Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 20. Jan. 2017 - L 3 AS 195/13

ECLI:ECLI:DE:LSGSH:2017:0120.L3AS195.13.0A
20.01.2017

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 23. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 Abs. 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form der außerschulischen Lernförderung für die Zeit vom 1. April 2012 bis 31. Juli 2014.

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Der 2002 geborene Kläger lebt mit seinem 2000 geborenen Bruder L. und seiner Mutter in einem Haushalt. Die Familie bezog in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 31. Juli 2014 durchgehend Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Der Kläger besuchte im Schuljahr 2011/2012 die 3. Klasse der H.-Schule in Bad S. Er leidet an einer anerkannten Lese-Rechtschreib-Schwäche, so dass die Rechtschreibleistungen bei der Benotung aufgrund der schulrechtlichen Bestimmungen nicht berücksichtigt werden. Am allgemeinen Förderunterricht im Fach Deutsch nahm der Kläger teil. Vom 1. Februar 2011 bis zum 15. Oktober 2015 nahm er am Unterricht zur Lese- und Rechtschreibförderung der Volkshochschule S. (VHS) im Umfang von wöchentlich 90 Minuten teil. Die Schule H.-Schule bestätigte am 23. September 2011, dass bei dem Kläger die Notwendigkeit von Lernförderung im Unterrichtsfach Deutsch für die Dauer von voraussichtlich 12 Monaten im Umfang von einer Wochenstunde bestehe. Das Erreichen wesentlicher Lernziele (z.B. die Versetzung) sei nicht gefährdet, die Leistungsschwäche sei nicht auf unentschuldigte Fehlzeiten o.ä. zurückzuführen, geeignete kostenfreie schulische Angebote bestünden nicht.

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Den Antrag vom 27. Oktober 2011 lehnte der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 2. November 2011 ab, da im ersten Schulhalbjahr eine Gefährdung wesentlicher Lernziele noch nicht feststehen könne.

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Mit am 3. April 2012 eingegangenen Schreiben beantragte die gesetzliche Vertreterin des Klägers erneut Leistungen in Form der Übernahme der Kosten für die Teilnahme an dem Förderunterricht der VHS.

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Mit Bescheid vom 16. Juli 2012 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe zur Lernförderung ab. Außerschulische Lernförderung sei als Mehrbedarf nur in Ausnahmefällen geeignet und erforderlich. Insbesondere dürfe sie nur kurzfristig notwendig sein, um vorübergehende Lernschwächen zu beheben, damit die Versetzung erfolgen könne. Die Leistungsschwäche dürfe nicht auf unentschuldigte Fehltage oder anhaltendes Fehlverhalten zurückzuführen sein. Bei der Legasthenie-Förderung handele es sich hingegen um eine länger andauernde Förderung, zudem sei die Versetzung nicht gefährdet.

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Hiergegen erhob der Kläger am 24. Juli 2012 Widerspruch. Bei ihm sei zwar eine Legasthenie im engeren Sinne nicht festgestellt worden, gleichwohl sei das Lese- und Rechtschreibvermögen im Verhältnis zum intellektuellen Grundvermögen deutlich unterdurchschnittlich. Ein begabungsgerechtes Lese- und Rechtschreibvermögen sei für ihn nur mit lerntherapeutischer Förderung erreichbar. Ein entsprechender Antrag auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35 a Achtes Buch Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) sei wegen fehlender seelischer Behinderung abgelehnt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2012 wies der Beklagte den Widerspruch aus den Gründen des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück. Längerfristig notwendige Lernförderung aufgrund dauerhafter Einschränkungen (z.B. Legasthenie, Dyskalkulie, ADHS) seien grundsätzlich nicht mehr angemessen im Sinne des § 28 Abs. 5 SGB II.

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Dagegen hat der Kläger am 8. August 2012 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Lübeck erhoben und zur Begründung ausgeführt: Bei ihm sei zwischenzeitlich mit Bescheid vom 16. Januar 2013 das Vorliegen einer Legasthenie im Sinnes des Erlasses „Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Lese- und Rechtsschreibschwäche (Legasthenie)“ vom 27. Juni 2008 (im Folgenden: Legasthenie-Erlass 2008) anerkannt worden. Die Kosten seines Förderunterrichts an der VHS betrügen seit Februar 2011 monatlich 56,00 EUR (Geschwistertarif) und nach Abmeldung des Bruders aus Kostengründen zum 30. Juni 2013 monatlich zunächst 84,00 EUR und ab dem 1. Oktober 2013 89,00 EUR. Die Förderung sei notwendig, um ein ausreichendes Leistungsniveau beim Lesen und Schreiben zu erreichen, mithin eine angemessen Schulbildung, die Erlangung eines Ausbildungsplatzes sowie die Weiterentwicklung im Beruf sicherzustellen und damit die Fähigkeit, den Lebensunterhalt aus eigenen Kräften bestreiten zu können. Ein Anspruch gegenüber vorrangigen Sozialleistungsträgern bestehe nicht; die Klage gegen die Ablehnung von Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII sei zurückgenommen worden, nachdem der Antrag auf Prozesskostenhilfe über zwei Instanzen erfolglos geblieben sei.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 16. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für die Lernförderung des Klägers ab Antragstellung zu übernehmen.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat der Beklagte auf seine Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden Bezug genommen und ergänzend ausgeführt: Nachhilfe eigne sich für Schüler mit Wissenslücken in einzelnen Fächern, hervorgerufen durch versäumten Unterricht, eine „faule Phase“ oder einen Wechsel in eine leistungsstärkere Klasse. Nach der gesetzgeberischen Begründung zur Neuregelung des § 28 Abs. 5 SGB II bestehe eine Notwendigkeit zur Förderung nur kurzzeitig zur Behebung vorübergehender Lernschwächen. Wesentliches Lernziel in der jeweiligen Klassenstufe sei regelmäßig die Versetzung in die nächste Klassenstufe beziehungsweise ein ausreichendes Leistungsniveau. Eine andere Auslegung würde das System des Vorrangs der §§ 35 a SGB VIII, 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) unterlaufen.

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Den Antrag des Klägers vom 22. Mai 2013, den Beklagten im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Gebühren für die monatliche Legasthenieförderung zu übernehmen, hat das SG Lübeck mit Beschluss vom 28. Juni 2013, S 19 AS 539/13 ER, abgelehnt.

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Nach mündlicher Verhandlung am 23. Oktober 2013 hat das SG Lübeck der Klage stattgegeben und den Beklagten zur Übernahme der Kosten für die Lernförderung ab Antragstellung verurteilt. Zur Begründung des Urteils hat das SG im Wesentlichen ausgeführt: Der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens umfasse den gesamten Zeitraum von der Antragstellung bis zur gerichtlichen Entscheidung. Zeiträume vor Antragstellung seien im Hinblick auf § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht zu berücksichtigen. Dabei könne - anders als zum Beispiel bei Mehrbedarfen nach § 21 SGB II - nicht auf den allgemeinen Leistungsantrag abgestellt werden, da Leistungen der Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II gesondert zu beantragen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 SGB II) und daher nicht vom Leistungsantrag umfasst seien. Auch wenn Leistungen nach § 28 Abs. 5 SGB II zumindest regelmäßig kurzfristige Bedarfe abdecken sollen, folge daraus keine automatische Beschränkung des Streitgegenstandes beispielsweise auf das Schulhalbjahr oder Schuljahr, denn insoweit fehle es an einer entsprechend konkreten gesetzlichen Einschränkung. Daher bleibe es bei der allgemeinen Regelung, dass sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ((BSG), Urteil vom 11. Dezember 2012, - B 4 AS 29/12 R -, juris) bei einer Ablehnung von Leistungen durch die Verwaltung regelmäßig der streitige Zeitraum bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz erstreckte. Der Kläger habe gegenüber dem Beklagten auch einen Anspruch auf Leistungen der Lernförderung zur Teilnahme am Förderunterricht der VHS nach §§ 19 Abs. 2, 28 Abs. 5 SGB II. Der Kläger sei Schüler und die durchgeführte Lerntherapie stelle eine das schulische Angebot ergänzende Lernförderung dar. Diese Legasthenie-Förderung sei sowohl geeignet als auch erforderlich. Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Lernförderung beziehe sich auf das wesentliche Lernziel, das sich wiederum im Einzelfall je nach Schulform und Klassenstufe aus den schulrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Landes ergebe. Das wesentliche Lernziel in der jeweiligen Klassenstufe sei dabei nicht nur die Versetzung in die nächst höhere Klasse, sondern auch das Erreichen eines ausreichenden Leistungsniveaus. Dazu gehöre es auch, den Schülern einen ausreichenden Umgang mit den elementaren Kulturtechniken Lesen und Schreiben zu vermitteln. Der Kläger sei aufgrund seiner Lese- und Rechtschreibschwäche nicht in der Lage, Texte oder Sachverhalte ohne Hilfe altersgerecht zu erfassen. Er bedürfe daher regelmäßiger Motivation und Anleitung, um seine diesbezüglichen Schwächen durch Erlernen entsprechender Techniken zu bekämpfen. Dies sei in Fällen der Legasthenie regelmäßig ein dauerhafter langjähriger Prozess, so dass auch beim Kläger festzustellen sei, dass das bislang Erlernte nicht ausreiche, um seinen Klassenkameraden gegenüber aufzuholen bzw. annähernd das gleiche Leistungsniveau zu erreichen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger im letzten Zeugnis - dem Abschlusszeugnis der Klasse 4 - im Fach Deutsch die Note 2 bekommen habe, da seine Lese- und Rechtschreibfähigkeiten wegen des Nachteilsausgleiches nicht in die Zensur einfließe. Gerade die Schreib- und Lese-Fähigkeiten wirkten sich auf die Leistung in allen Schulfächern und alle wesentlichen Lebensbereiche aus. Dies gelte besonders auch für die Erlangung eines Ausbildungsplatzes, die weitere Entwicklung im Beruf und damit die Fähigkeit, später den Lebensunterhalt aus eigenen Kräften bestreiten zu können. Zwar werde in der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/3404 Seite 105 zu § 28 Abs. 4) ausgeführt, dass der Bedarf im Regelfall nur kurzzeitig notwendig sei, um vorübergehende Lernschwächen zu beheben. Dies finde aber weder im gesetzlichen Wortlaut noch im Sinn und Zweck der Vorschrift eine Entsprechung. Letztlich solle der Hinweis in der Gesetzesbegründung auf einen bloß vorübergehenden Bedarf nur verdeutlichen, dass bei strukturellen Defiziten, die auf eine Überforderung des Schülers beim Besuch einer höheren Schule hindeuten, kein Anspruch auf Lernförderung bestehe. Diese Option bestehe aber bei der beim Kläger vorliegenden Lese-Rechtschreibschwäche nicht, denn diese wirke sich im Wesentlichen unabhängig von der Schulform nachteilig auf die Leistungsfähigkeit aus. Bei fortbestehender elementarer Lese- und Rechtschreibschwäche würde sich dadurch der Rückstand des Klägers eher vergrößern als verkleinern. Dies führe bei prognostischer Betrachtung ohne individuelle Lernförderung dazu, dass das Erreichen eines angemessenen Leistungsniveaus und damit die späteren Eingliederungschancen gefährdet wären. Es widerspräche den Zielen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB II), die Gewährung von Leistungen der Lernförderung in einer solchen Situation auf einen vorübergehenden Bedarf von wenigen Wochen bis Monaten zu beschränken. Dies ergebe sich auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 2010 (vgl. BVerfG - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 -, juris) aus der die Regelung des § 28 Abs. 5 SGB II hervorgegangen sei. Danach gehörten notwendige Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten zum existenziellen Bedarf schulpflichtiger Kinder, da ohne Deckung dieser Kosten hilfebedürftigen Kindern der Ausschluss von Lebenschancen drohe. Bei schulpflichtigen Kindern, deren Eltern Leistungen nach dem SGB II beziehen, bestehe die Gefahr, dass ohne hinreichende staatliche Leistungen ihre Möglichkeiten eingeschränkt würden, später ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften bestreiten zu können. Dies sei mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip des Artikels 20 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Daher sei - jedenfalls in begründeten Ausnahmefällen - eine Lernförderung auch dann zu gewähren, wenn der Förderbedarf voraussichtlich das gesamte Schuljahr oder darüber hinaus bestehen werde. Ein solcher Fall liege hier vor. Beim Kläger handele es sich nicht um einen schwachen Schüler im herkömmlichen Sinne; vielmehr seien seine Fähigkeiten und seine Auffassungsgabe - außerhalb der Lese- und Rechtschreibschwäche - gut. Es liege hier also nicht der Fall vor, dass ein Schüler über seine natürlichen Fähigkeiten gefördert werden solle, sondern es handele sich genau um den umgekehrten Fall, nämlich, dass die „technischen“ Fähigkeiten an das Intelligenzniveau angepasst werden. Dem Kläger müsse mithilfe der Förderung daher die Möglichkeit eröffnet werden, eine Bildung entsprechend seiner intellektuellen Fähigkeiten erhalten zu können und nicht wegen seiner Schwäche unterhalb seiner geistigen Möglichkeiten ausgebildet zu werden. Die Förderung der begehrten und vom Kläger durchgeführten Lernförderung sei zur Überzeugung der Kammer geeignet und angemessen.

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Gegen diese ihm am 26. November 2013 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 26. November 2013 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG) eingegangene Berufung des Beklagten. Zur Begründung seiner Berufung nimmt der Beklagte auf die Ausführungen im Verfahren S 19 AS 539/13 ER Bezug und führt ergänzend aus: Nach der Gesetzesbegründung sei die Lernförderung ausdrücklich nur in Ausnahmefällen kurzfristig zu gewähren, eine dauerhafte Lernförderung sollte nicht erfasst werden. Eine dauerhafte Übernahme der Kosten der Lernförderung vermische zudem bestehende Gesetze und Zuständigkeiten. Denn nach dem Legasthenie-Erlass des Landes Schleswig-Holstein 2008 liege die Verantwortung für die Fördermaßnahmen bei Lese- und Rechtschreibschwäche im Verantwortungsbereich der Schulen. Eine Verlagerung der Verantwortung auf den Grundsicherungsträger hätte zudem zur Folge, dass nicht im Leistungsbezug stehende Kinder über die Schulen auch keine Förderung mehr erhielten und somit schlechter stünden. Unter Berücksichtigung der Zeugnisse sowie der Stellungnahmen der Lehrkräfte des Klägers sei die Versetzung des Klägers zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen. Der Kläger habe vielmehr gute Noten gehabt und immer das Lernniveau erreicht. Die Rechtschreibung werde auch im Fach Englisch nicht berücksichtigt. Zudem habe die Legasthenie lediglich Auswirkungen auf die Lesegeschwindigkeit und -flüssigkeit; Auswirkungen auf die weiteren Leistungen in den anderen Unterrichtsfächern habe es nicht gegeben. Soweit die Heilpädagogin J. angebe, dass Lernprobleme generell den ganzen Menschen treffen, werde damit keine Aussage über individuelle Probleme des Klägers getroffen. Es handele sich mithin um eine reine Lernförderung für Legasthenie, die für die Versetzung nicht notwendig gewesen sei.

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Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 23. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Der Kläger tritt dem entgegen. Eine vergleichbare Förderung sei von der Schule nicht angeboten worden. Zudem erfolge eine Testung und Feststellung der Legasthenie erst im zweiten Halbjahr der 4. Klasse; bis dahin müssten die Kinder schon eine Vielzahl an Misserfolgen verbuchen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in den Fächern Deutsch und Englisch die Rechtschreibkenntnisse nicht bewertet werden, sei davon auszugehen, dass für den Kläger bei Berücksichtigung der Lese-Rechtschreib-Schwäche ein ausreichendes Lernniveau nicht erreichbar gewesen wäre. Zudem werde durch die Lehrkräfte bestätigt, dass der Kläger durch den Legasthenieunterricht die nächsthöhere Klassenstufe sicher erreicht habe. In Ermangelung ausreichender schulischer Angebote habe der Kläger das kostenpflichtige Angebot der VHS nutzen müssen. Im Übrigen habe die Grundschullehrerin Frau B. bestätigt, dass sich die Lese-Rechtsschreib-Schwäche auch auf andere Fächer bezüglich der Lesegeschwindigkeit, Leseflüssigkeit und Dekodierungsgenauigkeit negativ auswirke.

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Dem Senat haben die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakten einschließlich des Verfahrens S 19 AS 539/13 ER vorgelegen. Der Senat hat Stellungnahmen der den Kläger unterrichtenden Lehrkräfte (Deutschunterricht und Deutschförderunterricht) beigezogen (Stellungnahme der Frau B. (Deutschförderunterricht Grundschule), Frau J. (VHS); Frau T. (Förderschullehrerin Gemeinschaftsschule)). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet.

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Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung bei einer Klage, die – wie hier – einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt betrifft, der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn der Rechtsstreit wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Da das SG Lübeck den Beklagten zur Erstattung der Kosten für die Zeit ab Antragstellung (§ 37 Abs. 1 Satz 2 iVm Abs. 2 Satz 2 SGB II), mithin ab dem 1. April 2012 bis zum Zeitpunkt seiner Entscheidung, d.h. Oktober 2013 verpflichtet hat, und die Beschwer des Beklagten insgesamt 1.926,00 EUR beträgt, ist die im Übrigen form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten zulässig.

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Die Berufung des Beklagten ist jedoch nicht begründet. Der Senat teilt nach eigenständiger Überprüfung im Berufungsverfahren die vom SG im Einzelnen niedergelegte Rechtsauffassung, macht sich diese ausdrücklich zu Eigen und weist die Berufung in Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG als unbegründet zurück. Zur Überzeugung des erkennenden Senats kann zur Behandlung von Teilleistungsstörungen wie Legasthenie und Dyskalkulie Lernförderung auch dann gewährt werden, wenn voraussichtlich deren längerfristige Inanspruchnahme erforderlich ist. Im Hinblick auf das Vorbringen in der Berufungsinstanz ist daher nochmal Folgendes hervorzuheben:

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Der Kläger hat den Streitgegenstand in zulässiger Weise auf die Aufwendungen für eine ergänzende Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II beschränkt. Ansprüche auf Leistungen für Bildung und Teilhabe können jedenfalls dann, wenn sie - wie hier - nach § 37 Abs. 1 S 2 SGB II gesondert zu beantragen sind, isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen gerichtlich geltend gemacht werden (BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14 AS 36/07 R, Rn. 13; Urteil vom 23. März 2010 - B 14 AS 6/09 R -, Rn. 9; Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 11/10 -, Rn. 15; Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 12/13 R -, Rn. 14; BSG Urteil vom 17. März 2016 - B 4 AS 39/15 R - Rn. 13, juris).

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Gegenstand des Verfahrens sind Teilhabeleistungen für die Zeit vom 1. April 2012 (§ 37 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB II) bis zum 31. Juli 2014, da der Kläger ab dem 1. August 2014 nicht mehr leistungsberechtigt nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist (in diesem Sinne auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 11. Juli 2016 - L 3 AS 1810/13 B ER -, Rn. 65, juris).

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Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 21. Dezember 2015 (L 3 AS 211/15 B ER) zur Frage des Bewilligungszeitraumes bei Leistungen aus dem Bildungspaket ausgeführt (Umdruck S. 8 f):

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„Dem Gesetzeswortlaut des SGB II ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob der Antrag eines Berechtigten auf Bildungs- und Teilhabeleistungen einen eigenständigen Bewilligungszeitraum - vorbehaltlich der grundsätzlichen Leistungsberechtigung - auslöst oder dieser an einen bereits bestehenden Bewilligungszeitraum im Rahmen eines SGB II-Leistungsbezugs gebunden ist (vgl. zum Ganzen: Dritte Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe, https://www.deutscher-verein.de/de/ uploads/empfehlungen-stellungnahmen/2014/dv-33-14-but.pdf). Dafür, dass der gesonderte Antrag auf Bildungs- und Teilhabeleistungen nach § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB II einen eigenständigen Bewilligungszeitraum auslöst, spricht neben der Rechtsdogmatik des SGB II (§§ 19, 28 SGB II), die Gesetzesbegründung, die die genannten Bedarfe als eigenständige Bedarfe neben dem Regelsatz normiert, sowie der Umstand, dass allein durch den Anspruch auf das Bildungspaket Hilfebedürftigkeit im Rahmen des SGB II ausgelöst werden kann. Schließlich würden die Bedarfe für Bildung und Teilhabe durch die Verknüpfung mit dem Bewilligungszeitraum der Hauptleistung einer künstlichen Beschränkung unterliegen. Für einen eigenständigen Bewilligungszeitraum spricht überdies, dass eine Verknüpfung der Leistungen zur Lernförderung nach § 28 Abs. 4 SGB II mit dem jeweiligen Bewilligungszeitraum (§§ 41 Absatz 1 Satz 4 bzw. 5 SGB II) in § 37 Abs. 2 SGB II anders als für Bedarfe zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (§ 28 Abs. 7 SGB II) gerade nicht erfolgt ist. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Sozialgerichts, die sich im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes an dem Ende des Schuljahres orientiert, nicht zu beanstanden. Davon zu unterscheiden ist die sich in der Hauptsache S 40 AS 956/15 stellende Frage, ob sich der streitige Zeitraum ggf. bis zur letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz erstreckt (vgl. SG Braunschweig, Urteil vom 8. August 2013 – S 17 AS 4125/12 –, Rn. 39 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG zum Streitgegenstand bei ablehnenden Verwaltungsentscheidungen: Urteil vom 23. November 2006 - B 11 b AS 1/06 R; Urteil vom 16. Mai 2007 – B 11b AS 37/06 R; Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 52/06 R; Urteil vom 7. Mai 2009 – B 14 AS 41/07 R –, Rn. 9, juris)“.

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An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch im vorliegenden Verfahren fest. Ausgehend von einer eigenständigen Leistung für Bildung und Teilhabe erstreckt sich der streitige Zeitraum angesichts der ablehnenden Entscheidung des Beklagten damit in der Regel bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG.

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Auf die zusätzliche Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II besteht ein Rechtsanspruch, ein Ermessen ist der Verwaltung nicht eingeräumt (Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 28, Rn. 158). Soweit der Beklagte anknüpfend an die Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drs. 17/3404, S. 105 f) davon ausgeht, dass eine Förderung bei dauerhaften Teilleistungsschwächen (z.B. Legasthenie, Dyskalkulie, ADHS) nicht mehr angemessen sei, übersieht er, dass bereits dem Begriff „Lernförderung“ im Gegensatz zum Begriff der „Nachhilfe“ eine komplexere Leistung innewohnt. Lernförderung ist begrifflich die Förderung Lernender. Dies beinhaltet die Unterstützung von Lernenden, insbesondere auch solchen mit Lernbehinderungen (Loose in: Hohn, GK-SGB II, Dezember 2015, § 28, Rn. 103; Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 28, Rn. 140).

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Für dieses Verständnis spricht auch der Umstand, dass die Einführung der Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II auf der Entscheidung des BVerfG vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. beruht. Danach kommt der individuellen Förderung bedürftiger Schüler und Schülerinnen Verfassungsrang zu (ausführlich: SG Nordhausen, Urteil vom 9. Juli 2014 – S 22 AS 4109/12 –, Rn. 35, juris; in diesem Sinne auch BSG, Urteil vom 17. März 2016 - B 4 AS 39/15 R -, Rn. 19, juris). Anknüpfungspunkt des BVerfG ist die Gewährleistung des gleichberechtigten Zugangs zu Bildung im schulischen und außerschulischen Bereich für Kinder und Jugendliche aus besonders förderungsbedürftigen Haushalten (BT-Drucks 17/12036, S. 1). Dieser ist erforderlich, um die materielle Basis für Chancengerechtigkeit herzustellen (vgl. auch Birkelbach/Dobischat: Außerschulische Nachhilfe, Studie der Hans-Böcklerstifung, https://www.boeckler.de/pdf/p_study_hbs_348.pdf). Insbesondere in der Bildung hat der Gesetzgeber eine Schlüsselfunktion zur nachhaltigen Überwindung von Hilfebedürftigkeit und zur Schaffung von zukünftigen Lebenschancen erkannt (BR-Drucks 661/10, S 168). Die Auslegung des Begriffs der Lernförderung hat daher der Realisierung von Bildungs- und Lebenschancen und dem Nachrang der Fürsorgeleistung im Sinne der Reduzierung der Aufwendungen auf ein notwendiges Maß Rechnung zu tragen (so zur Auslegung des „Bildungsganges“ in § 28 Abs. 4 SGB II: BSG, Urteil vom 17. März 2016 – B 4 AS 39/15 R –, Rn. 20). Vor diesem Hintergrund ist aus Sicht des Senats bei strukturellen Lernstörungen auch eine längerfristige Förderung bedürftiger Schüler zur Vermittlung besonderer Kompetenzen möglich (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 7/15, § 28 Rn. 78 m.w.N.), um deren späteren Lebenschancen zu wahren (Brose, Die Lernförderung nach dem Bildungspaket: Eine kritische Zwischenbilanz, NZS 2013, 51, 55; Sächsisches LSG, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - L 2 AS 1285/14 B ER, Rn. 27; SG Dresden, Urteil vom 6. Januar 2014 – S 48 AS 5789/12 –, Rn. 30, juris). Auch die Gesetzesbegründung hebt den Aspekt der Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Bildung und der Armutsbekämpfung gesondert hervor (BT-Drs 17/3404, 45). Vor diesem Hintergrund können auch mittel- und längerfristige Maßnahmen erforderlich und angemessen sein (Luik in: Eicher, SGB II-Kommentar, 3. Aufl. 2013, § 28 Rn. 49; Lenze in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 28 Rn. 29).

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Aus dem Verweis auf die „nach schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele“ ergibt sich zur Überzeugung des Senats nichts anderes. Insbesondere sieht das Gesetz eine Begrenzung der Lernförderung auf regelmäßig kurzfristige Interventionen nicht vor. Gefördert werden kann vielmehr auch die Vermittlung ergänzender Kompetenzen über einen längeren Zeitraum bei bestehender Legasthenie, Lese-Rechtschreibschwäche, Dyskalkulie oder Sprachförderung (Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB II, 07/15, § 28 Rn. 78; Vogt in: Mergler/Zink, SGB II, 1/2015, § 28 Rn. 41; Thommes in Gagel, SGB II/III§, SGB II, § 28 Rn. 36, Lenze in: Münder LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 28 Rn. 24, Adolph, SGB II/SGB XII und AsylbLG, 8/2015, § 28 SGB II Rn. 56, Oestreicher, SGB II/SGB XII, SGB II, § 28 Rn. 78; Sächsisches LSG, Urteil vom 14. Januar 2016 - L 3 BK 12/14 - Rn. 43, juris; erkennender Senat, Beschluss vom 21. Dezember 2015 – L 3 AS 211/15 B ER – (n.V.) im Anschluss an LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26. März 2014 – L 6 AS 31/14 B ER -, Rn. 31; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Juni 2015 - L 13 AS 107/15 B ER -, Rn. 12; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. Januar 2015 - L 2 AS 622/14 B ER -, Rn. 28; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – L 19 AS 2015/13 B ER -, Rn. 17; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Februar 2012 – L 7 AS 43/12 B ER -; SG Dortmund, Urteil vom 20. Dezember 2013 – S 19 AS 1036/12 -, Rn. 32; SG Itzehoe, Beschluss vom 22. August 2013 – S 10 AS 156/13 ER -, Rn. 23 und Beschluss vom 3. April 2012 – S 11 AS 50/12 ER, Rn. 27 f.; SG Braunschweig, Urteil vom 8. August 2013 – S 17 AS 4125/12 -, Rn. 35 f.; SG Magdeburg, Beschluss vom 1. November 2012 – S 5 AS 213/12 ER -, Rn. 37 f.; SG Oldenburg, Beschluss vom 11. April 2011 – S 49 AS 611/11 ER, Rn. 31, juris).

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Vorliegend bestimmen sich die wesentlichen Lernziele nach den Regelungen des Schleswig-Holsteinischen Schulgesetzes (SchulG) (hier in der Bekanntmachung vom 24. Juli 2007 (GVOBl. 2007, S. 39; berichtigt S. 276 S. 999), zuletzt geändert durch Art. 4 Gesetzes vom 14. Dezember 2016 (GVOBl. S. 999)), der Landesverordnung über Grundschulen (LVO GS) vom 22. Juni 2007 (NBl.MBF.Schl.-H. 2007, 145) sowie den für den vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein herausgegebenen Lehrplan Grundschule (http://lehrplan.lernnetz.de/index.php?wahl=4) einerseits sowie der Landesverordnung über Gemeinschaftsschulen (GemVO) vom 4. Juli 2011 ( http://www.schulrecht-sh.de/download/nachrichtenblatt/nbl_06_07_11.pdf). Die für das schulische Fortkommen eines Schülers in den Grundschulen des Landes Schleswig-Holstein maßgebenden Regelungen finden sich in § 41 SchulG und in § 5 LVO GS. Danach vermittelt die Grundschule Schülerinnen und Schülern in vier Jahrgangsstufen grundlegende Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse in einem gemeinsamen Bildungsgang, § 41 SchulG. Der Aufstieg am Ende der Jahrgangsstufen 1 bis 4 erfolgt ohne Versetzungsbeschluss; nur in begründeten Ausnahmefällen ist das Wiederholen einer Jahrgangsstufe in den Jahrgangsstufen 3 oder 4 auf Antrag der Eltern durch Entscheidung der Klassenkonferenz zulässig, § 4 LVO GS. Zum Ziel der Versetzung in die nächsthöhere Klasse tritt jedoch in der Grundschule und damit auch in der 3. Klasse als weiteres wesentliches Lernziel die Verschaffung von Kulturtechniken hinzu. Danach ist es Aufgabe der Grundschule alle Schülerinnen und Schüler in einem gemeinsamen Bildungsgang ausgehend von den individuellen Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen zu weiterführenden Bildungsgängen zu führen. So sollen die im Deutschunterricht erworbenen Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse, Einsichten und Verhaltensweisen die Schülerinnen und Schüler darauf vorbereiten, sich in der Welt zu orientieren und weiterzubilden und so zu Selbständigkeit und Verantwortungsbereitschaft, Flexibilität, Kreativität und Kooperationsbereitschaft beizutragen (Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein: Lehrplan Grundschule Deutsch (PS), S. 53 http://lehrplan.lernnetz.de/ intranet1/index.php?wahl=152). Im Zentrum steht mithin die Ausbildung der Kulturtechniken Lesen und Schreiben als Basis für weiterführendes Lernen und damit der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Allgemeine fachliche Ziele sind der Erwerb von Grundlagen für selbständiges Lesen und Schreiben (Schriftspracherwerb), die Entwicklung des Leseverständnisses, die Entwicklung der mündlichen Sprachfähigkeit, die Entwicklung der schriftlichen Sprachfähigkeit, die Entwicklung der Reflexionsfähigkeit über Sprache und der Erwerb von Lernstrategien und Arbeitstechniken. Gehört demnach auch die Verschaffung von Kulturtechniken zu einem wesentlichen Lernziel (in diesem Sinne auch Sächsisches LSG, Urteil vom 14. Januar 2016 – L 3 BK 12/14 –, Rn. 39 ff; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. Januar 2015 – L 2 AS 622/14 B ER -, Rn. 27 ff. juris), wird die Annahme des Beklagten, eine erforderliche Lernförderung sei regelmäßig auf kurze Zeiträume beschränkt, den Realitäten des Lernalltags nicht gerecht (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Juni 2013 - L 13 AS 107/15 B ER -, Rn. 12, juris). Da das Erlernen der vorgenannten Kulturtechniken notwendige Voraussetzung für die von der Schule zu leistenden pädagogischen Ziele, u.a. der Befähigung zur Teilhabe am Arbeitsleben (vgl. § 4 Abs. 4 SchulG) ist, ist die Förderung auch nicht auf den Primarbereich beschränkt. So sieht auch der Erlass des Ministeriums für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein „Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie) vom 27. Juni 2008 (NBl.MBF. Schl.-H. 2008, S. 226) bzw. der Legasthenie-Erlass des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft des Landes Schleswig-Holstein vom 3. Juni 2013 (NBl.MBF. Schl.-H. 2013, S. 179) Ausgleichs- und Fördermaßnahmen einschließlich Notenschutz nicht lediglich in der Primar-, sondern auch in der Sekundarstufe vor. Angesichts dessen gehört zur Überzeugung des Senats auch in der Sekundarstufe neben der Versetzung, die auch in den Gemeinschaftsschulen - eine solche besucht der Kläger - ohne Versetzungsbeschluss erfolgt (§ 4 Abs. 1 GemVO), die weitere Stärkung wesentlicher Kulturtechniken wie dem Schreiben und Lesen, wenn sie die Voraussetzungen für eine spätere nachhaltige Eingliederung des Schülers bzw. der Schülerin sind, zu einem wesentlichen und nach § 28 Abs. 5 SGB II förderungsfähigen Lernziel (so schon LSG Niedersachsen, Beschluss vom 28. Februar 2012 – L 7 AS 43/12 B ER -, Rn. 21, juris; Brose in „Die Lernförderung nach dem Bildungspaket: Eine kritische Zwischenbilanz“, NZS 2013, 51, 55). Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass für den sog. Notenschutz eine hinreichende Rechtsgrundlage fehlt (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. Juli 2015 - 6 C 33.14, 6 C 35.14 -; dagegen sind Verfassungsbeschwerden anhängig: Az. 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15 und 1 BvR 2579/15; vgl. auch BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 9. Juni 2016 – 1 BvR 2453/12 –, Rn. 21, juris)).

34

Vor diesem Hintergrund kann die beantragte Lernförderung bei der im vorliegenden Einzelfall gegebenen Erforderlichkeit der in der VHS angebotenen Legasthenie-Förderung nicht allein unter Verweis auf die fehlende Versetzungsnotwendigkeit abgelehnt werden. Insoweit verkennt der Beklagte bereits die Voraussetzungen für die förmliche Anerkennung der Lese-Rechtsschreib-Schwäche im Sinne des Legasthenie-Erlasses. Voraussetzung für die förmliche Anerkennung nach Ziffer 2.2.3.2 Abs. 2 des Legasthenie-Erlass sind unterdurchschnittliche Leistungen im Lesen oder Rechtschreiben, die durch mangelhafte Rechtschreibleistungen im schulischen Kontext und unterdurchschnittliche Leistungen im standardisierten Rechtschreibtest zu belegen sind. Nur dann ist das Aussetzen des allgemeinen Bewertungsmaßstabs (Notenschutz) möglich. Das Ergebnis im Intelligenztest muss demgegenüber im Vergleich zur Altersgruppe durchschnittlich sein. Da es sich gerade um ein „partielles Versagen“ handelt, sollen die weiteren Leistungen in Deutsch und Mathematik unter Zugrundelegung der gesamten schulischen Leistungsentwicklung in der Regel befriedigend sein (vgl. FAQs zum Erlass „Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie)“ vom 27. Juni 2008, http://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/S/schulrecht/Downloads/ Rechtsquellen/legasthenie_faqs.pdf?__blob=publicationFile). Die nach dem Legasthenie-Erlass möglichen Ausgleichsmaßnahmen können u.a. für naturwissenschaftliche Fächer verlängerte Arbeitszeiten bei Klassenarbeiten, Vorlesen von Arbeitsanweisungen o.ä. beinhalten, ohne das entsprechende Ausgleichsmaßnahmen im Zeugnis zu vermerken sind (§ 6 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 der Landesverordnung über die Erteilung von Zeugnissen, Noten und anderen ergänzenden Angaben in Zeugnissen (Zeugnisverordnung - ZVO) vom 29. April 2008, NBl. MBF. Schl.-H. 2008, 146). Im Hinblick darauf setzt die Anerkennung nach dem Legasthenie-Erlass gerade in Abgrenzung zu einer weitergehenden Lernbehinderung im Sinne des § 35 a SGB VIII voraus, dass ausschließlich die Lese- und Rechtschreibleistung mangelhaft ist und im Übrigen eher befriedigende Leistungen erbracht werden, mithin in der Regel eine Versetzungsgefährdung gerade nicht besteht. Daher kann auch dem Kläger, bei dem eine Lese-Rechtschreib-Schwäche förmlich festgestellt wurde (Bescheid vom 16. Januar 2013), nicht vorgehalten werden, dass er unter Berücksichtigung der fachlichen Bewertung der einzelnen Fächer sowie Mitteilung der Förderschullehrerin der Gemeinschaftsschule, Frau T., vom 2. November 2016 mindestens ausreichende Leistungen auf Realschulniveau erreicht. Denn der Kläger war nach Auskunft der Förderpädagogin der Grundschule, Frau B., durch die Lese-Rechtschreib-Schwäche bei der Erfassung von Texten durch die bei ihm vorliegende unterdurchschnittliche Lesegeschwindigkeit und Leseflüssigkeit (Anzahl der in einer Minute gelesenen Worte) sowie Dekodierungsgenauigkeit (Anzahl der fehlerfrei gelesenen Wörter im Verhältnis der Anzahl der gelesenen Wörter pro Zeitabschnitt) erheblich eingeschränkt, sinnerfassendes Lesen von Texten machte ihm mithin insgesamt Schwierigkeiten. Insofern ist auch nachvollziehbar, dass sich diese Einschränkungen auf alle Fächer, in den das Lesen und Verstehen von Texten vorausgesetzt wird, auswirken. Bestätigt wird das durch die Ausführungen der Lernpädagogin Frau J., die den außerschulischen Förderunterricht in der VHS durchgeführt hat. Nach Aussage der Förderschullehrerin T. wurden die Rechtschreibleistungen des Klägers in der Klasse 5 und 6 nicht bewertet; seit der 5. Klasse erhält der Kläger insoweit Notenschutz, da seine Rechtschreibleistungen nicht mindestens ein ausreichendes Niveau erreichten. Die Teilleistungsschwäche wirkt sich bei dem Kläger auch im Englischunterricht aus, so dass auch im Fach Englisch eine Bewertung der Rechtschreibfehler entfällt. Nach der persönlichen Einschätzung der Förderschullehrerin T. konnte der Kläger durch die außerschulische Förderung zumindest seine Rechtschreibleistungen verbessern und damit seine Fehlerquote insgesamt verringern, so dass der in der VHS durchgeführten Lernförderung insgesamt die Eignung nicht abzusprechen war.

35

Zusammenfassend steht zur Überzeugung des Senats unter Zugrundelegung der eingeholten Stellungnahmen der Lehrkörper fest, dass die von dem Kläger bis Oktober 2015 an der VHS durchgeführte außerschulische Legasthenie-Förderung geeignet und erforderlich war, die schulischen Defizite des Klägers beim Erlernen der Kulturtechniken Lesen und Schreiben zu vermindern. Dies hat auch die gesetzliche Vertreterin des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2016 unter Vorlage von Schulheften des Klägers nachvollziehbar dargelegt. Unterstrichen wird dies im Übrigen durch das Ergebnis der von Dr. Ba. im September 2011 durchgeführten Psychodiagnostik, wonach die deutlich unterdurchschnittlichen Leistungen in den Bereichen Lesen und Schreiben mit lerntherapeutischer Förderung zu einem begabungsgerechten Lese-Rechtschreibvermögen beitragen können. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die zu treffende Prognose in hohem Maße situationsgebunden und diese Momentaufnahme der Einschätzung des Leistungspotentials auch nicht wiederholbar ist (Leopold in juris-PK-SGB II, § 28, Rn. 148). Unter Zugrundelegung der erreichbaren Auskünfte war der gewünschte Lernerfolg des Klägers - Verbesserung der Lese-Rechtschreibtechnik - bei Antragstellung prognostisch zumindest erreichbar, auch wenn der Erfolg ungewiss war (zu den Anforderungen an die Prognose vgl. Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 28 Rn. 82; Loose in Hohm, SGB II, § 28 Rn. 100; Sächsisches LSG, Urteil vom 14. Januar 2016 - L 3 BK 12/14 -, Rn. 48, juris). Dabei hat der Senat in seine Überlegungen auch einbezogen, dass ein aufgrund der Lernbehinderung gewährter Nachteilsausgleich, etwa durch Ausweitung der Bearbeitungszeit einer zu zensierenden schriftlichen Lernkontrolle oder der Nichtbewertung der Rechtschreibkenntnisse, die Erforderlichkeit der Lernförderung nicht entfallen lässt (SG Braunschweig, Urteil vom 8. August 2013 - S 17 AS 4125/12 -, Rn. 51, juris).

