z. B. bei denen kein Aufenthalt in Schullandheimen stattfindet, findet daher im geltenden Recht und auch nach der dargestellten Erlasslage keine Stütze.

39

Bei der Schulfahrt des Geographie-Grundkurses, an der der Kläger als Schüler dieses Kurses - wie alle anderen Kursteilnehmer - teilgenommen hat, hat es sich - wie das SG Rostock zutreffend entschieden hat - um eine Klassenfahrt im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II gehandelt. Diese Veranstaltung entsprach, wie dargelegt, den schulrechtlichen Bestimmungen; sie war mehrtätig und eine "Nichtteilnahme" des Klägers auf Grund der Nichtübernahme (der Kosten) durch die Beklagte hätte zu einer "Ausgrenzung" des Klägers im Hinblick auf die Teilnahme aller übrigen Kursteilnehmer geführt. Dies gilt um so mehr, als diese Veranstaltung Bildungsinhalte vermittelte und z. B. zuvor im Grundkurs Geographie durch sämtliche Teilnehmer entsprechende Aufgaben selbst erarbeitet werden musste. Das hierbei keine "rechtliche" Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an dieser Veranstaltung bestand, ist im Übrigen unerheblich. Ebenso ist im vorliegenden Rechtsstreit unerheblich, dass weitere Schüler aus anderen Kursen an der Fahrt teilgenommen haben.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

41

Gründe für eine Revisionszulassung (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) waren für den Senat nicht ersichtlich.

(1) Angemessene Beiträge für eine Kranken- und Pflegeversicherung sind als Bedarf anzuerkennen, soweit Leistungsberechtigte diese nicht aus eigenem Einkommen tragen können. Leistungsberechtigte können die Beiträge so weit aus eigenem Einkommen tragen, wie diese im Wege der Einkommensbereinigung nach § 82 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 abzusetzen sind. Der Bedarf nach Satz 1 erhöht sich entsprechend, wenn bei der Einkommensbereinigung für das Einkommen geltende Absetzbeträge nach § 82 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 bis 6 zu berücksichtigen sind.

(2) Bei Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung

1.
nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 des Fünften Buches oder nach § 2 Absatz 1 Nummer 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte pflichtversichert sind,
2.
nach § 9 Absatz 1 Nummer 1 des Fünften Buches oder nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte weiterversichert sind,
3.
als Rentenantragsteller nach § 189 des Fünften Buches als Mitglied einer Krankenkasse gelten,
4.
nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 8 des Fünften Buches oder nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte freiwillig versichert sind oder
5.
nach § 188 Absatz 4 des Fünften Buches oder nach § 22 Absatz 3 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte weiterversichert sind,
gilt der monatliche Beitrag als angemessen.

(3) Bei Personen, denen Beiträge nach Absatz 2 als Bedarf anerkannt werden, gilt auch der Zusatzbeitragssatz nach § 242 Absatz 1 des Fünften Buches als angemessen.

(4) Bei Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, sind angemessene Beiträge nach den Sätzen 2 und 3 anzuerkennen. Angemessen sind Beiträge

1.
bis zu der Höhe des sich nach § 152 Absatz 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes ergebenden halbierten monatlichen Beitrags für den Basistarif, sofern die Versicherungsverträge der Versicherungspflicht nach § 193 Absatz 3 des Versicherungsvertragsgesetzes genügen, oder
2.
für eine Absicherung im brancheneinheitlichen Standardtarif nach § 257 Absatz 2a des Fünften Buches in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung.
Ein höherer Beitrag kann als angemessen anerkannt werden, wenn die Leistungsberechtigung nach diesem Kapitel voraussichtlich nur für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten besteht. Im begründeten Ausnahmefall kann auf Antrag ein höherer Beitrag auch im Fall einer Leistungsberechtigung für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten als angemessen anerkannt werden, wenn vor Ablauf der drei Monate oder bereits bei Antragstellung davon auszugehen ist, dass die Leistungsberechtigung nach diesem Kapitel für einen begrenzten, aber mehr als drei Monate andauernden Zeitraum bestehen wird.

(4a) Für Personen, die Mitglied in einer in § 176 Absatz 1 des Fünften Buches genannten Solidargemeinschaft sind, werden angemessene Beiträge bis zur Hälfte des sich nach § 152 Absatz 3 Satz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes ergebenden Höchstbeitrags der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt.

(5) Bei Personen, die in der sozialen Pflegeversicherung nach

1.
den §§ 20, 21 und 21a des Elften Buches pflichtversichert sind oder
2.
§ 26 des Elften Buches weiterversichert sind oder
3.
§ 26a des Elften Buches der sozialen Pflegeversicherung beigetreten sind,
gilt der monatliche Beitrag als angemessen.

(6) Bei Personen, die gegen das Risiko Pflegebedürftigkeit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in Erfüllung ihrer Versicherungspflicht nach § 23 des Elften Buches versichert sind oder nach § 26a des Elften Buches der privaten Pflegeversicherung beigetreten sind, gilt bei Versicherung im brancheneinheitlichen Standardtarif nach § 257 Absatz 2a des Fünften Buches in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung der geschuldete Beitrag als angemessen, im Übrigen höchstens jedoch bis zu einer Höhe des nach § 110 Absatz 2 Satz 3 des Elften Buches halbierten Höchstbeitrags in der sozialen Pflegeversicherung. Für die Höhe des im Einzelfall angemessenen monatlichen Beitrags gilt Absatz 4 Satz 3 und 4 entsprechend.

(1) Leistungen zur Deckung von Bedarfen für

1.
Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,
2.
Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie
3.
Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten
werden gesondert erbracht.

(2) Einer Person, die Sozialhilfe beansprucht (nachfragende Person), werden, auch wenn keine Regelsätze zu gewähren sind, für einmalige Bedarfe nach Absatz 1 Leistungen erbracht, wenn sie diese nicht aus eigenen Kräften und Mitteln vollständig decken kann. In diesem Falle kann das Einkommen berücksichtigt werden, das sie innerhalb eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden worden ist.

(3) Die Leistungen nach Absatz 1 Nr. 1 und 2 können als Pauschalbeträge erbracht werden. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Angemessene Beiträge für eine Kranken- und Pflegeversicherung sind als Bedarf anzuerkennen, soweit Leistungsberechtigte diese nicht aus eigenem Einkommen tragen können. Leistungsberechtigte können die Beiträge so weit aus eigenem Einkommen tragen, wie diese im Wege der Einkommensbereinigung nach § 82 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 abzusetzen sind. Der Bedarf nach Satz 1 erhöht sich entsprechend, wenn bei der Einkommensbereinigung für das Einkommen geltende Absetzbeträge nach § 82 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 bis 6 zu berücksichtigen sind.

(2) Bei Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung

1.
nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 des Fünften Buches oder nach § 2 Absatz 1 Nummer 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte pflichtversichert sind,
2.
nach § 9 Absatz 1 Nummer 1 des Fünften Buches oder nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte weiterversichert sind,
3.
als Rentenantragsteller nach § 189 des Fünften Buches als Mitglied einer Krankenkasse gelten,
4.
nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 8 des Fünften Buches oder nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte freiwillig versichert sind oder
5.
nach § 188 Absatz 4 des Fünften Buches oder nach § 22 Absatz 3 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte weiterversichert sind,
gilt der monatliche Beitrag als angemessen.

(3) Bei Personen, denen Beiträge nach Absatz 2 als Bedarf anerkannt werden, gilt auch der Zusatzbeitragssatz nach § 242 Absatz 1 des Fünften Buches als angemessen.

(4) Bei Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, sind angemessene Beiträge nach den Sätzen 2 und 3 anzuerkennen. Angemessen sind Beiträge

1.
bis zu der Höhe des sich nach § 152 Absatz 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes ergebenden halbierten monatlichen Beitrags für den Basistarif, sofern die Versicherungsverträge der Versicherungspflicht nach § 193 Absatz 3 des Versicherungsvertragsgesetzes genügen, oder
2.
für eine Absicherung im brancheneinheitlichen Standardtarif nach § 257 Absatz 2a des Fünften Buches in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung.
Ein höherer Beitrag kann als angemessen anerkannt werden, wenn die Leistungsberechtigung nach diesem Kapitel voraussichtlich nur für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten besteht. Im begründeten Ausnahmefall kann auf Antrag ein höherer Beitrag auch im Fall einer Leistungsberechtigung für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten als angemessen anerkannt werden, wenn vor Ablauf der drei Monate oder bereits bei Antragstellung davon auszugehen ist, dass die Leistungsberechtigung nach diesem Kapitel für einen begrenzten, aber mehr als drei Monate andauernden Zeitraum bestehen wird.

(4a) Für Personen, die Mitglied in einer in § 176 Absatz 1 des Fünften Buches genannten Solidargemeinschaft sind, werden angemessene Beiträge bis zur Hälfte des sich nach § 152 Absatz 3 Satz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes ergebenden Höchstbeitrags der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt.

(5) Bei Personen, die in der sozialen Pflegeversicherung nach

1.
den §§ 20, 21 und 21a des Elften Buches pflichtversichert sind oder
2.
§ 26 des Elften Buches weiterversichert sind oder
3.
§ 26a des Elften Buches der sozialen Pflegeversicherung beigetreten sind,
gilt der monatliche Beitrag als angemessen.

(6) Bei Personen, die gegen das Risiko Pflegebedürftigkeit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in Erfüllung ihrer Versicherungspflicht nach § 23 des Elften Buches versichert sind oder nach § 26a des Elften Buches der privaten Pflegeversicherung beigetreten sind, gilt bei Versicherung im brancheneinheitlichen Standardtarif nach § 257 Absatz 2a des Fünften Buches in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung der geschuldete Beitrag als angemessen, im Übrigen höchstens jedoch bis zu einer Höhe des nach § 110 Absatz 2 Satz 3 des Elften Buches halbierten Höchstbeitrags in der sozialen Pflegeversicherung. Für die Höhe des im Einzelfall angemessenen monatlichen Beitrags gilt Absatz 4 Satz 3 und 4 entsprechend.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

(1) Personen erhalten Leistungen für Bildung und Teilhabe für ein Kind, wenn sie für dieses Kind nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben und wenn

1.
das Kind mit ihnen in einem Haushalt lebt und sie für ein Kind Kinderzuschlag nach § 6a beziehen oder
2.
im Falle der Bewilligung von Wohngeld sie und das Kind, für das sie Kindergeld beziehen, zu berücksichtigende Haushaltsmitglieder sind.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn das Kind, nicht jedoch die berechtigte Person zu berücksichtigendes Haushaltsmitglied im Sinne von Satz 1 Nummer 2 ist und die berechtigte Person Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bezieht. Wird das Kindergeld nach § 74 Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes oder nach § 48 Absatz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch ausgezahlt, stehen die Leistungen für Bildung und Teilhabe dem Kind oder der Person zu, die dem Kind Unterhalt gewährt.

(2) Die Leistungen für Bildung und Teilhabe entsprechen den Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2 bis 7 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch. § 28 Absatz 1 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend. Für die Bemessung der Leistungen für die Schülerbeförderung nach § 28 Absatz 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch sind die erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Die Leistungen nach Satz 1 gelten nicht als Einkommen oder Vermögen im Sinne dieses Gesetzes. § 19 Absatz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch findet keine Anwendung.

(2a) Ansprüche auf Leistungen für Bildung und Teilhabe verjähren in zwölf Monaten nach Ablauf des Kalendermonats, in dem sie entstanden sind.

(3) Für die Erbringung der Leistungen für Bildung und Teilhabe gelten die §§ 29, 30 und 40 Absatz 6 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

Tatbestand

1

Umstritten ist ein Arzneikostenregress wegen der Verordnung des Arzneimittels Polyglobin in den Quartalen II/1999 bis IV/1999.

2

Der in diesen Quartalen als Hausarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Kläger verordnete insgesamt 17-mal "Polyglobin 5 %" für die 1932 geborene Versicherte H. Diese litt an einem metastasierenden Karzinom der Eileiter, das auch die Leber befallen hatte, und ist 2001 verstorben. Die Kosten je Verordnung beliefen sich auf 3209,02 DM. Auf Antrag der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse vom 1.12.2000 setzte der Prüfungsausschuss auf der Grundlage des § 14 der für den Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) geltenden Prüfvereinbarung eine Schadensersatzpflicht des Klägers wegen der Verordnung von "Polyglobin" in Höhe von 51 553 DM fest. Dieser Betrag ergab sich auf der Grundlage der Bruttoverordnungskosten unter Abzug eines fünfprozentigen Apothekenrabatts und der von der Versicherten geleisteten Zuzahlungen. Der beklagte Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, Polyglobin sei nicht im Rahmen der Zulassungsindikationen verordnet worden, und für eine Verordnung außerhalb der zugelassenen Indikationen - der Kläger hatte die Behandlung eines Antikörpermangels bei der Versicherten als Grund für die Verordnungen angeführt - habe keine rechtliche Grundlage bestanden.

3

Das SG hat den Bescheid des Beklagten aufgehoben, soweit die Verordnungen im Quartal II/1999 ausgestellt worden sind, weil die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. die Antragsfrist versäumt habe. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil für einen zulassungsüberschreitenden Einsatz von Polyglobin die rechtlichen Voraussetzungen, die inzwischen von der Rechtsprechung des BSG geklärt seien, nicht vorgelegen hätten.

4

Dieses Urteil haben der Kläger am 15.4.2005 mit der Berufung und die Beigeladene zu 2. am 28.11.2006 mit der Anschlussberufung angegriffen. Der Kläger hat geltend gemacht, die Verordnung von Polyglobin in den streitbefangenen Quartalen habe den Behandlungserfolg der Chemotherapie absichern sollen und sei damit zur erfolgreichen Behandlung des inoperablen metastasierenden Tubenkarzinoms notwendig gewesen. Nach der Entscheidung des BSG vom 5.7.1995 (Remedacen) habe er darauf vertrauen können, verschreibungspflichtige Medikamente auch außerhalb ihres Zulassungsbereichs verordnen zu dürfen. Der durch dieses höchstrichterliche Urteil ausgelöste Vertrauensschutz sei frühestens durch das Urteil des BSG vom 30.9.1999 (SKAT) eingeschränkt worden. Dieses Urteil habe er bei Ausstellung der hier betroffenen Verordnungen nicht kennen können; insoweit sei ihm zumindest Vertrauensschutz zuzubilligen. Im Übrigen seien die von ihm vorgenommenen Verordnungen auch nach den heute geltenden Maßstäben nicht zu beanstanden, weil die Voraussetzungen für einen indikationsüberschreitenden Einsatz von Polyglobin nach den im Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 formulierten Maßstäben erfüllt seien.

5

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung der Beigeladenen zu 2. das Urteil des SG geändert und die Klage auch hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal II/1999 abgewiesen. Die Anschlussberufung sei zulässig, obwohl diese sich nicht auf den Teil des Streitgegenstandes beziehe, der Gegenstand der Berufung des Klägers sei (Quartale III und IV/1999). Soweit das BSG die Auffassung vertrete, eine Anschlussberufung müsse sich innerhalb des Streitgegenstandes der Hauptberufung bewegen, sei dem nicht zu folgen. Dem Gegner des Berufungsführers müsse es möglich sein, durch Anschließung an die Berufung des Hauptberufungsführers eine Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils zu erreichen, auch soweit ein Streitgegenstand betroffen sei, der von der Berufung des Klägers nicht erfasst werde.

6

Die Berufung der beigeladenen Krankenkasse sei aus denselben Gründen begründet wie diejenige des Klägers unbegründet. Der Beklagte sei berechtigt gewesen, auf der Grundlage des § 14 der für Berlin geltenden Prüfvereinbarung Arzneikostenregresse gegen den Kläger wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel festzusetzen. Das setze nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG kein Verschulden des Vertragsarztes voraus. Auch ein Antrag der jeweils betroffenen Krankenkasse sei nicht erforderlich gewesen; soweit die Prüfvereinbarung etwas anderes vorschreibe, sei das nach der Rechtsprechung des BSG mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und deshalb unwirksam. Aus diesem Grund habe das SG der Klage hinsichtlich des Quartals II/1999 zu Unrecht stattgegeben. Auf Vertrauensschutz könne der Kläger sich nicht berufen. Soweit der 8. Senat des BSG im Jahr 1999 ausgeführt habe, die Versicherten hätten im Anschluss an das Urteil des 1. Senats des BSG vom 15.7.1995 zumindest bis zur Veröffentlichung des Urteils aus dem Jahre 1999 darauf vertrauen dürfen, dass sie mit Arzneimitteln auch außerhalb des durch die Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) bestimmten Indikationsbereichs versorgt werden dürften, könne dem nicht gefolgt werden. Schließlich führe auch der Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 nicht zu einer anderen Beurteilung, weil die Wirksamkeit von Polyglobin zur Behandlung der nach Auffassung des Klägers bei der Patientin H. vorhandenen Antikörperstörung nicht belegt sei (Urteil vom 26.11.2008).

7

Mit seiner Revision rügt der Kläger in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Entscheidung des Berufungsgerichts, die Anschlussrevision der Beigeladenen zu 2. als zulässig anzusehen. Diese Berufung sei nach Ablauf der auch für diese Beigeladene geltenden Berufungsfrist von einem Monat nach Zustellung des sozialgerichtlichen Urteils eingelegt worden. Als unselbstständige Anschlussberufung sei sie nicht zulässig, weil sie sich nicht auf den Gegenstand der von ihm - dem Kläger - eingelegten Hauptberufung beziehe. Nach der Rechtsprechung des BSG dürfe nach Ablauf der für die Beteiligten geltenden Berufungsfrist der Streitgegenstand des Berufungsverfahrens nicht mehr erweitert werden. Seine - des Klägers - Verordnungen in den drei streitbefangenen Quartalen bildeten jeweils unterschiedliche Streitgegenstände, was das SG im Ausgangspunkt zutreffend dadurch zum Ausdruck gebracht habe, dass es den Regressbescheid hinsichtlich des Quartals II/1999 aufgehoben und hinsichtlich der in den beiden folgenden Quartalen ausgestellten Verordnungen für rechtmäßig gehalten habe. Deshalb sei der angefochtene Regressbescheid hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal II/1999 dem Berufungsgericht mit seiner - des Klägers - (Haupt)Berufung nicht angefallen und habe durch die zu 2. beigeladene Krankenkasse nach Ablauf der Berufungsfrist nicht mehr in das Berufungsverfahren einbezogen werden können.

