Bundessozialgericht Beschluss, 18. Juni 2014 - B 10 ÜG 22/13 B

18.06.2014

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 29. August 2013 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 10 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Streitig ist eine Entschädigung von Nachteilen infolge einer überlangen Dauer des Gerichtsverfahrens S 43 KA 371/03 (SG Hannover), L 3 KA 85/07 (LSG Niedersachsen-Bremen).

2

Der Kläger nimmt als Zahnarzt an der vertragszahnärztlichen Versorgung in Niedersachsen teil. Mit Bescheid vom 27.3.2003 setzte die Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen das vertragszahnärztliche Honorar des Klägers für das Kalenderjahr 2002 fest. Nach erfolglosem Widerspruch erhob der Kläger am 7.8.2003 beim SG Klage, die durch Urteil vom 26.9.2007 - S 43 KA 371/03 - abgewiesen wurde. Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung wies das LSG mit Urteil vom 12.5.2010 - L 3 KA 85/07 - zurück. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wurde durch Beschluss des BSG vom 9.2.2011 zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde des Klägers nahm das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung an (Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 18.5.2011).

3

Zwischenzeitlich reichte der Kläger beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) elf Individualbeschwerden ein, wobei er ua auch in Bezug auf das vorliegende Ausgangsverfahren (Individualbeschwerde Nr 27596/09) insbesondere rügte, dass die Verfahrensdauer mit dem Gebot der "angemessenen Frist" nach Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unvereinbar sei. Mit Urteil vom 16.12.2010 verband der EGMR diese Individualbeschwerden und erklärte die Rügen wegen der überlangen Verfahrensdauer für zulässig sowie Art 6 Abs 1 EMRK für verletzt; ferner entschied er, dass die beklagte Bundesrepublik Deutschland dem Kläger 30 000 Euro in Bezug auf den immateriellen Schaden zu zahlen habe. Die Forderung bezüglich des geltend gemachten materiellen Schadens wies der EGMR in vollem Umfang zurück.

4

Am 9.1.2012 hat der Kläger beim LSG gegen das beklagte Land eine Entschädigungsklage erhoben. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat er beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn wegen der Nachteile aus der überlangen Dauer der Gerichtsverfahren S 43 KA 371/03 und L 3 KA 85/07 immateriellen Schadensersatz in Höhe von 10 000 Euro zu zahlen sowie materiellen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe das Gericht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ermitteln solle. Durch Urteil vom 23.11.2012 hat das LSG die Klage als unzulässig abgewiesen, weil Art 23 Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) den zeitlichen Geltungsbereich des Gesetzes für den vorliegenden Fall ausschließe. Die Dauer des Verfahrens S 43 KA 371/03 = L 3 KA 85/07 sei bereits Gegenstand der mit Urteil vom 16.12.2010 abgeschlossenen Individualbeschwerde Nr 27596/09 vor dem EGMR gewesen. Damit sei dieser Gegenstand am 3.12.2011 weder vor dem EGMR anhängig gewesen noch habe er es zu diesem Zeitpunkt zulässigerweise werden können. Denn dem Erheben einer erneuten Individualbeschwerde im Hinblick auf die Verfahrensdauer S 43 KA 371/03 = L 3 KA 85/07 stehe Art 35 Abs 2 Buchst b EMRK entgegen, wonach wiederholte Beschwerden unzulässig seien, wenn sie denselben Beschwerdegegenstand wie eine schon einmal eingereichte Beschwerde an den Gerichtshof beträfen.

