Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 07. Dez. 2016 - L 5 AS 461/14

ECLI: ECLI:DE:LSGST:2016:1207.L5AS461.14.00
published on 07/12/2016 00:00
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 07. Dez. 2016 - L 5 AS 461/14
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Gericht

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Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. August 2014 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2012 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 74,88 EUR als Kosten für den Schüleraustausch vom 16. September bis zum 6. Oktober 2012 und vom 1. bis zum 23. Februar 2013 zu zahlen. Im Übrigen werden die Berufung zurück- und die Klage abgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu 10 %. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen seine Verurteilung zur Leistung von Kosten für die Teilnahme an einem Schüleraustausch mit der C. T. H. in Sydney vom 16. September bis 6. Oktober 2012 sowie vom 1. bis 23. Februar 2013 in Höhe von 1.150,00 EUR.

2

Die 1997 geborene Klägerin bezog als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft gemeinsam mit ihrer Mutter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Austausches Schülerin der 10. Klasse an dem B.-G. W.

3

Mit Antrag vom 7. März 2012, zugegangen am 9. März 2012, beantragte die Mutter der Klägerin die Kostenübernahme für den Schüleraustausch nach Australien. Sie legte ein Schreiben der Schule vor, wonach die voraussichtlichen Kosten 1.670,00 EUR betragen werden und sie - die Mutter der Klägerin - bereits unter dem 22. März 2012 einen Teilbetrag von 300,00 EUR geleistet habe. Die Koordinatorin für den Schüleraustausch M. L. teilte mit, dass sich die voraussichtlichen Kosten in Höhe von 1.670,00 EUR aus den Flugkosten von 1.200,00 EUR und einem Pauschalbetrag für den Aufenthalt der Schüler in A. sowie Kosten aufgrund der gemeinsamen Programmgestaltung von Gästen aus A. und Gastgebern in Deutschland zusammensetzen werden.

4

Am 18. April 2012 teilte die Mutter der Klägerin telefonisch mit, dass sich die voraussichtlichen Kosten auf 1.900,00 EUR erhöhen würden. Die Anzahlung in Höhe von 300,00 EUR und weitere Kosten in Höhe von 800,00 EUR stellte Herr M. K. darlehnsweise zur Verfügung.

5

Mit Bescheid vom 22. Mai 2012 lehnte der Beklagte die beantragte Kostenübernahme mit der Begründung ab, der beabsichtigte Schüleraustausch aufgrund einer Partnerschaft zwischen dem B.-G. W. und der C. T. H. sei keine Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen für das Land Sachsen-Anhalt Nach Punkt 7 der Richtlinien für Schulwanderungen und Schulfahrten Runderlass des Kultusministeriums (RdErl. MK) des Landes Sachsen-Anhalt vom 13. September 2002 (Richtlinie Schulwanderungen) sei die Partnerschaft zwischen dem B.-G. W. und der C. T. H. nicht von den schulrechtlichen Bestimmungen "gedeckt". Eine Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen komme daher nicht Betracht.

6

Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 5. Juni 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2012 als unbegründet zurück.

7

Mit bestandskräftigem Änderungsbescheid vom 21. Juni 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin vom 1. April bis zum 30. September 2012 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 3,07 EUR. Der Berechnung legte der Beklagte für den Zeitraum April bis September 2012 einen Bedarf der Klägerin von monatlich 360,81 EUR (Sozialgeld 287,00 EUR, 4,02 EUR Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung, 69,79 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung) zugrunde. Die Klägerin bezog im Zeitraum April bis September 2012 monatlich 356,00 EUR Unterhalt. Der Mutter der Klägerin floss in diesem Zeitraum monatlich Kindergeld für die Klägerin in Höhe von 184,00 EUR zu.

8

Vom 16. September bis zum 6. Oktober 2012 besuchten 22 Gastschüler aus Australien die Schule der Klägerin. Im Rahmen dieses Besuches nahm die Klägerin an Fahrten, Exkursionen, Stadtrundfahrten und -führungen teil. Dadurch entstanden Kosten in Höhe von 467,64 EUR. Auf die Aufstellung der Kosten auf Bl. 60 der Gerichtsakte wird ausdrücklich Bezug genommen.