8

Im Übrigen sei das Urteil des LSG fehlerhaft, soweit es die Regresse für rechtmäßig gehalten habe. Der vom Berufungsgericht herangezogene § 14 Abs 1 der Prüfvereinbarung sei schon generell keine tragfähige Grundlage für einen Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel. Die Prüfvereinbarung regele lediglich Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot sowie Regresse wegen schuldhafter Verursachung eines "sonstigen Schadens". Der in der Rechtsprechung des BSG zugelassene Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Mittel hätte in der Prüfvereinbarung zwar geregelt werden können, sei dort tatsächlich aber nicht geregelt worden.

9

Weiterhin sei der angefochtene Bescheid fehlerhaft, weil im Prüfungsausschuss wie im Beschwerdeausschuss jeweils unter Vorsitz eines Vertreters der Krankenkassen entschieden worden sei. Die Krankenkassenvertreter hätten eine Vertagung der Entscheidung des Beklagten in einer Sitzung unter Vorsitz eines Vertreters der Ärzte herbeigeführt, um so zu erreichen, dass über die Widersprüche des Klägers gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses, die unter Vorsitz eines Vertreters der Krankenkassen getroffen worden sei, erneut unter Vorsitz eines Vertreters der Krankenkassen entschieden werde. Das sei unzulässig. Die Vorschriften über den wechselnden Vorsitz im Prüfungs- und Beschwerdeausschuss nach § 106 SGB V aF könnten nur so verstanden werden, dass jedenfalls über Entscheidungen des Prüfungsausschusses, bei denen ein Vertreter der Krankenkassen den Vorsitz gehabt habe, in der Besetzung des Beschwerdeausschusses mit einem Vorsitzenden aus den Reihen der Vertragsärzte entschieden werden müsse.

10

Die Verordnung von Polyglobin sei zur Behandlung der bei der Versicherten H. vorhandenen lebensbedrohlichen Karzinomerkrankung notwendig gewesen. Zwar sei der Einsatz von Polyglobin nicht unmittelbar zur Heilung der Tumorerkrankung bzw zur Linderung der damit verbundenen Beschwerden erfolgt, doch habe die Versicherte unter einer Antikörperstörung gelitten, die eine Chemotherapie unmöglich gemacht habe, die ihrerseits zur Behandlung des Tumorgrundleidens erforderlich gewesen sei. Der Einsatz von Polyglobin habe die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Chemotherapie schaffen sollen, und seine Rechtmäßigkeit müsse deshalb aus medizinischen Gründen nach denselben Maßstäben beurteilt werden wie die Verordnung von Arzneimitteln zur kausalen Krebstherapie. Jedenfalls habe er - der Kläger - darauf vertrauen dürfen, dass im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG auch der die Indikationsgrenzen überschreitende Einsatz generell zugelassener Arzneimittel (Off-Label-Use) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung möglich gewesen sei. Das habe der 1. Senat des BSG im Juli 1995 zum Einsatz des Codeinpräparates Remedacen zur Drogensubstitution entschieden, und der 8. Senat des BSG, der mit dieser Rechtsprechung nicht einverstanden gewesen sei, habe im Jahr 1999 für die Zeit bis zur Verkündung seiner Entscheidung den Versicherten Vertrauensschutz zugebilligt. Auf diesen Vertrauensschutz könne er - der Kläger - sich hier auch berufen. Soweit der 6. Senat des BSG im Mai 2006 entschieden habe, Vertrauensschutzaspekte spielten insoweit keine Rolle, weil Vertragsärzte, die Arzneimittel außerhalb der Zulassungsindikationen einsetzen wollten, gehalten seien, ein Privatrezept auszustellen und die Versicherten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Krankenkasse zu unterstützen, sei das auf die hier maßgebliche Rechtslage des Jahres 1999 nicht übertragbar. Zu diesem Zeitpunkt sei nach § 29 Abs 1 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) die Genehmigung von Verordnungen durch eine Krankenkasse unzulässig gewesen. In Verbindung mit der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG zu Remedacen habe sich daraus die Berechtigung von Vertragsärzten ergeben, den Off-Label-Use-Einsatz im regulären Verfahren durch Ausstellen von vertragsärztlichen Verordnungen zu praktizieren. Soweit das LSG bemängelt habe, das bei der Versicherten H. vorliegende Antikörpermangelsyndrom, das letztlich den Einsatz von Polyglobin erforderlich gemacht habe, sei nicht ausreichend belegt, könne dem nicht gefolgt werden. Entgegen der Auffassung des LSG seien laborchemische Untersuchungen zum Nachweis dieses Antikörpermangelsyndroms verzichtbar.

11

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26.11.2008 und des Sozialgerichts Berlin vom 9.2.2005, soweit hier die Klage abgewiesen wurde, sowie den Bescheid des Beklagten vom 12.12.2001 aufzuheben,

hilfsweise, die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26.11.2008 und des Sozialgerichts Berlin vom 9.2.2005 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12.12.2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden,

weiter hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26.11.2008 aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

12

Der Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

13

Zutreffend habe das Berufungsgericht entschieden, dass die Partner der Prüfvereinbarungen nicht einmal berechtigt gewesen wären, Arzneikostenregresse wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel vom Verschulden des Vertragsarztes abhängig zu machen. Entgegen der Auffassung des Klägers habe die maßgebliche Prüfvereinbarung aus dem Jahre 1994 nicht vorgeschrieben, dass eine unter dem Vorsitz eines Kassenvertreters getroffene Entscheidung vom Beschwerdeausschuss nur unter dem Vorsitz eines Vertreters der Ärzte überprüft werden dürfe. Eine solche Regelung wäre auch nicht praktikabel gewesen und hätte die Dauer der Prüfverfahren erheblich verlängert. Die Ausführungen des Klägers hinsichtlich seines Vertrauens auf bestimmte Entscheidungen des BSG seien irrelevant. Es sei lebensfremd, dass ein Vertragsarzt die einzelnen Entwicklungsschritte der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Kenntnis nehme und sein Verordnungsverhalten daran ausrichte. Eine Ausnahmelage im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG vom 6.12.2005 habe in den streitbefangenen Quartalen bei der Versicherten H. nicht bestanden.

14

Die zu 2. beigeladene Krankenkasse hält das Urteil des LSG ebenfalls für zutreffend. Zu Recht habe das LSG ihre Anschlussberufung als zulässig angesehen. Folge man der Auffassung des Klägers, gebe es für die Anschlussberufung im sozialgerichtlichen Verfahren überhaupt keinen Anwendungsbereich, weil die Hauptberufung regelmäßig nur insoweit erhoben werde, als der Rechtsmittelführer durch das sozialgerichtliche Urteil beschwert sei. Für eine Anschlussberufung sei dann kein Raum, weil im Rahmen der Beschwer des Klägers der Anschlussberufungsführer selbst mit dem angefochtenen Urteil einverstanden sei. Ein Grund für eine derart restriktive Handhabung entgegen der Rechtsprechung in den anderen Gerichtszweigen sei nicht erkennbar.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Zu Recht rügt er, dass das Berufungsgericht über den angefochtenen Bescheid des Beklagten hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal II/1999 in der Sache entschieden habe. Insoweit ist die zugunsten des Klägers ergangene Entscheidung des SG rechtskräftig geworden, weil die Beigeladene zu 2. innerhalb der Berufungsfrist keine Berufung eingelegt hat. Ihre Anschlussberufung war unzulässig (1). Keinen Erfolg hat die Revision dagegen hinsichtlich der Verordnungen in den Quartalen III und IV/1999. Insoweit hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das sozialgerichtliche Urteil zu Recht zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig (2).

16

1. Die Anschlussberufung der Beigeladenen zu 2. vom 28.11.2006 war unzulässig. Das Berufungsgericht hätte auf diese Anschlussberufung hin nicht in eine Sachprüfung des angefochtenen Bescheides im Hinblick auf die Verordnungen des Klägers aus dem Quartal II/1999 eintreten dürfen. Insoweit war das der Klage stattgebende Urteil des SG nämlich bereits rechtskräftig geworden.

17

a. Die Berufung der beigeladenen Krankenkasse hätte nur als Anschlussberufung iS des § 202 SGG iVm § 524 ZPO zulässig sein können. Eine eigenständige Berufung wäre wegen Versäumung der Berufungsfrist des § 151 Abs 1 SGG unzulässig. Das Urteil des SG ist der Beigeladenen zu 2. am 16.3.2005 zugestellt worden; die Monatsfrist des § 151 Abs 1 SGG ist durch die Einlegung der Berufung am 28.11.2006 nicht gewahrt worden.

18

Die Berufungsfrist des § 151 Abs 1 SGG gilt nicht für die Anschlussberufung, die nach der Rechtsprechung des BSG auch in der Sozialgerichtsbarkeit statthaft ist(BSGE 63, 167, 169 = SozR 1500 § 54 Nr 85; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer (Hrsg), SGG 9. Aufl 2008, § 143 RdNr 5). Die Anschlussberufung der Beigeladenen zu 2. war hier aber unzulässig, weil sie nicht den gleichen prozessualen Anspruch wie die Hauptberufung des Klägers betroffen, sondern einen neuen Streitgegenstand in das Berufungsverfahren eingeführt hat. Das ist nach der Rechtsprechung aller mit dieser Rechtsfrage bisher befassten Senate des BSG ausgeschlossen (zB Urteil des 9. Senats vom 8.7.1969 = SozR Nr 12 zu § 521 ZPO; 6. Senat vom 19.6.1996 - 6 RKa 24/95 - = USK 96131) Diese Entscheidungen sind zu Ansprüchen ergangen, die Gegenstand des Klageverfahrens, aber nicht der Hauptberufung waren. Das Urteil des 4. Senats vom 10.2.2005 - B 4 RA 48/04 R - betrifft einen mit der Anschlussberufung geltend gemachten Anspruch, der nicht einmal Gegenstand des Klageverfahrens gewesen ist. Die Rechtsauffassung des BSG zur Begrenzung der Anschlussberufung auf den Streitgegenstand der Hauptberufung wird in den Kommentaren zum SGG - soweit ersichtlich ohne Ausnahme - geteilt (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 143 RdNr 5d; Eckertz in: Lüdtke, Handkommentar Sozialgerichtsgesetz, 3. Aufl 2009, § 143 RdNr 37; Behn in: Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 87. Ergänzungslieferung, Stand: Mai 2009 - Gesamtwerk, § 143 RdNr 68 f; Frehse in: Jansen, SGG, 3. Aufl 2009, § 143 RdNr 7; Waschull in: Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2009, § 6 RdNr 130). Nach Bernsdorff (in: Hennig, SGG, Stand Februar 2009 - Gesamtwerk - § 143 RdNr 27) liegt keine Anschlussberufung vor, wenn sich der Antrag des Berufungsbeklagten bei teilbarem Streitgegenstand gegen einen anderen als den mit der Berufung angegriffenen Teil des erstinstanzlichen Urteils richtet (ähnlich Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 143 RdNr 24).

19

b. Bei Anwendung dieser Rechtsauffassung ist die Anschlussberufung unzulässig, wie das LSG zutreffend angenommen hat. Die Anschlussberufung der Beigeladenen zu 2. betrifft einen anderen Streitgegenstand als die Hauptberufung, weil diese die Verordnungen des Klägers aus den Quartalen III/1999 und IV/1999, jene aber solche aus dem Quartal II/1999 erfasst. Vertragsärztliche Honorarbescheide sowie Bescheide der Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung ergehen quartalsbezogen und enthalten, wenn Entscheidungen mehrere Quartale betreffen (vgl zB BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 30/08 R - RdNr 24 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), verschiedene Regelungen iS des § 31 Satz 1 SGB X. Selbst innerhalb eines Bescheides für ein Quartal können zahlreiche eigenständige "Regelungen" ergehen, die selbstständig anfechtbar sind. Das hat der Senat in einem Urteil vom 23.2.2005 (SozR 4-1500 § 92 Nr 2) für einen Honorarbescheid näher dargelegt; in dem schon zitierten Urteil vom 19.6.1996 (6 RKa 24/95) hat der Senat das in Bezug auf einen Bescheid zur Wirtschaftlichkeitsprüfung hinsichtlich von Kürzungen für bestimmte Leistungen bzw Leistungssparten als selbstverständlich vorausgesetzt und im Urteil vom 16.7.2008 ausdrücklich ausgesprochen (BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 25 am Ende).

20

Diese Rechtsprechung kann allerdings nicht ohne Weiteres auf Kostenregresse wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel übertragen werden. Derartige Regressbescheide können quartalsbezogen ergehen, etwa wenn ein Arzt über einen längeren Zeitraum hinweg bestimmte Medikamente für zahlreiche Patienten verordnet. Zwingend ist die Bindung eines Kostenregresses ebenso wie eines Regresses wegen eines sog "sonstigen Schadens" an den Quartalsturnus indessen nicht und bietet sich gerade in Konstellationen nicht an, in denen es um die Behandlung eines Versicherten mit einem umstrittenen Medikament über mehrere Quartale geht. Ein solcher Fall ist hier zu beurteilen, und sowohl der Regressantrag der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. wie die Entscheidungen des Prüfungsausschusses und des Beklagten haben nicht nach den drei betroffenen Quartalen differenziert und mussten das auch nicht.

21

Ursprünglich bildete deshalb der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Aufhebung der - Verordnungen aus drei Quartalen erfassenden - Entscheidung des Beklagten vom 12.12.2001 den Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Das SG hat diesen einheitlichen Streitgegenstand jedoch getrennt und die Regressfestsetzung je nach Zuordnung der beanstandeten Verordnungen des Klägers zu den Quartalen II/1999 einerseits sowie III und IV 1999 andererseits unterschiedlich beurteilt. Anlass dazu hat dem SG die (mittelbar) quartalsbezogene Regelung über die Antragsfrist der Krankenkasse in § 14 Abs 2 der maßgeblichen Prüfvereinbarung gegeben. Weil offenbar die Krankenkassen die Verordnungen aus jedem Quartal zusammengefasst zu einem bestimmten Termin erhalten, der wiederum für den Beginn der Antragsfrist nach § 14 Abs 2 von Bedeutung ist, konnte nach Ansicht des SG die Prüfung der Einhaltung dieser Frist nur differenziert für jedes Quartal erfolgen. Das Urteil des SG hat inzident die angefochtene Entscheidung des Beklagten in zumindest zwei Regelungen iS des § 31 Satz 1 SGB X aufgespalten, nämlich hinsichtlich der aus dem Quartal II/1999 und hinsichtlich der aus den Quartalen III/1999 sowie IV/1999 stammenden Verordnungen des Klägers. Bundesrecht ist dadurch nicht verletzt, und das SG hat durch den Tenor seines Urteils die Beteiligten über das gerichtliche Vorgehen hinreichend deutlich informiert.

22

Damit bestand bei Zustellung des SG-Urteils eine Rechtslage, wie sie derjenigen bei Honorarfestsetzungen oder Kürzungs- bzw Regressbescheiden entspricht, die von vornherein mehrere Quartale erfassen. Für jedes dieser Quartale ist (mindestens) eine Regelung angefochten, deren prozessuales Schicksal von demjenigen für die anderen Quartale abweichen kann; die Regelung für jedes Quartal bildet einen eigenständigen Streitgegenstand. Als Folge der Hauptberufung des Klägers war der angefochtene Bescheid des Beklagten Gegenstand des Berufungsverfahrens nur hinsichtlich der aus den Quartalen III/1999 und IV/1999 stammenden Verordnungen; das ist dem Antrag des Klägers im LSG-Verfahren deutlich zu entnehmen. Die Anschlussberufung der Beigeladenen zu 2. hat mit der Entscheidung des Beklagten über die aus dem Quartal II/1999 stammenden Verordnungen einen neuen Streitgegenstand in das Berufungsverfahren eingeführt. Das ist nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG nicht zulässig. Ein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, ist nicht ersichtlich.

23

c. Kein durchgreifendes Bedenken ergibt sich aus dem Hinweis der Beigeladenen zu 2., auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BSG bleibe für die Anschlussberufung nur ein sehr begrenzter Anwendungsbereich. Wenn die Anschlussberufung nur innerhalb des prozessualen Anspruchs erhoben werden kann, der Gegenstand der Hauptberufung ist, kommt im vertragsärztlichen Bereich bei Honorarkürzungen bzw Arzneikostenregressen eine Anschlussberufung typischerweise nur dann in Betracht, wenn das SG auf die Klage die zuständige Behörde zur Neubescheidung nach bestimmten Maßgaben verurteilt und der Kläger mit seiner Berufung die endgültige Aufhebung der ihn belastenden Bescheide begehrt. Dieser Berufung können sich dann die KÄV, der Beschwerdeausschuss oder die beigeladenen Krankenkassen (bzw Krankenkassenverbände) mit dem Antrag anschließen, die Klage in vollem Umfang abzuweisen, auch nachdem die für sie laufende Berufungsfrist abgelaufen ist. Alle übrigen Regelungen der ursprünglich angefochtenen Entscheidung, über die das SG entschieden hat, ohne dass ein Beteiligter das mit der Berufung angefochten hat, die also etwa andere Leistungspositionen oder andere Quartale betreffen, werden dagegen bestandskräftig. Das ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im vertragsärztlichen Bereich richtig und praktikabel.

24

Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bliebe dagegen möglicherweise während der gesamten Dauer eines Berufungsverfahrens offen, ob Regelungen in Kürzungs- oder Regressbescheiden, die nicht Gegenstand der Hauptberufung sind, bestandskräftig werden oder nicht. Soweit etwa in einer Entscheidung des Beschwerdeausschusses Honorarkürzungen oder Arzneikostenregresse für eine größere Zahl von Quartalen auf der Grundlage einer Vielzahl von Entscheidungen des Prüfungsausschusses (oder der Prüfungsstelle iS des § 106 Abs 4 Satz 1 SGB V idF des GKV-WSG vom 26.3.2007) zusammengefasst worden sind, bleibt deren Bestandskraft über Jahre hinweg offen, auch wenn nur eine Detailregelung hinsichtlich eines einzelnen Quartals Gegenstand des Berufungsverfahrens ist. Das ist sowohl für den beteiligten Vertragsarzt wie für die KÄV und die Krankenkassen als Kostenträger schwierig zu handhaben, weil ggf Rückstellungen gebildet werden müssten und Beträge nicht verbucht werden könnten.

