Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 07. Dez. 2016 - L 5 AS 461/14

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2016:1207.L5AS461.14.00
bei uns veröffentlicht am07.12.2016

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. August 2014 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2012 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 74,88 EUR als Kosten für den Schüleraustausch vom 16. September bis zum 6. Oktober 2012 und vom 1. bis zum 23. Februar 2013 zu zahlen. Im Übrigen werden die Berufung zurück- und die Klage abgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu 10 %. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen seine Verurteilung zur Leistung von Kosten für die Teilnahme an einem Schüleraustausch mit der C. T. H. in Sydney vom 16. September bis 6. Oktober 2012 sowie vom 1. bis 23. Februar 2013 in Höhe von 1.150,00 EUR.

2

Die 1997 geborene Klägerin bezog als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft gemeinsam mit ihrer Mutter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Austausches Schülerin der 10. Klasse an dem B.-G. W.

3

Mit Antrag vom 7. März 2012, zugegangen am 9. März 2012, beantragte die Mutter der Klägerin die Kostenübernahme für den Schüleraustausch nach Australien. Sie legte ein Schreiben der Schule vor, wonach die voraussichtlichen Kosten 1.670,00 EUR betragen werden und sie - die Mutter der Klägerin - bereits unter dem 22. März 2012 einen Teilbetrag von 300,00 EUR geleistet habe. Die Koordinatorin für den Schüleraustausch M. L. teilte mit, dass sich die voraussichtlichen Kosten in Höhe von 1.670,00 EUR aus den Flugkosten von 1.200,00 EUR und einem Pauschalbetrag für den Aufenthalt der Schüler in A. sowie Kosten aufgrund der gemeinsamen Programmgestaltung von Gästen aus A. und Gastgebern in Deutschland zusammensetzen werden.

4

Am 18. April 2012 teilte die Mutter der Klägerin telefonisch mit, dass sich die voraussichtlichen Kosten auf 1.900,00 EUR erhöhen würden. Die Anzahlung in Höhe von 300,00 EUR und weitere Kosten in Höhe von 800,00 EUR stellte Herr M. K. darlehnsweise zur Verfügung.

5

Mit Bescheid vom 22. Mai 2012 lehnte der Beklagte die beantragte Kostenübernahme mit der Begründung ab, der beabsichtigte Schüleraustausch aufgrund einer Partnerschaft zwischen dem B.-G. W. und der C. T. H. sei keine Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen für das Land Sachsen-Anhalt Nach Punkt 7 der Richtlinien für Schulwanderungen und Schulfahrten Runderlass des Kultusministeriums (RdErl. MK) des Landes Sachsen-Anhalt vom 13. September 2002 (Richtlinie Schulwanderungen) sei die Partnerschaft zwischen dem B.-G. W. und der C. T. H. nicht von den schulrechtlichen Bestimmungen "gedeckt". Eine Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen komme daher nicht Betracht.

6

Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 5. Juni 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2012 als unbegründet zurück.

7

Mit bestandskräftigem Änderungsbescheid vom 21. Juni 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin vom 1. April bis zum 30. September 2012 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 3,07 EUR. Der Berechnung legte der Beklagte für den Zeitraum April bis September 2012 einen Bedarf der Klägerin von monatlich 360,81 EUR (Sozialgeld 287,00 EUR, 4,02 EUR Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung, 69,79 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung) zugrunde. Die Klägerin bezog im Zeitraum April bis September 2012 monatlich 356,00 EUR Unterhalt. Der Mutter der Klägerin floss in diesem Zeitraum monatlich Kindergeld für die Klägerin in Höhe von 184,00 EUR zu.

8

Vom 16. September bis zum 6. Oktober 2012 besuchten 22 Gastschüler aus Australien die Schule der Klägerin. Im Rahmen dieses Besuches nahm die Klägerin an Fahrten, Exkursionen, Stadtrundfahrten und -führungen teil. Dadurch entstanden Kosten in Höhe von 467,64 EUR. Auf die Aufstellung der Kosten auf Bl. 60 der Gerichtsakte wird ausdrücklich Bezug genommen.

9

Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 2. Oktober 2012 Klage beim Sozialgericht (SG) Magdeburg erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Schüleraustausch mit der Schule in A. sei eine Klassenfahrt im Sinne von § 28 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB II. Dem stünde Punkt 7 Richtlinie Schulwanderungen nicht entgegen. Danach sollten für unterrichtergänzende Schulveranstaltungen an einem anderen Lernort weitergehende Regelungen als in Punkten 2 bis 6 Richtlinie Schulwanderungen gelten.

10

Vom 1. bis zum 23. Februar 2013 hat die Klägerin mit 24 weiteren Schülern an dem Schüleraustausch nach Australien teilgenommen. Es sind Kosten in Höhe von 1.317,61 EUR pro Schüler entstanden. Das Kultusministerium Sachsen-Anhalt hat den Schüleraustausch mit 500,00 EUR pro Schüler gefördert.

11

Das SG hat mit Urteil vom 8. August 2014 den Bescheid vom 22. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 1.150,00 EUR zu zahlen. Der Schüleraustausch bewege sich im schulrechtlichen Rahmen des Landes Sachsen-Anhalt Dies ergäbe sich aus der erfolgten Förderung von 500,00 EUR pro Schüler. Die Klägerin habe zunächst 1.900,00 EUR angezahlt und 750,00 EUR erstattet erhalten, so dass die tatsächlichen Kosten 1.150,00 EUR betragen hätten.

12

Der Beklagte hat gegen das ihm am 21. August 2014 zugestellte Urteil am 19. September 2014 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung trägt er vor: Aus Punkt 7 Richtlinie Schulwanderungen ergäbe sich, dass der Schüleraustausch keine Klassenfahrt im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II sei. Nach Punkt 7 Richtlinie Schulwanderungen seien Auslandaufenthalte im Rahmen von Schulpartnerschaften sowie Veranstaltungen von bi- oder multinationalen Programmen eindeutig von den Regelungen ausgenommen. Der Verordnungsgeber habe mit der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des internationalen Schüleraustausches im Rahmen von Schulpartnerschaften eine spezielle Regelung geschaffen. Selbst bei der Annahme, der Schüleraustausch stelle eine Schulfahrt dar, entspräche diese Fahrt nicht den schulrechtlichen Bestimmungen, da die Fahrt entgegen Punkt 2.2. Richtlinie Schulwanderungen länger als fünf Unterrichtstage gedauert habe.

13

Der Beklagte beantragt,

14

das Urteil des SG Magdeburg vom 8. August 2014 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 22. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012 insgesamt abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend und verweist auf ihre bisherigen erstinstanzlichen Ausführungen.

18

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

19

1. Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben. Die Berufung ist auch zulässig gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG.

20

Streitgegenstand ist allein der Anspruch der Klägerin nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II (in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13. Mai 2011, BGBl. I S. 850 ff). Der Beklagte hat mit Bescheid vom 22. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012 einen Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt verneint. Bei dem Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II handelt es sich um einen Individualanspruch desjenigen, der den entsprechenden Bedarf geltend macht (Bundessozialgericht (BSG) vom 23. März 2010 - B 14 AS 6/09 R - juris). Der Anspruch kann isoliert gerichtlich durchgesetzt werden (BSG, a.a.O.) Dementsprechend hat die Klägerin ihre Klage durch Antragstellung vor dem SG in zulässiger Weise auf die Übernahme der Kosten für den Schüleraustausch beschränkt (zur Zulässigkeit der Beschränkung des Streitstoffs auf Leistungen für Sonderbedarfe vgl. Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. September 2009, L 5 AS 103/07 und BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 11/10 R -, juris). Die Klägerin verfolgt in zulässiger Weise den Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt als Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage weiter. Der Schüleraustausch ist bereits durchgeführt worden und sie hat den hierfür erforderlichen Geldbetrag von einem Dritten zur Verfügung gestellt bekommen.

21

2. Die Berufung des Beklagten ist teilweise begründet, da das Sozialgericht zu Unrecht den Bescheid vom 22. Mai 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012 vollständig aufgehoben und den Beklagten zur Zahlung von 1.150,00 EUR verurteilt hat. Die Klägerin hat 1.900,00 EUR angezahlt und 750,00 EUR (500,00 EUR als Zuwendung von dem Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt) erstattet erhalten, so dass ihr tatsächlich Gesamtkosten in Höhe von 1.150,00 EUR entstanden sind. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Erstattung der ihr für eine mehrtägige Klassenfahrt in der Gestalt der Teilnahme an dem Schüleraustausch mit der HighSchool für den Gastaufenthalt der auswärtigen Schüler in Deutschland vom 16. September bis 6. Oktober 2012 und für den Aufenthalt in S. vom 1. bis 23. Februar 2013 entstandenen Kosten dem Grunde nach. Aufgrund ihres Einkommens beträgt der Erstattungsanspruch 74,88 EUR.

22

Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin den teilweise darlehensweise von Herrn K. erhaltenen und teilweise selbst verauslagten Betrag für den Schüleraustausch in der Zeit vom 16. September bis 6. Oktober 2012 und vom 1. bis 23. Februar 2012 nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II zu erstatten, soweit die Klägerin selbst hilfebedürftig war (dazu unter 3.). Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt (§ 28 Abs. 1 S. 1 SGB II). Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II (in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13. Mai 2011, BGBl. I S. 850 ff) sind Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst. Der hier durchgeführte Schüleraustausch entspricht einer mehrtägigen Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Sachsen-Anhalt im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II.

23

a) Die bundesrechtliche Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II bestimmt den abstrakten Rahmen dafür, wann Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt zu erbringen sind. Gleichwohl ist der Rechtsbegriff der "Klassenfahrt" innerhalb dieses Rahmens durch die landesschulrechtlichen Vorschriften auszufüllen. Auch wenn der Begriff der "Klassenfahrt" im Landesrecht nicht verwendet oder ausdrücklich definiert wird, bestimmt sich nach den schulrechtlichen Bestimmungen, ob die Veranstaltung wie eine mehrtägige Klassenfahrt im Leistungsrecht des SGB II zu behandeln ist. Die Leistung wird durch den bundesrechtlichen Rahmen begrenzt und durch das Landesschulrecht ausgefüllt (BSG, Urteil vom 22. November 2011 - B 4 AS 204/10 R -, juris). Der bundesrechtliche Rahmen darf zwar nicht über-schritten werden, das Landesrecht regelt jedoch, welche Veranstaltungen dem Grunde nach üblich sind und in welcher Höhe Aufwendungen hierfür regional übernommen werden (BSG, Urteil vom 22. November 2011, a.a.O., Rdnr. 14). Die Leistung ist durch die verfassungs-rechtlich ausschließliche Zuständigkeit der Länder für die Schulgesetzgebung regional determiniert (BSG, Urteil vom 22. November 2011, a.a.O., Rdnr. 17).

24

Der durchgeführte Schüleraustausch hat den bundesrechtlichen Rahmen nicht überschritten. Der Schüleraustausch ist eine mehrtägige von der Schule organisierte und durchgeführte Veranstaltung gewesen, an der mehrere Schüler teilgenommen haben. Unter Berücksichtigung des Teilhabeziels der Regelung des § 28 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB II stellt ein Ausschluss von der Teilnahme an einem Schüleraustausch, selbst wenn nicht die gesamte Klassen- oder Jahrgangsstufe die Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, auch eine Ausgrenzung aus finanziellen Gründen dar. Die Ausgrenzung erfolgt innerhalb der Gruppe der zur Teilnahme berechtigten Schüler und soll von ihren Wirkungen her ebenso vermieden werden, wie bei der Betroffenheit der Gesamtheit der Schüler einer Klasse oder Jahrgangsstufe (BSG, Urteil vom 22. November 2011, a.a.O., Rdnr. 19).

25

Auch die Höhe der erforderlichen Aufwendungen für den Schüleraustausch führt nicht dazu, dass eine Überschreitung des bundesrechtlichen Rahmens anzunehmen wäre. Wie der 14. Senat des BSG bereits entschieden hat, hat der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende die tatsächlichen Kosten einer mehrtägigen Klassenfahrt ohne Beschränkung auf einen Höchstbetrag zu übernehmen, wenn die Veranstaltung im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen stattfindet und das Schulrecht selbst keine Kostenobergrenze vorsieht (BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14 AS 36/07 R -, und BSG, Urteil vom 22. November 2011, a.a.O., jeweils juris). Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass das Gesetz selbst keine bundesrechtliche Begrenzung der zu übernehmenden Aufwendungen vornimmt, weder durch eine Umschreibung etwa mit dem Begriff der "Angemessenheit", noch mittels einer Pauschalierung. Zudem ist die Übernahme der tatsächlichen Kosten - soweit rechtlich zulässig durch die Schule veranlasst - die materielle Seite des "Teilhabegedankens". In der Gesetzesbegründung zu § 28 SGB II wird insoweit betont, dass die Regelung dazu diene, die reale und gleichberechtigte Teilnahme durch Übernahme der Kosten in tatsächlicher Höhe zu gewährleisten. Die Vorschrift soll die gleichberechtigte Teilnahme aller Schülerinnen und Schüler an diesen Veranstaltungen ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation ihrer Eltern sicherstellen. Weil das Fernbleiben von schulischen Gemeinschaftsveranstaltungen Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklungsphase besonders nachhaltig negativ prägen kann, dient die Vorschrift in besonderem Maße der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (BT-Drucks. 17/3404 S. 104).

26

b) Damit ist zu entscheiden, ob die Veranstaltung im schulrechtlichen Rahmen des Landes Sachsen-Anhalt einer mehrtägigen Klassenfahrt entspricht. Das ist hier der Fall. Im Schulgesetz für das Land Sachsen-Anhalt (SchulG LSA) ist der Begriff "Klassenfahrt" nicht definiert. Es findet sich lediglich eine Verpflichtung der Lehrer zur Übernahme von Klassenfahrten nach § 30 Abs. 3 S. 4 i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 8 SchulG LSA (Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. August 2010 - 2 Sa 437/09 -, juris).

27

Der durchgeführte Schüleraustausch ist einer mehrtägigen Klassenfahrt gleichgestellt. Dieses Ergebnis folgt aus der Systematik der schulrechtlichen Normen zu außerunterrichtlichen Veranstaltungen und den dazu ergangenen schulrechtlichen Kompetenzzuweisungen sowie dem ausdrücklich formulierten Ziel der schulrechtlichen Regelungen.

28

Systematisch differenziert das sachsen-anhaltinische Schulrecht, soweit es mehrtägige schulische Veranstaltungen als pädagogisch sinnvoll erkennt, nicht zwischen "Klassenfahrten" und sonstigen Veranstaltungen. Auf Grundlage des die Rechte und Pflichten der Gesamtkonferenzen regelnden § 27 SchulG LSA gestalten und koordinieren diese die Erziehungs- und Unterrichtsarbeit im Rahmen der gesamten Schule. Sie beraten und beschließen über alle wesentlichen Angelegenheiten der Schule, die ein Zusammenwirken von Lehrerinnen und Lehrern, Erziehungsberechtigten sowie Schülerinnen und Schülern erfordern. Dazu gehören insbesondere grundsätzliche Fragen der Erziehungs- und Unterrichtsarbeit der Schule, pädagogische Konzepte und Grundsätze (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 SchulG LSA), die Regelung schulischer Veranstaltungen (§ 27 Abs. 1 Nr. 5 SchulG LSA) und wichtige Fragen der Zusammenarbeit mit außerschulischen Einrichtungen (§ 27 Abs. 1 Nr. 16 SchulG LSA). Damit delegiert das sachsen-anhaltinische Schulrecht die Frage, ob und welche schulischen - auch außerunterrichtlichen - Veranstaltungen durchgeführt werden, an die einzelne Schule. Die Durchführung des Schüleraustausches obliegt der Genehmigung durch die Gesamtlehrer- und Schulkonferenz sowie dem Schulleiter.

29

Schließlich bestimmt § 1 Abs. 1 Satz 2 SchulG LSA, dass jeder junge Mensch ohne Rück-sicht auf seine Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seine Begabungen, seine Fähigkeiten und seine Neigung fördernde Erziehung, Bildung und Ausbildung hat. In Erfüllung dieses Auftrages ist die Schule insbesondere gehalten, die Schülerinnen und Schüler zu Toleranz gegenüber kultureller Vielfalt und zur Völkerverständigung zu erziehen sowie zu befähigen und die Bedeutung der Heimat in einem geeinten Deutschland und einem gemeinsamen Europa zu erkennen, § 1 Abs. 2 Nr. 8 SchulG LSA. Der internationale Schüleraustausch entspricht diesem ausdrücklich formulierten Ziel der schulrechtlichen Regelung.