5

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde erhoben und ua geltend gemacht, der Streitgegenstand stimme nicht mit dem des durch das Urteil des EGMR vom 16.12.2010 abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens überein, sondern beträfe weitere vom EGMR noch nicht erfasste Konventionsverletzungen infolge der Dauer des Verfahrens S 43 KA 371/03 = L 3 KA 85/07. Mit Beschluss vom 27.6.2013 (B 10 ÜG 2/13 B) hat das BSG das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen, weil ein Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege. Das LSG habe in unzulässiger Weise ein Prozessurteil anstelle eines Sachurteils getroffen, weil es zu Unrecht gemäß Art 23 ÜGG von einer Unzulässigkeit der Klage ausgegangen sei. Das ÜGG enthalte sowohl materiell-rechtliche als auch verfahrensrechtliche Vorschriften. Erstere beträfen insbesondere den Entschädigungsanspruch bei überlanger Verfahrensdauer selbst (vgl §§ 198 bis 200 GVG), während sich letztere ua auf die zuständigen Gerichte, das geltende Verfahrensrecht und die Klagefrist beziehen (vgl § 198 Abs 5, § 201 GVG). Wollte man Art 23 S 1 ÜGG wortlautgetreu anwenden, fehlte es an Regelungen dazu, welches Gericht nach welchem Verfahren darüber zu entscheiden hat, ob die Voraussetzungen dieser Norm vorliegen. Soweit Art 23 S 1 ÜGG den zeitlichen Geltungsbereich der materiell-rechtlichen Vorschriften des ÜGG regele, betreffe er die Frage, ob ein Kläger seinen Entschädigungsanspruch auf die einschlägigen Vorschriften, insbesondere § 198 GVG stützen könne. Dieser Punkt gehöre zur Begründetheit der Klage. Im Rahmen der Zulässigkeit sei bei einer allgemeinen Leistungsklage entsprechend § 54 Abs 1 S 2 SGG insoweit nur die Klagebefugnis zu prüfen. Diese fehle erst dann, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem Gesichtspunkt zustehen könne. Es reiche vielmehr aus, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger dadurch in eigenen Rechten verletzt sei, dass der Beklagte die begehrte Zahlung unterlassen habe (vgl Senatsbeschluss vom 27.6.2013 - B 10 ÜG 2/13 B - RdNr 16 f mwN).

6

Vorliegend sei eine Klagebefugnis nicht zu verneinen, da der Kläger eine Entschädigung nach §§ 198 ff GVG begehre und unwidersprochen behauptet habe, dass bei Inkrafttreten des ÜGG am 3.12.2011 eine Individualbeschwerde betreffend die Dauer jenes Verfahrens beim EGMR "anhängig" gewesen sei. Ob das tatsächlich zutreffe und wie Art 23 S 1 ÜGG insofern auszulegen und anzuwenden sei, sei nicht im Rahmen der Zulässigkeit der Klage zu prüfen. Das LSG selbst habe nicht zu prüfen, ob eine beim EGMR anhängige Individualbeschwerde im Einzelnen unzulässig sei oder nicht. Schon der Wortlaut des Art 23 S 1 ÜGG lege eine solche genaue Zulässigkeitsprüfung nicht nahe, weil er nur von "anhängigen Beschwerden" spreche.

7

Nach Zurückverweisung der Sache hat das LSG im vorbereitenden Verfahren eine Auskunft des EGMR vom 2.8.2013 eingeholt mit dem Ergebnis, dass der Kläger dort im Hinblick auf die Dauer des Verfahrens S 43 KA 371/03 = L 3 KA 85/07 am 7.9.2011 eine weitere Individualbeschwerde (Nr 57361/11) anhängig gemacht hat. Hierüber hat der EGMR am 20.9.2012 entschieden und die weitere Beschwerde für unzulässig erklärt, weil die in Art 34 und 35 EMRK niedergelegten Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen seien. Sodann hat das LSG mit Urteil auf die mündliche Verhandlung vom 29.8.2013 die Klage als unbegründet abgewiesen, weil Art 23 ÜGG den Geltungsbereich des Gesetzes für den vorliegenden Fall ausschließe. Es könne dahinstehen, ob nur vor dem EGMR zulässig anhängig gemachte Beschwerden den Voraussetzungen dieser Regelung genügten. Denn wie das BSG in seiner Entscheidung vom 27.6.2013 ausdrücklich entschieden habe, könnten zumindest missbräuchlich erhobene bzw offensichtlich unzulässige Individualbeschwerden zum EGMR sicher nicht die Anwendung des ÜGG für Altfälle eröffnen, da sonst die Übergangsvorschrift leerlaufen würde. Bei der vom Kläger am 7.9.2011 erhobenen weiteren Individualbeschwerde (Nr 57361/11) handele es sich um eine missbräuchlich erhobene bzw offensichtlich unzulässige Individualbeschwerde. Denn die Dauer des Verfahrens S 43 KA 371/03 = L 3 KA 85/07 sei bereits Gegenstand der mit Urteil vom 16.12.2010 abgeschlossenen Individualbeschwerde Nr 27596/09 vor dem EGMR gewesen, sodass dem Erheben einer erneuten Individualbeschwerde im Hinblick auf die Verfahrensdauer S 43 KA 371/03 = L 3 KA 85/07 Art 35 Abs 2 Buchst b EMRK entgegengestanden habe, wonach wiederholte Beschwerden unzulässig seien, wenn sie denselben Beschwerdegegenstand wie eine schon einmal eingereichte Beschwerde an den Gerichtshof beträfen. Art 23 ÜGG schließe den Geltungsbereich des Gesetzes für den vorliegenden Fall damit aus. Der Senat habe keine Bedenken, Art 35 Abs 2 EMRK (selbst) anzuwenden. Denn zum einen habe er die von dem deutschen Gesetzgeber in Art 23 ÜGG geregelten Tatbestandsmerkmale zu prüfen und müsse sich damit zu der Rechtsfrage der hier benannten "Anhängigkeit" verhalten. Im Übrigen habe der EGMR unter dem 2.8.2013 mitgeteilt, dass die im Hinblick auf die Dauer des Verfahrens S 43 KA 371/03 = L 3 KA 85/07 eingebrachte weitere Beschwerde (Nr 57361/11) am 20.9.2012 für unzulässig erklärt worden sei, weil die in Art 34 und 35 EMRK niedergelegten Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen seien.

