Bundessozialgericht Urteil, 18. Aug. 2011 - B 10 EG 7/10 R
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. April 2010 teilweise aufgehoben. Unter Abänderung des Bescheids vom 9. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2009 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin Elterngeld unter Berücksichtigung ihres von September 2007 bis August 2008 erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit zu zahlen. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes der Klägerin nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).
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Die Klägerin war nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit ab 17.9.2007 wieder abhängig beschäftigt und ging in der Folgezeit neben ihrer Hauptbeschäftigung auch einer Nebentätigkeit nach. Durch die nichtselbstständigen Beschäftigungen erzielte sie in dem Zeitraum bis April 2008 ein Nettoeinkommen in Höhe von insgesamt 11 363,36 Euro. In den Monaten Mai bis Juli 2008 konnte sie wegen einer Risikoschwangerschaft nicht mehr voll arbeiten; vom 28.7. bis 1.8.2008 war sie vollständig arbeitsunfähig. In der Zeit vom 3.8. bis 9.11.2008 bezog sie Mutterschaftsgeld. Ihre Tochter L. wurde am 9.9.2008 geboren.
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Auf ihren Antrag vom 14.10.2008 wurde der Klägerin von der beklagten Freien und Hansestadt Hamburg mit Bescheid vom 9.1.2009 Elterngeld für den Zeitraum vom 9.11.2008 bis 8.9.2009 in Höhe von monatlich 659,08 Euro bewilligt, wobei diese das in einem Bemessungszeitraum von Mai 2007 bis April 2008 erzielte Arbeitsentgelt berücksichtigte und in Anwendung des § 2 Abs 2 BEEG von einem erhöhtem Elterngeldsatz von 69,6 % ausging.
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Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, dass sich ihr Erwerbseinkommen in den Monaten Mai bis Juli 2008 nur geringfügig verringert habe, während durch die Berücksichtigung der Monate Mai 2007 bis Juli 2007 Zeiten der Arbeitslosigkeit, also ohne Einkommen, in die Elterngeldberechnung einbezogen worden seien. Durch die Verschiebung des für die Elterngeldberechnung maßgeblichen Zwölfmonatszeitraums habe sich ihr Durchschnittseinkommen vor der Geburt fast halbiert, obwohl die maßgebliche Regel des § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG gerade vor Einbußen schützen solle. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 31.3.2009 zurückgewiesen.
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Die von der Klägerin erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hamburg durch Urteil vom 27.4.2010 im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen: Bei der Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG sei stets auf das vorgeburtliche Durchschnittseinkommen in einem Zwölfmonatszeitraum abzustellen. Dieser Bemessungszeitraum sei nach Maßgabe des § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG - ausgehend von einer schwangerschaftsbezogenen Erkrankung der Klägerin ab dem 8.5.2008 - zwingend zu verschieben. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG dahingehend, diese Regelung nur dann anzuwenden, wenn sie für den berechtigten Elternteil von Vorteil sei, komme angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht in Betracht. Schon aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung könnten individuelle Lebenssituationen - wie im Falle der Klägerin - bei der Ermittlung des nicht grundrechtlich abgesicherten Anspruchs auf Elterngeld keine Berücksichtigung finden. Gemessen an der Vergleichsgruppe der Beamtinnen und Beamten, die während einer Erkrankung keine Einbußen an Erwerbseinkommen erleiden, liege wegen der unterschiedlichen Einkommensstruktur gegenüber derjenigen von Angestellten kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG vor.
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Die Klägerin hat die vom SG durch Beschluss vom 7.6.2010 zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des SG sei § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG in denjenigen Fällen, in denen sich die Verschiebung des für die Ermittlung des Elterngeldes maßgeblichen Zeitraums vor der Geburt nicht vorteilhaft, sondern nachteilig für den berechtigten Elternteil auswirke, nach Sinn und Zweck der Regelung verfassungskonform auszulegen. Dies könne einerseits dadurch erreicht werden, dass § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG in diesen Fällen nicht angewendet werde. Andererseits ließen es der Wortlaut dieser Bestimmung und die Systematik des BEEG auch zu, die betroffenen Monate auszusparen und das für die Ermittlung des Elterngeldes maßgebliche Durchschnittseinkommen vor der Geburt auf Grundlage der verbliebenen Monate - hier von September 2007 bis April 2008 - zu berechnen. Hierfür spreche insbesondere der von § 2 Abs 7 Satz 5 BEEG abweichende Wortlaut des Satzes 6 dieser Vorschrift. Ohne eine solche Auslegung verstoße die Norm in diesen Fällen gegen Art 3 Abs 1 GG: zum einen wegen einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Angestellten gegenüber Personen, insbesondere Beamtinnen, die während einer Erkrankung ihr Arbeitsentgelt oder ihre Dienstbezüge weiterhin erhalten; zum anderen wegen einer nicht gerechtfertigten Gleichbehandlung von Arbeitnehmerinnen, die einerseits allein einer Hauptbeschäftigung nachgehen und andererseits neben ihrer Haupttätigkeit auch einen Nebenjob wahrnehmen. Allein der Wegfall des Nebeneinkommens aufgrund einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung rechtfertige nicht die Gleichbehandlung dieser Personengruppen, soweit beide in ihrer Hauptbeschäftigung keine Lohneinbußen hinzunehmen hätten. Schließlich werde sie unter Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG mit Personen gleich behandelt, die durch die Anwendung des § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG finanziell bessergestellt würden.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. April 2010 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2009 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr höheres Elterngeld unter Berücksichtigung ihres von September 2007 bis April 2008 - hilfsweise von September 2007 bis August 2008 - durchschnittlich erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Im Elterngeldrecht umfasse der Bemessungszeitraum nach der Grundregel des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG stets zwölf Kalendermonate. § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG sehe lediglich eine Modifizierung dieses Grundsatzes dahingehend vor, dass bei der Ermittlung dieser Kalendermonate bestimmte Monate auszusparen und durch eine entsprechende Anzahl vorhergehender Monate zu ersetzen seien. Der Beginn des Bemessungszeitraumes verschiebe sich so um die Zahl der übersprungenen Monate in die Vergangenheit. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, der Gesetzessystematik und den Gesetzesmaterialien sowie dem Sinn und Zweck des Bemessungszeitraums iS des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG, ein möglichst repräsentatives Durchschnittseinkommen des berechtigten Elternteils zu ermitteln. Satz 6 des § 2 Abs 7 BEEG nehme unmittelbar auf Satz 5 dieses Abs Bezug und sei allein aus sprachlichen Gründen als eigenständiger Satz formuliert, ohne jedoch eine abweichende Rechtsfolge vorzusehen.
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Die Regelung des § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG sei zudem zwingend, auch wenn sie sich bei der Elterngeldberechnung im Einzelfall für den Elternteil nachteilig auswirken könne. Der Gesetzgeber habe im Rahmen der steuerfinanzierten Leistungsverwaltung einen weiten Gestaltungsspielraum und im Hinblick auf das legitime Ziel der Verwaltungsvereinfachung eine typisierende Regelung vorgesehen, die sich grundsätzlich zugunsten des Normadressaten auswirke. Der durch diese Vorschrift bezweckte Nachteilsausgleich müsse nicht in jedem Einzelfall erreicht werden. Gegen eine teleologische Reduktion der Norm in dem Sinne, dass sie nur Anwendung finde, wenn sie im Einzelfall zu einer tatsächlichen Verbesserung der Einkommensverhältnisse der berechtigten Person führe, spreche der eindeutige und abschließende Wortlaut des Gesetzes. Danach habe der Gesetzgeber bei selbstständig Erwerbstätigen ausdrücklich ein Wahlrecht normiert (§ 2 Abs 8 Satz 5 BEEG), bei abhängig Beschäftigten hingegen nicht. Diese Entscheidung des Gesetzgebers sei entsprechend zu berücksichtigen. Verfassungsrechtliche Bedenken (Art 3 Abs 1 GG) bestünden insoweit nicht. Die unterschiedliche Behandlung von verbeamteten und angestellten Elterngeldberechtigten sei bereits - wie auch in zahlreichen anderen Bereichen - wegen der grundlegend unterschiedlichen Einkommensstruktur gerechtfertigt. Auch im Übrigen könne kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG darin erkannt werden, wenn die Anwendung des § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG bei den weiteren, von der Klägerin genannten Personengruppen mit unterschiedlichen Voraussetzungen auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führe.
Entscheidungsgründe
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1. Die Sprungrevision ist zulässig.
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Nach § 161 Abs 1 SGG steht den Beteiligten die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie vom SG im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das SG hat die Revision auf Antrag der Klägerin, dem die schriftliche Zustimmungserklärung der Beklagten beigelegen hat (§ 161 Abs 1 Satz 3 SGG), gemäß § 161 Abs 1 Satz 1 SGG durch Beschluss vom 7.6.2010 zugelassen. Dies ist zwar verfahrensfehlerhaft allein durch den Kammervorsitzenden erfolgt, ohne dass die ehrenamtlichen Richter beteiligt gewesen sind (vgl hierzu BSGE 51, 23, 26 ff = SozR 1500 § 161 Nr 27 S 54 ff). Die Revisionszulassung ist gleichwohl für das Bundessozialgericht (BSG) gemäß § 161 Abs 2 Satz 2 SGG bindend (vgl BSG aaO; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 10 EG 2/08 R - juris RdNr 12; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 161 RdNr 8). Die Klägerin hat die Revision auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 164 Abs 1 SGG).
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2. Die Revision ist teilweise begründet.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch der Klägerin auf höheres Elterngeld unter Berücksichtigung ihres von September 2007 bis April 2008 - hilfsweise von September 2007 bis August 2008 - erzielten Erwerbseinkommens, den sie zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG), gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils iS des § 130 Abs 1 SGG(vgl BSG Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 11/09 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR), weiter verfolgt.
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Soweit die Klägerin von der Beklagten höheres Elterngeld unter Berücksichtigung ihres von September 2007 bis April 2008 durchschnittlich erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit beansprucht, ist ihre Revision unbegründet. Das SG hat die Klage hinsichtlich dieses Hauptantrags zu Recht abgewiesen. Mit ihrem Hilfsantrag, der auf die Berücksichtigung des von September 2007 bis August 2008 durchschnittlich erzielten Erwerbseinkommens gerichtet ist, hat die Klage und damit auch die Revision hingegen Erfolg.
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a) Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat(Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Das Kind muss nach dem 31.12.2006 geboren sein (Art 3 Abs 1 Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748; vgl hierzu BSG Urteil vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1). Dass die Klägerin die Grundvoraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG erfüllt, haben alle mit der Sache befassten Stellen angenommen. Zweifel hieran bestehen nicht, zumal die Beteiligten die insoweit maßgeblichen Tatsachen in der mündlichen Revisionsverhandlung vor dem erkennenden Senat unstreitig gestellt haben (vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 163 RdNr 5d mwN).
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b) Die Klägerin kann mit ihrem Hauptantrag, bei der Elterngeldbemessung lediglich diejenigen Monate vor der Geburt ihres Kindes zu berücksichtigen, in denen sie - hier von September 2007 bis April 2008 - Einkommen aus Erwerbstätigkeit in ungeminderter Höhe erzielt hat, nicht durchdringen, da der Bemessungszeitraum nach § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG - auch bei Vorliegen der Tatbestände des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG - stets zwölf Kalendermonate umfasst.
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Die Höhe des Elterngeldes richtet sich gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG idF vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) nach dem in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Es beträgt grundsätzlich 67 % dieses durchschnittlichen Einkommens, höchstens 1800 Euro monatlich. § 2 Abs 5 BEEG sieht ein Mindestelterngeld in Höhe von monatlich 300 Euro vor.
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Bezüglich des Bemessungszeitraums enthält § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG idF vom 5.12.2006 (BGBl I 2748; die Anfügung des Satzes 7 durch Art 1 Nr 1 Buchst a Erstes Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, BGBl I 61, erfolgte mit Wirkung vom 24.1.2009 und ist deshalb hier unbeachtlich) zusätzlich folgende Regelungen:
Kalendermonate, in denen die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes ohne Berücksichtigung einer Verlängerung des Auszahlungszeitraums nach § 6 Satz 2 Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, bleiben bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zu Grunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt. Das Gleiche gilt für Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung oder dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist.
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Diese Bestimmungen sehen lediglich eine Modifizierung des Bemessungszeitraums dahingehend vor, dass an Stelle von bestimmten Monaten, die in den regulären Bemessungszeitraum fallen, weiter zurückliegende Kalendermonate in die Elterngeldberechnung einbezogen werden. Von der Länge des Bemessungszeitraums iS des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG von zwölf Kalendermonaten wird dabei nicht abgewichen(stRspr des Senats: vgl Urteil vom 19.2.2009 - B 10 EG 2/08 R - juris RdNr 17
; Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR ; Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 20/09 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR ; Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 21/09 R - juris RdNr 19 ; vgl auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 26.1.2010 - L 12 EG 8/08 - juris RdNr 20; Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, 2007, RdNr 119 ff; Buchner/Becker, MuSchG - BEEG, 8. Aufl 2008, § 2 BEEG RdNr 36; Pauli in Hambüchen, BEEG-EStG-BKGG Komm, Stand Dezember 2009, § 2 BEEG RdNr 19; vgl auch die Richtlinien zum BEEG des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend , Stand Dezember 2010, Punkt 2.7.5).
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Dieser Regelungsinhalt ergibt sich bereits aus einer am Wortlaut der Norm orientierten Auslegung. Nach Satz 5 des Abs 7 - und "das Gleiche" gilt für Satz 6 - bleiben lediglich Monate bei der "Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zu Grunde zu legenden Kalendermonate" unberücksichtigt, so dass zur Bestimmung dieses Bemessungszeitraums an Stelle der nicht zu berücksichtigenden Zeiten weiter in der Vergangenheit liegende Monate heranzuziehen sind. Aus der sprachlichen Fassung des Satzes 6 idF bis zum 23.1.2009 kann nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber für die Tatbestände des Bezugs von Mutterschaftsgeld oder des Wegfalls von Erwerbseinkommen wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung eine andere Rechtsfolge dahingehend vorgesehen hat, dass diese Monate bei der Bemessung der Elterngeldhöhe unter entsprechender Verkürzung des Bemessungszeitraums nicht berücksichtigt werden.
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Dies belegen auch die Gesetzesmaterialien, in denen die Rechtsfolge der Tatbestände mit einem "Wechsel auf frühere Kalendermonate" umschrieben wird (Vorschlag des Bundestags-Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drucks 16/2785 S 38; zum häufigsten Anwendungsfall, dem Bezug von Mutterschaftsgeld vor der Geburt, vgl auch BT-Drucks 16/1889 S 20). Auch aus der sprachlichen Änderung des § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG zum 24.1.2009 (BGBl I 61), mit der die Wörter "Das Gleiche gilt für" durch die Wörter "Unberücksichtigt bleiben auch" ersetzt worden sind, ergibt sich nichts Anderes. In der Begründung des entsprechenden Gesetzentwurfs (BT-Drucks 16/9415) ist zur Einfügung des Satzes 7 in Abs 7 ausgeführt, dass Nachteile durch im Bemessungszeitraum liegende Wehr- und Zivildienstzeiten ohne Erwerbseinkommen dadurch ausgeglichen werden sollen, dass "die betroffenen Monate - wie in den Fällen schwangerschaftsbedingter Erkrankung - aus dem Bemessungszeitraum herausgenommen und durch weiter in der Vergangenheit liegende Monate ersetzt werden" (BT-Drucks 16/9415 S 5).
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Diese Auslegung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG entspricht auch der Systematik des BEEG. Grundlage der Berechnung der Elterngeldhöhe nach § 2 Abs 1 und 7 bis 9 BEEG ist die sog Bezugs- und Referenzmethode(vgl hierzu auch Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 5, RdNr 35; bereits BSG Urteil vom 22.6.1966 - 3 RK 105/63 - BSGE 25, 69, 70 = SozR Nr 7 zu § 13 MuSchG; BSG Urteil vom 22.2.1972 - 3 RK 85/69 - BSGE 34, 79 = SozR Nr 4 zu § 200 RVO und jüngst BSG Urteil vom 30.5.2006 - B 1 KR 19/05 R - BSGE 96, 246 = SozR 4-2500 § 47 Nr 4, RdNr 21 ff), nach der unter Bezugnahme auf den wirtschaftlichen Dauerzustand eines gerade vergangenen Zeitraums auf ein Durchschnittseinkommen geschlossen wird, das den individuellen Lebensstandard prägt. Hierbei ist der Gesetzgeber von Berechnungsvorschriften regulärer kurzfristiger Ersatzleistungen (vgl § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB IV) abgewichen und hat ein vereinfachtes Bemessungsrecht vorgesehen. Zugleich hat er Einkommenseinbußen aufgrund allgemeiner Erwerbsrisiken grundsätzlich der Sphäre des berechtigten Elternteils zugeordnet (vgl BSG Urteile vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - RdNr 82 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, - B 10 EG 20/09 R - RdNr 63 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen und - B 10 EG 21/09 R - juris RdNr 62 ff
sowie Urteil vom heutigen Tag - B 10 EG 8/10 R - .)
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Durch die Berücksichtigung des Erwerbseinkommens innerhalb von zwölf Kalendermonaten (§ 2 Abs 1 Satz 1 BEEG) sollen möglichst repräsentativ die Einkommensverhältnisse des berechtigten Elternteils vor der Geburt abgebildet werden. Entsprechend dem Sinn und Zweck des Elterngeldes, jedem betreuenden Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes zu gewähren (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2), setzt dies voraus, dass ein ausreichend langer Bemessungszeitraum herangezogen wird, worauf die Beklagte zutreffend hinweist.
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Der erkennende Senat sieht weder einen Grund noch eine Möglichkeit, von dieser klaren Konzeption des Gesetzes abzuweichen. Die Beibehaltung des zwölfmonatigen Bemessungszeitraums im Rahmen des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG führt weder zu sachwidrigen, dem Sinn und Zweck dieser Regelung widersprechenden Ergebnissen noch ist insoweit eine Gesetzeslücke erkennbar, die rechtsfortbildend geschlossen werden könnte. Auch die Klägerin hat solche Gesichtspunkte nicht aufgezeigt. Sie befürwortet lediglich die für sie günstigste Berechnungsweise des Elterngeldes.
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c) Der auf eine Elterngeldberechnung nach der Grundregel des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG(also ohne Anwendung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG) gerichtete Hilfsantrag der Klägerin ist hingegen begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Elterngeld unter Berücksichtigung ihres in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt ihrer Tochter am 9.9.2008 (von September 2007 bis August 2008) durchschnittlich erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit. Die Beklagte hat insoweit zu Unrecht § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG angewendet und bei der Elterngeldberechnung einen Bemessungszeitraum von Mai 2007 bis April 2008 zugrunde gelegt. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die Anwendung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG nach dessen Sinn und Zweck, der Gesetzessystematik und dem Gebot einer verfassungskonformen Auslegung im Wege einer teleologischen Reduktion einzuschränken. Diese Regelung ist nicht gegen den ausdrücklich erklärten Willen des berechtigten Elternteils anzuwenden.
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aa) Eine teleologische Reduktion (vgl hierzu statt vieler Brandenburg, Die teleologische Reduktion, 1983) gehört zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (Bundesverfassungsgericht
Beschluss vom 15.10.2004 - 2 BvR 1316/04 - NJW 2005, 352, 353; BVerfG Beschluss vom 7.4.1997 - 1 BvL 11/96 - NJW 1997, 2230, 2231; BVerfGE 88, 145, 167; BVerfGE 35, 263, 279 f; jüngst BVerfG Beschluss vom 14.3.2011 - 1 BvL 13/07 - juris RdNr 38) . Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die auszulegende Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle für unanwendbar hält, weil deren Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG Beschluss vom 7.4.1997 - 1 BvL 11/96 - NJW 1997, 2230, 2231). Bei einem nach wortlautgetreuer Auslegung drohenden Grundrechtsverstoß kann eine zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung der Norm entgegen deren Wortlaut sogar geboten sein. Eine derartige Einschränkung der Anwendung ist bei § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG erforderlich.
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Jede Auslegung findet allerdings dort ihre Grenzen, wo sie nicht nur mit dem Wortlaut, sondern auch dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde; im Wege der Auslegung darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (BVerfG, aaO; zu den Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung vgl auch jüngst BVerfG Beschluss vom 25.1.2011 - 1 BvR 918/10 - NJW 2011, 836, RdNr 50-54). Das ist bei der vom Senat vertretenen Auslegung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG nicht der Fall.
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(1) Eine allein am Wortlaut orientierte Auslegung des - hier allein in Betracht kommenden - § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG legt zunächst eine zwingende Verschiebung des Beginns des Bemessungszeitraums um diejenigen Kalendermonate nahe, in denen Mutterschaftsgeld bezogen worden oder wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Erwerbseinkommen zumindest teilweise weggefallen ist(so die Vorinstanz SG Hamburg Urteil vom 27.4.2010 - S 31 EG 19/09 - und wohl die hM in der Literatur: vgl Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, 2007, RdNr 120; Wersig in Vereinbarkeit von Familie und Beruf, 1. Aufl 2009, Kap 6.2, § 2 BEEG RdNr 6, juris; von Koppenfels-Spies in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 2 BEEG RdNr 15). Nach § 2 Abs 7 Satz 5 BEEG bleiben Zeiten des Bezuges von Elterngeld bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt. Wenn nach dem folgenden Satz 6 (des Abs 7) für Kalendermonate, in denen wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung eine Einkommensminderung eingetreten ist, das Gleiche gilt, so sieht der Wortlaut des Gesetzes auch insoweit eine ausnahmslose Modifizierung des Bemessungszeitraumes vor.
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(2) Hingegen sprechen Sinn und Zweck der Verschiebenstatbestände des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG für eine teleologische Reduktion des Regelungsinhalts hinsichtlich derjenigen Fälle, in denen sich die (vermeintliche) Begünstigung für die Berechtigten im Ergebnis nachteilig auf die Leistungshöhe auswirkt(so auch Oyda, NZS 2010, 194, 197 ff; ähnlich Buchner/Becker, MuSchG - BEEG, 8. Aufl 2008, § 2 BEEG RdNr 36).
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Sinn und Zweck der Modifizierung des Bemessungszeitraums nach § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG ist der Ausgleich von Nachteilen bei der Elterngeldberechnung, die darauf beruhen, dass das Einkommen des berechtigten Elternteils im vorgeburtlichen Zwölfmonatszeitraum aufgrund besonderer Sachverhalte ganz oder teilweise weggefallen ist. Während nach dem ersten Gesetzentwurf (BT-Drucks 16/1889) bei einem Einkommenswegfall wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung zunächst beabsichtigt war, "für den betreffenden Zeitraum das in dem der Erkrankung vorangegangenen Kalendermonat erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit für die Berechnung des Elterngeldes zu Grunde zu legen" (vgl § 2 Abs 1 Satz 3 Halbs 1 BEEG-Entwurf, BT-Drucks 16/1889 S 4 f), ist § 2 Abs 7 BEEG im Gesetzgebungsverfahren auf Vorschlag des Bundestags-Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend(BT-Drucks 16/2785 S 9) vollkommen neu gefasst worden, um eine in der Verwaltungspraxis einfacher zu handhabende Bestimmung mit gleicher Zielrichtung zu schaffen (BT-Drucks 16/2785 S 37 f). Danach soll durch diese Regelung gewährleistet sein, dass das besondere gesundheitliche Risiko Schwangerer bei der Berechnung des ihnen zustehenden Elterngeldes nicht zum Nachteil gereicht (BT-Drucks 16/1889 S 20) bzw ein "Absinken des Elterngeldes" durch das in den betroffenen Monaten geringere oder fehlende Erwerbseinkommen vermieden wird (BT-Drucks 16/2785 S 38).
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Gleiches gilt für den Bezug von Mutterschaftsgeld unmittelbar vor der Geburt, währenddessen regelmäßig kein berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt erzielt wird (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20), sowie für den Bezug von Elterngeld wegen der im Falle einer schnellen Geburtenfolge drohenden Nachteile bei der Leistungshöhe (BT-Drucks 16/2785 S 32, 34). Diesen Gesetzeszweck, Nachteile bei der Elterngeldberechnung in besonderen Fallgruppen auszugleichen, hat der Gesetzgeber bei der Einfügung des § 2 Abs 7 Satz 7 BEEG zum 24.1.2009 (BGBl I 61) nochmals ausdrücklich hervorgehoben (BT-Drucks 16/9415 S 5). Die Verschiebenstatbestände sollen demnach eine den berechtigten Elternteil begünstigende Ausnahme von dem Grundsatz der Elterngeldberechnung gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG darstellen, nach dem in aller Regel allein das in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt erzielte Erwerbseinkommen für die Leistungsbemessung maßgeblich ist.
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Im Gegensatz zu diesem Gesetzeszweck kann sich die Modifizierung des Bemessungszeitraums nach § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG in bestimmten Fallkonstellationen nachteilig für die Elterngeldberechtigten auswirken. Dies ist immer dann der Fall, wenn in den von den Verschiebenstatbeständen betroffenen Monaten zumindest teilweise Erwerbseinkommen erzielt worden ist, in den vor dem regulären Bemessungszeitraum (§ 2 Abs 1 Satz 1 BEEG) liegenden Kalendermonaten, die nach wortlautgetreuer Anwendung nach § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG nunmehr einzubeziehen wären, jedoch jegliches Erwerbseinkommen fehlt(zB bei Berufs(wieder)einsteigern, die unmittelbar vor oder während der Schwangerschaft eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, vgl Buchner/Becker, MuSchG - BEEG, 8. Aufl 2008, § 2 BEEG RdNr 36). Ein Abweichen von der Grundregel des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG ist in diesen Fällen zweckwidrig, da die Anwendung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG nicht zu der beabsichtigten Besserstellung des Personenkreises führt, sondern zu einer Verringerung des nach der Grundregel des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG erreichbaren Elterngeldanspruchs.
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Wird in dieser Weise der Zweck einer den Berechtigten an sich begünstigenden Ausnahmeregelung verfehlt, spricht dies entscheidend für eine teleologische Reduktion der Vorschrift, die den Gesetzeswortlaut einschränkt. So wird zB auch im Bemessungsrecht des Arbeitslosengeldes (§§ 129 ff SGB III)überwiegend die Auffassung vertreten, dass bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums die Regelungen des § 130 Abs 2 Satz 1 Nr 1 bis 4 SGB III, die ebenfalls besondere Zeiten ohne repräsentatives Einkommen(ua auch Bezugszeiten von Elterngeld, § 130 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III) zu Gunsten des Arbeitslosen außer Betracht lassen, teleologisch in der Weise einzuschränken sind, dass gleichwohl das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt berücksichtigt wird, soweit dies für den Arbeitslosen günstiger ist (so LSG Baden-Württemberg Urteil vom 10.9.2008 - L 3 AL 4581/06 - juris RdNr 27; SG Dresden Urteil vom 18.10.2007 - S 37 AL 675/06 - juris RdNr 69 ff; Rolfs in Gagel, SGB III, Stand März 2011, § 130 RdNr 43; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand April 2011, § 130 RdNr 61; aA Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, Stand April 2011, K § 130 RdNr 46; in der Tendenz ebenso, aber die Entscheidung letztlich offenlassend auch BSG Urteil vom 6.5.2009 - B 11 AL 7/08 R - SozR 4-4300 § 130 Nr 5 RdNr 18 ff und BSG Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 39/08 R - juris RdNr 16 f; vgl hierzu auch jüngst BVerfG Beschluss vom 14.3.2011 - 1 BvL 13/07 - juris RdNr 38).
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(3) Systematische Gründe legen ebenfalls eine Einschränkung der Anwendung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG im Wege einer teleologischen Reduktion nahe. Insbesondere kann einer solchen Auslegung nicht entgegengehalten werden, dass hierdurch abweichend vom Förderzweck des Elterngeldes sachwidrig Zeiten ohne "repräsentatives" Erwerbseinkommen in die Elterngeldberechnung einbezogen werden.
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Der Gesetzgeber hat die Systematik des Bemessungsrechts (§ 2 BEEG) nach dem Förderzweck des Elterngeldes ausgestaltet. Das Elterngeld bezweckt eine finanzielle Absicherung, die sich an dem "vor der Geburt des Kindes" durchschnittlich erzielten Nettoentgelt orientiert (vgl BT-Drucks 16/1889 S 19). Dabei durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass ein grundsätzlich auf zwölf Kalendermonate begrenzter Bemessungszeitraum die Einkommensverhältnisse der Berechtigten vor der Geburt des Kindes am besten abbildet (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20; vgl hierzu auch BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 21/09 R - juris RdNr 58). Insoweit entspricht es der Grundregel aus § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG, dass nur im Bemessungszeitraum erzieltes Erwerbseinkommen in die Elterngeldberechnung einbezogen wird, auch wenn sich allgemeine Erwerbsrisiken - insbesondere krankheitsbedingte Einkommenseinbußen(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 20/09 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR) - verwirklichen. Der Gesetzgeber verzichtet damit grundsätzlich auf einen - möglicherweise wünschenswerten (vgl dazu Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes eV vom 1.9.2008, Ausschuss-Drucks 16(13)371c NEU zu BT-Drucks 16/9415) - sozialen Ausgleich. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen werden Sachverhalte berücksichtigt, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Förderzweck des Elterngeldes stehen (vgl § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG in der hier maßgeblichen Fassung vom 5.12.2006). Die betreffenden Zeiten werden bei der Bestimmung des Bemessungszeitraumes ausgespart und durch weiter zurückliegende Kalendermonate ersetzt.
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Bei einem solchen Wechsel auf frühere Kalendermonate zur Bestimmung des Bemessungszeitraums wird von der dem Förderzweck entsprechenden Beschränkung auf die Einkommensverhältnisse in dem vorgeburtlichen Zwölfmonatszeitraum abgewichen. Wenn nun zur Vermeidung von sachwidrigen Ergebnissen die zwingende Anwendung der Ausnahmeregelung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG beschränkt wird, so kommt dies der Grundregel des § 2 Abs 1 BEEG zugute, die wiederum den Kern der Systematik zur Berechnung des Elterngeldes ausmacht. Die betreffenden, an sich von § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG erfassten Fälle der Einkommensminderung werden damit systemkonform den anderen - von vorneherein nicht "privilegierten" - Einkommenseinbußen gleichgestellt, die im maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes eingetreten sind.