36

Bei seiner Entscheidung verkennt der Senat auch nicht, dass hinsichtlich der Dauer der Lernförderung dem Grunde nach eine Grenze zu setzen ist, damit die Lernförderung nicht langfristig Aufgaben der Schule übernimmt und den Bildungsauftrag der Länder untergräbt. Der Grundsicherungsträger hat hingegen die Kosten der Lernförderung für Schüler zu übernehmen, wenn und soweit der Schulträger keine Leistungen erbringt und die Hilfestellung nicht den Kernbereich der pädagogischen Tätigkeit betrifft. Der Kernbereich der pädagogischen Arbeit ist nicht betroffen, wenn die außerschulische Lernförderung die eigentliche pädagogische Arbeit der Schule nur absichert bzw. unterstützt (zur Schulbegleitung: BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 - B 8 SO 8/15 R -, Rn. 25, juris). Zu einer intensiven, individuellen Förderung der Lese-Rechtsschreibschwäche sind die Schulen hingegen auch auf der Grundlage des geltenden Legasthenie-Erlasses nicht verpflichtet; eine Förderung findet lediglich entsprechend dem Förderkonzept der jeweiligen Schule im Rahmen der in der Kontingentstundentafel dafür vorgesehenen Stunden statt (vgl. Jahrgangsstufe 3 und 4: 2.2.2.1 und 2.2.3.1) und ab der Jahrgangsstufe 5 im Rahmen des Förderkonzepts der Schule vorrangig im Unterricht (2.2.4.2.). Ein Rechtsanspruch auf eine individuelle Legasthenie-Förderung gegenüber der Schule besteht nicht, die Förderung hängt vielmehr von den organisatorischen, personellen und finanziellen Gegebenheiten ab (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 05. Januar 2017 – 9 B 45/16 –, Rn. 15, juris). Fehlen entsprechende Angebote bzw. sind die von den Schulen neben Notenschutz und Ausgleichsmaßnahmen angebotenen Förderleistungen nicht ausreichend, wie vorliegend der Deutschförderkurs in der Grundschule, gebietet es der Grundsatz der Chancengleichheit außerschulische Lernförderung flankierend zu fördern.

37

Dem Grundsicherungsträger bleibt es jedoch unbenommen, hinsichtlich der Erforderlichkeit einer außerschulischen Lernförderung eine regelmäßige Prognose beispielsweise bezogen auf das jeweilige Schuljahr zu treffen, um den aktuellen Lern- und Entwicklungsstand des Schülers hinreichend zu berücksichtigen und Leistungen nach § 28 Abs. 5 SGB II für kürzere Zeiträume bzw. begrenzt auf ein Schuljahr zu bewilligen (Sächsisches LSG, Beschluss vom 11. Juli 2016 – L 3 AS 1810/13 B ER -, Rn. 65, juris).

38

Zusammenfassend stellt die Lese-Rechtsschreib-Förderung der VHS eine das vorliegend nicht existente schulische Angebot ergänzende Lernförderung im Sinne des § 28 Abs. 5 SGB II dar; an der fachlichen Eignung des Angebots bestehen keine Bedenken. Eine Lernförderung ist nach der Gesetzesbegründung zudem angemessen, wenn sie im Rahmen der örtlichen Angebotsstruktur auf kostengünstige Anbieterstrukturen zurückgreift. Die Angemessenheit der Höhe der Vergütung richtet sich ferner nach der konkret benötigten Lernförderung und den ortsüblichen Sätzen (vgl. BT-Drs. 17/3404 S. 105). In diesem Sinne waren die monatlichen Aufwendungen von zunächst 56 EUR monatlich, sowie ab Juli 2013 in Höhe von 84 EUR monatlich und nach Wegfall des Geschwisterrabatts ab Oktober 2013 in Höhe von 89 EUR monatlich angemessen. Denn diesen Beträgen standen jeweils 90 Minuten Förderunterricht wöchentlich in der Kleingruppe gegenüber.

39

Unschädlich für den Anspruch des Klägers ist auch, dass er sich die Leistung bereits aus eigenen Mitteln selbst beschafft hat und sein Bedarf somit schon gedeckt worden ist. Die Selbstbeschaffung sollte die fehlende Unterstützung des Beklagten lediglich ersetzen und kann dem Kläger aufgrund der Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung nicht entgegen gehalten werden. Die Erstattung von Kosten bei Selbstbeschaffung im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht (BSG, Urteil vom 23. Mai 2013 – B 4 AS 79/12 R -, Rn. 25; Urteil vom 22. November 2011 – B 4 AS 204/10 R - Rn. 25; BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 - B 14 AS 58/09 R -, Rn. 21, juris; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 29 Rn 19).

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

41

Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Im Rahmen der Lernförderung ist höchstrichterlich nicht geklärt, welche Bewilligungszeiträume für Ansprüche auf Lernförderung gem. § 28 Abs. 5 SGB II gelten und ob Teilleistungsstörungen, die keine Versetzungsgefahr bedingen, von der Förderung ausgeschlossen sind.


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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

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(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

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(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Bürgergeld. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Bürgergeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach

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(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind. (2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrb

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(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung we

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(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen. (2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antrag

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(1) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. (2) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Leistungsber

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Tatbestand 1 Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für einen mehrtägigen Aufenthalt in einem Schullandheim sowie für den eintägigen Besuch eines Musicals.

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(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen.

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Wird ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen einzelnen Monat gestellt, in dem aus Jahresabrechnungen von Heizenergiekosten oder aus der angemessenen Bevorratung mit Heizmitteln resultierende Aufwendungen für die Heizung fällig sind, wirkt dieser Antrag, wenn er bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt wird, auf den Ersten des Fälligkeitsmonats zurück. Satz 3 gilt nur für Anträge, die bis zum 31. Dezember 2023 gestellt werden.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen.

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Wird ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen einzelnen Monat gestellt, in dem aus Jahresabrechnungen von Heizenergiekosten oder aus der angemessenen Bevorratung mit Heizmitteln resultierende Aufwendungen für die Heizung fällig sind, wirkt dieser Antrag, wenn er bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt wird, auf den Ersten des Fälligkeitsmonats zurück. Satz 3 gilt nur für Anträge, die bis zum 31. Dezember 2023 gestellt werden.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. November 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 3.10.2007.

2

Die 1951 und 1952 geborenen Kläger sind verheiratet und leben zusammen mit ihrem volljährigen Sohn in einem insgesamt 126 qm großen Eigenheim. Die Kläger haben angegeben, sich gegenüber der Bausparkasse verpflichtet zu haben, freiwerdende Beträge aus einer von ihnen gehaltenen Lebensversicherung bei der B (im Weiteren LV 1) zur Tilgung der auf diesem Haus ruhenden Restschuld zu verwenden. Die LV 1 hatte am 1.12.2003 einen Rückkaufswert, einschließlich Überschussanteilen, von 36 835,44 Euro, am 1.12.2005 von 41 523,87 Euro und am 1.1.2007 von 44 194,32 Euro. Bis 1.2.2005 hatten die Kläger 18 460,55 Euro an Beiträgen für diese Versicherung aufgewandt. Ferner hatten die Kläger eine zweite Lebensversicherung bei dem D (im Weiteren LV 2) abgeschlossen, deren Rückkaufswert am 31.12.2004 1133,50 Euro betrug. Dem standen bis Juni 2006 eingezahlte Beiträge in Höhe von 2811,71 Euro gegenüber.

3

Der Kläger bezog zunächst Alhi und die Klägerin war selbstständig erwerbstätig. Im Dezember 2004 stellte der Kläger einen Antrag auf Alg II für die Klägerin und sich. Dies lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 18.2.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.6.2005 mit der Begründung ab, die Kläger seien nicht hilfebedürftig, denn sie verfügten über verwertbares Vermögen, das die Freibetragsgrenzen überschreite. Am 4.10.2007 stellten die Kläger erneut einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, den der Beklagte durch Bescheid vom 26.3.2008 ebenfalls abschlägig beschied. Diesbezüglich ist ein weiteres Klageverfahren bei dem SG Dortmund anhängig. Bis zum 3.10.2007 erhielten die Kläger ein Darlehen von ihrem Freund A. in Höhe von 7500 Euro und Geldzahlungen von ihrem Sohn in Höhe von rund 3000 Euro, die sie nach ihrem eigenen Vortrag durch Abtretungen der LV1 gesichert haben. Ferner bedienten sie sich aus einem Überziehungskredit bei ihrer Hausbank. Zur Sicherung der Forderungen der Bausparkasse wegen der Finanzierung des Hauses haben sie die LV 1 in Höhe eines Betrags von höchstens 11 992,81 Euro abgetreten.

4

Mit ihrer Klage gegen die Ablehnung der Leistungsgewährung sind die Kläger vor dem SG Dortmund erfolglos gewesen (Urteil vom 12.4.2010). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 24.11.2011). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte zutreffend davon ausgegangen sei, die Kläger seien im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig gewesen. Sie verfügten über verwertbares Vermögen in der Gestalt der LV 1. Dieses übersteige die Vermögensfreibeträge des § 12 SGB II, selbst wenn man die Verpflichtung der Kläger gegenüber der Bausparkasse im Hinblick auf die Finanzierung der Restschuld für das Haus in Abzug bringe. Es handele sich bei der LV 1 nicht um gefördertes Altersvorsorgevermögen und ein Verwertungsausschluss nach § 165 Abs 3 VVG sei nicht vereinbart worden. Soweit für den Bezug der Alhi eine Erklärung gegenüber der BA, die Lebensversicherung werde nur zur Altersvorsorge verwendet, genügt habe, um sie von der Berücksichtigung bei der Prüfung der Bedürftigkeit auszunehmen, genüge dies nach der Einfügung des § 165 Abs 3 VVG den Anforderungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht mehr. Die Rechtsprechung des BSG zur AlhiV 2002 beruhe darauf, dass es dort an einer Härteklausel gemangelt habe, die sich im SGB II nunmehr in § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB II finde. Die LV 1 sei zwar unzweifelhaft von den Klägern zur Alterssicherung gedacht gewesen. Deren Verwertung stelle jedoch gleichwohl keine besondere Härte iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB II dar, denn die Kläger hätten mit 811,56 (Kläger zu 1) und 298,77 Euro (Klägerin zu 2) eine Altersrente deutlich über dem Grundsicherungsniveau zu erwarten. Zudem verfügten sie über ein belastungsfreies Eigenheim und könnten Mieteinnahmen aus der Vermietung der Erdgeschosswohnung erwarten. Die Verwertung der LV 1 sei anders als die der LV 2 auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Bei der LV 1 sei die Verwertung ohne Verlust möglich. Die Darlehen und der Überziehungskredit seien auch nicht von dem Rückkaufswert der LV 1 in Abzug zu bringen, denn hierbei handele es sich um Schulden, die nicht unmittelbar auf der LV 1 lasteten. Eine wiederholte Berücksichtigung des Vermögensgegenstandes, solange er nicht verwertet sei, sei rechtlich nicht zu beanstanden.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügen die Kläger eine Verletzung von § 7 Abs 1 iVm § 9 Abs 1 und § 12 SGB II sowie § 165 Abs 3 VVG. Es sei den Klägern nicht zuzumuten die LV 1 zu verwerten, denn es handele sich insoweit um ihre Alterssicherung. Eine Verwertung stelle eine besondere Härte dar. Sie unterfalle nur deswegen der Verwertung, weil sie kurz vor dem Erreichen der Grenze von 60 Jahren zur Auszahlung gelange. Wäre der Lebensversicherungsvertrag nur wenige Monate später abgeschlossen worden, wäre er ohne Weiteres als Altersvorsorge anerkannt worden. Die Problematik der "Nichtverlängerbarkeit" von "Altversicherungsverträgen" sei bei der Schaffung des § 165 Abs 3 VVG offensichtlich unberücksichtigt geblieben, sodass eine Regelungslücke gegeben und eine analoge Anwendung der Vorschrift gerechtfertigt sei. So müsse sich der Kläger privatrechtlich verpflichten können, den Betrag aus der LV 1 nicht vor Vollendung des 60. bzw 65. Lebensjahres zu verwerten und diese rechtsverbindliche Regelung gegenüber dem Beklagten nachzuweisen. Mit der LV 1 habe der Lebensstandard gesichert werden sollen, sodass ein Zurückfallen auf die während des Erwerbslebens erworbenen Renteneinkünfte und der zu erwartende weitere Bezug von steuerfinanzierten Transferleistungen eine unzumutbare Härte darstelle. Die Erzielung von zukünftigen Mieteinnahmen sei spekulativ und als Argument gegen eine besondere Härte nicht geeignet.

6

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. November 2011 und des Sozialgerichts Dortmund vom 12. April 2010 sowie den Bescheid vom 18. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern ab dem 1. Januar 2005 bis zum 3. Oktober 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend und führt ergänzend aus, dass eine nachträgliche Versicherung der Kläger, die LV 1 nur zur Alterssicherung zu verwenden, nicht ausreiche, um für den streitigen Zeitraum einen Verwertungsschutz zu gewähren. Den Klägern habe das Vermögen der LV 1 tatsächlich zur Abtretung und Beleihung zur Verfügung gestanden. Allein die Tatsache, dass Vermögen zur Alterssicherung eingesetzt werden solle, reiche nicht aus, um eine besondere Härte iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB II annehmen zu können. Insoweit komme es nur auf Umstände an, die nicht schon als Freistellungstatbestände ausdrücklich im Gesetz geregelt seien.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet.

10

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 3.10.2007. Sie waren im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II iVm § 9 Abs 1 SGB II. Sie verfügten über verwertbares Vermögen in Gestalt der LV 1.

11

(1.) Streitgegenstand sind der Bescheid vom 18.2.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.6.2005, mit denen der Beklagte die Gewährung von Alg II ab dem 1.1.2005 abgelehnt hat. Der streitige Zeitraum ist hier bis zum 3.10.2007 begrenzt. Grundsätzlich gilt zwar bei einer Entscheidung, mit der die Verwaltung Leistungen für die Zukunft vollständig abgelehnt hat, dass sich der streitige Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erstreckt (s nur SozR 4-4200 § 12 Nr 4 RdNr 14). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Verwaltung zwischenzeitlich eine weitere Entscheidung trifft. Das ist hier der Fall. Die Kläger haben am 4.10.2007 einen erneuten Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gestellt, den der Beklagte durch Bescheid vom 26.3.2008 ebenfalls abschlägig beschieden hat. Der neue Bescheid wird nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in Grundsicherungsangelegenheiten nicht nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens(stRspr seit BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 30). Die Bedeutung des neuen Bescheides für das anhängige Verfahren erschöpft sich darin, dass sich der Ausgangsbescheid für die von dem Folgebescheid und dem Zeitraum, der von dem ihm zugrunde liegenden Antrag erfasst wird - hier ab dem 4.10.2007 - erledigt hat (vgl BSG vom 25.6.2008 - B 11b AS 45/06 R RdNr 27; s auch: BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R, SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 8).

12

(2.) Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)erfüllten die Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 Nr 1, 2 und 4 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954). Sie waren jedoch - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II iVm § 9 Abs 1 SGB II(ebenfalls idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Nach § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Kläger konnten hier ihren Lebensunterhalt durch Vermögen aus der LV 1 sichern.

13

(3.) Sie verfügten über verwertbares Vermögen, das nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)zum 1.12.2003 einen Verkehrswert iS von § 12 Abs 4 S 1 SGB II iVm § 5 Alg II-V(in der hier bis zum Ablauf des streitigen Zeitraums unverändert anzuwendenden Fassung vom 20.10.2004, BGBl I 2622) von 36 835,44 Euro, am 1.12.2005 von 41 523,87 Euro und am 1.1.2007 von 44 194,32 Euro hatte. Im Gegensatz zur Auffassung der Kläger ist zur Bestimmung dessen, was als Verkehrswert der Lebensversicherung anzusehen ist, auch nicht nur deren reiner Rückkaufswert zu berücksichtigen. Der Verkehrswert von Vermögen ergibt sich vielmehr daraus, was am Markt für den Gegenstand erzielt werden kann (Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 04/2012, § 12 SGB II, RdNr 112). Das ist hier der Rückkaufswert der Versicherung zuzüglich der Überschussbeteiligung. Hierbei handelt es sich um denjenigen Wert, der dem Versicherungsnehmer tatsächlich als Geldbetrag bei der Verwertung der Versicherung "zufließt", der also für den Vermögensgegenstand "Versicherung" erlangt werden kann. Insoweit schließt sich der erkennende Senat der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG an (BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 43; vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 66/06 R, BSGE 99, 77 = SozR 4-4200 § 12 Nr 5, RdNr 20, 22). Hiervon in Abzug zu bringen sind lediglich die mit der Verwertung in Zusammenhang stehenden Kosten (vgl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand IX/2008, § 12 RdNr 296; s auch BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 43). Dass derartige Kosten im vorliegenden Fall angefallen wären, ist vom LSG nicht festgestellt und auch nicht erkennbar.

14

(4.) Der so bestimmte Verkehrswert der Lebensversicherung der Kläger überschritt die Freibetragsgrenzen nach § 12 Abs 2 Nr 1 und 4 SGB II in den unterschiedlichen im streitigen Zeitraum geltenden Fassungen um fast das Doppelte und war damit oberhalb dieser Grenzen grundsätzlich zumutbar verwertbares Vermögen zur Sicherung seines Lebensunterhalts(vgl hierzu BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 66/06 R, BSGE 99, 77 = SozR 4-4200 § 12 Nr 5, RdNr 18 zur Berücksichtigung nur des die Angemessenheitsgrenze überschreitenden Wertes eines Pkw als zumutbar verwertbares Vermögen).

15

Die Vermögensfreibeträge der Kläger waren nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Drittes Buches Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 19.11.2004 (BGBl I 2902) mit Wirkung vom 1.1.2005 mit je 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners zu ermitteln und betrugen mindestens jeweils 4100 Euro, maximal für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 13 000 Euro. Für die 1952 geborene Klägerin betrug der Vermögensfreibetrag damit am 1.1.2005 10 400 Euro und für den 1951 geborenen Kläger 10 600 Euro, zusammen 21 000 Euro. Hinzu kommt ein Freibetrag nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II(ebenfalls idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.11.2004, BGBl I 2902, mit Wirkung vom 1.1.2005), der während des gesamten streitigen Zeitraumes mit 750 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen unverändert geblieben ist. Hieraus ergibt sich vom 1.1.2005 bis zur Rechtsänderung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (Fortentwicklungsgesetz, BGBl I 1706) am 1.8.2006 ein Gesamtvermögensfreibetrag von 22 500 Euro. Durch das Fortentwicklungsgesetz ist der Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB II auf 150 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, maximal 9750 Euro pro Person(§ 12 Abs 2 S 2 SGB II) gesenkt worden. Damit ergibt sich für den Zeitraum vom 1.8.2006 bis 3.10.2007 ein Vermögensgrundfreibetrag von 7950 Euro für den Kläger und 7800 Euro für die Klägerin, zuzüglich des Ansparbetrags von je 750 Euro, insgesamt 17 250 Euro.

16

(5.) Die Lebensversicherung des Klägers ist auch nicht mit dem diese Freibeträge überschießenden Anteil (vgl zur Kumulation der Freistellungen nach § 12 Abs 2 und Abs 3 SGB II: BSG Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 66/06 R, BSGE 99, 77 = SozR 4-4200 § 12 Nr 5; s auch Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 12 RdNr 36) in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens oder diesem gleichzustellenden Vermögen vor der Verwertung geschützt iS des § 12 Abs 2 Nr 2 SGB II.

17

Nach § 12 Abs 2 Nr 2 SGB II sind vom Vermögen abzusetzen Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwertet. Altersvorsorgevermögen in diesem Sinne ist in jedem Fall solches, das nach § 10a oder dem XI. Abschnitt des EStG gefördert wird. Erforderlich ist insoweit nach der Rechtsprechung des BSG (BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 20) zumindest, dass der Sicherung ein nach § 5 AVmG(vom 26.6.2001, BGBl I 1310, 1322) durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zertifizierter Altersvorsorgevertrag zugrunde liegt. Das ist hier nicht der Fall.

18

Wie das BSG bereits ausgeführt hat, erfolgt im Gegensatz zur üblichen Kapitallebensversicherung die staatliche Förderung der Sicherungsformen des § 12 Abs 2 Nr 2 SGB II nur dann, wenn sie grundsätzlich zertifiziert sind und ihre Zweckbestimmung zur Altersvorsorge öffentlich überwacht wird(BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 20). Dadurch wird sichergestellt, dass die Versicherung auch tatsächlich der Altersvorsorge dient und nicht, wie bei "einfachen" Kapitallebensversicherungen möglich, das "angesparte" Kapital jederzeit zur Deckung eines auftretenden Bedarfs herangezogen werden kann. Demselben Ziel dient auch das in § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II geregelte Verbot der vorzeitigen Verwertung.

19

(6.) Auf einen Verwertungsschutz in Höhe der in § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.11.2004, BGBl I 2902) festgelegten Beträge können sich die Kläger jedoch auch nicht berufen. Danach sind vom Vermögen abzusetzen geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jeweils 13 000 Euro bzw seit dem 1.8.2006 je vollendetem Lebensjahr 250 Euro, höchstens jeweils 16 250 Euro nicht übersteigt (Änderung zum 1.8.2006 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706). Die Kläger haben nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)keinen entsprechenden Verwertungsausschluss iS des § 165 Abs 3 VVG(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954 bzw idF des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006, BGBl I 2742 mit Wirkung vom 12.12.2006) vertraglich vereinbart.

20

Die Kläger haben auch keinen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als ob sie bei der Beantragung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einen Verwertungsausschluss vereinbart gehabt hätten. Eine nachträgliche Herstellung des Verwertungsausschlusses für abgelaufene Zeiträume ist nicht möglich (s SozR 4-1200 § 14 Nr 10, RdNr 12). Ohne den vereinbarten Verwertungsausschluss konnten sie während des streitgegenständlichen Zeitraumes frei über das Kapital der Versicherung verfügen. Auch der Einwand, sie hätten keinen Verwertungsausschluss vereinbaren können, weil der Versicherer dies abgelehnt und sie bereits die maximale Laufzeit für die Versicherung vereinbart hätten, vermag hieran nichts zu ändern.

21

Ebenso wenig können die Kläger den Zustand eines nach § 165 Abs 3 VVG vereinbarten Verwertungsausschlusses durch eine rückwirkende schriftliche Erklärung gegenüber dem Beklagten, das Kapital aus der Lebensversicherung vor dem Eintritt ins Rentenalter nicht verwerten zu wollen, bewirken. Ein Rückgriff auf die durch Richterrecht geschaffene Rechtslage zum Recht der Arbeitslosenhilfe scheidet seit dem Inkrafttreten des SGB II aus.

22

Der 7. Senat des BSG hat im Hinblick auf die Änderungen der AlhiV 2002 gegenüber der vorherigen Fassung der AlhiV 1974 (vom 7.8.1974, BGBl I 1929, bzw vom 18.6.1999, BGBl I 1433), insbesondere wegen des Verzichts auf eine allgemeine Zumutbarkeitsprüfung in der AlhiV 2002 im Sinne einer allgemeinen Härteklausel, festgestellt, dass der Verordnungsgeber durch dieses Regelungskonzept die vom BSG in seiner Entscheidung vom 27.5.2003 (BSGE 91, 94 = SozR 4-4220 § 6 Nr 1) aufgezeigten Grenzen seines Handlungsspielraums im Rahmen des § 193 Abs 2 SGB III unterschritten habe. Die Verordnung lasse insgesamt keine Prüfung der Umstände des Einzelfalls in besonderen Ausnahmefällen mehr zu (Billigkeits- oder Härtefallprüfung). Mit Blick auf die Regelungen des SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954), durch das beim Schonvermögen für erwerbsfähige Hilfebedürftige mit § 12 Abs 2 Nr 1 und Nr 3 iVm § 12 Abs 3 Nr 6 SGB II günstigere Regelungen gegenüber der AlhiV geschaffen worden seien, hat er es für zwingend befunden, auch im Rahmen der AlhiV die Anrechenbarkeit von Vermögen bei der Gewährung von Alhi unter Härtegesichtspunkten zu prüfen(BSGE 94, 121 = SozR 4-4300 § 193 Nr 3, RdNr 13). Auf dieser Grundlage basiert das Handeln der BA, die offensichtlich für Altfälle, also für solche der Bewilligung von Alhi nach dem 1.1.2005 für die Zeit vor dem 1.1.2005, an Stelle des mit dem Versicherer erst ab dem 1.1.2005 zu vereinbarenden Verwertungsausschlusses nach § 165 Abs 3 VVG, eine entsprechende Erklärung sich gegenüber hat ausreichen lassen, um das an sich verwertbare Vermögen zu verschonen. Ein rechtliches Bedürfnis dies auch auf die Rechtslage nach dem SGB II zu übertragen besteht nicht. Eine planwidrige Lücke, wie sie die Kläger annehmen, weil in bestimmten "Altfällen" die Vereinbarung eines Verwertungsausschluss nicht mehr vertraglich vereinbart werden könne, vermag der Senat nicht zu erkennen.

23

Der 7. Senat des BSG hat, wie oben bereits dargelegt, eine Verknüpfung zwischen der Regelung des Verwertungsausschlusses nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II und der Härtefallregelung des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II hergestellt. Diese Verknüpfung, die ihre Bestätigung im Gesetzestext, in der Gesetzesbegründung und systematischen Erwägungen findet, zeigt, dass die möglicherweise vorhandene Lücke im "Verwertungsschutz", weil die Voraussetzungen des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II nicht erfüllt sind, über die besondere Härte nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II geschlossen werden kann. Im Gesetzestext kommt zwar ein Stufenverhältnis zwischen § 12 Abs 2 SGB II und § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB II zum Ausdruck. Nach § 12 Abs 2 SGB II wird das Vermögen nur in Höhe von dort festgelegten Absetzbeträgen geschützt, während § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II das Vermögen bei Vorliegen eines besonderen Härtefalls vollständig von der Berücksichtigung bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausnimmt. Der Wortlaut des § 12 SGB II verbietet es jedoch nicht, einen Verwertungsschutz nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II auch dann anzunehmen, wenn die Schutzmechanismen durch Absetzungen nach § 12 Abs 2 SGB II nicht greifen. Dies folgt auch aus der Begründung des Gesetzes. Sowohl die Regelung des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II, als auch die des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II haben beide erst auf Empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit Eingang in den Gesetzentwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt gefunden. Sie folgen beide letztlich der gleichen Idee und ergänzen einander, wie die Begründung des Ausschusses zeigt. Zu § 12 Abs 2 Nr 5 SGB II wird in der Empfehlung ausgeführt, die Ergänzung solle vermeiden helfen, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige Vermögen, das sie für ihre Altersvorsorge bestimmt hätten, vorher zur Bestreitung ihres Lebensbedarfs einsetzen müssten(BT-Drucks 15/1749, S 31). Dass gerade der Verbrauch von der Altersvorsorge dienendem Vermögen vor dem Eintritt in den Ruhestand zugleich als ein Härtefall angesehen worden ist und eben dann, wenn die anderen "Schutzmechanismen" für dieses Vermögen nicht mehr greifen, es über den "besonderen Härtefall" trotzdem noch vor der Verwertung geschützt werden können soll, zeigen die Ausführungen zu § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II. Dort heißt es, ein derartiger Härtefall könne zB vorliegen, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsse, obwohl seine Rentenversicherung Lücken wegen selbständiger Tätigkeit aufweise (BT-Drucks 15/1749, S 32). Systematisch schließt damit § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II also auch eine Lücke im Vermögensschutz, wenn ein Verwertungsausschluss nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II aus welchem Grund auch immer nicht vereinbart worden ist. Einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Vorschrift über den vertraglich vereinbarten Verwertungsausschluss nach § 165 Abs 3 VVG, der in Ergänzung zu § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II auf die Empfehlung des Vermittlungsausschusses als Art 35c in das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt aufgenommen worden ist(s BT-Drucks 15/2259 vom 16.12.2003), bedarf es daher, anders als bei der AlhiV 2002, nicht.

24

(7.) Auch eine Verschonung der Lebensversicherung aus Gründen des § 12 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB II kommt nicht in Betracht. Nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB II sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder sein Partner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist. Die Kläger unterfallen nicht dem Personenkreis derjenigen, die eine Privilegierung ihres Vermögens nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB II in Anspruch nehmen können. Sie sind nicht nach §§ 6, 231(231a) SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit gewesen (vgl zum Verhältnis zur Versicherungsfreiheit von Selbstständigen ausführlich: BSGE 100, 196 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8, RdNr 22 ff).

25

(8.) Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II sind ebenfalls nicht erfüllt. Danach sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen oder Rechte, soweit ihre Verwertung für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Bei dem Begriff der besonderen Härte handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R, RdNr 45; vom 8.2.2007 - B 7a AL 34/06 R, SozR 4-5765 § 9 Nr 1 RdNr 13 mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 4; vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 45) richtet es sich nach den Umständen des Einzelfalls, ob von einer besonderen Härte iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II auszugehen ist. Maßgebend sind dabei nur außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen (§ 12 Abs 3 S 1 SGB II) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs 2 SGB II erfasst werden(BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 45). § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II setzt daher voraus, dass die Umstände dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte(BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 45; vom selben Tag - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 32).

26

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das LSG im vorliegenden Fall zu Recht das Vorliegen einer besonderen Härte ausgeschlossen. Eine Privilegierung der Lebensversicherung kommt nur dann in Betracht, wenn der Hilfebedürftige das Vermögen nach Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung des Lebensunterhalts für sich verwenden will und eine der Bestimmung entsprechende Vermögensdisposition getroffen hat (BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33). Das LSG hat insoweit zwar für den erkennenden Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass die Lebensversicherung als Vorsorge für das Alter bestimmt war. Allerdings weist das Berufungsgericht zu Recht darauf hin, dass die vorzeitige Verwertung der Lebensversicherung allein keine besondere Härte darstellt. Dies gilt angesichts des oben dargelegten Verhältnisses von § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II und § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II auch für die Begründung der Kläger, sie hätten allein wegen eines "Altvertrages" keinen Verwertungsausschluss vereinbaren können und nur weil es an dem vertraglich vereinbarten Verwertungsausschluss mangele, müssten sie nun die LV 1 zur Lebensunterhaltssicherung einsetzen, anstatt sie erst bei Eintritt in den Ruhestand zu dessen Finanzierung nutzen zu können. Wenn der fehlende Verwertungsausschluss dazu führt, dass kein Schutz des Altersvorsorgevermögens in Höhe der Absetzungen nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II erfolgt, kann das Vermögen gleichwohl vor der Verwertung geschützt sein, wenn eine besondere Härte vorliegt. Der mangelnde Verwertungsausschluss an sich ist jedoch keine besondere Härte; die Annahme einer besonderen Härte erfordert immer auch besondere Umstände, die hinzutreten müssen. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.

27

Besondere Umstände, wie oben dargelegt, hat das LSG nicht feststellt. So war der Kläger zum Zeitpunkt der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II erst 54 Jahre, die Klägerin 53 Jahre alt. Sie standen also noch nicht kurz vor dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und waren noch nicht ohne Chance auf weiteren Aufbau einer Alterssicherung durch Erwerbstätigkeit. Soweit die Kläger in ihrem Vorbringen auf Lücken im Versicherungsverlauf der gesetzlichen Rentenversicherung hinweisen, machen sie keine atypische Erwerbsbiographie geltend. Wegen solcher Lücken wird der Versicherte auf die Rentenversicherungspflicht während des Leistungsbezugs bei Arbeitslosigkeit und den durch die gesetzlich vorgesehenen Freibeträge garantierten Mindestschutz verwiesen. Selbst wenn man die selbstständige Erwerbstätigkeit der Klägerin in die Betrachtungen einbezieht, so sollte die LV 1 nach dem Vortrag der Kläger der gemeinsamen Alterssicherung dienen. Insoweit ist auch auf das gemeinsam erreichbare Rentenniveau abzustellen. Dieses hat das LSG zutreffend und von den Klägern nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen, als nicht so niedrig festgestellt, dass allein hieraus eine besondere Härte resultieren könnte. Sie werden nach derzeitigen Berechnungen gemeinsam eine Rente von 1110,33 Euro erhalten. Dieser Betrag liegt ohne Einbeziehung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung deutlich über der Regelleistung nach SGB II und SGB XII. Unterkunftskosten werden bei den Klägern nur in geringem Umfang anfallen, da das LSG - ebenfalls nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen - festgestellt hat, das selbstbewohnte Haus werde bei Eintritt ins Rentenalter nahezu belastungsfrei sein. Daher kommt es im Rahmen der Prüfung der besonderen Härte nicht mehr darauf an, ob die Kläger aus der Vermietung der Erdgeschosswohnung weitere Einkünfte werden erzielen können.

28

(9.) Die Verwertung der Lebensversicherung ist für die Kläger auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 1. Alt SGB II. Zwar fehlt es an hinreichenden Feststellungen des LSG zum Substanz- und Verkehrswert der Lebensversicherung der Kläger zu Beginn des hier streitigen Zeitraumes. Aus den vom LSG benannten Daten kann jedoch mit hinreichender Sicherheit geschlossen werden, dass weder zum Zeitpunkt der Antragstellung, noch im Entscheidungszeitpunkt das Tatbestandsmerkmal der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit erfüllt war.

29

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG liegt eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit dann vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht. Umgekehrt ist offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung nicht gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht (zur Alhi: BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 7). Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Verwertung ist auf das ökonomische Kalkül eines rational handelnden Marktteilnehmers abzustellen (SozR 4-1200 § 14 Nr 10 RdNr 18; BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 35; vom selben Tag - B 14 AS 27/07 R RdNr 42 und B 14/7b AS 56/06 R RdNr 37; BSGE 100, 196 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8, RdNr 34 ff; vom 30.8.2010 - B 4 AS 70/09 R RdNr 19). Es ist mithin zu ermitteln, welchen Verkehrswert der Vermögensgegenstand gegenwärtig auf dem Markt hat. Dieser gegenwärtige Verkaufspreis ist dem Substanzwert gegenüber zu stellen. Der Substanzwert ergibt sich bei einem Lebensversicherungsvertrag aus den eingezahlten Beiträgen und der Verkehrswert - wie bereits dargelegt - aus dem Rückkaufswert der Versicherung, einschließlich der Überschussanteile (SozR 4-1200 § 14 Nr 10 RdNr 18; BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 35; vom selben Tag - B 14 AS 27/07 R, RdNr 42 und B 14/7b AS 56/06 R, RdNr 37; BSGE 100, 196 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8, RdNr 34 ff; vom 30.8.2010 - B 4 AS 70/09 R RdNr 19). Welche Verlustgrenze im Einzelnen zur offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit führt, kann hier dahinstehen. Der Rückkaufswert der LV 1, einschließlich Überschussanteil lag nach den bindenden Feststellungen des LSG deutlich über den eingezahlten Beiträgen. Das LSG hat festgestellt, dass am 1.2.2005 18 460,55 Euro an Beiträgen in diese Versicherung von den Klägern eingezahlt worden waren. Dem stand am 14.4.2005 ein Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung von 41 523,87 Euro gegenüber. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das LSG keine weiteren Feststellungen zu dem späteren Verhältnis von eingezahlten Beiträgen und Verkehrswert der Versicherung getroffen hat, denn angesichts dessen, dass der Verkehrswert der Versicherung zu Beginn des hier streitigen Zeitraumes mehr als doppelt so hoch war wie die eingezahlten Beiträge, ist davon auszugehen, dass auch im Oktober 2007 der Verkehrswert die Summe der eingezahlten Beiträge weiterhin überschritten hat.

30

(10.) Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das LSG seine Prüfung bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit auf die LV 1 beschränkt hat. Das Berufungsgericht hat die LV 2 wegen offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit der Verwertung insoweit zutreffend außer Betracht gelassen. Auch konnte das LSG angesichts des die Freibeträge nach § 12 Abs 2 Nr 1 und 4 SGB II deutlich überschreitenden Verkehrswertes der LV 1 von einer Einbeziehung des Hausgrundstücks der Kläger in die Betrachtungen absehen, selbst wenn die Wohnfläche mit 126 qm für zwei Personen als unangemessen angesehen werden könnte(vgl BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 17; BSGE 98, 243 = SozR 4-4200 § 12 Nr 4, RdNr 25 f)und bei nicht erfolgter baulicher und rechtlicher Abtrennung eines Teils des Wohneigentums nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats das gesamte Objekt als unangemessen bewertet und verwertet werden müsste (vgl BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 99/11 R, SozR 4-4200 § 12 Nr 18 RdNr 26 ff). Ferner hat das LSG zwar nicht in Erwägung gezogen, ob der von A. und dem Sohn zur Verfügung gestellte Geldbetrag als dauerhaft bei den Klägern verbleibende Zuwendung zu bewerten ist und damit als Einkommen bei der Berechnung des Alg II zu berücksichtigen gewesen wäre. Gleiches gilt für die nach Antragstellung nachgezahlte Arbeitslosenhilfe und die Frage, ob diese als Einkommen einer Bewilligung von Alg II entgegengestanden hätte. Feststellungen hierzu sowie zur Verwertbarkeit des Hausgrundstücks bedurfte es jedoch auch nicht, denn trotz der von den Klägern benannten Belastungen der LV 1 bleibt dieses Vermögen der Kläger, das bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts zu berücksichtigen war.

31

Grundsätzlich gilt, Vermögen iS von § 12 SGB II sind nicht die Bilanz aus aktiven und passiven Vermögenswerten, sondern die vorhandenen aktiven Vermögenswerte(vgl zuletzt BSG vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R, RdNr 22 ff; s auch BSG BSGE 87, 143 = SozR 3-4220 § 6 Nr 8 und zu § 88 BSHG: BVerwG Buchholz 436.0 zu § 88 BSHG Nr 22). Dies folgt aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge, welche erst eingreifen soll, wenn der Hilfebedürftige ihm zur Verfügung stehende Mittel verbraucht hat. Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei der Feststellung der vorhandenen Vermögenswerte nach § 12 SGB II ist allenfalls geboten, wenn eine Verbindlichkeit unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand (zB eine auf ein Grundstück eingetragene Hypothek) lastet, da der Vermögensgegenstand in diesem Fall nicht ohne Abzüge veräußert werden kann(vgl BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R, RdNr 44). Dies ist hier, wie das LSG zutreffend befunden hat, im Hinblick auf die Lasten durch Abtretung wegen der Forderungen des Sohnes und A. nicht der Fall.

32

Die Schulden der Kläger bei ihrem Sohn und A. sowie der Bank wegen des Überziehungskredits lasten nicht auf der Lebensversicherung. Nach den bindenden Feststellungen des LSG konnten die Kläger frei über die LV 1 verfügen und haben sich später auch einen Teil der Versicherungssumme auszahlen lassen. Zutreffend hat das LSG die Forderungen von A., dem Sohn und der Hausbank daher als private Schulden, deren Tilgung hinter der Existenzsicherung zurückzutreten hat, angesehen.

33

Soweit es die Abtretung der Ansprüche aus der LV 1 an die Bausparkasse zur Sicherung des Darlehens zur Finanzierung des Hauses der Kläger betrifft, mangelt es zwar an Feststellungen des LSG, ob der Versicherer von der Abtretung in Kenntnis gesetzt worden ist und die Kläger über die LV 1 in Höhe von höchstens 11 992,81 Euro nicht mehr verfügen konnten. Da jedoch selbst bei dem niedrigsten vom LSG festgestellten Rückkaufswert der LV 1 einschließlich einer Überschussbeteiligung von insgesamt 36 835,44 Euro ein die Freibeträge der Kläger - wie unter 4. festgestellt - überschreitendes Vermögen verbleibt und die Kläger selbst unter Berücksichtigung dieser für sie günstigsten Annahme keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hatten, bedurfte es deswegen keiner Zurückverweisung an das LSG.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht.