9

Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 2. Oktober 2012 Klage beim Sozialgericht (SG) Magdeburg erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Schüleraustausch mit der Schule in A. sei eine Klassenfahrt im Sinne von § 28 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB II. Dem stünde Punkt 7 Richtlinie Schulwanderungen nicht entgegen. Danach sollten für unterrichtergänzende Schulveranstaltungen an einem anderen Lernort weitergehende Regelungen als in Punkten 2 bis 6 Richtlinie Schulwanderungen gelten.

10

Vom 1. bis zum 23. Februar 2013 hat die Klägerin mit 24 weiteren Schülern an dem Schüleraustausch nach Australien teilgenommen. Es sind Kosten in Höhe von 1.317,61 EUR pro Schüler entstanden. Das Kultusministerium Sachsen-Anhalt hat den Schüleraustausch mit 500,00 EUR pro Schüler gefördert.

11

Das SG hat mit Urteil vom 8. August 2014 den Bescheid vom 22. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 1.150,00 EUR zu zahlen. Der Schüleraustausch bewege sich im schulrechtlichen Rahmen des Landes Sachsen-Anhalt Dies ergäbe sich aus der erfolgten Förderung von 500,00 EUR pro Schüler. Die Klägerin habe zunächst 1.900,00 EUR angezahlt und 750,00 EUR erstattet erhalten, so dass die tatsächlichen Kosten 1.150,00 EUR betragen hätten.

12

Der Beklagte hat gegen das ihm am 21. August 2014 zugestellte Urteil am 19. September 2014 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung trägt er vor: Aus Punkt 7 Richtlinie Schulwanderungen ergäbe sich, dass der Schüleraustausch keine Klassenfahrt im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II sei. Nach Punkt 7 Richtlinie Schulwanderungen seien Auslandaufenthalte im Rahmen von Schulpartnerschaften sowie Veranstaltungen von bi- oder multinationalen Programmen eindeutig von den Regelungen ausgenommen. Der Verordnungsgeber habe mit der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des internationalen Schüleraustausches im Rahmen von Schulpartnerschaften eine spezielle Regelung geschaffen. Selbst bei der Annahme, der Schüleraustausch stelle eine Schulfahrt dar, entspräche diese Fahrt nicht den schulrechtlichen Bestimmungen, da die Fahrt entgegen Punkt 2.2. Richtlinie Schulwanderungen länger als fünf Unterrichtstage gedauert habe.

13

Der Beklagte beantragt,

14

das Urteil des SG Magdeburg vom 8. August 2014 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 22. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012 insgesamt abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend und verweist auf ihre bisherigen erstinstanzlichen Ausführungen.

18

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

19

1. Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben. Die Berufung ist auch zulässig gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG.

20

Streitgegenstand ist allein der Anspruch der Klägerin nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II (in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13. Mai 2011, BGBl. I S. 850 ff). Der Beklagte hat mit Bescheid vom 22. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012 einen Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt verneint. Bei dem Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II handelt es sich um einen Individualanspruch desjenigen, der den entsprechenden Bedarf geltend macht (Bundessozialgericht (BSG) vom 23. März 2010 - B 14 AS 6/09 R - juris). Der Anspruch kann isoliert gerichtlich durchgesetzt werden (BSG, a.a.O.) Dementsprechend hat die Klägerin ihre Klage durch Antragstellung vor dem SG in zulässiger Weise auf die Übernahme der Kosten für den Schüleraustausch beschränkt (zur Zulässigkeit der Beschränkung des Streitstoffs auf Leistungen für Sonderbedarfe vgl. Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. September 2009, L 5 AS 103/07 und BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 11/10 R -, juris). Die Klägerin verfolgt in zulässiger Weise den Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt als Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage weiter. Der Schüleraustausch ist bereits durchgeführt worden und sie hat den hierfür erforderlichen Geldbetrag von einem Dritten zur Verfügung gestellt bekommen.