8

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem, ihm am 11.9.2013 zugestellten Urteil, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27.9.2013 am 2.10.2013 beim BSG Beschwerde erhoben mit der erneuten Rüge einer falschen Anwendung des Art 23 ÜGG. Der Kläger macht ua eine bestehende Divergenz des Urteils des LSG vom 29.8.2013 zum Beschluss des BSG vom 27.6.2013 (B 10 ÜG 2/13 B) geltend und beruft sich auf verschiedene Verfahrensfehler. Das LSG habe in seinem Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht die rechtliche Beurteilung des BSG in dessen Beschluss vom 27.6.2013 (B 10 ÜG 2/13 B) zugrunde gelegt unter Verstoß gegen § 170 Abs 5 SGG. Des Weiteren beruhe das Urteil des LSG "auf dem Verfahrensfehler fehlender Begründung seiner tragenden Elemente". Denn das LSG habe die Ansprüche des Klägers mit der Wiederholung seiner bereits im vorangegangenen Urteil dargestellten Behauptung abgelehnt, es könne Entscheidungen durch Anwendung des Verfahrensrechts des Gerichtshofs treffen und habe diese (durch falsche Anwendung des Art 35 Abs 2 Buchst b EMRK) zulasten des Klägers getroffen. Auf diese Weise verletze das LSG den Begründungszwang seines Urteils, was ebenfalls Teil eines fairen Verfahrens iS von Art 6 EMRK sei. Auch habe das LSG in verfahrensfehlerhafter Weise unter Missachtung von § 94 SGG die Begriffe der Rechtshängigkeit bzw Anhängigkeit vermischt wie sich aus der Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.7.2013 (III ZR 361/12) ergebe. Schließlich rügt der Kläger allgemein einen Verstoß des LSG gegen den Vorrang des Gesetzes, eine unzulässige Prüfung des Verfahrensrechts des EGMR und das Unterlassen einer Vorlage an das BVerfG, einen Verstoß gegen das Fairnessgebot durch falsches Zitieren, die fehlende Berücksichtigung der Gewährleistungen der EMRK sowie eine fehlende Auseinandersetzung des LSG mit der Rechtsprechung des EGMR und eine falsche Kostenentscheidung. Insgesamt ist der Kläger auch der Auffassung, dass die Entscheidung des LSG auf diesen Verfahrensfehlern beruhe.

9

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden.

10

Zur formgerechten Rüge eines Zulassungsgrundes der Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, auf den sich der Kläger hier beruft, ist in der Beschwerdebegründung die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweichen soll, zumindest so zu bezeichnen, dass sie ohne Schwierigkeiten auffindbar ist. Ferner ist deutlich zu machen, worin eine Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer muss also darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine die Berufungsentscheidung tragende Abweichung in deren rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muss einen abstrakten Rechtssatz des vorinstanzlichen Urteils und einen abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung so bezeichnen, dass die Divergenz erkennbar wird. Es reicht dagegen nicht aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Rechtsprechung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, dass die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruhe (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29).

11

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, es liege eine Abweichung des LSG von dem vorangehenden zurückverweisenden Beschluss des BSG vom 27.6.2013 (B 10 ÜG 2/13 B) vor und arbeitet drei vermeintliche Rechtssätze des BSG und des LSG aus diesen Entscheidungen heraus. Ungeachtet des Umstandes, dass ein solches Vorbringen teilweise ausschließlich als Rüge eines Verfahrensmangels nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG wegen Verstoßes gegen § 170 Abs 5 SGG gesehen wird(vgl BSG SozR 3-3900 § 15 Nr 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160 RdNr 11b; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 408 und 539 mwN; aA Becker, Die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG , in SGb 2007, 261, 268), berücksichtigt der Kläger aber auch die oben genannten Begründungserfordernisse nicht ausreichend.

