Bundessozialgericht Beschluss, 16. Juni 2016 - B 13 R 35/16 B

bei uns veröffentlicht am16.06.2016

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Zugunstenverfahrens Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab August 2004 und wegen voller Erwerbsminderung ab August 2008.

2

Die im Jahr 1965 geborene Klägerin war bis zur Geburt ihres ersten Kindes im Juli 1997 als Verlagskauffrau abhängig beschäftigt. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes im November 2001 betrieb sie als Selbstständige bis Ende 2007 eine Espresso-Bar. Ihren erstmals am 22.8.2008 gestellten Rentenantrag lehnte der beklagte Rentenversicherungsträger ab, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Drei-Fünftel-Belegung) nicht erfüllt seien (Bescheid vom 16.10.2009). Ein erster Überprüfungsantrag blieb ebenso erfolglos wie der hier verfahrensgegenständliche zweite Überprüfungsantrag vom 21.6.2011 (Bescheid vom 28.7.2011, Widerspruchsbescheid vom 14.9.2011, Urteil des SG vom 2.9.2013 und des LSG vom 23.12.2015). In dem von der Berichterstatterin als Einzelrichterin ohne mündliche Verhandlung erlassenen LSG-Urteil ist ausgeführt, das Gericht sei nicht davon überzeugt, dass der "Leistungsfall" einer Erwerbsminderung vor dem 1.1.2007 eingetreten sei. Dies sei aber Voraussetzung dafür, dass eine Rente wegen Erwerbsminderung gewährt werden könne.

3

Die Klägerin macht mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem LSG-Urteil ausschließlich Verfahrensmängel geltend. Sie rügt die nicht vorschriftsgemäße Besetzung des Berufungsgerichts, denn sie habe lediglich ihre Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, nicht aber zu einer derartigen Entscheidung allein durch die Berichterstatterin erteilt. Außerdem habe das LSG seine Verpflichtung zur Amtsermittlung verletzt, weil es erforderliche Ermittlungen zum Eintritt des Versicherungsfalls entsprechend ihrem im Schriftsatz vom 17.11.2015 gestellten Beweisantrag nicht durchgeführt habe.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Der von der Klägerin behauptete Verfahrensmangel einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts liegt nicht vor. Die weitere Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht ist nicht formgerecht bezeichnet und somit bereits unzulässig.

5

1. Die Klägerin hat den Verfahrensmangel einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts bei seiner Entscheidung formgerecht gerügt (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG). Nach der Darstellung in der Beschwerdebegründung habe sie nur ihre Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, nicht aber das gemäß § 155 Abs 3 und 4 SGG zusätzlich erforderliche Einverständnis für eine Entscheidung allein durch die Berichterstatterin erteilt. Mit diesem Vortrag ist der sinngemäß geltend gemachte Verfahrensmangel einer Verletzung des § 155 Abs 4 iVm § 33 Abs 1 S 1 SGG schlüssig dargetan. Ausführungen, inwiefern die Entscheidung des LSG hierauf beruhen kann, sind bei einem solchen absoluten Revisionsgrund (§ 202 S 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO) abweichend von § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 1 SGG nicht erforderlich(stRspr - zB BSG Beschluss vom 25.9.2015 - B 13 R 97/15 B - Juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 9.3.2016 - B 14 AS 96/15 B - Juris RdNr 6).

6

2. Der genannte Verfahrensmangel liegt in Wirklichkeit nicht vor.

7

a) Aus den Akten des Berufungsverfahrens ergibt sich, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bereits mit Schriftsatz vom 3.2.2014 beim LSG eine von der Klägerin persönlich unterzeichnete Erklärung eingereicht hat, sie sei mit einer Entscheidung durch "die Berichterstatterin bzw. den Berichterstatter in mündlicher Verhandlung anstelle des Senats" einverstanden (vgl zu einer solchen Erklärung Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 124 RdNr 3b). Dieselbe Erklärung hat auch die Beklagte unter dem 23.1.2014 dem Gericht übersandt. Den im Schriftsatz vom 3.2.2014 zudem erklärten Vorbehalt, die Klägerin bestehe auf einem Verhandlungstermin vor dem Senat, falls die Zustimmung dazu führe, dass das Gericht eine Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs verfolge, hat der Prozessbevollmächtigte in einem weiteren Schriftsatz vom 9.7.2014 aufgegeben und sich "mit einer Einzelrichterentscheidung ohne weitere Bedingung" einverstanden erklärt. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Einzelrichterin am 19.9.2014 und Vertagung des Rechtsstreits zur weiteren Sachaufklärung hat der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 30.11.2015 (ebenso wie die Beklagte) zusätzlich das Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG)übermittelt. Das zuvor erteilte Einverständnis zu einer Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats hat er dabei nicht in Frage gestellt. Einwendungen gegen diese Verfahrensweise hat die Klägerin auch dann nicht vorgebracht, als ihr Prozessbevollmächtigter die Mitteilung des Gerichts vom 3.12.2015 erhalten hatte, dass am 18.12.2015 "im Einverständnis der Beteiligten Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung" ergehen werde.

8

b) Es kann hier offenbleiben, ob sich die Klägerin nach dem auch im Prozessrecht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben angesichts dieses Ablaufs überhaupt nachträglich auf den Verfahrensmangel eines fehlenden Einverständnisses zu einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als konsentierte Einzelrichterin berufen kann (insoweit zweifelnd BVerwG Beschluss vom 5.2.1996 - 9 B 32/96 - Buchholz 310 § 87a VwGO Nr 1, Juris RdNr 4; s aber Senatsbeschluss vom 24.10.2013 - B 13 R 240/12 B - Juris RdNr 10). Jedenfalls hat die Klägerin einen Widerruf ihrer mit Schriftsatz vom 9.7.2014 unbedingt abgegebenen Einverständniserklärung zu einer Entscheidung allein durch die Berichterstatterin weder ausdrücklich noch sinngemäß erklärt (zur ausnahmsweisen Beachtlichkeit eines solchen Widerrufs bei wesentlich geänderter Prozesslage s BGH Urteil vom 19.10.1988 - IVb ZR 10/88 - BGHZ 105, 270, 274 f; die Möglichkeit eines Widerrufs offenlassend BVerwG Beschluss vom 25.10.1996 - 11 B 73/96 - Buchholz 310 § 87a VwGO Nr 2, Juris RdNr 4 - sowie BVerwG Beschluss vom 27.2.2001 - 3 B 155/00 - Buchholz 310 § 87a VwGO Nr 5, Juris RdNr 5; ebenso BFH Beschluss vom 10.2.2011 - II S 39/10 (PKH) - BFHE 232, 310 RdNr 9 - sowie BFH Beschluss vom 12.1.2016 - X B 79/15 - BFH/NV 2016, 763 RdNr 17).

9

c) Das am 9.7.2014 erklärte Einverständnis der Klägerin zu einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als konsentierte Einzelrichterin hatte sich aufgrund der weiteren Entwicklung des Berufungsverfahrens nicht von selbst "verbraucht" und hierdurch zum Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung durch das LSG im Dezember 2015 seine Wirksamkeit verloren. Zwar hatte die Berichterstatterin am 19.9.2014 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, den Rechtsstreit dann jedoch zu weiterer Sachaufklärung vertagt und sodann am 16.10.2014 einen Beweisbeschluss erlassen. Diese gerichtlichen (Zwischen-)Entscheidungen haben aber das zuvor von den Beteiligten erklärte Einverständnis zu einer Entscheidung des Rechtsstreits durch die Berichterstatterin anstelle des Senats (§ 155 Abs 3, 4 SGG)nicht hinfällig werden lassen.

10

Allerdings wird für ein Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) angenommen, dass es stets nur auf die nächste anstehende Entscheidung bezogen sei und deshalb automatisch mit dem Erlass einer solchen Entscheidung entfalle (vgl BSG Urteil vom 22.9.1977 - 10 RV 79/76 - BSGE 44, 292, 294 = SozR 1500 § 124 Nr 2 S 4; BSG Urteil vom 6.10.1999 - B 1 KR 17/99 R - SozR 3-1500 § 124 Nr 4 S 8; BSG Beschluss vom 12.4.2005 - B 2 U 135/04 B - SozR 4-1500 § 124 Nr 1 RdNr 7; s auch Hauck in Hennig, SGG, § 124 RdNr 42, Stand Einzelkommentierung September 2010; Dolderer in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl 2014, § 101 RdNr 34 ff). Diese Erwägungen können auf das Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats gemäß § 155 Abs 3, 4 SGG jedoch nicht ohne Weiteres übertragen werden(zu den wesensmäßigen Unterschieden der beiden Verzichtserklärungen s Hamann, VerwArch 83 (1992), 201, 208; Bernsdorff in Hennig, SGG, § 155 RdNr 61, Stand Einzelkommentierung Mai 1997). Vielmehr muss die Reichweite eines von den Beteiligten erteilten Einverständnisses damit, dass der Berichterstatter "auch sonst" anstelle des Senats entscheide, eigenständig durch Auslegung der jeweiligen Prozesserklärung nach den hierfür geltenden allgemeinen Regeln (zusammenfassend BSG Beschluss vom 8.9.2015 - B 1 KR 19/15 B - Juris RdNr 6) ermittelt werden.