25

Ein tatsächliches Bedürfnis, diese Rechtsfolgen in Kauf zu nehmen, um den Beteiligten bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz die Möglichkeit der Anschlussberufung auch außerhalb des prozessualen Anspruchs, der Gegenstand der Hauptberufung ist, offen zu halten, vermag der Senat nicht zu erkennen. Ob Honorarkürzungs- oder Regressbescheide, die verschiedene Regelungen iS des § 31 Satz 1 SGB X zum Inhalt haben und häufig mehrere Quartale betreffen, einzeln angegriffen oder durch die Widerspruchsstelle zusammengefasst bzw im gerichtlichen Verfahren auf der Grundlage des § 113 Abs 1 SGG verbunden werden, ist eine Frage der Praktikabilität. Jeder Verfahrensbeteiligte hat nach Bekanntgabe des das Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheides oder des erstinstanzlichen Urteils eine Frist von einem Monat, innerhalb der er prüfen und entscheiden kann, ob und ggf inwieweit er die Entscheidung der Behörde bzw des erstinstanzlichen Gerichts hinnehmen will oder nicht. Ein berechtigtes Interesse, Monate oder sogar Jahre nach Einlegung der Berufung des Gegners noch Regelungen der gerichtlichen Überprüfung des LSG zuführen zu können, zu denen die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts zunächst hingenommen worden ist, besteht nicht.

26

d. Zudem kann die prozessuale Sicht des Berufungsgerichts die Entscheidungsreife der Berufung in Frage stellen, jedenfalls soweit keine Frist für die Anschlussberufung normiert ist. Während nach § 127 Abs 2 Satz 2 VwGO die Anschließung nur bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründungsschrift zugelassen wird, besteht keine ebensolche Bestimmung im SGG. Die VwGO-Vorschrift soll nach vorherrschender Auffassung auf das sozialgerichtliche Verfahren nicht übertragen werden können, weil dafür eine rechtliche Grundlage fehlt. Vergleichbares wird hinsichtlich der ähnlichen Frist des § 524 Abs 2 Satz 2 ZPO angenommen, die immerhin über § 202 SGG grundsätzlich im sozialgerichtlichen Verfahren angewandt werden könnte(vgl Leitherer, aaO, § 143 RdNr 5 f). Nach dieser Vorschrift ist die Anschlussberufung zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Eine dem § 521 Abs 1 ZPO entsprechende Vorschrift über die Zustellung der Berufungsschrift und der Berufungsbegründungsschrift an den Gegner kennt das SGG nicht. Die entsprechende Anwendung des § 524 Abs 2 Satz 2 ZPO über § 202 SGG setzt aber die Zustellung mindestens der Berufungsbegründung an den Gegner voraus, damit Klarheit über den Beginn der Frist für die Einlegung der Anschlussberufung besteht. Die Anwendung von Ausschlussfristen im sozialgerichtlichen Verfahren ohne explizite normative Grundlage ist unter dem Gesichtspunkt der Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 1, Art 103 Abs 1 GG) problematisch, sodass ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung, die auch in der Anordnung einer entsprechenden Geltung des § 127 Abs 2 Satz 2 VwGO im SGG bestehen könnte, die Ausschlussfrist für die Anschlussberufung wohl nicht entsprechend angewandt werden kann. Das dürfte auch deshalb anzunehmen sein, weil im Berufungsverfahren der Sozialgerichtsbarkeit im Unterschied zu demjenigen in der Verwaltungs- und in der Zivilgerichtsbarkeit kein Vertretungszwang herrscht, und die Vorschriften über die Zustellung von Berufungs- und Berufungsbegründungsschriften sowie daran anknüpfende Fristen auf einen durch professionelle Bevollmächtigte geführten Prozess zugeschnitten sind.

27

Würde - was das LSG nicht erwogen hat - auf der Grundlage einer analogen Anwendung des § 127 Abs 2 Satz 2 VwGO im sozialgerichtlichen Verfahren auf den Nachweis der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift verzichtet und der Nachweis ihrer tatsächlichen Kenntnis für ausreichend gehalten, wäre die Anschlussberufung der zu 2. beigeladenen Krankenkasse hier ebenfalls unzulässig. Diese hat, wie sich aus ihrer Reaktion im Berufungsverfahren vom 4.4.2006 ergibt, Monate vor Einlegung der Anschlussberufung am 28.11.2006 Kenntnis von der Berufungsbegründung des Klägers gehabt. Die entsprechende Anwendung der Monatsfrist des § 127 Abs 2 Satz 2 VwGO würde dann ebenfalls zur Unzulässigkeit ihrer Berufung führen. Demgegenüber hätte die vom Berufungsgericht offenbar befürwortete unbefristete Zulassung der Anschlussberufung bis zur mündlichen Verhandlung zur Folge, dass das LSG trotz Entscheidungsreife der Hauptberufung den Rechtsstreit vertagen müsste, wenn zum Gegenstand der Anschlussberufung noch Sachaufklärungsbedarf besteht. Das könnte zu Verzögerungen der Entscheidung führen, die auch im Hinblick auf das Gebot der Gewährung von Rechtsschutz in angemessener Zeit (Art 6 Europäische Menschenrechtskonvention) möglichst zu vermeiden sind.

28

Diese Erwägungen geben dem Senat Anlass, trotz der gewichtigen Einwände des Berufungsgerichts an der bisherigen Rechtsprechung des BSG zur Anschlussberufung festzuhalten und von einer andernfalls gebotenen Anrufung des Großen Senats nach § 41 Abs 2 SGG im Hinblick auf die Rechtsprechung anderer Senate zum Gegenstand der Anschlussberufung im sozialgerichtlichen Verfahren abzusehen.

29

2. Im Übrigen erweist sich die Revision des Klägers aber als unbegründet.

30

a. Das Berufungsgericht hat angenommen, § 14 Abs 1 iVm Abs 3 der seit dem Jahre 1994 geltenden und für die Verordnungen des Klägers im Jahre 1999 noch anwendbaren Prüfvereinbarung für den Bezirk der zu 1. beigeladenen KÄV Berlin gestatte die Festsetzung von Arzneikostenregressen, soweit der Vertragsarzt Arzneimittel verordnet hat, die in der vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnungsfähig sind. Die Kenntnis des Vertragsarztes von der fehlenden Verordnungsfähigkeit oder generell ein Verschulden des Arztes sei insoweit nicht Voraussetzung für die Festsetzung eines Regresses. Soweit der Kläger § 14 der Prüfvereinbarung anders versteht und annimmt, diese Norm erfasse nur Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw die Festsetzung eines verschuldensabhängigen "sonstigen Schadens" und nicht die Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel, ist dem im Revisionsverfahren nicht weiter nachzugehen. Die Prüfvereinbarung stellt Landesrecht iS des § 162 SGG dar, das das Revisionsgericht in der Auslegung des Berufungsgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Von diesem Grundsatz sind in der Rechtsprechung des BSG zwei Ausnahmen anerkannt. Danach können landesrechtliche Normen vom Revisionsgericht eigenständig ausgelegt und angewandt werden, wenn es sich um Normen handelt, die inhaltsgleich in Bezirken verschiedener LSG gelten, soweit die Übereinstimmung im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (BSG vom 8.9.2009 - B 1 KR 8/09 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Es ist weder geltend gemacht noch gerichtsbekannt, dass die Berliner Prüfvereinbarung aus dem Jahr 1994 inhaltsgleich in anderen KÄV-Bezirken gilt.

31

Landesrechtliche Normen sind weiterhin einer eigenständigen Auslegung und Anwendung des BSG zugänglich, wenn das LSG entscheidungserhebliche Vorschriften unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, jeweils RdNr 15). Hier hat jedoch das LSG die als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ersichtlich einschlägige Vorschrift des § 14 der Prüfvereinbarung zutreffend herangezogen und unter Anwendung der allgemein anerkannten juristischen Auslegungskriterien ausgelegt. Der Kläger rügt auch keinen Verstoß gegen diese Auslegungsgrundsätze oder die Denkgesetze, sondern setzt der Auslegung des Berufungsgerichts seine abweichende Auslegung entgegen. Das führt nicht dazu, dass entgegen der Vorgabe des § 162 SGG das Revisionsgericht zu einer eigenständigen Auslegung berufen wäre.

32

Soweit § 14 der Prüfvereinbarung in der Auslegung des LSG eine hinreichende Grundlage für die Festsetzung von Arzneikostenregressen wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel darstellt, steht die Vorschrift mit Bundesrecht in Einklang. Der Senat hat mehrfach entschieden, dass auf der Grundlage des § 106 Abs 2 SGB V in den Prüfvereinbarungen Rechtsgrundlagen für Arzneikostenregresse festgeschrieben werden dürfen, soweit Vertragsärzte Arznei- und Heilmittel verordnet haben, die nicht Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung sind(zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52; vgl zuletzt BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 17 ff mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das stellt der Kläger selbst nicht in Abrede.

33

b. Soweit der Kläger in formeller Hinsicht weiter rügt, der angefochtene Bescheid des Beklagten sei fehlerhaft, weil er in einer Sitzung gefasst worden sei, in der ein Vertreter der Krankenkassen den Vorsitz innegehabt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Weder die Prüfvereinbarung im Bezirk der zu 1. beigeladenen KÄV noch Bundesrecht haben vorgeschrieben, dass in den Jahren, in denen Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse alternierend von einem Vertreter der Krankenkassen und der Vertragsärzte geleitet worden sind, Entscheidungen des Prüfungsausschusses, die unter ärztlichem Vorsitz getroffen worden sind, vom Beschwerdeausschuss nur unter Vorsitz eines Vertreters der Krankenkassen und umgekehrt überprüft werden dürfen.

34

Nach § 106 Abs 4 Satz 3 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 führte in den von Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen in gleicher Zahl besetzten Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen jährlich wechselnd ein Vertreter der Ärzte und der Krankenkassen den Vorsitz. Die Stimme des Vorsitzenden gab bei Stimmengleichheit den Ausschlag (aaO, Satz 4). Diese als defizitär bewertete Regelung war manipulationsanfällig (vgl näher BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5 auch zur Neuregelung im Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung)und ist deshalb zum 1.1.2004 ohne Übergangsregelung in der Weise geändert worden, dass die Gremien nunmehr von einem neutralen Vorsitzenden geleitet werden. Für die Zeit bis zum 31.12.2003 galten aber die früheren Regelungen über den im Jahresturnus wechselnden Vorsitz fort, und diesen lag die Auffassung der Revision von einem notwendigen Wechsel im Vorsitz zwischen den beiden Verwaltungsinstanzen nicht zugrunde.

35

Der Kläger verweist selbst auf früher geltende Prüfvereinbarungen im Bezirk der KÄV Bayerns und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Berlin, in denen bestimmt war, den Vorsitz im Beschwerdeausschuss führe ein Vertreter der Ärzte (Zahnärzte), wenn in dem zu entscheidenden Fall ein Vertreter der Krankenkassen den Vorsitz im Prüfungsausschuss inne hatte und umgekehrt. Dass eine solche Regelung im Bezirk der Beigeladenen zu 1. gegolten habe, macht der Kläger nicht geltend. Seine Auffassung, auch ohne ausdrückliche Regelung in der maßgeblichen Prüfvereinbarung ergebe sich dieser Grundsatz unmittelbar als Folge des § 106 Abs 4 Satz 3 SGB V aF über den turnusmäßigen Wechsel im Vorsitz von Prüfungs- und Beschwerdeausschuss, trifft nicht zu. Die Annahme einer solchen bundesrechtlichen Vorgabe hätte das Prüfverfahren verkompliziert und wäre ohne nähere Regelungen in den Prüfvereinbarungen kaum umsetzbar gewesen. Die Beschwerdeausschüsse hätten Beschlüsse über Entscheidungen der Prüfungsausschüsse möglicherweise zurückstellen müssen, weil im jeweiligen Jahr die "richtige" Besetzung nicht verfügbar gewesen wäre; alternativ hätte immer ein Vorsitzender der "Bank", die im jeweiligen Jahr im Beschwerdeausschuss nicht den Vorsitzenden stellt, zur Verfügung stehen müssen, um über Entscheidungen des Prüfungsausschusses zu beraten, die unter anderem Vorsitz getroffen worden sind. Ob die damit verbundenen formellen Erschwerungen des Prüfungsverfahrens bundesrechtlich unbedenklich gewesen wären, bleibt offen (zu den Grenzen des Gestaltungsspielraums der Gesamtvertragspartner bei Ausgestaltung der Prüfvereinbarung vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 290 f). Eine Verpflichtung der Prüfgremien, ohne explizite Regelung in der Prüfvereinbarung so zu verfahren, hat jedenfalls nicht bestanden.

36

c. Soweit der Kläger geltend macht, die Entscheidung durch den Beklagten am 12.12.2001 sei nur deshalb unter dem Vorsitz eines Krankenkassenvertreters gefallen, weil die Kassenvertreter die ursprünglich vorgesehene Sitzung am 24.9.2001 boykottiert hätten, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Da ein Arzt keinen Anspruch darauf hat, dass über seine Angelegenheit immer unter dem Vorsitz eines Arztes im Beschwerdeausschuss entschieden wird, wenn der Prüfungsausschuss unter dem Vorsitz eines Krankenkassenvertreters entschieden hat, stellt die Vertagung einer Sitzung auch dann grundsätzlich keinen Rechtsverstoß dar, wenn diese zur Folge haben sollte, dass der Vorsitz in der tatsächlich entscheidenden Sitzung wechselt. Im Übrigen hat das Berufungsgericht nicht iS des § 163 SGG festgestellt, dass die Vertagung der Entscheidung vom 24.9.2001 allein darauf beruht hat, dass die Krankenkassenvertreter erreichen wollten, dass über die Angelegenheit des Klägers in der Besetzung des Beschwerdeausschusses mit einem Vorsitzenden aus ihren Reihen entschieden wird. Schließlich ist im Hinblick auf die Rügen des Klägers zur Zusammensetzung des Beklagten bei der Beschlussfassung darauf hinzuweisen, dass die Krankenkassen nach der Rechtsprechung des Senats gegen Entscheidungen der Prüfgremien, mit denen ua Anträge auf Festsetzung von Honorarkürzungen oder Arzneikostenregressen abgelehnt werden, Rechtsmittel ergreifen können (zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 und BSG MedR 2004, 577, jeweils zu unzureichenden Kürzungen vertragszahnärztlichen Honorars; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 zum Sprechstundenbedarfsregress). Da vorliegend Ermessens- und Beurteilungsspielräume allenfalls am Rande in Rede stehen, spricht wenig dafür, dass die zu 2. beigeladene Krankenkasse eine - unterstellt für den Kläger positive - Entscheidung des Beklagten unter anderem Vorsitz auf sich hätte beruhen lassen.

37

d. Der Kläger durfte über "Polyglobin 5 %" in den streitbefangenen Quartalen keine vertragsärztliche Verordnung ausstellen. Er hat dieses Arzneimittel außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung verordnet.

38

Die Zulassung von Polyglobin war nach den Feststellungen des LSG auf die Behandlung der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura (Hautblutungen) beschränkt, und an dieser Erkrankung hat die Versicherte H. nicht gelitten. Ein Arzneimittel darf grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für einen Einsatz außerhalb der arzneimittelrechtlich zugelassenen Indikation verordnet werden. Das hat der 1. Senat des BSG mit Urteil vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden und daran bis heute festgehalten (zB BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1). Der 6. Senat des BSG ist dem für die Festsetzung von Arzneikostenregressen gefolgt (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19; vgl auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

39

Der Kläger kann sich zur Rechtfertigung seiner Verordnungen von Polyglobin weder auf Vertrauensschutz noch auf einen der Annahmetatbestände stützen, unter denen Arzneimittel vertragsärztlich auch außerhalb der zugelassenen Indikation verordnet werden dürfen. Der Kläger ist der Auffassung, Vertragsärzte hätten in der Zeit zwischen dem Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995 zur Drogensubstitution mit dem Codein-Präparat Remedacen (BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5) und dem Bekanntwerden des Urteils des 8. Senats vom 30.9.1999 zur SKAT-Therapie (BSGE 85, 36 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11) generell darauf vertrauen dürfen, Arzneimittel im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auch außerhalb der Zulassungsindikationen nach dem Arzneimittelrecht verordnen zu dürfen. Dem folgt der Senat in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht nicht.

40

Es ist bereits fraglich, ob ein Vertragsarzt im Hinblick auf das zu der sehr speziellen Situation der Drogensubstitution ergangene Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995 generell darauf vertrauen durfte, Arzneimittel auch außerhalb ihrer Zulassungsindikation verordnen zu dürfen. Allenfalls kommt ein Vertrauen darauf in Betracht, dass die Bindung der vertragsärztlichen Verordnung an die Zulassung des jeweiligen Fertigarzneimittels nach dem AMG in dem Sinne gelockert ist, dass in bestimmten Konstellationen eine die arzneimittelrechtliche Zulassung überschreitende Verordnung, die medizinisch sinnvoll oder sogar geboten ist, auch krankenversicherungsrechtlich zulässig sein kann. In diesem Sinne ist das Urteil des 8. Senats vom 30.9.1999 richtigerweise zu verstehen. Weitergehende Schlussfolgerungen aus diesem Urteil im Sinne eines uneingeschränkt erlaubten indikationsfremden Einsatzes von Fertigarzneimitteln liegen eher fern, zumal ein beliebiger, allein nach Gutdünken jedes einzelnen Arztes erfolgender, Einsatz eines Medikaments außerhalb der Zulassung nicht ernsthaft für sachgerecht gehalten werden kann .

41

e. Im Übrigen sind schon kurz nach Veröffentlichung des Urteils des 1. Senats vom 5.7.1995 zur Drogensubstitution in der Rechtsprechung des BSG Zweifel an der allgemeinen Aussagekraft dieses Urteils über den entschiedenen Fall hinaus artikuliert worden. Schon drei Monate nach dem Urteil des 1. Senats hat der allein für das Vertragsarztrecht zuständige erkennende Senat Bedenken gegen die Zulässigkeit des Einsatzes von Remedacen zur Drogensubstitution geäußert und auf die Problematik der Beachtung der Richtlinien des (früheren) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen im Zusammenhang mit sog Außenseitermethoden hingewiesen (Urteil vom 18.10.1995, SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 5). In der Sache sind sodann die Grundsätze des Urteils vom 5.7.1995 durch die neuere Rechtsprechung des 6. und des 1. Senats zur Rechtsqualität der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, zur Methodenanerkennung nach § 135 Abs 1 SGB V und zum Zusammenhang zwischen dieser Anerkennung und den Prinzipien der Arzneimitteltherapie deutlich modifiziert worden(Urteil des 6. Senats vom 20.3.1996, BSGE 78, 70 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 "Methadon"; Urteile des 1. Senats vom 16.9.1997, BSGE 81, 54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4, BSGE 81, 73 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7). Spätestens nach Bekanntwerden dieser Urteile war deutlich, dass die ältere Rechtsprechung des BSG zu den (untergesetzlichen) Vorgaben des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr uneingeschränkt fortgeführt werden würde. Kein Vertragsarzt musste die aufgezeigten Wendungen der Rechtsprechung kennen oder nachvollziehen. Wer aber - wie der Kläger - geltend macht, Verordnungen aus dem Jahre 1999 im Vertrauen auf eine zu einer Sonderkonstellation ergangene und vereinzelt gebliebene Rechtsprechung des BSG aus dem Jahre 1995 getätigt zu haben, muss sich entgegenhalten lassen, dass sich die Rechtsprechung weiterentwickelt hat. Jedenfalls im Jahr 1999 hat es für einen Vertragsarzt erkennbar keine hinreichende Sicherheit mehr gegeben, nach eigener Einschätzung Off-Label-Use-Verordnungen ausstellen zu dürfen, ohne Gefahr zu laufen, insoweit in Regress genommen zu werden.