12

Er hat in zwei seiner vermeintlichen Rechtssätze des LSG eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG in seiner Entscheidung vom 27.6.2013 dargestellt, auf die sich das LSG bezogen hat. Damit fehlt es insoweit bereits an einer Divergenz des LSG. Die bloße Behauptung, das LSG weiche von der Entscheidung des BSG entgegen deren Bindungswirkung nach § 170 Abs 5 SGG ab, reicht insoweit nicht aus. Im Grunde behauptet der Kläger nur, das LSG habe die Rechtsprechung des BSG nicht genügend berücksichtigt oder im Einzelfall angewandt. Ein solcher Mangel stellt jedoch, auch wenn er vorläge, keine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG dar(vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 67; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26). Es ist nicht zulässiger Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde, ob das LSG richtig entschieden hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

13

Bezüglich der dritten vom Kläger behaupteten Divergenz fehlt es bereits an der Darlegung eines abstrakten Rechtssatzes des LSG, der einer abstrakten Aussage des BSG entgegensteht. Denn die Bezugnahme auf die Ausführungen des LSG "Nach Auskunft des EGMR … ist es zutreffend, daß … die Dauer des Verfahrens … am 3.12.2011 Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim EGMR war" enthält das Ergebnis tatsächlicher Ermittlungen des LSG mit der anschließenden einzelfallbezogenen Wertung "Art 23 ÜGG schließt den Geltungsbereich des Gesetzes für den vorliegenden Fall aus". Auch insoweit kritisiert der Kläger lediglich die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall und nicht die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen mit einem Rechtssatz des BSG.

14

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) zu begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

15

Soweit der Kläger als wesentlichen Verfahrensfehler wegen des Verstoßes gegen § 112 Abs 1 S 2 SGG unter Bezugnahme auf den Beschluss des BSG vom 25.1.2011 (B 5 R 261/10 B) rügt, dass es das LSG ausweislich des Sitzungsprotokolls unterlassen habe, in der mündlichen Verhandlung den Sachverhalt darzustellen, fehlt es an einer Auseinandersetzung damit, dass er selbst auf den Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung verzichtet hat. Das Recht des Klägers, sich auf die fehlende Darstellung des Sachverhalts am Beginn der mündlichen Verhandlung zu berufen, ist gemäß § 202 SGG iVm § 295 Abs 1 ZPO entfallen, weil er ausweislich des Sitzungsprotokolls des LSG auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet hat. Der Kläger war ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung vom 29.8.2013 anwesend und hat den Verzicht auf die Einhaltung von § 112 Abs 1 S 2 SGG erklärt(§ 295 Abs 1 Alt 1 ZPO). Damit hat der Kläger sein Rügerecht hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensmangels verwirkt (vgl Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl 2013, § 295 RdNr 4).

16

Sofern der Kläger unter Bezugnahme auf die zurückverweisende Entscheidung des BSG vom 27.6.2013 (B 10 ÜG 2/13 B) im Rahmen der Divergenzrüge geltend macht, das LSG weiche von dieser Entscheidung des BSG entgegen deren Bindungswirkung nach § 170 Abs 5 SGG ab, hat er einen Verfahrensmangel nicht hinreichend dargelegt. Zwar stellt die Nichtbeachtung der Bindung des LSG an die Beurteilung des BSG nach § 170 Abs 5 SGG einen Verfahrensfehler dar und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache(vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 170 RdNr 10 mwN und § 160 RdNr 11b ff mwN). Allerdings hat es der Kläger im hier zugrunde liegenden Fall bereits versäumt, darzulegen, warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf diesem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (s oben). Die Behauptung, die Entscheidung des LSG setze sich nicht mit der Entscheidung des BSG auseinander, verhält sich nicht dazu, dass sich die Ausführungen des LSG lediglich mit der Begründetheit der Klage befassen, zu der das BSG in seinem Beschluss vom 27.6.2013 keinerlei rechtliche Beurteilung abgegeben hat. Dieses hat sich ausschließlich mit der Zulässigkeit der Klage unter Anwendung von Art 23 ÜGG auseinandergesetzt. Es fehlt damit an der Entscheidungserheblichkeit des Vorbringens.