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(4) Eine teleologische Reduktion der Verschiebenstatbestände iS des § 2 Abs 7 Satz 5 bis 7 BEEG steht zudem nicht im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber im Allgemeinen verfolgten Effektivität des Gesetzesvollzugs(vgl etwa BT-Drucks 16/9415 S 6; siehe dazu auch die Gesetzesinitiativen des Bundesrates zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs in BT-Drucks 16/9897 und BT-Drucks 17/1221). Dieses gesetzgeberische Bestreben ist zu erkennen an der Aufnahme des steuerrechtlichen Begriffs des Erwerbseinkommens in § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG, der zwar eine differenziertere Regelung im Gesetz erforderlich, aber eine eigenständige Rechtsverordnung entbehrlich gemacht hat(vgl BT-Drucks 16/2454 S 8, 11), an der Einkommensermittlung auf der Grundlage der Lohn- und Gehaltsbescheinigungen nach § 2 Abs 7 Satz 4 BEEG(vgl hierzu BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 27 unter Hinweis auf Dau, jurisPR-SozR 21/2009 Anm 5; jüngst BSG Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR) und an dem möglichen Rückgriff auf den für den letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum ergangenen Steuerbescheid bei Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs 9 Satz 1 BEEG(vgl hierzu BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 5 RdNr 23 ff; jüngst BSG Urteile vom 17.2.2011 - B 10 EG 1/10 R und B 10 EG 2/10 R - juris).
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Die vom Senat für richtig gehaltene Einschränkung der Anwendung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG führt dazu, dass es in bestimmten Fällen nicht zu einer Verschiebung des Beginns des Bemessungszeitraumes unter gleichzeitiger Aussparung von in den letzten zwölf Kalendermonaten vor der Geburt liegenden Monaten kommt, sondern es bei dem in § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG vorgesehenen Bemessungszeitraum bleibt. Die dann erfolgende Elterngeldberechnung entspricht also dem Regelfall und damit auch den gesetzgeberischen Effektivitätsvorstellungen. Ein Verwaltungsmehraufwand kann daher nur dadurch entstehen, dass die Fälle, in denen eine Anwendung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG zu sachwidrigen Ergebnissen führt, in geeigneter Weise bestimmt werden müssen. Dafür bieten sich nach Ansicht des Senats zwei Wege an, die eine unterschiedliche, aber insgesamt gesehen jeweils begrenzte zusätzliche Verwaltungstätigkeit mit sich bringen:
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Zum einen könnten die Behörden verpflichtet sein, bei Anwendung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG(ab 24.1.2009 auch des Satzes 7) stets eine Vergleichsberechnung dahingehend vorzunehmen, ob sich daraus für die Berechtigten gegenüber einer Anwendung der Grundregel des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG Nachteile ergeben. Der damit verbundene Verwaltungsmehraufwand erscheint als relativ gering, weil die Berechnung mittels elektronischer Datenverarbeitung erfolgen kann und die dafür erforderlichen Daten ohne Weiteres verfügbar sind (vgl dazu auch Oyda, NZS 2010, 194, 198). Sollte bereits die Vergleichsberechnung gegen die Anwendung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG sprechen, würde sich sogar die Prüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale (zB die Ermittlung, ob eine maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführende Erkrankung vorliegt) erübrigen.
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Zum anderen könnte es den Berechtigten überlassen bleiben, von sich aus auf eine Anwendung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG zu verzichten. Dann brauchten die Behörden grundsätzlich nur in den für die Antragstellung ausgegebenen Merkblättern und Formularen auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Im Übrigen hätten sie bei Bedarf eine Beratung durchzuführen (vgl § 14 SGB I). Auch der damit verbundene Aufwand ist als überschaubar anzusehen, zumal in den Fällen des Verzichtes durch die Nichtanwendung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG eine Arbeitserleichterung eintritt.
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(5) Schließlich streiten für eine einschränkende Anwendung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG verfassungsrechtliche Gründe, die sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz(Art 3 Abs 1 GG) ergeben.
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Art 3 Abs 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Dieser hat gerade auch im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten Abschnitt des BEEG gehören (§ 6, § 25 Abs 2 Satz 2, § 68 Nr 15a SGB I), einen weiten Gestaltungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist grundsätzlich erst dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG seit BVerfGE 55, 72, 88; vgl jüngst BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55; BVerfGE 117, 272, 300 f). Umgekehrt verbietet Art 3 Abs 1 GG auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung als sachwidrig erscheinen lassen (vgl Jarras in Jarras/Pieroth, GG, 11. Aufl 2011, Art 3 RdNr 8 mwN).
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Eine Ungleichbehandlung des hier betroffenen Personenkreises bestünde bei einer wortlautorientierten Anwendung des Gesetzes bereits gegenüber der Vergleichsgruppe derjenigen Elterngeldberechtigten mit gleichen Einkommensverhältnissen, bei denen eine Verschiebung des Beginns des Bemessungszeitraumes gemäß § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG und damit die Einbeziehung von einkommenslosen Zeiten in die Elterngeldberechnung von vorneherein nicht stattfindet, weil die von ihnen erlittenen Einkommenseinbußen nicht von § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG erfasst werden. Beide Vergleichsgruppen hatten im regulären Bemessungszeitraum (§ 2 Abs 1 Satz 1 BEEG) aufgrund bestimmter Sachverhalte ein gemindertes Erwerbseinkommen; im Falle des § 2 Abs 7 Satz 6 Alt 1 BEEG unterscheiden sich die Gruppen zB lediglich darin, dass Erwerbseinkommen auf der einen Seite wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung und auf der anderen Seite wegen einer unabhängig von der Schwangerschaft bestehenden Erkrankung weggefallen ist. Gegenüber dem hier betroffenen Personenkreis hat die von § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG nicht erfasste Vergleichsgruppe, deren Elterngeld ohnehin nach der Grundregel des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG zu ermitteln ist, bei einschränkungsloser Gesetzesanwendung einen höheren Leistungsanspruch. Diese Ungleichbehandlung ist gemessen an dem Gesetzeszweck, Nachteile bei der Elterngeldberechnung in besonderen Fällen zu vermeiden, sachlich nicht gerechtfertigt.
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Auch unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Familienförderung (vgl hierzu jüngst BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - juris RdNr 8 f; BVerfG Beschluss vom 20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - juris RdNr 9) überschreitet diese Ungleichbehandlung die sich aus Art 3 Abs 1 GG ergebenden Grenzen typisierender Regelungen (vgl zu diesen Grenzen bereits BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 5 RdNr 36 ff). Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des SG, der wohl herrschenden Meinung in der Literatur (vgl Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, 2007, RdNr 120; Wersig in Vereinbarkeit von Familie und Beruf, 1. Aufl 2009, Kap 6.2, § 2 BEEG RdNr 6, juris; von Koppenfels-Spies in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 2 BEEG RdNr 15)des BMFSFJ (vgl Bericht des Petitionsausschusses <2. Ausschuss>, BT-Drucks 17/6250 S 35) und der Beklagten ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die sich aus der wortlautgetreuen Gesetzesanwendung in bestimmten Fällen ergebenden Nachteile unter Berücksichtigung der Typisierungskompetenz des Gesetzgebers unbeachtlich sind.
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Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist der Gesetzgeber insbesondere im Sozialrecht bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Eine mit der Typisierung verbundene Belastung ist aber nur hinzunehmen, wenn die mit ihr einhergehenden Härten nicht besonders schwer wiegen, nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (BVerfGE 111, 115, 137 = SozR 4-8570 § 6 Nr 3 RdNr 39; BVerfGE 111, 176, 188 = SozR 4-7833 § 1 Nr 4 RdNr 37)und eine verhältnismäßig kleine Gruppe betreffen, also es sich nur um einzelne, aus dem Rahmen fallende Sonderfälle und nicht um eine, wenn auch zahlenmäßig begrenzte, Gruppe typischer Fälle handelt (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; 21, 12, 27 f; 63, 119, 128, 130). Hierbei sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (BVerfGE 9, 20, 31 f; 63, 119, 128).
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Zwar wird § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG in der Mehrzahl der Fälle den objektiven Gesetzeszweck erreichen. Wegen seiner Ausgestaltung, die eine Verschiebung des Beginns des Bemessungszeitraums in die Vergangenheit mit sich bringt, ist aber nicht gewährleistet, dass bei Vorliegen der von der Regelung erfassten besonderen Sachverhalte durch die unbeschränkte Gesetzesanwendung nur eine verhältnismäßig kleine Personengruppe - entgegen dem Gesetzeszweck - Nachteile bei der Elterngeldberechnung erfährt. Denn der Gesetzgeber hat bei dem betroffenen Personenkreis eine lückenlose Erwerbsbiografie - in diesen Fällen werden Einkommensminderungen im Bemessungszeitraum nach § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG weitestgehend ausgeglichen - unterstellt, eine Annahme, die insbesondere bei jungen Elternteilen den heutigen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt, der durch eine zunehmende Flexibilisierung, durch befristete Arbeitsverträge und Zeitarbeit geprägt ist(vgl nur die allgemeinen Ausführungen zum Entwurf eines Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 15/25 S 23 f), nicht unbedingt gerecht wird. Auch der nicht geringe Personenkreis der Berufsanfänger und "Wiedereinsteiger" ist dabei in Betracht zu ziehen.
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Zudem kann - jedenfalls in Einzelfällen - die mit der wortlautgetreuen Gesetzesanwendung einhergehende Ungleichbehandlung besonders schwer wiegen, insbesondere dann, wenn es im regulären Bemessungszeitraum über mehrere Monate hinweg zu einer nur geringen Einkommensminderung - wie etwa durch die von der Klägerin geltend gemachte Aufgabe einer Nebenbeschäftigung - kommt, aber durch die Verschiebung des Beginns des Bemessungszeitraums (völlig) einkommenslose Zeiten in die Leistungsbemessung einbezogen werden. Im Falle einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung bliebe das - trotz Erkrankung - erzielte Erwerbseinkommen unberücksichtigt, obwohl es die vorgeburtlichen Einkommensverhältnisse des Elternteils maßgeblich geprägt hat. Entsprechendes gilt für den Verschiebenstatbestand nach § 2 Abs 7 Satz 5 BEEG, soweit der berechtigte Elternteil neben der Erziehung des Kindes während des Bezuges von Elterngeld unter Beachtung des § 1 Abs 1 Nr 4 und Abs 6 BEEG Erwerbseinkommen erzielt hat(vgl auch Oyda, NZS 2010, 194, 198).
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Diese mit einer allein am Wortlaut orientierten Anwendung der Verschiebenstatbestände im Einzelfall verbundenen Härten sind schließlich - wie aufgezeigt - ohne größere Schwierigkeiten vermeidbar.
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bb) Ist danach eine Einschränkung der Verschiebenstatbestände iS des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG nach Sinn und Zweck des BEEG, der Gesetzessystematik und dem Gebot einer verfassungskonformen Auslegung erforderlich, so sind bei der Ausgestaltung einer solchen teleologischen Reduktion wiederum auch Grenzen zu beachten, die sich insbesondere aus der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergeben(vgl dazu allgemein Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 352). Nach Auffassung des Senats ist unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte der gesetzliche Tatbestand des § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG dahingehend zu ergänzen, dass die Regelung nicht anzuwenden ist, soweit der berechtigte Elternteil auf eine Verschiebung des Beginns des in § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG vorgesehenen Bemessungszeitraums in die Vergangenheit ausdrücklich verzichtet.
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Dabei orientiert sich der Senat an § 2 Abs 8 Satz 5 BEEG, wonach bei Elternteilen, die Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit erzielen(§ 2 Abs 8 Satz 1 BEEG), die Verschiebenstatbestände des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG nur auf Antrag entsprechend anzuwenden sind. Diese im Gesetzgebungsverfahren erst auf Empfehlung des Bundestags-Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) eingefügte Regelung ist als erforderlich angesehen worden, "da der Wechsel auf frühere Kalendermonate etwa bei jungen Müttern, deren Betrieb sich noch im Aufbau befindet, zu Nachteilen führen kann, während es im konkreten Einzelfall überhaupt nicht zu Einkommensreduzierungen gekommen sein muss, weil die Zahlungseingänge aus selbstständiger Arbeit häufig mit längerer Verzögerung zur Leistungserbringung erfolgen" (BT-Drucks 16/2785 S 38). Aus dieser Begründung wird deutlich, dass die Möglichkeit einer für die Berechtigten nachteiligen Anwendung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG gesehen worden ist und durch die Ausgestaltung des Gesetzes ausgeschlossen werden sollte. Wenngleich der Gesetzgeber dabei die besondere Situation selbstständig Erwerbstätiger - das mögliche Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung in zeitlicher Hinsicht - vor Augen gehabt hat, ist die Interessenslage bei abhängig beschäftigten Elternteilen, die durch die Anwendung des § 2 Abs 7 Satz 5 oder 6 BEEG - den "Wechsel auf frühere Monate" - Nachteile erleiden, durchaus vergleichbar.
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Zugleich kann aus dem Antragsrecht nach § 2 Abs 8 Satz 5 BEEG geschlossen werden, dass der Gesetzgeber den Verschiebenstatbeständen iS des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG bei der Bemessung des Elterngeldes keine ausnahmslos zwingende Bedeutung beigemessen, sondern sie als disponibel angesehen hat. Er hat in diesen Fällen in gewisser Weise Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts berücksichtigt, wonach einseitige Rechte und Vergünstigungen grundsätzlich zur Disposition des Berechtigten stehen (vgl BSG Urteil vom 26.2.1986 - 9a RVs 4/83 - SozR 3870 § 3 Nr 21 S 66 mwN). Dabei ist davon auszugehen, dass die Regelungen des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG in erster Linie Nachteile bei der Elterngeldberechnung vermeiden sollen und keine überwiegenden öffentlichen Interessen für eine strikte Anwendung der Norm sprechen. Angesichts des grundsätzlich anwendbaren Bemessungsrechts des BEEG (§ 2 Abs 1 Satz 1 BEEG) enthalten diese Regelungen auch keine zwingenden Berechnungselemente in einem für die Leistungsbemessung maßgeblichen Gesamtkonzept (anders die Berechnungselemente nach den Bestimmungen der Rentenversicherungsgesetze, vgl dazu BSG Urteil vom 8.3.1979 - 12 RK 32/78 - juris RdNr 15).
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Schließlich ist das gesetzgeberische Ziel der Effektivität des Gesetzesvollzugs zu berücksichtigen, das gegen eine teleologische Reduktion der Norm im Wege einer von Amts wegen zu prüfenden, meistbegünstigenden Regel spricht (aA Oyda, NZS 2010, 194, 198-200). Mit der Möglichkeit des Verzichts obliegt es dem berechtigten Elternteil, über die Anwendung der Verschiebenstatbestände zu entscheiden; so werden im Rahmen der Amtsermittlung zu erfolgende Vergleichsberechnungen weitgehend vermieden.
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Der Verzicht auf die Anwendung der Verschiebenstatbestände iS des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG ist nach den allgemeinen Regeln in entsprechender Anwendung des § 46 Abs 1 Halbs 1 SGB I schriftlich zu erklären.
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cc) Nach diesen Maßgaben beurteilt sich die Höhe des Elterngeldanspruchs der Klägerin allein nach der Grundregel des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG, so dass das von September 2007 bis August 2008 erzielte Erwerbseinkommen bei der Leistungsbemessung zu berücksichtigen ist. Eine Modifizierung des Bemessungszeitraums nach § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG iVm § 2 Abs 7 Satz 5 BEEG ist im vorliegenden Fall von Gesetzes wegen nicht durchzuführen. Denn die Klägerin hat bereits im Verwaltungsverfahren eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie mit der Einbeziehung der Monate Mai bis Juli 2007, in denen sie aufgrund Arbeitslosigkeit kein Erwerbseinkommen erzielt hat, nicht einverstanden ist. Hierin ist ein wirksamer Verzicht auf die Verschiebung des Beginns des Bemessungszeitraums in die Vergangenheit nach Maßgabe des § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG zu sehen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Teilobsiegen der Klägerin. Gegenüber dem bereits mit der Ausgangsentscheidung bewilligten Elterngeld in Höhe von monatlich 659,08 Euro hat sich der Hauptantrag der Klägerin wertmäßig auf die Bewilligung eines monatlichen Elterngeldbetrags in Höhe von etwa 951 Euro bezogen. Unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse der Klägerin ist ihr aufgrund dieses Urteils ein monatlicher Leistungsbetrag in Höhe von etwa 846 Euro zu bewilligen, so dass eine Erstattung von zwei Dritteln der außergerichtlichen Kosten durch die Beklagte billigem Ermessen entspricht.
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Referenzen - Gesetze
Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54
Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 2 Höhe des Elterngeldes
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 1 Berechtigte
Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 164
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 130
Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 18a Art des zu berücksichtigenden Einkommens
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 161
Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 14 Beratung
Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 68 Besondere Teile dieses Gesetzbuches
Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 129 Anordnungsermächtigung
Mutterschutzgesetz - MuSchG 2018 | § 13 Rangfolge der Schutzmaßnahmen: Umgestaltung der Arbeitsbedingungen, Arbeitsplatzwechsel und betriebliches Beschäftigungsverbot
Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 46 Verzicht
Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 25 Kindergeld, Kinderzuschlag, Elterngeld und Leistungen für Bildung und Teilhabe
Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 6 Minderung des Familienaufwands
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenBundessozialgericht Urteil, 18. Aug. 2011 - B 10 EG 7/10 R zitiert oder wird zitiert von 27 Urteil(en).
Bundesverfassungsgericht Beschluss, 01. Okt. 2012 - 1 BvR 918/10
Bundessozialgericht Urteil, 18. Aug. 2011 - B 10 EG 8/10 R
Bundesverfassungsgericht Beschluss, 14. März 2011 - 1 BvL 13/07
Bundessozialgericht Urteil, 17. Feb. 2011 - B 10 EG 1/10 R
Bundessozialgericht Urteil, 17. Feb. 2011 - B 10 EG 21/09 R
Bundessozialgericht Urteil, 17. Feb. 2011 - B 10 EG 20/09 R
Bundessozialgericht Urteil, 17. Feb. 2011 - B 10 EG 2/10 R
Bundessozialgericht Urteil, 17. Feb. 2011 - B 10 EG 17/09 R
Bundessozialgericht Urteil, 30. Sept. 2010 - B 10 EG 11/09 R
Bundessozialgericht Urteil, 30. Sept. 2010 - B 10 EG 19/09 R
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 17. Sept. 2018 - L 8 AY 13/18 B
Sozialgericht Nürnberg Urteil, 20. Feb. 2015 - S 11 KR 507/11
Sozialgericht Nürnberg Urteil, 16. Sept. 2015 - S 11 KR 69/13
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 23. Nov. 2017 - L 9 EG 10/16
(1) Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1 800 Euro monatlich für volle Lebensmonate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus
- 1.
nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Einkommensteuergesetzes sowie - 2.
Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes,
(2) In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1 000 Euro war, erhöht sich der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent. In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1 200 Euro war, sinkt der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent.
(3) Für Lebensmonate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das durchschnittlich geringer ist als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, wird Elterngeld in Höhe des nach Absatz 1 oder 2 maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt ist dabei höchstens der Betrag von 2 770 Euro anzusetzen. Der Unterschiedsbetrag nach Satz 1 ist für das Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Lebensmonaten, in denen die berechtigte Person Basiselterngeld in Anspruch nimmt, und in Lebensmonaten, in denen sie Elterngeld Plus im Sinne des § 4a Absatz 2 in Anspruch nimmt, getrennt zu berechnen.
(4) Elterngeld wird mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt. Dies gilt auch, wenn die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat.
(1) Gegen das Urteil eines Sozialgerichts steht den Beteiligten die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht im Urteil oder auf Antrag durch Beschluß zugelassen wird. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag oder, wenn die Revision im Urteil zugelassen ist, der Revisionsschrift beizufügen.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 vorliegen. Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden. Die Ablehnung der Zulassung ist unanfechtbar.
(3) Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluß ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist oder der Frist für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung von neuem, sofern der Antrag in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war. Läßt das Sozialgericht die Revision durch Beschluß zu, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.
(4) Die Revision kann nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden.
(5) Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben; eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 160a Abs. 1 Satz 3 geschehen ist. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.
(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Hierbei kann im Urteil eine einmalige oder laufende vorläufige Leistung angeordnet werden. Die Anordnung der vorläufigen Leistung ist nicht anfechtbar.
(2) Das Gericht kann durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. April 2009 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 2008 wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten für alle Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
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Die 1973 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und seit dem 21.9.2007 mit einem US-amerikanischen Staatsangehörigen verheiratet, der Mitglied einer in Deutschland stationierten Truppe der NATO-Streitkräfte ist. Beide Ehepartner haben ihren Wohnsitz in Deutschland, die Klägerin seit ihrer Geburt. Am 18.2.2008 gebar die Klägerin ihre Tochter M.
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Bis zur Geburt der Tochter war die Klägerin als selbstständige Versicherungsmaklerin tätig. Sie beschäftigte keine sozialversicherungspflichtigen Angestellten und war nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Neben der Kindererziehungszeit für das Kind M. ist bei ihr die Zeit vom 1.8.1993 bis 3.7.1996 als Pflichtbeitragszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung gespeichert. Während der Tätigkeit als Maklerin bestand eine freiwillige Unfallversicherung bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft. Ferner war und ist die Klägerin privat krankenversichert und pflege(pflicht)versichert. Nach dem Bescheid des Finanzamts H. vom 2.3.2007 über Einkommensteuer für das Jahr 2005 hat die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 84 098 Euro erzielt. Seit der Geburt der Tochter ist die Klägerin nicht mehr erwerbstätig.
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Den von der Klägerin im März 2008 gestellten Antrag auf Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer Tochter lehnte die beklagte Landeskreditbank mit Bescheid vom 28.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.6.2008 ab, weil nach Art 13 Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen vom 3.8.1959 (NATOTrStatZAbk) Mitglieder einer in Deutschland stationierten Truppe, Mitglieder des zivilen Gefolges sowie deren Ehepartner und Lebenspartner in das soziale System des Entsendestaates integriert und grundsätzlich von der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit ausgenommen seien, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen sei. Eine derartige Ausnahmeregelung enthalte das BEEG nicht. Zudem sei auch eine Ausnahme auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht möglich.
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Das von der Klägerin daraufhin angerufene Sozialgericht Mannheim (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin Elterngeld nach dem BEEG anlässlich der Geburt ihrer Tochter M. zu gewähren (Urteil vom 23.9.2008). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.4.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
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Die Klägerin erfülle zwar die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG. Ihr stehe ein Anspruch auf Elterngeld aber nicht zu, weil sie Angehörige eines Mitglieds der in Deutschland stationierten NATO-Truppen und daher vom Anwendungsbereich des BEEG ausgenommen sei. Dessen Anwendbarkeit stehe Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk entgegen. Nach dieser Vorschrift würden im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf Mitglieder der NATO-Truppen und des zivilen Gefolges sowie die jeweiligen Angehörigen nicht angewendet, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen sei. Der Vorrang der Regelung derartigen zwischenstaatlichen Rechts folge aus § 30 Abs 2 SGB I. Die USA gehöre zu den Vertragsstaaten des NATOTrStatZAbk. Die Klägerin sei mit einem Mitglied der US-amerikanischen Truppen verheiratet und daher Angehörige im Sinne der Regelung. Ihre deutsche Staatsangehörigkeit sei dabei ohne Belang. Zu den Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge zähle auch das Elterngeld.
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Anders als § 1 Abs 8 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) enthalte das BEEG keine abweichende Bestimmung iS des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk. Die Einfügung einer derartigen Ausnahmeregelung habe der Bundesrat zwar im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen. Dem sei die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung indes entgegengetreten. Der Entwurf des BEEG sei danach ohne die vom Bundesrat angeregte Änderung verabschiedet worden. Es handele sich damit um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, so dass eine analoge Anwendung anderer Vorschriften nicht in Betracht komme. Der Anspruch der Klägerin sei damit grundsätzlich nach Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk ausgeschlossen. Für die soziale Sicherheit der davon erfassten Personen sollten grundsätzlich die Entsendestaaten und nicht die deutschen Stellen verantwortlich sein.
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Anders sei es dagegen, wenn von diesen Personen außerhalb der Mitgliedschaft zu den Streitkräften oder ihrem zivilen Gefolge rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung begründet worden seien (vgl Art 13 Abs 1 Satz 2 und 3 und Abs 2 NATOTrStatZAbk). Nach der Rechtsprechung des BSG bestehe kein Grund, derartige rechtliche Beziehungen nur deshalb zu beschneiden, weil es sich bei den betroffenen Personen um Mitglieder der Streitkräfte, des zivilen Gefolges oder Angehörige handele. Als notwendige rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung habe das BSG verlangt, dass Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestehe. Ebenfalls bejaht habe das BSG entsprechende Beziehungen bei einem Selbstständigen, der als Arbeitgeber der Beitragszahlungspflicht für Versicherte unterworfen gewesen sei. Der Fall der Klägerin, die seit Jahren außerhalb der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung stehe, sei dem nicht vergleichbar. Für eine Ausweitung der dargestellten Fallgruppen gebe es keinen Anlass.
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Auch aus der Tatsache, dass die Klägerin Kindergeld erhalte, folge nicht deren notwendige Einbeziehung in die deutsche Sozialversicherung. Die Klägerin erhalte Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz als Steuervergütung, weil sie als deutsche Staatsangehörige unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland sei. Dies beruhe auf einer Ausnahmeregelung für NATO-Angehörige (§ 1 Abs 1 Nr 4 Bundeskindergeldgesetz
) , für die es eine Entsprechung im BEEG nicht gebe. Die Lage der Klägerin sei vergleichbar den Angehörigen des konsularischen Corps, die ebenfalls vom Bezug von Familienleistungen ausgeschlossen seien.
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Dem in der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, enthaltenen Gemeinschaftsrecht komme ein Vorrang gegenüber den Kollisionsregeln des NATOTrStatZAbk nicht zu. Wortlaut und Auslegung des Art 13 Abs 1 NATOTrStatZAbk verstießen auch nicht gegen Verfassungsrecht. Dies habe das BSG sowohl für das Kindergeld als auch für das Bundeserziehungsgeld entschieden. Für das Elterngeld gelte nichts anderes.
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Mit ihrer gegen dieses Urteil geführten Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Rechtsfehlerhaft gehe das LSG davon aus, dass dem Anspruch auf Elterngeld Art 13 Abs 1 NATOTrStatZAbk entgegenstehe. Es sei zwar richtig, dass der Bundesrat die Einfügung einer dem § 1 Abs 8 BErzGG vergleichbaren Vorschrift vorgeschlagen habe und die Bundesregierung diesem entgegengetreten sei. Allerdings habe die Gegenäußerung der Bundesregierung einen wesentlichen Gesichtspunkt "außen vor" gelassen. Sie sei davon ausgegangen, dass das internationale Recht, hier das Recht des Entsendestaates, die Angehörigen befriedigend schütze. Das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Bundesregierung verkenne in ihrer Stellungnahme, dass eine Selbstständige, die keine Arbeitnehmer habe, nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zu Art 13 NATOTrStatZAbk kein Elterngeld erhalte. Dies stelle eine unzulässige Differenzierung dar. Eine Selbstständige könne nicht darauf verwiesen werden, durch Dritte, nämlich über ihre Arbeitnehmer, eine Beziehung zur sozialen Sicherheit und Fürsorge herzustellen, um danach zum Bezug von Elterngeld berechtigt zu sein. Dieses Differenzierungskriterium widerspreche den Vorgaben des Art 3 GG. Die hier vorgenommene Differenzierung bei der Verteilung staatlicher Vergünstigungen sei willkürlich. Die Differenzierung zwischen Selbstständigen mit Arbeitnehmern, die in die fünf Zweige der Sozialversicherung eingebunden seien, und Selbstständigen ohne solche Arbeitnehmer sei ungenau und unsystematisch.
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Das LSG gehe auch zu Unrecht davon aus, dass ihre Beziehungen zum deutschen Sozialversicherungssystem nicht ausreichend seien. Vor ihrer Selbstständigkeit sei sie in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen. Als Selbstständige habe sie keine Möglichkeit gehabt, sich in der Arbeitslosenversicherung zu versichern. Sie habe sich zudem privat krankenversichert. Es bestehe eine Pflegepflichtversicherung. Schließlich sei sie freiwillig in der Unfallversicherung versichert. Nach Sinn und Zweck des Art 13 Abs 1 NATOTrStatZAbk sollten Angehörige nur dann von der Anwendung des deutschen Sozialrechts ausgeschlossen werden, wenn sie nur zum Entsendestaat rechtliche Beziehungen unterhielten. Das sei hier gerade nicht der Fall. Jedenfalls unterliege sie als deutsche Staatsangehörige ausschließlich dem deutschen Steuerrecht. Dies ergebe sich aus Art X Abs 1 und Abs 4 NATOTrStat. Auch stehe ihr ein Anspruch auf Elterngeld nach den Vorschriften der EWG-VO 1408/71 zu.
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Im Übrigen liege in ihrem Ausschluss von der Anwendung des § 1 BEEG auch ein Verstoß gegen Art 6 GG. Dieses Grundrecht schütze nicht nur die Ehe, sondern auch die Familie als Gemeinschaft der Eltern mit ihren minderjährigen Kindern. Sie enthalte eine wertentscheidende Grundsatznorm. Eine Differenzierung zwischen Verheirateten und Nichtverheirateten könne nur dann erfolgen, wenn es einleuchtende Sachgründe dafür gebe. Im vorliegenden Falle hätte die Klägerin unstreitig Elterngeld erhalten, wenn sie entweder nicht verheiratet gewesen wäre oder wenn sie eine Selbstständige wäre, die wenigstens einen Angestellten beschäftigt hätte. Sie werde vom Anspruch auf Elterngeld ausgeschlossen, weil sie mit einem NATO-Truppenangehörigen verheiratet sei. Dies könne jedoch eine Einschränkung ihres Grundrechts aus Art 6 GG nicht rechtfertigen.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. April 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 2008 zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet.
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Das angefochtene Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebende und Elterngeld zusprechende Urteil des SG zurückzuweisen.