42

f. Zudem sind sowohl das Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995, auf das sich der Kläger beruft, wie auch die folgenden Entscheidungen des 1. und des 8. Senats des BSG zu den Rechtsansprüchen von Versicherten gegen ihre Krankenkasse ergangen. Aus diesen Urteilen ergibt sich nicht unmittelbar, wie sich ein Vertragsarzt zu Arzneimittelverordnungen verhalten sollte, die erkennbar außerhalb der Zulassungsindikation des jeweiligen Arzneimittels erfolgten, von denen er aber annahm, sie könnten vom Patienten beansprucht werden. Dazu ist dem Urteil des erkennenden Senats vom 18.10.1995 (6 RKa 3/93) zur Drogensubstitution zu entnehmen, dass in solchen Fällen jedenfalls eine exakte Dokumentation und eine engmaschige Verlaufskontrolle der Behandlung geboten waren (SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8; vgl auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 39, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Damit ist es zB nicht vereinbar, auf laborchemische Untersuchungen zum Nachweis eines - vermeintlichen oder tatsächlich bestehenden - "Antikörpermangelsyndroms" zu verzichten, wenn die umstrittene Off-Label-Verordnung von Immunglobulinen gerade auf diese Diagnose reagiert.

43

Ein Vertragsarzt, der Medikamente außerhalb ihrer zugelassenen Indikationen verordnet, kann weder sich noch der Krankenkasse Gewissheit darüber verschaffen, dass die Verordnung den Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebotes genügt, also notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Bei Off-Label-Verordnungen hat nämlich gerade keine Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des jeweiligen Arzneimittels stattgefunden, die seinen Einsatz (auch) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigt. Eine solche Prüfung ist im AMG nur indikationsbezogen vorgeschrieben und durchführbar; die von der Zulassung nach dem AMG ausgehende Schutzwirkung und Qualitäts- wie Wirksamkeitserwartung greift bei einem Einsatz des Medikaments außerhalb der Zulassung gerade nicht ein (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19; s auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 - RdNr 27 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Soweit danach ein Vertragsarzt Verordnungen ohne gesicherten Nachweis von Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels ausstellt, muss zwingend nachträglich geprüft werden dürfen, ob die jeweilige Verordnung den Regeln des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Wenn der Vertragsarzt davon absieht, in Fällen eines Off-Label-Use die Krankenkasse vor Ausstellung der Verordnung einzuschalten, wie es der Senat in einem Beschluss vom 31.5.2006 dargestellt hat (B 6 KA 53/05 B, MedR 2007, 557, 560), muss er hinnehmen, dass die Einhaltung der Vorgaben der vertragsärztlichen Versorgung im Nachhinein geprüft wird.

44

Der Beklagte hält dem Kläger - anders als dieser nahe legen will - keine schuldhafte Verletzung vertragsärztlicher Pflichten vor, die nunmehr sanktioniert wird. Der Beklagte hat lediglich die Position der zu 2. beigeladenen Krankenkasse bestätigt, dass sie objektiv zu Unrecht erhebliche Kosten für die Versorgung ihrer Versicherten H. mit einem Immunglobulin aufgewandt hat. Weil der Kläger der Beigeladenen zu 2. keine Gelegenheit gegeben hat, ihre Auffassung zur Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Immunglobulinen bei der Versicherten H. vor Einlösung der Verordnungen darzulegen, muss es der Krankenkasse möglich sein, ihren Standpunkt nachträglich durchzusetzen, soweit er rechtlicher Prüfung standhält. Dazu sieht die Prüfvereinbarung im Einklang mit Bundesrecht das Verfahren der Regressfestsetzung vor. Soweit der Kläger geltend macht, nach dem im Jahr 1999 geltenden Recht habe er zu Gunsten der H. kein Privatrezept ausstellen dürfen, weil das gegen § 29 Abs 1 Satz 2 BMV-Ä verstoßen hätte, folgt der Senat dem nicht. Der Beschluss des Senats vom 31.5.2006 (MedR 2007, 557), der diesen Weg aufgezeigt hat, ist zu Off-Label-Use-Verordnungen aus dem Jahr 1997 ergangen. Auch 1997 und 1999 galt das Verbot, sich als Vertragsarzt vertragsärztliche Verordnungen einzeln genehmigen zu lassen; dieses Verbot hat sich - wie der Senat dargelegt hat - immer nur auf Verordnungen im Rahmen der Leistungspflicht der Krankenkassen bezogen. Wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn der Kläger im Sommer 1999 vergeblich bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. angefragt und explizit um eine Entscheidung über das aus Sicht dieser Krankenkasse richtige Vorgehen gebeten hätte, kann offen bleiben. Der Kläger macht selbst nicht geltend, diesen Weg beschritten zu haben.

45

g. Der vom Beklagten aufrecht erhaltene Regress gegen den Kläger ist schließlich nicht deshalb rechtswidrig, weil der Versicherten H. bei Ausstellung der umstrittenen Verordnungen nach den Grundsätzen des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) gegen die Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse ein Anspruch auf Versorgung mit Polyglobin 5 % zugestanden hätte. Nach den Feststellungen des LSG liegen die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen, auf §§ 27 und 31 SGB V iVm Art 2 Abs 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip bzw Art 2 Abs 2 Satz 1 GG und der hieraus abzuleitenden Schutzpflicht gegründeten Anspruchs nicht vor. Diese Feststellungen des LSG sind für den Senat nach § 163 SGG bindend, weil der Kläger dazu keine zulässigen Revisionsrügen angebracht hat.

46

Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt der Revision: Wenn feststünde, dass H. nach den tatsächlichen Verhältnissen des Jahres 1999 einen Anspruch auf Versorgung mit Polyglobin als Sachleistung der Krankenkasse gehabt hätte, dürfte wegen der für diese Versorgung angefallenen Kosten kein Regress gegen den Kläger festgesetzt werden. Diese Konsequenz aus der Entscheidung des BVerfG hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 5.11.2008 zu Wobe Mugos (SozR 4-2500 § 106 Nr 21; ebenso BSG MedR 2010, 276) inzident angesprochen und hält daran fest. Der verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen beruht im Kern darauf, dass die Krankenkasse einen Ausgleich für die Bezahlung von Medikamenten erhält, die sie bei korrekten Verhalten des Arztes nicht hätte finanzieren müssen. Wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Versicherte, zu dessen Gunsten der Vertragsarzt die umstrittenen Verordnungen ausgestellt hat, auf die Versorgung mit dem verordneten Arzneimittel einen Anspruch gegen seine Krankenkasse hatte, ist dieser durch die Bezahlung dieses Arzneimittels dem Grunde nach jedenfalls kein Schaden entstanden, den der Vertragsarzt nunmehr ersetzen müsste. Lässt sich allerdings nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise gerechtfertigten Off-Label-Use vorgelegen haben, geht das zu Lasten des Arztes. Er rückt, obwohl er sich nach der Ausrichtung des Verfahrens gegen einen Regress wendet, hinsichtlich der Verteilung von Darlegungs- und Beweislast in die Stellung ein, die der Versicherte gehabt hätte, wenn er seinen Standpunkt zur der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels gegen die Krankenkasse nach § 13 Abs 3 SGB V im Wege der Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs durchsetzen müsste. Wer geltend machen will, der Versorgungsanspruch umfasse in einer bestimmten Konstellation auch die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln außerhalb der Zulassungsindikationen, dringt damit nicht durch, wenn sich unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die dafür insbesondere in der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG und inzwischen auch vom Gemeinsamen Bundesausschuss (§ 30 der Arzneimittel-Richtlinie iVm Anlage VI) formulierten Voraussetzungen vorgelegen haben. Das ist auch hier der Fall und geht zu Lasten des Klägers.

47

h. Das LSG ist in Übereinstimmung mit der Revision zutreffend davon ausgegangen, dass die Versicherte H. an einer lebensbedrohlichen Erkrankung (metastasierendes Karzinom der Eileiter) gelitten hat. Zu dessen kausaler Behandlung hätte bei Fehlen einer allgemein anerkannten, medizinischem Standard entsprechenden Behandlungsmethode nach der Rechtsprechung des BVerfG ein Arzneimittel auch außerhalb seiner Zulassungsindikation eingesetzt werden dürfen, wenn nach der vorhandenen Studienlage auf diese Weise die nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf positive Behandlungserfolge bestanden hätten (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33). Das nimmt der Kläger selbst für die Verordnung von Polyglobin nicht an. Er geht vielmehr davon aus, dass die Versicherte H. an einem Antikörpermangel litt, der unbehandelt eine Fortführung der überlebensnotwendigen Chemotherapie ausgeschlossen hätte oder hat. Wenn die Rechtsprechung des BVerfG auf diese Konstellation Anwendung finden sollte, was der Senat entgegen der Auffassung des LSG nicht von vornherein für ausgeschlossen hält, müssen jedenfalls die Anforderungen an einen zulässigen Off-Label-Use entsprechend erfüllt sein. Es muss deshalb feststehen, dass der Patient neben der lebensbedrohlichen Erkrankung an einer weiteren Gesundheitsstörung leidet, die die Anwendung aller zur Behandlung des Hauptleidens in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten ausschließt. Weiterhin muss der Off-Label-Einsatz des anzuwendenden Arzneimittels mit gewisser Wahrscheinlichkeit die zweite Erkrankung so beeinflussen, dass eine Erfolg versprechende Behandlung des Hauptleidens wieder oder erstmals möglich wird. Schließlich darf es für die zweite Erkrankung keine anerkannten Behandlungsmöglichkeiten - zB mit entsprechend zugelassenen Arzneimitteln - geben. Diese Voraussetzungen sind hier jedenfalls nicht - wie es notwendig wäre, um der Klage zum Erfolg zu verhelfen - kumulativ erfüllt.

48

i. Erhebliche Zweifel bestehen bereits daran, ob das vom Kläger so bezeichnete "sekundäre Antikörpermangelsyndrom" eine eigenständige und hinreichende spezifische Erkrankung ist, die abgegrenzt vom Karzinomleiden behandelt werden kann und muss. Der Kläger hat dazu in den Tatsacheninstanzen nicht Präzises vorgetragen. Zudem steht nicht fest, dass die Patientin H. an einem Antikörpermangelsyndrom litt, das schulmedizinisch nicht behandelbar war. Die zur Abstützung dieser Diagnose und des Ausmaßes der Erkrankung möglichen laborchemischen Untersuchungen hat der Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht durchgeführt oder veranlasst. Dazu mag er - wie die Revision geltend macht - berufsrechtlich nicht verpflichtet gewesen sein. Er hat damit aber im Hinblick auf den Off-Label-Use zur Unaufklärbarkeit des genauen Gesundheitszustandes der Versicherten H. in der zweiten Hälfte des Jahres 1999 beigetragen. Das geht zu seinen Lasten.

49

j. Außerdem fehlt es an ausreichenden Feststellungen bzw Belegen für das vom Kläger geltend gemachte Dilemma, die lebensbedrohliche Ersterkrankung nur durch die Behandlung der Zweiterkrankung mit Polyglobin 5 % therapieren zu können. Der Kläger setzt schon die Anforderungen an den Nachweis einer eigenständigen Zweiterkrankung zu niedrig an. Die Versicherte H. litt nach den Ausführungen des Klägers an einer "Verminderung der Immunitätslage" als Folge sowohl des Karzinomleidens als auch der aggressiven Chemotherapien. Darauf habe sie mit wiederholten schweren bakteriellen und viralen Infektionen reagiert, die er - der Kläger - als "Zeichen eines sekundären Antikörpermangels" gedeutet habe. Für keine dieser "wiederholten" Infektionen hat der Kläger im Verwaltungsverfahren oder in den Vorinstanzen jedoch konkret und eingehend belegt, dass diesen durch anerkannte Behandlungsverfahren nicht hätten effektiv entgegengewirkt werden können. Spezifische Darlegungen dazu, die dann dem LSG ggf Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätten geben können, waren vor allem deshalb unerlässlich, weil der Kläger selbst einen Zusammenhang zwischen dem Krebsleiden und der Chemotherapie mit der geschwächten Immunitätslage der H. herstellt. Da nicht alle Patienten, deren Abwehrsystem durch Krebs und Chemotherapie geschwächt sind, mit Immunglobulin behandelt werden bzw nach dem gebotenen Behandlungsstandard behandelt werden müssen oder im Jahr 1999 so behandelt wurden oder behandelt werden mussten, hätte der Kläger fallbezogen und detailliert darlegen müssen, inwieweit sich die gesundheitliche Lage der H. von derjenigen anderer chemotherapeutisch behandelter Krebspatienten unterschied, und auf der Basis welcher exakten Befunde er die Anwendung von Polyglobin 5 % für unerlässlich hielt. Das ist nicht geschehen und spricht dafür, dass sich der Kläger von der Gabe eines Immunglobulins ganz generell eine Stärkung der Abwehrlage der H. und damit mutmaßlich eine bessere Resistenz gegen Infektionen versprach. Das reicht für einen Off-Label-Use, dessen Zulässigkeit jedenfalls in Fällen der hier vorliegenden Art von dem Gesundheitszustand des konkreten Patienten abhängt, nicht aus.

50

k. Schließlich ist die positive Wirkung, die der Kläger dem Einsatz von Immunglobulin bei fortgeschrittener Krebserkrankung zuschreibt, nach den Feststellungen des LSG auch nicht hinreichend belegt.

51

Das LSG hat im Einzelnen dargestellt, dass die bis 1999 zum Einsatz von Immunglobulinen vorhandenen Studien und publizierten Forschungsergebnisse nicht darauf hindeuten, dass die Gesundheitsstörungen der Versicherten H. durch den Einsatz von Polyglobin erfolgreich behandelt werden konnten. Das LSG ist zutreffend von den in der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG ermittelten Grundsätzen zum Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit (in Deutschland oder der EU) nicht zugelassenen Arzneimitteln (dazu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4) oder mit Arzneimitteln außerhalb zugelassener Indikationen (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) ausgegangen. Es hat näher ausgeführt, dass keine wissenschaftliche Arbeit vorliege oder vom Kläger benannt sei, in der der zulassungsüberschreitende Einsatz von Immunglobulinen zur Behandlung einer auf der Intoleranz von Chemotherapeutika beruhenden Erkrankung als medizinisch geboten bewertet wird. Einen Konsens der einschlägigen Fachkreise, dass Polyglobin ein sekundäres Antikörpersyndrom positiv beeinflussen könne, hat das LSG gerade nicht feststellen können. Soweit die Revision die vorhandenen medizinischen Unterlagen lediglich anders würdigt, vermag sie damit die Feststellungen iS des § 163 SGG nicht zu entkräften.

52

Soweit der Kläger die Sachaufklärung des LSG zu den Erfolgsaussichten der Behandlung mit Immunglobulinen für unzureichend hält, berücksichtigt er nicht hinreichend, dass sich der 1. Senat des BSG bereits mehrfach mit dem Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Immunglobulinen befasst hat. In den Urteilen vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8), vom 27.3.2007 (B 1 KR 17/06 R) und vom 28.2.2008 (SozR 4-2500 § 13 Nr 16), die sämtlich die Versorgung mit Immunglobulinpräparaten - jeweils bezogen auf die Indikation Multiple Sklerose - zum Gegenstand hatten, wird der Stand der medizinischen Forschung zu dieser Wirkstoffgruppe für die streitbefangenen Jahre 1997 bis 2003 eingehend aufgearbeitet. Zwar können die Forschungsergebnisse zur Möglichkeit, durch die Gabe von Immunglobulinen die Multiple Sklerose günstig zu beeinflussen, nicht ohne Weiteres auf die hier zu beurteilende Situation der unterstützenden Behandlung bei Krebserkrankungen übertragen werden, doch sind die Wirkungen und die in Frage kommenden Indikationen für Immunglobulin bezogen auf den hier relevanten Zeitraum gut erforscht und die Forschungsergebnisse - soweit krankenversicherungsrechtlich von Bedeutung - in der Rechtsprechung des BSG umfassend rezipiert worden. Zudem sind die Urteile des 1. Senats des BSG vom 27.3.2007 und vom 28.2.2008 Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung gewesen. Mit Kammerbeschlüssen vom 30.6.2008 (1 BvR 1665/07 zum BSG-Urteil B 1 KR 17/06 R) und vom 8.7.2009 (1 BvR 1531/09 zum BSG-Urteil B 1 KR 15/07 R) sind die Verfassungsbeschwerden der unterlegenen Kläger jeweils nicht zur Entscheidung angenommen worden. Beide Kammerbeschlüsse sind auf der Basis der grundlegenden Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 ergangen und billigen insbesondere, dass die Rechtsprechung des BSG strenge Anforderungen an den Nachweis stellt, dass mit dem zulassungsüberschreitenden Einsatz des jeweils betroffenen Arzneimittels hinreichende Erfolgsaussichten verbunden sein müssen (BVerfG vom 30.6.2008 - 1 BvR 1665/07 - NJW 2008, 3556 f RdNr 9 bis 11). Es reicht danach als Grundlage für einen Off-Label-Use von Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus, dass positive Folgen einer solchen Behandlung nach dem Wirkungsmechanismus von Immunglobulinen nicht schlechthin ausgeschlossen werden können, dass Patienten in Einzelfällen nach Verabreichung der umstrittenen Medikamente eine Verbesserung ihres Befindens beschreiben und dass einzelne Ärzte oder Wissenschaftler mit plausiblen Gründen einen von der verbreiteten Auffassung abweichenden Standpunkt zu den Erfolgsaussichten einer Behandlung vertreten. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe und im Hinblick auf die schon vorliegende Rechtsprechung des 1. Senats des BSG ist die Sachverhaltsermittlung des Berufungsgerichts ausreichend.

53

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 iVm § 155 Abs 1 VwGO und berücksichtigt das teilweise Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten. Die außergerichtlichen Kosten der zu 1. beigeladenen KÄV sind nach § 162 Abs 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil diese keine Anträge gestellt hat(vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1.12.2006 bis zum 28.2.2007 teilweise aufgehoben und von ihr die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 1410 Euro gefordert hat.