(2) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, stärken und dazu beitragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Sie soll erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen und den Lebensunterhalt sichern, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können. Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist als durchgängiges Prinzip zu verfolgen. Die Leistungen der Grundsicherung sind insbesondere darauf auszurichten, dass

1.
durch eine Erwerbstätigkeit Hilfebedürftigkeit vermieden oder beseitigt, die Dauer der Hilfebedürftigkeit verkürzt oder der Umfang der Hilfebedürftigkeit verringert wird,
2.
die Erwerbsfähigkeit einer leistungsberechtigten Person erhalten, verbessert oder wieder hergestellt wird,
3.
Nachteile, die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten aus einem der in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes genannten Gründe entstehen können, überwunden werden,
4.
die familienspezifischen Lebensverhältnisse von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die Kinder erziehen oder pflegebedürftige Angehörige betreuen, berücksichtigt werden,
5.
Anreize zur Aufnahme und Ausübung einer Erwerbstätigkeit geschaffen und aufrechterhalten werden.

(3) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende umfasst Leistungen zur

1.
Beratung,
2.
Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit und
3.
Sicherung des Lebensunterhalts.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen.

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Wird ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen einzelnen Monat gestellt, in dem aus Jahresabrechnungen von Heizenergiekosten oder aus der angemessenen Bevorratung mit Heizmitteln resultierende Aufwendungen für die Heizung fällig sind, wirkt dieser Antrag, wenn er bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt wird, auf den Ersten des Fälligkeitsmonats zurück. Satz 3 gilt nur für Anträge, die bis zum 31. Dezember 2023 gestellt werden.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen.

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Wird ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen einzelnen Monat gestellt, in dem aus Jahresabrechnungen von Heizenergiekosten oder aus der angemessenen Bevorratung mit Heizmitteln resultierende Aufwendungen für die Heizung fällig sind, wirkt dieser Antrag, wenn er bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt wird, auf den Ersten des Fälligkeitsmonats zurück. Satz 3 gilt nur für Anträge, die bis zum 31. Dezember 2023 gestellt werden.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für einen mehrtägigen Aufenthalt in einem Schullandheim sowie für den eintägigen Besuch eines Musicals.

2

Die 1988 geborene Klägerin lebt zusammen mit ihrer Mutter, deren Ehemann und einer Halbschwester. Sie bezog seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); für die Zeit vom 1.5.2005 bis 31.10.2005 aufgrund bestandskräftigen Bescheides vom 22.4.2005. Seit dem 12.9.2005 besuchte sie eine Hauptschule in D Am 25.8.2006 beantragte der Stiefvater die Erstattung der Kosten für einen Schullandheimaufenthalt in C vom 23.9. bis 2.10.2005 in Höhe von 271 Euro sowie der Kosten für den Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 in Höhe von 32,40 Euro. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 30.8.2006 die Übernahme der Kosten ab, weil der Antrag vor Antritt der Fahrten gestellt werden müsse. Außerdem seien die Kosten bereits beglichen, sodass der Bedarf aus eigenen Mitteln habe gedeckt werden können. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.9.2006 wies die Beklagte den Widerspruch hiergegen zurück.

3

Das Sozialgericht Stuttgart hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 23.10.2007 abgewiesen. Die Kosten für den Schullandheimaufenthalt seien zwar grundsätzlich nach § 23 Abs 3 SGB II erstattungsfähig. Eine Bedarfsdeckung für die Vergangenheit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundessozialhilfegesetz jedoch nicht zulässig. Dieser Grundsatz gelte auch für das SGB II. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt bestehe schon nach dem Wortlaut des § 23 Abs 3 SGB II nicht. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 26.11.2008 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt scheitere daran, dass diese Leistung nicht rechtzeitig beantragt worden sei. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende würden nach § 37 Abs 1 SGB II nach Antragstellung erbracht. Leistungen für die Zeit vor Antragstellung könnten nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II nicht erbracht werden. Auch die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lägen nicht vor. Die Beklagte habe im maßgeblichen Bewilligungszeitraum keine Anhaltspunkte für einen Sonderbedarf der Klägerin gehabt. Allein die Kenntnis vom Schulbesuch habe noch keine konkrete Beratungspflicht ausgelöst. Für eine Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt fehle es bereits an einer Anspruchsgrundlage. § 23 Abs 3 Nr 3 SGB II erfasse ausdrücklich nur mehrtägige Klassenfahrten.

4

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasse alle Leistungen nach dem zweiten Abschnitt des SGB II. Leistungen nach § 23 SGB II müssten daher nicht gesondert beantragt werden. Da aus dem Erstantrag für die Beklagte auch erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin noch die Schule besucht habe, und deshalb entsprechend ihrem Jahrgang eine mehrtägige Klassenfahrt in Betracht kommen könnte, habe eine entsprechende Beratungspflicht der Beklagten bestanden. Der Bedarf sei auch nicht durch eigene Mittel gedeckt worden. Vielmehr seien Schulden durch eine Kontoüberziehung entstanden. Zwar seien nach dem Wortlaut des § 23 SGB II Kosten für eine eintägige Klassenfahrt nicht erstattungsfähig, es sei jedoch zu beachten, dass frühere Sozialleistungen auch eintägige Klassenfahrten umfasst hätten. Bei der Klassenfahrt zu dem Musical habe es sich um Bildungsausgaben gehandelt, die in der Regelleistung nicht berücksichtigt seien.

5

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.10.2007 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.11.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 30.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.9.2006 zu verurteilen, ihr die Kosten für den Schullandheimaufenthalt in C vom 23.9. bis 2.10.2005 in Höhe von 271 Euro sowie für den eintägigen Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 in Höhe von 32,40 Euro zu erstatten.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

7

Sie hält die angegriffenen Urteile für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, § 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), soweit sie die Erstattung von Kosten für den Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 begehrt. Im Übrigen ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet, § 170 Abs 2 Satz 2 SGG.

9

1. Streitig sind allein die Ansprüche der Klägerin auf Leistungen für Klassenfahrten nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II. Dabei handelt es sich um eigenständige abtrennbare Streitgegenstände, die isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden können (vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 13). Der Anspruch steht allein der Klägerin zu. Zwar bildet sie mit ihrer Schwester, ihrer Mutter und deren Ehemann eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II, Leistungen für Klassenfahrten stehen aber individuell nur ihr allein zu.

10

2. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 23 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014). Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig sind (Nr 3) sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Ausschlussgründe nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II liegen nicht vor.

11

3. Das LSG hat zu Recht einen Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II hinsichtlich des eintägigen Besuchs eines Musicals verneint, weil es am Tatbestandsmerkmal der Mehrtägigkeit fehlt. Anspruch auf Leistungen für Klassenfahrten besteht nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II nur, sofern sie mehrtägig sind. Das ist nur dann der Fall, wenn sie einen Zeitraum von mehr als einem Tag umfassen (vgl Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 23 RdNr 110). Kosten eintägiger Klassenfahrten sind hingegen durch die Regelleistung gedeckt (vgl Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 23 RdNr 36).

12

Die Klägerin kann die Leistung auch nicht als "Härteleistung" auf der Grundlage von Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz beanspruchen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 einen solchen zusätzlichen Anspruch nur bei einem unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligen und besonderen Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums bejaht (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.

13

4. Ob ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die mehrtägige Fahrt nach C nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3, § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) besteht, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

14

a) Entgegen der Auffassung des LSG scheitert ein Anspruch nicht bereits an einer fehlenden Antragstellung nach § 37 SGB II. Zwar hat die Klägerin ihren Bedarf nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu einem Zeitpunkt zur Kenntnis der Beklagten gebracht, als die Klassenfahrten bereits durchgeführt worden waren. Der Antrag auf Leistungen für Klassenfahrten war aber bereits von dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst.

15

Gemäß § 37 Abs 1 SGB II werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht. § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II schließt eine Leistungserbringung für Zeiten vor der Antragstellung aus. Die Vorschrift gilt uneingeschränkt für alle Leistungen der Grundsicherung (vgl Link in Eicher/Spellbrink, aaO, § 37 RdNr 2). Sie statuiert ein konstitutives Antragserfordernis, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustehen (vgl BT-Drucks 15/1516 S 62; Urteile des Senats vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23 und vom 7.5.2009 - B 14 AS 13/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Antrag nach dem SGB II ist eine einseitige empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - soweit sich nicht aus sozialrechtlichen Bestimmungen Anderweitiges ergibt - die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung finden (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 56/08 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Antragsteller bringt zum Ausdruck, dass Leistungen vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt werden. Welche Leistungen ein Antrag umfasst, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl Urteil des Senats vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; vgl zum Klageantrag BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen (vgl Link in Eicher/Spellbrink aaO; Striebinger in Gagel, SGB II, Stand Dezember 2009, § 37 RdNr 34). Das sind bei einem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts regelmäßig alle im 1. und 2. Unterabschnitt des 2. Abschnitts des 3. Kapitels SGB II genannten Leistungen (vgl auch die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zum Umfang des Antrags <37.4>). Mit dem Antrag wird ein Hilfebedarf geltend gemacht, der alle Leistungen umfasst, die der Sicherung des Lebensunterhalts in Form des Arbeitslosengeld II dienen. Bei den in § 23 Abs 3 SGB II vorgesehenen Leistungen handelt es sich zwar um einmalige Sonderbedarfe(vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2 RdNr 11; Urteile vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen und vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das Erfordernis einer besonderen Bedarfslage ändert aber nichts an der Zuordnung dieser Leistungen zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Auch ihre prozessuale Behandlung als eigenständiger Streitgegenstand führt nicht dazu, dass die Leistung gesondert beantragt werden müsste. Ein solches Erfordernis lässt sich § 37 SGB II nicht entnehmen. Die Vorschrift enthält keine Antragsbestimmungen für einzelne Leistungen, sondern fordert lediglich unspezifisch einen Antrag.

16

b) Da über den Bewilligungszeitraum, in dem der Schullandheimaufenthalt stattfand, bereits bestandskräftig entschieden worden war, war über den Anspruch nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 SGB X zu entscheiden. Das LSG wird zunächst im Einzelnen zu ermitteln haben, welche Bedarfe iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II tatsächlich bestanden haben. Ein Bedarf ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil die Klägerin auch ohne die begehrte Leistung tatsächlich teilgenommen hat.

17

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.2.2011 bis 30.4.2011.

2

Der Beklagte bewilligte dem Kläger, seiner Mutter sowie seinen Geschwistern im Jahr 2010 und bis Ende April 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Ab dem 1.7.2011 erhielt die Familie Wohngeld und für die Kinder wurde Kinderzuschlag gewährt. Der Kläger besuchte im streitigen Zeitraum die Klassenstufe 7 eines Gymnasiums im musischen Zweig. Bereits in der 5. und 6. Klasse hatte er ein Cello für den Musikunterricht an der Schule zu einer halbjährlichen Leihgebühr von 90 Euro ausgeliehen, fällig jeweils zum 1.2. und 1.8. des Jahres. Am 8.2.2011 erfolgte erneut eine Abbuchung der Leihgebühr für das Cello vom Konto der Mutter des Klägers. Sie stellte daraufhin für den Kläger am 21.2.2011 einen Antrag auf Übernahme dieser Aufwendungen durch den Beklagten als Teilhabeleistungen nach § 28 Abs 7 SGB II. Zur Begründung führte sie aus, dass es für den Besuch des musischen Zweigs der Schule zwingend erforderlich sei, ein Instrument zu spielen. Der Beklagte lehnte die Gewährung von Teilhabeleistungen durch Bescheid vom 5.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.4.2011 mit der Begründung ab, dass die Übernahme der Leihgebühren für ein Instrument grundsätzlich nach § 28 Abs 7 SGB II nicht förderfähig sei. Die Vorschrift gewährleiste insoweit lediglich die Teilnahme an außerschulischem Unterricht.

3

Den im Juli 2011 gestellten Antrag auf Übernahme der Kosten für einen Freizeitaufenthalt in einem "Dance Camp" vom 30.8. bis 3.9.2011 beschied der Beklagte durch die Bewilligung von Teilhabeleistungen in Höhe von 120 Euro (Bescheid vom 17.8.2011).

4

Im Klageverfahren hat das SG Mannheim den Beklagten zur Übernahme der Leihgebühren für den Zeitraum vom 1.2.2011 bis 31.7.2011 (Anm = 90 Euro) und 30 Euro für den Zeitraum vom 1.8.2011 bis 31.1.2012 verurteilt (Gerichtsbescheid vom 12.1.2012). Im Berufungsverfahren haben die Beteiligten den streitigen Zeitraum wie eingangs dargelegt beschränkt. Das LSG hat den Zeugen A. zu der Praxis der Schule im Hinblick auf die Leihgebühren für Musikinstrumente vernommen sowie den Zeugen H. hierzu schriftlich befragt. Letzterer hat angegeben, im Musikprofil und zur Nutzung in der Schule - ab der Klassenstufe 7 - würde keine Gebühr für das Ausleihen der Musikinstrumente erhoben. Dies sei nur in den Klassenstufen 5 und 6 sowie bei privater Nutzung ab der Klassenstufe 7 der Fall. Eine Nutzung des Cellos außerhalb der Schule oder einer privaten Einrichtung hat die Mutter des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG verneint. Das LSG hat der Berufung des Beklagten durch Urteil vom 23.1.2013 stattgegeben, den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ua ausgeführt, bei den Leistungen zur Teilhabe nach § 28 Abs 7 SGB II handele es sich um einen abtrennbaren Streitgegenstand. Der hilfebedürftige Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf die Übernahme der Leihgebühren für das Cello. Zwar habe er den Antrag auf die Leistung rechtzeitig gestellt. Leistungen nach § 28 Abs 7 SGB II würden jedoch nicht für einen durch den Schulbesuch entstehenden Bedarf gewährt. Sie dienten der Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben. Die Leihgebühr für das Cello sei hier kein außerschulischer Bedarf, sondern diene der Teilnahme am Unterricht in der Klassenstufe 7. Hierfür seien insbesondere die Leistungen für den persönlichen Schulbedarf vorgesehen. § 21 Abs 6 und die Darlehensgewährung nach § 24 SGB II schieden als Anspruchsgrundlagen ebenfalls aus. Der Leistungsanspruch für das Jahr 2011 sei zudem durch die Leistungsgewährung für die Teilnahme an dem Dance Camp in vollem Umfang erloschen.

5

Die vom LSG zugelassene Revision gegen dieses Urteil begründet der Kläger mit einer Verletzung von § 28 Abs 7 SGB II durch die Auslegung des LSG. Die Leistungen nach dieser Vorschrift seien nicht nur für außerschulische Aktivitäten gedacht, sondern sollten die Integration von Kindern und Jugendlichen in die Gemeinschaft, auch die schulische, befördern. Es solle verhindert werden, dass "arme" Kinder und Jugendliche von Gemeinschaftsaktivitäten ausgeschlossen würden. Dazu gehöre auch das gemeinsame Musizieren mit den anderen Kindern derselben Klassenstufe in der Schule. Zudem könne der Argumentation des Beklagten nicht gefolgt werden, dass zwar die Finanzierung des außerschulischen Musikunterrichts, nicht jedoch die Leihgebühren für ein Musikinstrument über Leistungen zur Teilhabe zu gewährleisten sei.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Januar 2013 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12. Januar 2012 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

10

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Übernahme der Leihgebühren für das Cello im Zeitraum vom 1.2. bis 30.4.2011 durch den Beklagten. Das LSG hat den Bescheid des Beklagten vom 5.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.4.2011 zutreffend für rechtmäßig befunden.

11

Der Kläger konnte den Streitgegenstand zwar zulässigerweise auf die Erstattung der Leihgebühren für das Cello beschränken. Ein Anspruch hierauf scheitert auch nicht daran, dass der Kläger den Antrag erst am 21.2.2011 gestellt hat. Als Anspruchsgrundlage kommt jedoch entgegen der Auffassung des Klägers nicht § 28 Abs 7 SGB II in Betracht. Nach der Rechtslage bis zum 31.7.2013 waren Bedarfe in Gestalt der Übernahme von Leihgebühren für ein Musikinstrument nicht durch Teilhabeleistungen nach dieser Vorschrift zu decken. Auch sind grundsätzlich für schulischen Unterricht als Bedarf keine Teilhabeleistungen nach § 28 Abs 7 SGB II zu erbringen. Der Kläger kann sein Begehren ebenso wenig auf § 21 Abs 6 SGB II stützen.

12

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Leihgebühren für das Cello im Zeitraum vom 1.2.2011 bis 30.4.2011 in Höhe von 10 Euro monatlich (insgesamt 30 Euro) als Zuschuss. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 5.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.4.2011 einen Anspruch auf Leistungen hierfür zutreffend verneint. Auf eine darlehensweise Gewährung der Miete für das Cello hat der Kläger schriftsätzlich gegenüber dem erkennenden Senat verzichtet.

13

Anknüpfend an die Rechtsprechung des BSG zu den Leistungen für Klassenfahrten und Schulbücher nach altem Recht (anzuwendendes Recht bis zum 31.12.2010) geht der erkennende Senat davon aus, dass es sich auch bei dem Anspruch auf Leistungen für Teilhabe gemäß § 28 Abs 7 SGB II um einen Individualanspruch desjenigen handelt, der den entsprechenden Bedarf geltend macht(vgl zur alten Rechtslage: BSG vom 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 15 RdNr 10; BSG vom 10.5.2011 - B 4 AS 11/10 R - SozR 4-4200 § 44 Nr 2 RdNr 15; BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2, RdNr 9; BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, RdNr 13). Wortlaut sowie Sinn und Zweck des zum 1.1.2013 in Kraft getretenen § 28 Abs 1 S 1 SGB II unterstreichen die Übertragbarkeit der bisherigen Rechtsprechung zur alten Rechtslage auf die Leistungen für Bildung und Teilhabe. In § 28 SGB II werden als ausschließlich anspruchsberechtigt für die Schulbedarfe und außerschulischen Teilhabebedarfe Kinder und Jugendliche bezeichnet. Es handelt sich mithin nicht um Leistungen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft, sie sind vielmehr den einzelnen Kindern und Jugendlichen in der Bedarfsgemeinschaft individuell zuzuordnen.

14

Dieser Anspruch kann isoliert gerichtlich durchgesetzt werden (zu Klassenfahrten nach altem Recht vgl: BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 1/09 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 9 RdNr 11; BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2, RdNr 9; so auch BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, RdNr 13 und Erstausstattung: BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, RdNr 11; BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4 RdNr 9; BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 202/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 13 RdNr 11). Durch die Einführung der Bildungs- und Teilhabeleistungen nach § 28 SGB II aufgrund von Art 2 Nr 31 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und Änderung des SGB II und SGB XII ( vom 24.3.2011, BGBl I 453, mWv 1.1.2011) ist insoweit keine Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage eingetreten. Im Gegenteil: Wortlaut, Entstehungsgeschichte, systematischer Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Norm verdeutlichen, dass es sich auch weiterhin um einen abtrennbaren Streitgegenstand handelt. Nach § 28 Abs 1 S 1 SGB II werden Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Sie sind mithin zusätzlich zum Regelbedarf (s auch Thommes in Gagel, SGB II/SGB III, § 28 SGB II, RdNr 2, Stand III/2013; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 28 RdNr 5, Stand XII/12)bzw anknüpfend an die Forderung des BVerfG (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 Bvl 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 203)ggf auch ausschließlich zur Gewährleistung des Existenzminimums zu erbringen, wenn nur durch sie allein Hilfebedarf ausgelöst wird (s hierzu § 19 Abs 3 S 3 SGB II). Dies wird in der Begründung zum Entwurf des RBEG/SGBII/SGB XII-ÄndG ausdrücklich unterstrichen, wenn es dort heißt, dass die materielle Ausstattung von Schülerinnen und Schülern für die Teilnahme an schulischen Aktivitäten sowie außerschulischer Bildung durch gesonderte und zielgerichtete Leistungen zu gewährleisten sei. Die Bedarfe seien vorbehaltlich des § 19 Abs 3 S 3 SGB II selbständig zu gewähren(BT-Drucks 17/3404, S 104).

15

Auch die systematische Betrachtung belegt die Möglichkeit der Abtrennbarkeit der Bildungs- und Teilhabeleistungen als eigenständigen Streitgegenstand. Zwar bleiben die Bildungs- und Teilhabeleistungen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Kindern und Jugendlichen, also der Maßnahmen zur Sicherung deren Existenzminimums (s hierzu BSG vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - RdNr 44, zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR 4-4200 § 20 Nr 18; s auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 28 RdNr 8; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 28 RdNr 7, Stand XII/12). Sie sind jedoch mit Ausnahme der Leistungen nach § 28 Abs 3 SGB II(persönlicher Schulbedarf) gemäß § 37 Abs 1 S 2 SGB II gesondert zu beantragen. Dies spricht dafür, dass auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers Bildungs- und Teilhabeleistungen eigenständig einklagbar sein sollen. Die Regelung des § 37 Abs 1 S 2 SGB II begründet keine Zweifel an dieser Auslegung. Insoweit folgt der Gesetzgeber lediglich der Rechtsprechung des BSG zur Rechtslage vor dem 1.1.2011. Es hatte eine gesonderte Antragstellung für den persönlichen Schulbedarf nicht für erforderlich gehalten, weil dieses Begehren vom Antrag auf Alg II/Sozialgeld umfasst sei (ausführlich BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2, RdNr 14 f). Die Möglichkeit der isolierten Einklagbarkeit entspricht auch dem Sinn und Zweck der Leistungen für Bildung und Teilhabe. Sie sollen dazu dienen, besondere Bedarfslagen bei Kindern und Jugendlichen im Einzelfall und unabhängig von der übrigen Bedarfsgemeinschaft gezielt zu decken (BT-Drucks 17/3404, S 104).

16

Schließlich verfolgt der Kläger den Anspruch auf Leistungen für die Miete des Cellos - nachdem die Leihgebühren bereits vom Konto der Mutter abgebucht worden waren - im hier streitigen Zeitraum in zulässiger Weise als Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (s zum Kostenerstattungsanspruch ausführlich: BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 79/12 R - RdNr 11 und 20 f, zur Veröffentlichung vorgesehen).

17

2. Der Kläger hat die Teilhabeleistung auch rechtzeitig beantragt. Dem steht nicht entgegen, dass ausweislich der Feststellungen des LSG die Mutter des Klägers die Übernahme der Leihgebühren erst am 21.2.2011 beim Beklagten beantragt hat, obwohl sie bereits am 1.2.2011 fällig geworden und am 8.2.2011 von ihrem Konto abgebucht worden sind. Ebenso wenig ist hinderlich, dass § 37 Abs 2 S 2 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG, nach dem der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Monats zurückwirkt, erst zum 1.4.2011 in Kraft getreten ist. Für Leistungen nach § 28 Abs 2 und 4 bis 7 SGB II gilt nach der Übergangsvorschrift des § 77 Abs 8 SGB II(idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011, BGBl I 453), dass der Antrag hierauf abweichend von § 37 Abs 2 S 2 SGB II als zum 1.1.2011 gestellt gilt, wenn sie für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.5.2011 bis zum 30.6.2011 rückwirkend beantragt werden.

18

3. Dahingestellt bleiben konnte zum einen, welche Auswirkungen das Begleichen der Forderung der Gebühren vor der Antragstellung auf den Kostenerstattungsanspruch des Klägers haben könnte. Dies gilt sowohl für die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs an sich (s hierzu ausführlich BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 79/12 R - RdNr 11 und 20 f, zur Veröffentlichung vorgesehen sowie die Rechtsänderung zum 1.8.2013 durch Einführung von § 30 SGB II mit der Möglichkeit der nachträglichen Erstattung, BGBl I 1167, Gesetz zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 7.5.2013), als auch für das Verhältnis der hier begehrten Geldleistung zu der nach § 28 Abs 7 iVm § 29 Abs 1 S 1 SGB II vorgesehenen Leistungsart der Sach- und Dienstleistungen, insbesondere in Form von personalisierten Gutscheinen oder Direktzahlungen an Anbieter. Ferner bedurfte es hier keiner weiteren Ausführungen zur Hilfebedürftigkeit des Klägers. Zwar ist die Hilfebedürftigkeit nach § 19 Abs 3 S 3 SGB II auch für die Bildungs- und Teilhabeleistungen Anspruchsvoraussetzung und sie ist - einschließlich der Einkommensberücksichtigung nach § 9 Abs 2 S 2 SGB II unter Einbeziehung der restlichen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft - auch dann zu prüfen, wenn ausschließlich die Deckung der Bedarfe nach § 28 Abs 7 SGB II eingeklagt wird. Darauf kommt es hier jedoch nicht an, denn der Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung scheitert bereits daran, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs 7 SGB II nicht erfüllt sind.

19

4. Nach § 28 Abs 7 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 (BGBl I 453, mWv 1.1.2011) wird bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ein Bedarf zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von insgesamt 10 Euro monatlich berücksichtigt für 1. Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, 2. Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und 3. die Teilnahme an Freizeiten. Bedarfe iS des § 28 Abs 7 Nr 2 SGB II in der bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung sind nur solche, die für den Unterricht selbst entstehen, nicht jedoch Bedarfe für weitere mit ihm verbundene Aufwendungen, wie zB auch die Leihgebühren für ein Musikinstrument (vgl Fach in Oestreicher SGB II/SGB XII, § 28 SGB II RdNr 103, 105, Stand III/13; s auch Leopold in juris-PK SGB II, 3. Aufl 2012, § 28 RdNr 141, Stand: 2.4.2013; Spellbrink/G. Becker in Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 28 SGB II, RdNr 56; Thommes in Gagel SGB II/SGB III, § 28 SGB II RdNr 59, Stand IV/12; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 28 RdNr 116, Stand XII/11; aA wohl Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 28 RdNr 61).

20

Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, wenn es dort ausdrücklich heißt, dass Bedarfe für den Unterricht gedeckt werden. Es sollte also nur der - kostenpflichtige - Unterricht selbst über die Teilhabeleistungen finanziert werden. In der Begründung zum Gesetzentwurf des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG wird dazu ausdrücklich betont, dass der benannte Katalog der Bedarfe abschließend sei (BT-Drucks 17/3404, S 106), also keine über die Finanzierung des Unterrichts hinausgehenden Bedarfe durch Leistungen nach § 28 Abs 7 SGB II gedeckt werden sollten. Diese Gesetzesauslegung wird durch die systematische Einbindung der Vorschrift in das Gefüge der existenzsichernden Leistungen für Kinder und Jugendliche gestützt. Denn im Gegenzug zur Schaffung der Leistung nach § 28 Abs 7 SGB II wurden bei der Bemessung der Regelbedarfe von Kindern und Jugendlichen die Positionen "Außerschulische Unterrichte, Hobbykurse" in der Abteilung 09 und "Mitgliedsbeiträge an Organisationen ohne Erwerbszweck" in Abteilung 12 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 ausdrücklich unberücksichtigt gelassen. Anschaffungen zur Teilnahme an derartigen Aktivitäten sollten demnach auch weiterhin aus dem Regelbedarf gedeckt werden. So sollte Ziel der Leistungen nach § 28 Abs 7 SGB II auch lediglich sein, Kindern und Jugendlichen die Aufnahme in bestehende Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen zu ermöglichen(BT-Drucks 17/3404, S 106). Der durch diese Aufnahme entstehende weitere Aufwand, auch beispielsweise durch Fahrtkosten zu etwaigen Gemeinschaftsveranstaltungen (BT-Drucks 17/3404, S 107), sollte hingegen nicht über § 28 Abs 7 SGB II finanziert werden können.

21

Der Blick auf die weitere Rechtsentwicklung belegt dieses Ergebnis. Nach § 28 Abs 7 SGB II idF des Gesetzes zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 7.5.2013 (BGBl I 1167) können mit Wirkung ab dem 1.8.2013 nach dessen neu geschaffenem Satz 2 nun neben den Bedarfen nach Satz 1 auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im begründeten Ausnahmefall nicht zugemutet werden kann, diese aus dem Regelbedarf zu bestreiten (eingefügt durch Art 1 Nr 2 Buchst b des Gesetzes zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 7.5.2013, BGBl I 1167, mWv 1.8.2013). In der Begründung zum Entwurf der Gesetzesänderung wird darauf hingewiesen, dass die Teilnahme an Aktivitäten nach den Nr 1 bis 3 des § 28 Abs 7 S 1 SGB II häufig so organisiert sei, dass durch ehrenamtliches Engagement die Unterrichtung kostenfrei angeboten werden könne. Dann scheitere die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen jedoch oft deswegen, weil die nötige Ausrüstung fehle. Als Beispiele werden in diesem Zusammenhang Musikinstrumente oder Schutzkleidung für bestimmte Sportarten benannt (BT-Drucks 17/12036, S 7). Der Gesetzgeber hat also im Nachhinein erkannt, dass die von ihm angestrebte Bedarfsdeckung lückenhaft geblieben war und hat deswegen diese Lücke durch die Erweiterung der anerkannten Bedarfslagen geschlossen. Wenn auch der Senat nicht der Auffassung ist, dass diese Gesetzesänderung, die ausdrücklich erst zum 1.8.2013 in Kraft getreten ist, zu einer Veränderung der zuvor dargelegten Rechtslage führt, so kann der Kläger unabhängig davon hier jedoch nicht mit einem Leistungsanspruch nach § 28 Abs 7 SGB II erfolgreich sein.

22

Die Leistungen nach § 28 Abs 7 SGB II dienen nur dazu, außerschulische Bedarfe zu decken(bereits angedeutet in BSG vom 25.1.2012 - B 14 AS 131/11 R - RdNr 13; s auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 28 RdNr 56, 63; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 28 RdNr 113, Stand XII/11). Im vorliegenden Fall sollte die Teilhabeleistung - nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG, die vom Kläger nicht angegriffen worden sind (§ 163 Abs 2 SGG) - hingegen ausschließlich für schulische Zwecke eingesetzt werden.

23

Bei den Aktivitäten der Nr 1 und 3 des § 28 Abs 7 SGB II handelt es sich bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig um außerschulische Aktivitäten. Mitgliedsbeiträge für Aktivitäten werden in der Schule nicht erhoben und durch den Begriff der "Freizeiten" werden außerschulische Unternehmungen zu denen der Schulfahrten in Gestalt der "mehrtägigen Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen" nach § 28 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB II abgegrenzt. Der Wortlaut der hier einschlägigen Nr 2 des § 28 Abs 7 SGB II ist zwar offen, als mit dem Wort "Unterricht" sowohl "schulischer" als auch "außerschulischer" gemeint sein kann. Auch wird in der Begründung zum Gesetzentwurf § 28 Abs 7 SGB II insgesamt die Funktion zugewiesen, Kindern und Jugendlichen einen Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe im Rahmen des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu ermöglichen. Zugleich nimmt die Begründung insoweit jedoch eine Unterteilung zwischen Leistungen zur Bildung und Leistungen zur Teilhabe vor (BT-Drucks 17/3404, S 106). Dort wird ausgeführt, Ziel sei es, Kinder und Jugendliche stärker als bisher in bestehende Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen zu integrieren und den Kontakt mit gleichaltrigen zu intensivieren, auch durch Musikunterricht. Um zugleich die Beschränkung auf die Gewährleistung von Teilhabe im außerschulischen Bereich durch Leistungen nach § 28 Abs 7 SGB II zu unterstreichen, heißt es in der Begründung weiter, dass im Hinblick auf die Anerkennung dieser Bedarfe bei der Bemessung der Regelbedarfe von Kindern und Jugendlichen ua die Positionen "Außerschulischer Unterricht, Hobbykurse" in der Abteilung 09 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 unberücksichtigt geblieben seien. So wird auch im Zusammenhang mit der Unterrichtserteilung, die über die Leistungen nach § 28 Abs 7 SGB II finanziert werden soll, ausdrücklich nur auf solche in Musik- oder Volkshochschulen, also im außerschulischen Unterricht, hingewiesen(BT-Drucks 17/3404, S 106).

24

Ebenso folgt aus dem systematischen Zusammenhang, in dem § 28 Abs 7 SGB II steht, sowie dessen Sinn und Zweck, dass dieser nur zur Deckung außerschulischer Bedarfe dienen soll. Die durch die Schule hervorgerufenen Bedarfslagen und die durch sie entstehenden notwendigen Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten gehören nach der Entscheidung des BVerfG zu dem existentiellen Bedarf von Kindern und Jugendlichen, der zwingend zu decken ist (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 Bvl 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 192). Deswegen werden Bedarfe, die im Zusammenhang mit der schulischen Bildung stehen, jedoch nicht originär der Finanzierung durch die Schule/den Schulträger unterfallen, wie Klassenfahrten und -ausflüge, der persönliche Schulbedarf, die Schülerbeförderung, Lernförderung und Mittagsverpflegung - wie bereits dargelegt - ausdrücklich durch Leistungen nach § 28 Abs 2 bis 6 SGB II gedeckt. Daneben hat das BVerfG jedoch auch die gesellschaftliche Teilhabe als zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich angesehen. Im Hinblick auf die Teilhabeleistungen hat das BVerfG dem Gesetzgeber zwar einen weiteren Gestaltungsspielraum als bei den Leistungen zur Sicherung der physischen Existenz sowie bei Kindern und Jugendlichen zur Deckung der Bildungsbedarfe eingeräumt (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 Bvl 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 138). Der Gesetzgeber muss jedoch auch für den Teilhabebereich so viel zur Verfügung stellen, dass ein Minimum dessen durch die Fürsorgeleistungen gedeckt werden kann (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 Bvl 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 166). Da die Leistungen nach den Abs 2 bis 6 des § 28 SGB II eindeutig beim Schulbesuch entstehende Bedarfe befriedigen sollen und die Leistungen nach § 28 Abs 7 SGB II bereits im Gesetzestext selbst als solche zur Deckung der Bedarfe zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft bezeichnet werden, muss davon ausgegangen werden, dass mit letzteren der Mindestbedarf an sozialer und gesellschaftlicher Teilhabe ermöglicht werden soll. Hieraus folgt, dass die Leistungen eben nicht der Finanzierung schulischer Aktivitäten dienen dürfen, denn eine "Aufstockung" der Leistungen an sich ist nicht vorgesehen. Würden sie für Schulbedarfe eingesetzt, verbliebe zudem keine hinreichende Möglichkeit mehr für die Bedarfsdeckung im Teilhabebereich. Dies gilt umso mehr, als die klassischen Teilhabepositionen in der Abteilung 09 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 - wie oben bereits dargelegt - bei der Bemessung der Höhe des Regelbedarfs für Schulkinder wegen der Einführung der Leistungen nach § 28 Abs 7 SGB II unberücksichtigt geblieben sind. Es würde zudem dem Sinn und Zweck der Teilhabeleistungen nach dem SGB II zuwiderlaufen, wenn diese von Leistungsberechtigten dazu eingesetzt werden müssten, den verpflichtenden Schulunterricht selbst zu finanzieren, die Schule/der Schulträger sich zu Lasten der Grundsicherung für Arbeitsuchende seiner Aufgabe der kostenfreien Erteilung staatlichen Unterrichts entledigen könnte und im Gegenzug für eine Integration der Kinder und Jugendliche in Gemeinschafts- und Vereinsstrukturen keine Leistungen mehr verblieben.

25

Angesichts dessen bedurfte es keiner weiteren Ausführungen dazu, ob ein Anspruch nach § 28 Abs 7 SGB II durch eine Leistungsbewilligung für einen späteren Bedarf im Umfang des maximalen Jahreszahlbetrags für Teilhabeleistungen des Bildungs- und Teilhabepakets erlischt und die Höhe des Zahlbetrags für Teilhabeleistungen von 10 Euro monatlich verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht.

26

5. Unabhängig davon, ob der Kläger einen Anspruch auf Übernahme der Leihgebühren für das Cello im streitigen Zeitraum durch eine Leistung nach § 21 Abs 6 SGB II isoliert von den sonstigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts geltend machen könnte(vgl hierzu ablehnend BSG vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 14), scheitert die Finanzierung seiner Aufwendungen insoweit bereits daran, dass es sich bei ihnen nicht um solche für einen unabweisbaren Bedarf iS dieser Vorschrift handelt.

27

Nach § 21 Abs 6 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Soweit es sich um einen Bildungsbedarf handelt, ist dieser - wie eingangs dargelegt - nach der Rechtsprechung des BVerfG zwar zwingend zu decken. Er ist Bestandteil des existenzsichernden Bedarfs. Das BVerfG hat den Bundesgesetzgeber insoweit auch in der Verantwortung gesehen. Regelleistung und Leistungen nach § 28 Abs 2 bis Abs 6 SGB II tragen hier gemeinsam zur Sicherung des Existenzminimums von Kindern und Jugendlichen bei(BSG vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 44 ff). Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, dass dann, wenn es daneben unabweisbare, besondere Bildungsbedarfe gebe, die nicht auf Grundlage von § 28 SGB II finanziert werden könnten, ggf § 21 Abs 6 SGB II als Anspruchsgrundlage in Betracht zu ziehen sei(vgl Spellbrink/G. Becker in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 28 RdNr 23; Thommes in Gagel SGB II/SGB III, § 28 SGB II, RdNr 61, Stand 04/2012) hat der Senat erhebliche Zweifel daran, dass dies auch für Aufwendungen für den Schulunterricht selbst gelten kann. Die Deckung von Bedarfen für den Schulunterricht, die der Durchführung des Unterrichts selber dienen, liegt in der Verantwortung der Schule und darf von den Schulen oder Schulträgern nicht auf das Grundsicherungssystem abgewälzt werden. Dies gilt auch für die Leihgebühren für ein Musikinstrument, das zum Besuch des musischen Zweigs einer Schule genutzt werden muss (anders wohl LSG Nordrhein-Westfalen vom 7.3.2013 - L 2 AS 1679/12 B - RdNr 8). Unabhängig davon kommt hier eine Leistungsgewährung nach § 21 Abs 6 SGB II jedoch bereits deswegen nicht in Betracht, weil es an der Unabweisbarkeit des vorliegenden Bedarfs mangelt.

28

Der Mehrbedarf ist nach § 21 Abs 6 S 2 SGB II unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparungsmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abweicht. Bereits im Hinblick auf das Bestehen des geltend gemachten Bedarfs hat der Senat Zweifel. Nach den bindenden Feststellungen des LSG mussten für die Nutzung des Cellos in der Klassenstufe 7 - also im hier streitigen Zeitraum - keine Leihgebühren gezahlt werden. Die Nutzung des Instruments war nach den Angaben des vom LSG befragten Zeugen H. bei der Teilnahme am Unterricht im Rahmen des Musikprofils kostenfrei, soweit sie nicht zusätzlich mit einem außerschulischen Einsatz verbunden war. Letzteres hat die Mutter des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG nach dessen Feststellungen verneint; der Kläger habe das Cello nicht außerhalb des Schulunterrichts verwendet. Für die Nutzung des Cellos im Schulunterricht war die Schule demnach ab der 7. Klassenstufe im konkreten Fall nicht berechtigt, Leihgebühren zu erheben. Zumindest ist der gleichwohl durch die Abbuchung der Leihgebühren entstandene Bedarf des Klägers insoweit nicht unabweislich.