11

Bei dieser Auslegung ist es nicht statthaft, der jeweiligen Einverständniserklärung - ungeachtet ihres Wortlauts und der sonstigen Umständen des Einzelfalls - von vornherein eine nur begrenzte Reichweite zuzuordnen. Vielmehr ist in Fallgestaltungen, bei denen eine Erklärung zum Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennen lässt, dass sie nur für eine bestimmte Entscheidungssituation oder nur hinsichtlich eines bestimmten Streitgegenstands gelten soll, davon auszugehen, dass sie sich einschränkungslos auf alle "sonst" vom gesamten Senat zu treffenden Entscheidungen einschließlich einer das Berufungsverfahren abschließenden Sachentscheidung bezieht (vgl Bernsdorff in Hennig, SGG, § 155 RdNr 57, Stand Einzelkommentierung Mai 1997). Insbesondere kann ohne konkrete Anhaltspunkte nicht angenommen werden, dass die Zwischenentscheidung der Anordnung einer Begutachtung, die einer ernannten Berichterstatterin auch ohne Einverständnis der Beteiligten kraft Gesetzes allein obliegt (§ 155 Abs 1 iVm § 106 Abs 3 Nr 5 SGG), einem zuvor erklärten Einverständnis mit einer abschließenden Sachentscheidung allein durch die Berichterstatterin die Grundlage entziehen soll. Anhaltspunkte dafür, dass das Einverständnis zur Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats nur unter einer auflösenden (innerprozessualen) Bedingung erteilt werden sollte, sind hier aber nicht ersichtlich. Vielmehr hat sich die im Berufungsverfahren durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertretene Klägerin am 9.7.2014 zur Beschleunigung des Verfahrens ausdrücklich mit einer Einzelrichterentscheidung "ohne weitere Bedingung" einverstanden erklärt.

12

d) Der Senat weicht damit nicht iS des § 41 Abs 2 SGG von Entscheidungen anderer Senate ab. Soweit der 9. Senat des BSG im Urteil vom 8.11.2007 (B 9/9a SB 3/06 R - BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 15) ausgeführt hat, dass sich die dort erteilten Einverständniserklärungen nach § 155 Abs 3, 4 SGG nicht durch eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage verbraucht hätten, da schon keine wesentliche Änderung vorgelegen habe, enthält dies keinen jene Entscheidung tragenden Rechtssatz, dass eine wesentliche Änderung der dem LSG-Urteil zugrunde liegenden Sach- und Rechtslage stets zu einem automatischen "Verbrauch" des Einverständnisses führe. Soweit der 9. Senat im Beschluss vom 14.11.2013 (B 9 SB 43/13 B - Juris RdNr 5) seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, dass eine Einverständniserklärung, "ohne mündliche Verhandlung gemäß § 155 Abs 3 und 4 SGG" zu entscheiden, nach Einholung eines Befundberichts infolge einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ihre Wirksamkeit verloren habe, bezieht sich dies ausdrücklich nur auf den dort allein gerügten Verfahrensmangel einer Verletzung des § 124 Abs 2 SGG. Eine Abweichung in einem vom 9. Senat zu § 155 Abs 3, 4 SGG entwickelten Rechtssatz besteht somit nicht, sodass eine Anfrage gemäß § 41 Abs 3 SGG nicht in Betracht kommt.

13

3. Den Verfahrensmangel einer Verletzung des § 103 SGG hat die Klägerin nicht ordnungsgemäß bezeichnet(§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG). Sie führt zwar Aussagen aus verschiedenen Revisionsurteilen des BSG an, unter welchen Umständen eine weitere Sachaufklärung erforderlich sei. Einen konkreten Beweisantrag, den sie bis zuletzt aufrechterhalten habe und dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei, gibt sie jedoch nicht wieder. Soweit sie sich auf einen "mit Schriftsatz vom 17.11.2015 gestellten Beweisantrag" bezieht, wird aus der Beschwerdebegründung nicht erkennbar, welchen Inhalt dieser gehabt haben könnte. Ihrer Angabe, sie habe in diesem Schriftsatz "vorgetragen, dass aufgrund der eindeutigen Aussage der Frau Prof. Dr. Walter der Sachverhalt ausreichend erforscht ist" bzw "die Anhörung der behandelnden Ärzte zur Frage des Zeitpunktes des Versicherungsfalles im Falle einer positiven Entscheidung, auch im Hinblick auf die Dauer des Verfahrens, überflüssig ist", lässt sich ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag nicht entnehmen (zur Anhörung behandelnder Ärzte als sachverständige Zeugen vgl BSG Beschluss vom 6.1.2016 - B 13 R 303/15 B - Juris RdNr 7). Ein erst im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren angebrachter Antrag auf weitere Beweiserhebung (Beschwerdebegründung S 3 unter h) genügt den Anforderungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG von vornherein nicht.

14

4. Die teils unzulässige, teils unbegründete Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 SGG unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter zurückzuweisen.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

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(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlich

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Der Vorsitzende kann seine Aufgaben nach den §§ 104, 106 bis 108 und 120 einem Berufsrichter des Senats übertragen.

(2) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage oder der Berufung, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten.
In dringenden Fällen entscheidet der Vorsitzende auch über den Antrag nach § 86b Abs. 1 oder 2.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Jeder Senat wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern tätig. § 12 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 5 gilt entsprechend.

(2) In Senaten, die in Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2) entscheiden, wirken die für Angelegenheiten der Sozialversicherung berufenen ehrenamtlichen Richter mit.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Februar 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die im Jahr 1972 geborene, an spinaler Muskelatrophie leidende Klägerin begehrt vom beklagten Rentenversicherungsträger die Versorgung mit einer Treppensteighilfe als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.

2

Die Beklagte lehnte den darauf gerichteten Antrag der Klägerin ab, weil das Hilfsmittel auch ohne Arbeitsbezug zum Bestandteil der persönlichen Lebensführung gehöre und überdies bei ihrem Arbeitgeber ein Fahrstuhl vorhanden sei (Bescheid vom 15.1.2010). Widerspruch, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom 20.7.2010, Urteil des SG Berlin vom 23.8.2012, Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 26.2.2015). Im Urteil des LSG ist ausgeführt, das Hilfsmittel sei zur Erreichung des Arbeitsplatzes nicht mehr erforderlich, denn die Klägerin verfüge nach Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses bei einem Steuerberater zum 31.12.2014 (zutreffend: 31.1.2014) und - ungeachtet der noch beim Landesarbeitsgericht anhängigen Kündigungsschutzklage - nicht erfolgter Weiterbeschäftigung derzeit nicht mehr über einen Arbeitsplatz, den sie nur mit einer Treppensteighilfe erreichen könne. Zudem hat das LSG der Klägerin "Missbrauchskosten" in Höhe von 337,50 Euro auferlegt, weil sie den Rechtsstreit trotz Belehrung über die völlige Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung fortgeführt habe.

3

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG rügt die Klägerin als Verfahrensmangel eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG).

4

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung der Klägerin vom 9.6.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn sie hat einen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

5

Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss - von bestimmten Ausnahmen abgesehen (insbesondere bei absoluten Revisionsgründen gemäß § 202 S 1 SGG iVm § 547 ZPO) - aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 202 ff).

6

Diesen Erfordernissen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Sie trägt vor, das LSG habe sie und ihren Prozessbevollmächtigten zur mündlichen Verhandlung am 26.2.2015 um 11.45 Uhr geladen. Ausweislich des Terminprotokolls habe die mündliche Verhandlung jedoch von 11.00 Uhr bis 11.30 Uhr stattgefunden, ohne dass sie darüber informiert worden sei. Aufgrund dieses Verstoßes gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren liege der absolute Revisionsgrund des § 202 SGG iVm § 547 Nr 4 ZPO vor, sodass "unwiderruflich" vermutet werde, dass die Rechtsverletzung für die Entscheidung des LSG ursächlich geworden sei.

7

Damit hat die Klägerin zwar schlüssig dargestellt, dass das Berufungsgericht die Regelung in § 110 Abs 1 S 1 SGG missachtet hat, der zufolge den Beteiligten der Ort und die (zutreffende) Zeit der mündlichen Verhandlung in der Regel zwei Wochen vorher mitzuteilen ist(BSG Urteil vom 19.2.1986 - 7 RAr 21/85 - Juris RdNr 14 ; BSG Beschluss vom 2.3.2010 - B 5 R 440/09 B - Juris RdNr 5). Ihrem Vorbringen kann jedoch nicht entnommen werden, inwiefern die Entscheidung des LSG hierauf beruhen kann. Dies gilt in gleicher Weise, soweit sie mit der Rüge der Durchführung der mündlichen Verhandlung vor der festgesetzten und ihr mitgeteilten Terminstunde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG)geltend macht. Zwar ist die Darstellung, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann, entbehrlich, wenn nach den vorgetragenen Umständen ein absoluter Revisionsgrund iS von § 202 S 1 SGG iVm § 547 ZPO vorliegt(stRspr - vgl BSG Urteil vom 19.2.1986 - 7 RAr 21/85 - Juris RdNr 14; BSG Urteil vom 10.12.1992 - 11 RAr 81/92 - Juris RdNr 12 ff; BSG Urteil vom 28.1.1993 - 2 RU 45/92 - Juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 9.4.1997 - 9 RV 17/96 - Juris RdNr 11 f; BSG Beschluss vom 2.3.2010 - B 5 R 440/09 B - Juris RdNr 6). Das ist hier jedoch nicht der Fall.