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Zwar hat das SG die Beklagte zur Gewährung von Elterngeld verurteilt, ohne den Leistungszeitraum im Tenor seines Urteils zu bezeichnen. Es wird jedoch aus seinen Entscheidungsgründen hinreichend deutlich, dass Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate der Tochter der Klägerin zugesprochen worden ist. Damit handelt es sich bei dem Urteil des SG um ein hinreichend bestimmtes Grundurteil iS des § 130 Abs 1 SGG. Auf die Revision der Klägerin ist dieses Urteil wieder herzustellen, denn das SG hat die beklagte Landeskreditbank zutreffend zur Gewährung des Elterngeldes verurteilt. Zum einen ist die Beklagte in Baden-Württemberg für die Ausführung des BEEG zuständig (§ 12 Abs 1 Satz 1 BEEG iVm § 1 Verordnung der Landesregierung, des Ministeriums für Arbeit und Soziales und des Wirtschaftsministeriums des Landes Baden-Württemberg über die Zuständigkeiten nach dem BEEG vom 14.2.2007 - GBl 2007, 139, 140). Zum anderen hat die Klägerin Anspruch auf Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer am 18.2.2008 geborenen Tochter M.
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Die Klägerin wird grundsätzlich vom Anwendungsbereich des BEEG erfasst, denn nach § 30 Abs 1 SGB I gelten die Vorschriften dieses Gesetzbuches, zu denen nach § 68 Nr 15a SGB I der erste Abschnitt des BEEG - über das Elterngeld - gehört, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. Nach § 30 Abs 2 SGB I bleiben allerdings die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt.
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Das Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATOTrStat) vom 19.6.1951 (BGBl 1961 II, 1190) und das NATOTrStatZAbk vom 3.8.1959 (BGBl 1961 II, 1218), die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Gesetzes vom 18.8.1961 (BGBl 1961 II, 1183) sowie der Bekanntmachung über das Inkrafttreten des NATOTrStat vom 16.6.1963 (BGBl 1963 II, 745) am 1.7.1963 in Kraft getreten sind und aufgrund verschiedener Notenwechsel der Parteien des Nordatlantikvertrages nach der deutschen Wiedervereinigung auch für das Gebiet der neuen Bundesländer und Berlin (West) gelten, sind zwar zwischenstaatliches Recht iS des § 30 Abs 2 SGB I. Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten schließt Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk iVm den Vorschriften des NATOTrStat die Anwendung des Ersten Abschnitts des BEEG im Fall der Klägerin jedoch nicht aus.
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Nach Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk werden zwischenstaatliche Abkommen oder andere im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges und auf Angehörige nicht angewendet, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist.
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Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk ist grundsätzlich auf die Klägerin anwendbar. Die Klägerin ist Angehörige iS der Vorschrift, denn sie ist die Ehefrau eines US-amerikanischen Mitglieds einer Truppe der NATO-Streitkräfte. Als Ehefrau erfüllt sie zweifelsohne die Voraussetzungen des Angehörigenbegriffs nach Art I Abs 1 Buchst c NATOTrStat. Ihr Ehemann ist Angehöriger der US-Armee, die Truppe iS des Art I Abs 1 Buchst a NATOTrStat ist.
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Überdies gehört das BEEG mit dem darin geregelten Anspruch auf Elterngeld zu den im Bundesgebiet geltenden Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge. Der Denkschrift zum NATOTrStat und zu den Zusatzvereinbarungen (BT-Drucks III/2146) ist zu entnehmen, dass die vertragsschließenden Parteien in jener Zeit unter den Begriffen der sozialen Sicherheit und Fürsorge die deutsche Sozialversicherung sowie die deutschen Bestimmungen über die Betreuung von Personen "in Fällen der Not" verstanden haben (s BT-Drucks III/2146 S 234, 235). Unter Berücksichtigung dessen sind alle bisherigen Entscheidungen des BSG zum Bundeserziehungsgeld (BErzg) und zum Kindergeld davon ausgegangen, dass sowohl das BErzGG als auch das BKGG zu den im Bundesgebiet geltenden Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge gehören (s stellvertr BSG Urteil vom 12.7.1988 - 4/11a REg 4/87 - SozR 6180 Art 13 Nr 5 S 28). Für das BEEG darf nichts anderes gelten, zumal nach deutscher Verfassungsrechtslage der Begriff der Fürsorge nicht nur für Leistungen des Staates bei Bedürftigkeit bzw Armut gilt. Der auch in Art 74 Abs 1 Nr 7 GG verwendete Begriff der öffentlichen Fürsorge wird nicht beschränkt auf klassische Sozialleistungen bei Not wie etwa die Sozialhilfe verstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BSG fallen darunter vielmehr auch Leistungen in Notlagen "anderer Art", für die es nicht wesentlich darauf ankommt, ob die Betroffenen sich selbst helfen können, ebenso Leistungen, für die eine Bedarfslage nur ganz unspezifisch oder typisierend zugrunde gelegt wird, wie etwa das Kindergeld und das BErzg (zu alledem s BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 38 mwN)und damit auch das Elterngeld (BSG, aaO, RdNr 39).
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Völkerrechtliche Verträge wie das NATOTrStatZAbk sind, wie jeder andere Vertrags- oder Normtext auch, zunächst nach dem Wortlaut, dh dem üblichen Wortsinn, auszulegen (Herdegen, Völkerrecht, 8. Aufl 2009, S 122 RdNr 28; unter Verweis auf Art 31 ff Wiener Vertragsrechtskonvention Graf Vitzthum in Graf Vitzthum - Hrsg - Völkerrecht, 4. Aufl 2007, RdNr 123), wobei die rein sprachliche Erfassung bei meist mehrsprachig verfassten Texten erhöhte Schwierigkeiten bereitet. Spiegelt der Wortlaut die klaren Intentionen der Vertragsparteien nur unzureichend wider, ist auf andere Auslegungsmethoden, insbesondere den historischen Willen der Vertragsparteien, den systematischen Zusammenhang und schließlich den Sinn und Zweck der Vertragsklausel und/oder des gesamten Vertragswerks zurückzugreifen. Hierbei kann besonders die teleologische Auslegung zu einem Vehikel für eine dynamische Vertragsinterpretation werden, die sich vom subjektiven Willen der Parteien bei Vertragsschluss entfernt (Herdegen, aaO). In gleicher Weise kann und sollte der Text eines völkerrechtlichen Vertrages ausgelegt werden, wenn sich ein übereinstimmendes Wortverständnis aller Vertragssprachen nicht feststellen lässt oder sich das Wortverständnis nach dem Vertragsschluss verändert hat. In diesen Fällen muss der Begriff maßgebend mit Blick auf den Sinn und Zweck des Vertrages ausgelegt werden.
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Während der französische Text des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk entsprechend dem deutschen Wortlaut von "matiere de securite sociale et d`assistance sociale" spricht, enthält der englische Text allein den Begriff "social security". Es kann indes im Ergebnis dahinstehen, ob die Parteien des NATOTrStatZAbk bei Vertragsschluss den Begriff der Fürsorge im Sinne von staatlichen Hilfeleistungen bei wirtschaftlicher Not enger verstanden haben. Denn es entspricht Sinn und Zweck seines Art 13 Abs 1, den dort beschriebenen Personenkreis unter den soeben dargelegten Voraussetzungen von der Anwendung des deutschen Systems der Sozialen Sicherheit und Fürsorge auszuschließen. Dies erfordert es geradezu, diejenigen Bereiche des deutschen Sozialrechts als erfasst anzusehen, die nach deutscher Rechtsauffassung zum System der Sozialen Sicherheit und Fürsorge gehören. Demzufolge ist auch die Leistung des Elterngeldes dem Bereich des deutschen Systems der Fürsorge iS des Art 13 Abs 1 NATOTrStatZAbk zuzuordnen.
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Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk erfasst nicht sämtliche mögliche Ansprüche des betroffenen Personenkreises aus dem bundesdeutschen System der sozialen Sicherheit und Fürsorge. Er schließt, wie das BSG bereits entschieden hat (grundlegend Urteil vom 25.2.1992 - 4 RA 34/91 - BSGE 70, 138, 143 = SozR 3-6180 Art 13 Nr 2, S 11; BSG Urteil vom 2.10.1997 - 14/10 RKg 12/96 - SozR 3-6180 Art 13 Nr 8, S 41), als Ausnahmevorschrift die genannten Ansprüche der Mitglieder der Truppe, des zivilen Gefolges und der Angehörigen dieser Personen nur aus, wenn und soweit deutsche Sozialrechtsnormen für diese Personen Rechte oder Pflichten allein schon wegen des Umstands begründen würden, dass sie sich im Bundesgebiet tatsächlich aufhalten. Denn es wäre unangemessen, für diese Personen allein wegen ihres tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland und ihren Beziehungen untereinander oder zu der jeweiligen Truppe Rechte und Pflichten durch deutsche Bestimmungen der sozialen Sicherheit und Fürsorge zu begründen. Hingegen findet deutsches Sozialrecht uneingeschränkt Anwendung, wenn und soweit seine Normen für die Gestaltung von Rechtsverhältnissen zu deutschen Leistungsträgern (§ 12 SGB I) an andere Umstände (zB Beziehungen dieser Personen zu anderen inländischen Rechtssubjekten) anknüpfen, insbesondere wenn von den von Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk erfassten Personen außerhalb der Mitgliedschaft zu den Streitkräften oder ihrem zivilen Gefolge rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung begründet worden sind (s nur BSG SozR 3-6180 Art 13 Nr 8, S 42).
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Dieses enge, rein kollisionsrechtliche Verständnis des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk stimmt überein mit den Darlegungen der Denkschrift (BT-Drucks III/2146 S 235), wonach es der Stellung der ausländischen Streitkräfte in Deutschland nicht gerecht werden würde, wenn ihre Mitglieder, deren Zugehörigkeit zu den Streitkräften auf die militärische Organisation des Entsendestaates zurückgeht, in die sie eingeordnet sind, mit ihren Angehörigen sozialversicherungsrechtlich so behandelt würden, als ob sie bei einem Arbeitgeber oder Dienstherrn im gewöhnlichen Sinne in der Bundesrepublik Deutschland in abhängiger Beschäftigung tätig würden. Die Streitkräfte, ihre Mitglieder und die Angehörigen befänden sich aufgrund besonderer Abmachungen im Bundesgebiet, die es nicht sinnvoll erscheinen ließen, die Beziehungen des einzelnen Mitglieds zu den Streitkräften als Beschäftigung iS des deutschen Sozialversicherungsrechts anzusehen. Demgemäß sollten die Entsendestaaten und nicht die deutschen Stellen für die soziale Sicherheit dieser Personen verantwortlich sein. Ähnliche Überlegungen gälten für die Betreuung dieser Personen in Fällen der Not. Anders sei es, wenn rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung außerhalb der Mitgliedschaft zu den Streitkräften begründet worden seien oder hergestellt würden. Es bestehe kein Grund, diese rechtlichen Beziehungen zu beschneiden, weil es sich gleichzeitig um Mitglieder der Streitkräfte oder Angehörige handele.
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Diese Konzeption kommt deutlich in Art 13 Abs 1 Satz 2 und 3 NATOTrStatZAbk zum Ausdruck, wonach Rechte und Pflichten, die diesen Personen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit während eines früheren Aufenthalts im Bundesgebiet erwachsen sind, unberührt bleiben und die Zugehörigkeit zu dem betroffenen Personenkreis ferner nicht die Möglichkeit ausschließt, dass in der deutschen sozialen Kranken- und Rentenversicherung zum Zwecke der freiwilligen Weiterversicherung Beiträge geleistet werden und im Rahmen einer bestehenden Versicherung Rechte entstehen und geltend gemacht werden. Auch darauf hat das BSG in seiner grundlegenden Entscheidung vom 25.2.1992 (BSGE 70, 138, 145 = SozR 3-6180 Art 13 Nr 2 S 13) bereits hingewiesen. Auch auf den Inhalt des Art 56 Abs 3 sowie den weiteren Inhalt des Art 13 Abs 2 NATOTrStatZAbk, die diese enge kollisionsrechtliche Auslegung des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk stützen, hat das BSG bereits aufmerksam gemacht (BSG aaO).
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Dieses Verständnis des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk entspricht auch der Rechtsauffassung, die die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren des BEEG geäußert hat. Der ursprüngliche, von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD vorgelegte, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes (BT-Drucks 16/1889) hatte - anders als etwa § 1 Abs 8 BErzGG - den Personenkreis der Ehegatten oder Lebenspartner von Mitgliedern der Truppe oder des zivilen Gefolges eines NATO-Mitgliedstaates nicht angesprochen. Demgegenüber hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 7.7.2006 zum Gesetzentwurf (BT-Drucks 16/2454 S 9) die Ergänzung des § 1 um einen dem § 1 Abs 8 BErzGG gleichen Abs 8 vorgeschlagen, weil die Versagung des Elterngeldes für den betroffenen Personenkreis mit der Zielsetzung des Elterngeldes, insbesondere als Ersatz eines ausfallenden Einkommens, nicht vereinbar sei(BT-Drucks 16/2454 aaO). Dem ist die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vom 25.8.2006 (BT-Drucks 16/2454) entgegengetreten. Dem Anliegen des Bundesrates könne nicht gefolgt werden. Auch ohne die vorgeschlagene Ergänzung des § 1 BEEG seien Ansprüche von Ehegatten der NATO-Truppenmitglieder bzw der Mitglieder des zivilen Gefolges nicht gänzlich ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des BSG hätten Ehegatten, bei denen zusätzliche Umstände vorlägen, durch welche rechtliche Beziehungen zur sozialen Sicherheit und Fürsorge in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt würden, durchaus einen Anspruch auf deutsche Familienleistungen (BT-Drucks 16/2454 S 12).
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Nach alledem enthält Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk eine Kollisionsregel, die festlegt, dass deutsches Sozialrecht - ausnahmsweise - auf die dem internen Bereich der ausländischen Streitkräfte zugeordneten Personen nicht anzuwenden ist, wenn und solange sie sich im Bundesgebiet aufhalten und nur Beziehungen zum Entsendestaat oder untereinander haben. Deutsches Sozialrecht kann und muss dagegen uneingeschränkt angewendet werden, wenn (soweit und solange) diese Personen rechtliche oder tatsächliche Beziehungen zu Dritten, dh zu anderen, nicht "entsandten" Personen (Rechtssubjekten) unterhalten, und diese Beziehungen in dem jeweiligen sozialrechtlichen Zusammenhang relevant sind (vgl BSGE 70, 138, 145 = SozR 3-6180 Art 13 Nr 2 S 13 f).
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Welcher Art und welchen Umfangs die ein Eingreifen des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk ausschließenden und damit die Anwendbarkeit des deutschen Sozialrechts begründenden Rechtsbeziehungen sein müssen, kann sich nur nach dem (streitigen) Anspruch auf eine Sozialleistung bestimmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des LSG ist dafür keineswegs stets erforderlich, dass der Angehörige des NATO-Truppenmitglieds als abhängig Beschäftigter oder als Selbstständiger in alle Zweige der deutschen Sozialversicherung einbezogen ist oder war (vgl dazu BSG Urteil vom 18.7.1989 - 10 RKg 21/88 - SozR 6180 Art 13 Nr 6; Urteil vom 15.12.1992 - 10 RKg 22/91 - SozR 3-6180 Art 13 Nr 3). Es reicht vielmehr aus, dass für den Anspruch auf die betreffende Sozialleistung ein Tatbestandsmerkmal erfüllt sein muss und erfüllt ist, das außerhalb des "NATO-Bereichs" liegt (vgl dazu allgemein BSG SozR 6180 Art 13 Nr 1; BSG SozR 3-6180 Art 13 Nr 5). Das BSG hat nur in den Fällen auf das Erfordernis einer intensiven Beziehung zur deutschen Sozialversicherung abgestellt, in denen es nach den Anspruchsvoraussetzungen selbst an einem Merkmal fehlt, das über den NATO-Bereich hinaus reicht. Beim Elterngeld gibt es jedoch ein solches Merkmal. Auf Angehörige von NATO-Truppenmitgliedern ist der Erste Abschnitt des BEEG über das Elterngeld anwendbar, wenn sie vor der Geburt des betreuten Kindes durch Erwerbstätigkeit Einkommen außerhalb des Bereichs der NATO-Truppen erzielt haben.
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Nach der Konzeption des BEEG steht der Anspruch auf Elterngeld bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG dem Grunde nach zwar allen Personen zu, gleichgültig ob sie vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren oder nicht. Die Höhe der Leistung wird jedoch besonders bemessen, wenn die Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes zum Tragen kommt. Wer Einkommen aus nichtselbstständiger oder selbstständiger Arbeit (s § 2 Abs 7 und Abs 8 BEEG) erzielt hat, dem wird gemäß § 2 Abs 1 BEEG Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt. Nach § 2 Abs 2 BEEG ist in den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen vor der Geburt geringer als 1000 Euro war, der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent zu erhöhen. Danach erhält eine Person, die nur geringfügige Einkünfte iS des § 8 SGB IV von bis zu 400 Euro monatlich hatte, einen Betrag von 388 Euro als Elterngeld, der oberhalb des sog Grundbetrages in Höhe von mindestens 300 Euro monatlich liegt. Letzterer steht nach § 2 Abs 5 Satz 1 BEEG Personen zu, die vor der Geburt kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hatten.
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Hat der anspruchstellende Angehörige eines NATO-Truppenmitglieds vor der Geburt des Kindes in Deutschland außerhalb der NATO-Streitkräfte Einkommen aus abhängiger Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit erzielt, erfüllt er die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 iVm Abs 7 bis 9 BEEG und damit ein Merkmal, das über den vom NATOTrStatZAbk erfassten Bereich hinausreicht. Dieser Umstand steht einem Durchgreifen des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk entgegen und führt zur Anwendbarkeit des ersten Abschnitts des BEEG. Das ist bei der Klägerin der Fall, denn sie war nach den gemäß § 163 SGG für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG bis unmittelbar vor der Geburt ihrer Tochter in Deutschland als Versicherungsmaklerin selbstständig erwerbstätig. Zudem hat sie aus dieser Tätigkeit, wie sich aus dem Bescheid des Finanzamtes H. vom 2.3.2007 über Einkommenssteuer für das Jahr 2005 (vgl dazu § 2 Abs 9 BEEG) ergibt, auch Einkommen erzielt.
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Der Klägerin steht dem Grunde nach Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer Tochter M. zu. Anspruch auf Elterngeld hat gemäß § 1 Abs 1 BEEG, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut und erzieht sowie keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Nach § 4 Abs 1 Satz 1 BEEG kann Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, wobei gemäß § 4 Abs 3 Satz 1 BEEG ein Elternteil Elterngeld mindestens für zwei und höchstens für zwölf Monate beziehen kann. Mutterschaftsgeld für die Zeit ab der Geburt des Kindes wird nach Maßgabe des § 3 Abs 1 BEEG auf das der Mutter zustehende Elterngeld angerechnet. Die Höhe des Elterngeldes bestimmt sich nach § 2 BEEG.
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Dass die Klägerin die Grundvoraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG im Anspruchszeitraum von zwölf Monaten nach dem Tag der Geburt erfüllt, haben sowohl die Beklagte als auch die Tatsachengerichte angenommen. Auch wenn das LSG nicht zu allen Tatbestandsmerkmalen ausdrückliche tatsächliche Feststellungen getroffen hat, bestehen keine Zweifel an der Erfüllung der genannten Anspruchsvoraussetzungen, zumal auch ein ordnungsgemäßer Antrag (vgl § 7 BEEG) vorliegt. Die Höhe des der Klägerin zustehenden Elterngeldes hat die Beklagte nunmehr durch besonderen Verwaltungsakt festzustellen.
(1) Anspruch auf Elterngeld hat, wer
- 1.
einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, - 2.
mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, - 3.
dieses Kind selbst betreut und erzieht und - 4.
keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
(2) Anspruch auf Elterngeld hat auch, wer, ohne eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 zu erfüllen,
- 1.
nach § 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist, - 2.
Entwicklungshelfer oder Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ist oder als Missionar oder Missionarin der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e. V. oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist oder - 3.
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt.
(3) Anspruch auf Elterngeld hat abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auch, wer
- 1.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat, - 2.
ein Kind des Ehegatten oder der Ehegattin in seinen Haushalt aufgenommen hat oder - 3.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt und die von ihm erklärte Anerkennung der Vaterschaft nach § 1594 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht wirksam oder über die von ihm beantragte Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht entschieden ist.
(4) Können die Eltern wegen einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Todes der Eltern ihr Kind nicht betreuen, haben Verwandte bis zum dritten Grad und ihre Ehegatten oder Ehegattinnen Anspruch auf Elterngeld, wenn sie die übrigen Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen und wenn von anderen Berechtigten Elterngeld nicht in Anspruch genommen wird.
(5) Der Anspruch auf Elterngeld bleibt unberührt, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes aus einem wichtigen Grund nicht sofort aufgenommen werden kann oder wenn sie unterbrochen werden muss.
(6) Eine Person ist nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 32 Wochenstunden im Durchschnitt des Lebensmonats nicht übersteigt, sie eine Beschäftigung zur Berufsbildung ausübt oder sie eine geeignete Tagespflegeperson im Sinne des § 23 des Achten Buches Sozialgesetzbuch ist und nicht mehr als fünf Kinder in Tagespflege betreut.
(7) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person
- 1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, - 2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde - a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt, - b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch, - c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
- 3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt, - 4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder - 5.
eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.
(8) Ein Anspruch entfällt, wenn die berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von mehr als 250 000 Euro erzielt hat. Erfüllt auch eine andere Person die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder der Absätze 3 oder 4, entfällt abweichend von Satz 1 der Anspruch, wenn die Summe des zu versteuernden Einkommens beider Personen mehr als 300 000 Euro beträgt.
(1) Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1 800 Euro monatlich für volle Lebensmonate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus
- 1.
nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Einkommensteuergesetzes sowie - 2.
Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes,
(2) In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1 000 Euro war, erhöht sich der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent. In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1 200 Euro war, sinkt der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent.
(3) Für Lebensmonate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das durchschnittlich geringer ist als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, wird Elterngeld in Höhe des nach Absatz 1 oder 2 maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt ist dabei höchstens der Betrag von 2 770 Euro anzusetzen. Der Unterschiedsbetrag nach Satz 1 ist für das Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Lebensmonaten, in denen die berechtigte Person Basiselterngeld in Anspruch nimmt, und in Lebensmonaten, in denen sie Elterngeld Plus im Sinne des § 4a Absatz 2 in Anspruch nimmt, getrennt zu berechnen.
(4) Elterngeld wird mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt. Dies gilt auch, wenn die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. August 2009 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16. Dezember 2008 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Klägerin weiteres Elterngeld in Höhe von 1348,05 Euro zu zahlen ist.
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Der Beklagte hat der Klägerin für alle Rechtszüge 5/6 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
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Streitig ist die Höhe des Elterngeldes der Klägerin.
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Die Klägerin war seit 2001 als Physiotherapeutin in einer Praxis beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag sah kein festes Monatsgehalt, sondern ein leistungsbezogenes Arbeitsentgelt in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Vergütung vor, die ihr Arbeitgeber mit den jeweiligen Leistungsträgern abgerechnet hatte. Im Falle der Arbeitsunfähigkeit bestimmte sich das Gehalt nach dem Durchschnittsverdienst der letzten drei voll abgerechneten Monate.
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Ab Juli 2006 zahlte der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt (einschließlich Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) nicht in der vereinbarten Höhe. Vom 26.10.2006 bis 21.1.2007 war die Klägerin wegen schwangerschaftsbedingter Gesundheitsstörungen arbeitsunfähig. Sie bezog vom 7.12.2006 bis 21.1.2007 Krankengeld. Am 22.1.2007 gebar sie ihren Sohn J. Vom 22.1. bis 28.5.2007 bezog sie Mutterschaftsgeld in Höhe von kalendertäglich 13 Euro zuzüglich eines Zuschusses des Arbeitgebers.
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Am 17.4.2007 beantragte die Klägerin Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat von J. Sie legte Verdienstbescheinigungen ihres Arbeitgebers für die Monate Dezember 2005 bis November 2006 vor. Auf dieser Grundlage, die ein durchschnittliches Monatsnettoentgelt von 1350,44 Euro ergab, bewilligte das Versorgungsamt Aachen Elterngeld für den beantragten Zeitraum in Höhe von monatlich 904,79 Euro, wobei für die Zeit bis zum 28.5.2007 das Mutterschaftsgeld nebst Zuschuss angerechnet wurde (Bescheid vom 15.5.2007). Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, für die Zeit von Juli bis November 2006 sei weiteres Arbeitsentgelt zu berücksichtigen, das sie gegenwärtig beim Arbeitsgericht einklage. Die Bezirksregierung Münster wies diesen Widerspruch unter Bezugnahme auf die vorliegenden Gehaltsabrechnungen des Arbeitgebers zurück (Widerspruchsbescheid vom 18.9.2007).
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Während des anschließenden Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Aachen (SG) endete der arbeitsgerichtliche Rechtsstreit der Klägerin durch einen Vergleich. Darin verpflichtete sich der Arbeitgeber zu einer Nachzahlung von Arbeitsentgelt für das Jahr 2006 in Höhe von 4766 Euro brutto. Dieser Betrag wurde von dem Arbeitgeber mit Gehaltsbescheinigungen vom 20.2.2008 für die Monate Juli bis November 2006 abgerechnet. Das SG hat der danach auf Gewährung weiteren Elterngeldes in Höhe von 1634,29 Euro gerichteten Klage stattgegeben (Urteil vom 16.12.2008). Dabei hat es das von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in anderen Sozialleistungsbereichen entwickelte modifizierte Zuflussprinzip zu Grunde gelegt, wonach zunächst vorenthaltenes Arbeitsentgelt zu berücksichtigen ist, das vom Arbeitgeber nachträglich für den Bemessungszeitraum gezahlt worden ist.
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Auf die Berufung des inzwischen beklagten Kreises Aachen hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.8.2009). Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Das bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigende Einkommen werde nur dann im Bemessungszeitraum erzielt, wenn es in dieser Zeit auch tatsächlich zugeflossen sei. Daher scheide eine Berücksichtigung des nachträglich für Juli bis November 2006 abgerechneten und erst im Jahre 2008 ausgezahlten Erwerbseinkommens aus. Während der Wortlaut des Gesetzes eine Interpretation in beide Richtungen zulasse, gäben sowohl die Entstehungsgeschichte als auch systematische Erwägungen den Ausschlag für dieses Auslegungsergebnis.
- 7
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Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin beim BSG Revision eingelegt. Ihre Klage hat sie auf Zahlung eines weiteren Betrages von 1348,05 Euro beschränkt. Sie rügt eine Verletzung des § 2 Abs 1 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) und hält mit ausführlicher Begründung die Rechtsauffassung des SG für zutreffend. Die Argumente des LSG verfingen dagegen nicht.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordhrein-Westfalen vom 26. August 2009 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16. Dezember 2008 zurückzuweisen, soweit ihr weiteres Elterngeld in Höhe von 1348,05 Euro zugesprochen ist.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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Er ist zusammenfassend der Ansicht, dass eine Berücksichtigung der Gehaltsnachzahlung sowohl an dem Umstand scheitere, dass diese nach Ablauf des Bemessungszeitraumes abgerechnet worden sei, als auch an ihrer Qualifizierung als sonstiger Bezug iS des § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet. Die von der Klägerin auf Hinweis des Senats auf die Zahlung eines weiteren Betrages von 1348,05 Euro beschränkte Klage (Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG) ist zulässig und begründet. Ihr ist - wie das SG im Grunde zutreffend entschieden hat - in diesem Umfang stattzugeben.
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Im Laufe des Gerichtsverfahrens sind auf der Beklagtenseite kraft Gesetzes zwei Beteiligtenwechsel erfolgt (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, RdNr 13 f). Zunächst ist zum 1.1.2008 der Kreis Aachen an die Stelle des Landes Nordrhein-Westfalen getreten, weil ihm von diesem Zeitpunkt an die bis dahin von den Versorgungsämtern wahrgenommenen Aufgaben nach dem BEEG übertragen worden sind (§ 5 Abs 1 Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes NRW = Art 1 Zweites Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur in NRW vom 30.10.2007, GVBl NRW 482; vgl dazu BSG SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 13 ff). Durch § 1 Abs 1 Städteregion Aachen Gesetz vom 26.2.2008 (GVBl NRW 162) ist der Kreis Aachen mit Ablauf des 20.10.2009 aufgelöst worden. Rechtsnachfolgerin ist die Städteregion Aachen (§ 2 Abs 1 Städteregion Aachen Gesetz).
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Die Klage richtet sich jetzt zutreffend gegen den Städteregionsrat der Städteregion Aachen (§ 3 Abs 2 Städteregion Aachen Gesetz ), denn dieser ist als Behörde nach § 70 Nr 3 SGG iVm § 3 Gesetz zur Ausführung des SGG im Lande NRW(AG-SGG NRW) fähig, am sozialgerichtlichen Verfahren beteiligt zu sein (vgl dazu auch BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 31). Er kann deshalb selbst verklagt werden. Ob die Auffassung des 8. Senats des BSG (s Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) zutrifft, dass eine Klage in diesem Fall zwingend gegen die Behörde und nicht gegen den Rechtsträger zu richten ist, braucht hier nicht entschieden zu werden (zur Gegenansicht vgl BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 21; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 70 RdNr 4). Denn die Klägerin hat auf Anregung des Senatsvorsitzenden ihre Klage im Revisionsverfahren - klarstellend - gegen den Städteregionsrat gerichtet.
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Der Beklagte ist zur Führung des vorliegenden Prozesses befugt. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren ist zwischen der Beteiligtenfähigkeit und der Prozessführungsbefugnis zu unterscheiden. Die Prozessführungsbefugnis ist das Recht, einen Prozess als richtige Partei im eigenen Namen zu führen (vgl Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl 2010, vor § 50 RdNr 18),also als richtiger Kläger zu klagen (aktive Prozessführungsbefugnis vgl Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl 2009, vor § 40 RdNr 23)oder als richtiger Beklagter verklagt zu werden (passive Prozessführungsbefugnis vgl Kopp/Schenke, aaO, § 78 RdNr 1). Die Prozessführungsbefugnis ist entgegen einer in der Literatur jüngst geäußerten Auffassung (Strassfeld, SGb 2010, 520) unproblematisch, wenn die nach § 70 Nr 3 SGG beteiligtenfähige Behörde eines Rechtsträgers an dessen Stelle verklagt wird und sich gegen Ansprüche der Klägerseite verteidigt. Denn es entspricht der Funktion einer durch organisationsrechtliche Rechtssätze gebildeten Behörde, im Rahmen ihrer Zuständigkeit für den Staat oder einen anderen Träger der öffentlichen Verwaltung dessen Aufgaben nach außen selbstständig wahrzunehmen (vgl § 1 Abs 2 SGB X; hierzu Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 1 RdNr 9; hierzu auch § 1 Abs 4 VwVfG; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008 § 1 RdNr 241 mwN). Sie wird demnach - soweit sie beteiligtenfähig ist - auch in einem Rechtsstreit im eigenen Namen für den Träger der öffentlichen Verwaltung tätig.