30

Die Durchführung eines internationalen Schüleraustausches wird durch das Land Sachsen-Anhalt finanziell unterstützt und entspricht dem in § 1 SchulG LSA verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag. So bestimmt die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des internationalen Schüleraustausches im Rahmen von Schulpartnerschaften (RdErl des MK vom 21.4.2005 – 22-82021 inklusive Änderung vom 18. April 2007 – im Weiteren RL Zuwendung) in Nr. 1: "Das Kultusministerium fördert den internationalen Schüleraustausch im Rahmen von Schulpartnerschaften auf der Grundlage der Ziele und Wertvorstellungen der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vom 16.7.1992 (GVBl. LSA S. 600), geändert durch § 1 des Gesetzes vom 27. Januar 2005 (GVBl. LSA S. 44), sowie des im Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt i. d. F. der Bek. vom 27.8.1996 (GVBl. LSA S. 281), zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 27.1.2005 (GVBl. LSA S. 46), veran-kerten Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule. Ziel ist dabei die Entwicklung von interkultureller, internationaler, Europa- und Fremdsprachenkompetenz der Schülerinnen und Schüler." Nach Nr. 2 der Richtlinie Zuwendungen gewährt das Kultusministerium Zuwendun-gen zur Durchführung internationaler Schulaustauschmaßnahmen, an denen ein erhebliches Landesinteresse besteht und die ohne die Zuwendung nicht oder nicht im notwendigen Umfang durchgeführt werden können. Der internationale Schüleraustausch dient vorwiegend dem Ziel, internationale Schulpartnerschaften aufzubauen und fortzuführen sowie persönliche Kontakte zwischen deutschen und ausländischen Schülerinnen und Schülern zu knüpfen und zu erhalten. Sie sollen dazu befähigen, andere Kulturen und Gesellschaften kennen zu lernen und sich mit ihnen auseinander zu setzen, landeskundliche Kenntnisse zu vermitteln, Fremdsprachenkenntnisse zu vertiefen, die Motivation zum Fremdsprachenerwerb zu erhöhen sowie interkulturelle Kompetenz zu fördern. Die Austauschmaßnahmen finden auf der Grundlage von Schulpartnerschaften statt und folgen dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Sie beinhalten die Komponente der Begegnungen am Ort des Partners und die Begegnungen mit dem ausländischen Partner am eigenen Ort.

31

Ausdrücklich sind in der Richtlinie Zuwendungen in Nr. 3 ausgeführt, dass internationale Schulaustauschmaßnahmen schulische Veranstaltungen sind.

32

Eine andere Beurteilung rechtfertigt - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch Nr. 7 Richtlinie Schulwanderungen nicht. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG Magdeburg im angegriffenen Urteil vom 8. August 2014 verwiesen. Soweit Nr. 7 der Richtlinie Schulwanderungen bestimmt, dass abweichende Regelungen für Auslandsaufenthalte im Rahmen von Schulpartnerschaften und von bi- und multinationalen Programmen sowie Ski-Kompaktkursen gelten, stellt der Verordnungsgeber damit insbesondere klar, dass diese "Unterricht oder unterrichtergänzende Schulveranstaltungen an einem anderen Lernort" sind. Eine Regelung dahingehend, dass solche Veranstaltungen außerhalb der schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Sachsen-Anhalt liegen, trifft Nr. 7 Richtlinie Schulwanderungen gerade nicht.

33

Anhaltspunkte dafür, dass sich die Entscheidung der Schule zur Durchführung des Schüler-austausches nicht in dem Rahmen der schulrechtlichen Regelungen des Landes Sachsen-Anhalt hält, bestehen anlässlich der Förderung dieser Schulpartnerschaft durch das Kultus-ministeriums des Landes nicht.

34

Auch überschreiten die hier erforderlich gewordenen Aufwendungen für den Schüleraus-tausch den landesschulrechtlichen Rahmen nicht. Insoweit finden sich keine konkreten Vorgaben in den sachsen-anhaltinischen Regelungen. Auch hier gilt, dass die Verantwortung und Entscheidungshoheit insoweit auf die einzelne Schule delegiert ist. Hinweise darauf, dass der Betrag von 1.150,00 EUR für eine dreiwöchige Reise nach Australien und ein Gastprogramm in Deutschland diesen Vorgaben widersprechen könnte, finden sich nicht. Der zu zahlende Betrag ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch eher niedrig, denn zu hoch.

35

c) Ein Anspruch der Klägerin nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II scheidet nicht schon deswegen aus, weil sie sich nach Antragstellung mit Hilfe eines Dritten den zur Teilnahme an dem Schüleraustausch erforderlichen Geldbetrag teilweise selbst beschafft hat. Die Klägerin soll den darlehensweise gewährten Betrag in monatlichen Raten von jeweils 20,00 EUR zurückzahlen. Die Zahlung des Herrn M. K. sollte die fehlende Unterstützung durch den Beklagten lediglich substituieren, sodass sie der Klägerin dann wegen einer Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung nicht entgegengehalten werden kann (BSG, Urteil vom 22. November 2011, a.a.O.). Die Klägerin ist verpflichtet, den zur Verfügung gestellten Betrag zurück-zuzahlen. Jedenfalls dann, wenn eine Entscheidung des Trägers der Grundsicherung die Übernahme der begehrten Aufwendungen rechtswidrig abgelehnt hatte und der Leistungsberechtigte sich den erforderlichen Geldbetrag zur Finanzierung der Teilnahme an dem Austausch selbst beschafft hat, kommt ein Kostenerstattungsanspruch in Betracht (BSG, Urteil vom 22. November 2011, a.a.O.). An die Stelle der ursprünglich begehrten Übernahme der Aufwendungen für die Teilnahme an dem Schüleraustausch treten dann die Schulden, die gegenüber den Dritten eingegangen worden sind (BSG, Urteil vom 22. November 2011, a.a.O.).

36

3. Die Klägerin ist leistungsberechtigt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hat - von dem Beklagten bestandskräftig beschieden - zum Zeitpunkt der Entstehung des Bedarfs, als auch der Durchführung des Schüleraustausches Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen (Änderungsbescheid vom 21. Juni 2012).

37

Die Kosten sind der Klägerin nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II von dem Beklagten in Höhe von 74,88 EUR zu erstatten.

38

Nach § 5 a Nr. 2 Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (in der Fassung vom 24. März 2011 – ALG II VO) ist bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit für die mehrtägigen Klassenfahrten (§ 28 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) monatlich der Betrag zugrunde zu legen, der sich bei der Teilung der Aufwendungen, die für die mehrtägige Klassenfahrt entstehen, auf einen Zeitraum von sechs Monaten ab Beginn des auf den Antrag folgenden Monats ergibt.

39

Die Klägerin hatte im März 2012 den Antrag auf Übernahme der Kosten der Klassenfahrt gestellt, so dass die tatsächlichen Kosten in Höhe von 1.150,00 EUR den Bedarf in Monaten April bis September 2012 um monatlich 191,67 EUR erhöhen. Damit beträgt der monatliche Bedarf der Klägerin im Zeitraum April bis September 2012 552,48 EUR (Sozialgeld 287,00 EUR, 4,02 EUR Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung, 69,79 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung und 191,67 EUR Klassenfahrtkosten).

40

Sie verfügte über monatliches Einkommen in Höhe von 540,00 EUR; insbesondere ist neben dem monatlichen Unterhalt von 356,00 EUR das Kindergeld zur eigenen Bedarfsdeckung heranzuziehen. Damit besteht ein Anspruch in Höhe von monatlich 12,48 EUR für den Zeitraum April bis einschließlich September 2012 und somit insgesamt in Höhe von 74,88 EUR.

41

4. Der Beklagte hat der Klägerin nach § 193 SGG die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits anteilig zu erstatten.

42

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

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(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die1.das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,2.erwerbsfähig sind,3.hilfebedürftig sind und4.ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschla

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Tatbestand 1 Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für einen mehrtägigen Aufenthalt in einem Schullandheim sowie für den eintägigen Besuch eines Musicals.

Referenzen

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für einen mehrtägigen Aufenthalt in einem Schullandheim sowie für den eintägigen Besuch eines Musicals.

2

Die 1988 geborene Klägerin lebt zusammen mit ihrer Mutter, deren Ehemann und einer Halbschwester. Sie bezog seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); für die Zeit vom 1.5.2005 bis 31.10.2005 aufgrund bestandskräftigen Bescheides vom 22.4.2005. Seit dem 12.9.2005 besuchte sie eine Hauptschule in D Am 25.8.2006 beantragte der Stiefvater die Erstattung der Kosten für einen Schullandheimaufenthalt in C vom 23.9. bis 2.10.2005 in Höhe von 271 Euro sowie der Kosten für den Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 in Höhe von 32,40 Euro. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 30.8.2006 die Übernahme der Kosten ab, weil der Antrag vor Antritt der Fahrten gestellt werden müsse. Außerdem seien die Kosten bereits beglichen, sodass der Bedarf aus eigenen Mitteln habe gedeckt werden können. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.9.2006 wies die Beklagte den Widerspruch hiergegen zurück.

3

Das Sozialgericht Stuttgart hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 23.10.2007 abgewiesen. Die Kosten für den Schullandheimaufenthalt seien zwar grundsätzlich nach § 23 Abs 3 SGB II erstattungsfähig. Eine Bedarfsdeckung für die Vergangenheit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundessozialhilfegesetz jedoch nicht zulässig. Dieser Grundsatz gelte auch für das SGB II. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt bestehe schon nach dem Wortlaut des § 23 Abs 3 SGB II nicht. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 26.11.2008 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt scheitere daran, dass diese Leistung nicht rechtzeitig beantragt worden sei. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende würden nach § 37 Abs 1 SGB II nach Antragstellung erbracht. Leistungen für die Zeit vor Antragstellung könnten nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II nicht erbracht werden. Auch die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lägen nicht vor. Die Beklagte habe im maßgeblichen Bewilligungszeitraum keine Anhaltspunkte für einen Sonderbedarf der Klägerin gehabt. Allein die Kenntnis vom Schulbesuch habe noch keine konkrete Beratungspflicht ausgelöst. Für eine Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt fehle es bereits an einer Anspruchsgrundlage. § 23 Abs 3 Nr 3 SGB II erfasse ausdrücklich nur mehrtägige Klassenfahrten.

4

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasse alle Leistungen nach dem zweiten Abschnitt des SGB II. Leistungen nach § 23 SGB II müssten daher nicht gesondert beantragt werden. Da aus dem Erstantrag für die Beklagte auch erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin noch die Schule besucht habe, und deshalb entsprechend ihrem Jahrgang eine mehrtägige Klassenfahrt in Betracht kommen könnte, habe eine entsprechende Beratungspflicht der Beklagten bestanden. Der Bedarf sei auch nicht durch eigene Mittel gedeckt worden. Vielmehr seien Schulden durch eine Kontoüberziehung entstanden. Zwar seien nach dem Wortlaut des § 23 SGB II Kosten für eine eintägige Klassenfahrt nicht erstattungsfähig, es sei jedoch zu beachten, dass frühere Sozialleistungen auch eintägige Klassenfahrten umfasst hätten. Bei der Klassenfahrt zu dem Musical habe es sich um Bildungsausgaben gehandelt, die in der Regelleistung nicht berücksichtigt seien.

5

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.10.2007 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.11.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 30.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.9.2006 zu verurteilen, ihr die Kosten für den Schullandheimaufenthalt in C vom 23.9. bis 2.10.2005 in Höhe von 271 Euro sowie für den eintägigen Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 in Höhe von 32,40 Euro zu erstatten.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

7

Sie hält die angegriffenen Urteile für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, § 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), soweit sie die Erstattung von Kosten für den Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 begehrt. Im Übrigen ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet, § 170 Abs 2 Satz 2 SGG.

9

1. Streitig sind allein die Ansprüche der Klägerin auf Leistungen für Klassenfahrten nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II. Dabei handelt es sich um eigenständige abtrennbare Streitgegenstände, die isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden können (vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 13). Der Anspruch steht allein der Klägerin zu. Zwar bildet sie mit ihrer Schwester, ihrer Mutter und deren Ehemann eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II, Leistungen für Klassenfahrten stehen aber individuell nur ihr allein zu.

10

2. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 23 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014). Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig sind (Nr 3) sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Ausschlussgründe nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II liegen nicht vor.

11

3. Das LSG hat zu Recht einen Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II hinsichtlich des eintägigen Besuchs eines Musicals verneint, weil es am Tatbestandsmerkmal der Mehrtägigkeit fehlt. Anspruch auf Leistungen für Klassenfahrten besteht nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II nur, sofern sie mehrtägig sind. Das ist nur dann der Fall, wenn sie einen Zeitraum von mehr als einem Tag umfassen (vgl Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 23 RdNr 110). Kosten eintägiger Klassenfahrten sind hingegen durch die Regelleistung gedeckt (vgl Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 23 RdNr 36).

12

Die Klägerin kann die Leistung auch nicht als "Härteleistung" auf der Grundlage von Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz beanspruchen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 einen solchen zusätzlichen Anspruch nur bei einem unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligen und besonderen Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums bejaht (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.

13

4. Ob ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die mehrtägige Fahrt nach C nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3, § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) besteht, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

14

a) Entgegen der Auffassung des LSG scheitert ein Anspruch nicht bereits an einer fehlenden Antragstellung nach § 37 SGB II. Zwar hat die Klägerin ihren Bedarf nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu einem Zeitpunkt zur Kenntnis der Beklagten gebracht, als die Klassenfahrten bereits durchgeführt worden waren. Der Antrag auf Leistungen für Klassenfahrten war aber bereits von dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst.

15

Gemäß § 37 Abs 1 SGB II werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht. § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II schließt eine Leistungserbringung für Zeiten vor der Antragstellung aus. Die Vorschrift gilt uneingeschränkt für alle Leistungen der Grundsicherung (vgl Link in Eicher/Spellbrink, aaO, § 37 RdNr 2). Sie statuiert ein konstitutives Antragserfordernis, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustehen (vgl BT-Drucks 15/1516 S 62; Urteile des Senats vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23 und vom 7.5.2009 - B 14 AS 13/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Antrag nach dem SGB II ist eine einseitige empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - soweit sich nicht aus sozialrechtlichen Bestimmungen Anderweitiges ergibt - die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung finden (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 56/08 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Antragsteller bringt zum Ausdruck, dass Leistungen vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt werden. Welche Leistungen ein Antrag umfasst, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl Urteil des Senats vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; vgl zum Klageantrag BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen (vgl Link in Eicher/Spellbrink aaO; Striebinger in Gagel, SGB II, Stand Dezember 2009, § 37 RdNr 34). Das sind bei einem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts regelmäßig alle im 1. und 2. Unterabschnitt des 2. Abschnitts des 3. Kapitels SGB II genannten Leistungen (vgl auch die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zum Umfang des Antrags <37.4>). Mit dem Antrag wird ein Hilfebedarf geltend gemacht, der alle Leistungen umfasst, die der Sicherung des Lebensunterhalts in Form des Arbeitslosengeld II dienen. Bei den in § 23 Abs 3 SGB II vorgesehenen Leistungen handelt es sich zwar um einmalige Sonderbedarfe(vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2 RdNr 11; Urteile vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen und vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das Erfordernis einer besonderen Bedarfslage ändert aber nichts an der Zuordnung dieser Leistungen zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Auch ihre prozessuale Behandlung als eigenständiger Streitgegenstand führt nicht dazu, dass die Leistung gesondert beantragt werden müsste. Ein solches Erfordernis lässt sich § 37 SGB II nicht entnehmen. Die Vorschrift enthält keine Antragsbestimmungen für einzelne Leistungen, sondern fordert lediglich unspezifisch einen Antrag.

16

b) Da über den Bewilligungszeitraum, in dem der Schullandheimaufenthalt stattfand, bereits bestandskräftig entschieden worden war, war über den Anspruch nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 SGB X zu entscheiden. Das LSG wird zunächst im Einzelnen zu ermitteln haben, welche Bedarfe iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II tatsächlich bestanden haben. Ein Bedarf ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil die Klägerin auch ohne die begehrte Leistung tatsächlich teilgenommen hat.

17

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 3. Dezember 2009 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Übernahme der Kosten für Schulbedarf der drei Kläger im Schuljahr 2006/2007 als Leistung nach dem SGB II oder SGB XII.

2

Die Kläger zu 1 und 2 besuchten im benannten Schuljahr die Grund- bzw Sekundarschule. Der Kläger zu 3 wurde im Schuljahr 2006/2007 eingeschult. Der Beklagte bewilligte ihnen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Mutter sowie weiteren Geschwistern durch Bescheid vom 27.6.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.12.2006. Auf den Antrag der Kläger vom 30.6.2006 lehnte der Beklagte die Übernahme von Aufwendungen für Schulbedarf (ua Arbeitsmittel, Arbeitsmaterialien, Schulbücher, Turnzeug, Schultüte und Einschulungsfeier) der drei Kläger durch Bescheid vom 5.7.2006 ab. Den Widerspruch hiergegen wies er durch Widerspruchsbescheid vom 9.8.2006 zurück.

3

Im vorläufigen Rechtsschutz verpflichtete das SG Magdeburg den Beklagten, den Klägern 198,65 Euro darlehensweise zur Bestreitung des geltend gemachten Bedarfs zu gewähren. Der Beklagte führte diese Anordnung durch Bescheid vom 15.9.2006 aus und bestimmte eine Tilgungsverpflichtung aufgeteilt in zwei Monatsraten ab Oktober 2006.

4

Im Klageverfahren verurteilte das SG den Beklagten, die darlehensweise gewährten Leistungen als Beihilfe zu zahlen. Einer Rückzahlungsverpflichtung stehe entgegen, dass es sich um Bildungsbedarf handele, was Verfassungsrang habe und daher das Ermessen des Grundsicherungsträgers im Hinblick auf die Rückzahlungsverpflichtung auf Null reduziert sei. Allerdings sei die Klage unbegründet, soweit Bedarfe für die Einschulungsfeier, die Schultüte und das Turnzeug geltend gemacht würden (Urteil vom 22.5.2007).