2

Die 1983 geborene, alleinstehende Klägerin erhielt nach vorangehendem Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) seit März 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von der Beklagten. Zuletzt bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 10.8.2006 für den Zeitraum vom 1.9.2006 bis zum 28.2.2007 Alg II in Höhe von monatlich 588 Euro (345 Euro Regelleistung, 240 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung und 3 Euro befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II). Seit dem 15.3.2007 war sie als Erzieherin beschäftigt und damit nicht mehr hilfebedürftig nach dem SGB II.

3

Im Februar 2007 reichte die Klägerin bei der Beklagten Kontoauszüge ein, aus denen ein Zahlungseingang am 19.12.2006 von ihrem Onkel in Höhe von 1500 Euro hervorging. Auf Rückfrage legte sie dazu ein an sie gerichtetes, undatiertes Schreiben mit folgendem Inhalt vor: "Liebe J, am 19. Dezember.2006 habe ich Dir Euro 1500 als Darlehen auf Dein Konto überwiesen. Wir haben vereinbart, dass Du mir den Betrag am 01.07.2007 zurückzahlst. Beste Grüße. Dein Onkel J".

4

Nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 5.3.2007 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 10.8.2006 für den Zeitraum vom 1.12.2006 bis 28.2.2007 teilweise in Höhe von 1410 Euro nach § 48 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf. Die Klägerin habe nach Erlass des Bescheides Einkommen erzielt, das zur Minderung des Anspruchs geführt habe (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X). Mit dem Zufluss der Darlehenssumme im Dezember 2006 habe sich eine Änderung der Verhältnisse ergeben (§ 48 Abs 1 Satz 3 SGB X). Der auf dem Girokonto eingegangene Betrag von 1500 Euro sei ab dem Zuflussmonat als sonstiges Einkommen nach § 11 SGB II zu berücksichtigen und anteilig in Höhe von monatlich 470 Euro (500 Euro abzüglich des Pauschbetrages in Höhe von 30 Euro) auf den restlichen Bewilligungsabschnitt zu verteilen. Die Aufhebungsentscheidung sei nach § 40 Abs 1 Nr 1 SGB II iVm § 330 SGB III als gebundene Entscheidung zu erlassen. Die erbrachten Leistungen seien nach § 40 Abs 2 SGB II in Verbindung mit § 50 SGB X zu erstatten, wobei der Klägerin unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Möglichkeit einer Ratenzahlung eingeräumt werde(Bescheid vom 13.3.2007; Widerspruchsbescheid vom 21.6.2007).

5

Die hiergegen gerichtete Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund begründete die Klägerin wie bereits den Widerspruch damit, es sei ihr von ihrem Onkel ein Darlehen gewährt worden, um (von ihr im Einzelnen belegte) Ausgaben zu tätigen, die sie nicht aus dem Regelsatz habe bestreiten können. Ihrer Verpflichtung zur Rückzahlung der Darlehenssumme sei sie am 17.7.2007 durch Überweisung des Betrages in voller Höhe nachgekommen. Die Klage blieb ohne Erfolg (Urteil vom 26.5.2008).

6

Auf die Berufung der Klägerin hin hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Die Klägerin sei im Zeitraum von Dezember 2006 bis Februar 2007 weiterhin in dem zuvor bestehenden Umfang hilfebedürftig gewesen. Ihrem Bedarf von monatlich 588 Euro habe kein zu berücksichtigendes Einkommen gegenübergestanden. Durch die Gutschrift auf dem Girokonto am 19.12.2006 sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 10.8.2006 vorgelegen hätten, nicht eingetreten. Die von ihrem Onkel überwiesene Summe sei nicht als einmalige Einnahme bedarfsmindernd zu berücksichtigen gewesen, da es sich zur Überzeugung des Senats nicht um eine Schenkung, sondern ein Darlehen gehandelt habe. Bei Mitteln aus einem Darlehen handele es sich nicht um Einkommen iS des § 11 SGB II, da sie mit Rücksicht auf die Rückzahlungsverpflichtung die Vermögenssituation des Hilfebedürftigen nicht veränderten, es sei denn, die Verpflichtung zur Rückzahlung entfalle(Hinweis auf BSGE 58, 160 ff = SozR 4100 § 138 Nr 11; BSG SozR 4100 § 138 Nr 25 zur Arbeitslosenhilfe; BVerwGE 54, 358, 361 ff; 69, 247 ff; 69, 252 ff für das Wohngeldrecht). Für den Senat sei nach Anhörung der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung und auf Grundlage der Angaben des Onkels, der Rechtsanwalt sei, nachgewiesen, dass von vornherein die Rückzahlung des Betrages von 1500 Euro vereinbart worden sei. Unschädlich für diese Annahme sei, dass bei Vereinbarung der darlehensweisen Überlassung der Zeitpunkt für die Rückzahlung (noch) offen gelassen worden sei.

7

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 11 SGB II. Zwar spreche einiges für die vom LSG vertretene Auffassung, dass Darlehen, die mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet seien, nicht als Einkommen angesehen werden könnten. Dies könne jedoch nur für solche Darlehenssummen gelten, die noch im laufenden Bewilligungsabschnitt zurückzuzahlen seien (Hinweis auf SG Reutlingen Urteil vom 24.4.2007 - S 2 AS 4151/06, info also 2007, 227 = ZFSH/SGB 2007, 672). Dies berücksichtige die unmittelbare wirtschaftliche Situation des Hilfebedürftigen angemessen. Zugleich könne so ein Maßstab zur Bewertung von Fällen wie dem Vorliegenden gefunden werden, der den Anforderungen einer Massenverwaltung gerecht werde. Darlehensvereinbarungen müssten schließlich in allen wesentlichen Punkten dem entsprechen, was auch zwischen Dritten vereinbart werde und damit dem sog Fremdvergleich standhalten.

8

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember 2008 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26. Mai 2008 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Die Voraussetzungen für eine (teilweise) Aufhebung der ursprünglichen Bewilligung liegen nicht vor. Bei der nach Antragstellung im Bedarfszeitraum zugeflossenen Darlehenssumme handelt es sich nicht um berücksichtigungsfähiges Einkommen, wie das LSG zutreffend entschieden hat.

12

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 13.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.6.2007, den die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) angegriffen hat.

13

2. Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung kommt nur § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X in Betracht. Hiernach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 SGB III ist dabei mit Wirkung vom Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse der Verwaltungsakt aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hat(§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X). Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (§ 48 Abs 1 Satz 3 SGB X); dies ist im SGB II nach § 13 SGB II iVm § 2 Abs 3 Satz 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) idF vom 20.10.2004 (BGBl I 2622) iVm § 6 Alg II-V idF vom 22.8.2005 (BGBl I 2499) der Beginn des Monats, in dem das Einkommen zufließt.

14

3. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne ist entgegen der Auffassung der Beklagten durch den Zufluss der Darlehenssumme nicht eingetreten. Die erwerbsfähige Klägerin war während des gesamten Bewilligungsabschnitts vom 1.9.2006 bis zum 28.2.2007, in den auch der streitige Zeitraum fällt, hilfebedürftig iS der §§ 7, 9 SGB II. Sie erfüllte nach den bindenden Feststellungen des LSG durchgehend die Voraussetzungen für den Bezug von Alg II. Dabei war zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides vom 10.8.2006 von einem monatlichen Bedarf in Höhe von jeweils 588 Euro auszugehen. Auf diesen monatlichen Bedarf war auch in den Monaten Dezember 2006 sowie Januar und Februar 2007 kein Einkommen bedarfsmindernd anzurechnen.

15

Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte(vgl nur BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15 RdNr 18). Vorliegend kommt damit - wovon auch die Beteiligten und die Vorinstanzen ausgehen - nur die Berücksichtigung der Zahlung als Einkommen im Bedarfszeitraum, nicht dagegen als Vermögen in Betracht.

16

a) Aus dem Wortlaut des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II folgt keine weitergehende Definition dessen, was Einkommen ist. Lediglich die im zweiten Satzteil genannten Leistungen sind von vornherein von der Berücksichtigung ausgenommen. Mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Arbeitslosenhilfe (BSGE 58, 160 = SozR 4100 § 138 Nr 11; SozR 4100 § 138 Nr 25) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Einkommensbegriff im Wohngeldrecht (stRspr seit BVerwGE 54, 358, juris RdNr 21; BVerwGE 69, 247, juris RdNr 15) kann auch im Anwendungsbereich des § 11 Abs 1 SGB II nach Sinn und Zweck der Norm eine von einem Dritten lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung nicht als Einkommen qualifiziert werden. Nur der "wertmäßige Zuwachs" stellt Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II dar; als Einkommen sind nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert anzusehen, die eine Veränderung des Vermögensstandes dessen bewirken, der solche Einkünfte hat. Dieser Zuwachs muss dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleiben, denn nur dann lässt er seine Hilfebedürftigkeit dauerhaft entfallen. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, stellt damit als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar, auch wenn es als "bereites Mittel" zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden könnte (ebenso Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 11 RdNr 29; Söhngen in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 11 RdNr 42; Armborst, info also 2007, 227; Berlit, NZS 2009, 537, 542; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Mai 2010, § 11 RdNr 42d und 206; anders Adolph in Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII und Asylbewerberleistungsgesetz, Stand Februar 2010, § 11 SGB II RdNr 8; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 14.7.2008 - L 13 AS 97/08 ER, FEVS 60, 87; 10.12.2009 - L 13 AS 366/09 B ER, juris RdNr 22). Ob für die darlehensweise Gewährung staatlicher Leistungen zur Existenzsicherung (zB - sog Meister-BAföG nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz) anderes gilt, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.

17

b) Soweit das BVerwG hinsichtlich der Anrechenbarkeit von Darlehensmitteln im Anwendungsbereich des Bundessozialhilfegesetzes danach differenziert hat, ob der Dritte vorläufig - anstelle des Sozialhilfeträgers und unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens - nur deshalb einspringt, weil der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat (vgl BVerwGE 26, 217, 219; 90, 154, 156; 94, 127, 135; 96, 152; in diesem Sinne für das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 82 RdNr 27), ist die Grundlage dieser Rechtsprechung entfallen. Die zugrunde liegende Annahme, ein Anspruch auf Sozialhilfe komme nur bei tatsächlich (fort-)bestehendem Bedarf nach Antragstellung in Betracht, lässt sich auf das SGB II nicht übertragen. Ein solches normatives Strukturprinzip ("keine Leistungen für die Vergangenheit"; Bedarfsdeckungsgrundsatz) kennt das SGB II - wie das SGB XII - nicht (vgl für das SGB XII BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 19). Auf eine "faktische" Bedarfsdeckung, die Hilfebedürftigkeit entfallen lässt, kommt es nicht an; entscheidend ist allein, ob im Bedarfszeitraum Einkommen in bedarfsdeckender Höhe tatsächlich und zur endgültigen Verwendung zur Verfügung steht (so bereits Urteil des Senats vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, juris RdNr 19). Aus diesem Grund ist bei der Qualifizierung einer Darlehenszahlung als Einkommen nicht danach zu unterscheiden, ob es sich um eine "Nothilfeleistung" des Dritten handelt.

18

c) Eine Differenzierung danach, ob die durch den Darlehensvertrag vereinbarte Verpflichtung zur vollständigen Rückerstattung in denjenigen Bewilligungsabschnitt fällt, in dem die Darlehenssumme dem Hilfebedürftigen zugeflossen ist (so SG Reutlingen Urteil vom 24.4.2007, info also 2007, 227 = ZFSH/SGB 2007, 672; Hohm/Klaus in GK-SGB II, Stand Oktober 2008, § 11 SGB II RdNr 89 ff), scheidet entgegen der Auffassung der Beklagten ebenfalls aus. Weil Hilfebedürftigkeit als Leistungsvoraussetzung über den Bewilligungszeitraum hinaus und unabhängig von einer (erneuten) Antragstellung vorliegen kann, ist der Bewilligungsabschnitt als solcher weder geeigneter "Verteilzeitraum" für einmalige Einnahmen (dazu BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, jeweils RdNr 30), noch kommt es für die Prüfung von Hilfebedürftigkeit darauf an, ob diese bis zum Ende des bei Antragstellung in Blick genommenen Bewilligungsabschnitts oder darüber hinaus fortbesteht. Die von der Beklagten angestrebte Differenzierung mag aus Sicht des Trägers der Grundsicherung die Prüfung einer ernstlichen Rückzahlungsvereinbarung als Voraussetzung für die Qualifizierung eines Zuflusses als Darlehen vereinfachen, lässt sich aus der Systematik des SGB II heraus aber nicht begründen.

19

d) Stellt eine darlehensweise gewährte Zahlung schon kein Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II dar, ist schließlich eine zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Dritten getroffene Zweckbestimmung(vgl § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II)unerheblich (in diesem Sinne differenzierend Brühl in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 11 RdNr 24 und RdNr 68; LSG Berlin-Brandenburg 1.7.2009 - L 32 AS 316/09, juris RdNr 19).

20

e) Entscheidend für die Abgrenzung ist damit allein, ob ein Darlehensvertrag entsprechend § 488 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zivilrechtlich wirksam abgeschlossen worden ist. Die Aufklärung der Umstände und ihre abschließende Würdigung obliegen dabei dem Tatsachengericht. Soweit die Beklagte im Revisionsverfahren vorträgt, dass eine wirksam vereinbarte Rückzahlungsverpflichtung zwischen der Klägerin und ihrem Onkel als Hauptpflicht des Darlehensnehmers aus einem Darlehensvertrag nicht nachvollziehbar sei, hat sie die entgegenstehenden Feststellungen des LSG nicht mit einer zulässigen Verfahrensrüge angegriffen.

21

Um der Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln entgegenzuwirken, ist es allerdings geboten, an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrages unter Verwandten strenge Anforderungen zu stellen. Dies setzt voraus, dass sich die Darlehensgewährung auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abgrenzen lässt. Weil und soweit der für den Hilfebedürftigen günstige Umstand, dass ein nachgewiesener Zufluss gleichwohl als Einkommen nicht zu berücksichtigen ist, seine Sphäre betrifft, obliegen ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen Mitwirkungspflichten; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu seinen Lasten.Bei der vorzunehmenden Prüfung, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist, können einzelne Kriterien des sog Fremdvergleichs (vgl dazu im Einzelnen nur BFHE 165, 53) herangezogen und bei der abschließenden, umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles mit eingestellt werden (vgl schon BSGE 96, 238 = SozR 4-4220 § 6 Nr 4 für eine behauptete Abtretung und BSG Urteil vom 24.5.2006 - B 11a AL 49/05 R für eine verdeckte Treuhandabrede). Dies scheidet bei der Beurteilung von Hilfebedürftigkeit nach §§ 9, 11 SGB II - anders als bei der Prüfung berücksichtigungsfähiger Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 SGB II aus Mietverhältnissen unter Verwandten(dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 15 RdNr 27 und Urteil des Senats vom 7.5.2009 - B 14 AS 31/07 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, juris RdNr 20) - nicht schon aufgrund struktureller Unterschiede zum Steuerrecht aus, denn auch im Steuerrecht geht es bei der Beurteilung von Darlehensverträgen unter Familienangehörigen im Kern um die Abgrenzung zu Schenkung bzw verdeckter Unterhaltsgewährung.

22

Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten (wie der Vereinbarung der in § 488 Abs 1 BGB genannten weiteren Vertragspflichten) kann damit als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich geschlossen worden ist. Demgegenüber spricht es etwa gegen die Glaubhaftigkeit einer solchen Behauptung, wenn der Inhalt der Abrede (insbesondere die Darlehenshöhe sowie die Rückzahlungsmodalitäten) und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substanziiert dargelegt werden oder ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht genannt werden kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist aber nicht erforderlich, dass sowohl die Gestaltung (zB Schriftform, Zinsabrede oder Gestellung von Sicherheiten) als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkte dem zwischen Fremden - insbesondere mit einem Kreditinstitut - Üblichen zu entsprechen hat. Ein solches gesondertes, neben die zivilrechtlichen Anforderungen tretendes Erfordernis (als weitere Tatbestandsvoraussetzung) ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus oder in Verbindung mit allgemeinen Grundsätzen. Vielmehr würden die mit dem strengen Fremdvergleich verbundenen Beschränkungen für die Vertragsgestaltung bei Darlehensgewährung, der im Übrigen auch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur auf bestimmte Fallgruppen angewendet wird, weder den tatsächlichen Verhältnissen noch der grundsätzlich gebotenen Respektierung familiärer Vertrauensbeziehungen gerecht (vgl auch BVerwGE 132, 10 RdNr 26 zur Wertbestimmung von Vermögen nach § 28 Abs 1 und 3 Bundesausbildungsförderungsgesetz).

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Januar 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Übernahme von Schulden, die im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis des Klägers entstanden sind.

2

Der Kläger bezog von dem Beklagten seit April 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Beklagte gewährte Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen. Der Kläger war ab Februar 2005 in Rückstand mit den Mietzahlungen geraten. Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis und erhob Mietzahlungs- und Räumungsklage. Dieser Rechtsstreit endete durch Vergleich vor dem Amtsgericht Lichtenberg vom 1.3.2006, wonach das Mietverhältnis seitens der Vermieterin fortgesetzt werde für den Fall, dass der Kläger bis zum 3.4.2006 die Mietschulden in Höhe von 2222,47 Euro begleiche.

3

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 25.4.2006 bei dem Beklagten die Übernahme der Schulden. Er wies zugleich darauf hin, dass er mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Träger der Sozialhilfe auf Übernahme der Mietschulden vor dem Sozialgericht (SG) erfolglos geblieben und erst im Laufe des Aprils auf die Änderung der Rechtslage nach § 22 Abs 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) aufmerksam gemacht worden sei. Er legte ferner eine Erklärung der Vermieterin vom 18.5.2006 vor, dass diese das Mietverhältnis fortsetze, wenn neben dem Betrag aus dem Vergleich weitere Rechtsanwalts-, Gerichts- und Vollstreckungskosten in Höhe von 2183,48 Euro, insgesamt mithin 4405,95 Euro gezahlt würden. Weiterhin legte er ein Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. M vor, wonach im Falle des Wohnungsverlustes Selbsttötungsgefahr bestehe. Der Kläger nahm schließlich ein mit 15 % verzinsliches Darlehen auf und zahlte hiervon die Mietrückstände und die Verfahrenskosten. Die Räumung der Wohnung konnte so abgewendet werden.

4

Antrag, Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Bescheid vom 11.5.2006, Widerspruchsbescheid vom 7.8.2006, Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 14.8.2007).