17

Soweit der Kläger das Fehlen von Entscheidungsgründen rügt und damit sinngemäß einen Verstoß gegen § 547 Nr 6 ZPO geltend macht, genügen seine Ausführungen gleichfalls nicht den Darlegungserfordernissen. Dieses Vorbringen lässt jede Auseinandersetzung mit § 547 Nr 6 ZPO und der dazu ergangenen Rechtsprechung vermissen. Sie wird ohne rechtliche Begründung in den Raum gestellt, obwohl die Voraussetzungen des § 547 Nr 6 ZPO nicht schon dann vorliegen, wenn Urteilsgründe unrichtig, unzureichend oder unvollständig sind(Heßler in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 547 RdNr 7 mwN).

18

Gleiches gilt auch, sofern der Kläger als Verfahrensfehler eine fehlende Begründung der tragenden Elemente des Urteils des LSG behauptet und darin einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens iS von Art 6 EMRK sieht. Rechtsgrundlage für das Recht auf ein faires Verfahren ist neben Art 6 Abs 1 S 1 EMRK Art 19 Abs 4 GG, wonach Streitigkeiten von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren öffentlich und innerhalb angemessener Frist zu verhandeln sind. Der Kläger legt jedoch nicht dar, auf welchen Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen die Entscheidung des LSG beruht, die in den Entscheidungsgründen hätten genannt werden müssen, zu denen er sich nicht habe äußern können. Auch wird nicht deutlich, aufgrund welcher Umstände das LSG nicht unabhängig und unparteiisch, auf Gesetz beruhend innerhalb angemessener Frist verhandelt haben soll.

19

Vor diesem Hintergrund ist auch eine eventuelle Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG; Art 103 Abs 1 GG) nicht ausreichend dargelegt. Die Nichtberücksichtigung von Vorbringen wird zwar behauptet, aber nicht anhand der Entscheidungsgründe des LSG im Einzelnen dargetan. Im Übrigen kann ein Beteiligter mit einer Gehörsrüge nur dann durchdringen, wenn er vor dem LSG alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 62 RdNr 11d mwN). Weshalb der Kläger hieran gehindert gewesen sein sollte, legt er nicht dar. Die Stellung weiterer Beweisanträge oder deren Übergehung durch das LSG wird nicht behauptet. Die bloße Kritik an der vom LSG vorgenommenen Auslegung des prozessualen Geschehens und der gesetzlichen Merkmale betrifft lediglich die Rechtsanwendung durch das LSG. Mit der Rüge, das LSG habe unrichtig entschieden, kann der Kläger - wie bereits oben dargestellt - keine Revisionszulassung erreichen.

20

Soweit der Kläger eine Verletzung von § 94 SGG hinsichtlich der Bewertung des Merkmals der Rechtshängigkeit sieht, fehlt es zudem bereits an der Darlegung, inwiefern die Entscheidung des LSG vom 29.8.2013 darauf beruhen kann.

21

Mit den weiteren Rügen, insbesondere der vermeintlichen unzulässigen Prüfung des Verfahrensrechts des EGMR durch das LSG sowie dessen fehlerhafte Kostenentscheidung kritisiert der Kläger im Ergebnis lediglich die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung des LSG, womit er eine Zulassung der Revision - wie gesagt - ohnehin nicht erreichen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

22

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

23

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).

24

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.

25

Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 52 Abs 1 bis 3 GKG. Da der Kläger neben dem von ihm nunmehr geltend gemachten materiellen Schaden in Höhe von 5000 Euro den geltend gemachten materiellen Schaden nicht beziffert hat, war insoweit vom Auffangstreitwert in Höhe von 5000 Euro auszugehen, insgesamt von 10 000 Euro.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Beschluss, 18. Juni 2014 - B 10 ÜG 22/13 B

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Beschluss, 18. Juni 2014 - B 10 ÜG 22/13 B

Referenzen - Gesetze

Bundessozialgericht Beschluss, 18. Juni 2014 - B 10 ÜG 22/13 B zitiert 23 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 198


(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach d

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 103


Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 170


(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision eb

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 128


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Zivilprozessordnung - ZPO | § 547 Absolute Revisionsgründe


Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 169


Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Zivilprozessordnung - ZPO | § 295 Verfahrensrügen


(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 62


Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 201


(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 112


(1) Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung. Sie beginnt nach Aufruf der Sache mit der Darstellung des Sachverhalts. (2) Sodann erhalten die Beteiligten das Wort. Der Vorsitzende hat das Sach- und Streitverhältnis mit den Be

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 94


Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundessozialgericht Beschluss, 18. Juni 2014 - B 10 ÜG 22/13 B zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundessozialgericht Beschluss, 18. Juni 2014 - B 10 ÜG 22/13 B zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Beschluss, 25. Jan. 2011 - B 5 R 261/10 B

bei uns veröffentlicht am 25.01.2011

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 28. Januar 2010 aufgehoben.