5

Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG Sachsen-Anhalt das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass den Klägern kein rückzahlungsfreies Darlehen nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II zustehe. Die Tilgung sei dort zwingend vorgeschrieben und Gründe für einen Erlass der Rückzahlungsverpflichtung seien nicht gegeben. Ebenso wenig folge ein Anspruch auf die Übernahme der geltend gemachten Aufwendungen aus § 23 Abs 3 SGB II. Bei den dort benannten "Sonderbedarfen" handele es sich nicht um schulisch bedingte Aufwendungen. Dieses gelte auch für Leistungen für Mehrbedarfe nach § 21 SGB II. Ein Anspruch gegen den - vom LSG beigeladenen - Sozialhilfeträger aus § 73 SGB XII scheitere bereits daran, dass es sich hier weder um eine atypische Bedarfslage handele, noch es an einer Anspruchsgrundlage im SGB II mangele, denn die darlehensweise Gewährung von Leistungen zur Deckung der Schulbedarfe sei möglich und hier auch erfolgt(§ 23 Abs 1 Satz 1 SGB II). Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 SGB XII, also einer Behinderung oder drohenden Behinderung seien nicht vorhanden. Aus der UN-Kinderrechtskonvention könne kein Individualleistungsanspruch abgeleitet werden (Urteil vom 3.12.2009).

6

Die Kläger haben die vom LSG zugelassene Revision zum BSG eingelegt. Sie rügen eine Verletzung von §§ 11, 20 SGB II und 73 SGB XII. Durch die Regelleistung seien keine "Schulbedarfe" von Kindern und Jugendlichen gedeckt. Die Abteilung 10 (Bildung) der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe sei bei der Bemessung des Regelsatzes außer Betracht geblieben. Dennoch seien Lernmittel ein unabweisbarer Bedarf - sie seien Grundvoraussetzung für die Wahrnehmung des Rechts auf Bildung und Teilnahme am Schulunterricht. In der Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur) seien zwar Bestandteile für Bücher, Broschüren und Schreibwaren sowie Sportartikel enthalten. Der hierfür angesetzte Betrag reiche jedoch nicht aus, um den "Schulbedarf" zu decken und müsse zudem auch für den Freizeitbedarf eines Kindes insoweit genutzt werden. Ein Ansparen sei den Klägern nicht möglich gewesen. Schulbedarf stelle zudem auch einen atypischen Bedarf dar, denn nur 11,2 % der Bevölkerung besuchten eine Schule, sodass im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung insoweit nicht von einem Regelbedarf ausgegangen werden könne. Dieser atypische Bedarf rechtfertige auch den Einsatz öffentlicher Mittel, sodass zumindest § 73 SGB XII eine Anspruchsgrundlage für die Deckung des geltend gemachten Bedarfs sei. Folge man dem nicht, so müsse wenigstens die Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen der Kinder in Höhe des Schulbedarfs außer Betracht bleiben.

7

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 3. Dezember 2009 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Mai 2007 zurückzuweisen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

9

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend. Ergänzend weist er darauf hin, dass das Kindergeld den individuellen Bedarf eines jeden Kindes decke und keine Anrechnung von Einkommen bei minderjährigen Kindern erfolge.

10

Der Beigeladene schließt sich dem Antrag des Beklagten an.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässigen Revisionen sind unbegründet.

12

Zu Recht hat das LSG einen Anspruch der Kläger auf Übernahme der Aufwendungen für Schulbedarfe für das Schuljahr 2006/2007 als Zuschussleistung nach dem SGB II verneint. Der Senat schließt sich der Entscheidung des 14. Senats des BSG vom 19.8.2010 (B 14 AS 47/09 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 2) an und nimmt, um Wiederholungen zu vermeiden, auf deren Begründung ausdrücklich und vollständig Bezug (3.). Auch über die in dieser Entscheidung abgehandelten Anspruchsgrundlagen der §§ 21, 23 Abs 3 und 24a SGB II, § 73 SGB XII und einem Anspruch direkt aus der Verfassung auf Grundlage der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09 - BVerfGE 125, 175 ff) hinaus ist keine Rechtsgrundlage für die von den Klägern begehrte Leistung vorhanden. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die begehrte Leistung als rückzahlungsfreies Darlehen nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II(4.). Der Schulbedarf ist auch nicht vom Kindergeld als zur Bedarfsdeckung bei den Klägern dienendes Einkommen vorab in Abzug zu bringen (5.).

13

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig(vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua - B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

14

Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt(BSG Urteile vom 18.1.2011, ua - B 4 AS 99/10 R).

15

2. Streitgegenstände sind die Ansprüche der Kläger auf Übernahme des geltend gemachten Schulbedarfs über die der Beklagte mit dem Bescheid vom 5.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.8.2006 allein entschieden hat. Dabei handelt es sich um eigenständige abtrennbare Streitgegenstände, die isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden können (vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 13; s auch BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2 ). Die Ansprüche stünden allein den Klägern zu. Zwar bilden die Kläger mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II, Leistungen für Schulbedarfe sind jedoch individuell nur ihnen zuzuordnen, vergleichbar denen für Klassenfahrt(vgl BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2; s jedoch zur mangelnden Abtrennbarkeit bei Mehrbedarfsleistungen nach § 21 SGB II, die hier jedoch nicht in Betracht kommen: BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 44/09 R; BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9).

16

3. Unter Bezugnahme auf die Einzelheiten der Begründung der Entscheidung des 14. Senats vom 19.8.2010 (B 14 AS 47/09 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 2) weist der erkennende Senat darauf hin, dass er mit dem 7b. Senat (Urteil vom 7.11.2006 - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1) und dem 14. Senat des BSG (Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 15) davon ausgeht, dass eine abweichende Festsetzung der pauschalierten Regelleistung nach § 20 SGB II durch die Gerichte - etwa in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII - grundsätzlich nicht möglich ist. Für die von den Klägern begehrten Kosten für Schulbedarf fehlte es im streitigen Zeitraum im System der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auch sonst an einer Anspruchsgrundlage. Schulbücher waren weder als Mehrbedarfe in § 21 SGB II gesondert normiert, noch als Sonderbedarfe nach § 23 Abs 3 SGB II vorgesehen. § 23 Abs 3 Nr 3 SGB II enthält lediglich eine ausdrückliche Regelung für eine Kostenpflicht bei mehrtägigen Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen. Diese Abgeschlossenheit des Systems des SGB II hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) nochmals betont. In das Gesetz wurde § 3 Abs 3 Satz 1 Halbs 2 und Satz 2 SGB II eingefügt. Hiernach decken die nach dem SGB II vorgesehenen Leistungen den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Eine davon abweichende Festlegung der Bedarfe ist ausgeschlossen (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 28.10.2009 - SozR 4-4200 § 7 Nr 15 RdNr 17).

17

Zutreffend ist auch eine Verurteilung des Beigeladenen auf Grundlage von § 73 SGB XII unterblieben. Der hier geltend gemachte Schulbedarf war Teil des existenziellen Bedarfs der Kläger, der auch im Jahre 2006 durch das SGB II und ggf die Regelleistung in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB II hätte gedeckt werden müssen. Zwar normiert das SGB II keine ausreichende Leistung bzw keinen gesetzlichen Anspruch für den Schulbedarf. Gleichwohl ist ein Anspruch auf Leistungen für Schulbedarf jedoch auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gegeben. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 9.2.2010 (aaO), in dem es die Regelungen über die Regelleistung nach dem SGB II für unvereinbar mit Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG erklärt hat, zugleich klargestellt, dass eine rückwirkende Leistungsgewährung nicht notwendig ist (vgl insbesondere RdNr 217). Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 9.2.2010 (aaO) lediglich gefordert, dass für unabweisbare, laufende, nicht nur einmalige, besondere Bedarfe ein zusätzlicher verfassungsrechtlicher Anspruch auf Leistungsgewährung besteht. Der erkennende Senat hat diesen oder einen derartigen Anspruch auch für bereits abgelaufene Zeiträume während eines noch laufenden Rechtsstreits bejaht (BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7; vgl auch BVerfG Beschluss vom 24.3.2010 - 1 BvR 395/09). Dieser verfassungsrechtliche Anspruch greift hier jedoch schon deshalb nicht ein, weil es sich bei dem von den Klägern geltend gemachten Erstattungsansprüchen wegen Schulbedarfs nicht um einen solchen besonderen Bedarf handelt. Vielmehr geht es um einen Anspruch, der vom BVerfG (aaO, RdNr 192, siehe oben unter 3.) dem grundgesetzlich geschützten Existenzminimum zugerechnet wurde. Für solche "typischen" Bedarfe ist der neue verfassungsrechtliche Anspruch ersichtlich nicht gedacht. Eine rückwirkende Anwendung des § 24a SGB II kommt ebenfalls nicht in Betracht.

18

4. Zutreffend hat das LSG auch einen Anspruch der Kläger auf ein rückzahlungsfreies Darlehen zur Deckung des geltend gemachten Schulbedarfs verneint. Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II kann die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis, soweit im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung erbringen und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Das Darlehen wird durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 vom Hundert der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB II). Weitergehende Leistungen sind ausgeschlossen (§ 23 Abs 1 Satz 4 SGB II). Die Regelung des § 23 Abs 1 SGB II sieht mithin eine Tilgung des Darlehens zwingend vor. Der Gewährung einer von vornherein rückzahlungsfreien Darlehensleistung fehlt es im SGB II an einer Rechtsgrundlage.

19

Soweit das LSG an dieser Stelle den Erlass der Darlehenstilgung iS des § 44 SGB II prüft, ist ein derartiger Erlassanspruch nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Zwar kann ggf durch einen Erlass nach § 44 SGB II - möglichen, wie oben dargelegten verfassungswidrigen - Bedarfsunterdeckungen durch die Darlehenstilgung entgegengewirkt werden(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1). Der Erlass kann jedoch regelmäßig erst nachträglich erfolgen, denn würde er mit der Darlehensgewährung verbunden, würde er diese damit ad absurdum führen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1). Der Erlass iS des § 44 SGB II, der im Ermessen des Trägers von Leistungen nach dem SGB II steht, wenn die Einziehung der Ansprüche unbillig wäre, setzt zudem eine Verwaltungsentscheidung des Trägers hierüber voraus, woran es vorliegend bisher mangelt. Der Bescheid vom 15.9.2006, mit dem der Beklagte nicht nur den Beschluss des SG Magdeburg ausgeführt, sondern auch eine selbstständige Verfügung im Hinblick auf die Tilgung des Darlehens getroffen hat, ist bindend geworden.

20

Die Rückzahlungsfreiheit des Darlehens kann auch nicht auf einen aus § 44 SGB II zu ziehenden Schutzgedanken gegründet werden(vgl hierzu BSG Urteil vom 31.10.1991 - 7 RAr 60/89 - SozR 1300 § 45 Nr 10). Eine solche Anknüpfung wäre im Ergebnis eine Umgehung der vom Gesetzgeber ausgeschlossenen Erhöhung der Regelsätze [Es wird auf die Ausführungen unter Nr 3. verwiesen.] sowie der zwingend vorgesehen Tilgung des Darlehens. Im Hinblick auf die auch vom BVerfG anerkannten Spielräume, die die pauschalierte Regelleistung belässt, und die von ihm befundenen Einspar- und Ansparmöglichkeiten gefährdet eine Tilgung aus der Grundsicherungsleistung auch nicht per se die Existenz. Daher sind in erster Linie die sich aus § 23 Abs 1 Satz 3 SGB II folgenden Spielräume bei der Entscheidung über die Tilgungsmodalitäten vom Grundsicherungsträger zu nutzen und ist bei der Bestimmung der Höhe der Tilgungsraten darauf abzustellen, dass durch die Tilgung des Darlehens der Zweck der SGB II-Leistungen die Existenzsicherung nicht gefährdet wird. Der Heranziehung eines Schutzgedankens aus § 44 SGB II, wie er etwa von der Rechtsprechung § 76 SGB IV im Hinblick auf die Durchsetzung von Forderungen der Sozialversicherungsträger gegen Versicherte(vgl BSG Urteil 10.6.1980 - 4 RJ 115/79 - BSGE 50, 144 = SozR 2200 § 1301 Nr 13)entnommen worden ist, bedarf es im SGB II mithin nicht. Insoweit trägt das Gesetz selbst - mit der Möglichkeit, die Höhe der Tilgungsraten individuell zu bestimmen sowie den gesetzlichen Vorgaben des Erlasses nach § 44 SGB II - dem Schutz des Leistungsempfängers vor existenzgefährdenden Belastungen bereits Rechnung.

21

5. Eine Berücksichtigung des Schulbedarfs bei der Höhe des Betrags des Kindergeldes, das zur Bedarfsdeckung der leistungsberechtigten Kinder nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II einzusetzen ist, führt hier ebenfalls nicht zum Erfolg der Revisionen.

22

Ein derartiges Begehren hat eine Minderung des Einkommens bei der Berechnung der Regelleistung - hier Sozialgeld der Kläger - und damit die Gewährung einer höheren Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts zum Ziel. Der Anspruch auf höheres Sozialgeld ist jedoch nicht Streitgegenstand des Verfahrens. Die Kläger haben mit der Klage, die diesem Revisionsverfahren zu Grunde liegt, nur den auf eine Leistung für Schulbedarfe begrenzten Bescheid vom 5.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.8.2006 angefochten. Es wird insoweit auf die Ausführungen zu 2. verwiesen. Über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch den Bescheid vom 27.6.2006 ist hier nicht zu befinden.

23

Die Kläger könnten mit ihrem Begehren jedoch auch materiell-rechtlich nicht durchdringen. Nach § 11 Abs 1 SGB II ist das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Kindergeld soll gemäß § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II vorrangig zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes verwendet werden. Daher nimmt das Kindergeld ebenso wie das sonstige Einkommen und Vermögen des minderjährigen Kindes nicht an der Einkommensverteilung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II teil (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 4; Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 39/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 23). Das Kindergeld soll dem jeweiligen Kind in der Bedarfsgemeinschaft umfassend zur Verfügung stehen, soweit sein Bedarf nicht anderweitig gedeckt ist und solange das Kind in der Bedarfsgemeinschaft lebt. Das Kindergeld dient dort der Existenzsicherung des Kindes, wie die Kläger selbst zutreffend ausführen, also auch zur Deckung des Schulbedarfs. Soll es diesen Zweck nicht verfehlen, darf nicht zugleich, bevor es zur Bedarfsdeckung eingesetzt wird, ein Teil herausgerechnet werden.

24

Auch mit der Auffassung, das Kindergeld sei in Höhe des Schulbedarfs als zweckbestimmte Einnahme anzusehen und daher nicht als Einkommen bei der Berechnung des Sozialgeldes zu berücksichtigen, vermögen die Kläger nicht durchzudringen. Das Kindergeld ist aufgrund seiner Bindung zur Bedarfsdeckung beim Kind zwar eine an die Person gebundene Leistung, die allerdings dem selben Zweck wie die SGB II-Leistung dient, nämlich der Sicherung des Lebensunterhalts (s zur Zweckidentität BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 67/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 28). Deshalb ist das Kindergeld auch nicht ganz oder teilweise von der Einkommensberücksichtigung als zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 SGB II auszunehmen.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Januar 2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 6. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2009 geändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Oktober 2009 1300 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Übernahme der Kosten für die Teilnahme an einem Aufenthalt in den USA im Rahmen eines Schüleraustausches mit einer High School in Pinetop-Lakeside (Arizona) vom 1.10. bis 31.10.2009.

2

Der 1992 geborene Kläger ist Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus seinen Eltern, seiner Schwester und ihm. Die Bedarfsgemeinschaft bezog in dem oben benannten Zeitraum (Bescheid vom 17.9.2009 in der Fassung der Bescheide vom 14.10. und 30.10.2009) sowie vom 1.4. bis 30.9.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bescheide vom 17.3., 21.5., 18.6., 18.8. und 16.9.2009). Der Kläger war zum Zeitpunkt des Austausches Schüler der 12. Klasse an dem biotechnologischen Gymnasium der H Er wurde von der Schule wegen guter Leistungen und besonderem Engagement ausgewählt, an dem Schüleraustausch teilzunehmen. Die Kosten - insgesamt 1650 Euro, darin enthalten 350 Euro Taschengeld - übernahmen, nachdem der Beklagte die Gewährung als Leistung nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II (Klassenfahrt) abgelehnt hatte(Bescheid vom 6.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.7.2009), ehemalige Geschäftsfreunde seines Vaters. Die Schulden soll der Kläger durch Arbeit begleichen.