21

2. Die Berufung des Beklagten ist teilweise begründet, da das Sozialgericht zu Unrecht den Bescheid vom 22. Mai 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012 vollständig aufgehoben und den Beklagten zur Zahlung von 1.150,00 EUR verurteilt hat. Die Klägerin hat 1.900,00 EUR angezahlt und 750,00 EUR (500,00 EUR als Zuwendung von dem Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt) erstattet erhalten, so dass ihr tatsächlich Gesamtkosten in Höhe von 1.150,00 EUR entstanden sind. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Erstattung der ihr für eine mehrtägige Klassenfahrt in der Gestalt der Teilnahme an dem Schüleraustausch mit der HighSchool für den Gastaufenthalt der auswärtigen Schüler in Deutschland vom 16. September bis 6. Oktober 2012 und für den Aufenthalt in S. vom 1. bis 23. Februar 2013 entstandenen Kosten dem Grunde nach. Aufgrund ihres Einkommens beträgt der Erstattungsanspruch 74,88 EUR.

22

Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin den teilweise darlehensweise von Herrn K. erhaltenen und teilweise selbst verauslagten Betrag für den Schüleraustausch in der Zeit vom 16. September bis 6. Oktober 2012 und vom 1. bis 23. Februar 2012 nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II zu erstatten, soweit die Klägerin selbst hilfebedürftig war (dazu unter 3.). Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt (§ 28 Abs. 1 S. 1 SGB II). Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II (in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13. Mai 2011, BGBl. I S. 850 ff) sind Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst. Der hier durchgeführte Schüleraustausch entspricht einer mehrtägigen Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Sachsen-Anhalt im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II.

23

a) Die bundesrechtliche Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II bestimmt den abstrakten Rahmen dafür, wann Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt zu erbringen sind. Gleichwohl ist der Rechtsbegriff der "Klassenfahrt" innerhalb dieses Rahmens durch die landesschulrechtlichen Vorschriften auszufüllen. Auch wenn der Begriff der "Klassenfahrt" im Landesrecht nicht verwendet oder ausdrücklich definiert wird, bestimmt sich nach den schulrechtlichen Bestimmungen, ob die Veranstaltung wie eine mehrtägige Klassenfahrt im Leistungsrecht des SGB II zu behandeln ist. Die Leistung wird durch den bundesrechtlichen Rahmen begrenzt und durch das Landesschulrecht ausgefüllt (BSG, Urteil vom 22. November 2011 - B 4 AS 204/10 R -, juris). Der bundesrechtliche Rahmen darf zwar nicht über-schritten werden, das Landesrecht regelt jedoch, welche Veranstaltungen dem Grunde nach üblich sind und in welcher Höhe Aufwendungen hierfür regional übernommen werden (BSG, Urteil vom 22. November 2011, a.a.O., Rdnr. 14). Die Leistung ist durch die verfassungs-rechtlich ausschließliche Zuständigkeit der Länder für die Schulgesetzgebung regional determiniert (BSG, Urteil vom 22. November 2011, a.a.O., Rdnr. 17).

24

Der durchgeführte Schüleraustausch hat den bundesrechtlichen Rahmen nicht überschritten. Der Schüleraustausch ist eine mehrtägige von der Schule organisierte und durchgeführte Veranstaltung gewesen, an der mehrere Schüler teilgenommen haben. Unter Berücksichtigung des Teilhabeziels der Regelung des § 28 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB II stellt ein Ausschluss von der Teilnahme an einem Schüleraustausch, selbst wenn nicht die gesamte Klassen- oder Jahrgangsstufe die Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, auch eine Ausgrenzung aus finanziellen Gründen dar. Die Ausgrenzung erfolgt innerhalb der Gruppe der zur Teilnahme berechtigten Schüler und soll von ihren Wirkungen her ebenso vermieden werden, wie bei der Betroffenheit der Gesamtheit der Schüler einer Klasse oder Jahrgangsstufe (BSG, Urteil vom 22. November 2011, a.a.O., Rdnr. 19).