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Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld für ihren am 22.1.2007 geborenen Sohn ergibt sich zunächst dem Grunde nach aus § 1 BEEG idF vom 5.12.2006 (BGBl I 2748; die Änderung des Abs 7 durch das Gesetz vom 19.8.2007, BGBl I 1970, ist hier unbeachtlich). Danach hat Anspruch auf Elterngeld, wer
1.
seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2.
mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3.
dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4.
keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
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Zu diesen Tatbestandsmerkmalen haben die Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen. Da der Beklagte das Vorliegen dieser Voraussetzungen bei Erteilung seines Bescheides vom 15.5.2007 angenommen hat und sich aus den vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten keine Anhaltspunkte für irgendwelche Zweifel daran ergeben, legt der Senat einen entsprechenden Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde. Danach hat die Klägerin dem Grunde nach Anspruch auf Elterngeld, zumal auch ein ordnungsgemäßer Antrag (vgl § 7 BEEG) vorliegt.
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Die Höhe des Elterngeldes richtet sich nach § 2 BEEG(ebenfalls idF vom 5.12.2006). Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift sieht vor, dass Elterngeld in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich "erzielten" monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt wird, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt.
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Der danach maßgebende Bemessungszeitraum von zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt (am 22.1.2007) erstreckt sich hier zunächst von Januar bis Dezember 2006. Da die Klägerin ab 7.12.2006 wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung Krankengeld bezogen, also kein Arbeitsentgelt erhalten hat, ist der Monat Dezember gemäß § 2 Abs 7 Satz 7 iVm Satz 6 BEEG bei der Bestimmung des Bemessungszeitraumes unberücksichtigt zu lassen. Dieser Zeitraum verschiebt sich dementsprechend um einen Monat in die Vergangenheit, umfasst also die Zeit von Dezember 2005 bis November 2006.
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Bei der Bemessung des Elterngeldes ist als Einkommen aus Erwerbstätigkeit die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 Einkommenssteuergesetz (EStG) nach Maßgabe des § 2 Abs 7 bis 9 BEEG zu berücksichtigen(§ 2 Abs 1 Satz 2 BEEG). Da bei der Klägerin nur Arbeitsentgelt in Betracht kommt, ist hier § 2 Abs 7 BEEG maßgebend. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist als Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit 1/12 des Pauschbetrags nach § 9a Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a EStG anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen.
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Dazu bestimmt § 2 Abs 7 Satz 4 BEEG, dass Grundlage der Einkommensermittlung die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers sind. Diese Regelung soll lediglich der Erleichterung der Sachverhaltsaufklärung dienen, sie begründet jedoch keine rechtliche Bindung an die Feststellungen des Arbeitgebers (vgl BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - RdNr 27, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-7837 § 2 Nr 4 vorgesehen).
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Der Art nach gehört zum Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 7 Satz 1 BEEG sicher das der Klägerin laufend gezahlte Arbeitsentgelt. Auch eine Gehaltsnachzahlung ist insoweit als solche nicht ausgeschlossen. Insbesondere handelt es sich dabei nicht um einen sonstigen Bezug iS von § 38a Abs 1 Satz 3 EStG. In dieser Vorschrift werden sonstige Bezüge als Arbeitslohn definiert, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird. Insoweit wird bei dem Begriff des laufenden Arbeitslohnes ein rein zeitliches Verständnis zu Grunde gelegt (vgl dazu BSG aaO RdNr 30 f). Eine Gehaltsnachzahlung, die - wie hier - Arbeitsentgelt für zurückliegende Monate enthält, weist insoweit eine Besonderheit auf, als sie laufenden Arbeitslohn (monatliches Gehalt) betrifft, aber in einem Betrag gezahlt wird. Sie wird von R 115 Abs 2 Nr 8 Satz 2 Lohnsteuer-Richtlinien 2007 (LStH 2007) (nur) dann als sonstiger Bezug bezeichnet, wenn Arbeitslohn für die Lohnabrechnungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf des Jahres zufließt (vgl dazu auch Ziff 2.7.1 Richtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum BEEG). Diese am Jahresprinzip des § 2 Abs 2 EStG orientierte lohnsteuerrechtliche Ableitung ist - wie das BSG bereits entschieden hat(aaO RdNr 37) - nicht im Rahmen des § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG zu übernehmen. Dementsprechend ist auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach Lohnnachzahlungen, die ein Arbeitnehmer für frühere Jahre erhält, als sonstiger Bezug im Jahr der Nachzahlung zu erfassen sind (vgl BFH Beschluss vom 29.5.1998, BFH/NV 1998, 1477), hier nicht einschlägig.
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Nach § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG ist bei der Bemessung des Elterngeldes (nur) das in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich "erzielte" monatliche Einkommen zu berücksichtigen. Dazu gehört zunächst das für die Monate Dezember 2005 bis November 2006 gezahlte laufende Arbeitsentgelt der Klägerin. Dabei ist unerheblich, dass dieses nach der Vergütung berechnet wurde, die der Arbeitgeber der Klägerin von den jeweiligen Leistungsträgern erhielt. Die Höhe des monatlichen Arbeitsentgeltes der Klägerin beruhte damit allerdings praktisch (auch) auf einer Arbeitsleistung der Klägerin, die einige Zeit zuvor erbracht worden war (vgl dazu allgemein auch BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - aaO RdNr 34). Dieser Umstand ändert nichts daran, dass das Arbeitsentgelt in dem Monat erzielt worden ist, für den es gezahlt wurde. Denn es handelt sich dabei lediglich um eine arbeitsvertraglich geregelte Berechnungsweise des für den betreffenden Monat geschuldeten Arbeitsentgelts. Dieses wurde für die in dem jeweiligen Monat geleisteten Arbeitsstunden gezahlt, nur die Höhe des Entgeltes richtete sich nach der für zuvor erbrachte Leistungen abgerechneten Vergütung der Leistungsträger.
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Entgegen der Auffassung des LSG stimmt der erkennende Senat mit dem SG darin überein, dass auch die Gehaltsnachzahlung in Höhe von 4766 Euro, die die Klägerin im Jahre 2008 für die Zeit von Juli bis November 2006 erhalten hat, als iS des § 2 Abs 1 und 7 BEEG erzieltes Einkommen zu berücksichtigen ist.
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Vorab ist der gesetzlichen Regelung zu entnehmen, dass nur tatsächlich zugeflossenes Einkommen berücksichtigungsfähig ist. Bloße Entgeltansprüche reichen also nicht. Dies folgt bereits aus § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG, wonach auf bestimmte Einkünfte iS des EStG abgestellt wird. Davon sind auch beide Vorinstanzen ausgegangen. Während das SG das vom BSG in anderen Sozialleistungsbereichen entwickelte modifizierte Zuflussprinzip (vgl dazu BSGE 76, 162, 167 = SozR 3-4100 § 112 Nr 22 - dort als kombinierte Anspruchs- und Zuflusstheorie bezeichnet; BSGE 78, 109 = SozR 3-1300 § 48 Nr 48; BSG SozR 4-2500 § 47 Nr 2) angewendet hat (ebenso im Ergebnis Hessisches LSG Urteil vom 3.3.2010 - L 6 EG 16/09 - Revision anhängig unter B 10 EG 5/10 R; vgl auch Dau SGb 2009, 261, 264; Oyda, NZS 2010, 194, 196 f), hält das LSG ein enges (strenges) Zuflussprinzip für angebracht (vgl dazu Dau, juris-PR SozR 10/2010 Anm 4; Röhl, NJW 2010, 1418, 1422).
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Nach Auffassung des erkennenden Senats ist für die Bemessung des Elterngeldes nicht nur das dem Berechtigten im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossene, sondern auch das darin erarbeitete und erst nach dessen Ablauf infolge nachträglicher Vertragserfüllung gezahlte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Für die Anwendung dieses modifizierten Zuflussprinzips sind folgende Erwägungen maßgebend:
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Nach § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG ist der Bemessung des Elterngeldes das in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit zugrunde zu legen. Zwar mag dieser Wortlaut für sich genommen sowohl das enge wie das modifizierte Zuflussprinzip zulassen. Der Begriff des Erzielens ist vom BSG jedoch im Zusammenhang mit der Bemessung anderer Sozialleistungen dahin ausgelegt worden, dass er sowohl das zugeflossene als auch das erarbeitete - erst später oder verspätet zugeflossene - Arbeitsentgelt erfasst (vgl BSG Urteil vom 28.6.1995, BSGE 76, 162, 164 f = SozR 3-4100 § 112 Nr 22 S 91). Abzugrenzen ist davon allerdings der Fall der rückwirkenden Lohnerhöhung (vgl dazu BSGE 76, 156 = SozR 3-4100 § 249e Nr 7). Wenn der Gesetzgeber des BEEG im Jahre 2006 denselben Begriff verwendet, so liegt es aus der Sicht des Rechtsanwenders nahe, ihn in dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgeprägten Sinne zu verstehen. Dies gilt um so mehr, als das BEEG zum Zuflussprinzip keine ausdrückliche Bestimmung enthält. Es wird zwar auf einige Vorschriften des EStG (zB § 2 Abs 1, § 9 Abs 1, § 3a Abs 1 Satz 3), jedoch nicht auf § 11 EStG verwiesen, der das steuerrechtliche Zuflussprinzip regelt. Darüber hinaus ergeben sich auch bei Heranziehung der Gesetzesmaterialien zum BEEG, nach Auswertung der Systematik des Gesetzes und aus anderen Gesichtspunkten keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber des BEEG den Begriff des erzielten monatlichen Einkommens im Sinne des engen Zuflussprinzips hat verwenden wollen.
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Die Gesetzesmaterialien weisen nicht eindeutig in diese Richtung. Allerdings merkt das LSG zutreffend an, dass in der Begründung zum ursprünglichen Gesetzentwurf ausgeführt wird, es solle das Einkommen berücksichtigt werden, das der anspruchsberechtigten Person zuletzt tatsächlich monatlich zur Verfügung gestanden habe und das nun wegen der Unterbrechung oder Einschränkung der Erwerbstätigkeit nicht mehr zur Verfügung stehe (BT-Drucks 16/1889 S 21). Abgesehen davon, dass sich diese Aussage auch nur auf das in § 2 Abs 2 Satz 1 BEEG vorgesehene "Nettoprinzip" beziehen könnte, ist zu berücksichtigen, dass die ursprüngliche Fassung des Entwurfs noch an den Einkommensbegriff des SGB II anknüpfte, der von einem engen Zuflussprinzip ausgeht(vgl § 2 Abs 2 Satz 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung). Da sich die später Gesetz gewordene Fassung des § 2 BEEG an dem steuerrechtlichen Einkommensbegriff orientiert, kann dieser Begründungstext nicht ohne Weiteres zur Ermittlung der gesetzgeberischen Absichten herangezogen werden. Hinzu kommt, dass die Begründung zur Neufassung des Entwurfs die betreffende Formulierung nicht wieder aufgegriffen hat. Vielmehr wird betont, dass durch die entfallende Bezugnahme auf das SGB II nunmehr im Gesetzentwurf selbst eine wesentlich umfassendere Regelung der Einkommensermittlung erfolgen müsse (vgl BT-Drucks 16/2785 S 37).
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In ihrer Erläuterung zur Bezugnahme auf § 38a Abs 1 Satz 3 EStG gehen die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend darauf ein, dass durch den Ausschluss einmaliger Einnahmen Zufallsergebnisse vermieden werden sollen. Weiter vertritt der Ausschuss die Ansicht, dass dies der Regelung beim Mutterschaftsgeld entspreche (BT-Drucks 16/2785 S 37). Soweit damit allgemein ein Gleichklang zwischen der Ermittlung des berücksichtigungsfähigen Einkommens beim Elterngeld und der beim Mutterschaftsgeld angestrebt war, spräche dies für eine Einbeziehung nachträglicher Gehaltszahlungen (vgl dazu Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und BEEG, 8. Aufl 2008, § 11 MuSchG RdNr 93).
- 30
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Die Systematik des BEEG legt ebenfalls nicht den Schluss nahe, es müsse im Rahmen des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG ein enges Zuflussprinzip gelten.
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Soweit § 2 Abs 7 Satz 4 BEEG eine Verwendung der Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers vorsieht, ist damit eine Berücksichtigung von geänderten Bescheinigungen, die auf Grund einer Gehaltsnachzahlung erstellt worden sind, nicht ausgeschlossen. In § 2 Abs 8 und 9 BEEG hat der Gesetzgeber für Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit eigenständige Regelungen geschaffen, die den Besonderheiten dieser Einkommensarten Rechnung tragen. Sie lassen daher keine Rückschlüsse auf die Auslegung des § 2 Abs 7 BEEG zu.
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Auch das Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung zum modifizierten Zuflussprinzip ist kein hinreichendes Argument gegen dessen Anwendung im Bereich des BEEG. Zwar hat der Gesetzgeber in § 131 Abs 1 Satz 2 SGB III eine ausdrückliche Regelung getroffen. Diese geht jedoch insoweit über das von der Rechtsprechung entwickelte modifizierte Zuflussprinzip (späterer Zufluss des im Bemessungszeitraum erarbeiteten Arbeitsentgelts) hinaus, als sie nicht nur später zugeflossenes, sondern auch Arbeitsentgelt einbezieht, das nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen ist. Im Übrigen ist auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung der in § 47 Abs 1 Satz 1 SGB V allein verwendete Begriff des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts von der Rechtsprechung iS des modifizierten Zuflussprinzips verstanden worden(vgl BSG Urteil vom 16.2.2005 - B 1 KR 19/03 R - SozR 4-2500 § 47 Nr 2), ohne dass der Gesetzgeber danach Veranlassung zu einer besonderen Regelung gesehen hat. Schließlich erlaubt der Umstand, dass der Ausfall von Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum (zB wegen Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Insolvenz des Arbeitgebers) im Rahmen des § 2 BEEG seinem Wortlaut nach grundsätzlich nicht berücksichtigt wird(zu den Ausnahmen vgl § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG idF vom 5.12.2006), nicht die Schlussfolgerung, dass zur nachträglichen Vertragserfüllung nachgezahltes Gehalt ebenfalls außer Betracht zu bleiben habe. Dabei wird nämlich der entscheidende Unterschied zwischen beiden Fallgestaltungen, dass hier das zunächst zurückgehaltene Arbeitsentgelt tatsächlich noch gezahlt wird, übersehen.
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Nach Auffassung des erkennenden Senats bestätigt der Sinn und Zweck des Elterngeldes die Anwendung des nach dem Wortlaut des Gesetzes geltenden modifizierten Zuflussprinzips.
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Ziel des Elterngeldes ist es vor allem, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern (vgl BT-Drucks 16/1889 S 22, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2; BT-Drucks 16/2785 S 2). Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, soll einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes erhalten (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Durch die Betreuung des Kindes sollen die Eltern keine allzu großen Einkommenseinbußen befürchten müssen (vgl Bericht der Bundesregierung vom 30.10.2008 über die Auswirkungen des BEEG, BT-Drucks 16/10770 S 5 f). Dabei geht es erkennbar um die Sicherung eines wirtschaftlichen Dauerzustandes, möglichst unabhängig von staatlichen Fürsorgeleistungen (vgl BT-Drucks 16/1889 S 15; BT-Drucks 16/2785 S 2).
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Dieser Zielsetzung entspricht eine modifizierte Anwendung des Zuflussprinzips besser als eine enge. Die generelle Berücksichtigung der Nachzahlung des im Bemessungszeitraum vorenthaltenen Arbeitsentgelts vermeidet Zufallsergebnisse, die sonst dadurch entstehen können, dass derartige Zahlungen nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie noch im Bemessungszeitraum erfolgen. Es erscheint auch nicht angebracht, die Einkommensbemessung von rechtswidrigen Verhaltensweisen des Arbeitgebers abhängig zu machen. Dies gilt insbesondere bei über einen längeren Zeitraum (hier maximal 14 Monate) gewährten Leistungen. Hinzu kommt, dass der Elterngeldberechtigte bei Anwendung des engen Zuflussprinzips durch das Versäumnis seines Arbeitgebers doppelt beeinträchtigt würde: Zum einen ist sein Bemessungseinkommen niedriger und zum anderen verringert die Nachzahlung während der Elternzeit ggf seinen Anspruch auf Elterngeld (vgl § 2 Abs 1 und 3 BEEG; zur Bedeutung derartiger Auswirkungen für die Befürwortung des modifizierten Zuflussprinzips s auch BSGE 76, 162, 168 f = SozR 3-4100 § 112 Nr 22 S 95 f). Einer zeitnahen Bewilligung des Elterngeldes steht das modifizierte Zuflussprinzip nicht im Wege, da in solchen Fällen eine vorläufige Zahlung möglich ist (vgl § 8 Abs 3 BEEG).
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Da der Senat bereits mit herkömmlichen Auslegungsmitteln dazu gelangt, das modifizierte Zuflussprinzip auch im Bereich des BEEG anzuwenden, bedarf es keiner Erwägungen dazu, ob dieses Ergebnis auch verfassungsrechtlich geboten ist. Auch wenn der Gesetzgeber sonstige Bezüge iS des § 38a Abs 1 Satz 3 EStG (also im Wesentlichen sog Einmalzahlungen) außer Betracht lassen konnte(vgl dazu allgemein BVerfG
SozR 4-4300 § 434c Nr 6) , folgt daraus nicht zwingend, dass dies auch für Gehaltsnachzahlungen der hier streitigen Art gilt. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die vom Senat vertretene Rechtsauslegung mit dem GG unvereinbar sein könnte.
- 37
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Unter Berücksichtigung der Gehaltsnachzahlung in Höhe von 4766 Euro erhöht sich das Bemessungseinkommen der Klägerin von 1350,44 Euro auf 1609,24 Euro. Wie die Vorinstanzen zutreffend festgestellt haben, ergab sich aus den ursprünglich vorgelegten Gehaltsbescheinigungen für die Zeit von Dezember 2005 bis November 2006 ein Nettoeinkommen von insgesamt 16 205,25 Euro. Aus den vom LSG in Bezug genommenen nachträglichen Gehaltsbescheinigungen vom 20.2.2008 in Verbindung mit dem ebenfalls bei den Akten befindlichen Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung vom 20.2.2008 für 2007 ist zu entnehmen, dass von dem Nachzahlungsbetrag folgende Abzüge vorgenommen worden sind:
Nachzahlungsbetrag
4766,00 Euro
KV-Beitrag
-
328,84 Euro
PV-Beitrag
-
52,43 Euro
RV-Beitrag
-
464,67 Euro
AV-Beitrag
-
154,88 Euro
Lohnsteuer
-
576,00 Euro
Soli-Zuschlag
-
31,68 Euro
Kirchensteuer
-
51,84 Euro
Nettobetrag
3105,66 Euro.
- 38
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Dadurch erhöht sich das bislang berücksichtigte Nettoeinkommen auf 19 310,91 Euro. 67 % eines Zwölftels dieses Betrages (= 1078,19 Euro) entsprechen dem monatlichen Elterngeldanspruch. Da das bis zum 28.5.2007 gezahlte und gemäß § 3 Abs 1 Satz 1 und 3 BEEG anrechenbare Mutterschaftsgeld (nebst Zuschuss des Arbeitgebers) diesen Betrag überstieg, hat die Klägerin ab 29.5.2007 Anspruch auf folgende Beträge:
5. Lebensmonat des Kindes
834,73 Euro
6. bis 12. Lebensmonat des Kindes
7547,33 Euro
Gesamtanspruch
8382,06 Euro.
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Da die Klägerin auf der Grundlage des Bescheides vom 15.5.2007 bereits 7034,01 Euro erhalten hat, beläuft sich ihr Restanspruch auf 1348,05 Euro.
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Auf Grund einer irrtümlichen Nichtberücksichtigung des Steuerabzuges hat das SG der Klägerin weiteres Elterngeld in Höhe von 1634,29 Euro zugesprochen, obwohl die Klage nur in Höhe von 1348,05 Euro begründet ist. Dem hat die Klägerin durch eine entsprechende Beschränkung ihrer Klage im Revisionsverfahren Rechnung getragen.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
-
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes der Klägerin, insbesondere über die Berücksichtigung von Zeiten des Bezugs von Krankengeld bei der Leistungsbemessung.
- 2
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Nach der Geburt ihres Sohnes L. am 2.1.2007 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld, das ihr vom beklagten Freistaat mit Bescheid vom 5.3.2007 für den Zeitraum vom 2.1.2007 bis 1.1.2008 in Höhe von monatlich 824,60 Euro unter Berücksichtigung ihres in der Zeit von November 2005 bis Oktober 2006 erzielten Entgelts aus nichtselbstständiger Arbeit bewilligt wurde. Wegen der Anrechnung von Mutterschaftsgeld betrug der Auszahlungsbetrag im ersten Monat (2.1. bis 1.2.2007) 0,00 Euro und im zweiten (2.2. bis 1.3.2007) 58,90 Euro. Bei der Leistungsberechnung wurde das von der Klägerin in dem Zeitraum vom 26.3. bis 9.4.2006 wegen einer nicht schwangerschaftsbedingten Erkrankung bezogene Krankengeld in Höhe von insgesamt 671,40 Euro nicht berücksichtigt. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.5.2007 zurück.
- 3
-
Die Klägerin hat gegen diese Entscheidung beim Sozialgericht (SG) München Klage erhoben, die durch Urteil vom 13.11.2007 abgewiesen worden ist. Das SG hat die Berufung gegen diese Entscheidung nicht im Urteil zugelassen; in der Rechtsmittelbelehrung heißt es, dass das Urteil mit der Berufung angefochten werden könne.
- 4
-
Die Klägerin hat gegen das ihr am 11.2.2008 zugestellte Urteil des SG am 10.3.2008 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) zunächst Berufung eingelegt, diese auf gerichtlichen Hinweis zurückgenommen und am 12.6.2009 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Daraufhin hat das LSG in der mündlichen Verhandlung vom 24.6.2009 die Berufung gegen das Urteil des SG durch Beschluss zugelassen und dieses Rechtsmittel mit Urteil vom selben Tag zurückgewiesen. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt:
- 5
-
Krankengeld und sonstige Lohnersatzleistungen stellten kein Einkommen iS des § 2 Abs 1 Bundeserziehungsgeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) dar. Denn sie seien nach § 3 Nr 1 Buchst a Einkommensteuergesetz (EStG) einkommensteuerfrei und unterlägen nach § 32g Abs 1 Nr 1 Buchst b EStG lediglich dem sog Progressionsvorbehalt. Eine planwidrige Regelungslücke liege hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von Krankengeld als Einkommen oder als sog "Hinausschiebenstatbestand" iS des § 2 Abs 7 Satz 6 Alt 2 BEEG ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien(Hinweis auf Ausschussbericht, BT-Drucks 16/2785 S 37 zu Art 1 § 2) nicht vor. Auch seien diese Regelungen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG vereinbar.
- 6
-
Vergleiche man die Klägerin mit der Gruppe derjenigen Personen, deren Lohneinkommen im Bemessungszeitraum infolge schwangerschaftsbedingter Erkrankung eine Unterbrechung erfahre und die durch den "Hinausschiebenstatbestand" iS des § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG privilegiert würden, sei diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Die in § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG geregelten Fälle hätten nämlich einen engen Bezug zum Förderungszweck des Elterngeldes. Gegenüber denjenigen Personen, die an Stelle von Lohnersatzleistungen im Bemessungszeitraum Lohneinkommen erhalten haben, sei die Nichtberücksichtigung des Krankengeldes bei der Leistungsberechnung ebenfalls gerechtfertigt. Zum einen sei Krankengeld als Lohnersatzeinkommen im Gegensatz zu Arbeitslohn von der Einkommensteuerpflicht freigestellt und zum anderen würden sich Lohneinkommen und Lohnersatzeinkommen auch sonst wesentlich unterscheiden.
- 7
-
Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers erlaube es, die Berechnung der allein steuerfinanzierten Sozialleistung Elterngeld an den steuerrechtlichen Einkommensbegriff anzulehnen. Der Gesetzgeber knüpfe damit an das aufgrund von Erwerbstätigkeit "Verdiente" an und nicht an eine Versicherungsleistung, die einen Ausgleich für - im Falle des Krankengeldes krankheitsbedingt - entgangenes Arbeitsentgelt bezwecke. Das Elterngeld stelle insoweit selbst eine Lohnersatzleistung dar, nicht aber eine "Lohnersatzersatzleistung". Krankengeld und steuerpflichtiger Arbeitslohn seien auch nicht wegen des durch Versicherungsbeiträge erworbenen Anspruchs auf diese Lohnersatzleistung im Rahmen der Elterngeldbemessung gleichzustellen, da Elterngeld als steuerfinanzierte Leistung gerade keinen Sozialversicherungsbezug aufweise. Dem Elterngeld liege keine Beitragszahlung zugrunde, die eine Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips auf der Leistungsseite erfordere.
- 8
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Der Gesetzgeber habe sich mit dieser Ausgestaltung auch nicht in Widerspruch zu dem im BEEG manifestierten Regelungswillen oder der entwickelten Systematik der Regelungsmaterie gesetzt. Ebenso wenig sei unter Berücksichtigung des Förderzwecks des BEEG eine sachliche Differenzierung nach dem Grund der Einkommenseinbuße geboten, etwa im Hinblick auf die soziale Wertigkeit oder auf Freiwilligkeit bzw Unfreiwilligkeit. Eine solche Unterscheidung liefe auf eine Einzelfallprüfung hinaus, die einer generellen Regelung kaum zugänglich wäre.
- 9
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Schließlich sei Art 6 Abs 1 GG nicht verletzt, da der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, werdende Familien bei der Bemessung von Familienleistungen von Leistungsverschlechterungen aufgrund eines sich realisierenden allgemeinen Lebensrisikos auszunehmen, das alle Bürger treffen könne und keinen unmittelbaren Familien-, Erziehungs- und Schwangerschaftsbezug habe.
- 10
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Mit ihrer vom LSG zugelassenen, beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegten Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Nach § 2 BEEG sei nicht ausschließlich auf den Begriff des Erwerbseinkommens im einkommensteuerrechtlichen Sinn abzustellen; insbesondere sei gemäß § 2 Abs 3 BEEG auch die Berücksichtigung von fiktivem Einkommen möglich. Weiterhin werde sie als Bezieherin von durch abgeführte Sozialversicherungsbeiträge erworbenem Krankengeld bei der Bemessung des Elterngelds unter Verletzung des Art 3 Abs 1 GG mit Beziehern beitragsunabhängiger Sozialleistungen, zB nach dem SGB II oder SGB XII, gleich behandelt. Bei der Bemessung des Elterngelds sei eine Ungleichbehandlung von erkrankten und gesunden Elternteilen ebenfalls nicht mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Schließlich seien nach der Geburt des Kindes Erkrankte schlechter gestellt als berechtigte Personen, die Resturlaub in Anspruch nähmen, da dieser Resturlaub bei der Berechnung des Elterngeldes berücksichtigt werde.
- 11
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2009 und des Sozialgerichts München vom 13. November 2007 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 5. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des in den Monaten März und April 2006 erfolgten Bezuges von Krankengeld zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
- 13
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Er trägt ua vor: Auch unter Berücksichtigung der Rügen der Klägerin sei eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes durch die Nichtberücksichtigung des Krankengeldes bei der Bemessung des Elterngeldes nicht ersichtlich. § 2 Abs 3 BEEG enthalte lediglich einen Höchstbetrag für das vor der Geburt anzusetzende Einkommen, ohne dass etwa steuerfreies oder gar fiktives Einkommen bei der Bemessung des Elterngeldes berücksichtigt werde. Darüber hinaus sei der Einkommensbegriff iS des § 2 Abs 1 und 7 BEEG gemessen an dem Förderzweck des BEEG mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Elterngeld diene dem Ausgleich von Einkommenseinbußen, die der das Kind betreuende Elternteil durch die Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit erleide. Das Anknüpfen an das einkommenssteuerpflichtige Erwerbseinkommen bei der Bemessung des Elterngeldes sei insoweit sachgerecht. Auch der Umstand, dass Krankengeld - anders als zB Sozialhilfeleistungen - eine beitragsabhängige Lohnersatzleistung sei, gebiete bei der Bemessung des Elterngeldes keine Gleichbehandlung dieser Leistung mit (steuerpflichtigem) Erwerbseinkommen. Andere Lohnersatzleistungen - etwa das Arbeitslosengeld oder das Kurzarbeitergeld - würden ebenfalls nicht bei der Bemessung des Elterngeldes angerechnet und insofern gleich behandelt. Auf den Einwand der Klägerin, ein erkrankter Elternteil werde im Vergleich zu einem gesunden schlechter behandelt, sei eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG ebenfalls nicht ersichtlich; das Gesetz differenziere nicht nach dem Gesundheitszustand, sondern ausschließlich nach dem Einkommen des Anspruchsinhabers. Auch die Berücksichtigung von Erwerbseinkommen, das während des Resturlaubs nach der Geburt gezahlt werde, bedinge keine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG; vielmehr könne ein solcher Arbeitsentgeltbezug zu einer Kürzung des Elterngeldes nach § 2 Abs 3 BEEG oder auch zu einem Wegfall des Elterngeldes nach § 1 Abs 6 BEEG führen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
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1. Zwar ist die Statthaftigkeit des angefochtenen Urteils grundsätzlich im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen (vgl BSG Urteil vom 30.3.2000 - B 3 KR 19/99 R - BSGE 86, 86, 87 = SozR 3-6855 Art 10d Nr 1 S 2 mwN), der Senat hat hier jedoch nicht darüber zu befinden, ob das LSG die Berufung verfahrensfehlerfrei durch Beschluss vom 24.6.2009 zugelassen hat. Zweifel könnten insoweit bestehen, als das LSG die Berufung gegen das am 11.2.2008 zugestellte erstinstanzliche Urteil, dem wegen des Nichterreichens des nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Satz 2 SGG idF vom 1.4.2008 (BGBl I 444) maßgeblichen Beschwerdewerts von 750 Euro eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung (Berufung) beigefügt gewesen sein dürfte, zugelassen hat, ohne hinsichtlich der erst am 12.6.2009 - also nach Ablauf der Jahresfrist iS des § 66 Abs 2 Satz 1 SGG - eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden(vgl hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 66 RdNr 13b und § 144 RdNr 45a mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist indes die im Beschwerdeverfahren getroffene Entscheidung des LSG über die Eröffnung des Berufungsrechtszuges für das Revisionsgericht bindend (vgl BSG Urteil vom 3.6.2004 - B 11 AL 75/03 R - SozR 4-1500 § 144 Nr 1 RdNr 6; BSG Urteil vom 30.3.2000 - B 3 KR 19/99 R - BSGE 86, 86, 87 = SozR 3-6855 Art 10d Nr 1 S 2 f).