29

Unerheblich ist hierbei, dass die Mutter des Klägers offensichtlich unzutreffend informiert war oder die Rechtslage nicht zur Kenntnis genommen hatte und sich aus dem laufenden Vertrag zur Zahlung verpflichtet sah. Der Begriff der "Unabweisbarkeit des Bedarfs" beinhaltet nach der Rechtsprechung des BSG, dass der Bedarf auch nicht durch alternative Handlungen abgewendet oder vermindert werden kann, wie etwa im Falle der notwendigen Reparatur eines Kfz durch Nutzung anderer Mittel zur Gewährleistung der Mobilität (BSG vom 1.6.2010 - B 4 AS 63/09 R; s in der Instanzrechtsprechung zur Verhütung durch andere Methoden als die der Sterilisation LSG Baden-Württemberg vom 13.12.2010 - L 13 AS 4732/10 B; zur Zurücklegung des Weges zur Firmung anders als durch ein gemietetes Fahrzeug Bayerisches LSG vom 13.10.2010 - L 11 AS 729/10 B ER). Nach Auffassung des 14. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, muss zudem auch beim unabweisbaren Bedarf hinsichtlich des Standards auf die herrschenden Lebensgewohnheiten unter Berücksichtigung einfacher Verhältnisse abgestellt werden (BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 45/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 5; vgl auch S. Knickrehm, Neue "Härtefallregelung" im SGB II und Gewährleistung des Existenzminimums, Soziales Recht 2012, 45, 59).Hieraus folgt im konkreten Fall, dass sich der Kläger bzw seine Mutter hätte kundig machen müssen, ob die Verpflichtung zur Entrichtung der Leihgebühr auch noch in der 7. Klassenstufe im Musikprofil besteht, bevor die Abbuchung akzeptiert wurde. Nach dem Text des Vertrages bestand eindeutig nur bis zum Ende des 6. Schuljahres eine Verpflichtung zur Entrichtung der Leihgebühren, eine zeitlich darüber hinaus gehende jedoch nur optional. Aus diesem Grund war die Bedarfsdeckung durch Entrichtung der Leihgebühren jedenfalls nicht alternativlos und damit unabweisbar. Zudem muss auch ein Leistungsberechtigter nach dem SGB II, wie dies den herrschenden Lebensgewohnheiten in einfachen Verhältnissen entspricht, prüfen, ob die Aufwendung abgewendet werden kann.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Mai 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Berücksichtigung von Aufwendungen für Schülerbeförderung im Schuljahr 2013/2014.

2

Der im April 2002 geborene Kläger lebt mit seinem Vater und seinen Geschwistern in einer Bedarfsgemeinschaft. Er bezog von August bis November 2013 sowie von Februar bis Juli 2014 aufstockende Leistungen für Unterkunft und Heizung von dem Beklagten, neben einer Halbwaisenrente von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz, Unterhalt und Kindergeld. Seit dem 13.8.2012 besuchte er den Sportzweig des fußläufig 3,6 km von der Wohnung seiner Familie entfernt liegenden H-Gymnasiums - Fußballklasse - in K (im Weiteren "K"). Bis Dezember 2012 erbrachte die Stadt K (Referat Schulen) Leistungen für Schülerbeförderung in Höhe von monatlich 32,50 Euro, abzüglich einer Eigenbeteiligung von 8 Euro monatlich, obwohl sie deren Gewährung durch Bescheid vom 24.4.2012 abgelehnt hatte. Zur Begründung der Ablehnung hatte sie ausgeführt, der Kläger müsse - anders als § 69 SchulG-RP es für die Übernahme von Schülerbeförderungskosten vorsehe - keinen Schulweg von mehr als 4 km zurücklegen, sondern lediglich von 2800 m. Auch sei der Fußweg nicht besonders gefährlich. Diese Ablehnung bestätigte die Stadt dem Vater des Klägers durch einen Vermerk vom 14.8.2013 auf dem vorgenannten Bescheid. Erstmals im Juli 2012 hatte der Vater für den Kläger eine Schülerjahreskarte erworben, für das Schuljahr 2013/2014 erneut. Am 10.7.2013 beantragte der Kläger Leistungen für Schülerbeförderung bei dem Beklagten. Dies lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 15.8.2013 unter Hinweis auf die Begründung der Stadt K ab. Im Widerspruchsbescheid vom 20.9.2013 führte der Beklagte aus, dass es sich bei dem H-Gymnasium nicht um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs handele. In der Nähe des Wohnortes des Klägers befänden sich zwei andere Gymnasien; das 900 m entfernte A-Gymnasium mit musischem Schwerpunkt und das 1,3 km entfernte R-Gymnasium mit Englisch oder Französisch als erster Fremdsprache sowie einem "MINT"-Schwerpunkt.

3

Mit seiner Klage gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten hat der Kläger vor dem SG geltend gemacht, dass der von ihm zurückzulegende Schulweg zum H-Gymnasium ein besonders gefährlicher sei, da ein Kreisel ohne Ampel und Fußgängerüberweg zu queren sei. Zudem führe der Weg an einer viel befahrenen Straße entlang. Es handele sich jedoch um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs, ein Sportgymnasium. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 20.11.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger zwar einen besonders gefährlichen Schulweg zum H-Gymnasium zurückzulegen habe. Auch gewährleiste der Sportzweig dieser Schule eine zusätzliche Förderung, die über die der nächstgelegenen Gymnasien hinausgehe. Insoweit handele es sich jedoch nicht um eine schulische, sondern überwiegend außerschulische Förderung durch Verbände und Vereine. Lediglich der Stundenplan sei den von diesen vorgegebenen oder mit diesen abgesprochenen Trainingszeiten angepasst.

4

Die Berufung des Klägers hiergegen hat das LSG durch Urteil vom 12.5.2015 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Übernahme der Schülerbeförderungskosten nach § 28 Abs 4 SGB II vorliegend nicht erfüllt seien. Bei dem H-Gymnasium handele es sich nicht um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs. Zwar werde der Begriff des Bildungsgangs im SGB II nicht definiert. Auch ließen sich den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte für seine Auslegung entnehmen. Ebenso könne, entgegen vielfacher Ausführungen in der Rechtsprechung der Instanzgerichte, den schulrechtlichen Vorschriften der Länder eine Definition dieses Begriffs nicht unmittelbar entnommen werden. Insoweit mangele es, anders als bei der Übernahme der Aufwendungen für mehrtägige Klassenfahrten, an einem ausdrücklichen gesetzlichen Verweis auf die schulrechtlichen Bestimmungen. Der Begriff des "Bildungsgangs" sei vielmehr bundeseinheitlich zu verwenden. Aus dem Umstand jedoch, dass der Bundesgesetzgeber den in den schul- und landesrechtlichen Bestimmungen sowie den Schulgesetzen üblichen Begriff des "Bildungsgangs" verwende, ohne ihn ausdrücklich mit einem grundsicherungsrechtlichen Inhalt zu versehen, sei zu schließen, dass eine schulische Ausbildung jedenfalls dann einen Bildungsgang iS des § 28 Abs 4 SGB II darstelle, wenn die schulrechtlichen Bestimmungen des Landes dies so vorsähen. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Für die Fahrtkostenübernahme nach § 69 Abs 3 S 2 SchulG-RP seien bei der Bestimmung der nächstgelegenen Schule Ausnahmen im Hinblick auf die Schulart iS der §§ 9, 10 SchulG-RP nur bei Schulen vorgesehen, die Besonderheiten wegen der zu wählenden ersten Fremdsprache aufwiesen. Unter Berücksichtigung dieser Ausnahme sei bei dem Begriff des Bildungsgangs einzig auf die jeweilige Schulart abzustellen. Weitere pädagogische oder organisatorische Schwerpunkte einer Schule hätten unberücksichtigt zu bleiben. Bei dem vom Kläger besuchten Sportgymnasium handele es sich jedenfalls nicht um eine Schule mit einer besonderen Ausrichtung. So werde nicht in einem erhöhten Maße Sport als Schulunterricht angeboten oder komme der Sportnote ein höherer Stellenwert zu. Vielmehr diene der Besuch der besonderen Sportklassen der Freihaltung des Unterrichts von Trainingszeiten in der gewählten Sportart. Die Stundenpläne würden in enger Abstimmung mit den Verbands- und Vereinstrainern gestaltet. Das vom Land Rheinland-Pfalz getragene Sportgymnasium stelle eine Maßnahme der Förderung des Hochleistungssports dar und keinen an den besonderen Fähigkeiten der Schüler orientierten Bildungsgang mit spezifischen Lernschwerpunkten und -anforderungen.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 28 Abs 4 SGB II. Das H-Gymnasium als Sportgymnasium sei als eigener Bildungsgang im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Es bestehe durchaus eine Verknüpfung zwischen schulischer Ausbildung und sportlicher Talentförderung.

6

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz von 12. Mai 2015 und des Sozialgerichts Speyer vom 20. November 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2013 monatlich Leistungen der Schülerbeförderung in Höhe von 34,30 Euro und vom 1. Januar bis 31. Juli 2014 in Höhe von 35,60 Euro, abzüglich eines Eigenanteils von 5 Euro monatlich zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen in der Entscheidung des LSG für zutreffend.

9

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

11

Der erkennende Senat vermochte nicht abschließend zu beurteilen, ob der Kläger für den streitigen Zeitraum einen Anspruch auf Leistungen für Schülerbeförderung iS des § 28 Abs 4 SGB II hat. Es mangelt bereits an Feststellungen des LSG dazu, ob der Kläger im streitigen Zeitraum hilfebedürftig und auf Schülerbeförderung für den Besuch des H-Gymnasiums angewiesen war sowie es ihm zuzumuten war, die Aufwendungen hierfür aus dem Regelbedarf zu tragen. Anders als vom LSG angenommen - insoweit waren aus Sicht des Berufungsgerichts die vorbenannten Feststellungen nicht erforderlich - sind die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Schülerbeförderung dem Grund nach jedoch insoweit gegeben, als es sich bei dem von dem Kläger besuchten Sportgymnasium um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs iS des § 28 Abs 4 S 1 SGB II handelt.

12

1. Im Streit stehen Leistungen für Aufwendungen der Schülerbeförderung iS des § 28 SGB II im Zeitraum vom 1.8.2013 bis 31.7.2014, wie sie der Beklagte durch Bescheid vom 15.8.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.9.2013 abgelehnt hat, der Höhe nach begrenzt durch den Antrag des Klägers im Revisionsverfahren.

13

Dieser Anspruch kann isoliert und allein als Anspruch des minderjährigen Klägers gerichtlich durchgesetzt werden (BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 12/13 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 8 RdNr 14). Er wird vom Kläger zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt.

14

2. Unter Berücksichtigung der Feststellungen des LSG, insbesondere zu der Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Vermittlung des Klägers in das SGB II durch seinen Vater als Kopf der Bedarfsgemeinschaft, geht der erkennende Senat vorliegend davon aus, dass die Voraussetzung der Leistungsberechtigung iS des § 7 SGB II, insbesondere der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II, im überwiegenden Teil des hier streitigen Zeitraumes gegeben waren. Nicht zu beurteilen vermag das BSG hingegen, ob die Leistungsvoraussetzungen für einen Anspruch nach § 28 Abs 4 SGB II auch in den Monaten Dezember 2013 und Januar 2014, in denen der Kläger keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten hat, vorlagen. Bei der Bewertung der nachzuholenden Feststellungen insoweit wird das LSG auch §§ 19 Abs 3 S 3, 28 Abs 1 S 1 und 11 Abs 1 S 4 SGB II zu berücksichtigen haben, denn die Leistungen der Bildung und Teilhabe sollen besondere Bedarfslagen bei Kindern und Jugendlichen im Einzelfall und unabhängig von der übrigen Bedarfsgemeinschaft gezielt decken(BT-Drucks 17/3404, S 104).

15

3. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs 4 SGB II idF des Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 7.5.2013 (mit Wirkung vom 1.8.2013, BGBl I 1167) konnte der erkennende Senat nur insoweit abschließend beurteilen, als es sich bei der von dem Kläger besuchten Schule um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs handelt. Nach § 28 Abs 4 S 1 SGB II werden bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Zur Ausfüllung des Begriffs der "nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs" ist bundeseinheitlich darauf abzustellen, ob es sich bei der besuchten Schule um eine solche handelt, die gegenüber den näher gelegenen Schulen einen eigenständigen Bildungsgang im Sinne eines eigenständigen Profils mit besonderer inhaltlicher Ausrichtung innerhalb der gewählten Schulart aufweist, sodass sie insoweit die "nächstgelegene" ist. Dies kann zwar weder dem Wortlaut der Norm, noch der Gesetzesbegründung oder landesschulrechtlichen Regelungen entnommen werden (a). Diese Ausfüllung des Begriffs der "nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs" folgt jedoch zwingend aus dem Sinn und Zweck der Leistungen für Schülerbeförderung als Teil des das Existenzminimum sicherstellenden "Bildungs- und Teilhabepakets" für Kinder und Jugendliche, unter Berücksichtigung systematischer Erwägungen und der Einbeziehung von Kriterien, die in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum BAföG entwickelt worden sind (b).

16

a) Was unter der "nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs" zu verstehen ist, lässt sich der Vorschrift des § 28 Abs 4 SGB II selbst nicht entnehmen. Diese Begriffe werden im Grundsicherungsrecht auch nicht definiert oder in anderem Zusammenhang verwendet. Ebenso sind sie umgangssprachlich nicht klar konturiert.

17

Die Gesetzesmaterialien sind insoweit ebenso wenig ergiebig. Dort werden die Begriffe "nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs" zunächst durch "Primärstufe, Sekundarstufe I und II" (BT-Drucks 17/4095, S 21) und später beispielhaft als "Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule, Gemeinschaftsschule" umschrieben (BT-Drucks 17/4095, S 30 zur Einfügung des § 28 Abs 3a SGB II). Dem LSG ist zuzugeben, dass der "gewählte Bildungsgang" jedoch nicht mit der Schulstufe gleichgesetzt werden kann, denn diese ist nicht wählbar. Ferner ist letzterer Konkretisierungsversuch auch insoweit unschlüssig, als etwa die Gesamtschule in zahlreichen Bundesländern sowohl die Schulart der Realschule als auch des Gymnasiums umfasst.

18

Zutreffend geht das LSG ebenfalls davon aus, dass der Begriff des "gewählten Bildungsgangs" auch nicht den landesrechtlichen Bestimmungen zu entnehmen ist (s zum Verhältnis von Bundesrecht zu schulrechtlichen Bestimmungen der Länder ausführlich BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 15 RdNr 13 ff). Abgesehen davon, dass er dort sehr uneinheitlich verwendet wird, zeigt die Gesetzesgeschichte, dass die landesrechtlichen Regelungen hier außer Betracht zu bleiben haben. So wird in der Ausschussdrucksache betont, dass die Schülerbeförderungskosten in einigen Bundesländern regelhaft nur bis zum Abschluss der Sekundarstufe 1 übernommen würden. Die neuen Leistungen des § 28 Abs 4 SGB II sollten gezielt darüber hinausgehen. Insoweit galt es der Aufforderung des BVerfG an den Gesetzgeber nachzukommen, hilfebedürftige Schülerinnen und Schüler mit den für den Schulbesuch notwendigen Mitteln auszustatten (Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 241 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 181), soweit insbesondere die Länder im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen dafür keine gleichwertigen Leistungsansprüche bereithielten (BT-Drucks 17/4095, S 30). Wenn mithin die Regelungen der Länder vielfach als nicht ausreichend analysiert und die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung erkannt worden ist, sind die schulrechtlichen Regelungen der Länder ungeeignet, um als Auslegungshilfe bei der verwendeten Begrifflichkeit zu dienen.

19

Zudem mangelt es bereits in der bundesrechtlichen Regelung des § 28 Abs 4 SGB II, anders als im Hinblick auf die Leistungen für eine angemessene Lernförderung nach § 28 Abs 5 SGB II und die mehrtägige Klassenfahrt nach § 28 Abs 2 SGB II(s noch zur Regelung des § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 15), an einem ausdrücklichen Verweis auf die schulrechtlichen Bestimmungen der Länder. Der Begriff wird demnach ausschließlich in einen bundesrechtlichen Bezugsrahmen gestellt. Dies entspricht auch der Verantwortungsverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich der Existenzsicherung. So hat das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 die Erwägung der Bundesregierung, die Bedarfsdeckung obliege im Bereich des Bildungswesens den Ländern, als nicht tragfähig befunden (Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 241 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 181). Da der Bund mit der Einfügung der Regelung über die Schülerbeförderung zum 1.1.2011 in das SGB II - als Teil des "Bildungs- und Teilhabepakets" (durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011, BGBl I 453) - zugleich die Anforderungen des BVerfG einfachgesetzlich umgesetzt hat (BT-Drucks 17/12036, S 1), muss sich die Ausfüllung des bundesrechtlichen Bezugsrahmens an den Anforderungen des BVerfG für die Ausgestaltung der existenzsichernden Leistungen für Kinder und Jugendliche ausrichten.

20

b) Anknüpfungspunkt des BVerfG insoweit ist die Gewährleistung des gleichberechtigten Zugangs zu Bildung im schulischen und außerschulischen Bereich für Kinder und Jugendliche aus besonders förderungsbedürftigen Haushalten (BT-Drucks 17/12036, S 1). Dieser ist als erforderlich befunden worden, um die materielle Basis für Chancengerechtigkeit herzustellen. Insbesondere in der Bildung hat der Gesetzgeber dabei eine Schlüsselfunktion zur nachhaltigen Überwindung von Hilfebedürftigkeit und zur Schaffung von zukünftigen Lebenschancen erkannt (BR-Drucks 661/10, S 168). Zugleich besteht allerdings ein Spannungsverhältnis zwischen dem die Menschenwürde achtenden Sozialstaat, der nachrangig Leistungen aus dem Fürsorgesystem erbringt, und der Notwendigkeit, insbesondere Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Haushalten - durch Entwicklung und Entfaltung ihrer Fähigkeiten - in die Lage zu versetzen, ihren Lebensunterhalt später aus eigenen Kräften bestreiten zu können (BR-Drucks 661/10, S 168, unter Hinweis auf BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 246 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 192). Die Auslegung des Begriffs der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs hat daher der Realisierung von Bildungs- und Lebenschancen und dem Nachrang der Fürsorgeleistung im Sinne der Reduzierung der Aufwendungen auf ein notwendiges Maß Rechnung zu tragen. Der Nachrang findet in § 28 Abs 4 S 1 SGB II seine Anknüpfung dergestalt, dass Fahrtkosten nur zur nächstgelegenen und nicht einer beliebig weit entfernten Schule als Bedarf anerkannt werden. Die Förderung der Chancengleichheit und die Rücksicht auf die Fähigkeiten sowie Begabungen des einzelnen Schülers, um Lebenschancen zu ermöglichen, schlägt sich in den Worten des "gewählten Bildungsgangs" nieder. Um die letztbenannten Ziele dabei tatsächlich zu erreichen, kann zur Ausfüllung des Begriffs des "Bildungsgangs" nicht allein auf die Schulart abgestellt werden. Im Hinblick auf Begabung und Fähigkeiten kommt es darauf an, dass sie in der nächstgelegenen Schule auch gefördert und damit Lebenschancen erweiternd eingesetzt werden können sowie Chancengleichheit damit gewährleistet wird. Daher ist auf das Profil der Schule der besuchten Schulart abzustellen, soweit hieraus eine besondere inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts folgt, die nicht der der nächstgelegenen Schule entspricht. Hiervon ist auch auszugehen, wenn - wie vorliegend - die Schule durch organisatorische Vorkehrungen die Vermittlung besonderer Inhalte durch Dritte ermöglicht.

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Insoweit kann an die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu § 2 Abs 1a S 1 Nr 1 BAföG angeknüpft werden. Nach dieser Vorschrift wird Ausbildungsförderung für den Besuch einer in § 2 Abs 1 Nr 1 BAföG bezeichneten Ausbildungsstätte nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist(idF der Neubekanntmachung vom 7.12.2010, BGBl I 1952). Auch in der genannten Regelung geht es um das Ob und die Höhe einer Leistung, die die Durchführung der Ausbildung gewährleisten soll, wenn eine zumutbar zu besuchende Ausbildungsstätte nicht in der Nähe zur elterlichen Wohnung gelegen ist. Das BVerwG hat zur Abgrenzung entschieden, es genüge für die Annahme einer entsprechenden zumutbaren Ausbildungsstätte iS des § 2 Abs 1a S 1 Nr 1 BAföG nicht, dass dort der gleiche Abschluss erreicht werden könne. So seien zB Gymnasien nach Lehrstoff und Lehrinhalten verschieden (BVerwG Beschluss vom 20.9.1996 - 5 B 177/95 - juris RdNr 4; BVerwG Urteil vom 31.3.1980 - 5 C 41.78 - juris; vgl auch Pesch in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl 2014, § 2 RdNr 63). Insoweit sind in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als Differenzierungskriterien angesehen worden: Unterschiedliche Aufnahmebedingungen und Prüfungsvoraussetzungen oder organisatorische Gestaltungen (BVerwG Urteil vom 16.12.1976 - V C 43.75 - BVerwGE 51, 354, 357), unterschiedliche weltanschauliche oder konfessionelle Prägungen (BVerwG Urteil vom 14.12.1978 - V C 49.77 - BVerwGE 57, 198, 200; VG Würzburg Urteil vom 22.10.2015 - W 3 K 14.385 - juris RdNr 17; s auch Pesch in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl 2014, § 2 RdNr 62)oder mit einem nicht unerheblichen Anteil über den üblichen Fächerkanon hinausgehende sprach- oder berufsspezifische Unterrichtsangebote, die der Schule insgesamt ihre Prägung geben (Bayerischer VGH Beschluss vom 18.5.2015 - 12 ZB 14.2860 - juris RdNr 12). Hieran anknüpfend wird insbesondere das Profil einer Schule als Differenzierungskriterium angesehen (VG Göttingen Urteil vom 24.3.2015 - 2 A 780/13 - juris RdNr 40; s auch Blanke/Deres, Ausbildungsförderungsrecht, 38. Aufl 2014, § 2 Anm 2.1a.9 und 2.1a.10), auch im Hinblick auf sportliche Leistungsanforderungen sowohl bei der Aufnahme, als auch bei der Frage der Berechtigung des Verbleibs auf der Schule (VG Dresden Beschluss vom 16.8.2011 - 5 L 409/11 - juris RdNr 27). Ähnliche Überlegungen sind im Übrigen auch in der Literatur zu § 28 Abs 4 SGB II angestellt worden(ähnlich Thommes in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 12/2015, § 28 RdNr 24; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 7/2015, § 28 RdNr 66; aA wohl Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 28 RdNr 118).

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Der von dem Kläger besuchte Sportzweig des H-Gymnasiums ist in diesem Sinne ein Bildungsgang mit einem eigenständigen Profil, das eine besondere inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts mit sich bringt. Im konkreten Fall kommt das LSG auch nur deswegen zu einer anderen Wertung, weil es insoweit von einem unzutreffenden Maßstab ausgeht. Es stellt ausschließlich darauf ab, dass der verstärkte Sportunterricht mit dem Ziel des Erwerbs von Fähigkeiten, die für den Hochleistungssport erforderlich sind, nicht in der und durch die Schule selbst, sondern in Kooperation mit den Vereinen und Verbänden, getragen von diesen, erfolgt. Zutreffend hieran ist zwar, dass rein außerschulische Strukturen, die nur an die Organisation "Schule" angeschlossen sind, nicht als eigenes Profil einer Schule anzusehen sind, wenn es gilt, diese unter den Begriff des "gewählten Bildungsgangs" zu fassen (vgl VG Würzburg Urteil vom 22.10.2015 - W 3 K 14.385 - juris RdNr 19 f). Ist die organisatorische Struktur der Schule jedoch auf die außerschulische Aktivität ausgerichtet, wird also der Unterricht zeitlich/organisatorisch an die außerschulische Aktivität angepasst, so ist dies das prägende Profil der Schule. Dies gilt umso mehr, wenn, wie vom LSG für das H-Gymnasium in K festgestellt, auch die Aufnahmevoraussetzungen und die Versetzung in die Klassenstufe 7 von den Leistungen in diesen außerschulischen Aktivitäten abhängen. Dass es sich bei dem H-Gymnasium auch um das nächstgelegene Sportgymnasium iS des § 28 Abs 4 SGB II handelt, ist den Feststellungen des LSG zu entnehmen, wenn es darauf verweist, dass die anderen beiden Gymnasien im Umkreis des Wohnortes des Klägers über andere Profile verfügen (musischer bzw MINT-Schwerpunkt).

23

4. Nicht abschließend konnte der Senat darüber befinden, ob der Kläger auf Schülerbeförderung für den Besuch des H-Gymnasiums angewiesen war. Auch der Begriff des auf Schülerbeförderung Angewiesenseins wird in § 28 Abs 4 SGB II nicht näher umschrieben. Da in allen landesschulrechtlichen Bestimmungen im Bundesgebiet als Maßstab insoweit in erster Linie auf die Entfernung zwischen dem Wohnort und der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs abgestellt wird, kann dies hier auch für die Auslegung des Bundesrechts herangezogen werden (vgl Thommes in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 12/2015, § 28 RdNr 25; aA Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 28 RdNr 34, der wohl die landesrechtlichen Bestimmungen vollständig in die Prüfung einbeziehen möchte - dazu jedoch unter 3c). Dabei kommt es darauf an, ob dieser Weg zumutbar zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden kann oder ob dies nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich ist, für deren Benutzung sodann Leistungen zur Schülerbeförderung zu erbringen sind (s Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 28 RdNr 125; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 7/2015, § 28 RdNr 67). Die Zumutbarkeit ist anhand der örtlichen Besonderheiten und/oder der persönlichen Umstände des Schülers zu bemessen (s auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 28 RdNr 34). Das heißt, es ist abzustellen zB auf die Beschaffenheit des zurückzulegenden Weges, das Verkehrsaufkommen dort, das Alter des Schülers, etwaige körperliche Beeinträchtigungen oder die Erforderlichkeit des regelmäßigen Transportes größerer Gepäckstücke (vgl Leopold in Schlegel/Voelzke, juris PK, SGB II, 4. Aufl 2015, § 28 RdNr 125; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 7/2015, § 28 RdNr 67). Hierzu hat das LSG keine Feststellungen getroffen. Es stellt im Tatbestand seines Urteils lediglich dar, wie der Weg des Klägers zum H-Gymnasium verkehrstechnisch beschaffen ist. Eine Einschätzung, etwa folgend der des SG, dass es sich bei dem Fußweg von der Wohnung des Klägers zum H-Gymnasium um einen besonders gefährlichen Weg handele, hat es nicht vorgenommen. Auch wenn vieles dafür spricht, dass die Bewertung des SG zutreffend sein könnte, wird das LSG - als Tatsacheninstanz - sie im wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben, um sodann auf dieser Grundlage beurteilen zu können, ob der Kläger auf Schülerbeförderung für den Besuch des H-Gymnasiums angewiesen ist.

24

5. Ebenso wird das LSG zu entscheiden haben, in welcher Höhe die Aufwendungen des Klägers für Schülerbeförderung erforderlich waren. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass die von dem Kläger in seinem Antrag bezifferten Beträge von 32,50 Euro und 34,30 Euro seinen tatsächlichen Aufwendungen für die Schülerjahresfahrkarte entsprechen. Dazu, ob diese tatsächlichen Aufwendungen jedoch erforderlich waren um das H-Gymnasium mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, hat das LSG bisher ebenso wenig Feststellungen getroffen, wie zur Beantwortung der Frage danach, ob sie durch Dritte, etwa die Sportvereine, die in das Lernkonzept des besuchten Gymnasiums eingebunden sind, übernommen worden sind. Dabei wird es auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger seinen Klageantrag bereits insoweit beschränkt hat, als er Aufwendungen reduziert um einen monatlichen Eigenanteil von 5 Euro iS des § 28 Abs 4 S 2 SGB II(in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 7.5.2013, BGBl I 1167, mW zum 1.8.2013) begehrt. Daher ist nicht mehr darüber zu befinden, ob ein niedrigerer Eigenanteil unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen ist. Das LSG wird vielmehr nur noch zu prüfen haben, ob auch ansonsten von einem Regelfall auszugehen ist.

25

6. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen.

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Wird ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen einzelnen Monat gestellt, in dem aus Jahresabrechnungen von Heizenergiekosten oder aus der angemessenen Bevorratung mit Heizmitteln resultierende Aufwendungen für die Heizung fällig sind, wirkt dieser Antrag, wenn er bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt wird, auf den Ersten des Fälligkeitsmonats zurück. Satz 3 gilt nur für Anträge, die bis zum 31. Dezember 2023 gestellt werden.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen.

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Wird ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen einzelnen Monat gestellt, in dem aus Jahresabrechnungen von Heizenergiekosten oder aus der angemessenen Bevorratung mit Heizmitteln resultierende Aufwendungen für die Heizung fällig sind, wirkt dieser Antrag, wenn er bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt wird, auf den Ersten des Fälligkeitsmonats zurück. Satz 3 gilt nur für Anträge, die bis zum 31. Dezember 2023 gestellt werden.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Mai 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Berücksichtigung von Aufwendungen für Schülerbeförderung im Schuljahr 2013/2014.

2

Der im April 2002 geborene Kläger lebt mit seinem Vater und seinen Geschwistern in einer Bedarfsgemeinschaft. Er bezog von August bis November 2013 sowie von Februar bis Juli 2014 aufstockende Leistungen für Unterkunft und Heizung von dem Beklagten, neben einer Halbwaisenrente von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz, Unterhalt und Kindergeld. Seit dem 13.8.2012 besuchte er den Sportzweig des fußläufig 3,6 km von der Wohnung seiner Familie entfernt liegenden H-Gymnasiums - Fußballklasse - in K (im Weiteren "K"). Bis Dezember 2012 erbrachte die Stadt K (Referat Schulen) Leistungen für Schülerbeförderung in Höhe von monatlich 32,50 Euro, abzüglich einer Eigenbeteiligung von 8 Euro monatlich, obwohl sie deren Gewährung durch Bescheid vom 24.4.2012 abgelehnt hatte. Zur Begründung der Ablehnung hatte sie ausgeführt, der Kläger müsse - anders als § 69 SchulG-RP es für die Übernahme von Schülerbeförderungskosten vorsehe - keinen Schulweg von mehr als 4 km zurücklegen, sondern lediglich von 2800 m. Auch sei der Fußweg nicht besonders gefährlich. Diese Ablehnung bestätigte die Stadt dem Vater des Klägers durch einen Vermerk vom 14.8.2013 auf dem vorgenannten Bescheid. Erstmals im Juli 2012 hatte der Vater für den Kläger eine Schülerjahreskarte erworben, für das Schuljahr 2013/2014 erneut. Am 10.7.2013 beantragte der Kläger Leistungen für Schülerbeförderung bei dem Beklagten. Dies lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 15.8.2013 unter Hinweis auf die Begründung der Stadt K ab. Im Widerspruchsbescheid vom 20.9.2013 führte der Beklagte aus, dass es sich bei dem H-Gymnasium nicht um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs handele. In der Nähe des Wohnortes des Klägers befänden sich zwei andere Gymnasien; das 900 m entfernte A-Gymnasium mit musischem Schwerpunkt und das 1,3 km entfernte R-Gymnasium mit Englisch oder Französisch als erster Fremdsprache sowie einem "MINT"-Schwerpunkt.

3

Mit seiner Klage gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten hat der Kläger vor dem SG geltend gemacht, dass der von ihm zurückzulegende Schulweg zum H-Gymnasium ein besonders gefährlicher sei, da ein Kreisel ohne Ampel und Fußgängerüberweg zu queren sei. Zudem führe der Weg an einer viel befahrenen Straße entlang. Es handele sich jedoch um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs, ein Sportgymnasium. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 20.11.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger zwar einen besonders gefährlichen Schulweg zum H-Gymnasium zurückzulegen habe. Auch gewährleiste der Sportzweig dieser Schule eine zusätzliche Förderung, die über die der nächstgelegenen Gymnasien hinausgehe. Insoweit handele es sich jedoch nicht um eine schulische, sondern überwiegend außerschulische Förderung durch Verbände und Vereine. Lediglich der Stundenplan sei den von diesen vorgegebenen oder mit diesen abgesprochenen Trainingszeiten angepasst.

4

Die Berufung des Klägers hiergegen hat das LSG durch Urteil vom 12.5.2015 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Übernahme der Schülerbeförderungskosten nach § 28 Abs 4 SGB II vorliegend nicht erfüllt seien. Bei dem H-Gymnasium handele es sich nicht um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs. Zwar werde der Begriff des Bildungsgangs im SGB II nicht definiert. Auch ließen sich den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte für seine Auslegung entnehmen. Ebenso könne, entgegen vielfacher Ausführungen in der Rechtsprechung der Instanzgerichte, den schulrechtlichen Vorschriften der Länder eine Definition dieses Begriffs nicht unmittelbar entnommen werden. Insoweit mangele es, anders als bei der Übernahme der Aufwendungen für mehrtägige Klassenfahrten, an einem ausdrücklichen gesetzlichen Verweis auf die schulrechtlichen Bestimmungen. Der Begriff des "Bildungsgangs" sei vielmehr bundeseinheitlich zu verwenden. Aus dem Umstand jedoch, dass der Bundesgesetzgeber den in den schul- und landesrechtlichen Bestimmungen sowie den Schulgesetzen üblichen Begriff des "Bildungsgangs" verwende, ohne ihn ausdrücklich mit einem grundsicherungsrechtlichen Inhalt zu versehen, sei zu schließen, dass eine schulische Ausbildung jedenfalls dann einen Bildungsgang iS des § 28 Abs 4 SGB II darstelle, wenn die schulrechtlichen Bestimmungen des Landes dies so vorsähen. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Für die Fahrtkostenübernahme nach § 69 Abs 3 S 2 SchulG-RP seien bei der Bestimmung der nächstgelegenen Schule Ausnahmen im Hinblick auf die Schulart iS der §§ 9, 10 SchulG-RP nur bei Schulen vorgesehen, die Besonderheiten wegen der zu wählenden ersten Fremdsprache aufwiesen. Unter Berücksichtigung dieser Ausnahme sei bei dem Begriff des Bildungsgangs einzig auf die jeweilige Schulart abzustellen. Weitere pädagogische oder organisatorische Schwerpunkte einer Schule hätten unberücksichtigt zu bleiben. Bei dem vom Kläger besuchten Sportgymnasium handele es sich jedenfalls nicht um eine Schule mit einer besonderen Ausrichtung. So werde nicht in einem erhöhten Maße Sport als Schulunterricht angeboten oder komme der Sportnote ein höherer Stellenwert zu. Vielmehr diene der Besuch der besonderen Sportklassen der Freihaltung des Unterrichts von Trainingszeiten in der gewählten Sportart. Die Stundenpläne würden in enger Abstimmung mit den Verbands- und Vereinstrainern gestaltet. Das vom Land Rheinland-Pfalz getragene Sportgymnasium stelle eine Maßnahme der Förderung des Hochleistungssports dar und keinen an den besonderen Fähigkeiten der Schüler orientierten Bildungsgang mit spezifischen Lernschwerpunkten und -anforderungen.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 28 Abs 4 SGB II. Das H-Gymnasium als Sportgymnasium sei als eigener Bildungsgang im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Es bestehe durchaus eine Verknüpfung zwischen schulischer Ausbildung und sportlicher Talentförderung.

6

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz von 12. Mai 2015 und des Sozialgerichts Speyer vom 20. November 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2013 monatlich Leistungen der Schülerbeförderung in Höhe von 34,30 Euro und vom 1. Januar bis 31. Juli 2014 in Höhe von 35,60 Euro, abzüglich eines Eigenanteils von 5 Euro monatlich zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen in der Entscheidung des LSG für zutreffend.

9

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

11

Der erkennende Senat vermochte nicht abschließend zu beurteilen, ob der Kläger für den streitigen Zeitraum einen Anspruch auf Leistungen für Schülerbeförderung iS des § 28 Abs 4 SGB II hat. Es mangelt bereits an Feststellungen des LSG dazu, ob der Kläger im streitigen Zeitraum hilfebedürftig und auf Schülerbeförderung für den Besuch des H-Gymnasiums angewiesen war sowie es ihm zuzumuten war, die Aufwendungen hierfür aus dem Regelbedarf zu tragen. Anders als vom LSG angenommen - insoweit waren aus Sicht des Berufungsgerichts die vorbenannten Feststellungen nicht erforderlich - sind die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Schülerbeförderung dem Grund nach jedoch insoweit gegeben, als es sich bei dem von dem Kläger besuchten Sportgymnasium um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs iS des § 28 Abs 4 S 1 SGB II handelt.

12

1. Im Streit stehen Leistungen für Aufwendungen der Schülerbeförderung iS des § 28 SGB II im Zeitraum vom 1.8.2013 bis 31.7.2014, wie sie der Beklagte durch Bescheid vom 15.8.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.9.2013 abgelehnt hat, der Höhe nach begrenzt durch den Antrag des Klägers im Revisionsverfahren.

13

Dieser Anspruch kann isoliert und allein als Anspruch des minderjährigen Klägers gerichtlich durchgesetzt werden (BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 12/13 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 8 RdNr 14). Er wird vom Kläger zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt.

14

2. Unter Berücksichtigung der Feststellungen des LSG, insbesondere zu der Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Vermittlung des Klägers in das SGB II durch seinen Vater als Kopf der Bedarfsgemeinschaft, geht der erkennende Senat vorliegend davon aus, dass die Voraussetzung der Leistungsberechtigung iS des § 7 SGB II, insbesondere der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II, im überwiegenden Teil des hier streitigen Zeitraumes gegeben waren. Nicht zu beurteilen vermag das BSG hingegen, ob die Leistungsvoraussetzungen für einen Anspruch nach § 28 Abs 4 SGB II auch in den Monaten Dezember 2013 und Januar 2014, in denen der Kläger keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten hat, vorlagen. Bei der Bewertung der nachzuholenden Feststellungen insoweit wird das LSG auch §§ 19 Abs 3 S 3, 28 Abs 1 S 1 und 11 Abs 1 S 4 SGB II zu berücksichtigen haben, denn die Leistungen der Bildung und Teilhabe sollen besondere Bedarfslagen bei Kindern und Jugendlichen im Einzelfall und unabhängig von der übrigen Bedarfsgemeinschaft gezielt decken(BT-Drucks 17/3404, S 104).

15

3. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs 4 SGB II idF des Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 7.5.2013 (mit Wirkung vom 1.8.2013, BGBl I 1167) konnte der erkennende Senat nur insoweit abschließend beurteilen, als es sich bei der von dem Kläger besuchten Schule um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs handelt. Nach § 28 Abs 4 S 1 SGB II werden bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Zur Ausfüllung des Begriffs der "nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs" ist bundeseinheitlich darauf abzustellen, ob es sich bei der besuchten Schule um eine solche handelt, die gegenüber den näher gelegenen Schulen einen eigenständigen Bildungsgang im Sinne eines eigenständigen Profils mit besonderer inhaltlicher Ausrichtung innerhalb der gewählten Schulart aufweist, sodass sie insoweit die "nächstgelegene" ist. Dies kann zwar weder dem Wortlaut der Norm, noch der Gesetzesbegründung oder landesschulrechtlichen Regelungen entnommen werden (a). Diese Ausfüllung des Begriffs der "nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs" folgt jedoch zwingend aus dem Sinn und Zweck der Leistungen für Schülerbeförderung als Teil des das Existenzminimum sicherstellenden "Bildungs- und Teilhabepakets" für Kinder und Jugendliche, unter Berücksichtigung systematischer Erwägungen und der Einbeziehung von Kriterien, die in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum BAföG entwickelt worden sind (b).

16

a) Was unter der "nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs" zu verstehen ist, lässt sich der Vorschrift des § 28 Abs 4 SGB II selbst nicht entnehmen. Diese Begriffe werden im Grundsicherungsrecht auch nicht definiert oder in anderem Zusammenhang verwendet. Ebenso sind sie umgangssprachlich nicht klar konturiert.