Referenzen

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung. Sie beginnt nach Aufruf der Sache mit der Darstellung des Sachverhalts.

(2) Sodann erhalten die Beteiligten das Wort. Der Vorsitzende hat das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten zu erörtern und dahin zu wirken, daß sie sich über erhebliche Tatsachen vollständig erklären sowie angemessene und sachdienliche Anträge stellen.

(3) Die Anträge können ergänzt, berichtigt oder im Rahmen des § 99 geändert werden.

(4) Der Vorsitzende hat jedem Beisitzer auf Verlangen zu gestatten, sachdienliche Fragen zu stellen. Wird eine Frage von einem Beteiligten beanstandet, so entscheidet das Gericht endgültig.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 28. Januar 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger ab dem 1.6.2004 Rente wegen Erwerbsminderung gewähren muss.

2

Am 28.1.2010 verhandelte das Thüringer LSG mündlich über die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG Gotha vom 13.2.2007. Die Darstellung des Sachverhalts unterblieb, nachdem der erschienene Beklagtenvertreter "im Hinblick auf die Abwesenheit des Klägers" hierauf verzichtet und der Vorsitzende darauf hingewiesen hatte, "dass die ehrenamtlichen Richter bereits vorab über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt" worden seien. Mit Urteil vom selben Tag hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt und einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG iVm § 112 Abs 1 Satz 2 SGG geltend gemacht.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

4

Der Kläger hat ordnungsgemäß dargetan, dass das LSG gegen § 112 Abs 1 Satz 2 SGG verstoßen habe und das angefochtene Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruhen könne 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

5

Der gerügte Verfahrensmangel liegt auch vor. Gemäß § 112 Abs 1 Satz 2 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) beginnt die mündliche Verhandlung nach Aufruf der Sache mit der Darstellung des Sachverhalts. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 28.1.2010 hat aber weder der Vorsitzende noch ein anderer Richter den Sachverhalt vorgetragen. Der Verzicht des Beklagtenvertreters auf den Sachbericht, die Abwesenheit des Klägers und der Hinweis des Vorsitzenden, die ehrenamtlichen Richter seien "bereits vorab über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt" worden, rechtfertigten es nicht, von der Darstellung des Sachverhalts abzusehen.

6

Der Sachvortrag ist Kernstück der mündlichen Verhandlung (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 112 RdNr 5b) und soll insbesondere sicherstellen, dass sowohl die beisitzenden Richter als auch die Beteiligten zeit- und inhaltsgleich erfahren, welche Tatumstände der vortragende Richter für wesentlich hält (BSG, Urteil vom 23.11.1966 - 11 RA 368/65 - Juris; BSG SozR Nr 5 und Nr 8 zu § 112 SGG). Der Sachbericht hat also mehrere Adressaten: Erstens die übrigen Richter einschließlich der ehrenamtlichen Richter, die die Akten normalerweise nicht kennen (BSG SozR Nr 5 zu § 112 SGG; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 754). Für sie bildet der Sachvortrag die wesentliche Grundlage ihres Fragerechts 112 Abs 4 Satz 1 SGG) und der Entscheidungsfindung (BSG SozR Nr 8 zu § 112 SGG; Kummer, aaO). Zweitens die im Termin erschienenen Beteiligten. Sie können während des Sachberichts prüfen, ob das Gericht den Sach- und Streitstand richtig erfasst hat und ggf Berichtigungen und Ergänzungen anbringen (vgl zum Ganzen: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kap VII RdNr 154). Darüber hinaus stellt der Sachvortrag schließlich auch die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit (§ 61 Abs 1 SGG iVm § 169 GVG, Art 6 Abs 1 EMRK)sicher.