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2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG) verfolgte Anspruch der Klägerin auf höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des Bezugs von Krankengeld in der Zeit vom 26.3. bis 9.4.2006. Wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, besteht ein solcher Anspruch nicht.
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a) Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Das Kind muss nach dem 31.12.2006 geboren sein (vgl § 27 Abs 1 BEEG, Art 3 Abs 1 Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748; vgl hierzu auch BSG Urteil vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1). Ob im Fall der Klägerin sämtliche Voraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG erfüllt sind, vermag der Senat anhand der Tatsachenfeststellungen des SG nicht zu beurteilen. Das ist hier unschädlich, weil die Klägerin jedenfalls kein höheres Elterngeld beanspruchen kann.
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b) Die Höhe des Elterngeldes richtet sich gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG nach dem in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Es beträgt 67 % dieses durchschnittlichen Einkommens, höchstens 1800 Euro monatlich. § 2 Abs 5 BEEG sieht ein Mindestelterngeld in Höhe von monatlich 300 Euro vor.
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aa) Der nach den gesetzlichen Vorgaben maßgebende Bemessungszeitraum von zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt (am 2.1.2007) erstreckt sich hier zunächst von Januar bis Dezember 2006. Dazu bestimmt § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG idF vom 5.12.2006 (BGBl I 2748; die Anfügung des Satzes 7 durch Art 1 Nr 1 Buchst a Erstes Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, BGBl I 61, erfolgte mit Wirkung vom 24.1.2009 und ist deshalb hier unbeachtlich):
Kalendermonate, in denen die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes ohne Berücksichtigung einer Verlängerung des Auszahlungszeitraumes nach § 6 Satz 2 Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, bleiben bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zu Grunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt. Das Gleiche gilt für Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung oder dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist.
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Da die Klägerin ab November 2006 wegen der bevorstehenden Geburt Mutterschaftsgeld bezogen hat, bleiben danach die Monate November und Dezember 2006 bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums unberücksichtigt, so dass in dem angefochtenen Bescheid rechtsfehlerfrei auf den Zeitraum von November 2005 bis Oktober 2006 abgestellt worden ist. Im Übrigen sind die Ausnahmetatbestände des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG nicht einschlägig. Nach den Feststellungen des LSG litt die Klägerin während des Bezuges von Krankengeld nicht an einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung.
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Die bei unklarem oder nicht eindeutigem Wortlaut zur Auslegung gesetzlicher Bestimmungen heranzuziehenden Gesichtspunkte des Bedeutungszusammenhanges, der Regelungsabsicht, des Sinnes und Zweckes des Gesetzes, der Gesetzesentwicklung oder des Gebotes einer verfassungskonformen Auslegung - letztere begehrt die Klägerin sinngemäß - sind hier nicht zu erörtern, denn der eindeutige Wortsinn einer gesetzlichen Vorschrift ist die Grenze jeder Auslegung (Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, 143 mwN, s Bundesverfassungsgericht
, BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81) . Eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung ist nicht möglich.
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Eine Erweiterung des Gesetzesinhalts auf den Fall der Klägerin lässt sich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere mittels eines Analogieschlusses erreichen. Es fehlt an einer erkennbaren Unvollständigkeit des Gesetzes. Der Senat hat bereits zu der Nichtberücksichtigung der Elternzeit für ein älteres Kind ohne Elterngeldbezug entschieden, dass die gesetzlichen Ausnahmetatbestände aus § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG vom Wortlaut her ausdrücklich und klar geregelt sind; der Gesetzgeber wollte allein diese Sachverhalte privilegieren und bei der Bestimmung des für die Bemessung des Elterngeldes maßgebenden Zwölf-Monatszeitraums unberücksichtigt lassen (vgl Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 31-34). Das Gesetz ist auch im Hinblick auf Einkommenseinbußen wegen Krankheit nicht lückenhaft. Vielmehr hat der Gesetzgeber gezielt nur die Fälle einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung begünstigen wollen. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich vielmehr, dass der "Wegfall oder das Fehlen von Erwerbseinkommen aus anderen Gründen wie zum Beispiel der Arbeitsmarktlage oder anderen konkreten Lebensumständen" nicht zu einer Verschiebung des Bemessungszeitraums führen soll (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20 zu § 2 Abs 1 Satz 2 und 3 BEEG-Entwurf, dessen Regelungen in der Gesetz gewordenen Fassung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG vereinheitlicht worden sind, vgl BT-Drucks 16/2785 S 38).
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bb) Ist danach im vorliegenden Fall bei der Leistungsbemessung auf die Zeit von November 2005 bis Oktober 2006 abzustellen, wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG das insoweit erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit berücksichtigt, und zwar nach § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG nach Maßgabe des § 2 Abs 7 bis 9 BEEG. Damit knüpft das BEEG an den einkommensteuerrechtlichen Einkommensbegriff iS des § 2 EStG an(vgl hierzu BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 20 f). Von den sieben im Grundtatbestand des § 2 Abs 1 Satz 1 EStG aufgeführten Einkunftsarten sind nur die (Erwerbs-)Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (Nr 1), Gewerbebetrieb (Nr 2), selbstständiger Arbeit (Nr 3) und nichtselbstständiger Arbeit (Nr 4) erheblich.
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Nach den gesetzlichen Vorgaben ist das von der Klägerin bezogene Krankengeld unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG. Es fällt nach Auffassung des Senats insbesondere nicht unter den Begriff der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG.
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Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sind nach § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG insbesondere Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Zwar enthält auch § 19 Abs 1 EStG keine abstrakt generelle Definition des Begriffs der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern nur eine beispielhafte Umschreibung der Einkünfte iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG. Daraus ist indes zu erschließen, dass jedenfalls alle Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer erfasst sind, die durch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers veranlasst sind. Alle Einnahmen aus dem Arbeitsverhältnis sind daher Arbeitslohn (vgl BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 28 mwN; Eisgruber in Kirchhof, EStG, 9. Aufl 2010, § 19 RdNr 13,15; Drenseck in Schmidt, EStG, 29. Aufl 2010, § 19 RdNr 16, 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müssen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG im weitesten Sinne Gegenleistungscharakter aufweisen, also "für eine Beschäftigung" gewährt werden bzw als Frucht der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu betrachten sein(jüngst BFH Urteil vom 20.5.2010 - VI R 41/09 - BFHE 229, 346, 348 f mwN; vgl auch BFH Urteil vom 26.5.1998 - VI R 9/96 - BFHE 186, 247, 250). Dabei ist die Frage, ob eine Zuwendung Ertrag der Arbeitsleistung ist, danach zu beurteilen, wozu die Zahlung erfolgt ist, und nicht danach, wer die Zahlung vorgenommen hat. Denn es können auch Bar- oder Sachzuwendungen Dritter Arbeitslohn darstellen, soweit sie der Arbeitnehmer vernünftigerweise als Frucht seiner Leistung für den Arbeitgeber ansehen muss (BFH Urteil vom 26.5.1998 - VI R 9/96 - BFHE 186, 247, 250; BFH Urteil vom 5.7.1996 - VI R 10/96 - BFHE 180, 441, 442 f).
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Bereits das Merkmal des Gegenleistungscharakters fehlt dem Krankengeld. Rechtsgrund für die Leistungsgewährung ist das Versicherungs- (vgl § 44 Abs 1 SGB V bzw § 47b Abs 1 Satz 1 SGB V) und nicht das Beschäftigungsverhältnis (§ 611 Abs 1 BGB). Es ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, die der beschäftigte Versicherte - ggf nach Ablauf der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber (vgl § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz
) - erhält, weil er wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit seinen Gegenleistungsanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber verloren hat (§ 326 Abs 1 Halbs 1, § 275 Abs 1 BGB iVm § 611 Abs 1 BGB). Es entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung zum zu versteuernden Arbeitslohn gehören und damit auch die Verschaffung eines solchen gesetzlichen oder privaten Versicherungsschutzes durch den Arbeitgeber grundsätzlich Arbeitslohn darstellt (BFH Beschluss vom 11.9.2007 - VI B 146/05 - juris RdNr 3; BFH Beschluss vom 29.10.2004 - XI B 170/03 - juris RdNr 3). Demgegenüber sind jedoch die Leistungen aus diesem Versicherungsverhältnis, die nicht lediglich dem Arbeitgeber zustehen, sondern auf einem eigenen Anspruch des Arbeitnehmers beruhen, regelmäßig auch dann kein Arbeitslohn, wenn der Versicherungsschutz im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gewährt wird (BFH Urteil vom 26.5.1998 - VI R 9/96 - BFHE 186, 247 - juris RdNr 14). Aus diesem Grund ist Krankengeld kein Arbeitslohn iS des § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG.
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Da Krankengeld bereits kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4, § 19 Abs 1 EStG ist, kommt es nicht darauf an, dass diese Sozialleistung gemäß § 3 Nr 1 Buchst a EStG von der Steuer befreit ist. Die in § 3 EStG geregelten Tatbestände der Steuerbefreiung sind nach den gesetzlichen Vorgaben - wie sie das LSG zu Recht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat - bereits bei der Ermittlung der Einkünfte nach dem objektiven Nettoprinzip gemäß § 2 Abs 1 und Abs 2 EStG zu prüfen(vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 20 ff mwN). Dies hat zur Folge, dass steuerfreie Beträge steuerrechtlich weder als steuerpflichtige Einnahmen noch als steuerpflichtige Einkünfte noch als steuerpflichtiges Einkommen behandelt werden dürfen und das Krankengeld auch aus diesem Grund der Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG nicht zugrunde gelegt werden darf.
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cc) Unter Berücksichtigung der danach maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten hat der Beklagte die Höhe des Elterngeldes der Klägerin mit Bescheid vom 5.3.2007 rechtsfehlerfrei berechnet, indem er auf der Grundlage des von November 2005 bis Oktober 2006 tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts der Klägerin ein durchschnittliches monatliches Nettoerwerbseinkommen in Höhe von 1230,75 Euro ermittelt und daraus den monatlichen Elterngeldanspruch der Klägerin von 824,60 Euro abgeleitet hat.
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3. Nach Auffassung des Senats verstoßen die hier einschlägigen Bestimmungen des BEEG nicht gegen das GG.
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a) Der Senat hält daran fest, dass das BEEG im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 74 Abs 1 Nr 7 GG wirksam erlassen worden ist (vgl BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 36 ff mwN; Verfassungsbeschwerde anhängig unter 1 BvR 2712/09). Dabei versteht er den in Art 74 Abs 1 Nr 7 GG verwendeten Begriff der öffentlichen Fürsorge in einem weiten Sinne. Das Elterngeld wird davon umfasst, weil es dazu beitragen soll, die Lebensgrundlagen junger Familien zu sichern und diese vor dem Eintritt einer finanziellen Bedarfslage zu bewahren (vgl BSG aaO RdNr 39; siehe allgemein dazu auch Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl 2009, Art 74 RdNr 35 f mwN). Bemerkenswert ist insoweit, dass das BVerfG auch die Regelung in § 90 SGB VIII über die Staffelung von Kindergartenbeiträgen nach dem Familieneinkommen dem Art 74 Abs 1 Nr 7 GG zugeordnet hat(vgl BVerfGE 97, 332, 341 f).
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Ebenso wenig vermag der Senat dem Art 74 Abs 1 Nr 7 GG eine mangelnde Kompetenz des Bundes zur Einführung steuerfinanzierter Einkommensersatzleistungen zu entnehmen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Ausgestaltung der Leistung einem weit verstandenen Begriff der öffentlichen Fürsorge entspricht. Das ist beim Elterngeld der Fall. Die Orientierung an Bedarfslagen zeigt sich insbesondere an dem Basisbetrag von 300 Euro (§ 2 Abs 5 Satz 1 BEEG), der Begünstigung von Geringverdienern (§ 2 Abs 2 BEEG) und Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG), dem "Geschwisterbonus" (§ 2 Abs 4 BEEG) sowie der Festlegung eines Höchstbetrages von 1800 Euro (§ 2 Abs 1 Satz 1 BEEG).
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In den Genuss des Höchstbetrages kommen Bezieher ab einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von rund 2700 Euro. Selbst dieser Betrag ist kein hohes Erwerbseinkommen, sondern wird von vielen Arbeitnehmern der mittleren Bildungsebene - unter Umständen mit steuerpflichtigen Mehrarbeitszuschlägen - erreicht (vgl Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2010, S 535 über die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste im Jahr 2009 ua in der Leistungsgruppe 3 - Fachkräfte -, siehe S 531). Das Elterngeld fördert damit schwerpunktmäßig Erziehende, die im Bemessungszeitraum kleinere bis mittlere Einkommen erzielt haben. Diese Einschätzung wird erhärtet durch die Zahlen über die Höhe des Elterngeldes von Personen, die in der Zeit von Januar 2007 bis Juni 2008 einen Antrag gestellt haben. Von allen Leistungsbeziehern erhielten 53,4 % ein Elterngeld von 300 bis 500 Euro, 28,4 % von 500 bis unter 1000 Euro, 11,4 % von 1000 bis unter 1500 Euro und 6,8 % von 1500 bis 1800 Euro (siehe Bericht der Bundesregierung vom 30.10.2008 über die Auswirkungen des BEEG sowie über die ggf notwendige Weiterentwicklung, BT-Drucks 16/10770 S 12 Tabelle 3).
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Schließlich bleibt der Senat auch bei seiner Beurteilung, dass dem Gesetzgebungsrecht des Bundes Art 72 Abs 2 GG nicht entgegensteht (vgl BSG aaO RdNr 40). Für das BEEG ist die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zu bejahen.
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b) § 2 Abs 1 und 7 BEEG verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz in Art 3 Abs 1 GG(iVm Art 6 Abs 1, Art 20 Abs 1 GG), soweit danach der Bezug von Krankengeld, das an die Stelle ausgefallenen Arbeitsentgelts getreten ist, bei der Elterngeldberechnung nicht berücksichtigt wird.
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Art 3 Abs 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Dieser hat gerade auch im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten Abschnitt des BEEG gehören (§ 6, § 25 Abs 2 Satz 2, § 68 Nr 15a SGB I), einen weiten Gestaltungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist grundsätzlich erst dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG seit BVerfGE 55, 72, 88; vgl jüngst BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55; BVerfGE 117, 272, 300 f). Umgekehrt verbietet Art 3 Abs 1 GG auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung als sachwidrig erscheinen lassen (vgl Jarras in Jarras/Pieroth, GG, 11. Aufl 2011, Art 3 RdNr 8 mwN).
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Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 mwN; 110, 412, 436; stRspr). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 21, 12, 26; 23, 242, 252). Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen (vgl BVerfGE 17, 319, 330; 53, 313, 329; 67, 70, 85 f; stRspr). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt insoweit seine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl BVerfGE 75, 108, 157). Das BVerfG legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlich strengen Prüfungsmaßstab an (vgl zusammenfassend BVerfGE 88, 87, 96 f; 105, 73, 110 f = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 173). So muss der Gesetzgeber im Bereich staatlicher Maßnahmen, welche die Familie betreffen, den Schutz beachten, den er dieser nach Art 6 Abs 1 GG schuldet (vgl BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55). Darüber hinaus kann im vorliegenden Zusammenhang auch das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) von Bedeutung sein.
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Der Gesetzgeber war zunächst durch das Gleichbehandlungsgebot nicht gehindert, bei der Bemessung des Elterngeldes überhaupt an das zuvor erzielte Erwerbseinkommen anzuknüpfen. Für die dadurch bedingte Ungleichbehandlung von Berechtigten, die im Bemessungszeitraum durchgängig ein volles (ungeschmälertes) Arbeitsentgelt erzielt haben, und solchen, bei denen das - wie bei der Klägerin - nicht der Fall ist, gibt es hinreichende sachliche Gründe (aa). Dabei durfte der Bemessungszeitraum grundsätzlich auf 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes beschränkt werden, was zu einer Benachteiligung von Personen führt, die nur für weiter zurückliegende Zeiträume einen lückenlosen Arbeitsentgeltbezug vorweisen können (bb). Speziell ist es gerechtfertigt, dass die Klägerin als Bezieherin von Krankengeld ungünstiger behandelt wird als Berechtigte, die im Bemessungszeitraum durchgängig Arbeitsentgelt bezogen haben oder bei denen in den 12 Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes liegende Arbeitsentgeltausfälle gemäß § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums unberücksichtigt bleiben (cc). Entsprechendes gilt für die Gleichbehandlung der Klägerin mit Personen, die in der betreffenden Zeit Leistungen zur Existenzsicherung nach dem SGB II oder SGB XII erhalten haben (dd) sowie für die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber Berechtigten, die im Krankheitsfall keine Einkommensverluste erleiden (ee). Schließlich wird die Klägerin - entgegen ihrer Annahme - weder gegenüber dem von § 2 Abs 3 BEEG betroffenen Personenkreis noch gegenüber Berechtigten, die nach der Geburt des Kindes Resturlaub haben, sachwidrig benachteiligt (ff).
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aa) Durch das BEEG hat der Gesetzgeber einen Systemwechsel gegenüber dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) vorgenommen. Während das Erziehungsgeld eine von der Bedürftigkeit der antragstellenden Person abhängige Leistung (§ 4 Abs 1 BErzGG, § 5 Abs 3 BErzGG)mit pauschaler, begrenzter Höhe (nach § 5 Abs 1 BErzGG monatlich 450 bzw 300 Euro)war, ist das Elterngeld über den Basisbetrag von 300 Euro und den Basisgeschwisterbonus von 75 Euro hinaus als Leistung ausgestaltet, die das vor der Geburt liegende Erwerbseinkommen des Berechtigten bis zum Höchstbetrag von 1800 Euro (§ 2 Abs 1 BEEG) ersetzt (vgl BSG Urteile vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1, RdNr 19, und vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 55; siehe allgemein auch Pauli in Hambüchen, BEEG-EStG-BKGG Komm, § 2 BEEG RdNr 2; Jung SGb 2007, 449; Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, 2007, RdNr 31, 33). Dabei kommt den Basisbeträgen ersichtlich der Zweck einer einheitlichen Honorierung der Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu (vgl Fuchsloch/Scheiwe, aaO RdNr 43), was durch die Erhöhung um je 300 Euro bei Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG) untermauert wird. Hinsichtlich der darüber hinaus möglichen Leistungshöhe, die sich nach dem vor der Geburt des Kindes erzielten Erwerbseinkommen richtet (§ 2 Abs 1 BEEG), ergibt sich eine Ungleichbehandlung zwischen Berechtigten je nach dem Vorhandensein und der Höhe entsprechender Einkünfte. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist diese Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt (vgl dazu bereits BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 56 ff).
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aaa) Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Anknüpfen an das Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei der Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 BEEG ein legitimes Differenzierungsziel.
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Ziel des Elterngeldes ist es vor allem, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern (vgl die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, soll einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes erhalten (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Durch die Betreuung des Kindes sollen die Eltern keine allzu großen Einkommenseinbußen befürchten müssen (vgl Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des BEEG vom 30.10.2008, BT-Drucks 16/10770 S 5 f). Das Elterngeld soll insoweit die Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf stärken und richtet sich im Kern - über die Mindestförderung in Höhe von 300 Euro (§ 2 Abs 5 Satz 1 BEEG) hinaus - an Erwerbstätige, die durch die Betreuung eines Kindes einem Bruch in ihrer Erwerbsbiographie ausgesetzt sind bzw Einkommenseinbußen hinzunehmen haben (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2).
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Gemessen an den vielfältigen Zwecken, die der Gesetzgeber mit dem Elterngeld in seiner Einkommensersatzfunktion verbindet (ua Vermeidung des Aufschiebens der Kinderphase, gleichberechtigte Kindererziehung von Vätern und Müttern, Vermeidung der Abhängigkeit von staatlichen Fürsorgeleistungen, vgl BT-Drucks 16/1889 S 1 f, 14 f), ist das Differenzierungsziel insbesondere unter Berücksichtigung einer Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (vgl hierzu etwa BVerfG Beschluss vom 10.11.1998 - 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 - BVerfGE 99, 216, 234), einer Steigerung der Geburtenrate und einer (teilweisen) Kompensation des durch die Betreuung und Erziehung des Kindes ausfallenden Erwerbseinkommens legitim. Es sollten - über die für alle gleichen Basisbeträge hinaus - besondere Anreize für solche Elternteile geschaffen werden, bei denen die Kindererziehung mit Einbußen von Einkommen aus Erwerbstätigkeit verbunden ist. Spezielle verfassungsrechtliche Verbote stehen dieser Differenzierung nicht entgegen.
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(1) Ein Differenzierungsverbot ergibt sich nicht aus Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (vgl hierzu bereits Senatsurteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 62 unter Bezugnahme auf Seiler, NVwZ 2007, 129, 132), auch nicht durch eine Ungleichbehandlung von Alleinverdienerehen gegenüber Doppelverdienerehen, bei denen die Berechtigten durch die Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 und 7 BEEG regelmäßig höhere Leistungsansprüche erzielen(vgl hierzu auch Weilert, DVBl 2010, 164, 166).
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Art 6 Abs 1 GG schützt jede Ehe und Familie und garantiert zugleich eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen ist (vgl BVerfGE 21, 329, 353; vgl auch BVerfGE 61, 319, 346 f mwN; 99, 216, 231; 107, 27, 53). Der Gesetzgeber muss, wenn er dem Gebot des Art 6 Abs 1 GG gerecht werden will, Regelungen vermeiden, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen (vgl BVerfGE 66, 84, 94; 87, 234, 258 f; 107, 27, 53). In diesen Bereich fällt auch die Entscheidung darüber, ob eine Ehefrau sich ausschließlich dem Haushalt widmen oder beruflich tätig sein und eigenes Einkommen erwerben will; eine Einwirkung des Gesetzgebers dahin, die Ehefrau "ins Haus zurückzuführen", wäre deshalb auch wegen eines Verstoßes gegen Art 6 Abs 1 GG verfassungswidrig (vgl BVerfGE 6, 55, 81 f; 21, 329, 353; 107, 27, 53). Gleiches gilt, wenn der Ehemann durch eine gesetzliche Regelung in seiner Entscheidungsfreiheit hinsichtlich einer eigenen Erwerbstätigkeit beeinträchtigt wird, weil oder solange seine Ehefrau erwerbstätig ist. Der besondere verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie erstreckt sich auf die "Alleinverdienerehe" ebenso wie auf die "Doppelverdienerehe" (vgl zB BVerfGE 66, 84, 94; 87, 234, 258 f; 107, 27, 53). Diese Grundsätze gelten insbesondere für die Eingriffsverwaltung, etwa im Steuerrecht (vgl BVerfGE 107, 27, 53 ff). Im Bereich familienfördernder Leistungen verfügt der Gesetzgeber zwar grundsätzlich über einen großen Gestaltungsspielraum - Art und Maß bestimmt er in politischer Verantwortung. Wegen des Freiheitsprinzips des GG hat er jedoch auf die Vielfalt der Lebensstile Rücksicht zu nehmen; traditionelle Formen des Familienlebens muss er pflegen, neue Formen ermöglichen; hierbei genießen altbewährte Formen sozialer Gemeinschaft Vorrang vor dem Neuen, das erst noch zur Bewährung ansteht (vgl Di Fabio, NJW 2003, 993, 997).
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Nach Auffassung des Senats hat die Förderung durch das Elterngeld in seiner einkommensersetzenden Funktion nach § 2 Abs 1 und 7 BEEG nicht die Intensität, dass durch die größere Anreizwirkung für Doppelverdienerehen im Vergleich zu Alleinverdienerehen in den Schutzbereich des Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG eingegriffen wird(so auch Becker in Festschrift für Herbert Buchner, 2009, 67, 79; Seiler, NVwZ 2007, 129, 132; Weilert DVBl 2010, 164, 166). Die befristete Förderleistung berührt nicht in erheblicher Weise die Entscheidungsfreiheit von Eheleuten hinsichtlich ihrer innerfamiliären Aufgabenverteilung. Finanzielle Anreize - wie jede Form einer umfassenderen Förderung - können zwar stets eine überschießende Einflussnahme mit sich bringen. Das Elterngeld übt jedoch weder einen auch nur mittelbaren Zwang zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit aus noch nimmt es derart Einfluss auf die Rollenverteilung von Mann und Frau innerhalb der Ehe, dass von einer Eingriffsqualität gesprochen werden kann. Vielmehr bietet es vielen Eltern erst die Alternative, mit geringeren wirtschaftlichen Zwängen eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung eines Kindes zu wagen (vgl auch Becker aaO).
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(2) Ein Differenzierungsverbot lässt sich auch nicht aus Art 3 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) herleiten. Das Sozialstaatsprinzip enthält einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber (BVerfGE 50, 57, 108), für den Ausgleich sozialer Gegensätze (vgl BVerfGE 22, 180, 204) und für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen (vgl BVerfGE 59, 231, 263; 100, 271, 284). Bei der Erfüllung dieser Pflicht kommt ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 18, 257, 273; 29, 221, 235). Das Sozialstaatsprinzip führt daher im Bereich gewährender Staatstätigkeit auch in der Zusammenschau mit dem Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) regelmäßig nicht zu Beschränkungen des Gesetzgebers. Der Staat darf grundsätzlich Leistungen nicht nur deshalb gewähren, um eine dringende soziale Notlage zu steuern oder eine - mindestens moralische - Verpflichtung der Gemeinschaft zu erfüllen (wie etwa beim Lastenausgleich), sondern auch aus freier Entschließung durch finanzielle Zuwendungen ein bestimmtes Verhalten der Bürger fördern, das ihm aus wirtschafts-, sozial- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist. Es ist ihm insoweit nur verwehrt, seine Leistungen nach unsachlichen Gesichtspunkten - also "willkürlich" - zu verteilen (vgl BVerfGE 17, 210, 216; BFH Beschluss vom 22.6.2010 - II R 4/09 - juris RdNr 15).
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Mit dem Systemwechsel von der bedürftigkeitsabhängigen Förderung nach dem BErzGG zu der (erwerbs-)einkommensorientierten Unterstützungsleistung nach dem BEEG verfolgt der Gesetzgeber gewichtige familienpolitische Ziele, die zum Teil selbst das sozialstaatliche Gefüge berühren. Insbesondere würde eine Steigerung der Geburtenrate in Deutschland durch das Elterngeld in seiner Einkommensersatzfunktion maßgeblich zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme beitragen (vgl auch Weilert, DVBl 2010, 164, 171). Unter Berücksichtigung der weiteren Ziele des Gesetzgebers (ua Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gleichberechtigte Kindererziehung von Vätern und Müttern) kann hier nicht von einer unsachlichen Verteilung staatlicher Leistungen und damit von einem Verstoß gegen ein aus dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) herzuleitendes Diskriminierungsverbot ausgegangen werden, selbst wenn das Elterngeld als einkommensorientierte Unterstützungsleistung durch die höhere Förderung Besserverdienender gegenüber Geringverdienern oder Berechtigten ohne Erwerbseinkommen eine bestehende soziale Ungleichheit fortschreiben oder verfestigen könnte. Auch insoweit stellt sich das Elterngeld nicht als offensichtlich "unsozial" dar, zumal einem solchen Effekt durch die Beschränkung der Anspruchshöhe und -dauer enge Grenzen gesetzt sind.
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bbb) Der Gesetzgeber hat für die Bemessung der Elterngeldhöhe mit der Referenzgröße des Einkommens aus Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG ein zulässiges Differenzierungskriterium gewählt.
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Zur Erreichung seines Differenzierungszieles hat der Gesetzgeber das Elterngeld als progressive (durch einen Höchstbetrag) begrenzte Leistung nach Maßgabe des § 2 Abs 1 und 7 BEEG in formaler Anknüpfung an das bis zur Geburt des Kindes erzielte Erwerbseinkommen ausgestaltet(vgl BT-Drucks 16/1889 S 15). Dabei hat er im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens einem steuerrechtlichen Einkommensbegriff den Vorzug gegeben (vgl BT-Drucks 16/2454 S 8; BT-Drucks 16/2785 S 37; s dazu auch BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 3 Nr 3 RdNr 19 ff).
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Mangels vorgegebener Referenzgröße aufgrund eines versicherungstypischen Gegenseitigkeitsverhältnisses von Beiträgen und Leistungen (vgl hierzu jüngst BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - juris RdNr 36) steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, bei der gesetzlichen Ausgestaltung steuerfinanzierter Sozialleistungen, die nicht auf eigenen Beiträgen des Anspruchsberechtigten beruhen, eigenständige Regelungen zu treffen (vgl zur Arbeitslosenhilfe BVerfG Beschluss vom 26.9.2005 - 1 BvR 1773/03 - SozR 4-4300 § 434c Nr 6 RdNr 18-20; zum BErzGG BSG Urteil vom 13.5.1998 - B 14 EG 3/97 R - SozR 3-7833 § 6 Nr 16 S 93) und zur Verwirklichung der Gesetzesziele den als Referenzgröße maßgeblichen Begriff frei zu wählen. Mit der Referenzgröße des Einkommens aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG knüpft er insoweit sachbezogen an das Differenzierungsziel an, gerade Erwerbstätigen die größten Anreize zur Entscheidung für ein Kind zu bieten und höhere Unterstützungsleistungen zukommen zu lassen. Um nach seiner Auffassung die Gesetzesziele am zweckmäßigsten zu erreichen, durfte er auch den Begriff des Einkommens aus Erwerbstätigkeit nach sozial- oder steuerrechtlichen Vorgaben ausrichten, wie dies im Gesetzgebungsverfahren geschehen ist (vgl dazu BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 27). Insoweit hat der Senat bereits entschieden, dass es gemessen an dem Sinn und Zweck des Elterngeldes in seiner Funktion, einen Ausgleich für die Einkommenseinbußen durch die Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit wegen der Kinderbetreuung in dem ersten Lebensjahr des Kindes zu bieten, grundsätzlich sachgerecht ist, dass der Gesetzgeber bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit auf die Summe der positiven Einkünfte ua aus nicht selbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG verweist(vgl Urteil aaO RdNr 39). Auch das BErzGG hatte bereits im Rahmen der Ermittlung der Einkommensgrenzen (§ 5 Abs 3, § 6 Abs 1 Satz 1 BErzGG) auf "die nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs 1 und 2 EStG" abgestellt.