8

Der absolute Revisionsgrund nach § 202 S 1 SGG iVm § 547 Nr 4 ZPO(bis zum 31.12.2001: § 551 Nr 5 ZPO) liegt vor, wenn ein Beteiligter in dem Verfahren nicht nach den Vorschriften der Gesetze vertreten war, sofern er nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Das kommt in der hier zu beurteilenden Konstellation, in der das LSG die Terminstunde vorgezogen und die mündliche Verhandlung noch vor dem in der Terminmitteilung genannten Zeitpunkt ihres Beginns vollständig abgeschlossen hat, aber nur dann in Betracht, wenn gerade die Vorverlegung der Terminstunde dazu geführt hat, dass ein Beteiligter nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte (so ausdrücklich BSG Urteil vom 19.2.1986 - 7 RAr 21/85 - Juris RdNr 16: dort verneint, weil der Prozessbevollmächtigte zuvor mitgeteilt hatte, an der mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen). Auch den Entscheidungen des BSG, die bei entsprechenden Sachverhalten das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds bejaht haben, lagen jeweils Fallgestaltungen zugrunde, in denen einem Beteiligten gerade wegen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Ladung die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verunmöglicht worden war (BSG Urteil vom 15.10.1986 - 5b RJ 48/85 - Juris RdNr 9 <"wenn deshalb">; BSG Urteil vom 10.12.1992 - 11 RAr 81/92 - Juris RdNr 13; BSG Urteil vom 28.1.1993 - 2 RU 45/92 - Juris RdNr 3, 10; BSG Urteil vom 9.4.1997 - 9 RV 17/96 - Juris RdNr 2, 11; BSG Beschluss vom 2.3.2010 - B 5 R 440/09 B - Juris RdNr 6; in diesem Sinne auch BVerwG Urteil vom 6.2.1987 - 4 C 2/86 - NJW 1987, 2694 - Juris RdNr 9). Soweit im Urteil des BSG vom 22.4.1998 (B 9 SB 3/97 R - Juris RdNr 12) hiervon abweichend und ohne nähere Begründung ausgeführt ist, es komme auf einen etwaigen Ursachenzusammenhang zwischen der Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung und einer unterbliebenen Änderung der Ladung nicht an, war das für die dort getroffene Entscheidung nicht tragend; eine Anfrage beim 9. Senat nach § 41 SGG ist daher nicht erforderlich.

9

Kann mithin im Fall einer vor Beginn der eigentlich mitgeteilten Terminstunde durchgeführten mündlichen Verhandlung das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds nach § 202 S 1 SGG iVm § 547 Nr 4 ZPO nur angenommen werden, wenn die Nichtteilnahme eines Beteiligten auf der fehlerhaften Terminmitteilung beruht, so muss ein Beschwerdeführer zur hinreichenden Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels auch Umstände vortragen, aus denen sich dieses Beruhen ergibt(vgl BSG Urteil vom 19.2.1986 - 7 RAr 21/85 - Juris RdNr 16 am Ende). Dem ist jedenfalls Genüge getan, wenn vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer zu dem in der Terminmitteilung genannten späteren Zeitpunkt bei Gericht erschienen ist und feststellen musste, dass seine Sache bereits entschieden war (vgl zB BSG Beschluss vom 7.10.2009 - B 11 AL 95/09 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 16.12.2014 - B 9 SB 56/14 B - Juris RdNr 6).

10

Im hier zu beurteilenden Fall fehlen entsprechende Darlegungen. Der Beschwerdebegründung kann nicht entnommen werden, ob die Klägerin und/oder ihr Prozessbevollmächtigter zu der in der Terminmitteilung benannten Terminstunde um 11.45 Uhr bei Gericht erschienen sind, um der mündlichen Verhandlung beizuwohnen, sie aber gerade wegen der unzutreffenden Mitteilung an einer Teilnahme gehindert worden sind. Inhalt und Grundlage ihres Vorbringens sind vielmehr allein die Angaben zu Beginn und Ende der mündlichen Verhandlung in der Niederschrift; dass sie trotz ihres am 25.2.2015 um 17.30 Uhr dem LSG übermittelten Befangenheits- und Terminaufhebungsantrags an der mündlichen Verhandlung am 26.2.2015 habe teilnehmen wollen, ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin jedoch nicht. Damit ist das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds nicht schlüssig aufgezeigt. Ebenso fehlen - dann jedenfalls erforderliche - Darlegungen, inwiefern die Entscheidung des LSG auf den gerügten Verfahrensmängeln beruhen kann (§ 160a Abs 2 S 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 1 SGG).

11

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

12

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. April 2015 - L 15 AS 116/12 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 15.4.2015 - L 15 AS 116/12 - ist zulässig, denn er hat einen Verstoß gegen das grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz).

2

Die Beschwerde ist insoweit auch begründet. Der gerügte Verfahrensfehler einer Verletzung von § 33 Abs 1 Satz 1 iVm § 155 Abs 3 und 4 SGG liegt vor. Das LSG war bei seinem ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteil nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 547 Nr 1 Zivilprozessordnung iVm § 202 Satz 1 SGG). Denn es hat durch den Berichterstatter anstelle des Senats entschieden, obwohl das hierfür nach § 155 Abs 3 und 4 SGG erforderliche Einverständnis des Klägers nicht vorgelegen hat.

3

Abweichend vom Grundsatz des § 33 Abs 1 Satz 1 SGG kann nach § 155 Abs 3 SGG der Vorsitzende im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats entscheiden. Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden (§ 155 Abs 4 SGG). Die Frage, ob das LSG über die Berufung durch den Senat entscheidet (grundsätzlich: Vorsitzender, zwei weitere Berufsrichter, zwei ehrenamtliche Richter; bei Übertragungsbeschluss nach § 153 Abs 5 SGG: Berichterstatter, zwei ehrenamtliche Richter) oder ob durch einen Berufsrichter allein entschieden werden darf, berührt das Recht auf den gesetzlichen Richter in seiner einfach-rechtlichen Ausprägung(vgl BSG Beschluss vom 13.2.2014 - B 4 AS 359/13 B - juris-RdNr 7 mwN). Daher kann nur unter den vom Gesetz bestimmten Voraussetzungen des § 155 Abs 3 und 4 SGG, dh im Einverständnis mit den Beteiligten, anstelle des Senats der Vorsitzende oder der Berichterstatter entscheiden.

4

Die Erklärung eines Beteiligten, mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden oder den Berichterstatter einverstanden zu sein und damit auf die besondere Art der Gewährung rechtlichen Gehörs durch den Senat zu verzichten, muss klar, eindeutig und vorbehaltlos sein. Denn die Erklärung hat insoweit weitreichende Folgen, als die Entscheidung durch den gesamten Spruchkörper eine höhere Richtigkeitsgewähr als diejenige eines einzelnen Richters bietet. Nur wenn eine derartige eindeutige Erklärung abgegeben wird, wird die Zuständigkeit des Vorsitzenden oder des Berichterstatters begründet, anstelle des Senats über die Berufung entscheiden zu dürfen (zu diesen Maßstäben vgl BSG Beschluss vom 13.2.2014 - B 4 AS 359/13 B - juris-RdNr 8 mwN).

5

Eine Einverständniserklärung des Klägers, die den beschriebenen Anforderungen gerecht wird, hat hier nicht vorgelegen. Mit Schreiben vom 27.2.2015 hat das LSG in diesem wie in den Parallelverfahren angefragt, ob die Beteiligten "mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter einverstanden sind." In seinem Schreiben vom 8.3.2015 hat der Kläger geantwortet, dass er juristischer Laie sei, und sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Im Übrigen hat er mehrere Fragen zur Anzahl der beteiligten Richter gestellt, ua welchen Einfluss die Anzahl habe oder welchen Unterschied sie mache, ob sich die Gesetze oder die Sachverhalte dadurch ändern, ob die ihm - nach seiner Ansicht - in früheren Verfahren vorenthaltenen Leistungen zugesprochen worden wären, wenn an den Verfahren "andere / mehr / weniger Richter" beteiligt gewesen wären. Selbst wenn ein Sinn in diesen Fragen des Klägers nicht zu erkennen sein sollte, zumal er aufgrund seiner zahlreichen Gerichtsverfahren bis zum BSG mit den Grundzügen des sozialgerichtlichen Verfahrens vertraut sein dürfte, und die Fragen aus Sicht des LSG zu verneinen gewesen sein sollten, ändert dies nichts an dem Umstand, dass diese Fragen kein Einverständnis des Klägers - auch nicht mittelbar - zu einer Entscheidung des Berichterstatters als Einzelrichter anstelle des Senats iS des § 155 Abs 3 und 4 SGG enthalten.

6

Die in der Entscheidung über die Berufung durch den Berichterstatter ohne Einverständniserklärung des Klägers liegende Verletzung von dessen Recht auf den gesetzlichen Richter ist ein absoluter Revisionsgrund (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG; vgl BSG Beschluss vom 13.2.2014 - B 4 AS 359/13 B - juris-RdNr 11 mwN). Nähere Darlegungen dazu, inwiefern das Berufungsurteil auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann, sind daher nicht erforderlich. Der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts führt zur Aufhebung und Zurückverweisung (§ 160a Abs 5 SGG). Gründe für eine Zurückverweisung an einen anderen Senat des LSG (§ 563 Abs 1 Satz 2 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG) sind nicht zu erkennen.