25

Auch die Höhe der erforderlichen Aufwendungen für den Schüleraustausch führt nicht dazu, dass eine Überschreitung des bundesrechtlichen Rahmens anzunehmen wäre. Wie der 14. Senat des BSG bereits entschieden hat, hat der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende die tatsächlichen Kosten einer mehrtägigen Klassenfahrt ohne Beschränkung auf einen Höchstbetrag zu übernehmen, wenn die Veranstaltung im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen stattfindet und das Schulrecht selbst keine Kostenobergrenze vorsieht (BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14 AS 36/07 R -, und BSG, Urteil vom 22. November 2011, a.a.O., jeweils juris). Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass das Gesetz selbst keine bundesrechtliche Begrenzung der zu übernehmenden Aufwendungen vornimmt, weder durch eine Umschreibung etwa mit dem Begriff der "Angemessenheit", noch mittels einer Pauschalierung. Zudem ist die Übernahme der tatsächlichen Kosten - soweit rechtlich zulässig durch die Schule veranlasst - die materielle Seite des "Teilhabegedankens". In der Gesetzesbegründung zu § 28 SGB II wird insoweit betont, dass die Regelung dazu diene, die reale und gleichberechtigte Teilnahme durch Übernahme der Kosten in tatsächlicher Höhe zu gewährleisten. Die Vorschrift soll die gleichberechtigte Teilnahme aller Schülerinnen und Schüler an diesen Veranstaltungen ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation ihrer Eltern sicherstellen. Weil das Fernbleiben von schulischen Gemeinschaftsveranstaltungen Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklungsphase besonders nachhaltig negativ prägen kann, dient die Vorschrift in besonderem Maße der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (BT-Drucks. 17/3404 S. 104).

26

b) Damit ist zu entscheiden, ob die Veranstaltung im schulrechtlichen Rahmen des Landes Sachsen-Anhalt einer mehrtägigen Klassenfahrt entspricht. Das ist hier der Fall. Im Schulgesetz für das Land Sachsen-Anhalt (SchulG LSA) ist der Begriff "Klassenfahrt" nicht definiert. Es findet sich lediglich eine Verpflichtung der Lehrer zur Übernahme von Klassenfahrten nach § 30 Abs. 3 S. 4 i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 8 SchulG LSA (Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. August 2010 - 2 Sa 437/09 -, juris).

27

Der durchgeführte Schüleraustausch ist einer mehrtägigen Klassenfahrt gleichgestellt. Dieses Ergebnis folgt aus der Systematik der schulrechtlichen Normen zu außerunterrichtlichen Veranstaltungen und den dazu ergangenen schulrechtlichen Kompetenzzuweisungen sowie dem ausdrücklich formulierten Ziel der schulrechtlichen Regelungen.

28

Systematisch differenziert das sachsen-anhaltinische Schulrecht, soweit es mehrtägige schulische Veranstaltungen als pädagogisch sinnvoll erkennt, nicht zwischen "Klassenfahrten" und sonstigen Veranstaltungen. Auf Grundlage des die Rechte und Pflichten der Gesamtkonferenzen regelnden § 27 SchulG LSA gestalten und koordinieren diese die Erziehungs- und Unterrichtsarbeit im Rahmen der gesamten Schule. Sie beraten und beschließen über alle wesentlichen Angelegenheiten der Schule, die ein Zusammenwirken von Lehrerinnen und Lehrern, Erziehungsberechtigten sowie Schülerinnen und Schülern erfordern. Dazu gehören insbesondere grundsätzliche Fragen der Erziehungs- und Unterrichtsarbeit der Schule, pädagogische Konzepte und Grundsätze (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 SchulG LSA), die Regelung schulischer Veranstaltungen (§ 27 Abs. 1 Nr. 5 SchulG LSA) und wichtige Fragen der Zusammenarbeit mit außerschulischen Einrichtungen (§ 27 Abs. 1 Nr. 16 SchulG LSA). Damit delegiert das sachsen-anhaltinische Schulrecht die Frage, ob und welche schulischen - auch außerunterrichtlichen - Veranstaltungen durchgeführt werden, an die einzelne Schule. Die Durchführung des Schüleraustausches obliegt der Genehmigung durch die Gesamtlehrer- und Schulkonferenz sowie dem Schulleiter.

29

Schließlich bestimmt § 1 Abs. 1 Satz 2 SchulG LSA, dass jeder junge Mensch ohne Rück-sicht auf seine Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seine Begabungen, seine Fähigkeiten und seine Neigung fördernde Erziehung, Bildung und Ausbildung hat. In Erfüllung dieses Auftrages ist die Schule insbesondere gehalten, die Schülerinnen und Schüler zu Toleranz gegenüber kultureller Vielfalt und zur Völkerverständigung zu erziehen sowie zu befähigen und die Bedeutung der Heimat in einem geeinten Deutschland und einem gemeinsamen Europa zu erkennen, § 1 Abs. 2 Nr. 8 SchulG LSA. Der internationale Schüleraustausch entspricht diesem ausdrücklich formulierten Ziel der schulrechtlichen Regelung.