17

Die Gesetzesmaterialien sind insoweit ebenso wenig ergiebig. Dort werden die Begriffe "nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs" zunächst durch "Primärstufe, Sekundarstufe I und II" (BT-Drucks 17/4095, S 21) und später beispielhaft als "Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule, Gemeinschaftsschule" umschrieben (BT-Drucks 17/4095, S 30 zur Einfügung des § 28 Abs 3a SGB II). Dem LSG ist zuzugeben, dass der "gewählte Bildungsgang" jedoch nicht mit der Schulstufe gleichgesetzt werden kann, denn diese ist nicht wählbar. Ferner ist letzterer Konkretisierungsversuch auch insoweit unschlüssig, als etwa die Gesamtschule in zahlreichen Bundesländern sowohl die Schulart der Realschule als auch des Gymnasiums umfasst.

18

Zutreffend geht das LSG ebenfalls davon aus, dass der Begriff des "gewählten Bildungsgangs" auch nicht den landesrechtlichen Bestimmungen zu entnehmen ist (s zum Verhältnis von Bundesrecht zu schulrechtlichen Bestimmungen der Länder ausführlich BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 15 RdNr 13 ff). Abgesehen davon, dass er dort sehr uneinheitlich verwendet wird, zeigt die Gesetzesgeschichte, dass die landesrechtlichen Regelungen hier außer Betracht zu bleiben haben. So wird in der Ausschussdrucksache betont, dass die Schülerbeförderungskosten in einigen Bundesländern regelhaft nur bis zum Abschluss der Sekundarstufe 1 übernommen würden. Die neuen Leistungen des § 28 Abs 4 SGB II sollten gezielt darüber hinausgehen. Insoweit galt es der Aufforderung des BVerfG an den Gesetzgeber nachzukommen, hilfebedürftige Schülerinnen und Schüler mit den für den Schulbesuch notwendigen Mitteln auszustatten (Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 241 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 181), soweit insbesondere die Länder im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen dafür keine gleichwertigen Leistungsansprüche bereithielten (BT-Drucks 17/4095, S 30). Wenn mithin die Regelungen der Länder vielfach als nicht ausreichend analysiert und die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung erkannt worden ist, sind die schulrechtlichen Regelungen der Länder ungeeignet, um als Auslegungshilfe bei der verwendeten Begrifflichkeit zu dienen.

19

Zudem mangelt es bereits in der bundesrechtlichen Regelung des § 28 Abs 4 SGB II, anders als im Hinblick auf die Leistungen für eine angemessene Lernförderung nach § 28 Abs 5 SGB II und die mehrtägige Klassenfahrt nach § 28 Abs 2 SGB II(s noch zur Regelung des § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 15), an einem ausdrücklichen Verweis auf die schulrechtlichen Bestimmungen der Länder. Der Begriff wird demnach ausschließlich in einen bundesrechtlichen Bezugsrahmen gestellt. Dies entspricht auch der Verantwortungsverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich der Existenzsicherung. So hat das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 die Erwägung der Bundesregierung, die Bedarfsdeckung obliege im Bereich des Bildungswesens den Ländern, als nicht tragfähig befunden (Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 241 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 181). Da der Bund mit der Einfügung der Regelung über die Schülerbeförderung zum 1.1.2011 in das SGB II - als Teil des "Bildungs- und Teilhabepakets" (durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011, BGBl I 453) - zugleich die Anforderungen des BVerfG einfachgesetzlich umgesetzt hat (BT-Drucks 17/12036, S 1), muss sich die Ausfüllung des bundesrechtlichen Bezugsrahmens an den Anforderungen des BVerfG für die Ausgestaltung der existenzsichernden Leistungen für Kinder und Jugendliche ausrichten.

20

b) Anknüpfungspunkt des BVerfG insoweit ist die Gewährleistung des gleichberechtigten Zugangs zu Bildung im schulischen und außerschulischen Bereich für Kinder und Jugendliche aus besonders förderungsbedürftigen Haushalten (BT-Drucks 17/12036, S 1). Dieser ist als erforderlich befunden worden, um die materielle Basis für Chancengerechtigkeit herzustellen. Insbesondere in der Bildung hat der Gesetzgeber dabei eine Schlüsselfunktion zur nachhaltigen Überwindung von Hilfebedürftigkeit und zur Schaffung von zukünftigen Lebenschancen erkannt (BR-Drucks 661/10, S 168). Zugleich besteht allerdings ein Spannungsverhältnis zwischen dem die Menschenwürde achtenden Sozialstaat, der nachrangig Leistungen aus dem Fürsorgesystem erbringt, und der Notwendigkeit, insbesondere Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Haushalten - durch Entwicklung und Entfaltung ihrer Fähigkeiten - in die Lage zu versetzen, ihren Lebensunterhalt später aus eigenen Kräften bestreiten zu können (BR-Drucks 661/10, S 168, unter Hinweis auf BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 246 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 192). Die Auslegung des Begriffs der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs hat daher der Realisierung von Bildungs- und Lebenschancen und dem Nachrang der Fürsorgeleistung im Sinne der Reduzierung der Aufwendungen auf ein notwendiges Maß Rechnung zu tragen. Der Nachrang findet in § 28 Abs 4 S 1 SGB II seine Anknüpfung dergestalt, dass Fahrtkosten nur zur nächstgelegenen und nicht einer beliebig weit entfernten Schule als Bedarf anerkannt werden. Die Förderung der Chancengleichheit und die Rücksicht auf die Fähigkeiten sowie Begabungen des einzelnen Schülers, um Lebenschancen zu ermöglichen, schlägt sich in den Worten des "gewählten Bildungsgangs" nieder. Um die letztbenannten Ziele dabei tatsächlich zu erreichen, kann zur Ausfüllung des Begriffs des "Bildungsgangs" nicht allein auf die Schulart abgestellt werden. Im Hinblick auf Begabung und Fähigkeiten kommt es darauf an, dass sie in der nächstgelegenen Schule auch gefördert und damit Lebenschancen erweiternd eingesetzt werden können sowie Chancengleichheit damit gewährleistet wird. Daher ist auf das Profil der Schule der besuchten Schulart abzustellen, soweit hieraus eine besondere inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts folgt, die nicht der der nächstgelegenen Schule entspricht. Hiervon ist auch auszugehen, wenn - wie vorliegend - die Schule durch organisatorische Vorkehrungen die Vermittlung besonderer Inhalte durch Dritte ermöglicht.

21

Insoweit kann an die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu § 2 Abs 1a S 1 Nr 1 BAföG angeknüpft werden. Nach dieser Vorschrift wird Ausbildungsförderung für den Besuch einer in § 2 Abs 1 Nr 1 BAföG bezeichneten Ausbildungsstätte nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist(idF der Neubekanntmachung vom 7.12.2010, BGBl I 1952). Auch in der genannten Regelung geht es um das Ob und die Höhe einer Leistung, die die Durchführung der Ausbildung gewährleisten soll, wenn eine zumutbar zu besuchende Ausbildungsstätte nicht in der Nähe zur elterlichen Wohnung gelegen ist. Das BVerwG hat zur Abgrenzung entschieden, es genüge für die Annahme einer entsprechenden zumutbaren Ausbildungsstätte iS des § 2 Abs 1a S 1 Nr 1 BAföG nicht, dass dort der gleiche Abschluss erreicht werden könne. So seien zB Gymnasien nach Lehrstoff und Lehrinhalten verschieden (BVerwG Beschluss vom 20.9.1996 - 5 B 177/95 - juris RdNr 4; BVerwG Urteil vom 31.3.1980 - 5 C 41.78 - juris; vgl auch Pesch in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl 2014, § 2 RdNr 63). Insoweit sind in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als Differenzierungskriterien angesehen worden: Unterschiedliche Aufnahmebedingungen und Prüfungsvoraussetzungen oder organisatorische Gestaltungen (BVerwG Urteil vom 16.12.1976 - V C 43.75 - BVerwGE 51, 354, 357), unterschiedliche weltanschauliche oder konfessionelle Prägungen (BVerwG Urteil vom 14.12.1978 - V C 49.77 - BVerwGE 57, 198, 200; VG Würzburg Urteil vom 22.10.2015 - W 3 K 14.385 - juris RdNr 17; s auch Pesch in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl 2014, § 2 RdNr 62)oder mit einem nicht unerheblichen Anteil über den üblichen Fächerkanon hinausgehende sprach- oder berufsspezifische Unterrichtsangebote, die der Schule insgesamt ihre Prägung geben (Bayerischer VGH Beschluss vom 18.5.2015 - 12 ZB 14.2860 - juris RdNr 12). Hieran anknüpfend wird insbesondere das Profil einer Schule als Differenzierungskriterium angesehen (VG Göttingen Urteil vom 24.3.2015 - 2 A 780/13 - juris RdNr 40; s auch Blanke/Deres, Ausbildungsförderungsrecht, 38. Aufl 2014, § 2 Anm 2.1a.9 und 2.1a.10), auch im Hinblick auf sportliche Leistungsanforderungen sowohl bei der Aufnahme, als auch bei der Frage der Berechtigung des Verbleibs auf der Schule (VG Dresden Beschluss vom 16.8.2011 - 5 L 409/11 - juris RdNr 27). Ähnliche Überlegungen sind im Übrigen auch in der Literatur zu § 28 Abs 4 SGB II angestellt worden(ähnlich Thommes in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 12/2015, § 28 RdNr 24; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 7/2015, § 28 RdNr 66; aA wohl Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 28 RdNr 118).

22

Der von dem Kläger besuchte Sportzweig des H-Gymnasiums ist in diesem Sinne ein Bildungsgang mit einem eigenständigen Profil, das eine besondere inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts mit sich bringt. Im konkreten Fall kommt das LSG auch nur deswegen zu einer anderen Wertung, weil es insoweit von einem unzutreffenden Maßstab ausgeht. Es stellt ausschließlich darauf ab, dass der verstärkte Sportunterricht mit dem Ziel des Erwerbs von Fähigkeiten, die für den Hochleistungssport erforderlich sind, nicht in der und durch die Schule selbst, sondern in Kooperation mit den Vereinen und Verbänden, getragen von diesen, erfolgt. Zutreffend hieran ist zwar, dass rein außerschulische Strukturen, die nur an die Organisation "Schule" angeschlossen sind, nicht als eigenes Profil einer Schule anzusehen sind, wenn es gilt, diese unter den Begriff des "gewählten Bildungsgangs" zu fassen (vgl VG Würzburg Urteil vom 22.10.2015 - W 3 K 14.385 - juris RdNr 19 f). Ist die organisatorische Struktur der Schule jedoch auf die außerschulische Aktivität ausgerichtet, wird also der Unterricht zeitlich/organisatorisch an die außerschulische Aktivität angepasst, so ist dies das prägende Profil der Schule. Dies gilt umso mehr, wenn, wie vom LSG für das H-Gymnasium in K festgestellt, auch die Aufnahmevoraussetzungen und die Versetzung in die Klassenstufe 7 von den Leistungen in diesen außerschulischen Aktivitäten abhängen. Dass es sich bei dem H-Gymnasium auch um das nächstgelegene Sportgymnasium iS des § 28 Abs 4 SGB II handelt, ist den Feststellungen des LSG zu entnehmen, wenn es darauf verweist, dass die anderen beiden Gymnasien im Umkreis des Wohnortes des Klägers über andere Profile verfügen (musischer bzw MINT-Schwerpunkt).

23

4. Nicht abschließend konnte der Senat darüber befinden, ob der Kläger auf Schülerbeförderung für den Besuch des H-Gymnasiums angewiesen war. Auch der Begriff des auf Schülerbeförderung Angewiesenseins wird in § 28 Abs 4 SGB II nicht näher umschrieben. Da in allen landesschulrechtlichen Bestimmungen im Bundesgebiet als Maßstab insoweit in erster Linie auf die Entfernung zwischen dem Wohnort und der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs abgestellt wird, kann dies hier auch für die Auslegung des Bundesrechts herangezogen werden (vgl Thommes in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 12/2015, § 28 RdNr 25; aA Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 28 RdNr 34, der wohl die landesrechtlichen Bestimmungen vollständig in die Prüfung einbeziehen möchte - dazu jedoch unter 3c). Dabei kommt es darauf an, ob dieser Weg zumutbar zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden kann oder ob dies nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich ist, für deren Benutzung sodann Leistungen zur Schülerbeförderung zu erbringen sind (s Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 28 RdNr 125; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 7/2015, § 28 RdNr 67). Die Zumutbarkeit ist anhand der örtlichen Besonderheiten und/oder der persönlichen Umstände des Schülers zu bemessen (s auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 28 RdNr 34). Das heißt, es ist abzustellen zB auf die Beschaffenheit des zurückzulegenden Weges, das Verkehrsaufkommen dort, das Alter des Schülers, etwaige körperliche Beeinträchtigungen oder die Erforderlichkeit des regelmäßigen Transportes größerer Gepäckstücke (vgl Leopold in Schlegel/Voelzke, juris PK, SGB II, 4. Aufl 2015, § 28 RdNr 125; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 7/2015, § 28 RdNr 67). Hierzu hat das LSG keine Feststellungen getroffen. Es stellt im Tatbestand seines Urteils lediglich dar, wie der Weg des Klägers zum H-Gymnasium verkehrstechnisch beschaffen ist. Eine Einschätzung, etwa folgend der des SG, dass es sich bei dem Fußweg von der Wohnung des Klägers zum H-Gymnasium um einen besonders gefährlichen Weg handele, hat es nicht vorgenommen. Auch wenn vieles dafür spricht, dass die Bewertung des SG zutreffend sein könnte, wird das LSG - als Tatsacheninstanz - sie im wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben, um sodann auf dieser Grundlage beurteilen zu können, ob der Kläger auf Schülerbeförderung für den Besuch des H-Gymnasiums angewiesen ist.

24

5. Ebenso wird das LSG zu entscheiden haben, in welcher Höhe die Aufwendungen des Klägers für Schülerbeförderung erforderlich waren. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass die von dem Kläger in seinem Antrag bezifferten Beträge von 32,50 Euro und 34,30 Euro seinen tatsächlichen Aufwendungen für die Schülerjahresfahrkarte entsprechen. Dazu, ob diese tatsächlichen Aufwendungen jedoch erforderlich waren um das H-Gymnasium mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, hat das LSG bisher ebenso wenig Feststellungen getroffen, wie zur Beantwortung der Frage danach, ob sie durch Dritte, etwa die Sportvereine, die in das Lernkonzept des besuchten Gymnasiums eingebunden sind, übernommen worden sind. Dabei wird es auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger seinen Klageantrag bereits insoweit beschränkt hat, als er Aufwendungen reduziert um einen monatlichen Eigenanteil von 5 Euro iS des § 28 Abs 4 S 2 SGB II(in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 7.5.2013, BGBl I 1167, mW zum 1.8.2013) begehrt. Daher ist nicht mehr darüber zu befinden, ob ein niedrigerer Eigenanteil unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen ist. Das LSG wird vielmehr nur noch zu prüfen haben, ob auch ansonsten von einem Regelfall auszugehen ist.

25

6. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Mai 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Berücksichtigung von Aufwendungen für Schülerbeförderung im Schuljahr 2013/2014.

2

Der im April 2002 geborene Kläger lebt mit seinem Vater und seinen Geschwistern in einer Bedarfsgemeinschaft. Er bezog von August bis November 2013 sowie von Februar bis Juli 2014 aufstockende Leistungen für Unterkunft und Heizung von dem Beklagten, neben einer Halbwaisenrente von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz, Unterhalt und Kindergeld. Seit dem 13.8.2012 besuchte er den Sportzweig des fußläufig 3,6 km von der Wohnung seiner Familie entfernt liegenden H-Gymnasiums - Fußballklasse - in K (im Weiteren "K"). Bis Dezember 2012 erbrachte die Stadt K (Referat Schulen) Leistungen für Schülerbeförderung in Höhe von monatlich 32,50 Euro, abzüglich einer Eigenbeteiligung von 8 Euro monatlich, obwohl sie deren Gewährung durch Bescheid vom 24.4.2012 abgelehnt hatte. Zur Begründung der Ablehnung hatte sie ausgeführt, der Kläger müsse - anders als § 69 SchulG-RP es für die Übernahme von Schülerbeförderungskosten vorsehe - keinen Schulweg von mehr als 4 km zurücklegen, sondern lediglich von 2800 m. Auch sei der Fußweg nicht besonders gefährlich. Diese Ablehnung bestätigte die Stadt dem Vater des Klägers durch einen Vermerk vom 14.8.2013 auf dem vorgenannten Bescheid. Erstmals im Juli 2012 hatte der Vater für den Kläger eine Schülerjahreskarte erworben, für das Schuljahr 2013/2014 erneut. Am 10.7.2013 beantragte der Kläger Leistungen für Schülerbeförderung bei dem Beklagten. Dies lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 15.8.2013 unter Hinweis auf die Begründung der Stadt K ab. Im Widerspruchsbescheid vom 20.9.2013 führte der Beklagte aus, dass es sich bei dem H-Gymnasium nicht um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs handele. In der Nähe des Wohnortes des Klägers befänden sich zwei andere Gymnasien; das 900 m entfernte A-Gymnasium mit musischem Schwerpunkt und das 1,3 km entfernte R-Gymnasium mit Englisch oder Französisch als erster Fremdsprache sowie einem "MINT"-Schwerpunkt.

3

Mit seiner Klage gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten hat der Kläger vor dem SG geltend gemacht, dass der von ihm zurückzulegende Schulweg zum H-Gymnasium ein besonders gefährlicher sei, da ein Kreisel ohne Ampel und Fußgängerüberweg zu queren sei. Zudem führe der Weg an einer viel befahrenen Straße entlang. Es handele sich jedoch um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs, ein Sportgymnasium. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 20.11.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger zwar einen besonders gefährlichen Schulweg zum H-Gymnasium zurückzulegen habe. Auch gewährleiste der Sportzweig dieser Schule eine zusätzliche Förderung, die über die der nächstgelegenen Gymnasien hinausgehe. Insoweit handele es sich jedoch nicht um eine schulische, sondern überwiegend außerschulische Förderung durch Verbände und Vereine. Lediglich der Stundenplan sei den von diesen vorgegebenen oder mit diesen abgesprochenen Trainingszeiten angepasst.

4

Die Berufung des Klägers hiergegen hat das LSG durch Urteil vom 12.5.2015 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Übernahme der Schülerbeförderungskosten nach § 28 Abs 4 SGB II vorliegend nicht erfüllt seien. Bei dem H-Gymnasium handele es sich nicht um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs. Zwar werde der Begriff des Bildungsgangs im SGB II nicht definiert. Auch ließen sich den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte für seine Auslegung entnehmen. Ebenso könne, entgegen vielfacher Ausführungen in der Rechtsprechung der Instanzgerichte, den schulrechtlichen Vorschriften der Länder eine Definition dieses Begriffs nicht unmittelbar entnommen werden. Insoweit mangele es, anders als bei der Übernahme der Aufwendungen für mehrtägige Klassenfahrten, an einem ausdrücklichen gesetzlichen Verweis auf die schulrechtlichen Bestimmungen. Der Begriff des "Bildungsgangs" sei vielmehr bundeseinheitlich zu verwenden. Aus dem Umstand jedoch, dass der Bundesgesetzgeber den in den schul- und landesrechtlichen Bestimmungen sowie den Schulgesetzen üblichen Begriff des "Bildungsgangs" verwende, ohne ihn ausdrücklich mit einem grundsicherungsrechtlichen Inhalt zu versehen, sei zu schließen, dass eine schulische Ausbildung jedenfalls dann einen Bildungsgang iS des § 28 Abs 4 SGB II darstelle, wenn die schulrechtlichen Bestimmungen des Landes dies so vorsähen. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Für die Fahrtkostenübernahme nach § 69 Abs 3 S 2 SchulG-RP seien bei der Bestimmung der nächstgelegenen Schule Ausnahmen im Hinblick auf die Schulart iS der §§ 9, 10 SchulG-RP nur bei Schulen vorgesehen, die Besonderheiten wegen der zu wählenden ersten Fremdsprache aufwiesen. Unter Berücksichtigung dieser Ausnahme sei bei dem Begriff des Bildungsgangs einzig auf die jeweilige Schulart abzustellen. Weitere pädagogische oder organisatorische Schwerpunkte einer Schule hätten unberücksichtigt zu bleiben. Bei dem vom Kläger besuchten Sportgymnasium handele es sich jedenfalls nicht um eine Schule mit einer besonderen Ausrichtung. So werde nicht in einem erhöhten Maße Sport als Schulunterricht angeboten oder komme der Sportnote ein höherer Stellenwert zu. Vielmehr diene der Besuch der besonderen Sportklassen der Freihaltung des Unterrichts von Trainingszeiten in der gewählten Sportart. Die Stundenpläne würden in enger Abstimmung mit den Verbands- und Vereinstrainern gestaltet. Das vom Land Rheinland-Pfalz getragene Sportgymnasium stelle eine Maßnahme der Förderung des Hochleistungssports dar und keinen an den besonderen Fähigkeiten der Schüler orientierten Bildungsgang mit spezifischen Lernschwerpunkten und -anforderungen.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 28 Abs 4 SGB II. Das H-Gymnasium als Sportgymnasium sei als eigener Bildungsgang im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Es bestehe durchaus eine Verknüpfung zwischen schulischer Ausbildung und sportlicher Talentförderung.

6

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz von 12. Mai 2015 und des Sozialgerichts Speyer vom 20. November 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2013 monatlich Leistungen der Schülerbeförderung in Höhe von 34,30 Euro und vom 1. Januar bis 31. Juli 2014 in Höhe von 35,60 Euro, abzüglich eines Eigenanteils von 5 Euro monatlich zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen in der Entscheidung des LSG für zutreffend.

9

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

11

Der erkennende Senat vermochte nicht abschließend zu beurteilen, ob der Kläger für den streitigen Zeitraum einen Anspruch auf Leistungen für Schülerbeförderung iS des § 28 Abs 4 SGB II hat. Es mangelt bereits an Feststellungen des LSG dazu, ob der Kläger im streitigen Zeitraum hilfebedürftig und auf Schülerbeförderung für den Besuch des H-Gymnasiums angewiesen war sowie es ihm zuzumuten war, die Aufwendungen hierfür aus dem Regelbedarf zu tragen. Anders als vom LSG angenommen - insoweit waren aus Sicht des Berufungsgerichts die vorbenannten Feststellungen nicht erforderlich - sind die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Schülerbeförderung dem Grund nach jedoch insoweit gegeben, als es sich bei dem von dem Kläger besuchten Sportgymnasium um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs iS des § 28 Abs 4 S 1 SGB II handelt.

12

1. Im Streit stehen Leistungen für Aufwendungen der Schülerbeförderung iS des § 28 SGB II im Zeitraum vom 1.8.2013 bis 31.7.2014, wie sie der Beklagte durch Bescheid vom 15.8.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.9.2013 abgelehnt hat, der Höhe nach begrenzt durch den Antrag des Klägers im Revisionsverfahren.

13

Dieser Anspruch kann isoliert und allein als Anspruch des minderjährigen Klägers gerichtlich durchgesetzt werden (BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 12/13 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 8 RdNr 14). Er wird vom Kläger zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt.

14

2. Unter Berücksichtigung der Feststellungen des LSG, insbesondere zu der Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Vermittlung des Klägers in das SGB II durch seinen Vater als Kopf der Bedarfsgemeinschaft, geht der erkennende Senat vorliegend davon aus, dass die Voraussetzung der Leistungsberechtigung iS des § 7 SGB II, insbesondere der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II, im überwiegenden Teil des hier streitigen Zeitraumes gegeben waren. Nicht zu beurteilen vermag das BSG hingegen, ob die Leistungsvoraussetzungen für einen Anspruch nach § 28 Abs 4 SGB II auch in den Monaten Dezember 2013 und Januar 2014, in denen der Kläger keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten hat, vorlagen. Bei der Bewertung der nachzuholenden Feststellungen insoweit wird das LSG auch §§ 19 Abs 3 S 3, 28 Abs 1 S 1 und 11 Abs 1 S 4 SGB II zu berücksichtigen haben, denn die Leistungen der Bildung und Teilhabe sollen besondere Bedarfslagen bei Kindern und Jugendlichen im Einzelfall und unabhängig von der übrigen Bedarfsgemeinschaft gezielt decken(BT-Drucks 17/3404, S 104).

15

3. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs 4 SGB II idF des Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 7.5.2013 (mit Wirkung vom 1.8.2013, BGBl I 1167) konnte der erkennende Senat nur insoweit abschließend beurteilen, als es sich bei der von dem Kläger besuchten Schule um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs handelt. Nach § 28 Abs 4 S 1 SGB II werden bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Zur Ausfüllung des Begriffs der "nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs" ist bundeseinheitlich darauf abzustellen, ob es sich bei der besuchten Schule um eine solche handelt, die gegenüber den näher gelegenen Schulen einen eigenständigen Bildungsgang im Sinne eines eigenständigen Profils mit besonderer inhaltlicher Ausrichtung innerhalb der gewählten Schulart aufweist, sodass sie insoweit die "nächstgelegene" ist. Dies kann zwar weder dem Wortlaut der Norm, noch der Gesetzesbegründung oder landesschulrechtlichen Regelungen entnommen werden (a). Diese Ausfüllung des Begriffs der "nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs" folgt jedoch zwingend aus dem Sinn und Zweck der Leistungen für Schülerbeförderung als Teil des das Existenzminimum sicherstellenden "Bildungs- und Teilhabepakets" für Kinder und Jugendliche, unter Berücksichtigung systematischer Erwägungen und der Einbeziehung von Kriterien, die in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum BAföG entwickelt worden sind (b).

16

a) Was unter der "nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs" zu verstehen ist, lässt sich der Vorschrift des § 28 Abs 4 SGB II selbst nicht entnehmen. Diese Begriffe werden im Grundsicherungsrecht auch nicht definiert oder in anderem Zusammenhang verwendet. Ebenso sind sie umgangssprachlich nicht klar konturiert.

17

Die Gesetzesmaterialien sind insoweit ebenso wenig ergiebig. Dort werden die Begriffe "nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs" zunächst durch "Primärstufe, Sekundarstufe I und II" (BT-Drucks 17/4095, S 21) und später beispielhaft als "Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule, Gemeinschaftsschule" umschrieben (BT-Drucks 17/4095, S 30 zur Einfügung des § 28 Abs 3a SGB II). Dem LSG ist zuzugeben, dass der "gewählte Bildungsgang" jedoch nicht mit der Schulstufe gleichgesetzt werden kann, denn diese ist nicht wählbar. Ferner ist letzterer Konkretisierungsversuch auch insoweit unschlüssig, als etwa die Gesamtschule in zahlreichen Bundesländern sowohl die Schulart der Realschule als auch des Gymnasiums umfasst.

18

Zutreffend geht das LSG ebenfalls davon aus, dass der Begriff des "gewählten Bildungsgangs" auch nicht den landesrechtlichen Bestimmungen zu entnehmen ist (s zum Verhältnis von Bundesrecht zu schulrechtlichen Bestimmungen der Länder ausführlich BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 15 RdNr 13 ff). Abgesehen davon, dass er dort sehr uneinheitlich verwendet wird, zeigt die Gesetzesgeschichte, dass die landesrechtlichen Regelungen hier außer Betracht zu bleiben haben. So wird in der Ausschussdrucksache betont, dass die Schülerbeförderungskosten in einigen Bundesländern regelhaft nur bis zum Abschluss der Sekundarstufe 1 übernommen würden. Die neuen Leistungen des § 28 Abs 4 SGB II sollten gezielt darüber hinausgehen. Insoweit galt es der Aufforderung des BVerfG an den Gesetzgeber nachzukommen, hilfebedürftige Schülerinnen und Schüler mit den für den Schulbesuch notwendigen Mitteln auszustatten (Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 241 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 181), soweit insbesondere die Länder im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen dafür keine gleichwertigen Leistungsansprüche bereithielten (BT-Drucks 17/4095, S 30). Wenn mithin die Regelungen der Länder vielfach als nicht ausreichend analysiert und die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung erkannt worden ist, sind die schulrechtlichen Regelungen der Länder ungeeignet, um als Auslegungshilfe bei der verwendeten Begrifflichkeit zu dienen.

19

Zudem mangelt es bereits in der bundesrechtlichen Regelung des § 28 Abs 4 SGB II, anders als im Hinblick auf die Leistungen für eine angemessene Lernförderung nach § 28 Abs 5 SGB II und die mehrtägige Klassenfahrt nach § 28 Abs 2 SGB II(s noch zur Regelung des § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 15), an einem ausdrücklichen Verweis auf die schulrechtlichen Bestimmungen der Länder. Der Begriff wird demnach ausschließlich in einen bundesrechtlichen Bezugsrahmen gestellt. Dies entspricht auch der Verantwortungsverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich der Existenzsicherung. So hat das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 die Erwägung der Bundesregierung, die Bedarfsdeckung obliege im Bereich des Bildungswesens den Ländern, als nicht tragfähig befunden (Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 241 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 181). Da der Bund mit der Einfügung der Regelung über die Schülerbeförderung zum 1.1.2011 in das SGB II - als Teil des "Bildungs- und Teilhabepakets" (durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011, BGBl I 453) - zugleich die Anforderungen des BVerfG einfachgesetzlich umgesetzt hat (BT-Drucks 17/12036, S 1), muss sich die Ausfüllung des bundesrechtlichen Bezugsrahmens an den Anforderungen des BVerfG für die Ausgestaltung der existenzsichernden Leistungen für Kinder und Jugendliche ausrichten.

20

b) Anknüpfungspunkt des BVerfG insoweit ist die Gewährleistung des gleichberechtigten Zugangs zu Bildung im schulischen und außerschulischen Bereich für Kinder und Jugendliche aus besonders förderungsbedürftigen Haushalten (BT-Drucks 17/12036, S 1). Dieser ist als erforderlich befunden worden, um die materielle Basis für Chancengerechtigkeit herzustellen. Insbesondere in der Bildung hat der Gesetzgeber dabei eine Schlüsselfunktion zur nachhaltigen Überwindung von Hilfebedürftigkeit und zur Schaffung von zukünftigen Lebenschancen erkannt (BR-Drucks 661/10, S 168). Zugleich besteht allerdings ein Spannungsverhältnis zwischen dem die Menschenwürde achtenden Sozialstaat, der nachrangig Leistungen aus dem Fürsorgesystem erbringt, und der Notwendigkeit, insbesondere Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Haushalten - durch Entwicklung und Entfaltung ihrer Fähigkeiten - in die Lage zu versetzen, ihren Lebensunterhalt später aus eigenen Kräften bestreiten zu können (BR-Drucks 661/10, S 168, unter Hinweis auf BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 246 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 192). Die Auslegung des Begriffs der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs hat daher der Realisierung von Bildungs- und Lebenschancen und dem Nachrang der Fürsorgeleistung im Sinne der Reduzierung der Aufwendungen auf ein notwendiges Maß Rechnung zu tragen. Der Nachrang findet in § 28 Abs 4 S 1 SGB II seine Anknüpfung dergestalt, dass Fahrtkosten nur zur nächstgelegenen und nicht einer beliebig weit entfernten Schule als Bedarf anerkannt werden. Die Förderung der Chancengleichheit und die Rücksicht auf die Fähigkeiten sowie Begabungen des einzelnen Schülers, um Lebenschancen zu ermöglichen, schlägt sich in den Worten des "gewählten Bildungsgangs" nieder. Um die letztbenannten Ziele dabei tatsächlich zu erreichen, kann zur Ausfüllung des Begriffs des "Bildungsgangs" nicht allein auf die Schulart abgestellt werden. Im Hinblick auf Begabung und Fähigkeiten kommt es darauf an, dass sie in der nächstgelegenen Schule auch gefördert und damit Lebenschancen erweiternd eingesetzt werden können sowie Chancengleichheit damit gewährleistet wird. Daher ist auf das Profil der Schule der besuchten Schulart abzustellen, soweit hieraus eine besondere inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts folgt, die nicht der der nächstgelegenen Schule entspricht. Hiervon ist auch auszugehen, wenn - wie vorliegend - die Schule durch organisatorische Vorkehrungen die Vermittlung besonderer Inhalte durch Dritte ermöglicht.

21

Insoweit kann an die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu § 2 Abs 1a S 1 Nr 1 BAföG angeknüpft werden. Nach dieser Vorschrift wird Ausbildungsförderung für den Besuch einer in § 2 Abs 1 Nr 1 BAföG bezeichneten Ausbildungsstätte nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist(idF der Neubekanntmachung vom 7.12.2010, BGBl I 1952). Auch in der genannten Regelung geht es um das Ob und die Höhe einer Leistung, die die Durchführung der Ausbildung gewährleisten soll, wenn eine zumutbar zu besuchende Ausbildungsstätte nicht in der Nähe zur elterlichen Wohnung gelegen ist. Das BVerwG hat zur Abgrenzung entschieden, es genüge für die Annahme einer entsprechenden zumutbaren Ausbildungsstätte iS des § 2 Abs 1a S 1 Nr 1 BAföG nicht, dass dort der gleiche Abschluss erreicht werden könne. So seien zB Gymnasien nach Lehrstoff und Lehrinhalten verschieden (BVerwG Beschluss vom 20.9.1996 - 5 B 177/95 - juris RdNr 4; BVerwG Urteil vom 31.3.1980 - 5 C 41.78 - juris; vgl auch Pesch in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl 2014, § 2 RdNr 63). Insoweit sind in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als Differenzierungskriterien angesehen worden: Unterschiedliche Aufnahmebedingungen und Prüfungsvoraussetzungen oder organisatorische Gestaltungen (BVerwG Urteil vom 16.12.1976 - V C 43.75 - BVerwGE 51, 354, 357), unterschiedliche weltanschauliche oder konfessionelle Prägungen (BVerwG Urteil vom 14.12.1978 - V C 49.77 - BVerwGE 57, 198, 200; VG Würzburg Urteil vom 22.10.2015 - W 3 K 14.385 - juris RdNr 17; s auch Pesch in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl 2014, § 2 RdNr 62)oder mit einem nicht unerheblichen Anteil über den üblichen Fächerkanon hinausgehende sprach- oder berufsspezifische Unterrichtsangebote, die der Schule insgesamt ihre Prägung geben (Bayerischer VGH Beschluss vom 18.5.2015 - 12 ZB 14.2860 - juris RdNr 12). Hieran anknüpfend wird insbesondere das Profil einer Schule als Differenzierungskriterium angesehen (VG Göttingen Urteil vom 24.3.2015 - 2 A 780/13 - juris RdNr 40; s auch Blanke/Deres, Ausbildungsförderungsrecht, 38. Aufl 2014, § 2 Anm 2.1a.9 und 2.1a.10), auch im Hinblick auf sportliche Leistungsanforderungen sowohl bei der Aufnahme, als auch bei der Frage der Berechtigung des Verbleibs auf der Schule (VG Dresden Beschluss vom 16.8.2011 - 5 L 409/11 - juris RdNr 27). Ähnliche Überlegungen sind im Übrigen auch in der Literatur zu § 28 Abs 4 SGB II angestellt worden(ähnlich Thommes in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 12/2015, § 28 RdNr 24; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 7/2015, § 28 RdNr 66; aA wohl Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 28 RdNr 118).

22

Der von dem Kläger besuchte Sportzweig des H-Gymnasiums ist in diesem Sinne ein Bildungsgang mit einem eigenständigen Profil, das eine besondere inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts mit sich bringt. Im konkreten Fall kommt das LSG auch nur deswegen zu einer anderen Wertung, weil es insoweit von einem unzutreffenden Maßstab ausgeht. Es stellt ausschließlich darauf ab, dass der verstärkte Sportunterricht mit dem Ziel des Erwerbs von Fähigkeiten, die für den Hochleistungssport erforderlich sind, nicht in der und durch die Schule selbst, sondern in Kooperation mit den Vereinen und Verbänden, getragen von diesen, erfolgt. Zutreffend hieran ist zwar, dass rein außerschulische Strukturen, die nur an die Organisation "Schule" angeschlossen sind, nicht als eigenes Profil einer Schule anzusehen sind, wenn es gilt, diese unter den Begriff des "gewählten Bildungsgangs" zu fassen (vgl VG Würzburg Urteil vom 22.10.2015 - W 3 K 14.385 - juris RdNr 19 f). Ist die organisatorische Struktur der Schule jedoch auf die außerschulische Aktivität ausgerichtet, wird also der Unterricht zeitlich/organisatorisch an die außerschulische Aktivität angepasst, so ist dies das prägende Profil der Schule. Dies gilt umso mehr, wenn, wie vom LSG für das H-Gymnasium in K festgestellt, auch die Aufnahmevoraussetzungen und die Versetzung in die Klassenstufe 7 von den Leistungen in diesen außerschulischen Aktivitäten abhängen. Dass es sich bei dem H-Gymnasium auch um das nächstgelegene Sportgymnasium iS des § 28 Abs 4 SGB II handelt, ist den Feststellungen des LSG zu entnehmen, wenn es darauf verweist, dass die anderen beiden Gymnasien im Umkreis des Wohnortes des Klägers über andere Profile verfügen (musischer bzw MINT-Schwerpunkt).

23

4. Nicht abschließend konnte der Senat darüber befinden, ob der Kläger auf Schülerbeförderung für den Besuch des H-Gymnasiums angewiesen war. Auch der Begriff des auf Schülerbeförderung Angewiesenseins wird in § 28 Abs 4 SGB II nicht näher umschrieben. Da in allen landesschulrechtlichen Bestimmungen im Bundesgebiet als Maßstab insoweit in erster Linie auf die Entfernung zwischen dem Wohnort und der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs abgestellt wird, kann dies hier auch für die Auslegung des Bundesrechts herangezogen werden (vgl Thommes in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 12/2015, § 28 RdNr 25; aA Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 28 RdNr 34, der wohl die landesrechtlichen Bestimmungen vollständig in die Prüfung einbeziehen möchte - dazu jedoch unter 3c). Dabei kommt es darauf an, ob dieser Weg zumutbar zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden kann oder ob dies nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich ist, für deren Benutzung sodann Leistungen zur Schülerbeförderung zu erbringen sind (s Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 28 RdNr 125; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 7/2015, § 28 RdNr 67). Die Zumutbarkeit ist anhand der örtlichen Besonderheiten und/oder der persönlichen Umstände des Schülers zu bemessen (s auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 28 RdNr 34). Das heißt, es ist abzustellen zB auf die Beschaffenheit des zurückzulegenden Weges, das Verkehrsaufkommen dort, das Alter des Schülers, etwaige körperliche Beeinträchtigungen oder die Erforderlichkeit des regelmäßigen Transportes größerer Gepäckstücke (vgl Leopold in Schlegel/Voelzke, juris PK, SGB II, 4. Aufl 2015, § 28 RdNr 125; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 7/2015, § 28 RdNr 67). Hierzu hat das LSG keine Feststellungen getroffen. Es stellt im Tatbestand seines Urteils lediglich dar, wie der Weg des Klägers zum H-Gymnasium verkehrstechnisch beschaffen ist. Eine Einschätzung, etwa folgend der des SG, dass es sich bei dem Fußweg von der Wohnung des Klägers zum H-Gymnasium um einen besonders gefährlichen Weg handele, hat es nicht vorgenommen. Auch wenn vieles dafür spricht, dass die Bewertung des SG zutreffend sein könnte, wird das LSG - als Tatsacheninstanz - sie im wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben, um sodann auf dieser Grundlage beurteilen zu können, ob der Kläger auf Schülerbeförderung für den Besuch des H-Gymnasiums angewiesen ist.

24

5. Ebenso wird das LSG zu entscheiden haben, in welcher Höhe die Aufwendungen des Klägers für Schülerbeförderung erforderlich waren. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass die von dem Kläger in seinem Antrag bezifferten Beträge von 32,50 Euro und 34,30 Euro seinen tatsächlichen Aufwendungen für die Schülerjahresfahrkarte entsprechen. Dazu, ob diese tatsächlichen Aufwendungen jedoch erforderlich waren um das H-Gymnasium mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, hat das LSG bisher ebenso wenig Feststellungen getroffen, wie zur Beantwortung der Frage danach, ob sie durch Dritte, etwa die Sportvereine, die in das Lernkonzept des besuchten Gymnasiums eingebunden sind, übernommen worden sind. Dabei wird es auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger seinen Klageantrag bereits insoweit beschränkt hat, als er Aufwendungen reduziert um einen monatlichen Eigenanteil von 5 Euro iS des § 28 Abs 4 S 2 SGB II(in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 7.5.2013, BGBl I 1167, mW zum 1.8.2013) begehrt. Daher ist nicht mehr darüber zu befinden, ob ein niedrigerer Eigenanteil unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen ist. Das LSG wird vielmehr nur noch zu prüfen haben, ob auch ansonsten von einem Regelfall auszugehen ist.