3

Das SG Freiburg hat die Klage auf Übernahme der Kosten abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 8.1.2010) und das LSG Baden-Württemberg hat die Berufung des Klägers hiergegen zurückgewiesen (Urteil vom 22.6.2010). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, zum einen seien die Aufwendungen für Taschengeld während des Austausches nicht von den Leistungen umfasst, die nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu gewähren seien. Nur die eigentlichen Kosten der Klassenfahrt seien zu tragen. Zum Zweiten scheitere der Anspruch bereits daran, dass es sich bei dem Schüleraustausch nicht um eine Klassenfahrt handele. Das baden-württembergische Schulrecht kenne den Begriff der Klassenfahrt als eigenständigen, rechtlich ausgefüllten Begriff nicht. Das Gericht habe daher den in § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II verwendeten Begriff der "Klassenfahrt" unabhängig von den schulrechtlichen Vorschriften in Baden-Württemberg selbst auszulegen. Im Ergebnis liege eine "Klassenfahrt" nur dann vor, wenn sich die "Klasse" auch im Sinne des die Klasse ersetzenden Kursverbandes oder der Jahrgangsstufe auf eine mehrtägige Fahrt begebe. Bei einer freiwilligen, von dem konkreten fachbezogenen Klassen- oder Unterrichtsverband unabhängigen Teilnahme an einer mehrtägigen Veranstaltung liege hingegen keine "Klassenfahrt" vor. Bedarfe durch derartige Veranstaltungen würden nicht von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II erfasst. Dies gelte insbesondere deswegen, weil nur ein Teil der Schüler der Klasse des Klägers an dem Schüleraustausch teilgenommen habe, ausgewählt nach schulischen Leistungen und sozialem Engagement - die Mehrheit der Schüler hiervon jedoch ausgeschlossen gewesen sei.

4

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 23 Abs 3 SGB II. Zur Begründung hat er ausgeführt, die restriktive Auslegung des Begriffs "Klassenfahrt" durch das LSG werde durch systematische Überlegungen, die Gesetzesbegründung und den Sinn und Zweck der Norm widerlegt. Die strenge Pauschalierung des SGB II gebiete eine weite Auslegung der Tatbestände, die eine Ausnahme hiervon normierten. Dies werde durch die Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift des § 31 Abs 1 Nr 3 SGB XII bestätigt. Dort werde die Klassen- mit der Schulfahrt gleichgesetzt, was belege, dass eine Klassenfahrt nicht nur dann gegeben sei, wenn die "Klasse auf Fahrt" sei. Die Norm diene dem Zweck, eine Ausgrenzung schulpflichtiger hilfebedürftiger Kinder zu vermeiden. Der Kläger wäre im Falle der Nichtteilnahme an dem Schüleraustausch jedoch einer Ausgrenzung ausgesetzt worden. Es komme entgegen der Auffassung es LSG nicht darauf an, dass die Teilnahme an dem Schüleraustausch freiwillig erfolgt sei. Auch in diesem Fall sei eine Nichtteilnahme wegen hinreichender finanzieller Mittel ausgrenzend. Ebenso wenig sei entscheidend, dass nur eine begrenzte Zahl von Schülern den Austausch habe machen können. Innerhalb der Vergleichsgruppe bleibe der Ausschluss aus finanziellen Gründen ausschließend. Nur durch die Finanzierung der Teilnahme könne zudem Chancengleichheit gewährleistet werden.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Januar 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 6. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2009 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Oktober 2009 1300 Euro zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die Ausführungen des LSG in der vom Kläger angefochtenen Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet.

9

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Erstattung der ihm für eine mehrtägige Klassenfahrt in Gestalt der Teilnahme an dem Schüleraustausch mit der High School in Pinetop-Lakeside (Arizona) vom 1.10. bis 31.10.2009 entstandenen Kosten in Höhe von 1300 Euro gegen den Beklagten. Entgegen der Auffassung des LSG handelt es sich bei diesem Schüleraustausch um eine mehrtägige Klassenfahrt iS von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II. Dies folgt aus den landesschulrechtlichen Bestimmungen Baden-Württembergs, mit denen die bundesrechtliche Rahmenregelung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II auszufüllen war.

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Anspruch des Klägers nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II auf Erstattung der Kosten, die ihm durch den Schüleraustausch vom 1.10. bis 31.10.2009 entstanden sind. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 6.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.7.2009 einen Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt verneint. Mit dem 14. Senat des BSG geht der erkennende Senat davon aus, dass es sich zum einen bei dem Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II um einen Individualanspruch desjenigen handelt, der den entsprechenden Bedarf geltend macht(BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2). Zum Zweiten kann der Anspruch isoliert gerichtlich durchgesetzt werden (BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 1/09 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 9; BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2; so auch BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1 und Erstausstattung BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2; BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4 sowie BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 202/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Dementsprechend hat der Kläger seine Klage durch Antragstellung vor dem SG in zulässiger Weise auf die Übernahme der Kosten für den Schüleraustausch beschränkt (zur Zulässigkeit der Beschränkung des Streitstoffs auf Leistungen für Sonderbedarfe vgl BSG vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 15; BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2; BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Zum Dritten verfolgt der Kläger in zulässiger Weise den Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt, nachdem der Schüleraustausch bereits durchgeführt worden ist und er den hierfür erforderlichen Geldbetrag von Geschäftsfreunden seines Vaters zur Verfügung gestellt bekommen hat, als Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage weiter.

11

Der Kläger hat die Höhe des von ihm geltend gemachten Anspruchs zudem im Revisionsverfahren zulässig auf 1300 Euro beschränkt. Er begehrt nur noch die Übernahme der eigentlichen Kosten für den Schüleraustausch (zusammengesetzt aus 740 Euro für die Flugtickets, Eintritte pp von 160 Euro, Jugendherberge/Hotel 300 Euro, anteilige Kosten für Mietwagen und Kraftstoff von 100 Euro = 1300 Euro). Er macht die Übernahme des von der Schule und dem Auswärtigen Amt veranschlagten Taschengeldes in Höhe von 350 Euro nicht mehr geltend. Insoweit ist die zurückweisende Berufungsentscheidung mithin rechtskräftig geworden.

12

2. Der Kläger ist leistungsberechtigt iS des § 7 Abs 1 SGB II. Er hat - von dem Beklagten bestandskräftig beschieden - zum Zeitpunkt der Entstehung des Bedarfs, als auch der Durchführung des Schüleraustausches Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gleichwohl insbesondere nicht hilfebedürftig gewesen sein könnte, sind nach den Feststellungen des LSG nicht ersichtlich. Eine Prüfung nach § 23 Abs 3 Satz 3 SGB II erübrigt sich daher.

13

3. Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den Betrag von 1300 Euro, den er darlehensweise von den Geschäftsfreunden seines Vaters erhalten hat, für den Schüleraustausch in der Zeit vom 1.10. bis 31.10.2009 nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu erstatten. Nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II(in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) sind Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht (§ 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II). Der hier durchgeführte Schüleraustausch ist eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Baden-Württemberg iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II.

14

a) Die bundesrechtliche Regelung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II bestimmt den abstrakten Rahmen dafür, wann Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt zu erbringen sind. Gleichwohl ist der Rechtsbegriff der "Klassenfahrt" innerhalb dieses Rahmens durch die landesschulrechtlichen Vorschriften auszufüllen. Zwar hat das LSG festgestellt, dass der Begriff der "Klassenfahrt" in den schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Baden-Württemberg nicht ausdrücklich definiert werde. Der Senat ist hieran gebunden. Das LSG hat insoweit nicht reversibles Landesrecht ausgelegt (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO; zur Anwendung und Überprüfung von Landesrecht durch das BSG siehe BSG vom 24.1.2008 - B 3 KR 17/07 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 7; BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 20/06 R - BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1; BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27; BSG vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 162 RdNr 7). Dies führt entgegen der Auffassung des LSG jedoch nicht dazu, dass der im Bundesrecht verwendete Begriff der "mehrtägigen Klassenfahrt" hier ohne Heranziehung der schulrechtlichen Vorschriften des Landes Baden-Württemberg, gleichsam ausschließlich nach bundesrechtlichen Maßstäben zu bewerten wäre (vgl zur Ausfüllung des Begriffs der mehrtägigen Klassenfahrt durch die landesrechtlichen Schulgesetze BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Auch wenn der Begriff der "Klassenfahrt" im Landesrecht nicht verwendet oder ausdrücklich definiert wird, bestimmt sich nach den schulrechtlichen Bestimmungen, ob die Veranstaltung wie eine mehrtägige Klassenfahrt im Leistungsrecht des SGB II zu behandeln ist. Die Leistung wird durch den bundesrechtlichen Rahmen begrenzt und durch das Landesschulrecht ausgefüllt. Der bundesrechtliche Rahmen darf zwar nicht überschritten werden, das Landesrecht regelt jedoch, welche Veranstaltungen dem Grunde nach üblich sind und in welcher Höhe Aufwendungen hierfür regional übernommen werden. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II, findet seine Stütze jedoch auch in der Gesetzesbegründung, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II.

15

Nach dem Wortlaut des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II sind die dortigen Leistungen unter den Bedingungen zu übernehmen, dass es sich um Aufwendungen für eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen handelt. Die Verbindung der Begriffe mehrtägige Klassenfahrt und schulrechtliche Bestimmungen gibt damit einerseits bundesrechtlich vor, dass nur Leistungen zu erbringen sind für Kosten, die durch eine schulische Veranstaltung entstanden sind, die mit mehr als nur einem Schüler und für mehr als einen Tag (vgl BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 1/09 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 9)durchgeführt wird und einer "Fahrt", also einer Veranstaltung, die außerhalb der Schule stattfindet. Andererseits folgt aus der Wortlautverbindung zu dem "schulrechtlichen Rahmen", dass nach schulrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes zu bestimmen ist, ob die konkret durchgeführte Veranstaltung im Rahmen des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II regional "üblich" ist. Bieten die schulrechtlichen Bestimmungen keinerlei Rechtsgrundlage für die Durchführung der Veranstaltung bzw die Höhe der Aufwendungen hierfür oder überschreitet ihre Durchführung (dem Grunde nach) den bundesrechtlichen Rahmen, lösen die dadurch entstehenden Kosten keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II aus. Die Aufwendungen sind vom Grundsicherungsträger mithin nur dann zu übernehmen, wenn die Veranstaltung den Vorgaben entspricht, die die bundesrechtliche Rahmenbestimmung vorgibt und für die im Landesrecht eine Grundlage vorhanden ist.

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Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung in der Gesetzesbegründung. Danach sind die Worte "mehrtägige Klassenfahrt" im bundesrechtlichen Rahmen ein Synonym für eine mehr als einen Tag dauernde schulische Veranstaltung, die näher durch die schulrechtlichen Vorschriften bestimmt werden soll. Weder erfolgt danach mit der Formulierung im Normtext eine Begrenzung der Leistungen für solche Aufwendungen, die der "Klasse auf Fahrt" entstehen (vgl hierzu LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 25.9.2008 - L 8 AS 38/08; Bayerisches LSG vom 10.5.2007 - L 11 AS 178/06 - FEVS 59, 76) noch darf das Landesrecht bei der konkreten Bestimmung des Inhalts der Leistung außer Betracht gelassen werden. In der Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II im SGB XII(§ 32 Abs 1 Nr 3 SGB XII im Entwurf - zwischen dem 1.1.2005 und 31.12.2010 § 31 Abs 1 Nr 3 SGB XII)kommt dies deutlich zum Ausdruck, wenn dort anstelle des Begriffs der "Klassenfahrt" der der "Schulfahrt" verwendet wird (vgl BT-Drucks 15/1514 S 60).

17

Aus der systematischen Stellung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II folgt zudem zwingend, dass der bundesrechtliche Rahmen nur durch die jeweiligen schulrechtlichen Vorschriften ausgefüllt werden kann. Die Leistung ist regional determiniert. Die Berechnung der pauschalierten Regelleistung der §§ 19, 20 SGB II beinhaltet keine Aufwendungen für eine mehrtägige Klassenfahrt(vgl BT-Drucks 15/1514 S 60 zu § 32 SGB XII-Entwurf). § 23 Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB II stellt dies nochmals ausdrücklich klar. Aus diesem Grund sind Leistungen hierfür vom SGB II-Leistungsträger gesondert zu erbringen. Die Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt sind jedoch anders als solche für Erstausstattungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB II in tatsächlich entstandener Höhe zu übernehmen. In der Begründung zu § 32 SGB XII-Entwurfsfassung wird dies damit gerechtfertigt, dass "Schulfahrten" ein wichtiger Bestandteil der Erziehung "durch die Schulen" seien(BT-Drucks 15/1514 S 60). Damit wird der unterschiedlichen rechtlichen Umsetzung der schulpolitischen Vorstellungen in den einzelnen Bundesländern Rechnung getragen, die insbesondere durch die verfassungsrechtlich ausschließliche Zuständigkeit der Länder für die Schulgesetzgebung(BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvL 8/84, 1 BvL 16/84 - BVerfGE 75, 40) bedingt sind. Daraus ergibt sich, wie das BVerfG erkannt hat, eine weitgehende eigenständige Gestaltungsfreiheit der Länder bei der Festlegung der Schulorganisation, aber auch der Erziehungsprinzipien und Unterrichtsgegenstände (BVerfG vom 26.2.1980 - 1 BvR 684/78 - BVerfGE 53, 185, 195 f = Juris RdNr 33). In der Folge hiervon sind die schulischen Bedarfe dem Grunde und der Höhe nach durch die regionalen Verhältnisse bestimmt. Dem trägt § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II durch die Bezugnahme auf die schulrechtlichen Vorschriften Rechnung.

18

Nur durch die Zugrundelegung der schulrechtlichen Regelungen als Maßstab für die Legitimation des Bedarfs für die mehrtägige Klassenfahrt kann folglich auch dem Sinn und Zweck des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II Rechnung getragen werden. Durch die Übernahme der Aufwendungen für die Teilnahme an einer "Klassenfahrt" sollen nach der Gesetzesbegründung zum heutigen, insoweit mit dem hier anzuwendenden gleichlautenden Recht (§ 28 Abs 2 SGB II, BGBl I 2011, 850), negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in der Phase des Schulbesuchs durch das Fernbleiben von schulischen Gemeinschaftsveranstaltungen vermieden werden (BT-Drucks 17/3404 S 104). Ihre Teilhabe soll auch insoweit gewährleistet sein. Welche schulischen Veranstaltungen es sind, deren Besuch zu gewährleisten ist, um die beschriebenen negativen Auswirkungen zu vermeiden, bestimmt sich jedoch nach dem jeweiligen Landesschulrecht. Allein die durch die schulrechtlichen Bestimmungen geprägte Realität des Schulalltags rechtfertigt daher die Übernahme der tatsächlichen Kosten durch staatliche Transferleistungen, also derjenigen, die nach den jeweiligen pädagogischen Vorstellungen in den einzelnen Bundesländern "üblich" sind.

19

b) Bedenken, dass der hier durchgeführte Schüleraustausch den eingangs aufgezeigten bundesrechtlichen Rahmen überschritten haben könnte, bestehen nicht. Der Schüleraustausch hier ist eine mehrtägige - nach den Feststellungen des LSG - von der Schule organisierte und durchgeführte Veranstaltung, an der mehrere Schüler teilgenommen haben. Unter Berücksichtigung des Teilhabeziels der Regelung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II stellt ein Ausschluss von der Teilnahme an einem Schüleraustausch, selbst wenn nicht die gesamte Klassen- oder Jahrgangsstufe die Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, auch eine Ausgrenzung aus finanziellen Gründen dar. Die Ausgrenzung erfolgt innerhalb der Gruppe der zur Teilnahme ausgewählten Schüler und soll von ihren Wirkungen her ebenso vermieden werden, wie bei der Betroffenheit der Gesamtheit der Schüler einer Klasse oder Jahrgangsstufe. Soweit das LSG auf die Entscheidungen des Hessischen VGH (VGH Hessen vom 22.3.2004 - 10 TG 743/04 - FEVS 56, 33) und des BVerwG (BVerwG vom 28.3.1996 - 5 C 32/95 - BVerwGE 101, 37) zu einmaligen Leistungen für schulische Bedarfe nach dem BSHG (Schüleraustausch und Aufwendungen im Rahmen einer freiwilligen Arbeitsgemeinschaft) zurückgreift, sind diese mit der heutigen Rechtslage nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen. Das BSHG kannte keine spezielle Leistung für "mehrtägige Klassenfahrten". Rechtsgrundlage war vielmehr § 21 BSHG. Nach § 21 Abs 1a Nr 3 BSHG waren einmalige Leistungen ua für die Beschaffung von besonderen Lernmitteln für Schüler zu gewähren. Der Anspruch war danach - selbst unter Beachtung der vom BVerwG bereits bedachten "Ausgrenzungsproblematik" (s BVerwG vom 9.2.1995 - 5 C 2/93 - BVerwGE 97, 376) - eng mit Bedarfen aufgrund des Unterrichts verknüpft und nicht zur Deckung von Aufwendungen durch außerunterrichtliche Veranstaltungen geeignet.