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ccc) Die gesetzgeberische Entscheidung, bei der Bemessung des Elterngeldes an das bisherige Erwerbseinkommen der Berechtigten anzuknüpfen, ist nicht nur frei von Willkür. Sie hält nach Auffassung des Senats auch - zunächst nur allgemein betrachtet - einer Verhältnismäßigkeitsprüfung stand.
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Zwar kann ein Indiz für einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG in einer Systemwidrigkeit, also einer Verletzung der "vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit", liegen (vgl BVerfGE 34, 103, 115 mwN; stRspr). Ein Systemwechsel, wie ihn der Gesetzgeber beim Übergang vom BErzGG zum BEEG vollzogen hat, bleibt davon jedoch grundsätzlich unberührt. Art 3 Abs 1 GG hindert den Gesetzgeber insoweit nicht, neue Wege zu beschreiten. Auch wenn das Elterngeld zu den steuerfinanzierten Sozialleistungen gehört, die sich ansonsten weitestgehend an der Bedürftigkeit der Berechtigten orientieren, ist es damit nicht Teil eines feststehenden Systems, das für eine bestimmte, durch ein gesondertes Gesetz vorgesehene Leistung keine andere Ausrichtung, hier im Sinne eines Ersatzes von entfallendem Erwerbseinkommen, zuließe.
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Das im BEEG vorgesehene Bemessungskriterium ist zur Verwirklichung des Gesetzeszwecks geeignet (vgl dazu allgemein BVerfG Beschluss vom 10.4.1997 - 2 BvL 45/92 - BVerfGE 96, 10, 23), mit dem Elterngeld einen Ausgleich für Einkommenseinbußen zu gewähren, die mit der Entscheidung für das Kind, dessen Geburt und Betreuung einhergehen. Je höher das Erwerbseinkommen vor der Geburt des Kindes ist, desto eher wird ein Elternteil zur Unterbrechung oder Einschränkung der Berufstätigkeit zwecks Kindererziehung ermutigt, wenn sich das Elterngeld an der bisherigen Einkommenshöhe orientiert.
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Auch die Erforderlichkeit dieses Bemessungskriteriums ist zu bejahen, da keine gleichermaßen geeigneten Alternativen ersichtlich sind, um das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel zu erreichen. Insbesondere wäre eine stärkere Förderung von Personen, die in der Zeit vor der Geburt des Kindes kein oder nur ein geringes Erwerbseinkommen erzielt haben, ohne zusätzliche finanzielle Mittel nicht möglich gewesen.
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Schließlich ist es auch als angemessen anzusehen, dass für die Höhe des Elterngeldes - soweit es die Basisbeträge übersteigt - das zuvor erzielte Erwerbseinkommen maßgebend ist. Die sich dabei ergebenden Ungleichbehandlungen sind Folge des zulässigen Gesetzeszwecks. Sie spiegeln die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse vor der Geburt des Kindes und damit die mit der Entscheidung für die Kindererziehung verbundenen Einbußen bei den Einkünften aus der bisherigen Erwerbstätigkeit wider.
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bb) Gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG bemisst sich das Elterngeld nach dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit, das von dem Berechtigten in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielt worden ist. Bei Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit wird von diesem Zeitraum - soweit es den vorliegenden Fall betrifft - nur in den engen Grenzen des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG(der mit Wirkung vom 24.1.2009 angefügte Satz 7 ist hier weder anwendbar noch seinem Inhalt nach einschlägig) abgewichen. Personen, die diese Ausnahmetatbestände nicht erfüllen, können mithin, soweit sie im Bemessungszeitraum - wie zeitweise die Klägerin - kein oder nur ein gekürztes Arbeitsentgelt bezogen haben, nicht auf weiter in der Vergangenheit zurückliegende Kalendermonate mit (höherem) Erwerbseinkommen zurückgreifen. Diese Benachteiligung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl dazu BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 53 ff).
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aaa) Mit der grundsätzlichen Beschränkung des Bemessungszeitraums auf die 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes verfolgt der Gesetzgeber ein zulässiges Differenzierungsziel. Er möchte den vorgesehenen Einkommensersatz auf die aktuellen Verhältnisse vor der Geburt ausrichten (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20) und damit - ersichtlich - eine größtmögliche Anreizwirkung in Richtung auf eine Entscheidung für eine Einschränkung der Erwerbstätigkeit zu Gunsten des Kindes und dessen Betreuung erzielen. Dieser Ausrichtung des Elterngeldes steht insbesondere kein verfassungsrechtliches Verbot aus Art 6 Abs 1 GG entgegen.
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Zwar mag es zutreffen, dass durch einen auf die 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes begrenzten Bemessungszeitraum die Entscheidungsfreiheit der Ehegatten betreffend die Aufgabenverteilung in der Ehe mittelbar etwas stärker beeinflusst werden kann als bei einem weiter gefassten Bemessungszeitraum. Darin liegt jedoch noch kein relevanter Eingriff in den Schutzbereich des Art 6 Abs 1 GG. Das Gesetz legt nur die tatsächlichen Erwerbsverhältnisse der Ehegatten in dem Jahr vor der Geburt des Kindes zugrunde. Weiter zurückliegende Entscheidungen betreffend die Aufgabenverteilung in der Ehe muss er im Rahmen der Elterngeldbemessung ebenso wenig berücksichtigen wie zukünftige Pläne der Ehegatten hinsichtlich der jeweiligen Erwerbstätigkeit.
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bbb) Der 12-monatige Bemessungszeitraum stellt auch ein zulässiges Differenzierungskriterium dar. Verfassungsrechtliche Verbote sind insoweit nicht ersichtlich. Die einschlägigen Regelungen des BEEG erscheinen dem erkennenden Senat in Ansehung des gesetzgeberischen Zieles auch als verhältnismäßig.
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Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass ein grundsätzlich auf 12 Kalendermonate begrenzter Bemessungszeitraum die Einkommensverhältnisse der Berechtigten vor der Geburt des Kindes am besten abbildet (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20). Wie bei anderen kurzfristigen Entgeltersatzleistungen (vgl § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB IV) ist Grundlage der Berechnung der Elterngeldhöhe nach § 2 Abs 1 und 7 bis 9 BEEG die sog Bezugs- und Referenzmethode(vgl hierzu auch Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 5 juris RdNr 35; bereits BSG Urteil vom 22.6.1966 - 3 RK 105/63 - BSGE 25, 69, 70 = SozR Nr 7 zu § 13 MuSchG; BSG Urteil vom 22.2.1972 - 3 RK 85/69 - BSGE 34, 79 = SozR Nr 4 zu § 200 RVO und jüngst BSG Urteil vom 30.5.2006 - B 1 KR 19/05 R - BSGE 96, 246 = SozR 4-2500 § 47 Nr 4, RdNr 21 ff), nach der unter Bezugnahme auf den wirtschaftlichen Dauerzustand eines gerade vergangenen Zeitraums auf ein Durchschnittseinkommen geschlossen wird, das den individuellen Lebensstandard prägt. Dabei hat der Gesetzgeber - auch in Ansehung des befristeten Bezugszeitraums des Elterngeldes von bis zu 14 Monaten (vgl § 4 Abs 1 Satz 1 BEEG; zur Möglichkeit einer Verlängerung auf maximal 28 Monate durch Halbierung des Auszahlungsbetrages vgl § 6 Satz 2 BEEG) - einen geeigneten Bemessungszeitraum von 12 Kalendermonaten vor der Geburt gewählt (vgl § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG). Das Ende des Bemessungszeitraums knüpft damit an das ausgleichsberechtigende Ereignis an und trägt dem Erfordernis Rechnung, den voraussichtlichen betreuungsbedingten Einkommensausfall des Elternteils einfach und nachvollziehbar zu bestimmen (vgl auch BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 5 RdNr 35).
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Die Ausgestaltung des Bemessungszeitraums erscheint auch als erforderliches Mittel zur Erreichung des Gesetzeszwecks. Andere Lösungen hätten entweder mehr finanzielle Mittel bzw einen größeren Verwaltungsaufwand beansprucht oder das verfolgte Ziel wäre verfehlt worden. Insbesondere hätte eine Berücksichtigung weit zurückliegender Erwerbsverhältnisse des Berechtigten die beabsichtigte Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes vernachlässigt.
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Schließlich erachtet der Senat die einschlägige gesetzliche Regelung, soweit es den grundsätzlichen Bemessungszeitraum anbelangt, auch nicht als unangemessen. Die durch die zeitliche Begrenzung des Bemessungszeitraums verursachte Ungleichbehandlung zwischen berechtigten Personen ist sachlich gerechtfertigt. Die voneinander abweichenden Einkommensverhältnisse der Betroffenen im Zeitraum unmittelbar vor der Geburt des Kindes legen in Ansehung der Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes eine entsprechend differenzierte Behandlung nahe.
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cc) Da das Krankengeld gemäß § 2 Abs 1 und 7 Satz 1 bis 4 BEEG iVm dem Einkommenssteuerrecht nicht als Arbeitsentgelt anzusehen ist, wird die Klägerin bei der Bemessung des Elterngeldes ungünstiger behandelt als Berechtigte, die während des Bemessungszeitraums kein Krankengeld, sondern durchgängig Arbeitsentgelt bezogen haben. Darüber hinaus bleiben die Kalendermonate mit Krankengeldbezug hier bei der Bestimmung der für die Bemessung des Elterngeldes maßgebenden 12 Kalendermonate auch nicht unberücksichtigt, so dass bei der Klägerin, anders als bei Berechtigten, die die Voraussetzungen des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG erfüllen, nicht auf weiter zurückliegende Kalendermonate zurückgegriffen werden kann, in denen sie wahrscheinlich ein Arbeitsentgelt vorweisen kann. Die darin liegende Benachteiligung verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.
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aaa) Der Gesetzgeber war im Rahmen seiner zulässigen Zielsetzung, einen Ausgleich für den durch Kinderbetreuung verursachten Ausfall von Erwerbseinkommen zu schaffen, von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, bei der Bemessung des Elterngeldes den Bezug von Krankengeld der Erzielung von Arbeitsentgelt gleichzustellen. Das Krankengeld unterscheidet sich vom Arbeitsentgelt dadurch, dass es gerade ausgefallenes Arbeitsentgelt ersetzen soll. Der Ausschluss von Krankengeld (und anderer Lohnersatzleistungen) bei der Leistungsbemessung stellt insoweit ein geeignetes Mittel zur Erreichung des Gesetzeszwecks dar. Diese gesetzliche Maßnahme ist auch als erforderlich anzusehen, weil gleichermaßen geeignete Alternativen nicht erkennbar sind. Eine Einbeziehung von Lohnersatzleistungen in die Bemessung des Elterngeldes würde einen höheren finanziellen Aufwand erfordern. Auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist die Nichtberücksichtigung von Krankengeld bei den für die Leistungshöhe maßgebenden Einkünften als gerechtfertigt anzusehen.
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Das Elterngeld ist eine familienpolitische Förderleistung eigener Art, mit der - im Gegensatz zu "regulären" kurzfristigen Entgeltersatzleistungen zur Aufrechterhaltung des individuellen Lebensstandards in sozialen Notlagen - vielfältige Ziele verfolgt werden (wegen der "Vermengung" der gesetzgeberischen Zielrichtungen krit Seiler NVwZ 2007, 129, 133). Sicher soll sie auch der Stagnation der Geburtenzahlen in Deutschland entgegenwirken und deswegen Erwerbstätigen einen wirtschaftlichen Anreiz bieten, sich trotz der finanziellen Einbußen, die mit einer Einschränkung der beruflichen Arbeit zwecks Kindererziehung verbunden sind, für ein Kind zu entscheiden. Um dieses Ziel zu erreichen, stellt der Staat eine einkommensorientierte Zuwendung in Aussicht, mit der diejenigen Einbußen an Erwerbseinkommen ganz oder teilweise kompensiert werden sollen, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dem ausgleichsberechtigenden Ereignis - der Geburt des Kindes - stehen. Realisiert sich in der Zeit vor der Geburt des Kindes bereits ein anderes Erwerbsrisiko (Krankheit, Wirtschafts- oder Arbeitsmarktlage, Streik etc), so sind die damit einhergehenden Einkommensausfälle grundsätzlich nicht vom Sinn und Zweck der Zuwendung umfasst (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20). Trotz dieser Einschränkung stellt das Elterngeld in seiner einkommensersetzenden Funktion eine (verhaltenssteuernde) Subvention zur Förderung der Kindererziehung dar. Zugleich verfolgt der Gesetzgeber mit dem derart ausgestalteten Elterngeld weitergehende Ziele, ua die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der gleichberechtigten Kindererziehung von Mann und Frau, der Gewährung eines finanziellen Schonraums für junge Familien bei einer betreuungsbedingten Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit der Elternteile und eine Kompensation der Betreuungskosten für das Kind (BT-Drucks 16/1889 S 1 f, 14 f).
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Die Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes unterscheidet sich allerdings wesentlich von kurzfristigen Entgeltersatzleistungen iS des § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB IV, die bei einem schutzwürdigen Wegfall des Arbeitsentgelts (infolge Unfalls, Krankheit, Arbeitslosigkeit etc) den individuellen Lebensstandard des Betroffenen für einen vorübergehenden Zeitraum erhalten sollen. Das den Ausgleich nach dem BEEG begründende Ereignis (Geburt eines Kindes und die erforderliche Betreuung) ist kein Schicksalsschlag, mit dem zwingend der Ausfall von Erwerbseinkommen einhergeht. Aus diesem Grund ist das Elterngeld im Bezugszeitraum auch als subsidiäre Unterstützungsleistung ausgestaltet, auf die gleichzeitig bezogene einkommensersetzende Leistungen angerechnet werden (vgl § 3 Abs 2 Satz 1 BEEG). Gleichwohl ist das Elterngeld in seiner Einkommensersatzfunktion eine Ausgleichsleistung; es verbindet die Leistungsgewährung nicht mit der Verwirklichung eines bestimmten Erwerbsrisikos, sondern mit einer typischen - aber hinsichtlich individueller Einkommenseinbußen unterschiedlich ausgeprägten - allgemeinen Bedarfslage (vgl Becker in Festschrift für Herbert Buchner, 2009, 67, 77, 78). Die als Anreiz zur Entscheidung für ein Kind gedachte Förderleistung Elterngeld knüpft in ihrer einkommensersetzenden Funktion insoweit allein an das Einkommen aus Erwerbstätigkeit an, das die vorgeburtliche Lebenssituation geprägt hat. Trotz der genannten Unterschiede folgt der Gesetzgeber damit zugleich in gewisser Weise auch der kurzfristigen Entgeltersatzleistungen im Allgemeinen zugrunde liegenden Regel, dass jeder seinen Bedarf (und evtl denjenigen seiner Angehörigen) durch eigene Erwerbstätigkeit zu decken hat und dem Berechtigten bei einem Einkommensausfall aus besonderen Gründen die Erhaltung seines individuellen Einkommensstandards ermöglicht wird (vgl Buchner/Becker, MuSchG - BEEG, 8. Aufl 2008, § 2 BEEG RdNr 8).
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Selbst bei kurzfristigen Entgeltersatzleistungen wird von der Referenzgröße des Einkommens aus Erwerbstätigkeit (bzw des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts oder -einkommens iS der §§ 14 f SGB IV) nur in Ausnahmefällen abgewichen. So erhalten Bezieher von Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld bei Krankheit unter bestimmten Voraussetzungen Krankengeld nach § 47b SGB V, Verletztengeld nach § 47 Abs 2 Satz 1 SGB VII oder Versorgungskrankengeld nach § 16b Abs 5 Buchst c Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sinn und Zweck dieser Leistungen ist der Ersatz für eine entgehende Sozialleistung (vgl zu § 47b SGB V: BSG Urteil vom 7.12.2004 - B 1 KR 5/03 R - BSGE 94, 19 = SozR 4-2500 § 44 Nr 3, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.9.2002 - B 1 KR 11/02 R - BSGE 90, 72, 77 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 34 f; BSG Urteil vom 2.11.2007 - B 1 KR 38/06 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 18). Diese Zielrichtung wird vom Elterngeld ersichtlich nicht verfolgt (ebenso LSG Schleswig-Holstein Urteil vom 22.2.2010 - L 1 EG 6/08 - juris RdNr 32; ähnlich LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 30.1.2009 - L 13 EG 48/08 - juris RdNr 3).
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Nicht nur wegen der besonderen familienpolitischen Zielsetzung des Elterngeldes, sondern auch wegen des weit gefassten Kreises der Berechtigten ist es als sachgerecht anzusehen, dass der Gesetzgeber die Leistungsbemessung eng an die vorangegangene Erzielung von Erwerbseinkommen angeknüpft und dabei Entgeltersatzleistungen wie das Krankengeld unberücksichtigt gelassen hat. Anderenfalls wäre es insbesondere im Vergleich zu Berechtigten mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit zu problematischen Ungleichbehandlungen gekommen. Denn diese Personenkreise haben regelmäßig keinen Zugang zu entsprechenden Ersatzleistungen.
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bbb) Der Gesetzgeber des BEEG musste im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG auch keine allgemeine Ausgleichsmöglichkeit für alle Berechtigten vorsehen, die in den letzten 12 Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes Arbeitsentgeltausfälle wegen Krankheit hatten. Insbesondere war er nicht gehalten, diesen Personenkreis mit solchen Berechtigten gleichzustellen, die iS von § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG Elterngeld für ein älteres Kind bzw Mutterschaftsgeld bezogen oder wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommenseinbußen erlitten haben.
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Allerdings werden bei kurzfristigen Entgeltersatzleistungen iS des § 18a Abs 3 Satz 1 SGB IV zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse Zeiten, die aus besonderen Gründen während des Bemessungszeitraums ohne repräsentatives Erwerbseinkommen sind, nicht in die Bemessung der Leistungshöhe einbezogen. Dies gilt zum einen für Entgeltersatzleistungen, die bei einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis das entgehende Gehalt kompensieren sollen, in Fällen von "Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis" (vgl etwa § 11 Abs 1 Satz 3 BUrlG; § 11 Abs 2 Satz 2 MuSchG; § 200 Abs 2 Satz 3 RVO; § 14 Abs 1 Satz 4 MuSchG) und zum anderen unter bestimmten Voraussetzungen (vgl § 130 Abs 2 SGB III; siehe dazu BT-Drucks 15/1515 S 85) auch für das Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (§ 117 Abs 1 Nr 1 SGB III). Diese mitunter sehr differenzierten Regelungen verwirklichen das die Sozialversicherung prägende Versicherungsprinzip (vgl hierzu BVerfGE 59, 36, 49 ff; 63, 152, 171), nach dem im Grundsatz eine Äquivalenz von Beitrag und Leistung bestehen muss.
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Demgegenüber sieht das BEEG eine Privilegierung von Einkommensausfall nur in Ausnahmefällen für Sachverhalte vor, die - nach der hier maßgeblichen Rechtslage - in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Förderzweck des Elterngeldes stehen (vgl § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG in der hier maßgeblichen Fassung vom 5.12.2006); Einkommensminderungen oder -ausfälle aufgrund allgemeiner Erwerbsrisiken (zB Krankheit, Arbeitslosigkeit, Streik etc) werden grundsätzlich nicht bei der Bemessung der Leistungshöhe berücksichtigt. Einer solchen Ausgestaltung steht Art 3 Abs 1 GG nicht entgegen, zumal der Gesetzgeber bei der Gewährung steuerfinanzierter Leistungen nicht an das versicherungstypische Gegenseitigkeitsverhältnis von Beiträgen und Leistungen (vgl jüngst zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - juris RdNr 36) gebunden ist.
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Durch die eng begrenzten Ausnahmefälle in § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG hat der Gesetzgeber eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Risikoverteilung vorgenommen. Einkommenseinbußen aus Gründen, die nicht direkt mit dem Zweck des Elterngeldes zusammenhängen, werden dem Risikobereich des Berechtigten zugeordnet. Zwar verzichtet der Gesetzgeber damit auf einen - möglicherweise wünschenswerten (vgl dazu Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes eV vom 1.9.2008, Ausschuss-Drucks 16(13)371c NEU zu BT-Drucks 16/9415) - sozialen Ausgleich, er orientiert sich jedoch in noch sachgerechter Weise an dem von ihm verfolgten Ziel eines (teilweisen) Ersatzes von Erwerbseinkommen, das durch die erfolgende Kindesbetreuung entfällt. Die Behebung sozialer Notlagen hat er insoweit anderen sozialen Sicherungssystemen überlassen (vgl Buchner/Becker, MuSchG-BEEG, 8. Aufl 2008, § 2 BEEG RdNr 8).
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ccc) Ein gewichtiger sachlicher Grund für die Ausgestaltung der Bemessungsmethode nach § 2 Abs 1 und 7 BEEG liegt auch in der Praktikabilität bei der Leistungsgewährung(vgl hierzu allg Heun in Dreier, GG, 2. Aufl 2004, Art 3 RdNr 33). So muss im Bemessungszeitraum nicht nach einem bestehenden, unterbrochenen oder beendetem Beschäftigungsverhältnis oder nach dem Grund der Einkommenseinbußen aus Erwerbstätigkeit unterschieden werden. Die hiermit sonst verbundenen Schwierigkeiten lassen sich zB an dem sehr differenziert ausgestalteten Bemessungsrecht beim Arbeitslosengeld (vgl §§ 129 ff SGB III) unschwer erkennen.
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Bei dem grundlegenden Systemwechsel ist dem Gesetzgeber zudem zur sachgerechten Überleitung des alten in den neuen Rechtszustand ein angemessener Zeitraum zu gewähren, in dem er nach Überprüfung der erzielten Ergebnisse auf Unstimmigkeiten im Einzelfall reagieren kann (vgl BVerfG Urteil vom 13.6.1979 - 1 BvL 27/76 - BVerfGE 51, 257, 268; BVerfGE 49, 192, 210). Ob der Gesetzgeber durch die Anfügung des Satzes 7 an § 2 Abs 7 BEEG zum 24.1.2009 (vgl Art 1 Nr 1 Buchst a Erstes Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, BGBl I 61) einen sachgerechten Schritt getan hat, kann hier offenbleiben.
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dd) Die Gleichbehandlung der Klägerin mit Personen, die in dem Bemessungszeitraum an Stelle von Krankengeld Existenz sichernde Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bezogen haben, bei der Bemessung des Elterngeldes verstößt ebenfalls nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Beide Vergleichsgruppen haben nach dem gesetzlichen Differenzierungskriterium insoweit kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 BEEG erzielt. Sie werden demnach in dieser Beziehung sachgerechterweise gleich behandelt. Da das Elterngeld keine beitragsfinanzierte Leistung der Sozialversicherung ist, brauchte der Gesetzgeber Personen, die im Bemessungszeitraum beitragsfinanzierte Entgeltersatzleistungen bezogen haben, nicht besser zu stellen als Bezieher von steuerfinanzierten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende oder der Sozialhilfe.
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ee) Die Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die - zB wegen amtsangemessener Alimentation (Beamte, Richter) - bei länger als sechs Wochen andauernder Erkrankung regelmäßig keine Einbußen an Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 BEEG erleiden, führt nicht zu einem Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG.
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Es besteht kein Anspruch der Klägerin als Angestellte auf Gleichbehandlung zB mit Beamten, die bei einer länger als sechs Wochen andauernden Erkrankung nicht Krankengeld beziehen, sondern weiterhin ihre Dienstbezüge erhalten; die Vergleichsgruppen sind nicht wesentlich gleich, weil sich das gesetzlich geregelte Beamten- und Richterverhältnis von dem durch privatrechtlichen Vertrag begründeten Angestelltenverhältnis grundlegend unterscheidet (vgl BVerfG Beschluss vom 2.3.2000 - 2 BvR 1508/99 - juris RdNr 5; BVerfGE 52, 303, 345). Entsprechend verhält es sich im Vergleich zu Personen, die aufgrund ihres Arbeitsvertrages Anspruch auf eine über sechs Wochen hinausgehende Entgeltfortzahlung durch ihren Arbeitgeber haben. Die insoweit im Beamten- oder Arbeitsvertragsrecht begründeten Unterschiede musste der Gesetzgeber des BEEG nicht ausgleichen; vielmehr durfte er bei der Ausgestaltung der Bemessung des Elterngeldes an den tatsächlichen Erwerbseinkommensverhältnissen der Berechtigten im Bemessungszeitraum anknüpfen.
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ff) Soweit die Klägerin ansonsten Verletzungen von Art 3 Abs 1 GG geltend macht, beruht dies auf Missverständnissen.
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§ 2 Abs 3 BEEG, auf den sich die Klägerin bezieht, betrifft die Berechnung von Elterngeld bei Berechtigten, die nach der Geburt des Kindes - also während der Bezugszeit - Einkommen aus Erwerbstätigkeit haben. Entgegen der Annahme der Klägerin wird dabei kein fiktives Einkommen berücksichtigt. Bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages zwischen dem vor und dem nach der Geburt erzielten Einkommen gilt lediglich für das vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen ein Höchstbetrag von 2700 Euro. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, das Elterngeld nur bis zu einem monatlichen Höchstbetrag von 1800 Euro gezahlt wird (§ 2 Abs 1 Satz 1 BEEG), der bei einem monatlichen Nettoeinkommen von etwa 2700 Euro erreicht wird. Die Regelung des § 2 Abs 3 BEEG bewirkt damit praktisch eine Anrechnung des nach der Geburt erzielten Einkommens auf das Elterngeld. Inwiefern die Klägerin gegenüber den von dieser Vorschrift betroffenen Berechtigten benachteiligt sein könnte, ist nicht ersichtlich.
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Ebenso wenig leuchtet die Ansicht der Klägerin ein, dass sich ein Elternteil, der vor der Geburt des Kindes gearbeitet hat und nach der Geburt des Kindes erkrankt, schlechter stehe, als ein Elternteil, der nach der Geburt des Kindes einen Resturlaub hat. Da ein während eines Resturlaubes gezahltes Arbeitsentgelt bzw eine Urlaubsabgeltung (sofern nicht sogar § 1 Abs 6 BEEG eingreift) im Rahmen des § 2 Abs 3 BEEG berücksichtigt wird, während ein nach der Geburt des Kindes bezogenes Krankengeld nach Maßgabe des § 3 Abs 2 BEEG auf das Elterngeld angerechnet wird, ist eine sachwidrige Ungleichbehandlung insoweit nicht erkennbar. Abgesehen davon sind diese Fallgestaltungen mit der Situation der Klägerin nicht vergleichbar, die im Bemessungszeitraum vor der Geburt Krankengeld bezogen hat.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes der Klägerin, insbesondere über die Berücksichtigung von Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld bei der Leistungsbemessung.
- 2
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Nach der Geburt ihres Sohnes M. am 2.8.2007 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld, das ihr vom beklagten Freistaat mit Bescheid vom 21.8.2007 für den Zeitraum vom 2.8.2007 bis 1.8.2008 in Höhe von monatlich 354,01 Euro bewilligt wurde. Wegen der Anrechnung von Mutterschaftsgeld betrug der Auszahlungsbetrag in den ersten beiden Lebensmonaten des Kindes (2.8. bis 1.10.2007) 0,00 Euro und im dritten (2.10.bis 1.11.2007) 251,24 Euro. Bei der Leistungsbemessung wurde das von Juli 2006 bis Januar 2007 erzielte steuerpflichtige Entgelt der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt. Das von der Klägerin anschließend bezogene Arbeitslosengeld nach dem SGB III wurde nicht als Einkommen gewertet. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5.2.2008 zurück.
- 3
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Die Klägerin hat beim Sozialgericht (SG) München Klage erhoben und dazu geltend gemacht: In ihrem Fall sei das von Februar bis Juni 2007 bezogene Arbeitslosengeld bzw das regelmäßig erhaltene Arbeitsentgelt aus der zuvor ausgeübten nichtselbstständigen Beschäftigung zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art 6 Abs 4 GG und Art 3 Abs 1 GG als Einkommen iS des § 2 Abs 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zu berücksichtigen. Zum einen sei der Grund der Arbeitslosigkeit allein auf den Wechsel des Beschäftigungsorts ihres Ehemanns und den gemeinsamen Umzug nach München zurückzuführen. Zum anderen sei es einer erkennbar schwangeren Frau im Falle der Arbeitslosigkeit praktisch nicht möglich, eine neue Tätigkeit aufzunehmen, da sie wohl kein Arbeitgeber einstellen werde.
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Das SG München hat die Klage durch Urteil vom 10.7.2008 abgewiesen. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung ist vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 24.6.2009 zurückgewiesen worden. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt:
Arbeitslosengeld und sonstige Lohnersatzleistungen stellten kein Einkommen iS des § 2 Abs 1 und 7 BEEG dar. Denn sie seien nach § 3 Nr 2 Einkommensteuergesetz (EStG) einkommensteuerfrei und unterlägen nach § 32g Abs 1 Nr 1 Buchst b EStG lediglich dem sog Progressionsvorbehalt. Eine planwidrige Regelungslücke liege hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von Arbeitslosengeld als Einkommen oder als sog "Hinausschiebenstatbestand" iS des § 2 Abs 7 Satz 6 Alt 2 BEEG ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien(Hinweis auf Ausschussbericht, BT-Drucks 16/2785 S 37 zu Art 1 § 2) nicht vor. Auch seien diese Regelungen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG vereinbar.
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Vergleiche man die Klägerin mit der Gruppe derjenigen Personen, die im Bemessungszeitraum durchgehend gearbeitet und kein Arbeitslosengeld bezogen haben, weil eine Arbeitslosigkeit nicht eingetreten ist, sei eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Zum einen sei Arbeitslosengeld als Lohnersatzeinkommen im Gegensatz zu Arbeitslohn von der Einkommensteuerpflicht freigestellt und zum anderen würden sich Lohneinkommen und Lohnersatzeinkommen wesentlich unterscheiden.