5

Die Berufung des Klägers, mit der er die Zahlung von 4405,95 Euro nebst 15 % Zinsen seit dem 8.9.2006 geltend gemacht hat, hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 30.1.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die zwischenzeitlich erfolgte Begleichung der Schulden habe einen möglichen Anspruch nach § 22 Abs 5 SGB II entfallen lassen. Daran ändere nichts, dass der Kläger hierfür andere Verbindlichkeiten eingegangen sei. Für eine nachträgliche Übernahme von Schulden, die nicht mehr der Sicherung der Unterkunft oder der Behebung einer vergleichbaren Notlage diene, sei schon nach dem Wortlaut der Vorschrift kein Raum. Ob der Kläger über Schonvermögen verfügt habe, das er zur Begleichung der Mietschulden einzusetzen gehabt hätte, sei damit unerheblich. Ebenso sei dem klägerischen Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens nicht nachzugehen gewesen. Dies könne allenfalls Aufschluss darüber geben, ob die Beklagte seinerzeit zur Übernahme der Schulden verpflichtet gewesen wäre. Der hilfsweise in der Berufungsverhandlung gestellte Antrag, die Beklagte zur Übernahme der Beträge im Wege der Folgenbeseitigung zu übernehmen, sei unzulässig, weil hierzu ein Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Im Übrigen sei dieser Antrag auch unbegründet, weil ein Anspruch auf Folgenbeseitigung auf den Bereich der Eingriffsverwaltung beschränkt sei.

6

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Das LSG sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II nicht mehr vorlägen, weil er das notwendige Geld zur Abwendung der Wohnungslosigkeit im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts selbst aufgebracht habe. Der Anspruch auf Übernahme der Mietschulden habe sich mit der Eingehung neuer Verbindlichkeiten nicht tatsächlich und rechtlich erledigt. Für den Fall der Eingehung von Verbindlichkeiten gegenüber Dritten und deren Einsatz zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit seien solche Verbindlichkeiten normativ als Schulden im Sinne des § 22 Abs 5 SGB II anzusehen. Zu dem Zeitpunkt der Eingehung der Schulden habe Wohnungslosigkeit gedroht, die der Beklagte hätte abwenden müssen. Das LSG habe die Tatsache unberücksichtigt gelassen, dass er bereits am 12.1.2006 bei dem Beklagten und am 22.3.2006 beim Sozialhilfeträger die Übernahme der Schulden beantragt habe. Zu diesem Zeitpunkt wäre auch Schonvermögen nicht einzusetzen gewesen, sodass dieses weiterhin - wie nach der Rechtslage nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - geschützt bleibe. Er rügt ferner die fehlerhafte Aufklärung des Sachverhalts. Das LSG sei ohne ausreichende Begründung einem von ihm in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens nicht gefolgt. Er sei aber unverschuldet aufgrund psychischer Erkrankung nicht in der Lage gewesen, sich auf andere Weise selbst zu helfen. Insbesondere der Auszug aus seiner Wohnung hätte eine weitergehende gesundheitliche Gefährdung bedeutet, die ihm nicht zumutbar gewesen wäre.

7

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Januar 2009 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. August 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, Schulden in Höhe von 4405,95 Euro nebst 15 Prozent Zinsen seit dem 8. September 2006, als Zuschuss, hilfsweise als Darlehen, zu übernehmen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet, § 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

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Ob der Kläger Anspruch auf die begehrte Übernahme von Schulden nach § 22 Abs 5 SGB II hat, kann auf Grundlage des vom LSG festgestellten Sachverhalts nicht entschieden werden. Ein Anspruch auf Übernahme von Schulden, der grundsätzlich von einer gesonderten Antragstellung abhängig ist (dazu unter 2), scheidet nicht schon dann aus, wenn der Hilfebedürftige nach der maßgeblichen Antragstellung mit Hilfe eines anderweitig beschafften Darlehens die Unterkunft durch Zahlung der geschuldeten Summe gegenüber dem Vermieter gesichert hat. Eine Übernahme von Schulden kommt vielmehr in Betracht, wenn diese zunächst beantragt, der Träger der Grundsicherung über den Antrag aber nicht rechtzeitig entschieden oder den Antrag rechtswidrig abgelehnt hatte (dazu unter 3). Das LSG wird daher zu prüfen haben, ob zum Zeitpunkt der Aufnahme des Darlehens, der bislang noch nicht festgestellt ist, ein originärer Anspruch auf Übernahme der Schulden nach § 22 Abs 5 SGB II bestand(dazu unter 4). Bestand ein solcher Anspruch, kommt auch die Übernahme der im weiteren Verlauf entstandenen Schulden in Betracht, wenn bei rechtzeitigem rechtmäßigen Handeln des Beklagten solche Mehrkosten nicht entstanden wären (dazu unter 5).

12

1. Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl § 54 Abs 1, 4 SGG) zulässig. Streitgegenstand ist allein die begehrte Übernahme von Schulden. Gegenstand des Rechtsstreits ist damit der Bescheid vom 11.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.8.2006. Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers steht nicht deshalb in Frage, weil er im Laufe des Verfahrens die Schulden aus dem Mietverhältnis gegenüber der Vermieterin anders als durch die ursprünglich begehrte Leistung aufgebracht und beglichen und so den drohenden Verlust der Wohnung selbst endgültig abgewendet hat. Da er hierfür anderweitige Verbindlichkeiten und entsprechende (gegenüber einer Darlehensgewährung durch den Beklagten weitaus ungünstigere) Rückzahlungsverpflichtungen eingegangen ist, bleibt die Frage zu klären, ob ihm ein Leistungsanspruch weiterhin zusteht oder ein solcher Anspruch wegen dieser zwischenzeitlichen "Selbstbeschaffung" ausscheidet, wie das LSG meint.

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2. Als Anspruchsgrundlage kommt für den Kläger, der nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG als alleinstehender, erwerbsfähiger Hilfebedürftiger seit April 2005 durchgehend Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (vgl §§ 19, 22 Abs 1 SGB II) bezogen hat, nur § 22 Abs 5 SGB II(eingefügt zum 1.4.2006 mit dem Gesetz zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 24.3.2006, BGBl I 558) in Betracht. Nach dessen Satz 1 können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen nach Satz 2 übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen (Satz 3). Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden (Satz 4).

14

Ein Anspruch auf Übernahme von Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II ist im Regelfall vom Antrag auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff SGB II nicht erfasst, sondern vom Hilfebedürftigen gesondert geltend zu machen. Der von § 22 Abs 5 SGB II zu deckende Bedarf kommt unabhängig vom Bedarf auf laufende Leistungen nicht schon dann als Leistung in Betracht, wenn Schulden in Bezug auf die Unterkunft tatsächlich entstehen. Insoweit unterscheidet er sich von einmaligen Sonderbedarfen nach § 23 Abs 3 SGB II, die nicht gesondert beantragt werden müssen (vgl dazu Urteil des Senats vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Erst wenn sich der Hilfebedürftige nicht mehr in der Lage sieht, trotz des Bezuges von Leistungen nach §§ 19, 22 Abs 1 SGB II und seiner Verpflichtung, vorrangig eigene Mittel zur Schuldentilgung einzusetzen, seine Unterkunft zu sichern, kommt eine Übernahme der Schulden in Betracht. Der Antragsteller muss deshalb die weitergehende Notwendigkeit von zusätzlichen Geldleistungen zur Sicherung der Unterkunft in seinem Vorbringen gegenüber dem Träger der Grundsicherung zum Ausdruck bringen. Erst ein solches Vorbringen kann als Antrag ausgelegt werden und den entsprechenden Anspruch auf Übernahme von Schulden auslösen.

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Maßgeblicher Zeitpunkt der Antragstellung für die Leistung nach § 22 Abs 5 SGB II ist vorliegend damit der 25.4.2006. Soweit der Kläger mit seinem Revisionsvorbringen vorträgt, er habe die Leistungen bereits am 12.1.2006 beim Träger der Grundsicherung beantragt, ergibt sich dies zwar aus dem Akteninhalt. Der Beklagte hatte diesen Antrag allerdings bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 16.1.2006 beschieden.

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3. Bei den vom Kläger im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG geltend gemachten Beträgen handelt es sich entgegen der Auffassung des LSG um Schulden im Sinne des § 22 Abs 5 SGB II.

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a) Die Abgrenzung von Schulden nach § 22 Abs 5 SGB II von den übrigen Kosten der Unterkunft und Heizung, die nach § 22 Abs 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen sind, ist unabhängig von der zivilrechtlichen Einordnung zu treffen. Ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II ist danach zu unterscheiden, ob es sich um einen tatsächlich eingetretenen und bisher noch nicht von dem SGB II-Träger gedeckten Bedarf handelt oder nicht (vgl BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 17).

18

Soweit der Kläger in der Zeit ab April 2005 mit den Mietzahlungen in Rückstand geraten ist, handelt es sich bei den aufgelaufenen Beträgen schon deswegen um Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II, weil der Beklagte nach den Feststellungen des LSG den Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in vollem Umfang ("in Höhe der tatsächlichen Miete") erfüllt hat. Im Hinblick auf die Kosten für Unterkunft und Heizung lässt aber die zweckwidrige Verwendung der vom Träger der Grundsicherung bewilligten Mittel durch den Hilfeempfänger einen erneuten Anspruch nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht entstehen. Sind insoweit Schulden entstanden, kann nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des Abs 5 ein Anspruch auf Übernahme der Schulden bestehen.

19

Auch soweit der Kläger seinen fälligen Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis in Zeiträumen nicht nachgekommen ist, in denen er keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezogen hat, gehören solche Schulden nicht zu den Aufwendungen nach § 22 Abs 1 SGB II, weil sie keinem laufenden Bewilligungszeitraum zugeordnet werden können. Verbindlichkeiten, die nicht im laufenden Bezug (etwa nach Abrechnung von Nebenkosten) fällig werden, sondern bereits zuvor bestanden haben, sind bei der Prüfung des aktuellen Bedarfs für Unterkunft und Heizung, den § 22 Abs 1 SGB II abdecken soll, grundsätzlich unbeachtlich. Die anteilige Berücksichtigung nach Kalendertagen im laufenden Monat kommt nur in Betracht, soweit die Miete bereits vor der (ersten) Antragstellung fällig geworden war (vgl § 41 Abs 1 Satz 3 SGB II; dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 22). Schulden aus Monaten, die dem Monat der (ersten) Antragstellung vorangegangen sind (hier also den Monaten Februar und März 2005), können in der Folgezeit damit nur unter den Voraussetzungen des § 22 Abs 5 SGB II übernommen werden.

20

b) Entgegen der Auffassung des LSG scheidet ein Anspruch nach § 22 Abs 5 SGB II nicht schon dann aus, wenn der Kläger nach Antragstellung mit Hilfe eines anderweitig beschafften Darlehens die Unterkunft durch Zahlung der geschuldeten Summe gegenüber dem Vermieter selbst gesichert hat. Auch Schulden gegenüber einem Dritten, die der Hilfebedürftige nach Antragstellung beim Träger der Grundsicherung eingegangen ist, um drohende Wohnungslosigkeit abzuwenden, können Schulden im Sinne des § 22 Abs 5 SGB II sein. Der Wortlaut des § 22 Abs 5 SGB II ist insoweit offen gefasst und ausdrücklich nicht auf Schulden aus dem Mietvertrag beschränkt. Diese Auslegung entspricht auch Sinn und Zweck der Vorschrift. Die ausnahmsweise Übernahme von Schulden soll dann ermöglicht werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt erscheint.

21

Jedenfalls für den Fall, dass eine Entscheidung des Trägers der Grundsicherung nicht mehr rechtzeitig erfolgt ist oder der Träger der Grundsicherung die Übernahme der Schulden rechtswidrig abgelehnt hatte und die Aufnahme eines Privatdarlehens aus diesem Grund erforderlich für die Abwendung der Wohnungslosigkeit war, kommt die Übernahme dieser "neuen" Schulden (an Stelle der ursprünglich gegenüber dem Vermieter bestehenden Schulden) in Betracht. Dies entspricht der im Sozialversicherungsrecht geltenden Pflicht zur Kostenerstattung bei nicht rechtzeitiger oder zu Unrecht verweigerter Sachleistung, die von der Rechtsprechung über den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 13 Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hinaus als allgemein gültiges Rechtsprinzip angesehen wird(vgl BSGE 89, 50, 56 f = SozR 3-3300 § 12 Nr 1 S 8 = juris RdNr 36). Auch im Anwendungsbereich des SGB XII (wie auch zuvor des Bundessozialhilfegesetzes) kann dem Hilfesuchenden eine zwischenzeitliche Selbstbeschaffung der begehrten Leistung unter dem Gesichtspunkt einer "Zweckverfehlung" der ursprünglich beantragten Leistung nicht entgegengehalten werden (vgl BSG SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 11 für die Übernahme von Kosten für eine Haushaltshilfe nach dem SGB XII unter Hinweis auf BVerwGE 90, 154, 156; 91, 245, 247 f; 94, 127, 135; 96, 152, 157; ausführlich Grube, Sozialrecht aktuell 2010, 11, 12). Soweit Leistungen nach dem SGB II nicht ohnehin pauschaliert und von daher dem Gedanken einer zwischenzeitlichen "faktischen" Bedarfsdeckung nicht zugänglich sind (vgl dazu etwa Urteil des Senats vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), gilt nichts anderes. An die Stelle der ursprünglich begehrten Übernahme der Schulden gegenüber dem Vermieter treten dann die Schulden, die gegenüber dem Dritten eingegangen worden sind. Sind durch eine notwendig gewordene anderweitige Finanzierung weitergehende Kosten entstanden, kommt auch deren Übernahme unter dem Gesichtspunkt der Kostenerstattung in Betracht (dazu im Einzelnen unter 5).

22

Das LSG wird daher zu prüfen haben, wann der Kläger die noch bestehenden Verbindlichkeiten eingegangen ist. Lediglich wenn die Schulden gegenüber der Vermieterin bereits vor Antragstellung anderweitig als durch die vom Beklagten begehrte Geldleistung getilgt und die Unterkunft gesichert worden war (wofür der Vortrag des Klägers in der Revisionsinstanz und der vom LSG mitgeteilte Sachverhalt bislang keine Anhaltspunkte bieten), scheidet ein Anspruch nach dem Gesagten regelmäßig aus.

23

Ein Anspruch auf Übernahme von Schulden kann schließlich dann ("ersatzlos") entfallen, wenn die ursprünglich bewohnte Wohnung in der Folge aufgegeben wird und das gesetzliche Ziel der Übernahme der Schulden - der Erhalt der Wohnung - schon tatsächlich nicht mehr erreicht werden kann. Für eine Übernahme der Schulden nach § 22 Abs 5 SGB II lediglich unter dem Aspekt einer finanziellen Restitution ist kein Raum. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

24

4. Die mithin erforderliche Prüfung, ob der Kläger die Übernahme der Schulden nach § 22 Abs 5 Satz 1 und 2 SGB II verlangen kann, kann der Senat auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend durchführen.

25

a) Ausgangspunkt der vom LSG noch durchzuführenden Prüfung ist dabei zunächst § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II, wonach die Übernahme von Schulden in jedem Fall voraussetzt, dass sie "zur Sicherung der Unterkunft" (oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage) gerechtfertigt ist.

26

§ 22 Abs 5 Satz 1 SGB II schützt nach seinem Wortlaut die Wohnung dann, wenn ihr Erhalt durch die Übernahme von Schulden gerechtfertigt ist. Grundsätzlich wird für eine Übernahme der Schulden zu fordern sein, dass die laufenden Kosten für die Unterkunft abstrakt angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind. Der mit der Übernahme der Schulden bezweckte langfristige Erhalt einer Wohnung erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn die (künftigen) laufenden Kosten dem entsprechen, was innerhalb des nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Bezug zu nehmenden Vergleichsraumes von dem Träger der Grundsicherung zu übernehmen ist. Das LSG hat (wie auch das SG) keine Feststellungen zur Höhe der laufenden Kosten der klägerischen Wohnung sowie ihrer Angemessenheit getroffen und wird dies nachzuholen haben. Die insoweit aus der Akte ersichtlichen Kosten geben allerdings keinen Anlass, ernstlich an ihrer Angemessenheit zu zweifeln, zumal der Kläger die Wohnung aktuell noch bewohnt und Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II weiterhin bezieht. Ob in Einzelfällen auch für abstrakt unangemessen teure Wohnungen, deren laufende Kosten etwa auf Grundlage des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II übernahmefähig sein mögen, die Übernahme der Schulden gerechtfertigt sein kann, kann nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens dahinstehen.

27

b) Nach § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II steht die Übernahme der Schulden im Ermessen des Grundsicherungsträgers. Dieses Ermessen ist nach Satz 2 eingeschränkt, wenn die Übernahme der Schulden gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. In diesem Fall sollen die Schulden übernommen werden. Da nach den Feststellungen des LSG die Vermieterin des Klägers bei Antragstellung nach Ablauf der vor dem Amtsgericht Lichtenberg vereinbarten Zahlungsfrist zum 3.4.2006 nur noch bereit war, das Mietverhältnis bei einer Zahlung der Schulden fortzusetzen, und offenbar ein vollstreckbarer Räumungstitel vorlag, besteht für das LSG nach Zurückverweisung Anlass zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Übernahme der Schulden auf Grundlage des Satzes 2 vorgelegen haben.

28

Auch die drohende Wohnungslosigkeit im Sinne des § 22 Abs 5 Satz 2 SGB II bezieht sich in ihrem Ausgangspunkt auf die konkret bewohnte Wohnung. Es geht um den drohenden Verlust dieser Wohnung. So wie § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht lediglich sicherstellen soll, dass ein Ort zum Schutz vor der Witterung zur Verfügung steht, an dem der Hilfebedürftige schlafen kann(dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 14 RdNr 16), soll auch die Übernahme von Mietschulden nach Abs 5 den persönlichen Lebensbereich "Wohnung" des Hilfebedürftigen schützen. Das Tatbestandsmerkmal "drohende Wohnungslosigkeit" kann damit nicht unter Hinweis auf Unterbringungsmöglichkeiten in einer Not- oder Obdachlosenunterkunft verneint werden.

29

Soweit allerdings eine angemessene neue Wohnung gefunden werden kann, liegt drohende Wohnungslosigkeit regelmäßig nicht vor. Es ist von dem Hilfebedürftigen jedenfalls dann zu fordern, eine an sich kostenangemessene Wohnung zu verlassen und nach einem Umzug (der sich dann als notwendig iS des § 22 Abs 3 Satz 2 SGB II darstellt) eine neue Wohnung zu beziehen, wenn durch sein unwirtschaftliches Verhalten (hier die zweckwidrige Verwendung der nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gewährten Mittel) eine Schuldenlage entstanden ist. Es geht auch im Anwendungsbereich des § 22 Abs 5 Satz 2 SGB II nicht darum, den Hilfebedürftigen finanziell durch die Übernahme der Schulden zu entlasten. Deshalb kann dem Verlust einer angemessenen Unterkunft auch dadurch begegnet werden, dass eine neue Wohnung bezogen wird.