7

Ein wesentlicher Verfahrensfehler wegen des Verstoßes gegen § 112 Abs 1 Satz 2 SGG(BSG SozR Nr 8 zu § 112 SGG)scheidet nicht etwa deshalb aus, weil der in der mündlichen Verhandlung unterlassene Sachvortrag rechtlich gleichwertig durch andere Maßnahmen erfüllt worden wäre. Der im Protokoll allein dokumentierte und damit bewiesene (§ 122 SGG iVm § 165 Satz 1 ZPO)Hinweis des Vorsitzenden auf die Vorabinformation der ehrenamtlichen Richter lässt offen, wer diese Richter zu welchem genauen Zeitpunkt und auf welche Weise informiert hat. Die Beachtung sonstiger Förmlichkeiten, zu denen auch die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung, wie sie § 112 SGG vorschreibt, zählen(Roller in Lüdke, HK-SGG, 3. Aufl 2009, § 122 RdNr 4; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 122 RdNr 17; Knittel in Hennig, SGG, § 122 RdNr 16), ist im Protokoll, das insofern einziges Beweismittel ist, schon hinsichtlich der ehrenamtlichen Richter nicht dokumentiert. Die selektive schriftliche oder mündliche Vorab-Information allein der ehrenamtlichen Richter kann schließlich schon nicht sicherstellen, dass auch die anderen Berufsrichter und die erschienenen Beteiligten die erforderlichen Informationen einheitlich und gleichzeitig (BSG SozR Nr 8 zu § 112 SGG)erhalten. Gerade dies ist jedoch aus rechtsstaatlichen Gründen im öffentlichen Interesse (BSG SozR Nr 5 zu § 112 SGG) vorgeschrieben.

8

Das Recht des Klägers, sich auf die fehlende Darstellung des Sachverhalts am Beginn der mündlichen Verhandlung zu berufen, ist auch nicht gemäß § 202 SGG iVm § 295 Abs 1 ZPO entfallen. Der Kläger war ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung vom 28.1.2010 nicht anwesend und kann dort schon deshalb weder den Verzicht auf die Einhaltung von § 112 Abs 1 Satz 2 SGG erklärt(§ 295 Abs 1 Regelung 1 ZPO) noch die Rüge eines ihm bekannten Verfahrensfehlers (§ 295 Abs 1 Regelung 2 ZPO) unterlassen haben. Auch gibt es keine Hinweise darauf, dass er eine Verzichtserklärung wenigstens sinngemäß abgegeben hätte. Insbesondere hat er durch sein Ausbleiben im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.1.2010 zwar konkludent auf die Teilnahme hieran, nicht aber gleichzeitig darauf verzichtet, dass die gesetzlichen Vorschriften über den Ablauf der Verhandlung befolgt werden (vgl BSG vom 12.10.1972 - 10 RV 357/72 - Juris RdNr 24 bezüglich der ausdrücklichen Ankündigung eines Klägers, nicht zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen). Er hat damit lediglich eine Entscheidung auf Grund vollständiger mündlicher Verhandlung (§ 124 Abs 1 SGG) oder eine solche nach Lage der Akten (§ 126 SGG) in Kauf genommen, musste aber nicht etwa mit der - im Gesetz nicht vorgesehenen - Möglichkeit rechnen, dass sein Prozessgegner gehört wird, während sein eigenes Vorbringen nicht einmal in der Darstellung des Sachverhalts zum Ausdruck kommt (vgl dazu auch BSG, Urteil vom 9.9.1965 - 4 RJ 423/64 - Juris). Soweit demgegenüber der Vertreter der Beklagten ausweislich des Protokolls erklärt hatte: "Der Sachverhalt ist mir bekannt. Im Hinblick auf die Abwesenheit des Klägers verzichte ich auf eine Zusammenfassung des Sachverhalts durch den Senat", kann auch ein hierin liegender wirksamer Verzicht Auswirkungen allenfalls auf deren eigene prozessuale Situation haben. Seine Anwendbarkeit trotz des öffentlichen Interesses an der Information der Richter (vgl BSG SozR Nr 8 zu § 112 SGG; BSG vom 23.11.1966 - 11 RA 368/65 - Juris RdNr 10; vgl auch Krasney/Udsching, aaO) vorausgesetzt (§ 295 Abs 2 ZPO), könnte § 295 Abs 1 Regelung 1 ZPO daher allenfalls das vorliegend nicht zu erörternde Rügerecht der Beklagten entfallen lassen.

9

Auf dem Verfahrensmangel kann die angefochtene Entscheidung beruhen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Urteil anders ausgefallen wäre, wenn ein Mitglied des Spruchkörpers alle beisitzenden Richter im Verhandlungstermin mündlich über den aktuellen Sach- und Streitstand unterrichtet hätte. Denn zur (endgültigen) Aufgabe des Lehrberufs (Schuhfacharbeiter), zur Qualifizierung der "Tätigkeit als Isolierer im Brückenbau" als maßgeblichem Hauptberuf (aus dem nervenärztlichen Gutachten geht hervor, dass der Kläger hier am ersten Arbeitstag erkrankt sei und die Isolierertätigkeit anschließend nicht wieder aufgenommen habe), zur Möglichkeit, eine freie Toilette am Arbeitsplatz rasch zu erreichen, zur Frage der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sowie zur Verweisbarkeit des Klägers auf die Tätigkeit eines Büroboten lassen sich unterschiedliche Meinungen vertreten, die eine Rentengewährung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen lassen.