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Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers erlaube es, die Berechnung der allein steuerfinanzierten Sozialleistung Elterngeld an den steuerrechtlichen Einkommensbegriff anzulehnen. Der Gesetzgeber knüpfe damit an das aufgrund von Erwerbstätigkeit "Verdiente" an und nicht an eine Versicherungsleistung, die einen Ausgleich für entgangenes Arbeitsentgelt - im Falle des Arbeitslosengeldes aufgrund des ersatzlos weggefallenen Arbeitsplatzes - bezwecke. Das Elterngeld stelle insoweit selbst eine Lohnersatzleistung dar, nicht aber eine "Lohnersatzersatzleistung". Arbeitslosengeld und steuerpflichtiger Arbeitslohn seien auch nicht wegen des durch Versicherungsbeiträge erworbenen Anspruchs auf diese Lohnersatzleistung im Rahmen der Elterngeldbemessung gleichzustellen, da Elterngeld als steuerfinanzierte Leistung gerade keinen Sozialversicherungsbezug aufweise. Dem Elterngeld liege keine Beitragszahlung zu Grunde, die eine Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips auf der Leistungsseite erfordere.
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Der Gesetzgeber habe sich mit dieser Ausgestaltung auch nicht in Widerspruch zu dem im BEEG manifestierten Regelungswillen oder der entwickelten Systematik der Regelungsmaterie gesetzt. Ebenso wenig sei unter Berücksichtigung des Förderzwecks des BEEG eine sachliche Differenzierung nach dem Grund der Arbeitslosigkeit geboten, etwa im Hinblick auf die soziale Wertigkeit oder auf Freiwilligkeit bzw Unfreiwilligkeit. Dies gelte im Besonderen für den Einwand der Klägerin, ihre Arbeitslosigkeit sei auf die erstrebte Familienzusammenführung zurückzuführen und eine Gleichbehandlung mit sonstigen, nicht "familienbezogenen" Anlässen des Arbeitsplatzverlustes sei sachlich nicht gerechtfertigt. Ein Ausnahmetatbestand wegen familienbezogener Gründe des Arbeitsplatzverlustes - etwa durch eine Einbeziehung des Lohnersatzeinkommens in die Bemessungsgrundlage oder durch einen besonderen "Hinausschiebenstatbestand" - sei wegen der freiwilligen Lebensentscheidung der Klägerin nicht geboten; im Übrigen seien solche Einzelsachverhalte einer generellen Regelung kaum zugänglich.
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Schließlich sei Art 6 Abs 1 GG nicht verletzt, da der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, werdende Familien bei der Bemessung von Familienleistungen von Leistungsverschlechterungen aufgrund eines sich realisierenden allgemeinen Lebensrisikos auszunehmen, das alle Bürger treffen könne und keinen unmittelbaren Familien-, Erziehungs- und Schwangerschaftsbezug habe. Durch die mit dem Umzug nach M. verbundene Arbeitsaufgabe verwirkliche sich kein unmittelbares Familienrisiko, zumal der Ortwechsel des Ehemanns nicht erzwungen worden sei.
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Mit ihrer vom LSG zugelassenen, beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegten Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Eine Unterscheidung von Arbeitsentgelt als "verdientes" und Arbeitslosengeld als durch Sozialversicherungsbeiträge "erdientes" Einkommen sowie ein Rückgriff auf die Definition von Einkommen aus Erwerbstätigkeit im einkommensteuerrechtlichen Sinn sei bei der Bemessung von Elterngeld in Ansehung des Art 3 Abs 1 GG nicht zulässig. Arbeitslosengeld unterscheide sich wesentlich von beitragsunabhängigen Sozialleistungen, wie zB der Sozialhilfe. Für eine entsprechende Differenzierung würden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hohe Anforderungen gelten. Im Hinblick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falls, insbesondere der Arbeitsplatzaufgabe zwecks Wahrung der Familieneinheit, sei verfassungsrechtlich (Art 3 Abs 1 GG, Art 6 GG) eine Einzelfallprüfung der Gründe des Arbeitsplatzverlustes geboten, zumal die Entscheidung ihres Ehemanns über den Arbeitsplatzwechsel dem Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 GG unterliege und der gemeinsame Umzug nach München vom Grundrecht der Freizügigkeit umfasst sei. Insoweit genüge die einfachgesetzliche Ausgestaltung des BEEG nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art 3, 6, 12 GG.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2009 und des Sozialgerichts München vom 10. Juli 2008 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 21. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2008 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des von Februar bis Juli 2007 erfolgten Bezuges von Arbeitslosengeld zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er trägt ua vor: Der Einkommensbegriff iS des § 2 Abs 1 und 7 BEEG sei gemessen an dem Förderzweck des BEEG mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Elterngeld diene dem Ausgleich von Einkommenseinbußen, die der das Kind betreuende Elternteil durch die Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit erleide. Das Anknüpfen an das einkommensteuerpflichtige Erwerbseinkommen bei der Bemessung des Elterngeldes sei insoweit sachgerecht. Auch der Umstand, dass Arbeitslosengeld - anders als zB Sozialhilfeleistungen - eine beitragsabhängige Lohnersatzleistung sei, gebiete bei der Bemessung des Elterngelds keine Gleichbehandlung dieser Leistung mit (steuerpflichtigem) Erwerbseinkommen. Bei der Berechnung von Entgeltersatzleistungen - wie auch des Elterngeldes - würden regelmäßig gerade keine anderen Entgeltersatzleistungen berücksichtigt, vielmehr würden vom Gesetzgeber Zeiten unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Bemessungszeitraum ausgeklammert (vgl etwa § 130 Abs 2 SGB III); besonders schutzwürdige Situationen berücksichtige insoweit § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG. Im Übrigen würden auch andere Lohnersatzleistungen - etwa das Krankengeld - nicht bei der Bemessung des Elterngelds angerechnet und insofern gleich behandelt.
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Soweit die Klägerin auf die besonderen Umstände des Einzelfalls hinweise, sei der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Der Gesetzgeber habe sich aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und im Hinblick auf eine zügige Feststellung der Leistung entschieden, gemäß § 2 Abs 1 und 7 BEEG auf das einkommensteuerpflichtige Erwerbseinkommen abzustellen, und den damit verbundenen Härten dadurch Rechnung getragen, dass er Zeiten mit besonders schutzwürdigen Situationen bei der Festlegung des Bemessungszeitraums ausklammere. Durch die Einbeziehung weiterer Einnahmen würde das Elterngeld hingegen den Charakter als "Erwerbsersatzeinkommen" verlieren; die Typisierung der berücksichtigungsfähigen Einnahmen diene insoweit nicht ausschließlich der Verwaltungsvereinfachung und halte sich im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG) verfolgte Anspruch der Klägerin auf höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des Bezugs von Arbeitslosengeld in der Zeit von Februar bis Juli 2007. Wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, besteht ein solcher Anspruch nicht.
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1. Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Das Kind muss nach dem 31.12.2006 geboren sein (vgl § 27 Abs 1 BEEG, Art 3 Abs 1 Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748; vgl hierzu auch BSG Urteil vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1). Ob im Fall der Klägerin sämtliche Voraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG erfüllt sind, vermag der Senat anhand der Tatsachenfeststellungen des SG nicht zu beurteilen. Das ist hier unschädlich, weil die Klägerin jedenfalls kein höheres Elterngeld beanspruchen kann.
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2. Die Höhe des Elterngeldes richtet sich gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG nach dem in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Es beträgt 67 % dieses durchschnittlichen Einkommens, höchstens 1800 Euro monatlich. § 2 Abs 5 BEEG sieht ein Mindestelterngeld in Höhe von monatlich 300 Euro vor.
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a) Der nach den gesetzlichen Vorgaben maßgebende Bemessungszeitraum von zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt (am 2.8.2007) erstreckt sich hier zunächst von August 2006 bis Juli 2007. Dazu bestimmt § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG idF vom 5.12.2006 (BGBl I 2748; die Anfügung des Satzes 7 durch Art 1 Nr 1 Buchst a Erstes Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, BGBl I 61, erfolgte mit Wirkung vom 24.1.2009 und ist deshalb hier unbeachtlich):
Kalendermonate, in denen die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes ohne Berücksichtigung einer Verlängerung des Auszahlungszeitraumes nach § 6 Satz 2 Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, bleiben bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zu Grunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt. Das Gleiche gilt für Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung oder dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist.
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Da die Klägerin ab Juli 2007 wegen der bevorstehenden Geburt Mutterschaftsgeld bezogen hat, bleibt danach dieser Monat bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums unberücksichtigt, so dass in dem angefochtenen Bescheid rechtsfehlerfrei auf den Zeitraum von Juli 2006 bis Juni 2007 abgestellt worden ist. Im Übrigen sind die Ausnahmetatbestände des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG offensichtlich nicht einschlägig.
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Die bei unklarem oder nicht eindeutigem Wortlaut zur Auslegung gesetzlicher Bestimmungen heranzuziehenden Gesichtspunkte des Bedeutungszusammenhanges, der Regelungsabsicht, des Sinnes und Zweckes des Gesetzes, der Gesetzesentwicklung oder des Gebotes einer verfassungskonformen Auslegung - letztere begehrt die Klägerin sinngemäß - sind hier nicht zu erörtern, denn der eindeutige Wortsinn einer gesetzlichen Vorschrift ist die Grenze jeder Auslegung (Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, 143 mwN, s Bundesverfassungsgericht
, BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81) . Eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung ist nicht möglich.
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Eine Erweiterung des Gesetzesinhalts auf den Fall der Klägerin lässt sich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere mittels eines Analogieschlusses erreichen. Es fehlt an einer erkennbaren Unvollständigkeit des Gesetzes. Der Senat hat bereits zu der Nichtberücksichtigung der Elternzeit für ein älteres Kind ohne Elterngeldbezug entschieden, dass die gesetzlichen Ausnahmetatbestände aus § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG vom Wortlaut her ausdrücklich und klar geregelt sind; der Gesetzgeber wollte allein diese Sachverhalte privilegieren und bei der Bestimmung des für die Bemessung des Elterngeldes maßgebenden Zwölf-Monatszeitraums unberücksichtigt lassen (vgl Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 31-34). Das Gesetz ist auch im Hinblick auf Einkommenseinbußen wegen Arbeitslosigkeit nicht lückenhaft. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich vielmehr, dass der "Wegfall oder das Fehlen von Erwerbseinkommen aus anderen Gründen wie zum Beispiel der Arbeitsmarktlage oder anderen konkreten Lebensumständen" nicht zu einer Verschiebung des Bemessungszeitraums führen soll (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20 zu § 2 Abs 1 Satz 2 und 3 BEEG-Entwurf, dessen Regelungen in der Gesetz gewordenen Fassung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG vereinheitlicht worden sind, vgl BT-Drucks 16/2785 S 38).
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b) Ist danach im vorliegenden Fall bei der Leistungsbemessung auf die Zeit von Juli 2006 bis Juni 2007 abzustellen, wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG das insoweit erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit berücksichtigt, und zwar nach § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG nach Maßgabe des § 2 Abs 7 bis 9 BEEG. Damit knüpft das BEEG an den einkommensteuerrechtlichen Einkommensbegriff iS des § 2 EStG an(vgl hierzu BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 20 f). Von den sieben im Grundtatbestand des § 2 Abs 1 Satz 1 EStG aufgeführten Einkunftsarten sind nur die (Erwerbs-)Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (Nr 1), Gewerbebetrieb (Nr 2), selbstständiger Arbeit (Nr 3) und nichtselbstständiger Arbeit (Nr 4) erheblich.
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Nach den gesetzlichen Vorgaben ist das von der Klägerin bezogene Arbeitslosengeld unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG. Es fällt nach Auffassung des Senats insbesondere nicht unter den Begriff der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG.
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Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sind nach § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG insbesondere Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Zwar enthält auch § 19 Abs 1 EStG keine abstrakt generelle Definition des Begriffs der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern nur eine beispielhafte Umschreibung der Einkünfte iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG. Daraus ist indes zu erschließen, dass jedenfalls alle Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer erfasst sind, die durch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers veranlasst sind. Alle Einnahmen aus dem Arbeitsverhältnis sind daher Arbeitslohn (vgl BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 28 mwN; Eisgruber in Kirchhof, EStG, 9. Aufl 2010, § 19 RdNr 13, 15; Drenseck in Schmidt, EStG, 29. Aufl 2010, § 19 RdNr 16, 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müssen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG im weitesten Sinne Gegenleistungscharakter aufweisen, also "für eine Beschäftigung" gewährt werden bzw als Frucht der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu betrachten sein(jüngst BFH Urteil vom 20.5.2010 - VI R 41/09 - BFHE 229, 346, 348 f mwN; vgl auch BFH Urteil vom 26.5.1998 - VI R 9/96 - BFHE 186, 247, 250). Dabei ist die Frage, ob eine Zuwendung Ertrag der Arbeitsleistung ist, danach zu beurteilen, wozu die Zahlung erfolgt ist, und nicht danach, wer die Zahlung vorgenommen hat. Denn es können auch Bar- oder Sachzuwendungen Dritter Arbeitslohn darstellen, soweit sie der Arbeitnehmer vernünftigerweise als Frucht seiner Leistung für den Arbeitgeber ansehen muss (BFH Urteil vom 26.5.1998 - VI R 9/96 - BFHE 186, 247, 250; BFH Urteil vom 5.7.1996 - VI R 10/96 - BFHE 180, 441, 442).
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Bereits das Merkmal des Gegenleistungscharakters fehlt dem Arbeitslosengeld. Rechtsgrund für die Leistungsgewährung ist das Versicherungsverhältnis und nicht die (frühere) Beschäftigung. Es entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung zum zu versteuernden Arbeitslohn gehören und damit auch die Verschaffung eines solchen - gesetzlichen oder privaten - Versicherungsschutzes durch den Arbeitgeber grundsätzlich Arbeitslohn darstellt (BFH Beschluss vom 11.9.2007 - VI B 146/05 - juris RdNr 3; BFH Beschluss vom 29.10.2004 - XI B 170/03 - juris RdNr 3). Demgegenüber sind jedoch Leistungen aus diesem Versicherungsverhältnis, die nicht lediglich dem Arbeitgeber zustehen, sondern auf einem eigenen Anspruch des Arbeitnehmers beruhen, regelmäßig auch dann kein Arbeitslohn, wenn der Versicherungsschutz im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gewährt wird (BFH Urteil vom 26.5.1998 - VI R 9/96 - BFHE 186, 247 - juris RdNr 14). Somit ist Arbeitslosengeld weder Arbeitslohn iS des § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG(vgl auch Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftssteuergesetz, § 3 Nr 2 EStG RdNr 2 mwN) noch Bezug oder Vorteil aus früheren Dienstleistungen iS des § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG, da auch diese Einnahmen nach den allgemeinen Grundsätzen durch das (frühere) Dienstverhältnis veranlasst sein müssen(vgl BFH Urteil vom 14.4.2005 - VI R 134/01 - BFHE 209, 361). Mangels rechtlichen Zusammenhangs mit dem früheren Beschäftigungsverhältnis ist Arbeitslosengeld auch nicht als Entschädigung iS des § 24 Abs 1 Buchst a EStG den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 19 Abs 1 Nr 1 EStG zuzuordnen(zur Einordnung der Einkünfte nach § 24 EStG als nicht selbstständige Einkunftsart vgl BFH Urteil vom 16.10.2002 - XI R 71/00 - BFHE 200, 544 - juris RdNr 15; BSG Urteil vom 9.10.2007 - B 5b/8 KN 1/06 KR R - SozR 4-2500 § 10 Nr 8 juris RdNr 17; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 2/05 R - SozR 4-2500 § 10 Nr 6 juris RdNr 13).
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Da Arbeitslosengeld bereits kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG ist, kommt es nicht darauf an, dass diese Sozialleistung gemäß § 3 Nr 2 EStG von der Steuer befreit ist. Die in § 3 EStG geregelten Tatbestände der Steuerbefreiungen sind nach den gesetzlichen Vorgaben - wie sie das LSG zu Recht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat - bereits bei der Ermittlung der Einkünfte nach dem objektiven Nettoprinzip gemäß § 2 Abs 1 und Abs 2 EStG zu prüfen(vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 20 ff mwN). Dies hat zur Folge, dass steuerfreie Beträge steuerrechtlich weder als steuerpflichtige Einnahmen noch als steuerpflichtige Einkünfte noch als steuerpflichtiges Einkommen behandelt werden dürfen und das Arbeitslosengeld auch aus diesem Grund der Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG nicht zugrunde gelegt werden darf.
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c) Unter Berücksichtigung der danach maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten hat der Beklagte die Höhe des Elterngeldes der Klägerin mit Bescheid vom 21.8.2007 rechtsfehlerfrei berechnet, indem er auf der Grundlage des von Juli 2006 bis Juni 2007 tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts der Klägerin ein durchschnittliches monatliches Nettoerwerbseinkommen in Höhe von 357,22 Euro ermittelt und daraus - unter Heranziehung der Geringverdienerregelung des § 2 Abs 2 BEEG - den monatlichen Elterngeldanspruch der Klägerin von 354,01 Euro abgeleitet hat.
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3. Nach Auffassung des Senats verstoßen die hier einschlägigen Bestimmungen des BEEG nicht gegen das GG.
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a) Der Senat hält daran fest, dass das BEEG im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 74 Abs 1 Nr 7 GG wirksam erlassen worden ist (vgl BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 36 ff mwN; Verfassungsbeschwerde anhängig unter 1 BvR 2712/09). Dabei versteht er den in Art 74 Abs 1 Nr 7 GG verwendeten Begriff der öffentlichen Fürsorge in einem weiten Sinne. Das Elterngeld wird davon umfasst, weil es dazu beitragen soll, die Lebensgrundlagen junger Familien zu sichern und diese vor dem Eintritt einer finanziellen Bedarfslage zu bewahren (vgl BSG aaO RdNr 39; siehe allgemein dazu auch Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl 2009, Art 74 RdNr 35 f mwN). Bemerkenswert ist insoweit, dass das BVerfG auch die Regelung in § 90 SGB VIII über die Staffelung von Kindergartenbeiträgen nach dem Familieneinkommen dem Art 74 Abs 1 Nr 7 GG zugeordnet hat(vgl BVerfGE 97, 332, 341 f).
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Ebenso wenig vermag der Senat dem Art 74 Abs 1 Nr 7 GG eine mangelnde Kompetenz des Bundes zur Einführung steuerfinanzierter Einkommensersatzleistungen zu entnehmen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Ausgestaltung der Leistung einem weit verstandenen Begriff der öffentlichen Fürsorge entspricht. Das ist beim Elterngeld der Fall. Die Orientierung an Bedarfslagen zeigt sich insbesondere an dem Basisbetrag von 300 Euro (§ 2 Abs 5 Satz 1 BEEG), der Begünstigung von Geringverdienern (§ 2 Abs 2 BEEG) und Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG), dem "Geschwisterbonus" (§ 2 Abs 4 BEEG) sowie der Festlegung eines Höchstbetrages von 1800 Euro (§ 2 Abs 1 Satz 1 BEEG).
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In den Genuss des Höchstbetrages kommen Bezieher ab einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von rund 2700 Euro. Selbst dieser Betrag ist kein hohes Erwerbseinkommen, sondern wird von vielen Arbeitnehmern der mittleren Bildungsebene - unter Umständen mit steuerpflichtigen Mehrarbeitszuschlägen - erreicht (vgl Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2010, S 535 über die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste im Jahr 2009 ua in der Leistungsgruppe 3 - Fachkräfte -, siehe S 531). Das Elterngeld fördert damit schwerpunktmäßig Erziehende, die im Bemessungszeitraum kleinere bis mittlere Einkommen erzielt haben. Diese Einschätzung wird erhärtet durch die Zahlen über die Höhe des Elterngeldes von Personen, die in der Zeit von Januar 2007 bis Juni 2008 einen Antrag gestellt haben. Von allen Leistungsbeziehern erhielten 53,4 % ein Elterngeld von 300 bis 500 Euro, 28,4 % von 500 bis unter 1000 Euro, 11,4 % von 1000 bis unter 1500 Euro und 6,8 % von 1500 bis 1800 Euro (siehe Bericht der Bundesregierung vom 30.10.2008 über die Auswirkungen des BEEG sowie über die ggf notwendige Weiterentwicklung, BT-Drucks 16/10770 S 12 Tabelle 3).
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Schließlich bleibt der Senat auch bei seiner Beurteilung, dass dem Gesetzgebungsrecht des Bundes Art 72 Abs 2 GG nicht entgegensteht (vgl BSG aaO RdNr 40). Für das BEEG ist die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zu bejahen.
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b) § 2 Abs 1 und 7 BEEG verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz in Art 3 Abs 1 GG(iVm Art 6 Abs 1, Art 20 Abs 1 GG), soweit danach der Bezug von Arbeitslosengeld, das an die Stelle ausgefallenen Arbeitsentgelts getreten ist, bei der Elterngeldberechnung nicht berücksichtigt wird.
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Art 3 Abs 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Dieser hat gerade auch im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten Abschnitt des BEEG gehören (§ 6, § 25 Abs 2 Satz 2, § 68 Nr 15a SGB I), einen weiten Gestaltungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist grundsätzlich erst dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG seit BVerfGE 55, 72, 88; vgl jüngst BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55; BVerfGE 117, 272, 300 f). Umgekehrt verbietet Art 3 Abs 1 GG auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung als sachwidrig erscheinen lassen (vgl Jarras in Jarras/Pieroth, GG, 11. Aufl 2011, Art 3 RdNr 8 mwN).
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Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 mwN; 110, 412, 436; stRspr). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 21, 12, 26; 23, 242, 252). Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen (vgl BVerfGE 17, 319, 330; 53, 313, 329; 67, 70, 85 f; stRspr). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt insoweit seine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl BVerfGE 75, 108, 157). Das BVerfG legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlich strengen Prüfungsmaßstab an (vgl zusammenfassend BVerfGE 88, 87, 96 f; 105, 73, 110 f = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 173). So muss der Gesetzgeber im Bereich staatlicher Maßnahmen, welche die Familie betreffen, den Schutz beachten, den er dieser nach Art 6 Abs 1 GG schuldet (vgl BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55). Darüber hinaus kann im vorliegenden Zusammenhang auch das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) von Bedeutung sein.
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Der Gesetzgeber war zunächst durch das Gleichbehandlungsgebot nicht gehindert, bei der Bemessung des Elterngeldes überhaupt an das zuvor erzielte Erwerbseinkommen anzuknüpfen. Für die dadurch bedingte Ungleichbehandlung von Berechtigten, die im Bemessungszeitraum durchgängig ein volles (ungeschmälertes) Arbeitsentgelt erzielt haben, und solchen, bei denen das - wie bei der Klägerin - nicht der Fall ist, gibt es hinreichende sachliche Gründe (aa). Dabei durfte der Bemessungszeitraum grundsätzlich auf 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes beschränkt werden, was zu einer Benachteiligung von Personen führt, die nur für weiter zurückliegende Zeiträume einen lückenlosen Arbeitsentgeltbezug vorweisen können (bb). Speziell ist es gerechtfertigt, dass die Klägerin als Bezieherin von Arbeitslosengeld - unabhängig von den dafür maßgeblichen Gründen - ungünstiger behandelt wird als Berechtigte, die im Bemessungszeitraum durchgängig Arbeitsentgelt bezogen haben oder bei denen in den 12 Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes liegende Arbeitsentgeltausfälle gemäß § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums unberücksichtigt bleiben (cc). Entsprechendes gilt für die Gleichbehandlung der Klägerin mit Personen, die in der betreffenden Zeit Leistungen zur Existenzsicherung nach dem SGB II oder SGB XII erhalten haben (dd).
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aa) Durch das BEEG hat der Gesetzgeber einen Systemwechsel gegenüber dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) vorgenommen. Während das Erziehungsgeld eine von der Bedürftigkeit der antragstellenden Person abhängige Leistung (§ 4 Abs 1 BErzGG, § 5 Abs 3 BErzGG)mit pauschaler, begrenzter Höhe (nach § 5 Abs 1 BErzGG monatlich 450 bzw 300 Euro)war, ist das Elterngeld über den Basisbetrag von 300 Euro und den Basisgeschwisterbonus von 75 Euro hinaus als Leistung ausgestaltet, die das vor der Geburt liegende Erwerbseinkommen des Berechtigten bis zum Höchstbetrag von 1800 Euro (§ 2 Abs 1 BEEG) ersetzt (vgl BSG Urteile vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1, RdNr 19, und vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 55; siehe allgemein auch Pauli in Hambüchen, BEEG-EStG-BKGG Komm, § 2 BEEG RdNr 2; Jung SGb 2007, 449; Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, 2007, RdNr 31, 33). Dabei kommt den Basisbeträgen ersichtlich der Zweck einer einheitlichen Honorierung der Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu (vgl Fuchsloch/Scheiwe, aaO RdNr 43), was durch die Erhöhung um je 300 Euro bei Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG) untermauert wird. Hinsichtlich der darüber hinaus möglichen Leistungshöhe, die sich nach dem vor der Geburt des Kindes erzielten Erwerbseinkommen richtet (§ 2 Abs 1 BEEG), ergibt sich eine Ungleichbehandlung zwischen Berechtigten je nach dem Vorhandensein und der Höhe entsprechender Einkünfte. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist diese Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt (vgl dazu bereits BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 56 ff).
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aaa) Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Anknüpfen an das Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei der Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 BEEG ein legitimes Differenzierungsziel.
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Ziel des Elterngeldes ist es vor allem, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern (vgl die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, soll einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes erhalten (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Durch die Betreuung des Kindes sollen die Eltern keine allzu großen Einkommenseinbußen befürchten müssen (vgl Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des BEEG vom 30.10.2008, BT-Drucks 16/10770 S 5 f). Das Elterngeld soll insoweit die Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf stärken und richtet sich im Kern - über die Mindestförderung in Höhe von 300 Euro (§ 2 Abs 5 Satz 1 BEEG) hinaus - an Erwerbstätige, die durch die Betreuung eines Kindes einem Bruch in ihrer Erwerbsbiographie ausgesetzt sind bzw Einkommenseinbußen hinzunehmen haben (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2).
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Gemessen an den vielfältigen Zwecken, die der Gesetzgeber mit dem Elterngeld in seiner Einkommensersatzfunktion verbindet (ua Vermeidung des Aufschiebens der Kinderphase, gleichberechtigte Kindererziehung von Vätern und Müttern, Vermeidung der Abhängigkeit von staatlichen Fürsorgeleistungen, vgl BT-Drucks 16/1889 S 1 f, 14 f), ist das Differenzierungsziel insbesondere unter Berücksichtigung einer Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (vgl hierzu etwa BVerfG Beschluss vom 10.11.1998 - 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 - BVerfGE 99, 216, 234), einer Steigerung der Geburtenrate und einer (teilweisen) Kompensation des durch die Betreuung und Erziehung des Kindes ausfallenden Erwerbseinkommens legitim. Es sollten - über die für alle gleichen Basisbeträge hinaus - besondere Anreize für solche Elternteile geschaffen werden, bei denen die Kindererziehung mit Einbußen von Einkommen aus Erwerbstätigkeit verbunden ist. Spezielle verfassungsrechtliche Verbote stehen dieser Differenzierung nicht entgegen.
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(1) Ein Differenzierungsverbot ergibt sich nicht aus Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (vgl hierzu bereits Senatsurteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 62 unter Bezugnahme auf Seiler, NVwZ 2007, 129, 132), auch nicht durch eine Ungleichbehandlung von Alleinverdienerehen gegenüber Doppelverdienerehen, bei denen die Berechtigten durch die Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 und 7 BEEG regelmäßig höhere Leistungsansprüche erzielen(vgl hierzu auch Weilert, DVBl 2010, 164, 166).
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Art 6 Abs 1 GG schützt jede Ehe und Familie und garantiert zugleich eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen ist (vgl BVerfGE 21, 329, 353; vgl auch BVerfGE 61, 319, 346 f mwN; 99, 216, 231; 107, 27, 53). Der Gesetzgeber muss, wenn er dem Gebot des Art 6 Abs 1 GG gerecht werden will, Regelungen vermeiden, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen (vgl BVerfGE 66, 84, 94; 87, 234, 258 f; 107, 27, 53). In diesen Bereich fällt auch die Entscheidung darüber, ob eine Ehefrau sich ausschließlich dem Haushalt widmen oder beruflich tätig sein und eigenes Einkommen erwerben will; eine Einwirkung des Gesetzgebers dahin, die Ehefrau "ins Haus zurückzuführen", wäre deshalb auch wegen eines Verstoßes gegen Art 6 Abs 1 GG verfassungswidrig (vgl BVerfGE 6, 55, 81 f; 21, 329, 353; 107, 27, 53). Gleiches gilt, wenn der Ehemann durch eine gesetzliche Regelung in seiner Entscheidungsfreiheit hinsichtlich einer eigenen Erwerbstätigkeit beeinträchtigt wird, weil oder solange seine Ehefrau erwerbstätig ist. Der besondere verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie erstreckt sich auf die "Alleinverdienerehe" ebenso wie auf die "Doppelverdienerehe" (vgl zB BVerfGE 66, 84, 94; 87, 234, 258 f; 107, 27, 53). Diese Grundsätze gelten insbesondere für die Eingriffsverwaltung, etwa im Steuerrecht (vgl BVerfGE 107, 27, 53 ff). Im Bereich familienfördernder Leistungen verfügt der Gesetzgeber zwar grundsätzlich über einen großen Gestaltungsspielraum - Art und Maß bestimmt er in politischer Verantwortung. Wegen des Freiheitsprinzips des GG hat er jedoch auf die Vielfalt der Lebensstile Rücksicht zu nehmen; traditionelle Formen des Familienlebens muss er pflegen, neue Formen ermöglichen; hierbei genießen altbewährte Formen sozialer Gemeinschaft Vorrang vor dem Neuen, das erst noch zur Bewährung ansteht (vgl Di Fabio, NJW 2003, 993, 997).