30

Drohende Wohnungslosigkeit, die einen Anspruch auf Übernahme von Schulden nach § 22 Abs 5 Satz 2 SGB II auslöst, bedeutet damit den drohenden Verlust der bewohnten, kostenangemessenen Wohnung bei fehlender Möglichkeit ebenfalls angemessenen Ersatzwohnraum zu erhalten. Eine den Angemessenheitskriterien entsprechende Wohnung muss dabei konkret für den Hilfebedürftigen anmietbar sein. Ersatzwohnungen stehen beispielsweise dann zur Verfügung, wenn der Träger der Grundsicherung auf ein sog "geschütztes Marktsegment" zurückgreifen kann und dem Hilfebedürftigen eine Ersatzwohnung anbietet bzw vermittelt. Dagegen ist bei der Frage der drohenden Wohnungslosigkeit unerheblich, ob der Markt - wie nach Auffassung des Beklagten etwa in Berlin - allgemein "entspannt" ist bzw es anderen Hilfebedürftigen regelmäßig gelingt (etwa im Rahmen von Kostensenkungsbemühungen nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II), eine Ersatzwohnung zu finden. Aus den Akten ist ersichtlich, dass der Kläger vorgetragen hat, 14 Vermieter (darunter gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften mit einem großen Wohnungsbestand) wegen Ersatzwohnungen angefragt, aber wegen einer fehlenden Bescheinigung über die Mietschuldenfreiheit nur Absagen erhalten zu haben. Auch die Aufnahme auf die Warteliste für das "geschützte Marktsegment" des Sozialamtes Lichtenberg ist aktenkundig, ohne dass erkennbar würde, ob insoweit eine Ersatzwohnung vor dem Räumungstermin hätte beschafft werden können. Insbesondere diese Umstände wird das LSG zu überprüfen haben, um die notwendigen Feststellungen zur drohenden Wohnungslosigkeit iS des § 22 Abs 5 Satz 2 SGB II zu treffen. Erst wenn feststeht, dass drohende Wohnungslosigkeit nicht vorgelegen hat, weil eine andere angemessene Wohnung konkret zur Verfügung stand, kommt es auf den weiteren Vortrag des Klägers an, ihm sei aus gesundheitlichen Gründen ein Umzug nicht zumutbar gewesen.

31

c) Liegt drohende Wohnungslosigkeit vor, sollen gemäß § 22 Abs 5 Satz 2 SGB II die Schulden übernommen werden. Die Feststellung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Satzes 2 gegeben sind, bedeutet zugleich, dass dem Beklagten für die Ausübung seines Ermessens regelmäßig kein Spielraum verbleibt. Führt eine Schuldenlage zu drohender Wohnungslosigkeit im dargestellten Sinne, ist die Übernahme der Schulden im Regelfall gerechtfertigt und notwendig. Es ist regelmäßig keine andere Entscheidung als die Übernahme der Schulden denkbar, um den Anspruch des Hilfebedürftigen auf eine angemessene Unterkunft zu sichern. Lediglich in atypischen Ausnahmefällen kann die Übernahme der Schulden abgelehnt werden. Den Interessen der Allgemeinheit an der zweckentsprechenden Verwendung von Steuergeldern ist dabei zum einen dadurch Rechnung getragen, dass die Übernahme von Schulden im Regelfall nur darlehensweise erfolgt. Zum anderen wird eine Übernahme der Schulden von dem Träger der Grundsicherung regelmäßig von einer Entscheidung nach § 22 Abs 4 SGB II im Hinblick auf die künftige Mittelverwendung flankiert und so der zweckentsprechende Einsatz der Steuermittel künftig gesichert werden, wie dies vorliegend bereits im Januar 2006 geschehen ist. Andere Gesichtspunkte, die im Anwendungsbereich des Satzes 1 in die Ermessensentscheidung mit einfließen können (etwa die Höhe der Schulden im Vergleich zu den im Falle eines Umzugs vom Träger aufzuwendenden Folgekosten), finden im Rahmen des Satzes 2 schon deshalb keine Berücksichtigung mehr, weil bei drohender Wohnungslosigkeit - wie oben ausgeführt - die Alternative einer konkreten Unterkunftsmöglichkeit nicht besteht. Schließlich tritt auch wirtschaftlich unvernünftiges (vorwerfbares) Handeln des Hilfebedürftigen, das die drohende Wohnungslosigkeit (mit)verursacht haben mag, in den Fällen des Satzes 2 regelmäßig zurück. Wie bereits ausgeführt fallen in erster Linie solche Verbindlichkeiten überhaupt nur unter den Begriff der Schulden nach Abs 5, die auf ein (mehr oder weniger nachvollziehbares) Fehlverhalten des Hilfebedürftigen (sei es während des Leistungsbezuges, sei es zuvor) zurückzuführen sind. Ob ausnahmsweise anderes gelten kann, wenn zielgerichtetes Verhalten des Hilfeempfängers (insbesondere im Wiederholungsfall) zu Lasten des Trägers der Grundsicherung nachgewiesen werden kann, kann nach dem derzeitigen Verfahrensstand offen bleiben.

32

5. Auch hinsichtlich des Umfangs der zu übernehmenden Schulden gilt der Maßstab nach § 22 Abs 5 Satz 1 und 2 SGB II. Die Schulden sind also in dem Umfang zu übernehmen, in dem ihre Übernahme gerechtfertigt, und in dem sie (im Falle des Satzes 2) zur Abwendung der Wohnungslosigkeit notwendig sind.

33

Aus § 22 Abs 5 Satz 3 SGB II ergibt sich dabei, dass die Übernahme nicht gerechtfertigt ist, wenn der Hilfebedürftige mit eigenen Mitteln die Notlage abwenden kann. Der Einsatz des Grundfreibetrages nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II kann uneingeschränkt verlangt werden. Für den Kläger gelten hier keine Einschränkungen deshalb, weil er sich unter Geltung der alten Rechtslage noch an den Träger der Sozialhilfe gewandt hatte. Abgesehen davon, dass im Anwendungsbereich des SGB XII ein so weitgehender Schutz wie in § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II nicht zum Tragen kommt, sind Übergangsregelungen nicht ersichtlich und erscheinen auch nicht erforderlich. Der Freibetrag für notwendige Anschaffungen nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II ist in § 22 Abs 5 Satz 3 SGB II zwar nicht erwähnt. Dieser Betrag ist jedoch auch und gerade zum Einsatz in unvorhergesehenen Bedarfslagen gedacht, sodass nicht ersichtlich ist, weshalb er in Ansehung von Mietschulden geschützt sein sollte. Ob solches Vermögen im Zeitpunkt der Antragstellung überhaupt vorlag, wird das LSG festzustellen haben.

34

Die Übernahme von Kosten der Vermieterin, die nicht aus dem Mietverhältnis stammen, aber an die sie (nach Ablauf der in § 543 Abs 2 Nr 3 Bürgerliches Gesetzbuch vorgesehenen Fristen zur Abwendung einer Kündigung wegen Zahlungsrückständen zulässigerweise) die Fortführung bzw den Neuabschluss des Mietverhältnisses geknüpft hat, können nach dem oben Ausgeführten ebenfalls zu den im Rahmen des § 22 Abs 5 SGB II übernahmefähigen Kosten gehören. Im Hinblick auf den vorliegenden Einzelfall, der durch den Zuständigkeitswechsel der Träger aufgrund der Rechtsänderung gekennzeichnet ist, erscheinen sie im Zeitpunkt der Antragstellung als nicht (mehr) abwendbar und damit (sofern die Voraussetzungen des Satzes 2 vorliegen) notwendig zur Sicherung der Wohnung.

35

Schließlich ist auch die Frage, ob dem Kläger die geltend gemachten Zinsen zuzusprechen sind, danach zu entscheiden, ob die Aufnahme des Kredits zu den dargestellten Bedingungen zur Abwendung der Wohnungslosigkeit notwendig war. Es sind hierdurch zwar erhebliche Mehrkosten entstanden, die bei Übernahme der ursprünglich bestehenden Schulden durch den Beklagten nicht angefallen wären. Die Erstattung von Kosten bei Selbstbeschaffung unaufschiebbarer Sozialleistungen (dh in Eil- und Notfällen trotz rechtzeitiger Antragstellung) sowie im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung ist aber Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht (vgl bereits BSGE 89, 50, 56 f = SozR 3-3300 § 12 Nr 1 S 8 = juris RdNr 36; Grube, Sozialrecht aktuell 2010, 11, 12). Solche Mehrkosten sind im Rahmen des § 22 Abs 5 Satz 2 SGB II grundsätzlich übernahmefähig, wenn andere Möglichkeiten der Sicherung der Wohnung (vor allem ein nochmaliger Aufschub durch den Vermieter bis zur endgültigen Entscheidung des Leistungsträgers) endgültig ausscheiden. Wegen der Einzelheiten der Darlehensgewährung wird das LSG diese Voraussetzungen und sodann abschließend zu überprüfen haben, ob dem Kläger eine günstigere Möglichkeit der Kreditaufnahme offen gestanden hätte.

36

Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 13. Oktober 2008 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende 1329 Euro als Kosten für die Erstausstattung seiner Wohnung.

2

Der 1950 geborene Kläger lebte in W. und bezog zuletzt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von dem örtlich zuständigen Träger der Grundsicherung. Er löste seine dortige Wohnung im Januar 2005 auf und vernichtete dabei das bis dahin genutzte Mobiliar, weil es nach seinen Angaben wegen Schimmelbefalls und altersbedingt nicht mehr zu gebrauchen gewesen sei. Vom 26.1.2005 bis zum 30.9.2005 befand er sich wegen einer Alkoholerkrankung in einer Rehabilitationsmaßnahme. Während dieser Zeit meldete er sich bei der Beklagten als wohnhaft in der Wohnung seiner Mutter in O. (rund 230 km von W. entfernt). Unter anderem für die Zeit vom 1.8.2005 bis zum 31.1.2006 gewährte die Beklagte ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bescheid vom 18.7.2005 und Änderungsbescheide vom 30.8.2005 und vom 28.9.2005 für die Zeit ab 1.10.2005).

3

Am 23.8.2005 teilte der Kläger bei der Beklagten mit, er habe am 16.8.2005 eine eigene Wohnung in O. angemietet, die er zum 1.10.2005 beziehen werde. Er besitze kein eigenes Wohnungsinventar und beantrage daher die Gewährung einer Erstausstattung. Er kaufte am 25.8.2005 und am 30.8.2005 Möbel im Wert von insgesamt 1329 Euro, nachdem ihm seine Mutter hierfür ein entsprechendes Darlehen gewährt hatte. Der Antrag auf Gewährung einer Erstausstattung blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 24.10.2005; Widerspruchsbescheid vom 21.4.2006).

4

Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Leipzig hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen W. und die Beklagte sodann mit Urteil vom 26.7.2007 antragsgemäß zur Zahlung von Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung in Höhe von 1329 Euro verurteilt.

5

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung seines Urteils vom 13.10.2008 hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II lägen nicht vor, denn es habe sich lediglich um eine Ersatzanschaffung von Wohnungseinrichtungsgegenständen gehandelt. Eine Ersatzbeschaffung liege in Abgrenzung zur Erstausstattung vor, wenn der Bedarf allein auf eine übliche Abnutzung oder andere Umstände, die vom Berechtigten beeinflussbar seien, zurückzuführen sei. Die Möbel in der früheren Wohnung, die vom Kläger entsorgt worden seien, seien nach seinem eigenen Vortrag wegen Abnutzung sowie Schimmelbefalls nicht mehr zu nutzen gewesen. Dass der Schimmelbefall einen nicht vom Kläger zu beeinflussenden Umstand dargestellt habe, sei nicht nachgewiesen und auch nicht mehr nachweisbar, weil er die Gegenstände vernichtet habe und aus der Wohnung ausgezogen sei. Auch liege eher die Annahme nahe, dass ein Umstand, den der Kläger beeinflussen habe können (das Bewohnen der vom Schimmel befallenen Wohnung), zu dem (Ersatz-)Bedarf geführt habe. Er habe ferner nach seinen Angaben wegen der Wertlosigkeit der Möbel von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen seinen ehemaligen Vermieter abgesehen, die ihm die Beklagte angesonnen habe, was ebenfalls lediglich für einen Ersatz der Möbel spreche. Selbst wenn man entgegen der Ansicht des Senats von einer "Erstausstattung" ausginge, bestehe kein Anspruch des Klägers auf Leistungen für die Wohnungserstausstattung im Hinblick auf die am 25.8.2005 und am 30.8.2005 angeschafften Gegenstände. Soweit Gegenstände vor dem 23.8.2005 angeschafft worden seien, sei die Beklagte schon wegen des Antragserfordernisses nach § 37 Abs 1 und 2 SGB II nicht zur Erbringung der begehrten Leistungen verpflichtet. Der Antrag vom 14.7.2005 auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass auch Leistungen zur Wohnungserstausstattung mit beantragt werden sollten, denn diese beträfen einen speziellen, mit dem Bezug einer Wohnung verbundenen einmaligen Bedarf.

6

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers. Er rügt die fehlerhafte Anwendung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II. Er habe seine Wohnung in W. krankheitsbedingt aufgeben müssen; die Trennung vom bisherigen Lebensumfeld und der Wohnung sei zur erfolgreichen Durchführung der Therapie zwingend notwendig gewesen. Eine Einlagerung des de facto wertlosen Mobiliars über mehr als 6 Monate hätte Kosten verursacht, die er nicht habe aufbringen können. Es sei für ihn auch konkret nicht möglich gewesen, den Umzug verbunden mit einer Einlagerung zu organisieren. Das LSG habe insoweit keine weiteren Ermittlungen zu seiner konkreten Situation angestellt. Auch im Hinblick auf den Zustand der Möbel habe das LSG unzureichend ermittelt. Seine Situation sei der nach der Verbüßung einer Haftstrafe oder der Trennung von Ehegatten vergleichbar. Ein gesondertes Antragserfordernis bestehe im Bezug auf die Erstausstattung nicht. Bereits bei Stellung des Antrages auf laufende Leistungen habe die Beklagte seinen Bedarf insoweit erkennen können. Ein längeres Zuwarten auf die Entscheidung der Beklagten wäre nicht zumutbar gewesen. Er hätte sich die Möbel selbst beschaffen dürfen, weil er die Anschaffung nur an den wenigen Tagen hätte durchführen können, an denen er sich besuchsweise in seinem späteren Wohnort aufgehalten habe.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 13. Oktober 2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 26. Juli 2007 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe der Kläger von vornherein den Bezug einer neuen Wohnung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten geplant und deshalb Fernseher und Waschmaschine behalten. Er habe die noch vorhandenen Möbel folglich - etwa im Keller des Wohnhauses der Mutter - einlagern müssen. Im Übrigen wäre die Neuanschaffung der Möbel - den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt - auch ohne den Umzug notwendig geworden. Für eine Ersatzbeschaffung sehe § 23 Abs 3 Satz 1 SGB II aber keine Leistungen vor.

10

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Sozialgerichtsgesetz) erklärt.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet, § 170 Abs 2 Satz 2 SGG.

12

1. Streitgegenstand ist allein die begehrte Übernahme von Kosten für die vom Kläger bereits gezahlte Erstausstattung seiner Wohnung. Über einen solchen Anspruch auf Leistungen für Erstausstattungen gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 SGB II kann nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate von dem Träger der Grundsicherung isoliert und unabhängig von den übrigen Leistungen der Grundsicherung entschieden werden. Der Anspruch kann in der Folge auch isoliert gerichtlich geltend gemacht werden (vgl BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, jeweils RdNr 12 und BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 4 RdNr 9).

13

Das damit zulässigerweise auf Erstattung von Kosten für bereits angeschaffte Einrichtungsgegenstände beschränkte Begehren verfolgt der Kläger zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ( § 54 Abs 4 SGG ) gegen den Bescheid vom 24.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2006. Zwar ist bei Streitigkeiten um die Erstausstattung einer Wohnung regelmäßig die sog Verpflichtungsbescheidungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) die statthafte Klageart. Nach der gesetzlichen Systematik hat der Hilfebedürftige nämlich einen gebundenen Rechtsanspruch nur im Hinblick auf das "Ob" und nicht auch auf das "Wie" der Leistungserbringung, denn nach § 23 Abs 3 Satz 5 SGB II steht es im pflichtgemäßen Auswahlermessen des Grundsicherungsträgers, ob er die Leistung als Sachleistung oder als (gegebenenfalls pauschalierte) Geldleistung erbringt(vgl BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 4 RdNr 10; BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 19). Beschafft sich jedoch der Hilfebedürftige die im Streit stehenden Gegenstände endgültig selbst, wie es hier nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Fall war, besteht für die gerichtliche Klärung eines Sachleistungsanspruchs iS des § 23 Abs 3 Satz 5 SGB II (also etwa die Überlassung von Möbeln aus eigenen Beständen des Trägers der Grundsicherung oder durch Gutscheine für bestimmte Möbelkaufhäuser) regelmäßig kein Rechtsschutzinteresse mehr. Das Begehren des Hilfebedürftigen richtet sich ausschließlich auf eine Geldleistung, die allein im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage zu verfolgen ist.

14

2. Zu Unrecht ist das LSG davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Erstausstattung nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II dem Grunde nach ausscheidet(dazu unter a) und hat ungeprüft gelassen, ob die Beklagte - wie dies in ihrem Vortrag in den Vorinstanzen zum Ausdruck kommt - in ihrer Verwaltungspraxis auf Grundlage eines entsprechenden Beschlusses des Kreistages zur Erfüllung von Ansprüchen auf Erstausstattung für Wohnungen ausschließlich Geldleistungen zur Verfügung stellt (dazu b). Sollte die Ermessensausübung insoweit durch entsprechendes Verwaltungsinnenrecht bereits gebunden sein, besteht ein Anspruch auf Geldleistung auch für den Kläger. Das LSG wird in diesem Fall weiter zu prüfen haben, ob die von der Beklagten nach ihrem Vortrag regelmäßig gewährte Pauschale die notwendigen Aufwendungen des Klägers abdeckt (dazu c).