7

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 27. März 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Im Streit steht der Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung ab 1.5.2005. Der im April 2005 bei der Beklagten gestellte Antrag des im Jahre 1951 geborenen Klägers blieb erfolglos (Bescheid vom 19.10.2005; Widerspruchsbescheid vom 10.10.2006). Das SG Hamburg hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28.7.2010 abgewiesen. Das LSG hat diese Entscheidung bestätigt und die Berufung auf die mündliche Verhandlung vom 27.3.2012 durch die Richterin am LSG M. (M.) und zwei ehrenamtliche Richter zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger weder teilweise noch voll erwerbsgemindert sei (§ 43 SGB VI), und auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen (§ 153 Abs 2 SGG).

2

Im Berufungsverfahren ist der nicht anwaltlich vertretene Kläger von der seinerzeit noch zuständigen Berichterstatterin gebeten worden mitzuteilen, ob er mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin gemäß § 155 Abs 3 iVm Abs 4 SGG als Einzelrichterin einverstanden sei(Verfügung vom 22.9.2010). Mit Schreiben vom 21.10.2010 hat sich der Kläger damit nicht einverstanden erklärt, dass eine Einzelrichterin das Verfahren entscheidet, sondern um eine Entscheidung durch drei Richter ("ohne Vorsitzender F.") gebeten. Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 27.5.2011 wurde die Richterin am LSG M. unter Übertragung der Aufgaben nach §§ 104, 106 bis 108 und 120 SGG aufgrund einer senatsinternen geänderten Geschäftsverteilung zur Berichterstatterin für dieses Verfahren bestellt. Mit gerichtlichem Schreiben vom 14.12.2011 ist der nicht vertretene Kläger vom Termin zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme am 27.3.2012 vor der Berichterstatterin mit den ehrenamtlichen Richtern informiert worden. Nach Vernehmung des gerichtlichen Sachverständigen über den Gesundheitszustand des Klägers in der öffentlichen Sitzung des LSG Hamburg vom 27.3.2012 hat die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern in Anwesenheit des Klägers die Berufung zurückgewiesen.

3

Mit der hiergegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger Verfahrensmängel. In seiner Beschwerdebegründung vom 17.5.2013 macht er eine Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 155 Abs 3 und 4 SGG geltend, weil die Berichterstatterin des Berufungsgerichts entschieden habe, obwohl die Voraussetzungen hierfür offensichtlich nicht vorgelegen hätten. Er beruft sich auf Rechtsprechung des BSG (ua BSG SozR 4-1500 § 155 Nr 1).

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

5

Der Kläger hat den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) formgerecht (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) gerügt.

6

Der Verfahrensmangel liegt auch vor. Das LSG hat mit der Entscheidung über die Berufung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.3.2012 den Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 S 2 GG) verletzt, weil die Berichterstatterin den Berufungsrechtsstreit zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden hat, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.

7

Bei Urteilen mit und ohne mündliche Verhandlung entscheidet über das Rechtsmittel der Berufung grundsätzlich der mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern sowie zwei ehrenamtlichen Richtern besetzte Senat (§ 33 S 1 SGG). Nur unter den vom Gesetz bestimmten Voraussetzungen (§§ 153 Abs 5, 155 Abs 3 und Abs 4 SGG)darf in anderer als dieser Besetzung entschieden werden. Die Frage, ob das LSG in voller Senatsbesetzung oder in einer gesetzlich vorgesehenen anderen Besetzung entscheidet, berührt das von Verfassung wegen nach Art 101 Abs 1 S 2 GG gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter in seiner einfachrechtlichen Ausprägung (vgl BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 14 mwN).

8

Nach § 153 Abs 5 SGG kann der Senat in den Fällen des § 105 Abs 2 S 1 SGG (wenn das SG - wie hier - durch Gerichtsbescheid entschieden hat) durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

9

Hier mangelt es bereits an einem Beschluss des Senats, durch den die Berufung der Berichterstatterin zusammen mit zwei ehrenamtlichen Richtern zur Entscheidung übertragen worden ist. Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil auf keinen solchen Beschluss Bezug genommen. Der LSG-Akte kann auch nicht entnommen werden, dass ein solcher Beschluss ergangen ist, der aber Gegenstand der Akte sein müsste, weil er schriftlich abzufassen und der Geschäftsstelle zu übergeben ist (§§ 153 Abs 1, 142 Abs 1, 134 SGG). Der Beschluss hätte den Beteiligten auch zugestellt werden müssen (§§ 153 Abs 1, 133 SGG). In der LSG-Akte findet sich aber weder ein Zustellungsnachweis noch ein Anhaltspunkt dafür, dass eine Zustellung erfolgt wäre (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 8).

10

Der Verfahrensmangel ist auch nicht durch rügelose Einlassung (§ 202 SGG iVm § 295 ZPO) geheilt; dies gilt bereits deswegen, weil die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts zu den nicht verzichtbaren Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Verfahrens (§ 295 Abs 2 ZPO) gehört (BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 8 RdNr 8). Zum anderen ist die Vorschrift des § 295 ZPO auf den Anwaltsprozess zugeschnitten und daher bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten allenfalls nach Belehrung durch den Vorsitzenden anwendbar(BSG vom 12.4.2000 - B 9 SB 2/99 R - Juris RdNr 21).

11

Daher durfte der Senat nur in der nach § 33 S 1 SGG vorgeschriebenen Senatsbesetzung über die Berufung des Klägers entscheiden. Das Urteil des LSG verletzt nicht nur die genannten Vorschriften des SGG, sondern auch das grundrechtsgleiche Recht des Klägers auf den gesetzlichen Richter iS von Art 101 Abs 1 S 2 GG (vgl BSG SozR 4-1500 § 155 Nr 1 mwN).

12

Da das Recht auf den gesetzlichen Richter zu den Grundlagen des Prozessrechts gehört, bei deren Verletzung gesetzlich vermutet wird (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO), dass die ergangene Entscheidung auf der Verletzung von Verfahrensrechten beruht (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 218/12 B - Juris RdNr 11), war die Entscheidung nach § 160a Abs 5 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

13

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 31. März 2015  8 K 61/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte in den Streitjahren gewerbliche Einkünfte. Seinen Gewinn ermittelte er in den Streitjahren 2005 bis 2007 durch Betriebsvermögensvergleich, in den Streitjahren 2008 und 2009 durch Einnahmen-Überschussrechnung.

2

Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung stellte der Prüfer des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) fest, dass Zahlungseingänge in der Buchführung nicht erfasst worden seien und die Nummerierung der Ausgangsrechnungen nicht fortlaufend erfolgt sei. Der Prüfer erhöhte die Gewinne aus Gewerbebetrieb um diese nicht erfassten Umsätze. Außerdem nahm er in jedem Streitjahr Hinzuschätzungen in Höhe von 3.000 € brutto vor.

3

Nachdem der Kläger im Einspruchsverfahren weitere Unterlagen eingereicht hatte, erließ das FA geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2005 und 2006.

4

Im Klageverfahren begehrte der Kläger zum einen die Reduzierung der Gewinne um die Hinzuschätzungen, da nunmehr alle Unterlagen vorgelegen hätten. Zum anderen verlangte er die Minderung des gewerblichen Gewinns des Jahres 2006 um netto 7.715 €. Diesen Betrag habe er nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung an einen Kunden über dessen Rechtsanwalt gezahlt.

5

In seinem Urteil reduzierte das Finanzgericht (FG) den gewerblichen Gewinn für die Jahre 2008 und 2009 um die Hinzuschätzungen, da es für diese Jahre eine materielle Ordnungswidrigkeit der Buchführung nicht erkennen konnte. Im Übrigen hatte die Klage keinen Erfolg.

6

Die Entscheidung des FG erging durch den konsentierten Einzelrichter, nachdem auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers sein Einverständnis mit Schriftsatz vom 22. April 2013 hierzu erklärt hatte. Ein wirksamer Widerruf dieser Einverständniserklärung durch den Kläger in dessen Schriftsatz vom 2. Februar 2015 lag nach Ansicht des FG nicht vor.

7

Der Kläger begehrt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision aufgrund des Vorliegens von Verfahrensmängeln. Eine Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter habe nicht ergehen dürfen. Da der Kläger durch die sachkundige Beratung seines neuen Steuerberaters habe erkennen können, dass die Feststellungen des Prüfers nicht nachvollziehbar gewesen seien, habe sich bei objektiver Betrachtung die Prozesslage wesentlich verändert. Dennoch sei das Gericht auf seinen entsprechenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung nicht eingegangen. Daneben macht der Kläger einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht des FG geltend.

8

Das FA tritt der Beschwerde entgegen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

10

Die von dem Kläger erhobenen Rügen sind, soweit sie nicht bereits unzulässig sind, unbegründet.

11

1. Soweit der Kläger die mangelnde Sachaufklärung des FG rügt, ist diese Rüge unzulässig.

12

a) Die geltend gemachte Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG (§ 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt worden. Eine schlüssige Aufklärungsrüge setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) voraus, dass die ermittlungsbedürftigen Tatsachen und die angebotenen Beweismittel genau bezeichnet werden. Zudem muss auch dargelegt werden, inwieweit das Urteil des FG --ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts-- auf der nicht durchgeführten Beweisaufnahme und der unterlassenen Beiziehung von Akten beruhen kann sowie was das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre (Senatsbeschluss vom 8. Januar 2014 X B 245/12, BFH/NV 2014, 564, m.w.N.).