25

6. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Februar 2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Übernahme von Kosten für einen Schulbegleiter im Wege des Schuldbeitritts für das Schuljahr 2012/2013 in Höhe von 18 236,30 Euro.

2

Die Klägerin ist 2002 mit einem Down-Syndrom geboren, aus dem eine Sprach- und motorische Entwicklungsverzögerung, eine Störung der Kommunikation sowie eine Schwäche der Feinmotorik resultieren. Ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen "G" und "H" sind festgestellt; sie ist der Pflegestufe I nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) zugeordnet. Zunächst absolvierte die Klägerin zwei Grundschuljahre in der L schule (Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung). Nachdem das Staatliche Schulamt festgestellt hatte, dass bei ihr zwar ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Sinne der Schule für Geistigbehinderte bestehe, die Förderung aber gemeinsam von der K schule R (Regelschule) und dem SBBZ an der K schule übernommen werden könne (Bescheid vom 2.8.2010), besuchte die Klägerin ab dem Schuljahr 2010/2011, nochmals beginnend mit der 1. Grundschulklasse, die Regelschule. Dort wurde sie gemeinsam mit nichtbehinderten Schülern, zieldifferent mit dem Bildungsangebot nach dem Bildungsgang der Schule für Geistigbehinderte, unterrichtet. Durch eine Kooperationslehrerin des SBBZ erfolgte eine sonderpädagogische Betreuung.

3

Den Antrag auf Übernahme der Kosten eines (zusätzlichen) Schulbegleiters für das Schuljahr 2011/2012 lehnte der Beklagte ebenso ab (Bescheid vom 18.1.2012; Widerspruchsbescheid vom 23.7.2012) wie den Antrag auf Übernahme der Kosten eines Schulbegleiters für das Schuljahr 2012/2013 (Bescheid vom 27.11.2012; Widerspruchsbescheid vom 22.4.2013), "übernahm" aber "vorläufig" die Kosten für die ab 12.11.2012 tätigen, bei der Beigeladenen zu 2 beschäftigten Schulbegleiter im Umfang von 17 Stunden 15 Minuten wöchentlich zum Preis von 43 Euro je Stunde auf Grund einer Verpflichtung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7.11.2012). Es fielen Kosten in Höhe von insgesamt 18 236,30 Euro an.

4

Die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen hatten insoweit Erfolg, als das Sozialgericht (SG) Reutlingen festgestellt hat, dass der Bescheid vom 18.1.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.7.2012 rechtswidrig gewesen sei, und den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen (betreffend das Schuljahr 2013/2014; insoweit war noch keine Entscheidung des Beklagten über die Kostenübernahme für eine Schulbegleitung erfolgt) und Aufhebung des Bescheids vom 27.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.4.2013 verurteilt hat, die Kosten einer qualifizierten Hilfskraft im Umfang von 17 Stunden 15 Minuten wöchentlich zu einem Betrag von 43 Euro pro Stunde für das Schuljahr 2012/2013 "zu bewilligen" (Urteil vom 18.6.2013). Das LSG hat die Berufung des Beklagten "mit der Maßgabe" zurückgewiesen, dass dieser "die Kosten für den Integrationshelfer/Schulbegleiter für das Schuljahr 2012/2013 iHv 18 236,30 Euro zu tragen" habe (Urteil vom 18.2.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Schulbegleitung für die Klägerin sei eine Maßnahme der Eingliederungshilfe, die den der Sozialhilfe nicht zugänglichen Kernbereich der pädagogischen schulischen Tätigkeit nicht tangiere; es handle sich lediglich um unterstützende Hilfen im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung, für die eine nachrangige Zuständigkeit des Beklagten bestehe. Der Kernbereich sei, anders als dieser meine, nicht nach Maßgabe des Schulrechts für das Land Baden-Württemberg, sondern bundeseinheitlich nach sozialhilferechtlichen Kriterien zu bestimmen. Ungedeckter Hilfebedarf habe bei der Klägerin in der Unterstützung bei der Fokussierung der Aufmerksamkeit auf das Unterrichtsgeschehen, im Verdeutlichen und Wiederholen von Aufgabenstellungen, bei der Unterstützung in Arbeitsphasen sowie der Auswahl der richtigen Bücher und Hefte, bei der Selbstorganisation, beim Aufbau von Ordnungsprinzipien und in der Interaktion mit anderen Schülern sowie den Lehrern im Sinne einer Kommunikationshilfe bestanden. Dabei sei es um Impulse, zB Fingerzeige auf die jeweilige Aufgabe, gegangen, um die Klägerin auf das Unterrichtsgeschehen hinzuweisen. Bestehender sonderpädagogischer Bedarf werde hingegen durch die Kooperationslehrkraft des SBBZ abgedeckt.

5

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung der §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Der Kernbereich pädagogischer Arbeit sei nach Maßgabe des jeweiligen Landesschulrechts zu bestimmen. Eine Bestimmung nach Maßgabe des SGB XII verstoße gegen Art 70 Grundgesetz (GG) und führe im Ergebnis zu einer Bedarfsdeckungslücke, wenn bundesrechtlich der Kernbereich weit, landesrechtlich aber eng verstanden werde. Die rechtliche Verpflichtung, behinderte Kinder zu fördern, bestehe im Übrigen nach dem Landesschulrecht Baden-Württemberg auch in Regelschulen. Deren Förderung in Regelschulen stehe unter dem Vorbehalt, dass sie dem Unterricht folgen könnten. Sei dies nicht der Fall, habe ihre Beschulung in sog Sonderschulen zu erfolgen.

6

Nachdem die Klägerin die Klage betreffend den Bescheid vom 18.1.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.7.2012 zurückgenommen hat,

beantragt der Beklagte,
 das Urteil des LSG und das Urteil des SG, dieses, soweit es das Schuljahr 2012/2013 betrifft, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie führt zur Begründung aus, entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten sei der Kernbereich, wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden habe, aus sozialhilferechtlicher Sicht nicht nach dem Landes-(Schul-)Recht zu bestimmen. Dafür spreche in der Sache ua, dass behinderte Schüler an Regelschulen zieldifferent ausgebildet würden, also nicht orientiert am allgemeinen Bildungsplan, sondern nach Maßgabe ihrer individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten entsprechend einem individuellen Bildungs- und Kompetenzplan. Eine Abgrenzung anhand der Bildungspläne der Schulen für Geistigbehinderte würde zudem zu einer Ungleichbehandlung von geistig und rein körperlich beeinträchtigten Menschen führen.

9

Der Beigeladene zu 1 hat keinen Antrag gestellt.

10

Er führt zur Sache aus, das LSG habe den Kernbereich pädagogischer Arbeit zutreffend bestimmt. Der konkrete Unterstützungsbedarf der Klägerin liege außerhalb dieses Kernbereichs. Jener bestehe allein darin, ihr den Zugang zu dem von der Lehrkraft auf ihre behinderungsbedingten Bedürfnisse angepassten Unterricht herzustellen.

11

Die Beigeladene zu 2 hat weder einen Antrag gestellt noch sich geäußert.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

13

Gegenstand des Verfahrens ist nur noch der Bescheid vom 27.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.4.2013 (§ 95 SGG), soweit der sachlich und örtlich zuständige Beklagte (§ 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 2 Satz 1 SGB XII und §§ 1, 2 des baden-württembergischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII vom 1.7.2004 - Gesetzblatt 534; eine Heranziehung kreisangehöriger Gemeinden nach § 3 AG SGB XII ist im Landkreis Tübingen nicht erfolgt) den Antrag der Klägerin auf Übernahme von Kosten für einen Schulbegleiter für das Schuljahr 2012/2013 abgelehnt hat.

14

Der durch das LSG getroffenen Sachentscheidung über einen konkreten Betrag stand allerdings das Verbot der "reformatio in peius" entgegen. Zwar hätte die Klägerin im Berufungsverfahren in verfahrensrechtlich zulässiger Weise (BSG SozR 1750 § 521 ZPO Nr 11) im Wege einer Anschlussberufung (§ 202 SGG iVm § 524 Zivilprozessordnung) noch den Beitritt des Beklagten zu einer mittlerweile bestimmbaren Schuld, nämlich 18 236,30 Euro, geltend machen können - nicht die Leistung selbst (dazu gleich) -, ohne dass darin eine Klageänderung zu sehen gewesen wäre (§ 99 Abs 3 Nr 3 SGG); jedoch fehlte es an einem dafür erforderlichen Antrag der Klägerin. Gegen die Entscheidung des SG hat nur der Beklagte, nicht die Klägerin Berufung eingelegt; diese hat vor dem LSG ausschließlich beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen, sodass es sich bei der im Tenor der LSG-Entscheidung ausgesprochenen "Änderung" des SG-Tenors, anders als das LSG meinte, nicht nur um eine bloße "Korrektur" gehandelt hat. Die erforderliche Anschlussberufung kann jedoch nach der Zurückverweisung der Sache an das LSG, die ohnedies erforderlich ist, nachgeholt werden.

15

Demgegenüber hat das SG seine Entscheidung noch zulässigerweise, dem klägerischen Antrag entsprechend, auf die streitbefangenen "Grundlagen" des geltend gemachten Anspruchs beschränkt (Verurteilung zum Erlass eines sog Grundlagenbescheids), indem es den Beklagten verurteilt hat, die Kosten "einer qualifizierten Hilfskraft" im Umfang von 17 Stunden 15 Minuten wöchentlich zu einem Betrag von 43 Euro pro Stunde für das Schuljahr 2012/2013 "zu bewilligen". Damit hat es den Beklagten noch nicht zum Schuldbeitritt verurteilt. Diese zulässige Form der Entscheidung ist von einem Grundurteil zu unterscheiden, das hier nicht hätte ergehen dürfen, weil keine Leistung in Geld begehrt worden ist (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG).

16

Der Antrag der Klägerin war insoweit zu Recht auf den Erlass eines Grundlagenbescheids, nicht bereits auf Erlass eines konkreten Bewilligungsbescheids in Form eines Schuldbeitritts gerichtet. Für den Erlass eines Grundlagenbescheids bedarf es keiner ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung; es genügt, dass sich dessen Zulässigkeit aus dem normativen Kontext ergibt (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 4 S 35). Dies ist bei der vorliegenden Leistung der Eingliederungshilfe der Fall. Eine Vorabentscheidung über die Übernahme von Kosten für eine Schulbegleitung je Schuljahr hinsichtlich ihrer Geeignetheit, Erforderlichkeit und der Höhe der Vergütung ist nach der gesetzlichen Systematik sinnvoll und entspricht sowohl den Interessen des Hilfebedürftigen als auch denen der Behörde. Die hilfebedürftige Person benötigt und erhält durch eine bindende "Vorabentscheidung", an die die Behörde bei der Entscheidung über den Schuldbeitritt und die Zahlung an den Dritten gebunden ist (BSG SozR 4-3200 § 82 Nr 1 RdNr 29), Planungssicherheit. Es ist der hilfebedürftigen Person nicht zuzumuten, ohne Rechtssicherheit bezüglich der Kostentragung das Risiko eingehen zu müssen, einen Vertrag mit dem Leistungserbringer zu schließen, ggf zu verauslagende Kosten aber nicht erstattet zu erhalten (BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 24 RdNr 16). Die Behörde hat durch eine solche Grundlagenentscheidung andererseits insbesondere die Möglichkeit, im Hinblick auf ggf bestehende Verträge mit Leistungserbringern nach den §§ 75 ff SGB XII künftigen Streit um die Höhe der zu übernehmenden Vergütung zu vermeiden.

17

Richtige Klageart ist - auch nach Erhebung der Anschlussberufung - die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1, 4 SGG). Die Klägerin kann neben dem Schuldbeitritt vom Beklagten nicht verlangen, erneut 18 236,30 Euro an die Beigeladene zu 2 zu zahlen. Es bedarf vielmehr (nur) noch der Verpflichtung des Beklagten zum Erlass eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung (Schuldbeitritt), der im Verhältnis aller an der Leistungsverschaffung Beteiligten einen Rechtsgrund für die Zahlung schafft (vgl auch Bundesgerichtshof , Urteil vom 31.3.2016 - III ZR 267/15). Denn die einstweilige Anordnung verliert mit der endgültigen Entscheidung ihre Rechtswirkungen (vgl BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 12 mwN) und kann damit nicht den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung bilden.

18

Inhaltlich geht es um die vom Vermögenseinsatz gänzlich und hier vom Einkommenseinsatz freigestellte Hilfe (§ 92 Abs 2 Sätze 1 und 2 SGB XII) zu einer angemessenen Schulbildung nach § 19 Abs 3(in der Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 - BGBl I 453) iVm § 53 Abs 1 Satz 1(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022), § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 - BGBl I 2495) und § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-Verordnung - Eingliederungshilfe-VO(in der Normfassung des Gesetzes vom 27.12.2003) iVm § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes vom 24.3.2011).

19

Ob die Klägerin einen Anspruch auf Schuldbeitritt hat, konnte der Senat jedoch - auch soweit es die Grundlagenentscheidung des SG betrifft - nicht abschließend beurteilen. Es fehlen zum einen tatsächliche Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) zum erforderlichen quantitativen Umfang der für die Klägerin notwendigen und geeigneten Hilfen durch eine Schulbegleitung und zum anderen zur maßgeblichen Höhe der Vergütung, zu Existenz und Inhalt von Vereinbarungen, insbesondere zu einer Vergütungsvereinbarung, zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen zu 2 nach den §§ 75 ff SGB XII. Besteht eine solche Vereinbarung nicht, wäre die zu übernehmende Höhe der Vergütung nach § 75 Abs 4 SGB XII zu bestimmen, wofür dann - weitere - (hier nicht getroffene) Feststellungen zu Vereinbarungen mit anderen Leistungserbringern am Ort der Leistungserbringung oder in seiner nächsten Umgebung für vergleichbare Leistungen erforderlich wären.

20

Bei den von der Beigeladenen zu 2 erbrachten Leistungen handelt es sich allerdings der Sache nach um Hilfen zur angemessenen Schulbildung als Leistung der Eingliederungshilfe. Die Klägerin erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Danach werden Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung - an Personen erbracht, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach den Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vor; bei der Klägerin besteht eine geistige Behinderung, die sich in einer Sprach- und motorischen Entwicklungsverzögerung, einer Störung der Kommunikation sowie einer Schwäche der Feinmotorik zeigt.

21

Diese geistige Behinderung ist auch wesentlich (§ 2 Eingliederungshilfe-VO). Voraussetzung für die Annahme der Wesentlichkeit der Behinderung ist danach, dass der geistig behinderte Mensch in erheblichem Umfang in seiner Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. Dies ist bei der Klägerin der Fall. Die durch ihre Behinderung hervorgerufenen Beeinträchtigungen lassen den erfolgreichen Besuch des Unterrichts an der Grundschule als Regelschule ohne Unterstützung nicht zu. Auch die für sie individuell und auf ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten abgestimmten Lerninhalte im Rahmen eines zieldifferenten Unterrichts konnte sie ohne zusätzliche Unterstützung nicht verarbeiten und umsetzen (zur Bedeutung der Grundschulausbildung vgl bereits BSGE 110, 301 ff RdNr 19 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 8).

22

Die Schulbegleitung ist im vorliegenden Fall eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung iS des Sozialhilferechts, die nicht den Kernbereich pädagogischer Tätigkeit berührt, für den eine Zuständigkeit des Beklagten ausgeschlossen wäre. Nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII iVm § 12 Eingliederungshilfe-VO umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahme erforderlich und geeignet ist, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern, also insoweit die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern(vgl dazu BSGE 101, 79 ff RdNr 27 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 1).

23

Eine allgemeingültige Definition dessen, was unter einer "angemessenen Schulbildung" zu verstehen ist, gibt es weder im SGB IX noch im SGB XII; auch § 12 Eingliederungshilfe-VO benennt nur beispielhaft Maßnahmen, die Gegenstand einer möglichen Hilfe zur angemessenen Schulbildung sein können(vgl BSG SozR 4-1500 § 130 Nr 4). Gleiches gilt für Art 24 Abs 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (UN-Behindertenrechtskonvention , Gesetz vom 21.12.2008 - BGBl II 1419 -, in der Bundesrepublik in Kraft seit 26.3.2009 - BGBl II 812), das als ranggleiches Bundesrecht im Rahmen der Auslegung zu beachten und anzuwenden ist (hierzu BSGE 110, 194 ff RdNr 19 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 69). Art 24 Abs 2 UNBRK setzt ebenfalls ein "allgemeines Bildungssystem" voraus, zu dem Menschen mit Behinderung gleichberechtigter Zugang zu ermöglichen und die notwendige Unterstützung zu leisten ist; die UNBRK schreibt selbst aber keine Anforderungen an ein "allgemeines Bildungssystem" fest. Die Entscheidung darüber, was für das einzelne Kind die "angemessene Schulbildung" darstellt, obliegt deshalb - wie § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 2. Halbsatz SGB XII deutlich macht - der Schulverwaltung (BSG SozR 4-1500 § 130 Nr 4 RdNr 21). Diese hat im Fall der Klägerin einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Sinne der Schule für Geistigbehinderte festgestellt, zugleich aber erlaubt, dass die Förderung in der K schule (als Regelgrundschule) in Kooperation mit dem SBBZ zieldifferent durchgeführt werden kann.

24

Der Kernbereich pädagogischer Tätigkeit ist vorliegend nicht berührt. Der Senat hat hierzu bereits unter Verweis auf § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 2. Halbsatz SGB XII, wonach die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht von den Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung nach Maßgabe des Sozialhilferechts unberührt bleiben, ausgeführt, dass sich dieser Kernbereich schon aus systematischen Gründen nach Maßgabe des Sozialhilferechts bestimmt (vgl zuletzt BSG SozR 4-1500 § 130 Nr 4 mwN); dem hat sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) für den Bereich der Jugendhilfe angeschlossen (BVerwGE 145, 1 ff). Schulrechtliche Verpflichtungen bestehen demnach grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen. Dies hat zur Folge, dass im Kernbereich pädagogischer Tätigkeit keine, auch keine nachrangige Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers besteht (BSGE 110, 301 ff RdNr 21 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 8), weil es sich um originär und ausschließlich schulrechtliche Verpflichtungen handelt. Anders als der Beklagte meint, ist die Regelung über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern nach Art 70 GG, wonach den Ländern im Bereich des Schulwesens die alleinige Gesetzgebungskompetenz zugewiesen ist, für die vom Senat gefundene Auslegung ohne Bedeutung. Denn der Senat legt gerade kein (landesrechtlich geregeltes) Schulrecht aus, sondern bundesrechtlich normiertes Leistungsrecht (Eingliederungshilfe). Dies bedeutet umgekehrt, dass mit der Entscheidung der Schulverwaltung über die Form der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht keine Aussage darüber getroffen wird, ob und inwieweit zur Erfüllung dieser Pflicht Leistungen der Sozialhilfe zu gewähren sind. Dem Beklagten ist insoweit zwar zuzugestehen, dass durch die Entscheidung der Schulverwaltung, der Klägerin eine inklusive Beschulung zu ermöglichen, Bedarfe entstehen können, die bei einer Beschulung in einer sog Sonder- oder Förderschule ggf nicht durch den Sozialhilfeträger getragen werden müssten, weil die Sonder- oder Förderschulen über mehr Personal zur Unterstützung der behinderten Kinder verfügen. Dies ändert aber nichts an der nachrangigen Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers. Der Terminus "Kernbereich" ist im Übrigen kein schulrechtlicher Begriff (dazu später).

25

Der Kernbereich pädagogischer Tätigkeit ist nicht betroffen, wenn die Schulbegleitung die eigentliche pädagogische Arbeit der Lehrkraft nur absichert ("begleitet"). Den Kernbereich berühren deshalb alle integrierenden, beaufsichtigenden und fördernden Assistenzdienste nicht, die flankierend zum Unterricht erforderlich sind, damit der behinderte Mensch das pädagogische Angebot der Schule überhaupt wahrnehmen kann (so auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 6.8.2014 zur vergleichbaren Abgrenzungsproblematik in der Jugendhilfe unter Verweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5.2.2014 - L 9 SO 413/13 B ER). Die Vorgabe und Vermittlung der Lerninhalte, somit der Unterricht selbst, seine Inhalte, das pädagogische Konzept der Wissensvermittlung wie auch die Bewertung der Schülerleistungen bleibt den Lehrkräften vorbehalten, ist damit dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit zuzuordnen.

26

Die gegenüber der Klägerin erbrachte Hilfe ist auch geeignet zur Erreichung der Eingliederungsziele (§ 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII) und der Sache nach erforderlich (zur quantitativen Erforderlichkeit später). Die Erforderlichkeit und Eignung der Hilfe verlangt eine am Einzelfall orientierte, individuelle Beurteilung, ein individualisiertes Förderverständnis (vgl BSGE 110, 301 ff RdNr 21 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8; SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22), das einer Kategorisierung der in Betracht kommenden Hilfen bzw Maßnahmen nach abstrakt-generellen Kriterien entgegensteht. Damit verbietet sich eine Differenzierung danach, ob eine Hilfe (ganz oder teilweise) pädagogischen Charakter hat.

27

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) konnte die Klägerin dem Unterricht, insbesondere in den lernintensiven Fächern Deutsch und Mathematik, nicht folgen. Sie beschäftigte sich mit sich selbst, sobald sie den Anschluss verpasst hatte, oder störte Mitschüler. Durch die bewusste Fokussierung ihrer Aufmerksamkeit auf das zu bearbeitende Thema mit Hilfe einer "1:1-Unterstützung" durch die Schulbegleitung konnte hingegen ein Lernfortschritt erzielt werden. Die Schulbegleitung hat insbesondere die Aufmerksamkeit der Klägerin auf die gerade zu erledigende Aufgabe gelenkt, sie im Vorfeld dabei unterstützt, die erforderlichen Arbeitsunterlagen bereit zu legen und diese entsprechend dem auf sie angepassten Lernziel zu benutzen. Dass zur Erfüllung dieser Aufgabe ggf pädagogische Kenntnisse und Fertigkeiten notwendig waren und zur Anwendung kamen, zB indem der Klägerin eine von der Lehrerin gestellte Aufgabe durch die Schulbegleitung nochmals in einer für sie besser verständlichen Art und Weise erklärt worden ist, ist qualitativ für die Beurteilung der Erforderlichkeit und Eignung der Hilfe ohne Bedeutung.

28

Das Ergebnis wird geradezu gestützt durch die Ausführungen des Beklagten, der eine Bestimmung des Kernbereichs pädagogischer Tätigkeit für die jeweilige Schulform nach landesrechtlichen Schulvorschriften und die Schulziele nach Maßgabe der für die Schulform geltenden allgemeinen Bildungspläne fordert. Lässt man unberücksichtigt, dass, wie ausgeführt, ein solches Verständnis bereits dem Wortlaut und der Systematik der für die Beurteilung des Hilfebedarfs der Klägerin allein maßgeblichen sozialhilferechtlichen Vorschriften widerspricht, bleibt bei einer derartigen Argumentation außer Acht, dass die Klägerin gerade nicht nach dem allgemeinen Bildungsplan der Regelgrundschule, sondern zieldifferent, dh nach einem auf sie individuell abgestimmten Bildungs- und Kompetenzplan, wenn auch im Klassenverbund mit nicht behinderten Kindern, unterrichtet wird. Ob nach dem Landesrecht Baden-Württemberg die Förderung und Unterrichtung behinderter Kinder an einer Regelschule, wie der Beklagte meint, unter dem (ungeschriebenen) Vorbehalt steht, dass diese dem Unterricht der Regelschule folgen können, kann offenbleiben. Dieses Argument könnte allenfalls von Bedeutung sein für die Entscheidung der Schulverwaltung über die Erfüllung der Schulbesuchspflicht behinderter Kinder an Regelschulen; steht die Zulässigkeit der Beschulung an einer Regelschule allerdings fest, kann dieses Argument nicht (auch) dem Anspruch auf Deckung des sozialhilferechtlichen Hilfebedarfs entgegengehalten werden. Folglich ist der Einwand des Beklagten, die Schulverwaltung sei verpflichtet - sehe sie nicht von der Feststellung der Sonderschulpflicht ab -, die Verhältnisse an den Schulen so auszugestalten, dass ein gemeinsames Verfolgen "des Bildungsgangs" möglich sei, bei fehlender Pflichterfüllung ohne Bedeutung. Denn dieses Vorbringen zielt nur darauf ab, ggf aus dem Landesrecht resultierende Verpflichtungen der Schulverwaltung im Hinblick auf die Ausstattung der Schulen durchzusetzen, mindert aber nicht den sozialhilferechtlichen Hilfebedarf der Klägerin.

29

Zudem ist der Einwand des Beklagten nicht zutreffend, die Bestimmung des Kernbereichs pädagogischer Tätigkeit nach Maßgabe des Sozialhilferechts könne zu "Bedarfsunterdeckungen" führen, wenn ein Bundesland im Rahmen seiner schulrechtlichen Gesetzgebungskompetenz den Kernbereich der Aufgaben der Schule sehr eng ziehen sollte, aus Sicht des Sozialhilferechts der Kernbereich aber weiter gehend als das landesrechtliche Schulrecht zu ziehen sei. Normativ ist, wie ausgeführt, bei systematisch zutreffender Auslegung der §§ 53, 54 SGB XII iVm § 12 Eingliederungshilfe-VO bereits keine Bedarfsdeckungslücke denkbar. Es ist zudem kaum vorstellbar, dass der Kernbereich pädagogischer Arbeit, den der Senat wie aufgezeigt (eng) auf die Unterrichtsgestaltung selbst begrenzt sieht (BSGE 112, 196 ff RdNr 17 = SozR 4-3500 § 54 Nr 10), landesschulrechtlich enger geregelt werden kann. Landesschulrecht kann keinen sozialhilferechtlich bestimmten Kernbereich regeln. Die Argumentation des Beklagten setzt bei der unzutreffenden Annahme an, der Begriff des "Kernbereichs pädagogischer Tätigkeit" sei schulrechtlicher Natur; jedoch handelt es sich um einen rein für das Sozialhilferecht entwickelten Begriff, der für das Schulrecht ohne rechtliche Bedeutung ist. Die Wissensvermittlung durch Unterricht, gleichgültig in welcher Form, stellt jedenfalls den elementaren Auftrag der Schule dar. Faktische "Bedarfsdeckungslücken" wären insoweit in einer unzureichenden Versorgung der Schulen mit Lehrkräften denkbar, für die der Sozialhilfeträger Leistungen allerdings auch nicht nachrangig zu erbringen hat (BSGE 110, 301 ff RdNr 21 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 8).

30

Der außerhalb des Kernbereichs bestehende Hilfebedarf der Klägerin wurde tatsächlich von dritter Seite nicht gedeckt, sodass eine (nur nachrangige) Leistungspflicht des Beklagten (§ 2 Abs 1 SGB XII)besteht. Selbst wenn ein Anspruch auf Hilfe durch eine Schulbegleitung gegen den Schulträger bestünde, könnte dies die Ablehnung der Leistung gegenüber der Klägerin nicht rechtfertigen (BSGE 103, 171 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 54 Nr 5; BSG Urteil vom 30.6.2016 - B 8 SO 7/15 R -, RdNr 22). Gegen welchen Träger im Kernbereich ein Leistungsanspruch des behinderten Menschen bestehen würde, ist für das vorliegende Verfahren ebenso wenig von Bedeutung wie die Frage, welche andere juristische Person für Leistungen außerhalb des Kernbereichs ggf (vorrangig) zuständig wäre und auf welche Rechtsgrundlage ein derartiger Anspruch gestützt werden könnte. Diese Frage wäre Gegenstand eines möglichen Verfahrens des Beklagten gegen einen denkbaren Schuldner nach Überleitung eines sich ggf aus dem Schulrecht ergebenden Anspruchs auf sich (§ 93 SGB XII).

31

Allerdings fehlt es an Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) zur Beurteilung des erforderlichen quantitativen Umfangs der Hilfen. Allein der Umstand, dass Hilfen nur im Umfang der vom SG zugesprochenen Stundenzahl in Anspruch genommen worden sind, macht Feststellungen zur quantitativen Erforderlichkeit nicht entbehrlich. Außerdem wird das LSG die schuldrechtliche Verpflichtung der Klägerin gegenüber der Beigeladenen zu 2 (zur Maßgeblichkeit der vertraglichen Verpflichtung für den Umfang des Schuldbeitritts vgl nur BSGE 110, 301 ff RdNr 24 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8; für Leistungen in Einrichtungen BSG SozR 4-3500 § 53 Nr 4 RdNr 13 ff) sowie die Existenz und den Inhalt von Verträgen (§§ 75 ff SGB XII) zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen zu 2 festzustellen und ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben. Darüber hinaus wird es auf eine Vollstreckbarkeit des Urteilstenors zu achten haben.

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Das Verfahren wird eingestellt, soweit es hinsichtlich der schriftlichen Zusatzaufgabe im Fach Chemie zurückgenommen worden ist.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller, der die gymnasiale Oberstufe in der Qualifizierungsphase, 1. Halbjahr, besucht und bei dem sonderpädagogischer Förderbedarf für die Förderschwerpunkte „autistisches Verhalten“ wegen eines Asperger-Syndroms und „körperliche und motorische Entwicklung“ wegen der Epilepsie besteht,

2

hat am 05.12.2016 sinngemäß beantragt,

3

der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO aufzugeben, ihm mit sofortiger Wirkung einen Nachteilsausgleich i.S.v. § 6 Abs. 1 ZVO bis zum Ende des 1. Halbjahres des Schuljahres 2016/2017 (29.01.2017) der Art und Weise zu gewähren, dass er bei schriftlichen Leistungsnachweisen eine verlängerte Bearbeitungszeit von bis zu 30 Minuten in Anspruch nehmen kann.

4

Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

5

Das Gericht kann gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen. Erforderlich ist danach das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs. Dabei sind die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V. mit § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung, die - wie hier - die Entscheidung in der Hauptsache teilweise vorwegnimmt, kommt nur dann in Betracht, wenn Rechtsschutz in der Hauptsache nicht rechtzeitig erlangt werden kann und dies zu schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen für den Antragsteller führt, die sich auch bei einem Erfolg in der Hauptsache nicht ausgleichen lassen. Zudem muss mindestens eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens in der Hauptsache bestehen (vgl. OVG Schleswig, B. v. 30.09.1994 - 3 M 49/94 - SchlHA 1995, 22 und vom 30.08.2005 - 3 MB 38/05 - juris).

6

Ob hier ein Anordnungsgrund vorliegt, ist jedenfalls zweifelhaft, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung das Schulhalbjahr nur noch gut 3 Wochen läuft und in der Zeit nach Darstellung der Antragsgegnerin keine Arbeiten mehr geschrieben werden, sondern die Lehrkräfte ihre Noten für das erste Halbjahr festlegen und dann in den Zeugniskonferenzen diese beschlossen werden. Da der Antragsteller aber weiter Schüler der Antragsgegnerin bleibt und es auch nicht ausgeschlossen ist, dass Klausuren auch noch bis Ende Januar 2017 geschrieben werden, die dann eventuell erst für die nächste Zeugnisausgabe relevant werden, geht das Gericht zugunsten des Antragstellers von einem Anordnungsgrund aus.

7

Einen Anordnungsanspruch hat der Antragsteller allerdings nicht glaubhaft gemacht. Nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung besteht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragsteller zusätzlich zu dem ihm bereits gewährten Nachteilsausgleich, der u.a. bereits für Klausuren eine verlängerte Bearbeitungszeit von 15 Minuten vorsieht, einen Anspruch auf weitere 15 Minuten Zeitverlängerung hat.

8

Anspruchsgrundlage für die Erteilung eines Nachteilsausgleiches ist § 6 Abs. 1 u. 2 Zeugnisverordnung ((ZVO) - NBl.MBF.Schl.-H. 2008, 146).

9

Danach hat die Schule bei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf oder mit einer Behinderung, die nach den lehrplanmäßigen Anforderungen einer allgemein bildenden Schule unterrichtet werden, der Beeinträchtigung angemessen Rechnung zu tragen (Nachteilsausgleich). Der Nachteilsausgleich, der sich nicht auf die fachlichen Anforderungen auswirken darf, wird vom Schulleiter hinsichtlich der Art und des Umfangs festgelegt. Dabei ist bei einem Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Stellungnahme des zuständigen Förderzentrums zu berücksichtigen.

10

Der Antragsteller, der sich in der Oberstufe in der Qualifizierungsphase auf das zum Sommer 2018 abzulegende Abitur vorbereitet, hat einen Anspruch auf Nachteilsausgleich, der auch von der Antragsgegnerin grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird. So wird dem Antragsteller entsprechend einer Regelung der Antragsgegnerin vom 26.09.2016 insoweit ein Nachteilsausgleich gewährt, indem ihm eine größere Exaktheitstoleranz zugebilligt wird, er in bestimmten Situationen mündliche Leistungen durch schriftliche Zusatzleistungen ersetzen kann, er Arbeiten nicht vor der 3. Schulstunde schreiben muss und er eine verlängerte Arbeitszeit, die unstreitig auf 15 Minuten begrenzt ist, bekommt. Nunmehr begehrt der Antragsteller unter Vorlage eines nervenärztlichen Attestes vom 17.10.2016 einen Nachteilsausgleich bei Klausuren von insgesamt 30 Minuten.

11

Die Antragsgegnerin hat formell rechtmäßig die von dem Antragsteller begehrte weitere Zeitverlängerung abgelehnt.

12

Die Schulleiterin hat sich entsprechend § 6 Abs. 2 S. 3 ZVO vor ihrer Entscheidung vom 22.11.2016, die als ein Verwaltungsakt gem. § 106 Abs. 1 LVwG zu werten ist, durch das zuständige Förderzentrum beraten lassen. Das Schulamt P… hat durch ihre Kreisfachberaterin für den Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Frau D. unter Beratung mit zwei weiteren Kreisfachberaterinnen am 21.11.2016 eine Stellungnahme abgegeben. Darin hat sie aufgeführt, dass häufig an weiterführenden Schulen eine Verlängerung der Gesamtarbeitszeit von 10 % vereinbart werde, und dass die Möglichkeit einer entsprechenden Verlängerung für die im nächsten Schuljahr anstehenden Abiturprüfungen Rechnung zu tragen sei, wenn statt wie bisher 90 die Klausuren 300 Minuten dauern würden. Das würde der ärztlichen Empfehlung entsprechen, die eine Verlängerung auf 30 Minuten befürwortete.

13

Der Antragsteller hat materiell keinen Anspruch auf eine weitere Schreibzeitverlängerung glaubhaft gemacht.

14

Grundlage für einen Nachteilsausgleich ist die Gewährung des Grundsatzes der Chancengleichheit aus Art. 3 GG. Der Nachteilsausgleich soll es dem behinderten Prüfling unter Wahrung der für alle geltenden Leistungsanforderungen ermöglichen, sein tatsächlich vorhandenes (wahres) Leistungsvermögen nachzuweisen. Dieser darf aber nur insoweit gewährt werden, wie dies zur Herstellung der Chancengleichheit erforderlich ist. Die „Überkompensation“ der Behinderungen des Prüfungsteilnehmers durch Art oder Umfang des gewährten Nachteilsausgleichs führt zu einer Verletzung der Chancengleichheit der anderen Schüler und ist insoweit unzulässig (vgl. OVG Magdeburg, B. v. 11.03.2015 - 3 M 9/15 - m.w.N, juris, Rdnr 13).

15

Aus dem besonderen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf, folgt noch kein Anspruch auf einen konkreten Nachteilsausgleich. Vielmehr steht Normgebern und Verwaltung - hier der Schule - bei ihrer Entscheidung darüber, ob und inwiefern sie dem grundgesetzlichen Fördergebot Rechnung tragen, regelmäßig ein Einschätzungsspielraum zu. Einerseits müssen sie die Auswirkungen einer behinderungsbedingten Benachteiligung für die Betroffenen in den Blick nehmen. Andererseits haben sie rechtlich schutzwürdige gegenläufige Belange, aber auch organisatorische, personelle und finanzielle Gegebenheiten, in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Unmittelbar aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG kann sich ein Anspruch auf konkrete Maßnahmen allenfalls ergeben, um behinderungsbedingte schwerwiegende Nachteile für die Betroffenen insbesondere im Bereich der Grundrechtsverwirklichung abzuwenden oder wenn keine schutzwürdigen Belange entgegenstehen (vgl. BVerwG, U. v. 29.07.2015 - 6 C 35.14 -, juris, Rdnr 26 f in einem Fall einer Legasthenie).

16

Die Entscheidung des Schulleiters über die Art und den Umfang eines Nachteilsausgleichs ist wie auch andere pädagogische Entscheidungen auf der Grundlage eines gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Beurteilungsspielraums zu treffen. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle muss sich auf die Überprüfung beschränken, ob das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob von dem richtigen Sachverhalt oder von falschen Tatsachen ausgegangen wurde, ob die Stellungnahme des Förderzentrums hinreichend berücksichtigt wurde und ob die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht oder willkürlich ist. Die pädagogische Beurteilung muss in sich schlüssig und nachvollziehbar sein und darf den Erfordernissen rationaler Abwägung nicht widersprechen (st. Rspr bei einem Beurteilungsspielraum, vgl. z.B. Beschluss der Kammer vom 11.08.2011 - 9 B 43/11 -).

17

Das Gericht hat keinen Anhalt, an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin zu zweifeln. Diese hat sich auf die Beratung mit dem zuständigen Förderzentrum berufen, aber auch in Aussicht gestellt, dass sich die Zeitverlängerung zukünftig verändern könnte, wenn die zu schreibenden Klausuren statt 90 dann 300 Minuten dauerten.

18

Es ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin ihren pädagogischen Beurteilungsspielraum fehlerhaft angewendet hat.

19

Allein mit der Vorlage des nervenärztlichen Attestes vom 17.10.2016 hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass er aufgrund seiner gesundheitlichen Situation einen weiteren Nachteilsausgleich benötigt, denn aus dem Attest geht nicht hervor, von welchen regelmäßigen Zeitvorgaben der Arzt für eine Klausur bei seiner Empfehlung ausgeht.

20

Das Gericht hat deshalb Zweifel, ob sich der Arzt mit der Empfehlung von einer Zeitverlängerung von 30 Minuten Vorstellungen gemacht hat, wieviel Zeit den Schülern regelgemäß für die Klausur zur Verfügung steht, denn es liegt auf der Hand, dass ein zusätzlicher Zeitbedarf abhängig ist von der Regel-Bearbeitungszeit und dass bei verlängerter Arbeitszeit auch der zusätzliche Zeitbedarf steigt. Mangels ausreichender Differenzierung ist daher das Attest ungeeignet, einen weiteren Zeitbedarf glaubhaft zu machen.

21

Die Frage nach der Erforderlichkeit eines weiteren Zeitzuschlages von 15 Minuten ist daher zulässigerweise von der Antragsgegnerin anhand der schulischen Erfahrungen in der Vergangenheit und etwaiger Veränderungen im Schulalltag entschieden worden.