20

Auch die Höhe der erforderlichen Aufwendungen für den Schüleraustausch führt nicht dazu, dass eine Überschreitung des bundesrechtlichen Rahmens anzunehmen wäre. Wie der 14. Senat des BSG bereits entschieden hat, hat der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende die tatsächlichen Kosten einer mehrtägigen Klassenfahrt ohne Beschränkung auf einen Höchstbetrag zu übernehmen, wenn die Veranstaltung im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen stattfindet und das Schulrecht selbst keine Kostenobergrenze vorsieht (BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Der erkennende Senat folgt dem. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass das Gesetz selbst keine bundesrechtliche Begrenzung der zu übernehmenden Aufwendungen vornimmt, weder durch eine Umschreibung etwa mit dem Begriff der "Angemessenheit", noch, wie zuvor bereits dargelegt, einer Pauschalierung. Zum Zweiten ist die Übernahme der tatsächlichen Kosten - soweit rechtlich zulässig durch die Schule veranlasst - die materielle Seite des "Teilhabegedankens". In der Gesetzesbegründung zu § 28 SGB II idF der Neubekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl I 850), in den der bisherige § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II wörtlich übernommen worden ist, wird insoweit betont, dass die Regelung dazu diene, die reale und gleichberechtigte Teilnahme durch Übernahme der Kosten in tatsächlicher Höhe zu gewährleisten(BT-Drucks 17/3404 S 104). Dies wird durch § 28 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB II iVm § 19 Abs 3 Satz 3 sowie § 19 Abs 2 Satz 2 SGB II iVm § 6b BKGG nochmals bestärkt. Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt sind nach der Neufassung des SGB II (Neubekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850) auch denjenigen zu erbringen, deren Bedarf ausschließlich ein solcher für Teilhabe und Bildung ist bzw denjenigen, die Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen, die also keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II haben.

21

c) Damit ist zu entscheiden, ob die Veranstaltung im schulrechtlichen Rahmen des Landes Baden-Württemberg einer mehrtägigen Klassenfahrt entspricht. Das ist hier der Fall. Bei dem danach heranzuziehenden Landesschulrecht handelt es sich, wenn die Vorinstanz über dessen Bestehen und Inhalt befunden hat, zwar um irrevisibles Recht, dessen Auslegung das BSG grundsätzlich bindet (s nur BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27; vgl auch BSG vom 1 3.10.1992 - 4 RA 24/91 - BSGE 71, 163 = SozR 3-5050 § 15 Nr 4; BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 20/06 R - BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1). Von diesem Grundsatz ist in der Rechtsprechung des BSG jedoch dann eine Ausnahme anerkannt, wenn das LSG entscheidungserhebliche landesrechtliche Vorschriften unberücksichtigt gelassen hat (s nur BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 20/06 R - BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1). So liegt der Fall hier. Mit der Feststellung des LSG, dass das baden-württembergische Schulrecht keine Definition des Begriffs der "mehrtägigen Klassenfahrt" enthalte, hat es zugleich die Anwendung der landesrechtlichen Bestimmungen ausgeschlossen und ausschließlich Bundesrecht angewendet. Der Senat ist mithin nicht gehindert, unter Auslegung der landesschulrechtlichen Bestimmungen festzustellen, dass der durchgeführte Schüleraustausch danach einer mehrtägigen Klassenfahrt gleichgestellt wird. Dieses Ergebnis folgt aus der Systematik der schulrechtlichen Normen zu außerunterrichtlichen Veranstaltungen und den dazu ergangenen schulrechtlichen Kompetenzzuweisungen sowie dem ausdrücklich formulierten Ziel der schulrechtlichen Regelungen.

22

Systematisch differenziert das baden-württembergische Schulrecht, soweit es mehrtägige schulische Veranstaltungen als pädagogisch sinnvoll erkennt, nicht zwischen "Klassenfahrten" und sonstigen Veranstaltungen. Auf Grundlage des die Rechte und Pflichten der Schulkonferenz regelnden § 47 Abs 5 Schulgesetz für Baden-Württemberg (SchulG) ergibt sich, dass die dort beispielhaft genannten Klassenfahrten und Schullandheimaufenthalte beide außerunterrichtliche Veranstaltungen sind. Die Bestimmung der Grundsätze über die Durchführungen dieser außerunterrichtlichen Veranstaltungen sowie ihre Genehmigung obliegen nach § 47 Abs 5 Nr 5 SchulG sowie § 45 Abs 2 SchulG iVm § 2 Abs 1 Nr 11 KonfO BW 1993(GBl 1984, 423; 1993, 515) jedoch der Gesamtlehrer- und Schulkonferenz sowie dem Schulleiter. Das heißt, das baden-württembergische Schulrecht delegiert in dem gesetzlich gesteckten Rahmen die Frage, ob und welche außerunterrichtlichen Veranstaltungen durchgeführt werden, an die einzelne Schule. Maßstab für die vom LSG diskutierte Ausgrenzungsproblematik ist mithin die Entscheidung der einzelnen Schule insoweit. Nach den Feststellungen des LSG muss davon ausgegangen werden, dass die Schule des Klägers hier den Schüleraustausch als ihrem pädagogischen Konzept entsprechend beschlossen hat.

23

Diese Entscheidung der Schule hält sich auch im Rahmen der schulrechtlichen Regelungen des Landes Baden-Württemberg. Der baden-württembergische Landesgesetzgeber unterscheidet vom pädagogischen Konzept her nicht zwischen "Landschulheimaufenthalt" und "Schüleraustausch". So werden Lehr- und Studienfahrten sowie Schullandheimaufenthalte, aber auch der Schüleraustausch beispielhaft als außerunterrichtliche Veranstaltungen gewertet, die einen wichtigen Beitrag zur Entfaltung der gesamten Persönlichkeit des Schülers darstellten (Mitteilung des Rechnungshofs vom 24.6.2009 im Landtag von Baden-Württemberg, Drucks 14/4710 S 1, 3). Nach der Verwaltungsvorschrift "Außerunterrichtliche Veranstaltungen der Schulen" vom 6.10.2002 sollen sie gleichermaßen geeignet sein zur Vertiefung, Erweiterung und Ergänzung des Unterrichts und zur Entfaltung und Stärkung der Gesamtpersönlichkeit des einzelnen Schülers. Die Ziffern I.1. bis 9. der Verwaltungsvorschrift stellen unter 4. Lehr- und Studienfahrten sowie Veranstaltungen im Rahmen der politischen Bildung, 5. Schullandheimaufenthalte und 8. Schüleraustausch beispielhaft nebeneinander.

24

Auch die hier erforderlich gewordenen Aufwendungen für den Schüleraustausch überschreiten den landesschulrechtlichen Rahmen nicht. Insoweit finden sich keine konkreten Vorgaben in den baden-württembergischen Regelungen. In der bereits benannten Verwaltungsvorschrift heißt es unter Ziffer II. 6. lediglich: "Die für Schüler entstehenden Kosten sind so niedrig wie möglich zu halten, müssen in einem vertretbaren Verhältnis zum Nutzen der Veranstaltung stehen und dürfen die Eltern nicht in unzumutbarem Maße belasten." Auch hier gilt, dass die Verantwortung und Entscheidungshoheit insoweit auf die einzelne Schule delegiert ist, die durch ihre Gremien im konkreten Fall beschlossen hat, dass der betreffende Austausch zu dem benannten Betrag durchgeführt werden sollte. Hinweise darauf, dass der Betrag von 1300 Euro für eine immerhin vierwöchige Reise in die USA diesen Vorgaben widersprechen könnte, finden sich nach den Feststellungen des LSG nicht. Der zu zahlende Betrag ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch eher niedrig, denn zu hoch.

25

4. Ein Anspruch des Klägers nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II scheidet nicht schon deswegen aus, weil er sich nach Antragstellung mit Hilfe von ehemaligen Geschäftsfreunden seines Vaters den zur Teilnahme an dem Schüleraustausch erforderlichen Geldbetrag selbst beschafft hat. Die Zahlung der Geschäftsfreunde des Vaters sollten nach den Feststellungen des LSG die fehlende Unterstützung durch den Beklagten lediglich substituieren, sodass sie dem Kläger dann wegen einer Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung nicht entgegengehalten werden können (vgl für die Sozialhilfe BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R - SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 11; BVerwGE 90, 154). Der Kläger ist zudem nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG verpflichtet, den zur Verfügung gestellten Betrag abzuarbeiten. Wegen dieser Verpflichtung zum Abarbeiten - in der Art eines Darlehensvertrags (vgl zum Darlehensvertrag BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R - BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30) -war der zur Verfügung gestellte Geldbetrag nach den Feststellungen des LSG auch nicht zum Verbleib beim Kläger gedacht. Jedenfalls dann, wenn eine Entscheidung des Trägers der Grundsicherung die Übernahme der begehrten Aufwendungen rechtswidrig abgelehnt hatte und der Leistungsberechtigte sich den erforderlichen Geldbetrag zur Finanzierung der Teilnahme an dem Austausch selbst beschafft hat, kommt ein Kostenerstattungsanspruch in Betracht. Insoweit folgt der erkennende Senat der Rechtsprechung des 14. Senats zu der im Sozialversicherungsrecht geltenden Pflicht zur Kostenerstattung bei nicht rechtzeitiger oder zu Unrecht verweigerter Sachleistung, als allgemein gültigem Rechtsprinzip (vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41; BSG vom 30.10.2001 - B 3 KR 27/01 R - BSGE 89, 50, 56 f = SozR 3-3300 § 12 Nr 1 S 8 = juris RdNr 36). An die Stelle der ursprünglich begehrten Übernahme der Aufwendungen für die Teilnahme an dem Schüleraustausch treten dann die Schulden, die gegenüber den Dritten eingegangen worden sind (s auch BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 36/09 R).

26

5. Die Kosten sind dem Kläger nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II von dem Beklagten auch in der nunmehr im Revisionsverfahren auf die reinen Teilnahmekosten von 1300 Euro beschränkten Höhe zu erstatten. Mit dem 14. Senat geht der erkennende Senat davon aus, dass der Bedarf für eine "mehrtägige Klassenfahrt" nicht bereits deswegen zu verneinen ist, weil der Kläger auch ohne diese Leistung teilgenommen hat (vgl BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2). Dahinstehen konnte, ob der Kläger verpflichtet war, für eine Bedarfsdeckung durch Dritte, also etwa einen Förderverein zu sorgen, denn ein solcher existiert nach den bindenden Feststellungen des LSG an der Schule des Klägers nicht (vgl hierzu auch BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Auch die vorläufige Bedarfsdeckung aufgrund der Finanzierung des Schüleraustausches durch ehemalige Geschäftsfreunde des Vaters des Klägers steht dem Leistungsanspruch, wie bereits oben dargelegt, nicht entgegen.

27

6. Der Beklagte hat dem Kläger nach § 193 SGG die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Der Kläger hatte zwar bis zum Revisionsverfahren einen Betrag von 1650 Euro eingeklagt. Nach der Entscheidung des LSG, das die Aufwendungen für das Taschengeld in Höhe von 350 Euro als nicht erstattungsfähig gewertet hat, hat der Kläger sein Begehren auf den ihm nunmehr zugesprochenen Betrag von 1300 Euro beschränkt. Dies kann ihm kostenmäßig nicht zum Nachteil gereichen.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 02.10.2009 – 11 Ca 165/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Anschlussberufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 02.10.2009 – 11 Ca 165/09 – wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 7/10 und das beklagte Land 3/10.

4. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Gutschrift anlässlich einer im April 2008 durchgeführten mehrtägigen Klassenfahrt von 3,786 Unterrichtsstunden – wobei die Klage und das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau i. S. v. Unterrichtsstunden auszulegen ist - auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin.

2

Die am … geborene Klägerin, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) ist seit 1974 als Lehrerin beschäftigt. Auf der Grundlage des Änderungsvertrages vom 15. 12. 2006 (vgl. Bl. 6 und 7 d. A.) wurde zwischen den Parteien, die tarifgebunden sind, ein Altersteilzeitvertrag geschlossen. Nach § 2 des Änderungsvertrages beträgt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des Altersteilzeitverhältnisses gemäß § 3 Abs. 1 TV ATZ die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit bzw. höchstens die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der dem Beginn der Arbeitsphase vorausgegangenen 24 Monate. Die Altersteilzeit wird im modifizierten Blockmodell geleistet; die Arbeitsphase dauert daher vom 01. 06. 2007 – 31. 07. 2012 und die Freistellungsphase vom 01. 08. 2012 – 31. 12. 2015.

3

Im streitgegenständlichen Zeitraum im April 2008 war die Klägerin an dem L. Gymnasium in K. mit einer wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung von 18,69 Unterrichtsstunden eingesetzt, vgl. Schr. an die Klägerin Bl. 135 d. A. = Anl. A 3 zum Schriftsatz vom 28.07.2010. Aufgrund der beiderseitigen Organisationszugehörigkeit bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem TV-L. Im Land Sachsen-Anhalt galt im April 2008 außerdem der Tarifvertrag zu § 3 des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung für Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen vom 01. 03. 2003 (ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA 2003), vgl. Bl. 137 ff. d. A. Nach unstreitigem Vortrag der Parteien wurde die regelmäßige Arbeitszeit für die unter den Geltungsbereich des ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA 2003 fallenden angestellten Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen u. a. für das Schuljahr 2007/2008 für den Bereich der Gymnasien auf 20,5 Unterrichtsstunden/Woche als besondere regelmäßige Arbeitszeit (an Stelle von 25 Unterrichtsstunden nach der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (ArbZVO-Lehr) i. d. F. der Bek. vom 06. 09. 2001, vgl. GVBl. LSA 2001, S. 376) herabgesetzt, wobei eine Unterrichtsstunde zu 45 Minuten berechnet wird. Von der Absenkung sind beamtete Lehrer und die Lehrer mit Schulleitungsaufgaben bzw. stellvertretende Schulleiter ausgenommen.

4

In der Zeit vom 14. 04. (8.00 Uhr) – 16. 04. 2008 (16.30 Uhr) begleitete die Klägerin eine 11. Klasse des Gymnasiums auf eine genehmigte Klassenfahrt nach B.. Zur gleichen Zeit befand sich eine weitere Klasse mit ihrer Tutorin auf Klassenfahrt nach B., die dasselbe Programm absolvierte. Für die Klassenfahrt wurden der Klägerin 3/5 der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung von 18,69 Unterrichtsstunden (= 11,214 Unterrichtsstunden für 3 Tage) angerechnet. Am 17. und 18. 04. 2008 (Donnerstag und Freitag nach der Klassenfahrt) unterrichtete sie ihr normales nach dem Stundenplan vorgesehenes Pensum.

5

In den letzten 24 Monaten vor Beginn der Altersteilzeit hatte die Klägerin in der Zeit vom 01. 06. 2005 – 31. 07. 2005 23 Unterrichtsstunden/Woche, in der Zeit vom 01. 08. 2005 – 31. 07. 2006 22 Unterrichtsstunden/Woche und vom 01. 08. 2006 – 31. 05. 2007 23 Unterrichtsstunden/Woche gearbeitet. Hieraus errechnete sich eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in den letzten 24 Monaten vor Beginn der Altersteilzeit von 22,5 Unterrichtsstunden/Woche (2 Mon. x 23 U-Std. zzgl. 12 Mon. x 22 U-Std zzgl. 10 Mon. x 23 U-Std. = 540 Mon. : 24 Mon = 22,5 U-Std./Woche). Die durchschnittliche Arbeitszeit ist Bezugsgröße für die Vergütung während der Altersteilzeit der Klägerin. Unter Berücksichtigung der verschobenen Phasen der Altersteilzeit (längere Arbeitsphase und kürzere Freistellungsphase) errechnete das beklagte Land eine wöchentliche Arbeitszeit von 18,69 Unterrichtsstunden, die die Klägerin in der Arbeitsphase zum Aufbau des Wertguthabens für die Freistellungsphase arbeiten muss.

6

Mit Schreiben vom 24. 04. 2008 (vgl. Bl. 31 d. A.) begehrte die Klägerin die während der Klassenfahrt geleisteten Mehrstunden als zusätzliche Freizeit (Plusstunden). Diese Geltendmachung wies das beklagte Land mit Schreiben vom 30. 04. 2008 zurück, vgl. Bl. 5 d. A..

7

Die Klägerin nahm im Schuljahr 2007/2008 an lediglich einer Klassenfahrt teil. Regelmäßig nehmen Klassenlehrer etwa alle zwei Jahre an einer Klassenfahrt teil, denn am L. Gymnasium fahren grundsätzlich in einem Jahr die Klassen mit gerader Ordnungsziffer und im folgenden Jahr die Klassen mit ungerader Ordnungsziffer auf Klassenfahrt.

8

Im Land Sachsen-Anhalt gilt ein sog. Flexi-Erlass, nach dem Plus- und Minusstunden verrechnet werden.