13

b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeschrift nicht gerecht. So rügt der Kläger, bei einer ordnungsgemäßen Sachaufklärung hätte das FG erkennen müssen, dass erhöhte Betriebseinnahmen, die der Prüfer festgestellt habe, nicht auf ungebuchten Rechnungen, sondern auf Buchungsfehlern beruhten. Genaue Fundstellen (Schriftsatz oder Terminprotokoll), wann er dies im Klageverfahren vorgetragen und das FG auf diesen Umstand hingewiesen hat, bleibt er schuldig. Er behauptet diesen Tatbestand lediglich und nennt auch in der Beschwerdeschrift keine weiteren Einzelheiten. Sein Vorbringen, dass zwei Buchungskreise geführt worden seien, um den Kunden des Klägers Schlussfolgerungen auf seinen echten Auftragsbestand zu erschweren, ist ebenfalls unsubstantiiert.

14

c) In der Sache erlaubt sich der Senat darauf hinzuweisen, dass der zumutbare Inhalt und die Intensität der richterlichen Ermittlung in einem zwingenden Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beteiligten stehen. Je intensiver sich die Mitwirkung der Beteiligten gestaltet, umso stärker ist das Gericht gehalten, deren Vorbringen zu analysieren, auf etwaige Ungereimtheiten hinzuweisen und mit eigenen Mitteln noch unaufgeklärte Geschehensabläufe zu erforschen. Je weniger die Beteiligten andererseits ihrer Mitwirkungspflicht nachkommen, umso weniger Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung hat in der Regel auch das Gericht und umso weniger ist dieses dementsprechend gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO zur Sachverhaltsaufklärung verpflichtet. Dabei ergibt sich aus dem Grundsatz der Prozessökonomie ergänzend, dass das Gericht zwar berechtigt, aber keineswegs stets verpflichtet ist, unter Inkaufnahme eines unverhältnismäßig großen Aufwands Umstände zu ermitteln, die im Wissensbereich der Beteiligten liegen und die diese unter Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht nicht preisgeben. Die Amtsermittlungspflicht wird durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten begrenzt (vgl. hierzu nur Senatsurteil vom 30. Juli 2003 X R 28/99, BFH/NV 2004, 201, unter II.1., m.w.N.).

15

Dass der Kläger seiner Mitwirkungspflicht im Finanzgerichtsverfahren in Bezug auf die Aufklärung der aus Sicht des FG fehlerhaften Buchungen nachgekommen ist, ist nicht erkennbar. Vielmehr hat er im Klageverfahren die materiellen Buchführungsmängel in den Streitjahren 2005 bis 2007 noch damit begründet, die Nichtverbuchung sei ausschließlich auf ein Verschulden des steuerlichen Beraters zurückzuführen, da er diesem alle Rechnungen zur Verfügung gestellt habe.

16

2. Soweit der Kläger anführt, das FG habe trotz seines wirksamen Widerrufs eine Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter getroffen, hat er keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dargelegt, auf dem das Urteil des FG beruhen könnte.

17

Zwar hat der Kläger im Schriftsatz vom 2. Februar 2015 mitgeteilt, seine "Zustimmung zu der Verhandlung durch den Berichterstatter zurückzuziehen". Ein wirksamer Widerruf einer Einverständniserklärung zur Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 79a Abs. 3 und 4 FGO, soweit dieser überhaupt zulässig sein kann (vgl. insoweit BFH-Beschluss vom 10. Februar 2011 II S 39/10 (PKH), BFHE 232, 310, BStBl II 2011, 657, m.w.N.), liegt jedoch erkennbar nicht vor. Es fehlt bei objektiver Betrachtung an der nachträglichen wesentlichen Änderung der Prozesslage (vgl. z.B. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 79a Rz 26, m.w.N.).

18

Vorliegend macht der Kläger lediglich eine im Laufe des Verfahrens eingetretene bessere Erkenntnis aufgrund sachgerechter Beratung durch seinen Steuerberater geltend. Da dieser Steuerberater den Kläger seit Beginn des Klageverfahrens im März 2013 vertrat, und somit auch bereits bei Abgabe der Einverständniserklärung am 22. April 2013, ist eine nachträgliche wesentlich geänderte Prozesslage nicht erkennbar.

19

3. Soweit der Kläger mit seinem Einwand, das FG sei insoweit nicht auf seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung eingegangen, die Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) geltend macht, kann dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Das FG hat insbesondere auch nicht gegen die sogenannte Beachtungspflicht verstoßen.

20

Die Beachtungspflicht ist verletzt, wenn das FG Äußerungen eines Verfahrensbeteiligten zu entscheidungserheblichen Fragen nicht zur Kenntnis nimmt bzw. bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung zieht. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht aber nicht, sich mit Ausführungen auseinanderzusetzen, auf die es für die Entscheidung nicht ankommt. Das Gericht ist auch nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist jedoch verletzt, wenn das Gericht Sachverhalt und Sachvortrag, auf den es ankommen kann, nicht nur nicht ausdrücklich bescheidet, sondern überhaupt nicht berücksichtigt (zum Ganzen Senatsbeschlüsse vom 17. März 2010 X B 62/09, BFH/NV 2010, 1825, unter II.2.a, und vom 13. März 2015 X B 138/14, BFH/NV 2015, 982, unter IV.1.a, m.w.N.).

21

Dies ist vorliegend nicht geschehen. Vielmehr hat das FG in seinem Urteil dargelegt, warum eine Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter weiterhin möglich geblieben ist.

22

4. Letztlich rügt der Kläger, das FG habe seine Argumente nicht als durchgreifend angesehen. Er wendet sich erkennbar allein gegen die aus seiner Sicht fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdigung des FG. Hierin liegt jedoch nicht eine Geltendmachung eines Verfahrensfehlers, sondern einer falschen materiellen Rechtsanwendung, die grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 31. Januar 2013 X B 21/12, BFH/NV 2013, 759, m.w.N.). Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juli 2012 X B 144/11, BFH/NV 2012, 1982).

23

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

24

6. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

(1) Der Vorsitzende kann seine Aufgaben nach den §§ 104, 106 bis 108 und 120 einem Berufsrichter des Senats übertragen.

(2) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage oder der Berufung, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten.
In dringenden Fällen entscheidet der Vorsitzende auch über den Antrag nach § 86b Abs. 1 oder 2.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Der Vorsitzende kann seine Aufgaben nach den §§ 104, 106 bis 108 und 120 einem Berufsrichter des Senats übertragen.

(2) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage oder der Berufung, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten.
In dringenden Fällen entscheidet der Vorsitzende auch über den Antrag nach § 86b Abs. 1 oder 2.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin nahm an der zwischen der Beklagten und dem Bayerischen Hausärzteverband (BHÄV) vereinbarten hausarztzentrierten Versorgung (HzV) teil (HzV-Vertrag vom 3.9.2009). Die Beklagte sah als Leistungen für an der HzV teilnehmende Versicherte ua diverse Vorsorgeuntersuchungen und die Beschränkung der Praxisgebühr auf 10 Euro im Jahr vor. Die Beklagte kündigte den HzV-Vertrag außerordentlich zum 31.12.2010. Der BHÄV ist im einstweiligen Rechtsschutz erfolglos geblieben (Bayerisches LSG vom 22.2.2011 - L 12 KA 2/11 B ER - Breith 2011, 401). Die Beklagte stellte gegenüber der Klägerin fest, dass ihre Teilnahme an der HzV ab 2011 beendet und sie nicht länger von der Praxisgebühr befreit sei (Bescheid vom 21.1.2011; Widerspruchsbescheid vom 19.5.2011). Die Klägerin ist mit ihrem Begehren, weiterhin die von der Beklagten für die Teilnahme an der HzV vorgesehenen Leistungen und Zuzahlungsermäßigungen zu erhalten, beim SG erfolglos geblieben. Im Hinblick auf einen mit Wirkung vom 1.7.2012 neu abgeschlossenen HzV-Vertrag, an dem die Klägerin teilnimmt, hat sie im Berufungsverfahren nur noch beantragt, die Rechtswidrigkeit der erledigten Feststellung der Beklagten festzustellen. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage sei unzulässig, weil es am besonderen Interesse, die Rechtswidrigkeit festzustellen, fehle. Insbesondere liege keine Wiederholungsgefahr vor. Die Beklage habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie in vergleichbaren Fällen zukünftig keine Aufhebungsbescheide mehr erlassen werde. Auch die abstrakte Möglichkeit der Kündigung eines HzV-Vertrags genüge nicht. Zudem hätten sich die Rahmenbedingungen geändert, weil eine Praxisgebühr nicht mehr zu entrichten sei, und die Beklagte könne auch mit anderen als dem BHÄV einen HzV-Vertrag schließen (Urteil vom 13.1.2015).

2

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

3

II. Soweit die Beschwerde zulässig einen Revisionszulassungsgrund geltend macht, ist sie nicht begründet. Zwar liegt der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) vor (dazu 1.). Nach dem Rechtsgedanken des § 170 Abs 1 S 2 SGG kann aber eine Revision keinen Erfolg haben. In einem solchen Falle ist für die Zulassung der Revision oder eine Zurückverweisung nach § 160a Abs 5 SGG kein Raum(dazu 2.). Im Übrigen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht die für die Zulässigkeit der Beschwerde maßgeblichen Darlegungsvoraussetzungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG. Soweit die Klägerin die Beschwerde auch auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) stützt, legt sie die hierfür notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar (dazu 3.).