22

Im ersten Schulhalbjahr hat der Antragsteller einen Zeitzuschlag von 15 Minuten erhalten und nach den Erfahrungen der Antragsgegnerin hat der Antragsteller den ihm zugebilligten Zeitzuschlag kaum in Anspruch genommen. Das spricht dafür, dass der Zuschlag von 15 Minuten bei einer Klausurdauer von 90 Minuten (entsprechend Ziffer I.1. des Runderlasses zur Zahl und Umfang der Klassenarbeiten in der gymnasialen Oberstufe vom 31.08.2009 mit Änderungen vom 27.07.2010 - III 316 - (NBl.MBF.Schl.-H. 2009, 233 und NBl. MBK.Schl.-H. 2010, 229) ausreichend ist. Der Zuschlag entspricht damit ca. 17 % der Regel-Bearbeitungszeit und geht damit über das hinaus, was nach der Stellungnahme des Förderzentrums üblich ist. Die Länge der Klausuren wird sich jedenfalls im zweiten Schulhalbjahr auch noch nicht verändern. Denn gem. Ziffer I. 6 des Runderlasses wird erst im 3. Halbjahr der Qualifizierungsphase, also erst nach den Sommerferien im Jahr 2017, in Fächern mit erhöhtem Anforderungsniveau eine der Klassenarbeiten entsprechend dem Umfang und der Art der Abiturprüfungsarbeit geschrieben. Die Dauer dieser Arbeit beträgt gem. § 11 Abs. 6 der Landesverordnung über die Gestaltung der Oberstufe und der Abiturprüfung in den Gymnasien und Gemeinschaftsschulen (OAPVO) v. 02.10.2007 (NBl.MBF.Schl.-H. 2007, 285) fünf Zeitstunden (= 300 Minuten).

23

Es besteht keine Notwendigkeit, bereits jetzt über einen veränderten Nachteilsausgleich für das dritte Schulhalbjahr der Qualifizierungsphase Überlegungen anzustellen, welches erst nach den Sommerferien 2017 beginnt.

24

Soweit der Antragsteller am 15.12.2016 seinen Antrag dahingehend erweitert hat, dass dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung auferlegt werden soll, dem Antragsteller im laufenden Schulhalbjahr die Möglichkeit zu geben, seine Note für die mündliche Mitarbeit im Fach Chemie durch das Erbringen einer schriftlichen Ersatzleistung zu verbessern, ist der Antrag am 05.01.2017 zurückgenommen worden, so dass das Verfahren insoweit gem. § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen ist.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG.


(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. September 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines Bettes plus Lattenrost für ein knapp dreieinhalbjähriges Kind als Leistungen für Erstausstattung nach dem SGB II.

2

Der im Mai 2007 geborene Kläger lebt mit seiner Mutter zusammen. Sie erhalten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Oktober 2010 beantragte er die Übernahme der Kosten ua für ein Bett und einen Lattenrost als Erstausstattung iS des § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II, weil er für das vorhandene Kinderbett zu lang geworden sei. Durch Bescheid vom 3.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2010 lehnte der Beklagte dies ab. Die Mutter des Klägers erwarb im Februar 2012 ein Bett mit Lattenrost zu einem Preis von 272,25 Euro für den Kläger.

3

Vor dem SG ist der Kläger erfolglos geblieben (Urteil vom 13.1.2012). Das LSG hat die Berufung des Klägers hiergegen durch Urteil vom 13.9.2012 zurückgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger keinen Kostenerstattungsanspruch für Bett und Lattenrost habe. § 23 SGB II sei bedarfsbezogen auszulegen. So könne zwar auch ein bereits gedeckter Bedarf durch außergewöhnliche Umstände erneut entstehen. Dieser neue Bedarf sei jedoch vom Erhaltungs-, Ergänzungs- oder Ersatzbeschaffungsbedarf abzugrenzen, der durch die Regelleistung zu decken sei. Bei dem angeschafften Bett handele es sich um eine Ersatzbeschaffung, denn es sei bereits ein Bett für den Kläger im Haushalt der Mutter vorhanden. Das neue Bett habe grundsätzlich dieselbe Funktion wie das nicht mehr passende Gitterbett - beides diene zum Schlafen. Lediglich wegen des Wachsens des Klägers sei der Bedarf nach einem neuen Bett entstanden. Insoweit sei die Rechtslage der bei Kinderkleidung vergleichbar, die nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS 81/08 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 8)auch nur bei der erstmaligen Anschaffung für einen Säugling, der noch keine Kleidung gehabt habe, einen Sonderbedarf iS des § 23 Abs 3 SGB II darstelle. Wegen des Wachstums der Kinder benötigte größere Bekleidungsstücke seien aus der Regelleistung zu finanzieren. Ein Anspruch auf die Kostenerstattung sei auch nicht aus Verfassungsrecht herzuleiten.

4

Der Kläger rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung von § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II. Er macht geltend, dass er nicht über ein seinem Bedarf entsprechendes Bett verfüge. Der Bedarf könne auch nicht aus der Regelleistung gedeckt werden, denn dort seien 5,10 Euro monatlich für Möbel und Einrichtungsgegenstände eingestellt. Den geltend gemachten Erstattungsbetrag habe der Kläger damit bis zur Antragstellung nicht ansparen können. Möbel seien anders als Kinderkleidung nicht dem Verschleiß unterworfen. So sei auch hier der Bedarf nicht durch Verschleiß entstanden, sondern weil das Gitterbett nicht mehr nutzbar sei. Ein Jugendbett sei im Haushalt jedoch noch nicht vorhanden. Die Funktion von Kinder- und Jugendbett sei zudem nicht identisch. Das Kinderbett in der Gestalt des Gitterbettes sei auf die spezifischen Bedürfnisse des Kindes/Säuglings zugeschnitten. Ebenso wenig sei die Entscheidung des BSG zur Kinderkleidung auf den Erstausstattungsbedarf für ein Jugendbett zu übertragen. Anders als bei der Kinderkleidung handele es sich bei dem Jugendbett nicht um einen kindspezifischen Bedarf, der zudem nicht laufend neu entstehe.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. September 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Januar 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 3. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 272,25 Euro zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die Ausführungen in der Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.

9

Der Senat konnte anhand der Feststellungen des LSG nicht abschließend darüber befinden, ob der Kläger einen Anspruch auf die Erstattung seiner Aufwendungen für das selbst beschaffte Jugendbett mit Lattenrost in Höhe von 272,25 Euro hat. Der Beklagte hat die Bewilligung von Leistungen hierfür zwar rechtswidrig versagt. Bei der erstmaligen Beschaffung eines "Jugendbettes" - nachdem das Kind dem "Kinderbett" entwachsen ist - handelt es sich um eine Erstausstattung für die Wohnung iS von § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II, die auch dem Grunde nach angemessen ist. Es mangelt jedoch an Feststellungen des LSG, um eine abschließende Beurteilung der Angemessenheit der Höhe des Erstattungsanspruchs vornehmen zu können.

10

1. Streitgegenstand ist allein der vom Beklagten durch Bescheid vom 3.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.12.2010 abgelehnte Anspruch des Klägers auf Leistungen für Erstausstattung nach § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706). Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen, abtrennbaren Streitgegenstand, über den isoliert und unabhängig von den übrigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entschieden werden kann (vgl BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, RdNr 12; BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4, RdNr 9; BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 53/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 12, RdNr 9; BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 202/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 13, RdNr 11).

11

2. Der Kläger verfolgt sein Begehren zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Zwar ist bei Streitigkeiten um eine Wohnungserstausstattung regelmäßig die Verpflichtungsbescheidungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG) die statthafte Klageart, weil der Leistungsberechtigte einen gebundenen Rechtsanspruch nur im Hinblick auf das "Ob" und nicht jedoch auch auf das "Wie" der Leistungserbringung nach § 23 Abs 3 S 5 SGB II hat. Es steht regelmäßig im pflichtgemäßen Auswahlermessen des Grundsicherungsträgers, ob er die Leistung als Sachleistung oder als (gegebenenfalls pauschalierte) Geldleistung erbringt und in welcher Höhe er diesen Anspruch erfüllt (vgl BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4, RdNr 10; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 45/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 5, RdNr 19). Beschafft sich jedoch der Hilfebedürftige die im Streit stehenden Gegenstände endgültig selbst, wie es hier nach den Feststellungen der Vorinstanz der Fall war, besteht für die gerichtliche Klärung eines Sachleistungsanspruchs iS des § 23 Abs 3 S 5 SGB II (also etwa die Überlassung eines Jugendbettes aus eigenen Beständen des Grundsicherungsträgers oder durch Gutscheine für bestimmte Möbelkaufhäuser) regelmäßig kein Rechtsschutzinteresse mehr. Das Begehren des Leistungsbedürftigen richtet sich ausschließlich auf eine Geldleistung, die allein im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage zu verfolgen ist (BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 36/09 R - RdNr 13).

12

3. Nach den bindenden der Feststellungen des LSG erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch nach § 7 SGB II. Er ist leistungsberechtigt nach § 7 Abs 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (BGBl I 558). Danach erhalten Leistungen auch Personen, die mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Die Mutter des Klägers ist eine erwerbsfähige Hilfebedürftige iS des § 7 Abs 1 S 1 SGB II. Ihrem Haushalt gehört der Kläger an (Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II), woraus sich dessen Berechtigung auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Sozialgeld nach § 7 Abs 2 und § 28 Abs 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung arbeitsmarktpolitischer Instrumente vom 21.12.2008, BGBl I 2917) ableitet.

13

4. Der Kläger hat auch dem Grunde nach Anspruch auf Erstausstattung in Gestalt eines Jugendbettes mit Lattenrost nach § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II. Danach sind Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht (§ 23 Abs 3 S 2 SGB II). Die Bewilligung einer Leistung nach § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II dem Grunde nach setzt dabei zweierlei voraus: die Ausstattung mit dem begehrten Gegenstand muss eine erstmalige Ausstattung (a.) und der Gegenstand selbst muss dem Grunde nach angemessen sein (b.).

14

a) Um eine Erstausstattung für Wohnung im Sinne dieser Vorschrift handelt es sich dann, wenn ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Der Anspruch ist insoweit bedarfsbezogen zu verstehen (BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, RdNr 19; BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 202/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 13, RdNr 16). In Abgrenzung zu einem Erhaltungs- und Ergänzungsbedarf, der aus der Regelleistung zu bestreiten ist, kommt eine Wohnungserstausstattung allerdings auch bei einem erneuten Bedarfsanfall in Betracht, wenn der Hilfebedürftige nachweist, dass er - regelmäßig im Zusammenhang mit besonderen Ereignissen - über die nunmehr notwendigen Ausstattungsgegenstände bisher nicht oder nicht mehr verfügt. Von den in den Gesetzesmaterialien beispielhaft genannten Bedarfen für eine Wohnungserstausstattung, zB nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft (BT-Drucks 15/1514, S 60 zum gleichlautenden § 32 Abs 1 SGB XII), steht jedenfalls der Wohnungsbrand für Konstellationen, bei denen - nach dem Willen des Gesetzgebers - Leistungen nach § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II für einen erneuten Bedarfsanfall im Sinne einer Ersatzbeschaffung als "Wohnungserstausstattung" gewährt werden können. Entsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass der erstmaligen Ausstattung einer Wohnung wertungsmäßig diejenigen Fälle einer Ersatzbeschaffung gleichzustellen sind, bei denen vorhandene Ausstattungsgegenstände allein durch einen vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzug in eine angemessene Wohnung unbrauchbar geworden (BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4, RdNr 14 f) oder bei einem Rückumzug aus dem Ausland im Ausland untergegangen sind (BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 202/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 13, RdNr 17).

15

Bei der Anschaffung eines Jugendbettes handelt es sich im konkreten Fall um eine Erstausstattung in diesem Sinne. Ein für den Kläger geeignetes Bett war, nachdem er nach den Feststellungen des LSG dem "Gitterbett" entwachsen war, nicht mehr vorhanden. Das "Gitterbett" ist zwar nicht "untergegangen". Der Kläger benötigte jedoch erstmals in seinem Leben ein seiner Körpergröße angepasstes größeres Bett. Bei dem Jugendbett handelt es sich um ein Aliud gegenüber dem Gitter- oder Kinderbett. Anders wäre die Lage zu beurteilen, wenn der Kläger bereits über ein im Kleinkindalter angeschafftes Jugendbett verfügen, dieses jedoch etwa in der Pubertät nicht mehr seinen geschmacklichen Vorstellungen entsprechen würde. Dann handelte es sich bei einem neuen Jugend- oder Erwachsenenbett um eine Ersatzbeschaffung, die tatsächlich Ersatz für einen bereits vorhandenen und geeigneten Einrichtungsgegenstand ist.

16

Mit dieser Bewertung begibt sich der Senat auch nicht in einen Widerspruch zur Entscheidung des 14. Senats betreffend den Ersatz von Kinderkleidung, der Kinder entwachsen sind (BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 81/08 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 8). Der 14. Senat hat dort die Erstausstattung im Sinne eines einmaligen Bedarfs nach § 23 Abs 3 SGB II von dem für regelmäßig laufende Anschaffungen und Instandhaltungen von Kleidung nach § 20 SGB II abgegrenzt(BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 81/08 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 8, RdNr 16). Genau hier verläuft auch die Grenzlinie im vorliegenden Fall. Bei der Anschaffung des Jugendbettes handelt es sich hier - wie oben dargelegt - um einen ein- und erstmaligen Bedarf im Unterschied zu den laufenden Bedarfen für Kinderkleidung. Soweit das LSG zur Untermauerung der fehlenden "Erstmaligkeit" des Bedarfs den Bedarf nach einem Jugendbett von dem nach einem Schreibtisch, der zur Einschulung angeschafft werden soll, abgrenzt, folgt hieraus nichts anderes. Die Beschaffung sowohl des Jugendbettes als auch des Schreibtisches können eine Leistung zur Erstausstattung iS des § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II sein. Ob für den Schreibtisch eine solche Leistung vom Grundsicherungsträger zu erbringen wäre, entscheidet sich demnach nicht bei der Prüfung der Erstmaligkeit, sondern in Beantwortung der Frage nach der Angemessenheit dieses Einrichtungsgegenstandes dem Grunde nach. Hiervon scheint auch das LSG unausgesprochen auszugehen, denn es räumt ein, dass beim Schreibtisch zu prüfen sei, ob insoweit überhaupt ein Bedarf angenommen werden könne. Gemeint ist damit wohl, dass geprüft werden müsse, ob es sich um einen grundsicherungsrechtlich relevanten Bedarf handelt, also ob die Beschaffung dieses Einrichtungsgegenstandes dem Grunde nach angemessen ist.

17

b) Handelt es sich bei dem begehrten Gegenstand um eine Erstausstattung im zuvor dargelegten Sinne, so ist er vom Grundsicherungsträger nach § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II nur dann zu finanzieren, wenn es sich um einen dem Grunde nach zum Wohnen und zur Haushaltsführung angemessen Gegenstand im Sinne des Grundsicherungsrechts handelt(Fortführung von BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 75/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 11, RdNr 15 ff). Leistungen nach § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II sind, wie die zuständigen Senate des BSG übereinstimmend entschieden haben, für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen(BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 45/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 5, RdNr 14; BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 53/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 12, RdNr 13). Wohnung oder Unterkunft - nach dem Sprachgebrauch des § 22 SGB II werden die Begriffe synonym verwandt - soll zwar nicht nur die Bedürfnisse nach Schutz vor Witterung und einer Gelegenheit zum Schlafen befriedigen, sondern auch die Unterbringung von Gegenständen aus dem persönlichen Lebensbereich ermöglichen(BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 1/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 14, RdNr 16) sowie die Führung eines Haushalts, wie sich aus der gesonderten Aufführung der Haushaltsgeräte in § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II ergibt. Andererseits werden die Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II nur übernommen, soweit sie angemessen sind. Dies erfordert, dass die Unterkunft nach Lage, Ausstattung und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Standard aufweist (BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 1/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 14, RdNr 15 mwN). Dies gilt auch für die Ausstattung der Wohnung mit Einrichtungsgegenständen und Haushaltsgeräten. Von daher wird von dem Begriff "Wohnen" iS des § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II nur die Befriedigung von grundlegenden Bedürfnissen umfasst. Der 14. Senat des BSG hat es folglich abgelehnt auch Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung unter den Begriff der Erstausstattung zu fassen (BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 75/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 11, RdNr 16 - Fernsehgerät).

18

Im vorliegenden Fall bestehen keine Zweifel, dass die Beschaffung eines Jugendbettes dem Grunde nach angemessen in diesem Sinne ist. Durch das Jugendbett soll ein elementares Grundbedürfnis gedeckt werden, das Bedürfnis eine Stätte zum Schlafen zu erhalten.

19

5. Eine abschließende Bewertung der Höhe des Erstattungsanspruchs ist dem Senat nach den Feststellungen des LSG jedoch nicht möglich. Unschädlich ist insoweit zwar, dass das Bett für den Kläger bereits beschafft worden ist und er daher keine Sach- oder Geldleistung vom Beklagten, sondern eine Kostenerstattung begehrt. Nicht beurteilen kann der Senat jedoch, ob die getätigte Anschaffung der Höhe nach angemessen war.

20

a) Mit der Beschaffung des Bettes durch die Mutter des Klägers ist der Bedarf des Klägers nach einem seiner Körpergröße angemessenen Bett zwar gedeckt worden. Da hier die "Selbstbeschaffung" der begehrten Leistung jedoch wegen der fehlenden Unterstützung durch den Beklagten erfolgt ist, ist dessen Leistung durch den Erwerb des Bettes lediglich substituiert worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats kann eine solche Substitution wegen einer Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung dem Kläger nicht entgegengehalten werden (vgl BSG vom 27.9.2010 - B 4 AS 202/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 13, RdNr 23; für die Sozialhilfe BSG Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R - SozR 4-3500 § 21 Nr 1, RdNr 11; BVerwG vom 30.04.1992 - 5 C 12/87 - BVerwGE 90, 154 ff; s zur Substitution durch Darlehensgewährung BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 46/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 45).

21

b) Ebenso ist es unschädlich, dass sich hier der Sach- oder Geldleistungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch gewandelt hat. § 23 Abs 3 S 5 SGB II räumt dem Leistungsträger zwar ein Auswahlermessen dergestalt ein, dass er die Leistungen entweder als Sachleistungen oder als Geldleistungen, letztere auch in Form von Pauschalbeträgen erbringen kann. Dieses Auswahlermessen kann der Beklagte nach der Selbstbeschaffung des Bettes durch den Kläger nicht mehr ausüben. Wie der 14. Senat des BSG jedoch bereits entschieden hat, ist die Erstattung von Kosten bei Selbstbeschaffung unaufschiebbarer Sozialleistungen (also in Eil- und Notfällen) sowie im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht (vgl bereits BSG vom 30.10.2001 - B 3 KR 27/01 R - BSGE 89, 50, 56 f = SozR 3-3300 § 12 Nr 1 S 8, juris RdNr 36; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 36/09 R - RdNr 21; Grube, Sozialrecht aktuell 2010, 11, 12). Liegen seine Voraussetzungen vor, wandelt sich auch im Anwendungsbereich des SGB II ein Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch, gerichtet auf Geld, um (vgl BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 21). So liegt der Fall hier. Der Beklagte hat die Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II abgelehnt und der Kläger hat die Selbstbeschaffung erst deutlich nach der Verwaltungsentscheidung getätigt. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten war auch - wie oben dargelegt - rechtswidrig.

22

c) Ob der Kläger jedoch einen Erstattungsanspruch in Höhe seiner tatsächlich getätigten Ausgaben hat, kann der Senat in Ermangelung von Feststellungen des LSG hierzu nicht entscheiden. Der selbstbeschaffte Einrichtungsgegenstand muss von seinem Wert her - also der Höhe nach -, ausgedrückt im Preis für den Erwerb, angemessen sein. Insofern besteht kein Unterschied zwischen dem Kostenerstattungsanspruch und der Geldleistung iS des § 23 Abs 3 S 5 SGB II. Beide sind so zu bemessen, dass sie realitätsgerecht einen einfachen und grundlegenden Bedarf decken können. Anhaltspunkte zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit können dabei aus der Regelung des § 23 Abs 3 S 6 SGB II und den vom BSG entwickelten Regeln zur Bestimmung des angemessenen Pauschalbetrags gewonnen werden. Dabei ist allerdings einerseits zu beachten, dass der Leistungsberechtigte möglicherweise keinen Zugriff auf kostengünstige Sachleistungen hat, wie sie ein Grundsicherungsträger anbieten kann, sodass der Marktpreis beim eigentätigen Erwerb unter Umständen höher sein kann. Die Obergrenze der Angemessenheit ist andererseits dort zu ziehen, wo die Aufwendungen für den selbst beschafften Gegenstand der Erstausstattung aus Sicht eines verständigen Leistungsberechtigten offenkundig außer Verhältnis zu dem stehen, was einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht (vgl hierzu die Rspr zur Schließung von Versorgungslücken bei Hilfsmitteln, BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 20/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 20).

23

Das LSG wird demnach im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob die Höhe der Aufwendungen des Klägers für die Beschaffung von Bett und Lattenrost in diesem Sinne angemessen war.

24

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Januar 2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 6. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2009 geändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Oktober 2009 1300 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Übernahme der Kosten für die Teilnahme an einem Aufenthalt in den USA im Rahmen eines Schüleraustausches mit einer High School in Pinetop-Lakeside (Arizona) vom 1.10. bis 31.10.2009.

2

Der 1992 geborene Kläger ist Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus seinen Eltern, seiner Schwester und ihm. Die Bedarfsgemeinschaft bezog in dem oben benannten Zeitraum (Bescheid vom 17.9.2009 in der Fassung der Bescheide vom 14.10. und 30.10.2009) sowie vom 1.4. bis 30.9.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bescheide vom 17.3., 21.5., 18.6., 18.8. und 16.9.2009). Der Kläger war zum Zeitpunkt des Austausches Schüler der 12. Klasse an dem biotechnologischen Gymnasium der H Er wurde von der Schule wegen guter Leistungen und besonderem Engagement ausgewählt, an dem Schüleraustausch teilzunehmen. Die Kosten - insgesamt 1650 Euro, darin enthalten 350 Euro Taschengeld - übernahmen, nachdem der Beklagte die Gewährung als Leistung nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II (Klassenfahrt) abgelehnt hatte(Bescheid vom 6.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.7.2009), ehemalige Geschäftsfreunde seines Vaters. Die Schulden soll der Kläger durch Arbeit begleichen.

3

Das SG Freiburg hat die Klage auf Übernahme der Kosten abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 8.1.2010) und das LSG Baden-Württemberg hat die Berufung des Klägers hiergegen zurückgewiesen (Urteil vom 22.6.2010). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, zum einen seien die Aufwendungen für Taschengeld während des Austausches nicht von den Leistungen umfasst, die nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu gewähren seien. Nur die eigentlichen Kosten der Klassenfahrt seien zu tragen. Zum Zweiten scheitere der Anspruch bereits daran, dass es sich bei dem Schüleraustausch nicht um eine Klassenfahrt handele. Das baden-württembergische Schulrecht kenne den Begriff der Klassenfahrt als eigenständigen, rechtlich ausgefüllten Begriff nicht. Das Gericht habe daher den in § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II verwendeten Begriff der "Klassenfahrt" unabhängig von den schulrechtlichen Vorschriften in Baden-Württemberg selbst auszulegen. Im Ergebnis liege eine "Klassenfahrt" nur dann vor, wenn sich die "Klasse" auch im Sinne des die Klasse ersetzenden Kursverbandes oder der Jahrgangsstufe auf eine mehrtägige Fahrt begebe. Bei einer freiwilligen, von dem konkreten fachbezogenen Klassen- oder Unterrichtsverband unabhängigen Teilnahme an einer mehrtägigen Veranstaltung liege hingegen keine "Klassenfahrt" vor. Bedarfe durch derartige Veranstaltungen würden nicht von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II erfasst. Dies gelte insbesondere deswegen, weil nur ein Teil der Schüler der Klasse des Klägers an dem Schüleraustausch teilgenommen habe, ausgewählt nach schulischen Leistungen und sozialem Engagement - die Mehrheit der Schüler hiervon jedoch ausgeschlossen gewesen sei.

4

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 23 Abs 3 SGB II. Zur Begründung hat er ausgeführt, die restriktive Auslegung des Begriffs "Klassenfahrt" durch das LSG werde durch systematische Überlegungen, die Gesetzesbegründung und den Sinn und Zweck der Norm widerlegt. Die strenge Pauschalierung des SGB II gebiete eine weite Auslegung der Tatbestände, die eine Ausnahme hiervon normierten. Dies werde durch die Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift des § 31 Abs 1 Nr 3 SGB XII bestätigt. Dort werde die Klassen- mit der Schulfahrt gleichgesetzt, was belege, dass eine Klassenfahrt nicht nur dann gegeben sei, wenn die "Klasse auf Fahrt" sei. Die Norm diene dem Zweck, eine Ausgrenzung schulpflichtiger hilfebedürftiger Kinder zu vermeiden. Der Kläger wäre im Falle der Nichtteilnahme an dem Schüleraustausch jedoch einer Ausgrenzung ausgesetzt worden. Es komme entgegen der Auffassung es LSG nicht darauf an, dass die Teilnahme an dem Schüleraustausch freiwillig erfolgt sei. Auch in diesem Fall sei eine Nichtteilnahme wegen hinreichender finanzieller Mittel ausgrenzend. Ebenso wenig sei entscheidend, dass nur eine begrenzte Zahl von Schülern den Austausch habe machen können. Innerhalb der Vergleichsgruppe bleibe der Ausschluss aus finanziellen Gründen ausschließend. Nur durch die Finanzierung der Teilnahme könne zudem Chancengleichheit gewährleistet werden.

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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Januar 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 6. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2009 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Oktober 2009 1300 Euro zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Er hält die Ausführungen des LSG in der vom Kläger angefochtenen Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers ist begründet.

9

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Erstattung der ihm für eine mehrtägige Klassenfahrt in Gestalt der Teilnahme an dem Schüleraustausch mit der High School in Pinetop-Lakeside (Arizona) vom 1.10. bis 31.10.2009 entstandenen Kosten in Höhe von 1300 Euro gegen den Beklagten. Entgegen der Auffassung des LSG handelt es sich bei diesem Schüleraustausch um eine mehrtägige Klassenfahrt iS von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II. Dies folgt aus den landesschulrechtlichen Bestimmungen Baden-Württembergs, mit denen die bundesrechtliche Rahmenregelung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II auszufüllen war.

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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Anspruch des Klägers nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II auf Erstattung der Kosten, die ihm durch den Schüleraustausch vom 1.10. bis 31.10.2009 entstanden sind. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 6.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.7.2009 einen Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt verneint. Mit dem 14. Senat des BSG geht der erkennende Senat davon aus, dass es sich zum einen bei dem Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II um einen Individualanspruch desjenigen handelt, der den entsprechenden Bedarf geltend macht(BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2). Zum Zweiten kann der Anspruch isoliert gerichtlich durchgesetzt werden (BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 1/09 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 9; BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2; so auch BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1 und Erstausstattung BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2; BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4 sowie BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 202/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Dementsprechend hat der Kläger seine Klage durch Antragstellung vor dem SG in zulässiger Weise auf die Übernahme der Kosten für den Schüleraustausch beschränkt (zur Zulässigkeit der Beschränkung des Streitstoffs auf Leistungen für Sonderbedarfe vgl BSG vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 15; BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2; BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Zum Dritten verfolgt der Kläger in zulässiger Weise den Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt, nachdem der Schüleraustausch bereits durchgeführt worden ist und er den hierfür erforderlichen Geldbetrag von Geschäftsfreunden seines Vaters zur Verfügung gestellt bekommen hat, als Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage weiter.

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Der Kläger hat die Höhe des von ihm geltend gemachten Anspruchs zudem im Revisionsverfahren zulässig auf 1300 Euro beschränkt. Er begehrt nur noch die Übernahme der eigentlichen Kosten für den Schüleraustausch (zusammengesetzt aus 740 Euro für die Flugtickets, Eintritte pp von 160 Euro, Jugendherberge/Hotel 300 Euro, anteilige Kosten für Mietwagen und Kraftstoff von 100 Euro = 1300 Euro). Er macht die Übernahme des von der Schule und dem Auswärtigen Amt veranschlagten Taschengeldes in Höhe von 350 Euro nicht mehr geltend. Insoweit ist die zurückweisende Berufungsentscheidung mithin rechtskräftig geworden.

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2. Der Kläger ist leistungsberechtigt iS des § 7 Abs 1 SGB II. Er hat - von dem Beklagten bestandskräftig beschieden - zum Zeitpunkt der Entstehung des Bedarfs, als auch der Durchführung des Schüleraustausches Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gleichwohl insbesondere nicht hilfebedürftig gewesen sein könnte, sind nach den Feststellungen des LSG nicht ersichtlich. Eine Prüfung nach § 23 Abs 3 Satz 3 SGB II erübrigt sich daher.

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3. Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den Betrag von 1300 Euro, den er darlehensweise von den Geschäftsfreunden seines Vaters erhalten hat, für den Schüleraustausch in der Zeit vom 1.10. bis 31.10.2009 nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu erstatten. Nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II(in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) sind Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht (§ 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II). Der hier durchgeführte Schüleraustausch ist eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Baden-Württemberg iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II.

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a) Die bundesrechtliche Regelung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II bestimmt den abstrakten Rahmen dafür, wann Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt zu erbringen sind. Gleichwohl ist der Rechtsbegriff der "Klassenfahrt" innerhalb dieses Rahmens durch die landesschulrechtlichen Vorschriften auszufüllen. Zwar hat das LSG festgestellt, dass der Begriff der "Klassenfahrt" in den schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Baden-Württemberg nicht ausdrücklich definiert werde. Der Senat ist hieran gebunden. Das LSG hat insoweit nicht reversibles Landesrecht ausgelegt (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO; zur Anwendung und Überprüfung von Landesrecht durch das BSG siehe BSG vom 24.1.2008 - B 3 KR 17/07 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 7; BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 20/06 R - BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1; BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27; BSG vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 162 RdNr 7). Dies führt entgegen der Auffassung des LSG jedoch nicht dazu, dass der im Bundesrecht verwendete Begriff der "mehrtägigen Klassenfahrt" hier ohne Heranziehung der schulrechtlichen Vorschriften des Landes Baden-Württemberg, gleichsam ausschließlich nach bundesrechtlichen Maßstäben zu bewerten wäre (vgl zur Ausfüllung des Begriffs der mehrtägigen Klassenfahrt durch die landesrechtlichen Schulgesetze BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Auch wenn der Begriff der "Klassenfahrt" im Landesrecht nicht verwendet oder ausdrücklich definiert wird, bestimmt sich nach den schulrechtlichen Bestimmungen, ob die Veranstaltung wie eine mehrtägige Klassenfahrt im Leistungsrecht des SGB II zu behandeln ist. Die Leistung wird durch den bundesrechtlichen Rahmen begrenzt und durch das Landesschulrecht ausgefüllt. Der bundesrechtliche Rahmen darf zwar nicht überschritten werden, das Landesrecht regelt jedoch, welche Veranstaltungen dem Grunde nach üblich sind und in welcher Höhe Aufwendungen hierfür regional übernommen werden. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II, findet seine Stütze jedoch auch in der Gesetzesbegründung, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II.

15

Nach dem Wortlaut des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II sind die dortigen Leistungen unter den Bedingungen zu übernehmen, dass es sich um Aufwendungen für eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen handelt. Die Verbindung der Begriffe mehrtägige Klassenfahrt und schulrechtliche Bestimmungen gibt damit einerseits bundesrechtlich vor, dass nur Leistungen zu erbringen sind für Kosten, die durch eine schulische Veranstaltung entstanden sind, die mit mehr als nur einem Schüler und für mehr als einen Tag (vgl BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 1/09 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 9)durchgeführt wird und einer "Fahrt", also einer Veranstaltung, die außerhalb der Schule stattfindet. Andererseits folgt aus der Wortlautverbindung zu dem "schulrechtlichen Rahmen", dass nach schulrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes zu bestimmen ist, ob die konkret durchgeführte Veranstaltung im Rahmen des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II regional "üblich" ist. Bieten die schulrechtlichen Bestimmungen keinerlei Rechtsgrundlage für die Durchführung der Veranstaltung bzw die Höhe der Aufwendungen hierfür oder überschreitet ihre Durchführung (dem Grunde nach) den bundesrechtlichen Rahmen, lösen die dadurch entstehenden Kosten keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II aus. Die Aufwendungen sind vom Grundsicherungsträger mithin nur dann zu übernehmen, wenn die Veranstaltung den Vorgaben entspricht, die die bundesrechtliche Rahmenbestimmung vorgibt und für die im Landesrecht eine Grundlage vorhanden ist.

16

Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung in der Gesetzesbegründung. Danach sind die Worte "mehrtägige Klassenfahrt" im bundesrechtlichen Rahmen ein Synonym für eine mehr als einen Tag dauernde schulische Veranstaltung, die näher durch die schulrechtlichen Vorschriften bestimmt werden soll. Weder erfolgt danach mit der Formulierung im Normtext eine Begrenzung der Leistungen für solche Aufwendungen, die der "Klasse auf Fahrt" entstehen (vgl hierzu LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 25.9.2008 - L 8 AS 38/08; Bayerisches LSG vom 10.5.2007 - L 11 AS 178/06 - FEVS 59, 76) noch darf das Landesrecht bei der konkreten Bestimmung des Inhalts der Leistung außer Betracht gelassen werden. In der Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II im SGB XII(§ 32 Abs 1 Nr 3 SGB XII im Entwurf - zwischen dem 1.1.2005 und 31.12.2010 § 31 Abs 1 Nr 3 SGB XII)kommt dies deutlich zum Ausdruck, wenn dort anstelle des Begriffs der "Klassenfahrt" der der "Schulfahrt" verwendet wird (vgl BT-Drucks 15/1514 S 60).

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Aus der systematischen Stellung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II folgt zudem zwingend, dass der bundesrechtliche Rahmen nur durch die jeweiligen schulrechtlichen Vorschriften ausgefüllt werden kann. Die Leistung ist regional determiniert. Die Berechnung der pauschalierten Regelleistung der §§ 19, 20 SGB II beinhaltet keine Aufwendungen für eine mehrtägige Klassenfahrt(vgl BT-Drucks 15/1514 S 60 zu § 32 SGB XII-Entwurf). § 23 Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB II stellt dies nochmals ausdrücklich klar. Aus diesem Grund sind Leistungen hierfür vom SGB II-Leistungsträger gesondert zu erbringen. Die Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt sind jedoch anders als solche für Erstausstattungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB II in tatsächlich entstandener Höhe zu übernehmen. In der Begründung zu § 32 SGB XII-Entwurfsfassung wird dies damit gerechtfertigt, dass "Schulfahrten" ein wichtiger Bestandteil der Erziehung "durch die Schulen" seien(BT-Drucks 15/1514 S 60). Damit wird der unterschiedlichen rechtlichen Umsetzung der schulpolitischen Vorstellungen in den einzelnen Bundesländern Rechnung getragen, die insbesondere durch die verfassungsrechtlich ausschließliche Zuständigkeit der Länder für die Schulgesetzgebung(BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvL 8/84, 1 BvL 16/84 - BVerfGE 75, 40) bedingt sind. Daraus ergibt sich, wie das BVerfG erkannt hat, eine weitgehende eigenständige Gestaltungsfreiheit der Länder bei der Festlegung der Schulorganisation, aber auch der Erziehungsprinzipien und Unterrichtsgegenstände (BVerfG vom 26.2.1980 - 1 BvR 684/78 - BVerfGE 53, 185, 195 f = Juris RdNr 33). In der Folge hiervon sind die schulischen Bedarfe dem Grunde und der Höhe nach durch die regionalen Verhältnisse bestimmt. Dem trägt § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II durch die Bezugnahme auf die schulrechtlichen Vorschriften Rechnung.

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Nur durch die Zugrundelegung der schulrechtlichen Regelungen als Maßstab für die Legitimation des Bedarfs für die mehrtägige Klassenfahrt kann folglich auch dem Sinn und Zweck des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II Rechnung getragen werden. Durch die Übernahme der Aufwendungen für die Teilnahme an einer "Klassenfahrt" sollen nach der Gesetzesbegründung zum heutigen, insoweit mit dem hier anzuwendenden gleichlautenden Recht (§ 28 Abs 2 SGB II, BGBl I 2011, 850), negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in der Phase des Schulbesuchs durch das Fernbleiben von schulischen Gemeinschaftsveranstaltungen vermieden werden (BT-Drucks 17/3404 S 104). Ihre Teilhabe soll auch insoweit gewährleistet sein. Welche schulischen Veranstaltungen es sind, deren Besuch zu gewährleisten ist, um die beschriebenen negativen Auswirkungen zu vermeiden, bestimmt sich jedoch nach dem jeweiligen Landesschulrecht. Allein die durch die schulrechtlichen Bestimmungen geprägte Realität des Schulalltags rechtfertigt daher die Übernahme der tatsächlichen Kosten durch staatliche Transferleistungen, also derjenigen, die nach den jeweiligen pädagogischen Vorstellungen in den einzelnen Bundesländern "üblich" sind.

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b) Bedenken, dass der hier durchgeführte Schüleraustausch den eingangs aufgezeigten bundesrechtlichen Rahmen überschritten haben könnte, bestehen nicht. Der Schüleraustausch hier ist eine mehrtägige - nach den Feststellungen des LSG - von der Schule organisierte und durchgeführte Veranstaltung, an der mehrere Schüler teilgenommen haben. Unter Berücksichtigung des Teilhabeziels der Regelung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II stellt ein Ausschluss von der Teilnahme an einem Schüleraustausch, selbst wenn nicht die gesamte Klassen- oder Jahrgangsstufe die Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, auch eine Ausgrenzung aus finanziellen Gründen dar. Die Ausgrenzung erfolgt innerhalb der Gruppe der zur Teilnahme ausgewählten Schüler und soll von ihren Wirkungen her ebenso vermieden werden, wie bei der Betroffenheit der Gesamtheit der Schüler einer Klasse oder Jahrgangsstufe. Soweit das LSG auf die Entscheidungen des Hessischen VGH (VGH Hessen vom 22.3.2004 - 10 TG 743/04 - FEVS 56, 33) und des BVerwG (BVerwG vom 28.3.1996 - 5 C 32/95 - BVerwGE 101, 37) zu einmaligen Leistungen für schulische Bedarfe nach dem BSHG (Schüleraustausch und Aufwendungen im Rahmen einer freiwilligen Arbeitsgemeinschaft) zurückgreift, sind diese mit der heutigen Rechtslage nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen. Das BSHG kannte keine spezielle Leistung für "mehrtägige Klassenfahrten". Rechtsgrundlage war vielmehr § 21 BSHG. Nach § 21 Abs 1a Nr 3 BSHG waren einmalige Leistungen ua für die Beschaffung von besonderen Lernmitteln für Schüler zu gewähren. Der Anspruch war danach - selbst unter Beachtung der vom BVerwG bereits bedachten "Ausgrenzungsproblematik" (s BVerwG vom 9.2.1995 - 5 C 2/93 - BVerwGE 97, 376) - eng mit Bedarfen aufgrund des Unterrichts verknüpft und nicht zur Deckung von Aufwendungen durch außerunterrichtliche Veranstaltungen geeignet.