30

Die Durchführung eines internationalen Schüleraustausches wird durch das Land Sachsen-Anhalt finanziell unterstützt und entspricht dem in § 1 SchulG LSA verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag. So bestimmt die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des internationalen Schüleraustausches im Rahmen von Schulpartnerschaften (RdErl des MK vom 21.4.2005 – 22-82021 inklusive Änderung vom 18. April 2007 – im Weiteren RL Zuwendung) in Nr. 1: "Das Kultusministerium fördert den internationalen Schüleraustausch im Rahmen von Schulpartnerschaften auf der Grundlage der Ziele und Wertvorstellungen der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vom 16.7.1992 (GVBl. LSA S. 600), geändert durch § 1 des Gesetzes vom 27. Januar 2005 (GVBl. LSA S. 44), sowie des im Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt i. d. F. der Bek. vom 27.8.1996 (GVBl. LSA S. 281), zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 27.1.2005 (GVBl. LSA S. 46), veran-kerten Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule. Ziel ist dabei die Entwicklung von interkultureller, internationaler, Europa- und Fremdsprachenkompetenz der Schülerinnen und Schüler." Nach Nr. 2 der Richtlinie Zuwendungen gewährt das Kultusministerium Zuwendun-gen zur Durchführung internationaler Schulaustauschmaßnahmen, an denen ein erhebliches Landesinteresse besteht und die ohne die Zuwendung nicht oder nicht im notwendigen Umfang durchgeführt werden können. Der internationale Schüleraustausch dient vorwiegend dem Ziel, internationale Schulpartnerschaften aufzubauen und fortzuführen sowie persönliche Kontakte zwischen deutschen und ausländischen Schülerinnen und Schülern zu knüpfen und zu erhalten. Sie sollen dazu befähigen, andere Kulturen und Gesellschaften kennen zu lernen und sich mit ihnen auseinander zu setzen, landeskundliche Kenntnisse zu vermitteln, Fremdsprachenkenntnisse zu vertiefen, die Motivation zum Fremdsprachenerwerb zu erhöhen sowie interkulturelle Kompetenz zu fördern. Die Austauschmaßnahmen finden auf der Grundlage von Schulpartnerschaften statt und folgen dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Sie beinhalten die Komponente der Begegnungen am Ort des Partners und die Begegnungen mit dem ausländischen Partner am eigenen Ort.

31

Ausdrücklich sind in der Richtlinie Zuwendungen in Nr. 3 ausgeführt, dass internationale Schulaustauschmaßnahmen schulische Veranstaltungen sind.

32

Eine andere Beurteilung rechtfertigt - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch Nr. 7 Richtlinie Schulwanderungen nicht. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG Magdeburg im angegriffenen Urteil vom 8. August 2014 verwiesen. Soweit Nr. 7 der Richtlinie Schulwanderungen bestimmt, dass abweichende Regelungen für Auslandsaufenthalte im Rahmen von Schulpartnerschaften und von bi- und multinationalen Programmen sowie Ski-Kompaktkursen gelten, stellt der Verordnungsgeber damit insbesondere klar, dass diese "Unterricht oder unterrichtergänzende Schulveranstaltungen an einem anderen Lernort" sind. Eine Regelung dahingehend, dass solche Veranstaltungen außerhalb der schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Sachsen-Anhalt liegen, trifft Nr. 7 Richtlinie Schulwanderungen gerade nicht.

33

Anhaltspunkte dafür, dass sich die Entscheidung der Schule zur Durchführung des Schüler-austausches nicht in dem Rahmen der schulrechtlichen Regelungen des Landes Sachsen-Anhalt hält, bestehen anlässlich der Förderung dieser Schulpartnerschaft durch das Kultus-ministeriums des Landes nicht.