4

1. Das LSG-Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), den die Klägerin entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG bezeichnet. Zu Recht rügt die Klägerin, das LSG hätte in der Sache entscheiden müssen und ihre Berufung nicht wegen Unzulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage zurückweisen dürfen.

5

Indem das LSG die Fortsetzungsfeststellungsklage als unzulässig angesehen hat, hat es der Klägerin insoweit rechtsfehlerhaft eine Sachentscheidung verwehrt. Darin liegt ein Verfahrensmangel, der im Rahmen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zu berücksichtigen ist(vgl zum Verfahrensfehler infolge einer zu Unrecht erfolgten oder unterlassenen Sachentscheidung BSGE 3, 293, 297 f; BSGE 4, 200, 201; BSGE 39, 200, 201 = SozR 1500 § 144 Nr 3; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 16; BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - Juris RdNr 20; BSG Beschluss vom 18.9.2003 - B 9 V 82/02 B - Juris RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 6; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 19 RdNr 6; BSG Beschluss vom 24.2.2011 - B 14 AS 143/10 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 13.6.2013 - B 13 R 437/12 B - Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 4.3.2014 - B 1 KR 43/13 B - Juris RdNr 6 mwN; BSG Beschluss vom 23.6.2015 - B 1 KR 18/15 B - Juris RdNr 6).

6

Das LSG hat zu Unrecht die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage wegen fehlenden Feststellungsinteresses verneint, indem es auf die Behauptung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung abgestellt hat, dass sie zukünftig in vergleichbaren Fällen keinen Aufhebungsbescheid mehr erlassen werde. Bei Prozesserklärungen hat das Revisionsgericht - anders als bei materiell-rechtlichen Erklärungen (vgl zu Letzteren zB BSGE 75, 92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10 mwN) - die Auslegung der Erklärung in vollem Umfang zu überprüfen, also das wirklich Gewollte, das in der Äußerung erkennbar ist, zu ermitteln (BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2; BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - Juris RdNr 21; BSG Urteil vom 29.5.1980 - 9 RV 8/80 - Juris; BSGE 21, 13, 14 = SozR Nr 5 zu § 156 SGG; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 488 f mwN). Dabei ist nach dem in § 133 BGB zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch im öffentlichen Recht und im Prozessrecht gilt, bei der Auslegung von Erklärungen nicht am Wortlaut zu haften, sondern der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen(BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2; BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - Juris RdNr 21). Bei der Auslegung sind zudem das Willkürverbot gemäß Art 3 Abs 1 GG, das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art 19 Abs 4 GG und das Rechtsstaatsprinzip zu beachten. Das Rechtsstaatsprinzip verbietet es dem Richter, das Verfahrensrecht so auszulegen und anzuwenden, dass den Beteiligten der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelinstanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird (vgl BVerfGE 77, 275, 284 mwN). Eine angemessene Auslegung dient zugleich der Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl dazu BVerfGE 107, 395, 401 ff = SozR 4-1100 Art 103 Nr 1 RdNr 5 ff; BVerfGE 110, 77, 85; zur Auswirkung des verfassungsrechtlichen Auftrags der Gerichte zur Gewährung effektiven und möglichst lückenlosen Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt auf die Auslegung von Prozesserklärungen vgl auch BSG SozR 4-1500 § 92 Nr 2 RdNr 9; zur Auslegung vgl auch Senat SozR 4-1500 § 158 Nr 1 RdNr 14 mwN).

7

Danach hätte das LSG den Fortsetzungsfeststellungsantrag nur dahin verstehen können, dass die Klägerin umfassend die Feststellung begehrte, aus dem bisher geltenden HzV-Vertrag und den sich hierauf beziehenden satzungsrechtlichen Regelungen der Beklagten auch zukünftig Leistungsansprüche bzw Zuzahlungsermäßigungen für sich ableiten zu können. Dies geht schon aus der in der Sitzungsniederschrift festgehaltenen Erklärung der Klägerin hervor, dass Klarheit bestehen müsse, wie vorzugehen sein werde, wenn künftig eine KK eine HzV, an der sie teilnehme, beende und welche Möglichkeiten der Klägerin dann zu Gebote stünden.

8

Soweit das LSG ergänzend darauf abgestellt hat, dass eine abstrakte Gefahr der Kündigung des HzV-Vertrags kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Sinne der Vorbeugung einer Wiederholungsgefahr zu begründen vermöge, hat es sich nicht damit auseinandergesetzt, dass zwischen der Beklagten und dem BHÄV erhebliche Konflikte (fort-)bestehen, die einen vertragslosen Zustand keineswegs als eine bloß abstrakte Frage erscheinen lassen. Diese Problematik ist gerichtsbekannt. Das LSG verweist insoweit selbst darauf, dass der ab 1.7.2012 geltende HzV-Vertrag aufgrund eines nicht abgeschlossenen Schiedsverfahrens weiter Anwendung finde (vgl dazu den Sachverhalt im Urteil des SG München vom 16.7.2014 - S 28 KA 696/12 - Juris; s ferner SG München Urteil vom 24.6.2015 - S 21 KA 620/15 ER - www.sozialgerichtsbarkeit.de; vgl hierzu ergänzend auch http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/54983/AOK-Bayern-kuendigt-Hausarztvertrag; http://www.bhaev.de/index.php/berufspolitik/berufspolitische-informationen/rundschreiben/2208-auseinandersetzung-mit-aok-bayern-politik-steht-hinter-hausaerzten.html; s ferner http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/62965/Hausarztvertrag-Huml-zwingt-AOK-zur-Umsetzung; alle abgerufen am 2.9.2015). Im Ergebnis nichts anderes gilt für das Argument des LSG, dass eine Wiederholungsgefahr auch deswegen entfalle, weil die Beklagte auch mit anderen Vertragspartnern als dem BHÄV einen HzV-Vertrag abschließen könne. Unter Berücksichtigung des hohen Organisationsgrades der Hausärzte im BHÄV (nach dessen Angaben 75 %, vgl http://www.bhaev.de/index.php/57-service.html; abgerufen am 2.9.2015) ist gerade dies vor dem Hintergrund der Vertragsabschlusspflicht nach § 73b Abs 4 S 1 SGB V nur eine theoretische Möglichkeit. Auf die Frage, ob das Feststellungsinteresse entfallen sein könnte, weil die Praxisgebühr durch Streichung des § 28 Abs 4 SGB V mit Wirkung vom 1.1.2013 (durch Art 1 Nr 2 Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, BGBl I 2789) nicht mehr zu entrichten ist, kommt es schon deswegen nicht an, weil nach § 53 Abs 3 S 2 SGB V neben Prämienzahlungen auch andere Formen der Zuzahlungsermäßigungen in Betracht kommen und der Klägerin es auch um die Weitergewährung sonstiger im HzV-Vertrag vereinbarter erweiterter Leistungen geht.

9

2. Für die Zulassung der Revision oder eine Zurückverweisung nach § 160a Abs 5 SGG ist indes kein Raum, wenn feststeht, dass das angefochtene LSG-Urteil unabhängig vom Vorliegen der geltend gemachten Zulassungsgründe aus anderen als den vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen Bestand haben wird(Rechtsgedanke des § 170 Abs 1 S 2 SGG im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde; vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 23 RdNr 8 f mwN). Eine sich formgerecht auf einen Verfahrensfehler stützende Nichtzulassungsbeschwerde ist in solchen Fällen unbegründet. So verhält es sich hier.

10

Nach Wortlaut (dazu a) und Regelungszweck (dazu b) des § 73b SGB V - jeweils in Einklang mit dessen Entstehungsgeschichte - sowie nach dem Regelungssystem der Anspruchsberechtigung der Versicherten(dazu c) können einem an der HzV teilnehmenden Versicherten keine Ansprüche auf Leistungen aus einem HzV-Vertrag für Zeiträume nach Beendigung des HzV-Vertrages zustehen. Nichts anderes ergibt sich für Prämienzahlungen und Zuzahlungsermäßigungen nach § 53 Abs 3 S 2 SGB V(dazu d).

11

a) § 73b Abs 5 SGB V(idF durch Art 1 Nr 45 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378) bestimmt: "In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Gegenstand der hausarztzentrierten Versorgung dürfen nur solche Leistungen sein, über deren Eignung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106a Abs. 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend." Hiernach eröffnete der Gesetzgeber des GKV-WSG den KKn und den anderen sich aus § 73b Abs 4 SGB V ergebenden möglichen Vertragspartnern einen erheblichen Spielraum zur Ausgestaltung der Leistungsansprüche der Versicherten, die freiwillig an der HzV teilnehmen. Insbesondere können danach HzV-Verträge Leistungen für die teilnehmenden Versicherten vorsehen, die unter Beachtung der sich aus § 73b Abs 5 S 3 SGB V ergebenden Grenzen über den GKV-Leistungskatalog hinausgehen. Dies steht in Einklang mit der Begründung zu Art 1 Nr 45 des GKV-WSG-Entwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. Dort heißt es (BT-Drucks 16/3100 S 112): "Absatz 5 regelt, dass die Ausgestaltung der hausarztzentrierten Versorgung im Einzelnen den Vertragspartnern obliegt, d.h. insbesondere die Mindestanforderungen nach Absatz 2 zu operationalisieren und eine angemessene Vergütung zu vereinbaren. Hinsichtlich des Gestaltungsermessens der Vertragspartner bezüglich Inhalt und Organisation der hausärztlichen Versorgung lehnt sich die Regelung in Absatz 5 an die entsprechende Vorschrift in § 140b Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 Satz 1 an. (…)".