10

Soweit das BVerwG in seinem Beschluss vom 18.4.1983 (9 B 2337/80 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr 5 = NJW 1984, 251) zu § 103 Abs 2 VwGO entschieden hat, es spreche "aufgrund der Bindung des Richters an Gesetz und Recht eine Vermutung dafür", dass "allen Richtern im Rahmen der Beratung eine vollständige Unterrichtung über den Sach- und Streitstoff zuteil" werde und das Gegenteil nur angenommen werden könne, wenn sich aus der angefochtenen Entscheidung selbst Zweifel daran herleiten ließen, dass eine ausreichende Unterrichtung der mitwirkenden Richter auch außerhalb der mündlichen Verhandlung unterblieben sei, schließt sich der Senat dieser Rechtsprechung nicht an(aA Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl 2009, § 103 RdNr 6; Leitherer, aaO, § 112 RdNr 5c).

11

Der 10. Senat des BSG hat bereits im Urteil vom 22.4.1965 (10 RV 42/65, Juris RdNr 12) darauf hingewiesen, dass im sozialgerichtlichen Verfahren die Darstellung des Sachverhalts wesentlicher Bestandteil, Grundlage und Kernstück der mündlichen Verhandlung ist. Eine - nach Auffassung des BVerwG aaO "regelmäßig anzunehmende" - Unterrichtung der ehrenamtlichen Richter erst in der Beratung ist demgegenüber weder geeignet, wenigstens diesen Personenkreis vorweg (!) in den Sach- und Streitstand einzuführen, um ihn so in die Lage zu versetzen, den geltend gemachten Anspruch und das Vorbringen hierzu sachgerecht zu beurteilen (BSG vom 22.4.1965 aaO), noch genügt sie den weiteren Erfordernissen der einheitlichen und gleichzeitigen Information aller beisitzenden Richter und der erschienenen Beteiligten. Sie gleicht damit hinsichtlich des letztgenannten Gesichtspunkts der selektiven schriftlichen Information der ehrenamtlichen Richter. Entgegen der vom BVerwG für das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichtsbarkeit vertretenen Auffassung kann unter diesen Umständen in Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit der einmal begangene Fehler der unterlassenen Darstellung des Sachverhalts in der mündlichen Verhandlung seine negativen Wirkungen nicht mehr durch eine Unterrichtung in der Beratung verlieren. Im Blick hierauf ist vorliegend nicht näher darauf einzugehen, dass es für die vom BVerwG zu Grunde gelegte Vermutung an einer Grundlage fehlen dürfte, wenn dem Gericht entgegen seiner Bindung an Recht und Gesetz (Art 20 Abs 3 GG) unmittelbar vorher ein wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen ist. Darüber hinaus dürfte es unter anderem bereits mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens unvereinbar sein, einem Beteiligten Vortrag gerade zu dem durch das Beratungsgeheimnis (§§ 43, 45 Abs 1 Satz 2 DRiG) seiner Wahrnehmung entzogenen Teil des Verfahrens zuzumuten, zumal die Entscheidungsgründe gerade nicht so abgefasst sein dürfen, dass sie entsprechende Rückschlüsse zulassen (Keller in Meyer-Ladewig, aaO, § 61 RdNr 10).

12

Nach § 160a Abs 5 SGG kann das erkennende Gericht in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

13

Das LSG wird im wieder eröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste.

(2) Die vorstehende Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten kann.

(1) Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung. Sie beginnt nach Aufruf der Sache mit der Darstellung des Sachverhalts.

(2) Sodann erhalten die Beteiligten das Wort. Der Vorsitzende hat das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten zu erörtern und dahin zu wirken, daß sie sich über erhebliche Tatsachen vollständig erklären sowie angemessene und sachdienliche Anträge stellen.

(3) Die Anträge können ergänzt, berichtigt oder im Rahmen des § 99 geändert werden.

(4) Der Vorsitzende hat jedem Beisitzer auf Verlangen zu gestatten, sachdienliche Fragen zu stellen. Wird eine Frage von einem Beteiligten beanstandet, so entscheidet das Gericht endgültig.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung ohne mündliche Verhandlung erfolgt durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.