9

Mit der Klageschrift vom 14. 04. 2009 – beim Arbeitsgericht am 15. 04. 2009 eingegangen – verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

10

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr als teilzeitbeschäftigte Lehrerin in Form der Altersteilzeit während der ganztägigen Betreuung der dreitägigen Klassenfahrt nach B. die geleisteten Arbeitsstunden in der Höhe gutgeschrieben werden müssten, wie sie einer vollbeschäftigten Lehrerin gutgeschrieben werden würden. Nach der ArbZVO-Lehr LSA vom 06. 09. 2001 hätten vollbeschäftigte Lehrkräfte an Gymnasien im Schuljahr 2007/08 unstreitig 25 Unterrichtsstunden/Woche zu arbeiten. Die Klägerin ist daher der Auffassung, wie folgt rechnen zu können:

11

Unterrichtsverpflichtung einer vollbeschäftigten Lehrkraft
an Gymnasien im Schuljahr 2007/2008

        

 25 Stunden/Woche

Dies ergibt eine Unterrichtsverpflichtung pro Tag

        

 5 Unterrichtsstd./Tag

Arbeitszeit der Klägerin

        

  18,69 Unterrichtsstunden/Woche

Dies ergibt pro Tag

        

  3,738 Unterrichtsstunden/Tag

Differenz zwischen 5 Unterrichtsstunden/Tag zu
3,738 Unterrichtsstunden/Tag

        

  1,262 Unterrichtsstunden/Tag

Bei 3 Tagen der Klassenfahrt

        

3,786 Unterrichtsstunden

12

Da die Klägerin im Hinblick auf die Altersteilzeit teilzeitbeschäftigt sei, dürfe sie aufgrund ihres Status nicht benachteiligt werden. Dies werde sie jedoch, wenn ihr bei Teilnahme an einer mehrtägigen Klassenfahrt lediglich 18,69 Unterrichtsstunden/pro Woche (bzw. bei 3 Tagen 11,214 Unterrichtsstunden, (18, 69 : 5 x 3)) gutgeschrieben werden würden. Denn eine vollzeitbeschäftigte Lehrerin würde einen Anspruch von 25 Unterrichtsstunden/Woche (bzw. bei 3 Tagen Klassenfahrt von 15 Unterrichtsstunden, 25 : 5 x 3) haben.

13

Entgegen der Auffassung des beklagten Landes sei die Klägerin während der Arbeitsphase der Altersteilzeit nicht vollzeitbeschäftigt. Bei originärer Anwendung des Blockmodells hätte sie während der Arbeitsphase der Altersteilzeit 22,5 Unterrichtsstunden/Woche arbeiten müssen. Wegen der verschobenen – nicht hälftigen - Phasen der Altersteilzeit arbeite die Klägerin wöchentlich nur 18, 69 Unterrichtstunden. Die Differenz zwischen der in der gesamten Altersteilzeit geschuldeten, hälftigen Arbeitszeit von 11, 25 Unterrichtsstunden/Woche (22, 5 U-Std. : 2) und 18,69 Unterrichtstunden/Woche diene alleine dem Aufbau des Arbeitszeitwertguthabens für die Freistellungsphase. Es handle sich um vorgezogene Arbeitszeit. Wegen dieser Arbeitszeitverlagerung aus der Freistellungsphase in die Arbeitsphase könne die Klägerin nicht als vollbeschäftigte Angestellte angesehen werden.

14

Jedenfalls habe sie einen Anspruch auf Ausgleich von 1,086 Unterrichtsstunden, weil dies der Differenz zwischen der von der Klägerin geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit von 18,69 Unterrichtsstunden/Woche zu 20,5 Unterrichtsstunden/Woche der aufgrund des ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA 2003 beschäftigen Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis im Land Sachsen-Anhalt entspreche (20, 5 U-Std. : 5 Tage = 4,1 U-Std./Tag ./. (18, 69 U-Std. : 5 Tage) = 0,362 U-Std./Tag x 3 Tage Klassenfahrt = 1, 086 U-Std.).

15

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

16

die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin 3,786 Stunden gutzuschreiben.

17

Das beklagte Land hat erstinstanzlich beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Das beklagte Land tritt der geltend gemachten Forderung der Klägerin entgegen. Die Klägerin befinde sich zwar in einem Altersteilzeitverhältnis und unterrichte in der jetzigen Arbeitsphase 18,69 Stunden/Woche. Dies entspräche bei hälftiger Teilung der Arbeits- und Freistellungsphase der Altersteilzeit einer wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung während der Arbeitsphase von 22, 5 Unterrichtstunden. Die Klägerin sei daher während der Arbeitsphase als vollbeschäftigte Angestellte anzusehen. Nur wegen der verschoben Phasen der Altersteilzeit arbeite die Klägerin derzeit 18, 69 Unterrichtsstunden/Woche. Vollzeitbeschäftigte angestellte Lehrkräfte an einem Gymnasium in Sachsen-Anhalt würden im Schuljahr 2007/2008 nur mit – insoweit unstreitig - 20,5 Unterrichtsstunden/Woche beschäftigt. Da bei der Berechnung der in der Altersteilzeit geschuldeten hälftigen Vergütung der Klägerin die durchschnittliche, in den letzten 24 Monaten vor Beginn der Altersteilzeit abgeleistete Arbeitszeit der Klägerin von 22,5 Unterrichtsstunden/Woche zugrunde zu legen sei und nicht die tatsächlich während der Arbeitsphase zu leistenden Arbeitszeit von 18,69 Unterrichtsstunden/Woche, erhalte die Klägerin damit anteilig eine höhere Vergütung einschließlich der Aufstockungsbeträge als eine vollzeitbeschäftigte angestellte Lehrkraft, die seinerzeit lediglich mit 20,5 Unterrichtsstunden pro Woche beschäftigt und vergütet worden sei. Würde der Klägerin nunmehr der verlangte zusätzliche Stundenausgleich zuerkannt werden, würde sie im Vergleich zu den als vollzeitbeschäftigt geltenden Lehrkräften, deren Arbeitsverhältnis dem Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag TV LSA Schulen 2003 unterliegt, sachgrundlos bessergestellt. Hierauf habe die Klägerin keinen Anspruch.

20

Allenfalls könne die Klägerin nur so gestellt werden – unterstellt das Altersteilzeitverhältnis sei kein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis – wie eine als vollzeitbeschäftigt geltende Lehrerin an einem Gymnasium während einer Klassenfahrt, die mit 20,5 Unterrichtsstunden pro Woche beschäftigt werde, behandelt werden würde. Dann betrüge die Differenz lediglich 1,086 Unterrichtsstunden (20,5 Unterrichtsstunden/Woche = 4,1 Unterrichtsstunden/Tag; Klägerin: 18,69 Unterrichtsstunden/Woche = 3,738 Unterrichtsstunden/Tag; 4,1 – 3,738 = 0,362 x 3 Tage Klassenfahrt = 1,086 Unterrichtsstunden).

21

Im Übrigen sei der Anspruch verwirkt, da zwischen der Geltendmachung und der Klage ein Zeitraum von fast einem Jahr liege.

22

Das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau hat die Klage mit Urteil vom 02. Oktober 2009 (vgl. Bl. 56 ff. d. A.) abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Arbeitsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin im Hinblick auf ihre altersteilzeitbedingte Unterrichtsverpflichtung von 18,69 Unterrichtsstunden/Woche nicht vollzeit-, sondern teilzeitbeschäftigt sei. Sie sei auch nicht deswegen als vollzeitbeschäftigt anzusehen, weil sie vor Abschluss des Altersteilzeitvertrages vollzeitbeschäftigt war bzw. als solche galt und sich nunmehr in der Arbeitsphase des Blockzeitmodells befinde. Die Klägerin müsse während der Klassenfahrt die gleiche Arbeit leisten, wie eine vollzeitbeschäftigte angestellte Lehrerin. Leiste aber eine teilzeitbeschäftigte Lehrerin anlässlich einer mehrtägigen Klassenfahrt Arbeit wie eine vollzeitbeschäftigte Lehrerin, stehe ihr ein Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung zu. Als Vergleichsmaßstab seien die Unterrichtsstunden einer als vollzeitbeschäftigt geltenden angestellte Lehrerin an Gymnasien in jenem Schuljahr in Höhe von 20,5 Unterrichtsstunden zu Grunde zu legen. Die Differenz(unterrichts-)stundenzahl betrage daher 1,086. Verwirkung liege nicht vor.

23

Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es sei der Klägerin verwehrt, zur Vergleichsberechnung die Unterrichtsverpflichtung nach der ArbZVO-Lehr LSA vom 06. 09. 2001 von 25 Unterrichtsstunden/Woche heranzuziehen, da der Tarifvertrages zur Sozialen Absicherung i. V. m. dem ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA 2003 als speziellere tarifliche Regelung die Arbeitszeit der vollzeitbeschäftigten Lehrkräfte für dieses Schuljahr an Gymnasien abweichend mit 20,5 Unterrichtsstunden/Woche festgelegt habe. Einen Vergleich mit beamteten Lehrkräften und Schulleitern könne die angestellte Klägerin nicht vornehmen.

24

Das Urteil ist der Klägerin zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 26. 10. 2009 (vgl. Bl. 66 d. A.) und dem beklagten Land am 23. 10. 2009 (vgl. Bl. 65 d. A.) zugestellt worden. Hiergegen hat die Klägerin mit am 25. 11. 2009 eingegangenen Schriftsatz (vgl. Bl. 67 f. d. A.) Berufung eingelegt. Mit am 17. 12. 2009 (vgl. Bl. 77 d. A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gebeten. Diesem Antrag wurde ausweislich des Beschlusses des Landesarbeitgerichts vom 21. 12. 2009 (vgl. Bl. 78 d. A.) antragsgemäß bis zum 28. 01. 2010 stattgegeben. Am 19. 01. 2010 (vgl. Bl. 79 ff. d. A.) ging die Berufungsbegründung der Klägerin beim Landesarbeitsgericht ein. Die Berufungsbegründung wurde dem beklagten Land am 21. 01. 2010 (vgl. 85 d. A.) zugestellt. Die Anschlussberufung des beklagten Landes nebst Begründung lag dem Landesarbeitsgericht am 22. 02. 2010 (einem Montag) per Fax vor, vgl. Bl. 86 ff. d. A..

25

Die Klägerin verfolgt ihr ursprüngliches Anliegen mit der Berufung weiter.

26

Sie habe Anspruch auf die volle Differenz von 3,786 Unterrichtsstunden - somit für weitere 2, 7 Unterrichtsstunden (3, 786 ./. 1, 086) - für die drei Tage der Klassenfahrt nach B. im April 2008. Anderenfalls werde sie als teilzeitbeschäftigte Angestellte benachteiligt. Die Klägerin sei teilzeitbeschäftigt, da sie wöchentlich weniger als 25 Unterrichtsstunden arbeite. Nur die ArbZVO-Lehr LSA bestimme wer als Gymnasiallehrer vollzeitbeschäftigt sei; dies seien nur die Gymnasiallehrer, die tatsächlich 25 Unterrichtsstunden in der Woche arbeiteten. Der ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA 2003, der die wöchentliche Arbeitszeit reduziere, mache die unter seinen Anwendungsbereich fallenden angestellten Lehrkräfte zu Teilzeitbeschäftigten. Da dieser Tarifvertrag die Regelarbeitszeit aus der ArbZVO-Lehr LSA nicht verändern könne, sei jede Unterschreitung der Regelarbeitszeit der ArbZVO-Lehr LSA eine Form der Teilzeit. Die Klägerin könne sich daher erst recht auf die Grundsätze aus dem Urteil des BAG vom 25. 05. 2005 – 5 AZR 566/04 berufen, weil sie aufgrund von Alterteilzeit teilzeitbeschäftigt mit einer Unterrichtsverpflichtung von weniger als 25 Unterrichtsstunden/Woche sei.

27

Außerdem werde sie benachteiligt, weil Schulleiter und beamtete Lehrkräfte, wenn sie auf Klassenfahrt gingen, die volle Regelstundenzahl von 25 angerechnet bekämen.

28

Die Klägerin, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte beantragt:

29
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau (11 Ca 165/09) vom 02. 10. 2009 wird teilweise abgeändert und das beklagte Land wird verurteilt, dem Stundenkonto der Klägerin weitere 2,7 Stunden gutzuschreiben.
30
2. Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
31

Das beklagte, berufungsbeklagte und anschlussberufungsklagende Land beantragt:

32
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 02. 10. 2009, Az. 11 Ca 165/09, wird zurückgewiesen.
33
2. Auf die Anschlussberufung des beklagten, berufungsbeklagten und anschlussberufungsklagenden Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 02. 10 .2009, Az: 11 Ca 165/09, abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
34

Die Klägerin sei während der Alterteilzeit und damit auch im Zeitraum der streitgegenständlichen Klassenfahrt nicht teilzeitbeschäftigt gewesen. Es handele sich während der Arbeitsphase der Altersteilzeit faktisch um eine Vollzeitbeschäftigung. Damit sei der Anfall von ausgleichspflichtigen Unterrichtsstunden ausgeschlossen.

35

Außerdem gehörten die Teilnahme an Dienstberatungen, Fortbildungsveranstaltungen, Elternsprechtagen, Eltern- und Schülergesprächen, Konferenzen, Aufsichten sowie die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts und die damit einhergehenden Klausuren und Prüfungen, die Begleitung auf Klassen- und Wanderfahrten etc. zum normalen Zeitdeputat der Lehrkräfte. Eine Gutschrift für Klassenfahrten komme daher nicht in Betracht.

36

Darüber hinaus erhalte die Klägerin im Hinblick auf das Blockmodell der Altersteilzeit eine Bezahlung, die anhand ihrer bisherigen durchschnittlichen Arbeitszeit vor dem Eintritt in die Altersteilzeit von 22,5 Wochenstunden errechnet worden sei. Sie erhalte damit anteilig eine höhere Vergütung als eine vergleichbare vollzeitbeschäftigte Lehrkraft, welche nach dem ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA 2003 lediglich eine wöchentliche Arbeitszeit von 20,5 Unterrichtsstunden/Woche bei entsprechender abgesenkter Vergütung erhalte. Würde der Klägerin der verlangte Stundenausgleich für die Teilnahme an der Klassenfahrt zuerkannt werden, würde sie im Vergleich zu vollzeitbeschäftigten Lehrkräften, deren Arbeitsverhältnis dem ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA 2003 unterliege, ohne sachlichen Grund besser gestellt werden. Auch das AGG gebiete keine Besserstellung teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte gegenüber vollzeitbeschäftigten Lehrkräften.

37

Da die Klägerin während der Arbeitsphase der Altersteilzeit als vollzeitbeschäftigt gelte, weil sie vor Beginn dieser Phase vollzeitbeschäftigt gewesen sei bzw. als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin gegolten habe, könne das Urteil des BAG vom 25. 05. 2005 – 5 AZR 566/04 – nicht zu ihren Gunsten herangezogen werden, da sie keine Teilzeitbeschäftigte i. S. v. § 2 TzBfG sei.

38

Mit Schulleitern, deren Stellvertretern und beamteten Lehrkräften könne sie sich nicht vergleichen.

39

Außerdem sei zu bestreiten, dass die Klägerin während der gesamten Dauer der Klassenfahrt vom 14. 04. 2008, 8.30 Uhr – 16. 04. 2008, 16.00 Uhr, mit der Beaufsichtigung der ihr anvertrauten und zudem bereits älteren Schüler der Klasse 11 des L. -Gymnasiums K. beschäftigt gewesen sei.

40

Jedenfalls sei die Forderung verwirkt.

41

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Erklärungen zu den Protokollen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

1.

42

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 02. 10. 2009 – 11 Ca 165/09 – ist statthaft und zulässig, § 8 Abs. 2 i. V. m. § 64 Abs. 2 lit. a ArbGG. Das Arbeitsgericht hatte die Berufung ausweislich des Tenors zu Ziffer 4. zugelassen.

43

Die Berufung der Klägerin wurde rechtzeitig eingelegt und nach rechtzeitigem Verlängerungsantrag in der verlängerten Berufungsbegründungsfrist frist- und ordnungsgemäß begründet, §§ 64 Abs. 1, 2 und 6 sowie §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 2 und 3 ZPO.

2.

44

Die Anschlussberufung des beklagten Landes ist ebenfalls zulässig. Sie wurde gemäß § 524 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 ZPO innerhalb der dem berufungsbeklagten Land gesetzten gesetzlichen Frist zur Berufungserwiderung, die am 22. 02. 2010, einem Montag, ablief, eingereicht und begründet.

II.

1.

45

Die Anschlussberufung des beklagten Landes ist nicht begründet.

46

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gutschrift von 1,086 Unterrichtsstunden für die Leitung der mehrtägigen Klassenfahrt der Klasse 11 E des L. -Gymnasium vom 14. 04. (ab 8.00 Uhr) – 16. 04. 2008 (bis 16.30 Uhr) nach B. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht angenommen.

47

Sowohl bezüglich des Klageantrags der Klägerin als auch bei der Auslegung des Tenors des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 02. 10. 2009 geht die erkennende Berufungskammer davon aus, dass Unterrichtsstunden (und nicht Zeitstunden) als Gutschrift begehrt und ausgeurteilt wurden. Hinsichtlich des Klageantrags hat die Klägerin dies zu Protokoll der Berufungsverhandlung vom 03. 08. 2010 klargestellt, vgl. Bl. 156 d. A. Auch das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau legt in der Begründung der Entscheidung vom 02. 10. 2009 auf Seite 6 Unterrichtsstunden als Berechnungsweg zu Grunde. Außerdem ist es im Tatbestand nahezu durchgängig von Unterrichtsstunden als Bezugsgröße ausgegangen. Dies legt es nahe, dass das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung, 1,086 Stunden seien dem Arbeitskonto der Klägerin gutzuschreiben, von Unterrichtsstunden und nicht von Zeitstunden ausgegangen ist. So versteht jedenfalls das Berufungsgericht den Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung.

2.

48

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet gemäß Gewerkschafts- bzw. Verbandszugehörigkeit der TV-L Anwendung.

3.

a.)