34

Auch überschreiten die hier erforderlich gewordenen Aufwendungen für den Schüleraus-tausch den landesschulrechtlichen Rahmen nicht. Insoweit finden sich keine konkreten Vorgaben in den sachsen-anhaltinischen Regelungen. Auch hier gilt, dass die Verantwortung und Entscheidungshoheit insoweit auf die einzelne Schule delegiert ist. Hinweise darauf, dass der Betrag von 1.150,00 EUR für eine dreiwöchige Reise nach Australien und ein Gastprogramm in Deutschland diesen Vorgaben widersprechen könnte, finden sich nicht. Der zu zahlende Betrag ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch eher niedrig, denn zu hoch.

35

c) Ein Anspruch der Klägerin nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II scheidet nicht schon deswegen aus, weil sie sich nach Antragstellung mit Hilfe eines Dritten den zur Teilnahme an dem Schüleraustausch erforderlichen Geldbetrag teilweise selbst beschafft hat. Die Klägerin soll den darlehensweise gewährten Betrag in monatlichen Raten von jeweils 20,00 EUR zurückzahlen. Die Zahlung des Herrn M. K. sollte die fehlende Unterstützung durch den Beklagten lediglich substituieren, sodass sie der Klägerin dann wegen einer Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung nicht entgegengehalten werden kann (BSG, Urteil vom 22. November 2011, a.a.O.). Die Klägerin ist verpflichtet, den zur Verfügung gestellten Betrag zurück-zuzahlen. Jedenfalls dann, wenn eine Entscheidung des Trägers der Grundsicherung die Übernahme der begehrten Aufwendungen rechtswidrig abgelehnt hatte und der Leistungsberechtigte sich den erforderlichen Geldbetrag zur Finanzierung der Teilnahme an dem Austausch selbst beschafft hat, kommt ein Kostenerstattungsanspruch in Betracht (BSG, Urteil vom 22. November 2011, a.a.O.). An die Stelle der ursprünglich begehrten Übernahme der Aufwendungen für die Teilnahme an dem Schüleraustausch treten dann die Schulden, die gegenüber den Dritten eingegangen worden sind (BSG, Urteil vom 22. November 2011, a.a.O.).

36

3. Die Klägerin ist leistungsberechtigt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hat - von dem Beklagten bestandskräftig beschieden - zum Zeitpunkt der Entstehung des Bedarfs, als auch der Durchführung des Schüleraustausches Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen (Änderungsbescheid vom 21. Juni 2012).

37

Die Kosten sind der Klägerin nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II von dem Beklagten in Höhe von 74,88 EUR zu erstatten.

38

Nach § 5 a Nr. 2 Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (in der Fassung vom 24. März 2011 – ALG II VO) ist bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit für die mehrtägigen Klassenfahrten (§ 28 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) monatlich der Betrag zugrunde zu legen, der sich bei der Teilung der Aufwendungen, die für die mehrtägige Klassenfahrt entstehen, auf einen Zeitraum von sechs Monaten ab Beginn des auf den Antrag folgenden Monats ergibt.

39

Die Klägerin hatte im März 2012 den Antrag auf Übernahme der Kosten der Klassenfahrt gestellt, so dass die tatsächlichen Kosten in Höhe von 1.150,00 EUR den Bedarf in Monaten April bis September 2012 um monatlich 191,67 EUR erhöhen. Damit beträgt der monatliche Bedarf der Klägerin im Zeitraum April bis September 2012 552,48 EUR (Sozialgeld 287,00 EUR, 4,02 EUR Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung, 69,79 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung und 191,67 EUR Klassenfahrtkosten).

40

Sie verfügte über monatliches Einkommen in Höhe von 540,00 EUR; insbesondere ist neben dem monatlichen Unterhalt von 356,00 EUR das Kindergeld zur eigenen Bedarfsdeckung heranzuziehen. Damit besteht ein Anspruch in Höhe von monatlich 12,48 EUR für den Zeitraum April bis einschließlich September 2012 und somit insgesamt in Höhe von 74,88 EUR.

41

4. Der Beklagte hat der Klägerin nach § 193 SGG die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits anteilig zu erstatten.

42

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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published on 22/11/2011 00:00

Tenor Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Januar 2010 sowie der B
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published on 23/03/2010 00:00

Tatbestand 1 Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für einen mehrtägigen Aufenthalt in einem Schullandheim sowie für den eintägigen Besuch eines Musicals.
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Annotations

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.