12

b) Dies entspricht auch dem Regelungszweck des durch Art 1 Nr 49 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vom 14.11.2003 (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG, BGBl I 2190) in das SGB V eingefügten § 73b SGB V. Er verpflichtet die KKn, ihren Versicherten eine qualitativ besonders hoch stehende hausärztliche Versorgung bereitzustellen und den KKn zur Erfüllung dieser Verpflichtung über das geltende Recht hinaus Gestaltungsspielraum zur einzelvertraglichen Ausgestaltung des Versorgungsgeschehens zu geben. Die KKn bekommen die Chance, im Rahmen der gesamtvertraglichen Vorgaben die hausarztzentrierte Versorgung in dem Vertrag mit dem Hausarzt auszugestalten (vgl Begründung des GMG-Gesetzentwurfs der Fraktionen der SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/1525 S 97).

13

c) Damit ergänzt § 73b SGB V das Regelungssystem der GKV zur Begründung von Leistungsansprüchen Versicherter, indem er mit dem HzV-Vertrag eine zusätzliche Rechtsgrundlage für mehr oder weniger vom GKV-Leistungskatalog abweichende Ansprüche der Versicherten schafft. Danach kann der HzV-Vertrag die Leistungsansprüche der teilnehmenden Versicherten sowohl umfassend und abschließend als auch nur ergänzend regeln. § 73b SGB V regelt hingegen nicht selbst die Leistungsansprüche der Versicherten. Fällt der Vertrag weg, fehlt es auch an einer Rechtsgrundlage für vom GKV-Leistungskatalog abweichende Ansprüche der bislang an der HzV teilnehmenden Versicherten. Die Ansprüche der Versicherten bestimmen sich dann wieder allein nach dem GKV-Leistungskatalog.

14

d) Ergänzend sieht § 53 Abs 3 SGB V(idF durch Art 1 Nr 33 GKV-WSG) vor, dass die KK in ihrer Satzung für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen - ua § 73b SGB V - teilnehmen, Tarife anzubieten hat. Für diese Versicherten kann die KK eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Auch diese Regelung knüpft an das Vorliegen eines geltenden HzV-Vertrages an.

15

3. Die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache notwendigen Voraussetzungen legt die Klägerin nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwieweit diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f mwN).

16

Die Klägerin formuliert folgende zwei Fragen:

        

"Hat der Versicherte einer gesetzlichen Krankenversicherung, hier die Klägerin, einen selbstständig einklagbaren Anspruch gegenüber ihrer Krankenversicherung, hier der Beklagten, dass ihr eine hausarztzentrierte Versorgung im Sinne des § 73b SGB V angeboten wird?"

        

und     

        

"Wenn eine hausarztzentrierte Versorgung seitens einer gesetzlichen Krankenversicherung, hier der Beklagten, gegenüber der Klägerin angeboten wird, diese zudem eine bestimmte Laufzeit hat, hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen selbstständig einklagbaren Anspruch bei Kündigung der hausarztzentrierten Versorgung gegenüber den Leistungserbringern (Hausärzten) durch die Klägerin bzw. Scheitern des zwischen der Klägerin und den Hausärzten bestehenden Vertrages auf eine Weitergewährung der in der hausarztzentrierten Versorgung angebotenen Leistungen bis zum Ende der Geltung des derzeitigen hausarztzentrierten Vertrages bzw. auch darüber hinaus bis zum Abschluss eines neuen Vertrages."

17

Die Klägerin zeigt bereits die Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) der ersten Rechtsfrage nicht auf. Das Fortsetzungsfeststellungsbegehren der Klägerin ist nach ihrem eigenen Vorbringen weder darauf gerichtet zu klären, ob die Beklagte ihr überhaupt eine HzV aufgrund eines bestehenden HzV-Vertrages anzubieten hat, noch darauf, ob sie einen Anspruch darauf hat, die Beklagte zum Abschluss eines (neuen) HzV-Vertrages mit dem BHÄV oder einem anderen Vertragspartner iS des § 73b Abs 4 SGB V zu verpflichten. Das Fortsetzungsfeststellungsbegehren erschöpft sich nach dem gesamten Vorbringen der Klägerin darin, welche Rechtsfolgen sich aus dem Umstand ergeben, dass die Beklagte ihr die Teilnahme an einer HzV aufgrund des HzV-Vertrages vom 3.9.2009 zwar ermöglichte, aber diesen Vertrag mit Ablauf des 31.12.2010 außerordentlich kündigte.

18

Soweit die Klägerin hierzu die zweite Frage formuliert, lässt der Senat offen, ob die Klägerin damit eine Rechtsfrage klar formuliert hat. Die Beschwerdebegründung zeigt aber den Klärungsbedarf nicht hinreichend auf. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, obwohl das BSG sie noch nicht ausdrücklich behandelt hat, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sodass eine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts nicht mehr zu erwarten ist (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 17; BSG Beschluss vom 16.4.2012 - B 1 KR 25/11 B - Juris RdNr 7 = NZS 2012, 557; BSG Beschluss vom 31.1.2013 - B 1 KR 106/12 B - RdNr 6; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 313). So verhält es sich hier wie zuvor unter 2. dargelegt. Die Klägerin setzt sich weder mit Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Regelungszweck des § 73b SGB V noch mit seiner Einordnung in die Regelungssystematik des übrigen Leistungs- und Leistungserbringungsrechts auseinander. Sie verweist lediglich darauf, dass bei den in Rede stehenden Leistungen und Zuzahlungsermäßigungen das Zustandekommen bzw der Wegfall des HzV-Vertrages insofern keine Relevanz ihr gegenüber habe, weil sie unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines solchen Vertrages Anspruch auf die ihr von der Beklagten mit Informationsschreiben mitgeteilten Leistungen habe. KKn hätten ihren Versicherten eine Versorgung nach § 73b SGB V mit den entsprechenden Leistungserbringern zur Verfügung zu stellen, wie sie sich aus dem Informationsschreiben der Beklagten ergebe. Anderenfalls würden Leistungsansprüche Versicherter zum Spielball der Vertragsparteien.

19

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

(1) Der Vorsitzende kann seine Aufgaben nach den §§ 104, 106 bis 108 und 120 einem Berufsrichter des Senats übertragen.

(2) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage oder der Berufung, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten.
In dringenden Fällen entscheidet der Vorsitzende auch über den Antrag nach § 86b Abs. 1 oder 2.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Bei dem Bundessozialgericht wird ein Großer Senat gebildet.

(2) Der Große Senat entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, nunmehr zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat besteht aus dem Präsidenten, je einem Berufsrichter der Senate, in denen der Präsident nicht den Vorsitz führt, je zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Versicherten und dem Kreis der Arbeitgeber sowie je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen und dem Kreis der Versorgungsberechtigten und der behinderten Menschen im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Legt der Senat für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, gehören dem Großen Senat außerdem je ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und dem Kreis der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten an. Legt der Senat für Angelegenheiten des § 51 Abs. 1 Nr. 6a vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, gehören dem Großen Senat außerdem zwei ehrenamtliche Richter aus dem Kreis der von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände Vorgeschlagenen an. Sind Senate personengleich besetzt, wird aus ihnen nur ein Berufsrichter bestellt; er hat nur eine Stimme. Bei einer Verhinderung des Präsidenten tritt ein Berufsrichter des Senats, dem er angehört, an seine Stelle.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Den Vorsitz im Großen Senat führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(7) Der Große Senat entscheidet nur über die Rechtsfrage. Er kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Seine Entscheidung ist in der vorliegenden Sache für den erkennenden Senat bindend.

(1) Der Vorsitzende kann seine Aufgaben nach den §§ 104, 106 bis 108 und 120 einem Berufsrichter des Senats übertragen.

(2) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage oder der Berufung, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten.
In dringenden Fällen entscheidet der Vorsitzende auch über den Antrag nach § 86b Abs. 1 oder 2.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 7. Mai 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in der Sache noch über die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" für die Zeit ab Juni 2010. Einen entsprechenden Anspruch der Klägerin hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) mit Urteil seiner Berichterstatterin vom 7.5.2013 ohne mündliche Verhandlung verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen eines Verfahrensmangels, nämlich einer Verletzung des § 124 Abs 2 SGG, begründet(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

2

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig. Der von der Klägerin gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG gerügte Verfahrensmangel einer Verletzung des § 124 Abs 2 SGG ist iS des § 160a Abs 2 S 3 SGG hinreichend bezeichnet.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch begründet. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das LSG hätte unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles am 7.5.2013 über die Berufung der Klägerin nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen, weil in diesem Zeitpunkt eine wirksame Einverständniserklärung der Klägerin nach § 124 Abs 2 SGG nicht vorlag.

4

Nach § 124 Abs 1 SGG entscheidet das Gericht, soweit nichts anderes bestimmt ist, aufgrund mündlicher Verhandlung. Gemäß § 124 Abs 2 SGG kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten(s § 69 SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

5

Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20.11.2012 am 23.11.2012 gegenüber dem LSG abgegebene Einverständniserklärung, "ohne mündliche Verhandlung gemäß § 155 Abs 3 und 4 SGG" zu entscheiden, neben dem Einverständnis einer Entscheidung durch den Vorsitzenden oder den Berichterstatter auch ein Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung iS von § 124 Abs 2 SGG enthielt. Selbst wenn man davon - insbesondere im Hinblick auf die Rechtskundigkeit der damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin - ausgeht, hatte diese Einverständniserklärung wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ihre Wirksamkeit verloren (s nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 124 RdNr 3c mwN; s Beispiele bei Keller, aaO, RdNr 3e).