49

Nach § 44 Nr. 1 TV-L gelten Sonderregelungen für diejenigen Beschäftigten, die als Lehrkräfte an allgemein- bzw. berufsbildenden Schulen tätig sind. Gem. § 44 Nr. 2 TV-L finden die §§ 6 – 10 TV-L keine Anwendung. Für Lehrkräfte gelten gemäß § 44 Nr. 2 S. 2 TV-L die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten in der jeweils geltenden Fassung.

50

Danach ist die Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (ArbZVO-Lehr) vom 06. 09. 2001 (GVBl. LSA 2001, S. 376) auch für angestellte Lehrkräfte und somit auch für die Klägerin anwendbar. Das L.-Gymnasiums in K., an dem die Klägerin im April 2008 beschäftigt war und auch weiterhin tätig ist, ist eine allgemeinbildende Schule i. S. v. § 3 Abs. 2 Nr. 1 b SchulG LSA. Die Regelstundenzahl, das heißt die Zahl der Unterrichtsstunden, die vollbeschäftigte Lehrkräfte am Gymnasien in Sachsen-Anhalt im Schuljahr 2007/08 im Durchschnitt wöchentlich zu erteilen hatten, betrug gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 ArbZVO-Lehr LSA 25 Unterrichtsstunden, wobei eine Unterrichtsstunde mit 45 Minuten berechnet wird, § 3 Abs. 1 S. 2 ArbZVO-Lehr. Nach § 2 ArbZVO-Lehr sind Lehrkräfte, soweit sie nicht Unterrichtsverpflichtungen oder andere dienstliche Verpflichtungen zu bestimmten Zeiten wahrzunehmen haben, in Erfüllung ihrer Aufgaben zeitlich nicht gebunden.

b.)

51

Die teilzeitbeschäftigte Klägerin hat danach einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Gutschrift von 1,086 Unterrichtsstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto gem. § 611 Abs. 1 BGB, weil sie anderenfalls entgegen § 4 Abs. 1 TzBfG gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern benachteiligt sein würde. Unter Berücksichtigung der hälftigen Vergütung während der Arbeitszeit zuzüglich der Ausgleichsbeträge erhielt die Klägerin im streitgegenständlichen Monat April 2008 eine bruttowirksame Vergütung von 2.062,19 €, vgl. Gehaltsbescheinigung vom Januar 2008, die auch für April 2008 galt, Bl. 147d.A. Die Vergütung einer vollzeitbeschäftigten Gymnasiallehrerin betrug im April 2008 in Sachsen-Anhalt unter Zugrundelegung der Entgeltgruppe 13 Erfahrungsstufe 5 dagegen 3.102,06 € brutto (3.783,00 € brutto Monatsvergütung : 25 Unterrichtsstunden x 20,5 Unterrichtsstunden gemäß ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA 2003). Bereits dieser Vergleich zeigt, dass die Klägerin, die während der Klassenfahrt wie eine vollzeitbeschäftigte Lehrkraft tätig war, geringer vergütet wurde, als eine als vollzeitbeschäftigt geltende Lehrkraft in Sachsen-Anhalt während einer Klassenfahrt vergütet werden würde. Das Gleiche muss gelten, wenn statt einer höheren Vergütung ein Stundenausgleich gefordert wird. Da eine unterschiedliche Vergütung einer Teilzeitkraft, die für gewisse Tage wie eine Vollzeitkraft eingesetzt wird, gegen § 4 Abs. 1 TzBfG verstoßen würde, muss dies auch für die Anrechnung unterschiedlicher Stundenzahlen von Teilzeit- und Vollzeitkräften gelten. Dieser Annahme liegt die Feststellung zugrunde, dass die Klägerin während ihrer Altersteilzeit teilzeitbeschäftigt ist und eine als vollzeitbeschäftigt geltende Lehrkraft im Schuljahr 2007/08 20,5 Unterrichtsstunden zu leisten hatte.

52

Das Bundesarbeitsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 23. 04. 1999 – 5 AZR 200/98 – unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu Artikel 199 EG-Vertrag und Artikel 1 der EG-Richtlinien Nr. 75/117 (Lohngleichheitsrichtlinien) in der Zahlung einer unterschiedlichen Vergütung einen Verstoß gegen § 2 Beschäftigungsförderungsgesetz gesehen. Diese Rechtsprechung hat es mit Urteil vom 22. 08. 2001 – 5 AZR 108/00 – fortgeführt. Dies gilt auch nach Inkrafttreten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG konkretisiert das allgemeine Benachteiligungsverbot des Satzes 1 (vgl. Senat, 5. November 2003 – 5 AZR 8/03 -). Danach ist einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Die Teilzeitarbeit ist proportional entsprechend der Teilzeitquote zu vergüten. Arbeitet der Teilzeitbeschäftigte vereinbarungsgemäß aber zeitweise über seine Teilzeitquote hinaus bis zur regelmäßigen Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers (§ 2 Abs. 1 TzBfG), steht ihm auch insoweit eine anteilige Vergütung bis zur vollen Vergütung zu, vgl. BAG, Urteil vom 25. 05. 2005 – 5 AZR 566/04. Dies muss auch für andere geldwerte Vorteile gelten, wie z. B. die Buchung von Unterrichtsstunden.

53

aa.) Die Klägerin hat in der Zeit vom 14. 04. – 16. 04. 2008 wie eine Vollzeitkraft gearbeitet. Dies geschah mit Billigung ihres Arbeitgebers, des beklagten Landes Sachsen-Anhalt. Dieses hat die Klassenfahrt nach B. der Klasse 11 E des L. -Gymnasiums in K. genehmigt.

54

Eine Lehrkraft leistet während der Zeit der Klassenfahrt Arbeit (ebenso Bundesverwaltungsgericht, 23. September 2004 - 2 C 61.03 – DVBl. 2005, 453, zu 1. der Gründe). Allerdings ist eine Klassenfahrt nicht notwendig insgesamt mit Arbeitsleistung verbunden. Pausen fallen insbesondere an, wenn die Schüler zeitweise nicht beaufsichtigt werden müssen oder wenn mehrere Lehrer einander ablösen können. Die Arbeit lässt sich in Stunden bemessen. Zwar ist die wöchentliche Arbeitszeit eines Lehrers nicht nach Arbeitsstunden, sondern nach Unterrichtsstunden geregelt. Gleichwohl kann der Lehrer über seine persönliche Arbeitszeit hinaus zusätzlich Arbeitsstunden auch außerhalb der Unterrichtstätigkeit erbringen. Hiervon geht auch die MehrarbeitsvergütungsO für Beamte aus, wonach Mehrarbeitsstunden an einzelnen Tagen unter bestimmten Voraussetzungen ausgeglichen bzw. vergütet werden. Zwar könnte unter Berücksichtigung der Mehrarbeitsvergütungsordnung für Beamte ein voller Arbeitstag mit 8,33 (25 : 3 x 5) Arbeitsstunden angesetzt werden, auch wenn eine entsprechende tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit tariflich nicht festgelegt ist. Vorliegend ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine vollzeitbeschäftigte Lehrkraft an Gymnasien im Schuljahr 2007/2008 lediglich 20,5 Unterrichtsstunden zu leisten hat. Dementsprechend ist als Obergrenze der Anrechenbarkeit für die Arbeit der Klägerin auch nur die Tätigkeit einer als vollzeitbeschäftigten bzw. als vollzeitbeschäftigt geltenden Lehrkraft im Land Sachsen-Anhalt im Schuljahr 2007/2008 an Gymnasien zu Grunde zu legen. Anderenfalls würde die Klägerin als Teilzeitbeschäftigte sachgrundlos bessergestellt werden als entsprechende als vollzeitbeschäftigt geltende Lehrkräfte an Gymnasien in Sachsen-Anhalt.

55

Die Klägerin kann nicht damit gehört werden, eine vollzeitbeschäftigte angestellte Lehrkraft würde 25 Unterrichtsstunden pro Woche leisten müssen. Dies ist nach Inkrafttreten des ArbeitsplatzsicherungsTV LSA Schulen 2003 für das Schuljahr 2007/2008 gerade nicht mehr der Fall. Eine als vollzeitbeschäftigt geltende angestellte Lehrkraft unterrichtete am Gymnasium im Schuljahr 2007/2008 auch nur 20,5 Unterrichtsstunden. Dass die unter den Arbeitsplatzsicherungs TV Schulen LSA 2003 fallenden vormals vollzeitbeschäftigten Lehrkräfte nach der tariflichen Absenkung ihrer Arbeitszeit auf 20, 5 Unterrichtsstunden weiterhin als vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte gelten, ist nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht in Frage zu stellen, vgl. Clemens/Scheuring, TV-L, Kom., Teil VII/3 zu TV-SozAb-L Rz. 77 (5.4 Vollbeschäftigte, Teilzeitbeschäftigte). Die nach einem aufgrund von § 3 TV-SozAb-L geschlossenen landesbezirklichen Tarifvertrag reduzierte Arbeitszeit wird für die davon betroffenen Beschäftigten zur regelmäßigen Arbeitszeit. Sie sind deshalb vollbeschäftigte Arbeitnehmer i.S. des Tarifrechts, BAG, Urt. v. 25. 01. 2007 – 6 AZR 703/06.

56

Es überzeugt auch nicht, wenn die Klägerin ausführt, aufgrund der ArbeitszeitVO-Lehr LSA sei die Arbeitszeit von angestellten Lehrern durch tarifliche Regelung unveränderbar. Zwar heißt es in § 1 ArbZVO-Lehr LSA, dass diese Verordnung für „alle Lehrkräfte an öffentlichen Schulen“ des Landes Sachsen-Anhalt gilt. Darüber hinaus heißt es in § 3 Abs. 2 Nr. 3 der Verordnung, dass die Unterrichtsverpflichtung an Gymnasien 25 Stunden in der Woche beträgt. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass die derzeit gültige ArbZVO-Lehr LSA (GVBl. LSA 2001, S. 376 und 377 ff.) aufgrund der Bekanntmachung der Neufassung gemäß Artikel 2 der Vierten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen vom 11. 07. 2001 (GVBl. LSA 2001, S. 286) neu bekannt gemacht wurde. Die Vierte Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen vom 11. 07. 2001 ist jedoch aufgrund des damals geltenden § 72 Abs. 5 des Beamtengesetzes Sachsen-Anhalt in der Fassung der Bekanntmachung vom 09. 02. 1998 (GVBl. 1998, S. 50) erlassen worden. Die ArbZVO-Lehr LSA vom 06. 09. 2001 ist damit eine beamtenrechtliche Regelung. Für angestellte Lehrkräfte gilt sie nur aufgrund der Verweisung des § 44 TV-L. Gilt jedoch die Arbeitszeitverordnung für Lehrer im Lande Sachsen-Anhalt originär nur für beamtete Lehrkräfte und für angestellte Lehrkräfte lediglich aufgrund tarifvertraglicher Verweisung, kann die regelmäßige Arbeitszeit für angestellte Lehrkräfte, die wie die Klägerin unter den TV-L fallen, durch einen landesbezirklichen Tarifvertrag wirksam abgesenkt werden. Dies ist vorliegend durch den ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA 2003 geschehen. Die vergleichende Bezugsgröße für eine vollbeschäftigte angestellte bzw. als solche geltende Lehrerin ist daher die Arbeitszeit aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen. Dies ist im vorliegenden Fall die Arbeitzeit nach dem Tarifvertrag zur Arbeitsplatzsicherung Schulen LSA 2003. Danach beträgt die Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten angestellten Lehrkraft im Schuljahr 2007/2008 20,5 Unterrichtsstunden/Woche. Da alle angestellten Lehrkräfte – Abweichungen wesentlicher Art haben die Parteien nicht dargelegt – mit 20, 5 Unterrichtsstunden/Woche an Gymnasien arbeiten, ist hiervon als Vergleichsgrundlage auszugehen. So hat auch das BAG angenommen, dass der ArbeitsplatzsicherungsTV der ArbZVO-Lehr LSA vorgeht und die Regelstundenzahl absenkt; BAG, Urteil v. 21. 03. 2001 – 6 AZR 207/01 – zu Rz. 42 + 43 der Gründe (zitiert nach Juris).

57

Mit den beamteten Lehrkräften und den Schulleitern bzw. deren Vertretern ist die Klägerin nicht zu vergleichen. Der unterschiedliche Status und die unterschiedlichen – der Schulleitung immanenten – Verwaltungsaufgaben stehen dem entgegen.

58

bb.) Entgegen der Auffassung des beklagten Landes ist die Klägerin auch während der Arbeitsphase der Alterteilzeit teilzeitbeschäftigt.

59

Dies ergibt sich bereits aus § 1 Abs. 1 AltersteilzeitG. Danach wird die Tätigkeit zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand als Alterteilzeit und damit als Teilzeit bezeichnet. Das Altersteilzeitverhältnis ist kein Vollzeitverhältnis, denn die Klägerin arbeitete mit 18, 69 Unterrichtsstunden/Woche weniger als alle anderen vollzeitbeschäftigten Lehrkräfte und erfüllt damit die Definition der Teilzeitarbeit nach § 2 Abs. 1 S. 1 TzBfG. Dass die Klägerin nahezu das volle Pensum von 20, 5 Unterrichtssunden/Woche unterrichtete und sich ihre Vergütung nach dem Durchschnitt der letzten 24 Monate vor Beginn der Altersteilzeit berechnet, der mit 22, 5 Unterrichtsstunden über der besonderen regelmäßigen Arbeitszeit der Gymnasiallehrer im Schuljahr 2007/08 liegt, ist irrelevant. Denn die während der Arbeitsphase höhere Arbeitszeit ist nur die aus der Freistellungsphase vorgezogene Arbeitsverpflichtung. Es bleibt dabei, dass die Altersteilzeit im Blockmodell grundsätzlich eine hälftige Beschäftigung ist, bei der lediglich die Arbeitszeit der zweiten Phase (Hälfte) in die erste Phase vorverlagert wird.

60

cc.) Die Belastung und Verantwortung der Lehrkräfte während einer ganztägigen Klassenfahrt gebietet es, teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte für die Dauer der Teilnahme an der Klassenfahrt wie vollzeitbeschäftigte zu vergüten. Ordnet der Arbeitgeber die Teilnahme einer teilzeitbeschäftigten Lehrkraft an einer Klassenfahrt an, so entspricht diese Anordnung bei einer mindestens ganztägigen Klassenfahrt nur dann billigem Ermessen i. S. v. § 315 Abs. 1 BGB, wenn die teilzeitbeschäftigte Lehrkraft an diesem Tag wie eine vollzeitbeschäftigte Lehrkraft vergütet wird. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anordnung auf Wunsch oder gegen den Willen des Lehrers erfolgt ist. Damit wird das Verbot der Diskriminierung wegen Teilzeit wirksam zur Geltung gebracht. Zugleich wird für jeglichen Umfang von Teilzeitarbeit eine klare handhabbare Vergütungsregelung gewährleistet, vgl. BAG, Urteil vom 25. 05. 2005, aaO und Urteil vom 22. 08. 2001 – 5 AZR 108/00.

61

dd.) Die Klägerin hatte in der Zeit vom 14. 04. ab 8.00 Uhr – 16. 04. bis 16.30 Uhr eine Klassenfahrt geleitet. Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass diese Klassenfahrt eine vollschichtige Beschäftigung der Klägerin darstellte. Hiervon ist die Kammer nach dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung überzeugt. Denn die Klägerin hatte neben dem Tagesprogramm auch noch abends und nachts für das Wohlergehen ihrer Schüler insoweit zu sorgen, als sie die Nachtruhe überprüfen musste. Wenn das beklagte Land dies mit Nichtwissen bestreitet, ist dieses Bestreiten irrelevant. Die Klägerin hat zur Überzeugung der Kammer geschildert, dass sie auch diese Aufgaben wahrnehmen musste. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Lehrer diese Aufgaben aus Fürsorge wahrnehmen und Schüler auf Klassenfahrten durchaus ihre Freiheiten suchen, die es unter Berücksichtigung der Altersstufe zu begrenzen gilt. Dies gebietet bereits die Haftungsproblematik. So hat auch das LAG Hamm in der Entscheidung vom 21. 09. 2004 – 12 (5) Sa 704/04 – festgestellt, dass die Lehrkräfte bei Klassenfahrten im Zusammensein mit den Schülern ihren pädagogischen Auftrag unmittelbar erfüllen. In zeitlicher Hinsicht seien die Lehrkräfte praktisch während der gesamten Dauer der Klassenfahrt mit der Betreuung und Aufsichtsarbeiten beschäftigt. Hierin liege ein wesentlicher Unterschied zur den sonstigen Verpflichtungen außerhalb der Unterrichtserteilung. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Belastung und Verantwortung der Lehrkräfte während einer Klassenfahrt für vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte und für teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte die gleiche ist. Eine Abwechslung in der Betreuung mit der Tutorin der weiteren Klasse hat i. Ü. keine der Parteien behauptet.

62

Danach ist folgende Berechnung zu Grunde zu legen:

63

20,5 Unterrichtsstunden : 5 Unterrichtstage = 4,1 Unterrichtsstunden/Tag abzüglich (18,69 Unterrichtsstunden der Klägerin/Woche : 5 Unterrichtstage) x 3 Tage der Klassenfahrt = 1,086 Unterrichtsstunden.