15

a) Die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 24.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2006 misst sich in erster Linie an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Beklagte hatte dem Kläger mit dem vorangegangenen Bewilligungsbescheid vom 18.7.2005 sowie den folgenden Änderungsbescheiden (für die Zeit ab 1.10.2005) vom 30.8.2005 sowie vom 28.9.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1.8.2005 bis zum 31.1.2006 bewilligt. Soweit beim Kläger innerhalb dieses Bewilligungsabschnitts mit Anmietung und Bezug einer eigenen Wohnung ein Bedarf für eine Erstausstattung für diese Wohnung iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II entstanden ist, handelt es sich um eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im Sinne der genannten Vorschriften zugunsten des Klägers. Entgegen der Auffassung des LSG kommt es für die Entstehung des Anspruchs auf Erstausstattung für die Wohnung damit nicht auf eine (gesonderte) Antragstellung an (dazu im Einzelnen Urteil des Senats vom heutigen Tag - B 14 AS 10/09 R - sowie Urteil des Senats vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R), sodass insoweit unerheblich ist, ob der Kläger sich bereits vor seiner Vorsprache bei der Beklagten Möbel beschafft hatte.

16

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II wie alle Leistungen des SGB II bedarfsbezogen zu verstehen ist(BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, jeweils RdNr 19; BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 14). Entscheidend für die Auslegung des Begriffs der Erstausstattung ist, ob ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Leistungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II sind für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen(BSG aaO mwN). In diesem Sinne war die Wohnung des Klägers, die er zum 1.10.2005 bezogen hat, nicht ausgestattet und insofern bestand ein Bedarf iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II. Aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ergibt sich, dass der Kläger - sofern überhaupt davon auszugehen ist, dass er bei seiner Mutter eine Unterkunft iS des § 22 Abs 1 SGB II inne hatte und er nicht ausschließlich anderweitig stationär bzw teilstationär untergebracht war - bereits in dieser vorangegangenen Wohnung über mehr als einen Bewilligungsabschnitt hinweg nicht über eigenes Mobiliar verfügte, das dem Standard der herrschenden Lebensgewohnheiten auch unter Berücksichtigung einfachster Verhältnisse entsprach. Damit handelt es sich um einen Bedarf iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II und nicht um einen Fall der Ersatzbeschaffung einzelner, bereits unmittelbar vor dem Einzug in eine Wohnung vorhanden gewesener Gegenstände(vgl dazu BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 4). Ob in Fällen nur kurzfristiger Wohnungslosigkeit bzw bei kurzfristigem Fehlen einer Ausstattung gleiches gilt, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Hier war infolge der Alkoholerkrankung ein eigener Hausstand jedenfalls für mehr als 6 Monate (wenn nicht sogar zukunftsoffen) aufgegeben worden. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass seine Situation dem in der Gesetzesbegründung (§ 131 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch) genannten Fall der Haft entsprach (vgl BT-Drucks 15/1514 S 60 zu § 32).

17

Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass - entgegen der Auffassung des LSG - Verschuldensgesichtspunkte nicht schon bei der Feststellung des Bedarfs eine Rolle spielen können (vgl BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 15). Wie das Verhältnis von §§ 19 ff SGB II zu § 34 SGB II zeigt, ist ein bestehender Bedarf immer dann zu erfüllen, wenn dies Voraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein ist. Ob vorliegend das Verhalten des Klägers bei Auszug aus seiner letzten eigenen Wohnung (also die Aufgabe der bisherigen Wohnungsausstattung) den späteren Bedarf auf Ausstattung iS des § 34 SGB II vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, erscheint ohnehin zweifelhaft. Die Beklagte hat nicht konkret aufgezeigt, welche Handlungsalternativen sich dem Kläger geboten hätten. Unklar ist insbesondere geblieben, welche Kosten (auch für den Träger der Grundsicherung) durch einen Umzug der Möbel und die anschließende Einlagerung entstanden wären und ob vor dem Hintergrund solcher Folgekosten die Aufgabe des Mobiliars wirtschaftlich gesehen nicht geboten war. Schließlich gibt die akute Alkoholerkrankung des Klägers Anlass an einem subjektiv vorwerfbaren Verhalten zu zweifeln. Dies braucht vorliegend jedoch nicht weiter aufgeklärt zu werden, weil Ersatzansprüche nach § 34 SGB II nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.

18

b) Der Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II ist im Sinne eines unbedingten Rechtsanspruchs zu realisieren, wenn - wie hier - die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Der Beklagten steht allerdings ein Auswahlermessen dergestalt zu, dass sie die Leistungen entweder als Sachleistungen oder als Geldleistungen, letztere auch in Form von Pauschalbeträgen erbringen kann. Dieses Auswahlermessen kann die Beklagte nach der Selbstbeschaffung der Möbel durch den Kläger nicht mehr ausüben. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Geldleistung scheitert mithin dann, wenn keine Gesichtspunkte vorliegen, die das Ermessen der Beklagten im Sinne einer "Ermessensreduktion auf Null" einschränken. Gesichtspunkte des Einzelfalls, die eine Ermessensreduktion auf Null nahe liegend erscheinen lassen, sind dabei nach dem jetzigen Stand des Verfahrens nicht erkennbar. Der Bedarf des Klägers hätte (in dem Zeitpunkt, in dem er entstanden ist) grundsätzlich auch anderweitig als durch Geldleistungen gedeckt werden können. Ein Fall der Ermessensreduktion auf Null liegt allerdings auch dann vor, wenn die Beklagte - worauf ihr Vortrag in den Vorinstanzen hindeutet - auf Grundlage eines Beschlusses des Kreistages durch interne Verwaltungsrichtlinien dahin gebunden ist, für die Erstausstattung einer Wohnung stets eine Leistung in Geld (in pauschalierter Höhe) zu erbringen. Bestehen verwaltungsinterne Regelungen, mit denen sich die Beklagte entsprechend bindet, könnte sie nicht ohne Ermessensfehlgebrauch, insbesondere nicht ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Abs 1 Grundgesetz), zu einer Ablehnung der Leistung als Geldleistung gelangen (vgl BSGE 85, 75, 83 = SozR 3-3610 § 27 Nr 2 RdNr 25). Liegt eine solche Bindung vor, wäre auch dem Kläger gegenüber nur eine Auswahlentscheidung richtig, nämlich die Gewährung der Erstausstattung als Geldleistung.

19

Ob bislang nicht geprüfte Gesichtspunkte des Einzelfalles oder eine entsprechende Bindung der Beklagten durch Verwaltungsinnenrecht im Ergebnis hinsichtlich des "Wie" der Leistungserbringung zu einer Ermessensreduktion auf Null führen, wird das LSG nach Zurückverweisung des Rechtsstreits zu klären haben.

20

c) Bindet sich der Träger der Grundsicherung bei der Auswahl der Leistungen auf die Leistungsart "Geldleistung" und erbringt er diese in Form von Pauschalbeträgen, unterliegt auch die Festsetzung der Höhe der Pauschalen der richterlichen Kontrolle (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 20 f). Es muss dem Hilfebedürftigen möglich sein, mit dem gewährten Betrag seinen Bedarf auf Erstausstattung in vollem Umfang zu befriedigen. Die Gewährung von Pauschalbeträgen führt nicht zu einer Verkürzung des Leistungsanspruchs gegenüber der Gewährung durch Sachleistung oder der individuell bestimmten Geldleistung. Ggf hat das LSG damit in einem weiteren Schritt zu überprüfen, ob die von der Beklagten in den Vorinstanzen in Bezug genommenen Pauschalbeträge für die Erstausstattung einer Wohnung in Höhe von 700 Euro diesen Anforderungen genügen. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen (vgl § 23 Abs 3 Satz 6 SGB II). Die Beklagte wird insofern "nachvollziehbare Erfahrungswerte" über die Kosten von Einrichtungsgegenständen (allerdings in einem unteren Segment des Einrichtungsniveaus) zur Stützung ihrer Pauschalbeträge vorzulegen haben, die vom LSG dahin zu überprüfen sind, ob sie hinreichend empirisch abgesichert sind. Ist dies der Fall, steht dem Kläger lediglich eine Geldleistung in pauschalierter Form zu.

21

3. Besteht im Ergebnis ein Leistungsanspruch auf Geld unmittelbar aus § 23 Abs 3 SGB II nicht, wird das LSG im Hinblick auf die vom Kläger selbst beschafften Leistungen (hilfsweise) einen Kostenerstattungsanspruch zu prüfen haben. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist die Erstattung von Kosten bei Selbstbeschaffung unaufschiebbarer Sozialleistungen (also in Eil- und Notfällen) sowie im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht (vgl bereits BSGE 84, 50, 56 f = SozR 3-3300 § 12 Nr 1 S 8 = juris RdNr 36; Grube, Sozialrecht aktuell 2010, 11, 12). Liegen seine Voraussetzungen vor, wandelt sich auch im Anwendungsbereich des SGB II ein Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch gerichtet auf Geld um (vgl BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R).

22

Auch wenn die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der §§ 19 ff SGB II im Einzelnen - wie oben dargelegt - nicht "antragsabhängig" sind, sondern die im Einzelfall erforderlichen Leistungen von dem (ersten) Antrag auf laufende Leistungen erfasst sind, setzt ein Kostenerstattungsanspruch in den Fällen des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II im Grundsatz aber voraus, dass der Träger der Grundsicherung vor Inanspruchnahme einer vom Hilfebedürftigen selbst beschafften Leistung bei Entstehen des konkreten Bedarfs mit dem Leistungsbegehren in der Sache befasst wurde. Nur dann ist es dem Träger möglich, sein Auswahlermessen pflichtgemäß auszuüben. Eine Kostenerstattung kommt damit grundsätzlich erst bei Selbstbeschaffung einer Leistung nach einer rechtswidrigen Leistungsablehnung in Betracht.

23

Die Ablehnung der Leistung "Erstausstattung" durch die Beklagte hat der Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht abgewartet. Ein Anspruch auf Kostenerstattung kommt nach den in Bezug genommen allgemeinen Grundsätzen des Kostenerstattungsrechts deshalb nur in Betracht, wenn im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Leistung ein unaufschiebbarer Eil- bzw Notfall vorgelegen hat. Das LSG wird den entsprechenden Vortrag des Klägers, ihm sei wegen der zu erwartenden Lieferzeiten für die Möbel ein Zuwarten auf die Entscheidung des Trägers nicht möglich gewesen, zu überprüfen haben. Nach dem derzeitigen Sachstand liegen Anhaltspunkte für einen solchen Eilfall allerdings nicht nahe. Der Einzug in die Wohnung war erst für den 1.10.2005 vorgesehen, sodass von daher die Notwendigkeit, Möbel bereits wenige Tage nach einer entsprechenden Befassung durch die Beklagte zu bestellen, bislang nicht erkennbar geworden ist.

24

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für einen mehrtägigen Aufenthalt in einem Schullandheim sowie für den eintägigen Besuch eines Musicals.

2

Die 1988 geborene Klägerin lebt zusammen mit ihrer Mutter, deren Ehemann und einer Halbschwester. Sie bezog seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); für die Zeit vom 1.5.2005 bis 31.10.2005 aufgrund bestandskräftigen Bescheides vom 22.4.2005. Seit dem 12.9.2005 besuchte sie eine Hauptschule in D Am 25.8.2006 beantragte der Stiefvater die Erstattung der Kosten für einen Schullandheimaufenthalt in C vom 23.9. bis 2.10.2005 in Höhe von 271 Euro sowie der Kosten für den Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 in Höhe von 32,40 Euro. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 30.8.2006 die Übernahme der Kosten ab, weil der Antrag vor Antritt der Fahrten gestellt werden müsse. Außerdem seien die Kosten bereits beglichen, sodass der Bedarf aus eigenen Mitteln habe gedeckt werden können. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.9.2006 wies die Beklagte den Widerspruch hiergegen zurück.

3

Das Sozialgericht Stuttgart hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 23.10.2007 abgewiesen. Die Kosten für den Schullandheimaufenthalt seien zwar grundsätzlich nach § 23 Abs 3 SGB II erstattungsfähig. Eine Bedarfsdeckung für die Vergangenheit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundessozialhilfegesetz jedoch nicht zulässig. Dieser Grundsatz gelte auch für das SGB II. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt bestehe schon nach dem Wortlaut des § 23 Abs 3 SGB II nicht. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 26.11.2008 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt scheitere daran, dass diese Leistung nicht rechtzeitig beantragt worden sei. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende würden nach § 37 Abs 1 SGB II nach Antragstellung erbracht. Leistungen für die Zeit vor Antragstellung könnten nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II nicht erbracht werden. Auch die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lägen nicht vor. Die Beklagte habe im maßgeblichen Bewilligungszeitraum keine Anhaltspunkte für einen Sonderbedarf der Klägerin gehabt. Allein die Kenntnis vom Schulbesuch habe noch keine konkrete Beratungspflicht ausgelöst. Für eine Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt fehle es bereits an einer Anspruchsgrundlage. § 23 Abs 3 Nr 3 SGB II erfasse ausdrücklich nur mehrtägige Klassenfahrten.

4

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasse alle Leistungen nach dem zweiten Abschnitt des SGB II. Leistungen nach § 23 SGB II müssten daher nicht gesondert beantragt werden. Da aus dem Erstantrag für die Beklagte auch erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin noch die Schule besucht habe, und deshalb entsprechend ihrem Jahrgang eine mehrtägige Klassenfahrt in Betracht kommen könnte, habe eine entsprechende Beratungspflicht der Beklagten bestanden. Der Bedarf sei auch nicht durch eigene Mittel gedeckt worden. Vielmehr seien Schulden durch eine Kontoüberziehung entstanden. Zwar seien nach dem Wortlaut des § 23 SGB II Kosten für eine eintägige Klassenfahrt nicht erstattungsfähig, es sei jedoch zu beachten, dass frühere Sozialleistungen auch eintägige Klassenfahrten umfasst hätten. Bei der Klassenfahrt zu dem Musical habe es sich um Bildungsausgaben gehandelt, die in der Regelleistung nicht berücksichtigt seien.

5

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.10.2007 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.11.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 30.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.9.2006 zu verurteilen, ihr die Kosten für den Schullandheimaufenthalt in C vom 23.9. bis 2.10.2005 in Höhe von 271 Euro sowie für den eintägigen Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 in Höhe von 32,40 Euro zu erstatten.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

7

Sie hält die angegriffenen Urteile für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, § 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), soweit sie die Erstattung von Kosten für den Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 begehrt. Im Übrigen ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet, § 170 Abs 2 Satz 2 SGG.

9

1. Streitig sind allein die Ansprüche der Klägerin auf Leistungen für Klassenfahrten nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II. Dabei handelt es sich um eigenständige abtrennbare Streitgegenstände, die isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden können (vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 13). Der Anspruch steht allein der Klägerin zu. Zwar bildet sie mit ihrer Schwester, ihrer Mutter und deren Ehemann eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II, Leistungen für Klassenfahrten stehen aber individuell nur ihr allein zu.

10

2. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 23 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014). Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig sind (Nr 3) sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Ausschlussgründe nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II liegen nicht vor.

11

3. Das LSG hat zu Recht einen Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II hinsichtlich des eintägigen Besuchs eines Musicals verneint, weil es am Tatbestandsmerkmal der Mehrtägigkeit fehlt. Anspruch auf Leistungen für Klassenfahrten besteht nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II nur, sofern sie mehrtägig sind. Das ist nur dann der Fall, wenn sie einen Zeitraum von mehr als einem Tag umfassen (vgl Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 23 RdNr 110). Kosten eintägiger Klassenfahrten sind hingegen durch die Regelleistung gedeckt (vgl Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 23 RdNr 36).

12

Die Klägerin kann die Leistung auch nicht als "Härteleistung" auf der Grundlage von Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz beanspruchen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 einen solchen zusätzlichen Anspruch nur bei einem unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligen und besonderen Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums bejaht (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.

13

4. Ob ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die mehrtägige Fahrt nach C nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3, § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) besteht, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

14

a) Entgegen der Auffassung des LSG scheitert ein Anspruch nicht bereits an einer fehlenden Antragstellung nach § 37 SGB II. Zwar hat die Klägerin ihren Bedarf nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu einem Zeitpunkt zur Kenntnis der Beklagten gebracht, als die Klassenfahrten bereits durchgeführt worden waren. Der Antrag auf Leistungen für Klassenfahrten war aber bereits von dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst.

15

Gemäß § 37 Abs 1 SGB II werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht. § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II schließt eine Leistungserbringung für Zeiten vor der Antragstellung aus. Die Vorschrift gilt uneingeschränkt für alle Leistungen der Grundsicherung (vgl Link in Eicher/Spellbrink, aaO, § 37 RdNr 2). Sie statuiert ein konstitutives Antragserfordernis, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustehen (vgl BT-Drucks 15/1516 S 62; Urteile des Senats vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23 und vom 7.5.2009 - B 14 AS 13/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Antrag nach dem SGB II ist eine einseitige empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - soweit sich nicht aus sozialrechtlichen Bestimmungen Anderweitiges ergibt - die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung finden (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 56/08 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Antragsteller bringt zum Ausdruck, dass Leistungen vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt werden. Welche Leistungen ein Antrag umfasst, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl Urteil des Senats vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; vgl zum Klageantrag BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen (vgl Link in Eicher/Spellbrink aaO; Striebinger in Gagel, SGB II, Stand Dezember 2009, § 37 RdNr 34). Das sind bei einem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts regelmäßig alle im 1. und 2. Unterabschnitt des 2. Abschnitts des 3. Kapitels SGB II genannten Leistungen (vgl auch die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zum Umfang des Antrags <37.4>). Mit dem Antrag wird ein Hilfebedarf geltend gemacht, der alle Leistungen umfasst, die der Sicherung des Lebensunterhalts in Form des Arbeitslosengeld II dienen. Bei den in § 23 Abs 3 SGB II vorgesehenen Leistungen handelt es sich zwar um einmalige Sonderbedarfe(vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2 RdNr 11; Urteile vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen und vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das Erfordernis einer besonderen Bedarfslage ändert aber nichts an der Zuordnung dieser Leistungen zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Auch ihre prozessuale Behandlung als eigenständiger Streitgegenstand führt nicht dazu, dass die Leistung gesondert beantragt werden müsste. Ein solches Erfordernis lässt sich § 37 SGB II nicht entnehmen. Die Vorschrift enthält keine Antragsbestimmungen für einzelne Leistungen, sondern fordert lediglich unspezifisch einen Antrag.

16

b) Da über den Bewilligungszeitraum, in dem der Schullandheimaufenthalt stattfand, bereits bestandskräftig entschieden worden war, war über den Anspruch nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 SGB X zu entscheiden. Das LSG wird zunächst im Einzelnen zu ermitteln haben, welche Bedarfe iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II tatsächlich bestanden haben. Ein Bedarf ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil die Klägerin auch ohne die begehrte Leistung tatsächlich teilgenommen hat.

17

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.