6

Eine für die Klägerin wesentliche Änderung der Prozesslage ist hier dadurch eingetreten, dass das LSG nach dem 23.11.2012 durch Einholung eines ärztlichen Befundberichts Ermittlungen durchgeführt sowie mit Schreiben vom 21.1.2013 die Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf die Aussichtslosigkeit der Berufung hingewiesen und angefragt hat, ob das Berufungsverfahren fortgeführt werden soll. Vor einer Entscheidung über die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung hätte das LSG demzufolge eine erneute Einverständniserklärung der Klägerin nach § 124 Abs 2 SGG einholen müssen, was indes nicht geschehen ist.

7

Da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, macht der Senat von dem ihm gemäß § 160a Abs 5 SGG eingeräumten Ermessen zur Verfahrensbeschleunigung Gebrauch und verweist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

8

Das LSG wird bei Abschluss des wieder eröffneten Berufungsverfahrens auch über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden haben.

(1) Der Vorsitzende kann seine Aufgaben nach den §§ 104, 106 bis 108 und 120 einem Berufsrichter des Senats übertragen.

(2) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage oder der Berufung, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten.
In dringenden Fällen entscheidet der Vorsitzende auch über den Antrag nach § 86b Abs. 1 oder 2.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Der Vorsitzende kann seine Aufgaben nach den §§ 104, 106 bis 108 und 120 einem Berufsrichter des Senats übertragen.

(2) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage oder der Berufung, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten.
In dringenden Fällen entscheidet der Vorsitzende auch über den Antrag nach § 86b Abs. 1 oder 2.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Bei dem Bundessozialgericht wird ein Großer Senat gebildet.

(2) Der Große Senat entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, nunmehr zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat besteht aus dem Präsidenten, je einem Berufsrichter der Senate, in denen der Präsident nicht den Vorsitz führt, je zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Versicherten und dem Kreis der Arbeitgeber sowie je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen und dem Kreis der Versorgungsberechtigten und der behinderten Menschen im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Legt der Senat für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, gehören dem Großen Senat außerdem je ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und dem Kreis der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten an. Legt der Senat für Angelegenheiten des § 51 Abs. 1 Nr. 6a vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, gehören dem Großen Senat außerdem zwei ehrenamtliche Richter aus dem Kreis der von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände Vorgeschlagenen an. Sind Senate personengleich besetzt, wird aus ihnen nur ein Berufsrichter bestellt; er hat nur eine Stimme. Bei einer Verhinderung des Präsidenten tritt ein Berufsrichter des Senats, dem er angehört, an seine Stelle.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Den Vorsitz im Großen Senat führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(7) Der Große Senat entscheidet nur über die Rechtsfrage. Er kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Seine Entscheidung ist in der vorliegenden Sache für den erkennenden Senat bindend.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 3. Juni 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat im Urteil vom 3.6.2015 einen Anspruch des 1960 geborenen Klägers auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, verneint. Der Kläger habe letztmals im Februar 2010 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung (Drei-Fünftel-Belegung) erfüllt, aber erst im Juni 2011 einen Rentenantrag gestellt. Nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen sei kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass er bereits im Februar 2010 oder früher nicht mehr in der Lage gewesen wäre, leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden täglich auszuüben, zumal weder ungewöhnliche noch schwere spezifische Leistungseinschränkungen bestünden. Auch die ihm sozial zumutbare Verweisungstätigkeit eines Kaufmannes für die Wohnungswirtschaft auf Sachbearbeiterebene habe er arbeitstäglich noch für wenigstens sechs Stunden ausüben können.

2

Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil ausschließlich einen Verfahrensmangel geltend.

3

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 9.9.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat einen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; Nr 21 RdNr 4; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 202 ff). Zu beachten ist, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann(§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG)und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist(§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).

5

Die Beschwerdebegründung des Klägers wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Er beanstandet, das LSG habe seine Verpflichtung zur Sachaufklärung nach § 103 SGG verletzt. Nachdem das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten des Dr. M. zu dem Ergebnis gekommen sei, dass er - der Kläger - auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz noch sechs Stunden täglich arbeiten könne, habe er im Schriftsatz vom 12.5.2015 den Beweisantrag gestellt, den ihn psychotherapeutisch behandelnden Arzt Dr. R. als sachverständigen Zeugen zu dem Beweisthema zu hören, dass er "nicht mehr in der Lage ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein". Im Termin am 3.6.2015 habe er diesen Antrag aufrechterhalten. Im Urteil vom 3.6.2015 habe das LSG jedoch ausgeführt, dass dem Beweisantrag nicht nachzugehen gewesen sei, da Dr. R. in seinen wiederholten Attesten und dem von ihm eingeholten Befundbericht keine objektiven Befunde beschrieben habe, die geeignet seien, die Einschätzung des Leistungsvermögens im nervenärztlichen Gutachten des Dr. M.-D. sowie im Gutachten des Dr. M. in Zweifel zu ziehen.

6

Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit hinreichend präzise einen bis zuletzt von ihm durch Hinweis zu Protokoll aufrechterhaltenen oder aber im Urteil des LSG wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnet hat (zu diesem Erfordernis s BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 22.10.2015 - B 13 R 304/15 B - JurionRS 2015, 29489 RdNr 8 f). Jedenfalls enthält das in der Beschwerdebegründung bezeichnete Beweisbegehren keinen prozessordnungskonformen Beweisantrag iS von § 118 Abs 1 SGG iVm §§ 402 ff ZPO.

7

Gemäß § 414 ZPO kommen in Bezug auf sachverständige Zeugen die Vorschriften der §§ 373 ff ZPO über den Zeugenbeweis zur Anwendung. Aufgabe eines sachverständigen Zeugen ist es, sein Wissen über persönliche Wahrnehmungen zu schildern, die zu machen er aufgrund seiner besonderen Sachkunde in der Lage war (BSG Beschluss vom 1.7.2015 - B 5 R 136/15 B - JurionRS 2015, 20433 RdNr 11; s auch Leopold in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 118 RdNr 47). Ein Beweisantrag mit dem Ziel der Vernehmung eines sachverständigen Zeugen muss deshalb bei Angabe des Beweisthemas die Art von Tatsachen (§ 373 ZPO)näher bezeichnen, die dieser selbst wahrgenommen haben soll, also zB Feststellungen eines Arztes zu den von ihm erhobenen gesundheitlichen Befunden oder Beobachtungen bei einer Operation. Die vom Kläger in seinem Beweisbegehren benannte Frage, ob "der Kläger nicht mehr in der Lage ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein", unterliegt als solche jedoch nicht der unmittelbaren persönlichen (fachkundigen) Wahrnehmung einer bestimmten Person, sondern ist als das Ergebnis einer fachkundigen Einordnung und Bewertung verschiedenster (auch nicht selbst wahrgenommener) Einzeltatsachen, aus denen Rückschlüsse auf die berufliche Leistungsfähigkeit einer Person gezogen werden können, dem Sachverständigenbeweis vorbehalten. Die genannte Frage ist deshalb von vornherein als Beweisthema eines prozessordnungsgerechten Antrags zur Beweiserhebung mit Hilfe eines sachverständigen Zeugen nicht geeignet (ebenso zur Vernehmung behandelnder Ärzte als sachverständige Zeugen dazu, dass ein Kläger "nicht mehr arbeiten könne", BSG Beschluss vom 1.7.2015 - B 5 R 136/15 B - JurionRS 2015, 20433 RdNr 14).

8

Der vom Kläger wiedergegebene Beweisantrag kann auch nicht sinngemäß gedeutet werden als Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bei dem ihn behandelnden Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. R……. Denn der Kläger hatte, wie er selbst vorträgt, im Berufungsverfahren sein Recht auf Anhörung eines bestimmten Arztes nach § 109 SGG in der Person des Dr. M. bereits verbraucht. Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung lässt darüber hinaus auch nicht erkennen, dass der Kläger mit seinem Beweisantrag gegenüber dem LSG substantiiert geltend gemacht hätte, die bereits vorliegenden Gutachten seien ungenügend (vgl § 412 Abs 1 ZPO)und als Beweisgrundlage völlig ungeeignet, sodass von Amts wegen die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens veranlasst sei.

9

Im Übrigen hat der Kläger in der Beschwerdebegründung selbst darauf hingewiesen, dass das LSG von Dr. R. einen Befundbericht eingeholt, diesen also als sachverständigen Zeugen zu seinen Beobachtungen im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Klägers schriftlich befragt hat (vgl § 377 Abs 3 ZPO). Gründe dafür, weshalb in seinem Fall die schriftliche Übermittlung der Befunde durch Dr. R. nicht ausreichend gewesen sein könnte und deshalb eine Vernehmung des Zeugen durch das Gericht hätte vorgenommen werden müssen, hat er nicht aufgezeigt.

10

Dass der Kläger die Beweiswürdigung des LSG für fehlerhaft hält, kann er im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geltend machen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 iVm § 128 Abs 1 S 1 SGG).

11

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

12

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.