64

Diese Unterrichtsstundenzahl ist gemäß dem Flexi-Erlass, der im beklagten Land gilt und dessen Anwendung das beklagte Land nicht bestritten hat, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin gutzuschreiben.

c.)

65

Diesen Anspruch hat die Klägerin mit Schreiben vom 22. 04. 2008 rechtzeitig gem. § 37 Abs. 1 TV-L innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist geltend gemacht. Zwar ist das Geltendmachungsschreiben wegen der Höhe des Anspruches nicht sehr genau. Dennoch ist aus ihm mit noch hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Klägerin eine berechenbare Zeitgutschrift begehrt. Das beklagte Land diesen Anspruch abgelehnt. Für das Land war somit erkennbar, was die Klägerin begehrte.

d.)

66

Verwirkung ist nicht anzunehmen. Verwirkung setzt neben dem Zeitmoment ein sog. Umstandsmoment voraus. Das Land hat nicht vorgetragen, aus welchem Verhalten der Klägerin geschlossen werden konnte, dass diese ihren nach rechtzeitiger Geltendmachung mit Schreiben vom 22. 04. 2008 erhobenen Anspruch nicht mehr weiterverfolgen will. Der Zeitablauf zwischen Geltendmachung und Klage reicht hierfür jedenfalls alleine nicht aus.

4.

67

Dagegen hat die Klägerin keinen gesetzlichen, tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Anspruch auf Gutschrift weiterer 2,7 (3, 786 ./. zuzugestehender 1, 086) Unterrichtsstunden. Ihre Berufung war insoweit zurückzuweisen. Auch dies hat das Arbeitsgericht richtig erkannt.

68

Einerseits sind die in § 3 Abs. 1 ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA 2003 genannten Arbeitszeitkonten ab dem 01. 08. 2003 geschlossen; Arbeitszeitbuchungen werden dort nicht mehr vorgenommen.

69

Andererseits unterfällt die Klägerin diesem Tarifvertrag nach Beginn ihres Altersteilzeitverhältnisses am 01. 06. 2007 nicht mehr. Teilzeitbeschäftigte werden von dem ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA 2003 nur erfasst, wenn ihre Arbeitszeit oberhalb der besonderen regelmäßigen Arbeitszeit liegt. Da die Klägerin ab dem 01. 06. 2007 nur noch 18, 69 Unterrichtsstunden arbeitet, liegt ihre Arbeitszeit unterhalb der besonderen regelmäßigen Arbeitszeit von 20, 5 Unterrichtsstunden nach § 2 Abs. 1 Arbeitsplatzschutz TV Schulen LSA 2003. Auf § 1 Abs. 1 S. 3 ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA 2003 kann sich die Klägerin nicht berufen, da sie keine Altersteilzeit mit einer Arbeitszeit von mehr als 20, 5 Unterrichtsstunden/Woche vereinbart hat.

b.)

70

Da gemäß § 44 TV-L die §§ 6 – 10 TV-L keine Anwendung finden, kann ein evtl. Guthaben von weiteren 2,7 Unterrichtsstunden á 45 Minuten auch nicht gemäß § 10 Abs. 1 TV-L auf ein eventuelles Arbeitszeitkonto gebucht werden.

c.)

71

Der Antrag der Klägerin ist jedoch auslegungsfähig. Soweit eine Buchung auf ein tarifvertragliches Arbeitszeitkonto nicht in Betracht kommt, begehrt die Klägerin einen (in der Zukunft zu erfüllenden) Zeitausgleich von weiteren 2,7 Unterrichtsstunden á 45 Minuten für ihre Teilnahme als Aufsichtsperson der Klassenfahrt der 11. Klasse in der Zeit vom 14. 04. – 16. 04. 2008. Aufgrund des beim beklagten Land geltenden so genannten Flexi-Erlasses können Arbeitzeitguthaben grundsätzlich weiterhin gewährt werden.

72

Ein solcher weitergehender Freizeitausgleich von 2,7 Unterrichtsstunden steht der Klägerin jedoch nicht zu.

73

Die Klägerin hat während der Klassenfahrt keine ausgleichspflichtigen Unterrichtsstunden geleistet, die über 20,5 Unterrichtsstunden/Woche hinaus gehen.

74

aa.) Ein Anspruch auf Gutschrift von weiteren 2,7 Unterrichtsstunden gemäß § 4 Abs. 2 ArbZVO-Lehr i. V. m. § 44 TV-L kommt daher nicht in Betracht. Zwar kann die jeweilige Unterrichtsverpflichtung einer Lehrkraft nach § 4 Abs. 2 ArbZVO-Lehr aus dienstlichen Gründen wöchentlich bis zu 4 Stunden über- oder unterschritten werden. Die entsprechenden Mehr- oder Minderzeiten (Unterrichtsstunden) sind, soweit ein Ausgleich nicht innerhalb desjenigen Schuljahres erfolgt, in dem sie entstanden sind, in das folgende Schuljahr zu übernehmen und in diesem abzugelten. § 4 Abs. 2 ArbZVO-Lehr befasst sich jedoch mit Unterrichtsstunden, die über- oder unterschritten werden. Er hat gerade Zeiten, in denen die Klägerin von der Erteilung von Unterricht infolge anderer Aufgaben wie z. B. Klassenfahrten befreit ist, nicht zum Gegenstand.

75

bb.) Andere Regelungen der ArbZVO-Lehr stützen den Anspruch der Klägerin ebenfalls nicht.

76

Dies gilt insbesondere für § 10 ArbZVO-Lehr.

77

Danach können Anrechnungsstunden für besondere Belastungen (besondere Verwaltungsaufgaben, besondere unterrichtliche oder schulformspezifische Belastungen) gewährt werden.

78

Die Teilnahme an einer Klassenfahrt stellt jedoch keine besondere Verwaltungsaufgabe dar, denn sie wird nicht innerhalb der Verwaltung einer Schule durchgeführt.

79

Die Klassenfahrt ist auch keine besondere schulformspezifische Belastung. Klassenfahrten werden in allen Schulformen durchgeführt. Auf das Gymnasium bezogen handelt es sich um kein Spezifika dieser Schulform. Zur Übernahme von Klassenfahrten sind Lehrer im Übrigen nach § 30 Abs. 3 S. 4 i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 8 SchulG LSA verpflichtet.

80

Eine besondere unterrichtliche Belastung ist ebenfalls nicht gegeben. Klassenfahrten gehören zum Berufsbild eines Lehrers, der neben seiner Unterrichtsverpflichtung u. a. Vor- und Nachbereitungen durchzuführen sowie an Schulkonferenzen und Schüler/Lehrer- bzw. Lehrer/Elterngesprächen teilzunehmen hat. Die Durchführung ein- oder mehrtägiger Klassenfahrten gehört zu dem herkömmlichen Berufsbild des Lehrers, vgl. BAG, Urteil vom 26. 04. 1985, 7 AZR 432/82. Mittel auf dem Weg zur Erreichung des Bildungs- und Erziehungszieles der Schule sind gerade auch Schulfahrten, Schulwanderungen oder Studienfahrten, die das Gemeinschaftsleben gestalten und in anderer Form Wissen und Fertigkeiten vermitteln. Die Aufgabenstellung einer allgemeinbildenden Schule erschöpft sich nicht in der Vermittlung von spezifischem Fachwissen in den einzelnen Unterrichtsfächern. Der Erziehungsauftrag der allgemeinbildenden Schulen erstreckt sich vielmehr auch darauf, die Schüler durch entsprechende schulische Veranstaltungen in ihrem sozialen Verhalten unter Beachtung der in den Schulgesetzen der Länder festgelegten Erziehungsziele zu erziehen, vgl. BAG, Urteil vom 26. 04. 1985, 7 AZR 432/82.

81

Danach leistet eine Lehrkraft während einer Klassenfahrt Arbeit, wobei die Teilnahme an einer mehrtägigen Klassenfahrt ohne Weiteres als Erfüllung der vollen Arbeitspflicht anzusehen ist. Sie stellt jedoch keine Mehr- oder Überarbeit dar, Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 23. 09. 2004, 2 C 61/03. Dem ist das OVG Lüneburg (Urt. vom 18. 09. 2007 – 5 LC 264/06) beigetreten.

82

Das OVG Lüneburg hat ausgeführt: Zwar leiste der Lehrer während der Zeit einer Klassenfahrt Arbeit, doch sei Anknüpfungspunkt für seine Vergütung die Zahl der festgelegten Pflichtstunden. Die Ausgestaltung und Messbarkeit der Arbeitszeit von Lehrkräften weise zu anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst wesentliche Unterschiede auf. Die zeitliche Festlegung ausschließlich der Pflichtunterrichtsstunden als ein Teil der Arbeitszeit der Lehrer erkläre sich daraus, dass deren Arbeitszeit nur hinsichtlich der eigentlichen Unterrichtsstunden exakt feststellbar sei, während sie im Übrigen entsprechend der pädagogischen Aufgabe wegen der erforderlichen Unterrichtsvorbereitung, der Korrekturen, Elternbesprechungen, Konferenzen und dergleichen nicht im Einzelnen messbar sei, sondern nur – grob pauschalierend – geschätzt werden könne, vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 18. 09. 2007, 5 LC 264/06. Durch die Teilnahme an einer Klassenfahrt erhöhe sich die Pflichtunterrichtsstundenzahl der Lehrkräfte nicht, vgl. OVG Lüneburg aaO Rz. 31.

83

Dem schließt sich die erkennende Kammer auch für das durch das Synallagma geprägte Arbeitsverhältnis an, soweit es um Stunden oberhalb der Lehrverpflichtung vollbeschäftigter bzw. als solche geltender Gymnasiallehrer (=20,5 Unterrichtsstunden/Woche im Schuljahr 2007/2008 in LSA) geht.

84

Dies ergibt sich auch aus § 2 S. 2 der ArbZVO-Lehr, wonach Lehrkräfte einerseits Unterrichtsverpflichtungen aber auch andere dienstliche Verpflichtungen wahrzunehmen haben und in Erfüllung ihrer Aufgaben – soweit es sich nicht um Unterrichtsverpflichtungen oder andere zwingende dienstliche Verpflichtungen handelt – zeitlich nicht gebunden sind. Darüber hinaus ist die in § 3 Abs. 1 und 2 ArbZVO-Lehr festgelegte Unterrichtsstundenzahl nur ein Durchschnitt, der sich im Übrigen auch nur auf eine 45 Minuteneinheit bezieht. Klassenfahrten haben nur eine kurzfristige, zeitlich begrenzte Belastung der Arbeitszeit sowohl der Teilzeit- als auch der vollzeitbeschäftigten Lehrkräfte zur Folge, nicht aber eine auf Dauer erhöhte wöchentliche Arbeitsbelastung. Es obliegt zudem den Lehrern generell, ihre Arbeitszeit u. a. unter Berücksichtigung der längeren Jahresurlaubszeit an den Durchschnitt anzupassen.

85

Im Hinblick auf die lediglich grob pauschalierte Gesamtarbeitszeit von Lehrern, die sich aus Unterrichtsverpflichtungen und sonstigen Tätigkeiten pädagogischer Art zusammensetzt, wobei nur die Unterrichtsverpflichtung festgelegt ist, ergibt sich, dass auch Klassenfahrten in die Durchschnittsberechnung der Arbeitszeit von Lehrern „eingepreist“ sind.

86

cc.) Da die Klägerin angegeben hat, im Schuljahr 2007/2008 lediglich eine Schulfahrt von der Dauer von 3 Tagen durchgeführt zu haben, stellt sich die Übernahme der streitgegenständlichen Klassenfahrt im April 2008 nicht als überobligatorische Leistung dar, deren Teilnahme und Leitung nicht mehr Billigkeitsgesichtspunkten des § 315 Abs. 1 BGB entsprechen würde. Im Hinblick auf die durchschnittliche Arbeitsbelastung der Tätigkeit einer Lehrerin und unter Berücksichtigung der unterrichtsfreien Zeiten u. a. in den Ferien erscheint es der Kammer angemessen, wenn die Klägerin auch während der dreitägigen Klassenfahrt lediglich mit der besonderen regelmäßigen Unterrichtsverpflichtung beschäftigt wird, die eine vollzeitbeschäftigte Lehrerin erhält. Dies sind im Hinblick auf den Tarifvertrag zur sozialen Absicherung bei Lehrkräften an Gymnasien im Schuljahr 2007/2008 jedoch vorliegend 20,5 Unterrichtsstunden/Woche. Anderenfalls würde sie bessergestellt werden als vollzeitbeschäftigte Lehrer. Diese würde nämlich während einer Klassenfahrt ebenfalls nur ein Zeitdeputat von 20,5 Unterrichtsstunden/Woche erhalten.

87

dd.) Die Anrechnung von lediglich 12,3 (=20,5 : 5 x 3) Unterrichtsstunden anstelle von 15 Unterrichtsstunden für die Tätigkeit der Klägerin während der Klassenfahrt im April 2008 verstößt auch nicht gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Insbesondere führt die Anwendung der beamtenrechtlichen Bestimmungen gemäß § 44 TV-L nicht zu einer gesetzeswidrigen unterschiedlichen Behandlung von vollzeit- und teilzeitbeschäftigten Lehrkräften. Zwar sieht § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG das Verbot der schlechteren Behandlung von Teilzeitkräften gegenüber vergleichbaren Vollzeitarbeitnehmern dann vor, wenn sachliche Gründe hierfür nicht gegeben sind.

88

Einen Anspruch kann die Klägerin hieraus im vorliegenden Fall nicht ableiten.

89

Die Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts aus dem Urteil vom 25. 05. 2005 – 5 AZR 566/04 - sind auf den vorliegenden Fall jedenfalls hinsichtlich einer Anrechnung über 20,5 Unterrichtsstunden pro Woche (bzw. über 12,3 U-Std. bei einer 3-tägigen Klassenfahrt) nicht anzuwenden. Dort hatte das BAG angenommen, dass die Anordnung einer mindestens ganztägigen Klassenfahrt nur dann billigem Ermessen i. S. v. § 315 Abs. 1 BGB entspreche, wenn die dortige teilzeitbeschäftigte Lehrkraft an diesem Tage wie eine vollzeitbeschäftigte Lehrkraft vergütet werde.

90

Die Klägerin ist wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung nur durch die vom Land nicht vorgenommene Anrechnung von 1, 086 Unterrichtsstunden benachteiligt. Sie ist dagegen keiner Benachteiligung ausgesetzt, soweit das Land eine Gutschrift über eine Unterrichtsverpflichtung von 20, 5 Unterrichtssunden/Woche nicht vorgenommen hat, denn – wie bereits oben aufgezeigt – wäre eine als vollzeitbeschäftigt geltende Lehrkraft im Schuljahr 2007/08 auch nur mit 20, 5 Unterrichtsstunden vergütet worden.

5.

91

Diese Annahme bedeutet allerdings nicht, dass Überstunden im Lehrerbereich überhaupt nicht anfallen können. Selbst wenn man annimmt, dass 18,69 Unterrichtsstunden etwa 31,15 (18, 69 : 3 x 5) Zeitstunden in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütungen für Beamte entsprechen, stellt sich die Durchführung der Klassenfahrt vom 14. 04. - 16. 04. 2008 nach B. noch nicht als überobligatorische Leistung dar, die im Durchschnitt der regelmäßigen Arbeitszeit nicht mehr in anderen Wochen des Schuljahres außerhalb der Unterrichtsverpflichtung ausgeglichen werden könnte. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, welchen Tagesverlauf die Klassenfahrt genommen hat. Sie hat in der Kammerverhandlung lediglich angegeben, dass sie auch die Nachtruhe mehrfach überwachen müssen und verschmutzte Waschbecken infolge Alkoholkonsums der Schüler habe gereinigt hat. Die Darlegung von Überstunden gebietet jedoch im Unterschied zur Anrechnung der Stunden einer als vollbeschäftigt geltenden angestellten Lehrkraft, die komplette Klassenfahrt aufgeschlüsselt nach den einzelnen Stationen und Zeiten unter Herausrechnung der Pausen mitzuteilen. Dies ist nicht geschehen.

6.

92

Die Europarichtlinie über das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter (Richtlinie 97/81 EG des Rates vom 15. 12. 1997) führt zu keinem anderen Schluss. Auch das SchulG LSA stützt den Anspruch der Klägerin, soweit sie weitere 2,7 Unterrichtsstunden gutgeschrieben bekommen möchte, nicht.

IV.

93

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und trifft die Parteien im Verhältnis 7/10 / 3/10 zu Lasten der Klägerin.

V.

94

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

95

Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung.

96

In Sachsen-Anhalt wird eine Vielzahl von Lehrern in allen Schulformen beschäftigt. In allen Schulformen werden Klassenfahrten durchgeführt. Da der ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA 2003 durch den TV LSA Schulen 2008, der noch bis 2011 gilt, und durch einen weiteren TV Schulen LSA, der sich anschließt, ergänzt wurde, wird sich die Frage der Berücksichtigung von Arbeitszeiten während der Schulfahrten bei Lehrern auch im Altersteilzeitverhältnis sich noch häufiger stellen. Dies rechtfertigt die Annahme der besonderen Bedeutung.


(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.