20

Auch die Höhe der erforderlichen Aufwendungen für den Schüleraustausch führt nicht dazu, dass eine Überschreitung des bundesrechtlichen Rahmens anzunehmen wäre. Wie der 14. Senat des BSG bereits entschieden hat, hat der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende die tatsächlichen Kosten einer mehrtägigen Klassenfahrt ohne Beschränkung auf einen Höchstbetrag zu übernehmen, wenn die Veranstaltung im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen stattfindet und das Schulrecht selbst keine Kostenobergrenze vorsieht (BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Der erkennende Senat folgt dem. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass das Gesetz selbst keine bundesrechtliche Begrenzung der zu übernehmenden Aufwendungen vornimmt, weder durch eine Umschreibung etwa mit dem Begriff der "Angemessenheit", noch, wie zuvor bereits dargelegt, einer Pauschalierung. Zum Zweiten ist die Übernahme der tatsächlichen Kosten - soweit rechtlich zulässig durch die Schule veranlasst - die materielle Seite des "Teilhabegedankens". In der Gesetzesbegründung zu § 28 SGB II idF der Neubekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl I 850), in den der bisherige § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II wörtlich übernommen worden ist, wird insoweit betont, dass die Regelung dazu diene, die reale und gleichberechtigte Teilnahme durch Übernahme der Kosten in tatsächlicher Höhe zu gewährleisten(BT-Drucks 17/3404 S 104). Dies wird durch § 28 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB II iVm § 19 Abs 3 Satz 3 sowie § 19 Abs 2 Satz 2 SGB II iVm § 6b BKGG nochmals bestärkt. Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt sind nach der Neufassung des SGB II (Neubekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850) auch denjenigen zu erbringen, deren Bedarf ausschließlich ein solcher für Teilhabe und Bildung ist bzw denjenigen, die Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen, die also keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II haben.

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c) Damit ist zu entscheiden, ob die Veranstaltung im schulrechtlichen Rahmen des Landes Baden-Württemberg einer mehrtägigen Klassenfahrt entspricht. Das ist hier der Fall. Bei dem danach heranzuziehenden Landesschulrecht handelt es sich, wenn die Vorinstanz über dessen Bestehen und Inhalt befunden hat, zwar um irrevisibles Recht, dessen Auslegung das BSG grundsätzlich bindet (s nur BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27; vgl auch BSG vom 1 3.10.1992 - 4 RA 24/91 - BSGE 71, 163 = SozR 3-5050 § 15 Nr 4; BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 20/06 R - BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1). Von diesem Grundsatz ist in der Rechtsprechung des BSG jedoch dann eine Ausnahme anerkannt, wenn das LSG entscheidungserhebliche landesrechtliche Vorschriften unberücksichtigt gelassen hat (s nur BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 20/06 R - BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1). So liegt der Fall hier. Mit der Feststellung des LSG, dass das baden-württembergische Schulrecht keine Definition des Begriffs der "mehrtägigen Klassenfahrt" enthalte, hat es zugleich die Anwendung der landesrechtlichen Bestimmungen ausgeschlossen und ausschließlich Bundesrecht angewendet. Der Senat ist mithin nicht gehindert, unter Auslegung der landesschulrechtlichen Bestimmungen festzustellen, dass der durchgeführte Schüleraustausch danach einer mehrtägigen Klassenfahrt gleichgestellt wird. Dieses Ergebnis folgt aus der Systematik der schulrechtlichen Normen zu außerunterrichtlichen Veranstaltungen und den dazu ergangenen schulrechtlichen Kompetenzzuweisungen sowie dem ausdrücklich formulierten Ziel der schulrechtlichen Regelungen.

22

Systematisch differenziert das baden-württembergische Schulrecht, soweit es mehrtägige schulische Veranstaltungen als pädagogisch sinnvoll erkennt, nicht zwischen "Klassenfahrten" und sonstigen Veranstaltungen. Auf Grundlage des die Rechte und Pflichten der Schulkonferenz regelnden § 47 Abs 5 Schulgesetz für Baden-Württemberg (SchulG) ergibt sich, dass die dort beispielhaft genannten Klassenfahrten und Schullandheimaufenthalte beide außerunterrichtliche Veranstaltungen sind. Die Bestimmung der Grundsätze über die Durchführungen dieser außerunterrichtlichen Veranstaltungen sowie ihre Genehmigung obliegen nach § 47 Abs 5 Nr 5 SchulG sowie § 45 Abs 2 SchulG iVm § 2 Abs 1 Nr 11 KonfO BW 1993(GBl 1984, 423; 1993, 515) jedoch der Gesamtlehrer- und Schulkonferenz sowie dem Schulleiter. Das heißt, das baden-württembergische Schulrecht delegiert in dem gesetzlich gesteckten Rahmen die Frage, ob und welche außerunterrichtlichen Veranstaltungen durchgeführt werden, an die einzelne Schule. Maßstab für die vom LSG diskutierte Ausgrenzungsproblematik ist mithin die Entscheidung der einzelnen Schule insoweit. Nach den Feststellungen des LSG muss davon ausgegangen werden, dass die Schule des Klägers hier den Schüleraustausch als ihrem pädagogischen Konzept entsprechend beschlossen hat.

23

Diese Entscheidung der Schule hält sich auch im Rahmen der schulrechtlichen Regelungen des Landes Baden-Württemberg. Der baden-württembergische Landesgesetzgeber unterscheidet vom pädagogischen Konzept her nicht zwischen "Landschulheimaufenthalt" und "Schüleraustausch". So werden Lehr- und Studienfahrten sowie Schullandheimaufenthalte, aber auch der Schüleraustausch beispielhaft als außerunterrichtliche Veranstaltungen gewertet, die einen wichtigen Beitrag zur Entfaltung der gesamten Persönlichkeit des Schülers darstellten (Mitteilung des Rechnungshofs vom 24.6.2009 im Landtag von Baden-Württemberg, Drucks 14/4710 S 1, 3). Nach der Verwaltungsvorschrift "Außerunterrichtliche Veranstaltungen der Schulen" vom 6.10.2002 sollen sie gleichermaßen geeignet sein zur Vertiefung, Erweiterung und Ergänzung des Unterrichts und zur Entfaltung und Stärkung der Gesamtpersönlichkeit des einzelnen Schülers. Die Ziffern I.1. bis 9. der Verwaltungsvorschrift stellen unter 4. Lehr- und Studienfahrten sowie Veranstaltungen im Rahmen der politischen Bildung, 5. Schullandheimaufenthalte und 8. Schüleraustausch beispielhaft nebeneinander.

24

Auch die hier erforderlich gewordenen Aufwendungen für den Schüleraustausch überschreiten den landesschulrechtlichen Rahmen nicht. Insoweit finden sich keine konkreten Vorgaben in den baden-württembergischen Regelungen. In der bereits benannten Verwaltungsvorschrift heißt es unter Ziffer II. 6. lediglich: "Die für Schüler entstehenden Kosten sind so niedrig wie möglich zu halten, müssen in einem vertretbaren Verhältnis zum Nutzen der Veranstaltung stehen und dürfen die Eltern nicht in unzumutbarem Maße belasten." Auch hier gilt, dass die Verantwortung und Entscheidungshoheit insoweit auf die einzelne Schule delegiert ist, die durch ihre Gremien im konkreten Fall beschlossen hat, dass der betreffende Austausch zu dem benannten Betrag durchgeführt werden sollte. Hinweise darauf, dass der Betrag von 1300 Euro für eine immerhin vierwöchige Reise in die USA diesen Vorgaben widersprechen könnte, finden sich nach den Feststellungen des LSG nicht. Der zu zahlende Betrag ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch eher niedrig, denn zu hoch.

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4. Ein Anspruch des Klägers nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II scheidet nicht schon deswegen aus, weil er sich nach Antragstellung mit Hilfe von ehemaligen Geschäftsfreunden seines Vaters den zur Teilnahme an dem Schüleraustausch erforderlichen Geldbetrag selbst beschafft hat. Die Zahlung der Geschäftsfreunde des Vaters sollten nach den Feststellungen des LSG die fehlende Unterstützung durch den Beklagten lediglich substituieren, sodass sie dem Kläger dann wegen einer Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung nicht entgegengehalten werden können (vgl für die Sozialhilfe BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R - SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 11; BVerwGE 90, 154). Der Kläger ist zudem nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG verpflichtet, den zur Verfügung gestellten Betrag abzuarbeiten. Wegen dieser Verpflichtung zum Abarbeiten - in der Art eines Darlehensvertrags (vgl zum Darlehensvertrag BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R - BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30) -war der zur Verfügung gestellte Geldbetrag nach den Feststellungen des LSG auch nicht zum Verbleib beim Kläger gedacht. Jedenfalls dann, wenn eine Entscheidung des Trägers der Grundsicherung die Übernahme der begehrten Aufwendungen rechtswidrig abgelehnt hatte und der Leistungsberechtigte sich den erforderlichen Geldbetrag zur Finanzierung der Teilnahme an dem Austausch selbst beschafft hat, kommt ein Kostenerstattungsanspruch in Betracht. Insoweit folgt der erkennende Senat der Rechtsprechung des 14. Senats zu der im Sozialversicherungsrecht geltenden Pflicht zur Kostenerstattung bei nicht rechtzeitiger oder zu Unrecht verweigerter Sachleistung, als allgemein gültigem Rechtsprinzip (vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41; BSG vom 30.10.2001 - B 3 KR 27/01 R - BSGE 89, 50, 56 f = SozR 3-3300 § 12 Nr 1 S 8 = juris RdNr 36). An die Stelle der ursprünglich begehrten Übernahme der Aufwendungen für die Teilnahme an dem Schüleraustausch treten dann die Schulden, die gegenüber den Dritten eingegangen worden sind (s auch BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 36/09 R).

26

5. Die Kosten sind dem Kläger nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II von dem Beklagten auch in der nunmehr im Revisionsverfahren auf die reinen Teilnahmekosten von 1300 Euro beschränkten Höhe zu erstatten. Mit dem 14. Senat geht der erkennende Senat davon aus, dass der Bedarf für eine "mehrtägige Klassenfahrt" nicht bereits deswegen zu verneinen ist, weil der Kläger auch ohne diese Leistung teilgenommen hat (vgl BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2). Dahinstehen konnte, ob der Kläger verpflichtet war, für eine Bedarfsdeckung durch Dritte, also etwa einen Förderverein zu sorgen, denn ein solcher existiert nach den bindenden Feststellungen des LSG an der Schule des Klägers nicht (vgl hierzu auch BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Auch die vorläufige Bedarfsdeckung aufgrund der Finanzierung des Schüleraustausches durch ehemalige Geschäftsfreunde des Vaters des Klägers steht dem Leistungsanspruch, wie bereits oben dargelegt, nicht entgegen.

27

6. Der Beklagte hat dem Kläger nach § 193 SGG die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Der Kläger hatte zwar bis zum Revisionsverfahren einen Betrag von 1650 Euro eingeklagt. Nach der Entscheidung des LSG, das die Aufwendungen für das Taschengeld in Höhe von 350 Euro als nicht erstattungsfähig gewertet hat, hat der Kläger sein Begehren auf den ihm nunmehr zugesprochenen Betrag von 1300 Euro beschränkt. Dies kann ihm kostenmäßig nicht zum Nachteil gereichen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Januar 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Übernahme von Schulden, die im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis des Klägers entstanden sind.

2

Der Kläger bezog von dem Beklagten seit April 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Beklagte gewährte Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen. Der Kläger war ab Februar 2005 in Rückstand mit den Mietzahlungen geraten. Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis und erhob Mietzahlungs- und Räumungsklage. Dieser Rechtsstreit endete durch Vergleich vor dem Amtsgericht Lichtenberg vom 1.3.2006, wonach das Mietverhältnis seitens der Vermieterin fortgesetzt werde für den Fall, dass der Kläger bis zum 3.4.2006 die Mietschulden in Höhe von 2222,47 Euro begleiche.

3

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 25.4.2006 bei dem Beklagten die Übernahme der Schulden. Er wies zugleich darauf hin, dass er mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Träger der Sozialhilfe auf Übernahme der Mietschulden vor dem Sozialgericht (SG) erfolglos geblieben und erst im Laufe des Aprils auf die Änderung der Rechtslage nach § 22 Abs 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) aufmerksam gemacht worden sei. Er legte ferner eine Erklärung der Vermieterin vom 18.5.2006 vor, dass diese das Mietverhältnis fortsetze, wenn neben dem Betrag aus dem Vergleich weitere Rechtsanwalts-, Gerichts- und Vollstreckungskosten in Höhe von 2183,48 Euro, insgesamt mithin 4405,95 Euro gezahlt würden. Weiterhin legte er ein Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. M vor, wonach im Falle des Wohnungsverlustes Selbsttötungsgefahr bestehe. Der Kläger nahm schließlich ein mit 15 % verzinsliches Darlehen auf und zahlte hiervon die Mietrückstände und die Verfahrenskosten. Die Räumung der Wohnung konnte so abgewendet werden.

4

Antrag, Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Bescheid vom 11.5.2006, Widerspruchsbescheid vom 7.8.2006, Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 14.8.2007).

5

Die Berufung des Klägers, mit der er die Zahlung von 4405,95 Euro nebst 15 % Zinsen seit dem 8.9.2006 geltend gemacht hat, hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 30.1.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die zwischenzeitlich erfolgte Begleichung der Schulden habe einen möglichen Anspruch nach § 22 Abs 5 SGB II entfallen lassen. Daran ändere nichts, dass der Kläger hierfür andere Verbindlichkeiten eingegangen sei. Für eine nachträgliche Übernahme von Schulden, die nicht mehr der Sicherung der Unterkunft oder der Behebung einer vergleichbaren Notlage diene, sei schon nach dem Wortlaut der Vorschrift kein Raum. Ob der Kläger über Schonvermögen verfügt habe, das er zur Begleichung der Mietschulden einzusetzen gehabt hätte, sei damit unerheblich. Ebenso sei dem klägerischen Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens nicht nachzugehen gewesen. Dies könne allenfalls Aufschluss darüber geben, ob die Beklagte seinerzeit zur Übernahme der Schulden verpflichtet gewesen wäre. Der hilfsweise in der Berufungsverhandlung gestellte Antrag, die Beklagte zur Übernahme der Beträge im Wege der Folgenbeseitigung zu übernehmen, sei unzulässig, weil hierzu ein Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Im Übrigen sei dieser Antrag auch unbegründet, weil ein Anspruch auf Folgenbeseitigung auf den Bereich der Eingriffsverwaltung beschränkt sei.

6

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Das LSG sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II nicht mehr vorlägen, weil er das notwendige Geld zur Abwendung der Wohnungslosigkeit im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts selbst aufgebracht habe. Der Anspruch auf Übernahme der Mietschulden habe sich mit der Eingehung neuer Verbindlichkeiten nicht tatsächlich und rechtlich erledigt. Für den Fall der Eingehung von Verbindlichkeiten gegenüber Dritten und deren Einsatz zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit seien solche Verbindlichkeiten normativ als Schulden im Sinne des § 22 Abs 5 SGB II anzusehen. Zu dem Zeitpunkt der Eingehung der Schulden habe Wohnungslosigkeit gedroht, die der Beklagte hätte abwenden müssen. Das LSG habe die Tatsache unberücksichtigt gelassen, dass er bereits am 12.1.2006 bei dem Beklagten und am 22.3.2006 beim Sozialhilfeträger die Übernahme der Schulden beantragt habe. Zu diesem Zeitpunkt wäre auch Schonvermögen nicht einzusetzen gewesen, sodass dieses weiterhin - wie nach der Rechtslage nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - geschützt bleibe. Er rügt ferner die fehlerhafte Aufklärung des Sachverhalts. Das LSG sei ohne ausreichende Begründung einem von ihm in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens nicht gefolgt. Er sei aber unverschuldet aufgrund psychischer Erkrankung nicht in der Lage gewesen, sich auf andere Weise selbst zu helfen. Insbesondere der Auszug aus seiner Wohnung hätte eine weitergehende gesundheitliche Gefährdung bedeutet, die ihm nicht zumutbar gewesen wäre.

7

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Januar 2009 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. August 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, Schulden in Höhe von 4405,95 Euro nebst 15 Prozent Zinsen seit dem 8. September 2006, als Zuschuss, hilfsweise als Darlehen, zu übernehmen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet, § 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

11

Ob der Kläger Anspruch auf die begehrte Übernahme von Schulden nach § 22 Abs 5 SGB II hat, kann auf Grundlage des vom LSG festgestellten Sachverhalts nicht entschieden werden. Ein Anspruch auf Übernahme von Schulden, der grundsätzlich von einer gesonderten Antragstellung abhängig ist (dazu unter 2), scheidet nicht schon dann aus, wenn der Hilfebedürftige nach der maßgeblichen Antragstellung mit Hilfe eines anderweitig beschafften Darlehens die Unterkunft durch Zahlung der geschuldeten Summe gegenüber dem Vermieter gesichert hat. Eine Übernahme von Schulden kommt vielmehr in Betracht, wenn diese zunächst beantragt, der Träger der Grundsicherung über den Antrag aber nicht rechtzeitig entschieden oder den Antrag rechtswidrig abgelehnt hatte (dazu unter 3). Das LSG wird daher zu prüfen haben, ob zum Zeitpunkt der Aufnahme des Darlehens, der bislang noch nicht festgestellt ist, ein originärer Anspruch auf Übernahme der Schulden nach § 22 Abs 5 SGB II bestand(dazu unter 4). Bestand ein solcher Anspruch, kommt auch die Übernahme der im weiteren Verlauf entstandenen Schulden in Betracht, wenn bei rechtzeitigem rechtmäßigen Handeln des Beklagten solche Mehrkosten nicht entstanden wären (dazu unter 5).

12

1. Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl § 54 Abs 1, 4 SGG) zulässig. Streitgegenstand ist allein die begehrte Übernahme von Schulden. Gegenstand des Rechtsstreits ist damit der Bescheid vom 11.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.8.2006. Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers steht nicht deshalb in Frage, weil er im Laufe des Verfahrens die Schulden aus dem Mietverhältnis gegenüber der Vermieterin anders als durch die ursprünglich begehrte Leistung aufgebracht und beglichen und so den drohenden Verlust der Wohnung selbst endgültig abgewendet hat. Da er hierfür anderweitige Verbindlichkeiten und entsprechende (gegenüber einer Darlehensgewährung durch den Beklagten weitaus ungünstigere) Rückzahlungsverpflichtungen eingegangen ist, bleibt die Frage zu klären, ob ihm ein Leistungsanspruch weiterhin zusteht oder ein solcher Anspruch wegen dieser zwischenzeitlichen "Selbstbeschaffung" ausscheidet, wie das LSG meint.

13

2. Als Anspruchsgrundlage kommt für den Kläger, der nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG als alleinstehender, erwerbsfähiger Hilfebedürftiger seit April 2005 durchgehend Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (vgl §§ 19, 22 Abs 1 SGB II) bezogen hat, nur § 22 Abs 5 SGB II(eingefügt zum 1.4.2006 mit dem Gesetz zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 24.3.2006, BGBl I 558) in Betracht. Nach dessen Satz 1 können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen nach Satz 2 übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen (Satz 3). Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden (Satz 4).

14

Ein Anspruch auf Übernahme von Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II ist im Regelfall vom Antrag auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff SGB II nicht erfasst, sondern vom Hilfebedürftigen gesondert geltend zu machen. Der von § 22 Abs 5 SGB II zu deckende Bedarf kommt unabhängig vom Bedarf auf laufende Leistungen nicht schon dann als Leistung in Betracht, wenn Schulden in Bezug auf die Unterkunft tatsächlich entstehen. Insoweit unterscheidet er sich von einmaligen Sonderbedarfen nach § 23 Abs 3 SGB II, die nicht gesondert beantragt werden müssen (vgl dazu Urteil des Senats vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Erst wenn sich der Hilfebedürftige nicht mehr in der Lage sieht, trotz des Bezuges von Leistungen nach §§ 19, 22 Abs 1 SGB II und seiner Verpflichtung, vorrangig eigene Mittel zur Schuldentilgung einzusetzen, seine Unterkunft zu sichern, kommt eine Übernahme der Schulden in Betracht. Der Antragsteller muss deshalb die weitergehende Notwendigkeit von zusätzlichen Geldleistungen zur Sicherung der Unterkunft in seinem Vorbringen gegenüber dem Träger der Grundsicherung zum Ausdruck bringen. Erst ein solches Vorbringen kann als Antrag ausgelegt werden und den entsprechenden Anspruch auf Übernahme von Schulden auslösen.

15

Maßgeblicher Zeitpunkt der Antragstellung für die Leistung nach § 22 Abs 5 SGB II ist vorliegend damit der 25.4.2006. Soweit der Kläger mit seinem Revisionsvorbringen vorträgt, er habe die Leistungen bereits am 12.1.2006 beim Träger der Grundsicherung beantragt, ergibt sich dies zwar aus dem Akteninhalt. Der Beklagte hatte diesen Antrag allerdings bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 16.1.2006 beschieden.

16

3. Bei den vom Kläger im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG geltend gemachten Beträgen handelt es sich entgegen der Auffassung des LSG um Schulden im Sinne des § 22 Abs 5 SGB II.

17

a) Die Abgrenzung von Schulden nach § 22 Abs 5 SGB II von den übrigen Kosten der Unterkunft und Heizung, die nach § 22 Abs 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen sind, ist unabhängig von der zivilrechtlichen Einordnung zu treffen. Ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II ist danach zu unterscheiden, ob es sich um einen tatsächlich eingetretenen und bisher noch nicht von dem SGB II-Träger gedeckten Bedarf handelt oder nicht (vgl BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 17).

18

Soweit der Kläger in der Zeit ab April 2005 mit den Mietzahlungen in Rückstand geraten ist, handelt es sich bei den aufgelaufenen Beträgen schon deswegen um Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II, weil der Beklagte nach den Feststellungen des LSG den Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in vollem Umfang ("in Höhe der tatsächlichen Miete") erfüllt hat. Im Hinblick auf die Kosten für Unterkunft und Heizung lässt aber die zweckwidrige Verwendung der vom Träger der Grundsicherung bewilligten Mittel durch den Hilfeempfänger einen erneuten Anspruch nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht entstehen. Sind insoweit Schulden entstanden, kann nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des Abs 5 ein Anspruch auf Übernahme der Schulden bestehen.

19

Auch soweit der Kläger seinen fälligen Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis in Zeiträumen nicht nachgekommen ist, in denen er keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezogen hat, gehören solche Schulden nicht zu den Aufwendungen nach § 22 Abs 1 SGB II, weil sie keinem laufenden Bewilligungszeitraum zugeordnet werden können. Verbindlichkeiten, die nicht im laufenden Bezug (etwa nach Abrechnung von Nebenkosten) fällig werden, sondern bereits zuvor bestanden haben, sind bei der Prüfung des aktuellen Bedarfs für Unterkunft und Heizung, den § 22 Abs 1 SGB II abdecken soll, grundsätzlich unbeachtlich. Die anteilige Berücksichtigung nach Kalendertagen im laufenden Monat kommt nur in Betracht, soweit die Miete bereits vor der (ersten) Antragstellung fällig geworden war (vgl § 41 Abs 1 Satz 3 SGB II; dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 22). Schulden aus Monaten, die dem Monat der (ersten) Antragstellung vorangegangen sind (hier also den Monaten Februar und März 2005), können in der Folgezeit damit nur unter den Voraussetzungen des § 22 Abs 5 SGB II übernommen werden.

20

b) Entgegen der Auffassung des LSG scheidet ein Anspruch nach § 22 Abs 5 SGB II nicht schon dann aus, wenn der Kläger nach Antragstellung mit Hilfe eines anderweitig beschafften Darlehens die Unterkunft durch Zahlung der geschuldeten Summe gegenüber dem Vermieter selbst gesichert hat. Auch Schulden gegenüber einem Dritten, die der Hilfebedürftige nach Antragstellung beim Träger der Grundsicherung eingegangen ist, um drohende Wohnungslosigkeit abzuwenden, können Schulden im Sinne des § 22 Abs 5 SGB II sein. Der Wortlaut des § 22 Abs 5 SGB II ist insoweit offen gefasst und ausdrücklich nicht auf Schulden aus dem Mietvertrag beschränkt. Diese Auslegung entspricht auch Sinn und Zweck der Vorschrift. Die ausnahmsweise Übernahme von Schulden soll dann ermöglicht werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt erscheint.

21

Jedenfalls für den Fall, dass eine Entscheidung des Trägers der Grundsicherung nicht mehr rechtzeitig erfolgt ist oder der Träger der Grundsicherung die Übernahme der Schulden rechtswidrig abgelehnt hatte und die Aufnahme eines Privatdarlehens aus diesem Grund erforderlich für die Abwendung der Wohnungslosigkeit war, kommt die Übernahme dieser "neuen" Schulden (an Stelle der ursprünglich gegenüber dem Vermieter bestehenden Schulden) in Betracht. Dies entspricht der im Sozialversicherungsrecht geltenden Pflicht zur Kostenerstattung bei nicht rechtzeitiger oder zu Unrecht verweigerter Sachleistung, die von der Rechtsprechung über den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 13 Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hinaus als allgemein gültiges Rechtsprinzip angesehen wird(vgl BSGE 89, 50, 56 f = SozR 3-3300 § 12 Nr 1 S 8 = juris RdNr 36). Auch im Anwendungsbereich des SGB XII (wie auch zuvor des Bundessozialhilfegesetzes) kann dem Hilfesuchenden eine zwischenzeitliche Selbstbeschaffung der begehrten Leistung unter dem Gesichtspunkt einer "Zweckverfehlung" der ursprünglich beantragten Leistung nicht entgegengehalten werden (vgl BSG SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 11 für die Übernahme von Kosten für eine Haushaltshilfe nach dem SGB XII unter Hinweis auf BVerwGE 90, 154, 156; 91, 245, 247 f; 94, 127, 135; 96, 152, 157; ausführlich Grube, Sozialrecht aktuell 2010, 11, 12). Soweit Leistungen nach dem SGB II nicht ohnehin pauschaliert und von daher dem Gedanken einer zwischenzeitlichen "faktischen" Bedarfsdeckung nicht zugänglich sind (vgl dazu etwa Urteil des Senats vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), gilt nichts anderes. An die Stelle der ursprünglich begehrten Übernahme der Schulden gegenüber dem Vermieter treten dann die Schulden, die gegenüber dem Dritten eingegangen worden sind. Sind durch eine notwendig gewordene anderweitige Finanzierung weitergehende Kosten entstanden, kommt auch deren Übernahme unter dem Gesichtspunkt der Kostenerstattung in Betracht (dazu im Einzelnen unter 5).

22

Das LSG wird daher zu prüfen haben, wann der Kläger die noch bestehenden Verbindlichkeiten eingegangen ist. Lediglich wenn die Schulden gegenüber der Vermieterin bereits vor Antragstellung anderweitig als durch die vom Beklagten begehrte Geldleistung getilgt und die Unterkunft gesichert worden war (wofür der Vortrag des Klägers in der Revisionsinstanz und der vom LSG mitgeteilte Sachverhalt bislang keine Anhaltspunkte bieten), scheidet ein Anspruch nach dem Gesagten regelmäßig aus.

23

Ein Anspruch auf Übernahme von Schulden kann schließlich dann ("ersatzlos") entfallen, wenn die ursprünglich bewohnte Wohnung in der Folge aufgegeben wird und das gesetzliche Ziel der Übernahme der Schulden - der Erhalt der Wohnung - schon tatsächlich nicht mehr erreicht werden kann. Für eine Übernahme der Schulden nach § 22 Abs 5 SGB II lediglich unter dem Aspekt einer finanziellen Restitution ist kein Raum. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

24

4. Die mithin erforderliche Prüfung, ob der Kläger die Übernahme der Schulden nach § 22 Abs 5 Satz 1 und 2 SGB II verlangen kann, kann der Senat auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend durchführen.

25

a) Ausgangspunkt der vom LSG noch durchzuführenden Prüfung ist dabei zunächst § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II, wonach die Übernahme von Schulden in jedem Fall voraussetzt, dass sie "zur Sicherung der Unterkunft" (oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage) gerechtfertigt ist.

26

§ 22 Abs 5 Satz 1 SGB II schützt nach seinem Wortlaut die Wohnung dann, wenn ihr Erhalt durch die Übernahme von Schulden gerechtfertigt ist. Grundsätzlich wird für eine Übernahme der Schulden zu fordern sein, dass die laufenden Kosten für die Unterkunft abstrakt angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind. Der mit der Übernahme der Schulden bezweckte langfristige Erhalt einer Wohnung erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn die (künftigen) laufenden Kosten dem entsprechen, was innerhalb des nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Bezug zu nehmenden Vergleichsraumes von dem Träger der Grundsicherung zu übernehmen ist. Das LSG hat (wie auch das SG) keine Feststellungen zur Höhe der laufenden Kosten der klägerischen Wohnung sowie ihrer Angemessenheit getroffen und wird dies nachzuholen haben. Die insoweit aus der Akte ersichtlichen Kosten geben allerdings keinen Anlass, ernstlich an ihrer Angemessenheit zu zweifeln, zumal der Kläger die Wohnung aktuell noch bewohnt und Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II weiterhin bezieht. Ob in Einzelfällen auch für abstrakt unangemessen teure Wohnungen, deren laufende Kosten etwa auf Grundlage des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II übernahmefähig sein mögen, die Übernahme der Schulden gerechtfertigt sein kann, kann nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens dahinstehen.

27

b) Nach § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II steht die Übernahme der Schulden im Ermessen des Grundsicherungsträgers. Dieses Ermessen ist nach Satz 2 eingeschränkt, wenn die Übernahme der Schulden gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. In diesem Fall sollen die Schulden übernommen werden. Da nach den Feststellungen des LSG die Vermieterin des Klägers bei Antragstellung nach Ablauf der vor dem Amtsgericht Lichtenberg vereinbarten Zahlungsfrist zum 3.4.2006 nur noch bereit war, das Mietverhältnis bei einer Zahlung der Schulden fortzusetzen, und offenbar ein vollstreckbarer Räumungstitel vorlag, besteht für das LSG nach Zurückverweisung Anlass zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Übernahme der Schulden auf Grundlage des Satzes 2 vorgelegen haben.

28

Auch die drohende Wohnungslosigkeit im Sinne des § 22 Abs 5 Satz 2 SGB II bezieht sich in ihrem Ausgangspunkt auf die konkret bewohnte Wohnung. Es geht um den drohenden Verlust dieser Wohnung. So wie § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht lediglich sicherstellen soll, dass ein Ort zum Schutz vor der Witterung zur Verfügung steht, an dem der Hilfebedürftige schlafen kann(dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 14 RdNr 16), soll auch die Übernahme von Mietschulden nach Abs 5 den persönlichen Lebensbereich "Wohnung" des Hilfebedürftigen schützen. Das Tatbestandsmerkmal "drohende Wohnungslosigkeit" kann damit nicht unter Hinweis auf Unterbringungsmöglichkeiten in einer Not- oder Obdachlosenunterkunft verneint werden.

29

Soweit allerdings eine angemessene neue Wohnung gefunden werden kann, liegt drohende Wohnungslosigkeit regelmäßig nicht vor. Es ist von dem Hilfebedürftigen jedenfalls dann zu fordern, eine an sich kostenangemessene Wohnung zu verlassen und nach einem Umzug (der sich dann als notwendig iS des § 22 Abs 3 Satz 2 SGB II darstellt) eine neue Wohnung zu beziehen, wenn durch sein unwirtschaftliches Verhalten (hier die zweckwidrige Verwendung der nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gewährten Mittel) eine Schuldenlage entstanden ist. Es geht auch im Anwendungsbereich des § 22 Abs 5 Satz 2 SGB II nicht darum, den Hilfebedürftigen finanziell durch die Übernahme der Schulden zu entlasten. Deshalb kann dem Verlust einer angemessenen Unterkunft auch dadurch begegnet werden, dass eine neue Wohnung bezogen wird.

30

Drohende Wohnungslosigkeit, die einen Anspruch auf Übernahme von Schulden nach § 22 Abs 5 Satz 2 SGB II auslöst, bedeutet damit den drohenden Verlust der bewohnten, kostenangemessenen Wohnung bei fehlender Möglichkeit ebenfalls angemessenen Ersatzwohnraum zu erhalten. Eine den Angemessenheitskriterien entsprechende Wohnung muss dabei konkret für den Hilfebedürftigen anmietbar sein. Ersatzwohnungen stehen beispielsweise dann zur Verfügung, wenn der Träger der Grundsicherung auf ein sog "geschütztes Marktsegment" zurückgreifen kann und dem Hilfebedürftigen eine Ersatzwohnung anbietet bzw vermittelt. Dagegen ist bei der Frage der drohenden Wohnungslosigkeit unerheblich, ob der Markt - wie nach Auffassung des Beklagten etwa in Berlin - allgemein "entspannt" ist bzw es anderen Hilfebedürftigen regelmäßig gelingt (etwa im Rahmen von Kostensenkungsbemühungen nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II), eine Ersatzwohnung zu finden. Aus den Akten ist ersichtlich, dass der Kläger vorgetragen hat, 14 Vermieter (darunter gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften mit einem großen Wohnungsbestand) wegen Ersatzwohnungen angefragt, aber wegen einer fehlenden Bescheinigung über die Mietschuldenfreiheit nur Absagen erhalten zu haben. Auch die Aufnahme auf die Warteliste für das "geschützte Marktsegment" des Sozialamtes Lichtenberg ist aktenkundig, ohne dass erkennbar würde, ob insoweit eine Ersatzwohnung vor dem Räumungstermin hätte beschafft werden können. Insbesondere diese Umstände wird das LSG zu überprüfen haben, um die notwendigen Feststellungen zur drohenden Wohnungslosigkeit iS des § 22 Abs 5 Satz 2 SGB II zu treffen. Erst wenn feststeht, dass drohende Wohnungslosigkeit nicht vorgelegen hat, weil eine andere angemessene Wohnung konkret zur Verfügung stand, kommt es auf den weiteren Vortrag des Klägers an, ihm sei aus gesundheitlichen Gründen ein Umzug nicht zumutbar gewesen.

31

c) Liegt drohende Wohnungslosigkeit vor, sollen gemäß § 22 Abs 5 Satz 2 SGB II die Schulden übernommen werden. Die Feststellung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Satzes 2 gegeben sind, bedeutet zugleich, dass dem Beklagten für die Ausübung seines Ermessens regelmäßig kein Spielraum verbleibt. Führt eine Schuldenlage zu drohender Wohnungslosigkeit im dargestellten Sinne, ist die Übernahme der Schulden im Regelfall gerechtfertigt und notwendig. Es ist regelmäßig keine andere Entscheidung als die Übernahme der Schulden denkbar, um den Anspruch des Hilfebedürftigen auf eine angemessene Unterkunft zu sichern. Lediglich in atypischen Ausnahmefällen kann die Übernahme der Schulden abgelehnt werden. Den Interessen der Allgemeinheit an der zweckentsprechenden Verwendung von Steuergeldern ist dabei zum einen dadurch Rechnung getragen, dass die Übernahme von Schulden im Regelfall nur darlehensweise erfolgt. Zum anderen wird eine Übernahme der Schulden von dem Träger der Grundsicherung regelmäßig von einer Entscheidung nach § 22 Abs 4 SGB II im Hinblick auf die künftige Mittelverwendung flankiert und so der zweckentsprechende Einsatz der Steuermittel künftig gesichert werden, wie dies vorliegend bereits im Januar 2006 geschehen ist. Andere Gesichtspunkte, die im Anwendungsbereich des Satzes 1 in die Ermessensentscheidung mit einfließen können (etwa die Höhe der Schulden im Vergleich zu den im Falle eines Umzugs vom Träger aufzuwendenden Folgekosten), finden im Rahmen des Satzes 2 schon deshalb keine Berücksichtigung mehr, weil bei drohender Wohnungslosigkeit - wie oben ausgeführt - die Alternative einer konkreten Unterkunftsmöglichkeit nicht besteht. Schließlich tritt auch wirtschaftlich unvernünftiges (vorwerfbares) Handeln des Hilfebedürftigen, das die drohende Wohnungslosigkeit (mit)verursacht haben mag, in den Fällen des Satzes 2 regelmäßig zurück. Wie bereits ausgeführt fallen in erster Linie solche Verbindlichkeiten überhaupt nur unter den Begriff der Schulden nach Abs 5, die auf ein (mehr oder weniger nachvollziehbares) Fehlverhalten des Hilfebedürftigen (sei es während des Leistungsbezuges, sei es zuvor) zurückzuführen sind. Ob ausnahmsweise anderes gelten kann, wenn zielgerichtetes Verhalten des Hilfeempfängers (insbesondere im Wiederholungsfall) zu Lasten des Trägers der Grundsicherung nachgewiesen werden kann, kann nach dem derzeitigen Verfahrensstand offen bleiben.

32

5. Auch hinsichtlich des Umfangs der zu übernehmenden Schulden gilt der Maßstab nach § 22 Abs 5 Satz 1 und 2 SGB II. Die Schulden sind also in dem Umfang zu übernehmen, in dem ihre Übernahme gerechtfertigt, und in dem sie (im Falle des Satzes 2) zur Abwendung der Wohnungslosigkeit notwendig sind.

33

Aus § 22 Abs 5 Satz 3 SGB II ergibt sich dabei, dass die Übernahme nicht gerechtfertigt ist, wenn der Hilfebedürftige mit eigenen Mitteln die Notlage abwenden kann. Der Einsatz des Grundfreibetrages nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II kann uneingeschränkt verlangt werden. Für den Kläger gelten hier keine Einschränkungen deshalb, weil er sich unter Geltung der alten Rechtslage noch an den Träger der Sozialhilfe gewandt hatte. Abgesehen davon, dass im Anwendungsbereich des SGB XII ein so weitgehender Schutz wie in § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II nicht zum Tragen kommt, sind Übergangsregelungen nicht ersichtlich und erscheinen auch nicht erforderlich. Der Freibetrag für notwendige Anschaffungen nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II ist in § 22 Abs 5 Satz 3 SGB II zwar nicht erwähnt. Dieser Betrag ist jedoch auch und gerade zum Einsatz in unvorhergesehenen Bedarfslagen gedacht, sodass nicht ersichtlich ist, weshalb er in Ansehung von Mietschulden geschützt sein sollte. Ob solches Vermögen im Zeitpunkt der Antragstellung überhaupt vorlag, wird das LSG festzustellen haben.

34

Die Übernahme von Kosten der Vermieterin, die nicht aus dem Mietverhältnis stammen, aber an die sie (nach Ablauf der in § 543 Abs 2 Nr 3 Bürgerliches Gesetzbuch vorgesehenen Fristen zur Abwendung einer Kündigung wegen Zahlungsrückständen zulässigerweise) die Fortführung bzw den Neuabschluss des Mietverhältnisses geknüpft hat, können nach dem oben Ausgeführten ebenfalls zu den im Rahmen des § 22 Abs 5 SGB II übernahmefähigen Kosten gehören. Im Hinblick auf den vorliegenden Einzelfall, der durch den Zuständigkeitswechsel der Träger aufgrund der Rechtsänderung gekennzeichnet ist, erscheinen sie im Zeitpunkt der Antragstellung als nicht (mehr) abwendbar und damit (sofern die Voraussetzungen des Satzes 2 vorliegen) notwendig zur Sicherung der Wohnung.

35

Schließlich ist auch die Frage, ob dem Kläger die geltend gemachten Zinsen zuzusprechen sind, danach zu entscheiden, ob die Aufnahme des Kredits zu den dargestellten Bedingungen zur Abwendung der Wohnungslosigkeit notwendig war. Es sind hierdurch zwar erhebliche Mehrkosten entstanden, die bei Übernahme der ursprünglich bestehenden Schulden durch den Beklagten nicht angefallen wären. Die Erstattung von Kosten bei Selbstbeschaffung unaufschiebbarer Sozialleistungen (dh in Eil- und Notfällen trotz rechtzeitiger Antragstellung) sowie im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung ist aber Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht (vgl bereits BSGE 89, 50, 56 f = SozR 3-3300 § 12 Nr 1 S 8 = juris RdNr 36; Grube, Sozialrecht aktuell 2010, 11, 12). Solche Mehrkosten sind im Rahmen des § 22 Abs 5 Satz 2 SGB II grundsätzlich übernahmefähig, wenn andere Möglichkeiten der Sicherung der Wohnung (vor allem ein nochmaliger Aufschub durch den Vermieter bis zur endgültigen Entscheidung des Leistungsträgers) endgültig ausscheiden. Wegen der Einzelheiten der Darlehensgewährung wird das LSG diese Voraussetzungen und sodann abschließend zu überprüfen haben, ob dem Kläger eine günstigere Möglichkeit der Kreditaufnahme offen gestanden hätte.

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Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.