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Nach Auffassung des Senats hat die Förderung durch das Elterngeld in seiner einkommensersetzenden Funktion nach § 2 Abs 1 und 7 BEEG nicht die Intensität, dass durch die größere Anreizwirkung für Doppelverdienerehen im Vergleich zu Alleinverdienerehen in den Schutzbereich des Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG eingegriffen wird(so auch Becker in Festschrift für Herbert Buchner, 2009, 67, 79; Seiler, NVwZ 2007, 129, 132; Weilert DVBl 2010, 164, 166). Die befristete Förderleistung berührt nicht in erheblicher Weise die Entscheidungsfreiheit von Eheleuten hinsichtlich ihrer innerfamiliären Aufgabenverteilung. Finanzielle Anreize - wie jede Form einer umfassenderen Förderung - können zwar stets eine überschießende Einflussnahme mit sich bringen. Das Elterngeld übt jedoch weder einen auch nur mittelbaren Zwang zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit aus noch nimmt es derart Einfluss auf die Rollenverteilung von Mann und Frau innerhalb der Ehe, dass von einer Eingriffsqualität gesprochen werden kann. Vielmehr bietet es vielen Eltern erst die Alternative, mit geringeren wirtschaftlichen Zwängen eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung eines Kindes zu wagen (vgl auch Becker aaO).
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(2) Ein Differenzierungsverbot lässt sich auch nicht aus Art 3 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) herleiten. Das Sozialstaatsprinzip enthält einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber (BVerfGE 50, 57, 108), für den Ausgleich sozialer Gegensätze (vgl BVerfGE 22, 180, 204) und für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen (vgl BVerfGE 59, 231, 263; 100, 271, 284). Bei der Erfüllung dieser Pflicht kommt ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 18, 257, 273; 29, 221, 235). Das Sozialstaatsprinzip führt daher im Bereich gewährender Staatstätigkeit auch in der Zusammenschau mit dem Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) regelmäßig nicht zu Beschränkungen des Gesetzgebers. Der Staat darf grundsätzlich Leistungen nicht nur deshalb gewähren, um eine dringende soziale Notlage zu steuern oder eine - mindestens moralische - Verpflichtung der Gemeinschaft zu erfüllen (wie etwa beim Lastenausgleich), sondern auch aus freier Entschließung durch finanzielle Zuwendungen ein bestimmtes Verhalten der Bürger fördern, das ihm aus wirtschafts-, sozial- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist. Es ist ihm insoweit nur verwehrt, seine Leistungen nach unsachlichen Gesichtspunkten - also "willkürlich" - zu verteilen (vgl BVerfGE 17, 210, 216; BFH Beschluss vom 22.6.2010 - II R 4/09 - juris RdNr 15).
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Mit dem Systemwechsel von der bedürftigkeitsabhängigen Förderung nach dem BErzGG zu der (erwerbs-)einkommensorientierten Unterstützungsleistung nach dem BEEG verfolgt der Gesetzgeber gewichtige familienpolitische Ziele, die zum Teil selbst das sozialstaatliche Gefüge berühren. Insbesondere würde eine Steigerung der Geburtenrate in Deutschland durch das Elterngeld in seiner Einkommensersatzfunktion maßgeblich zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme beitragen (vgl auch Weilert, DVBl 2010, 164, 171). Unter Berücksichtigung der weiteren Ziele des Gesetzgebers (ua Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gleichberechtigte Kindererziehung von Vätern und Müttern) kann hier nicht von einer unsachlichen Verteilung staatlicher Leistungen und damit von einem Verstoß gegen ein aus dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) herzuleitendes Diskriminierungsverbot ausgegangen werden, selbst wenn das Elterngeld als einkommensorientierte Unterstützungsleistung durch die höhere Förderung Besserverdienender gegenüber Geringverdienern oder Berechtigten ohne Erwerbseinkommen eine bestehende soziale Ungleichheit fortschreiben oder verfestigen könnte. Auch insoweit stellt sich das Elterngeld nicht als offensichtlich "unsozial" dar, zumal einem solchen Effekt durch die Beschränkung der Anspruchshöhe und -dauer enge Grenzen gesetzt sind.
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bbb) Der Gesetzgeber hat für die Bemessung der Elterngeldhöhe mit der Referenzgröße des Einkommens aus Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG ein zulässiges Differenzierungskriterium gewählt.
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Zur Erreichung seines Differenzierungszieles hat der Gesetzgeber das Elterngeld als progressive (durch einen Höchstbetrag) begrenzte Leistung nach Maßgabe des § 2 Abs 1 und 7 BEEG in formaler Anknüpfung an das bis zur Geburt des Kindes erzielte Erwerbseinkommen ausgestaltet(vgl BT-Drucks 16/1889 S 15). Dabei hat er im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens einem steuerrechtlichen Einkommensbegriff den Vorzug gegeben (vgl BT-Drucks 16/2454 S 8; BT-Drucks 16/2785 S 37; s dazu auch BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 3 Nr 3 RdNr 19 ff).
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Mangels vorgegebener Referenzgröße aufgrund eines versicherungstypischen Gegenseitigkeitsverhältnisses von Beiträgen und Leistungen (vgl hierzu jüngst BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - juris RdNr 36) steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, bei der gesetzlichen Ausgestaltung steuerfinanzierter Sozialleistungen, die nicht auf eigenen Beiträgen des Anspruchsberechtigten beruhen, eigenständige Regelungen zu treffen (vgl zur Arbeitslosenhilfe BVerfG Beschluss vom 26.9.2005 - 1 BvR 1773/03 - SozR 4-4300 § 434c Nr 6 RdNr 18-20; zum BErzGG BSG Urteil vom 13.5.1998 - B 14 EG 3/97 R - SozR 3-7833 § 6 Nr 16 S 93) und zur Verwirklichung der Gesetzesziele den als Referenzgröße maßgeblichen Begriff frei zu wählen. Mit der Referenzgröße des Einkommens aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG knüpft er insoweit sachbezogen an das Differenzierungsziel an, gerade Erwerbstätigen die größten Anreize zur Entscheidung für ein Kind zu bieten und höhere Unterstützungsleistungen zukommen zu lassen. Um nach seiner Auffassung die Gesetzesziele am zweckmäßigsten zu erreichen, durfte er auch den Begriff des Einkommens aus Erwerbstätigkeit nach sozial- oder steuerrechtlichen Vorgaben ausrichten, wie dies im Gesetzgebungsverfahren geschehen ist (vgl dazu BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 27). Insoweit hat der Senat bereits entschieden, dass es gemessen an dem Sinn und Zweck des Elterngeldes in seiner Funktion, einen Ausgleich für die Einkommenseinbußen durch die Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit wegen der Kinderbetreuung in dem ersten Lebensjahr des Kindes zu bieten, grundsätzlich sachgerecht ist, dass der Gesetzgeber bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit auf die Summe der positiven Einkünfte ua aus nicht selbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG verweist(vgl Urteil aaO RdNr 39). Auch das BErzGG hatte bereits im Rahmen der Ermittlung der Einkommensgrenzen (§ 5 Abs 3, § 6 Abs 1 Satz 1 BErzGG) auf "die nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs 1 und 2 EStG" abgestellt.
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ccc) Die gesetzgeberische Entscheidung, bei der Bemessung des Elterngeldes an das bisherige Erwerbseinkommen der Berechtigten anzuknüpfen, ist nicht nur frei von Willkür. Sie hält nach Auffassung des Senats auch - zunächst nur allgemein betrachtet - einer Verhältnismäßigkeitsprüfung stand.
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Zwar kann ein Indiz für einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG in einer Systemwidrigkeit, also einer Verletzung der "vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit", liegen (vgl BVerfGE 34, 103, 115 mwN; stRspr). Ein Systemwechsel, wie ihn der Gesetzgeber beim Übergang vom BErzGG zum BEEG vollzogen hat, bleibt davon jedoch grundsätzlich unberührt. Art 3 Abs 1 GG hindert den Gesetzgeber insoweit nicht, neue Wege zu beschreiten. Auch wenn das Elterngeld zu den steuerfinanzierten Sozialleistungen gehört, die sich ansonsten weitestgehend an der Bedürftigkeit der Berechtigten orientieren, ist es damit nicht Teil eines feststehenden Systems, das für eine bestimmte, durch ein gesondertes Gesetz vorgesehene Leistung keine andere Ausrichtung, hier im Sinne eines Ersatzes von entfallendem Erwerbseinkommen, zuließe.
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Das im BEEG vorgesehene Bemessungskriterium ist zur Verwirklichung des Gesetzeszwecks geeignet (vgl dazu allgemein BVerfG Beschluss vom 10.4.1997 - 2 BvL 45/92 - BVerfGE 96, 10, 23), mit dem Elterngeld einen Ausgleich für Einkommenseinbußen zu gewähren, die mit der Entscheidung für das Kind, dessen Geburt und Betreuung einhergehen. Je höher das Erwerbseinkommen vor der Geburt des Kindes ist, desto eher wird ein Elternteil zur Unterbrechung oder Einschränkung der Berufstätigkeit zwecks Kindererziehung ermutigt, wenn sich das Elterngeld an der bisherigen Einkommenshöhe orientiert.
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Auch die Erforderlichkeit dieses Bemessungskriteriums ist zu bejahen, da keine gleichermaßen geeigneten Alternativen ersichtlich sind, um das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel zu erreichen. Insbesondere wäre eine stärkere Förderung von Personen, die in der Zeit vor der Geburt des Kindes kein oder nur ein geringes Erwerbseinkommen erzielt haben, ohne zusätzliche finanzielle Mittel nicht möglich gewesen.
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Schließlich ist es auch als angemessen anzusehen, dass für die Höhe des Elterngeldes - soweit es die Basisbeträge übersteigt - das zuvor erzielte Erwerbseinkommen maßgebend ist. Die sich dabei ergebenden Ungleichbehandlungen sind Folge des zulässigen Gesetzeszwecks. Sie spiegeln die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse vor der Geburt des Kindes und damit die mit der Entscheidung für die Kindererziehung verbundenen Einbußen bei den Einkünften aus der bisherigen Erwerbstätigkeit wider.
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bb) Gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG bemisst sich das Elterngeld nach dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit, das von dem Berechtigten in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielt worden ist. Bei Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit wird von diesem Zeitraum - soweit es den vorliegenden Fall betrifft - nur in den engen Grenzen des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG(der mit Wirkung vom 24.1.2009 angefügte Satz 7 ist hier weder anwendbar noch seinem Inhalt nach einschlägig) abgewichen. Personen, die diese Ausnahmetatbestände nicht erfüllen, können mithin, soweit sie im Bemessungszeitraum - zeitweise wie die Klägerin - kein oder nur ein gekürztes Arbeitsentgelt bezogen haben, nicht auf weiter in der Vergangenheit zurückliegende Kalendermonate mit (höherem) Erwerbseinkommen zurückgreifen. Diese Benachteiligung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl dazu BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 53 ff).
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aaa) Mit der grundsätzlichen Beschränkung des Bemessungszeitraums auf die 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes verfolgt der Gesetzgeber ein zulässiges Differenzierungsziel. Er möchte den vorgesehenen Einkommensersatz auf die aktuellen Verhältnisse vor der Geburt ausrichten (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20) und damit - ersichtlich - eine größtmögliche Anreizwirkung in Richtung auf eine Entscheidung für eine Einschränkung der Erwerbstätigkeit zu Gunsten des Kindes und dessen Betreuung erzielen. Dieser Ausrichtung des Elterngeldes steht insbesondere kein verfassungsrechtliches Verbot aus Art 6 Abs 1 GG entgegen.
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Zwar mag es zutreffen, dass durch einen auf die 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes begrenzten Bemessungszeitraum die Entscheidungsfreiheit der Ehegatten betreffend die Aufgabenverteilung in der Ehe mittelbar etwas stärker beeinflusst werden kann als bei einem weiter gefassten Bemessungszeitraum. Darin liegt jedoch noch kein relevanter Eingriff in den Schutzbereich des Art 6 Abs 1 GG. Das Gesetz legt nur die tatsächlichen Erwerbsverhältnisse der Ehegatten in dem Jahr vor der Geburt des Kindes zugrunde. Weiter zurückliegende Entscheidungen betreffend die Aufgabenverteilung in der Ehe muss er im Rahmen der Elterngeldbemessung ebenso wenig berücksichtigen wie zukünftige Pläne der Ehegatten hinsichtlich der jeweiligen Erwerbstätigkeit.
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bbb) Der 12-monatige Bemessungszeitraum stellt auch ein zulässiges Differenzierungskriterium dar. Verfassungsrechtliche Verbote sind insoweit nicht ersichtlich. Die einschlägigen Regelungen des BEEG erscheinen dem erkennenden Senat in Ansehung des gesetzgeberischen Zieles auch als verhältnismäßig.
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Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass ein grundsätzlich auf 12 Kalendermonate begrenzter Bemessungszeitraum die Einkommensverhältnisse der Berechtigten vor der Geburt des Kindes am besten abbildet (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20). Wie bei anderen kurzfristigen Entgeltersatzleistungen (vgl § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB IV) ist Grundlage der Berechnung der Elterngeldhöhe nach § 2 Abs 1 und 7 bis 9 BEEG die sog Bezugs- und Referenzmethode(vgl hierzu auch Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 5 juris RdNr 35; bereits BSG Urteil vom 22.6.1966 - 3 RK 105/63 - BSGE 25, 69, 70 = SozR Nr 7 zu § 13 MuSchG; BSG Urteil vom 22.2.1972 - 3 RK 85/69 - BSGE 34, 79 = SozR Nr 4 zu § 200 RVO und jüngst BSG Urteil vom 30.5.2006 - B 1 KR 19/05 R - BSGE 96, 246 = SozR 4-2500 § 47 Nr 4, RdNr 21 ff), nach der unter Bezugnahme auf den wirtschaftlichen Dauerzustand eines gerade vergangenen Zeitraums auf ein Durchschnittseinkommen geschlossen wird, das den individuellen Lebensstandard prägt. Dabei hat der Gesetzgeber - auch in Ansehung des befristeten Bezugszeitraums des Elterngeldes von bis zu 14 Monaten (vgl § 4 Abs 1 Satz 1 BEEG; zur Möglichkeit einer Verlängerung auf maximal 28 Monate durch Halbierung des Auszahlungsbetrages vgl § 6 Satz 2 BEEG) - einen geeigneten Bemessungszeitraum von 12 Kalendermonaten vor der Geburt gewählt (vgl § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG). Das Ende des Bemessungszeitraums knüpft damit an das ausgleichsberechtigende Ereignis an und trägt dem Erfordernis Rechnung, den voraussichtlichen betreuungsbedingten Einkommensausfall des Elternteils einfach und nachvollziehbar zu bestimmen (vgl auch BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 5 RdNr 35).
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Die Ausgestaltung des Bemessungszeitraums erscheint auch als erforderliches Mittel zur Erreichung des Gesetzeszwecks. Andere Lösungen hätten entweder mehr finanzielle Mittel bzw einen größeren Verwaltungsaufwand beansprucht oder das verfolgte Ziel wäre verfehlt worden. Insbesondere hätte eine Berücksichtigung weit zurückliegender Erwerbsverhältnisse des Berechtigten die beabsichtigte Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes vernachlässigt.
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Schließlich erachtet der Senat die einschlägige gesetzliche Regelung, soweit es den grundsätzlichen Bemessungszeitraum anbelangt, auch nicht als unangemessen. Die durch die zeitliche Begrenzung des Bemessungszeitraums verursachte Ungleichbehandlung zwischen berechtigten Personen ist sachlich gerechtfertigt. Die voneinander abweichenden Einkommensverhältnisse der Betroffenen im Zeitraum unmittelbar vor der Geburt des Kindes legen in Ansehung der Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes eine entsprechend differenzierte Behandlung nahe.
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cc) Da das Arbeitslosengeld gemäß § 2 Abs 1 und 7 Satz 1 bis 4 BEEG iVm dem Einkommenssteuerrecht nicht als Arbeitsentgelt anzusehen ist, wird die Klägerin bei der Bemessung des Elterngeldes ungünstiger behandelt als Berechtigte, die während des Bemessungszeitraums kein Arbeitslosengeld, sondern ungekürztes Arbeitsentgelt bezogen haben. Darüber hinaus bleiben die Kalendermonate mit Arbeitslosengeldbezug bei der Bestimmung der für die Bemessung des Elterngeldes maßgebenden 12 Kalendermonate auch nicht unberücksichtigt, so dass bei der Klägerin, anders als bei Berechtigten, die die Voraussetzungen des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG erfüllen, nicht auf weiter zurückliegende Kalendermonate zurückgegriffen werden kann, in denen sie wahrscheinlich ein Arbeitsentgelt vorweisen kann. Die darin liegende Benachteiligung verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.
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aaa) Der Gesetzgeber war im Rahmen seiner zulässigen Zielsetzung, einen Ausgleich für den durch Kinderbetreuung verursachten Ausfall von Erwerbseinkommen zu schaffen, von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, bei der Bemessung des Elterngeldes den Bezug von Arbeitslosengeld der Erzielung von Arbeitsentgelt gleichzustellen. Das Arbeitslosengeld unterscheidet sich vom Arbeitsentgelt dadurch, dass es gerade ausgefallenes Arbeitsentgelt ersetzen soll. Der Ausschluss von Arbeitslosengeld (und anderer Lohnersatzleistungen) bei der Leistungsbemessung stellt insoweit ein geeignetes Mittel zur Erreichung des Gesetzeszwecks dar. Diese gesetzliche Maßnahme ist auch als erforderlich anzusehen, weil gleichermaßen geeignete Alternativen nicht erkennbar sind. Eine Einbeziehung von Lohnersatzleistungen in die Bemessung des Elterngeldes würde einen höheren finanziellen Aufwand erfordern. Auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist die Nichtberücksichtigung von Arbeitslosengeld bei den für die Leistungshöhe maßgebenden Einkünften als gerechtfertigt anzusehen.
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Das Elterngeld ist eine familienpolitische Förderleistung eigener Art, mit der - im Gegensatz zu "regulären" kurzfristigen Entgeltersatzleistungen zur Aufrechterhaltung des individuellen Lebensstandards in sozialen Notlagen - vielfältige Ziele verfolgt werden (wegen der "Vermengung" der gesetzgeberischen Zielrichtungen krit Seiler NVwZ 2007, 129, 133). Sicher soll sie auch der Stagnation der Geburtenzahlen in Deutschland entgegenwirken und deswegen Erwerbstätigen einen wirtschaftlichen Anreiz bieten, sich trotz der finanziellen Einbußen, die mit einer Einschränkung der beruflichen Arbeit zwecks Kindererziehung verbunden sind, für ein Kind zu entscheiden. Um dieses Ziel zu erreichen, stellt der Staat eine einkommensorientierte Zuwendung in Aussicht, mit der diejenigen Einbußen an Erwerbseinkommen ganz oder teilweise kompensiert werden sollen, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dem ausgleichsberechtigenden Ereignis - der Geburt des Kindes - stehen. Realisiert sich in der Zeit vor der Geburt des Kindes bereits ein anderes Erwerbsrisiko (Wirtschafts- oder Arbeitsmarktlage, Streik, Krankheit etc), so sind die damit einhergehenden Einkommensausfälle grundsätzlich nicht vom Sinn und Zweck der Zuwendung umfasst (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20). Trotz dieser Einschränkung stellt das Elterngeld in seiner einkommensersetzenden Funktion eine (verhaltenssteuernde) Subvention zur Förderung der Kindererziehung dar. Zugleich verfolgt der Gesetzgeber mit dem derart ausgestalteten Elterngeld weitergehende Ziele, ua die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der gleichberechtigten Kindererziehung von Mann und Frau, der Gewährung eines finanziellen Schonraums für junge Familien bei einer betreuungsbedingten Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit der Elternteile und eine Kompensation der Betreuungskosten für das Kind (BT-Drucks 16/1889 S 1 f, 14 f).
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Die Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes unterscheidet sich allerdings wesentlich von kurzfristigen Entgeltersatzleistungen iS des § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB IV, die bei einem schutzwürdigen Wegfall des Arbeitsentgelts (infolge Unfalls, Krankheit, Arbeitslosigkeit etc) den individuellen Lebensstandard des Betroffenen für einen vorübergehenden Zeitraum erhalten sollen. Das den Ausgleich nach dem BEEG begründende Ereignis (Geburt eines Kindes und die erforderliche Betreuung) ist kein Schicksalsschlag, mit dem zwingend der Ausfall von Erwerbseinkommen einhergeht. Aus diesem Grund ist das Elterngeld im Bezugszeitraum auch als subsidiäre Unterstützungsleistung ausgestaltet, auf die gleichzeitig bezogene einkommensersetzende Leistungen angerechnet werden (vgl § 3 Abs 2 Satz 1 BEEG). Gleichwohl ist das Elterngeld in seiner Einkommensersatzfunktion eine Ausgleichsleistung; es verbindet die Leistungsgewährung nicht mit der Verwirklichung eines bestimmten Erwerbsrisikos, sondern mit einer typischen - aber hinsichtlich individueller Einkommenseinbußen unterschiedlich ausgeprägten - allgemeinen Bedarfslage (vgl Becker in Festschrift für Herbert Buchner, 2009, 67, 77, 78). Die als Anreiz zur Entscheidung für ein Kind gedachte Förderleistung Elterngeld knüpft in ihrer einkommensersetzenden Funktion insoweit allein an das Einkommen aus Erwerbstätigkeit an, das die vorgeburtliche Lebenssituation geprägt hat. Trotz der genannten Unterschiede folgt der Gesetzgeber damit zugleich in gewisser Weise auch der kurzfristigen Entgeltersatzleistungen im Allgemeinen zugrunde liegenden Regel, dass jeder seinen Bedarf (und evtl denjenigen seiner Angehörigen) durch eigene Erwerbstätigkeit zu decken hat und dem Berechtigten bei einem Einkommensausfall aus besonderen Gründen die Erhaltung seines individuellen Einkommensstandards ermöglicht wird (vgl Buchner/Becker, MuSchG - BEEG, 8. Aufl 2008, § 2 BEEG RdNr 8).
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Selbst bei kurzfristigen Entgeltersatzleistungen wird von der Referenzgröße des Einkommens aus Erwerbstätigkeit (bzw des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts oder -einkommens iS der §§ 14 f SGB IV) nur in Ausnahmefällen abgewichen. So erhalten Bezieher von Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld bei Krankheit unter bestimmten Voraussetzungen Krankengeld nach § 47b SGB V, Verletztengeld nach § 47 Abs 2 Satz 1 SGB VII oder Versorgungskrankengeld nach § 16b Abs 5 Buchst c Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sinn und Zweck dieser Leistungen ist der Ersatz für eine entgehende Sozialleistung (vgl zu § 47b SGB V: BSG Urteil vom 7.12.2004 - B 1 KR 5/03 R - BSGE 94, 19 = SozR 4-2500 § 44 Nr 3, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.9.2002 - B 1 KR 11/02 R - BSGE 90, 72, 77 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 34 f; BSG Urteil vom 2.11.2007 - B 1 KR 38/06 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 18). Diese Zielrichtung wird vom Elterngeld ersichtlich nicht verfolgt (ebenso LSG Schleswig-Holstein Urteil vom 22.2.2010 - L 1 EG 6/08 - juris RdNr 32; ähnlich LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 30.1.2009 - L 13 EG 48/08 - juris RdNr 3).
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Nicht nur wegen der besonderen familienpolitischen Zielsetzung des Elterngeldes, sondern auch wegen des weit gefassten Kreises der Berechtigten ist es als sachgerecht anzusehen, dass der Gesetzgeber die Leistungsbemessung eng an die vorangegangene Erzielung von Erwerbseinkommen angeknüpft und dabei Entgeltersatzleistungen wie das Arbeitslosengeld unberücksichtigt gelassen hat. Anderenfalls wäre es insbesondere im Vergleich zu Berechtigten mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit zu problematischen Ungleichbehandlungen gekommen. Denn diese Personenkreise haben regelmäßig keinen Zugang zu entsprechenden Ersatzleistungen.
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bbb) Der Gesetzgeber des BEEG musste im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG auch keine Ausgleichsmöglichkeit für Berechtigte vorsehen, die in den letzten 12 Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes Arbeitsentgeltausfälle wegen Arbeitslosigkeit hatten. Insbesondere war er nicht gehalten, diesen Personenkreis mit solchen Berechtigten gleichzustellen, die iS von § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG Elterngeld für ein älteres Kind bzw Mutterschaftsgeld bezogen oder wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommenseinbußen erlitten haben.
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Allerdings werden bei kurzfristigen Entgeltersatzleistungen iS des § 18a Abs 3 Satz 1 SGB IV zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse Zeiten, die aus besonderen Gründen während des Bemessungszeitraums ohne repräsentatives Erwerbseinkommen sind, nicht in die Bemessung der Leistungshöhe einbezogen. Dies gilt zum einen für Entgeltersatzleistungen, die bei einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis das entgehende Gehalt kompensieren sollen, in Fällen von "Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis" (vgl etwa § 11 Abs 1 Satz 3 BUrlG; § 11 Abs 2 Satz 2 MuSchG; § 200 Abs 2 Satz 3 RVO; § 14 Abs 1 Satz 4 MuSchG) und zum anderen unter bestimmten Voraussetzungen (vgl § 130 Abs 2 SGB III; siehe dazu BT-Drucks 15/1515 S 85) auch für das Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (§ 117 Abs 1 Nr 1 SGB III). Diese mitunter sehr differenzierten Regelungen verwirklichen das die Sozialversicherung prägende Versicherungsprinzip (vgl hierzu BVerfGE 59, 36, 49 ff; 63, 152, 171), nach dem im Grundsatz eine Äquivalenz von Beitrag und Leistung bestehen muss.
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Demgegenüber sieht das BEEG eine Privilegierung von Einkommensausfall nur in Ausnahmefällen für Sachverhalte vor, die - nach der hier maßgeblichen Rechtslage - in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Förderzweck des Elterngeldes stehen (vgl § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG in der hier maßgeblichen Fassung vom 5.12.2006); Einkommensminderungen oder -ausfälle aufgrund allgemeiner Erwerbsrisiken (zB Arbeitslosigkeit, Streik, Krankheit etc) werden grundsätzlich nicht bei der Bemessung der Leistungshöhe berücksichtigt. Einer solchen Ausgestaltung steht Art 3 Abs 1 GG nicht entgegen, zumal der Gesetzgeber bei der Gewährung steuerfinanzierter Leistungen nicht an das versicherungstypische Gegenseitigkeitsverhältnis von Beiträgen und Leistungen (vgl jüngst zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - juris RdNr 36) gebunden ist.
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Durch die eng begrenzten Ausnahmefälle in § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG hat der Gesetzgeber eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Risikoverteilung vorgenommen. Einkommenseinbußen aus Gründen, die nicht direkt mit dem Zweck des Elterngeldes zusammenhängen, werden dem Risikobereich des Berechtigten zugeordnet. Zwar verzichtet der Gesetzgeber damit auf einen - möglicherweise wünschenswerten (vgl dazu Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes eV vom 1.9.2008, Ausschuss-Drucks 16(13)371c NEU zu BT-Drucks 16/9415) - sozialen Ausgleich, er orientiert sich jedoch in noch sachgerechter Weise an dem von ihm verfolgten Ziel eines (teilweisen) Ersatzes von Erwerbseinkommen, das durch die erfolgende Kindesbetreuung entfällt. Die Behebung sozialer Notlagen hat er insoweit anderen sozialen Sicherungssystemen überlassen (vgl Buchner/Becker, MuSchG-BEEG, 8. Aufl 2008, § 2 BEEG RdNr 8). Dementsprechend brauchte der Gesetzgeber auch Fälle einer "familienbedingten" Arbeitslosigkeit, wie sie die Klägerin geltend macht, nicht in die Regelung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG einzubeziehen.
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ccc) Ein gewichtiger sachlicher Grund für die Ausgestaltung der Bemessungsmethode nach § 2 Abs 1 und 7 BEEG liegt auch in der Praktikabilität bei der Leistungsgewährung(vgl hierzu allg Heun in Dreier, GG, 2. Aufl 2004, Art 3 RdNr 33). So muss im Bemessungszeitraum nicht nach einem bestehenden, unterbrochenen oder beendetem Beschäftigungsverhältnis oder nach dem Grund der Einkommenseinbußen aus Erwerbstätigkeit unterschieden werden. Die hiermit sonst verbundenen Schwierigkeiten lassen sich zB an dem sehr differenziert ausgestalteten Bemessungsrecht beim Arbeitslosengeld (vgl §§ 129 ff SGB III) unschwer erkennen.
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Bei dem grundlegenden Systemwechsel ist dem Gesetzgeber zudem zur sachgerechten Überleitung des alten in den neuen Rechtszustand ein angemessener Zeitraum zu gewähren, in dem er nach Überprüfung der erzielten Ergebnisse auf Unstimmigkeiten im Einzelfall reagieren kann (vgl BVerfG Urteil vom 13.6.1979 - 1 BvL 27/76 - BVerfGE 51, 257, 268; BVerfGE 49, 192, 210). Ob der Gesetzgeber durch die Anfügung des Satzes 7 an § 2 Abs 7 BEEG zum 24.1.2009 (vgl Art 1 Nr 1 Buchst a Erstes Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, BGBl I 61) einen sachgerechten Schritt getan hat, kann hier offenbleiben.
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dd) Die Gleichbehandlung der Klägerin mit Personen, die in dem Bemessungszeitraum an Stelle von Arbeitslosengeld Existenz sichernde Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bezogen haben, bei der Bemessung des Elterngeldes verstößt ebenfalls nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Beide Vergleichsgruppen haben nach dem gesetzlichen Differenzierungskriterium insoweit kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 BEEG erzielt. Sie werden demnach in dieser Beziehung sachgerechterweise gleich behandelt. Da das Elterngeld keine beitragsfinanzierte Leistung der Sozialversicherung ist, brauchte der Gesetzgeber Personen, die im Bemessungszeitraum beitragsfinanzierte Entgeltersatzleistungen bezogen haben, nicht besser zu stellen als Bezieher von steuerfinanzierten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder der Sozialhilfe.
(1) Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1 800 Euro monatlich für volle Lebensmonate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus
- 1.
nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Einkommensteuergesetzes sowie - 2.
Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes,
(2) In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1 000 Euro war, erhöht sich der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent. In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1 200 Euro war, sinkt der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent.
(3) Für Lebensmonate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das durchschnittlich geringer ist als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, wird Elterngeld in Höhe des nach Absatz 1 oder 2 maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt ist dabei höchstens der Betrag von 2 770 Euro anzusetzen. Der Unterschiedsbetrag nach Satz 1 ist für das Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Lebensmonaten, in denen die berechtigte Person Basiselterngeld in Anspruch nimmt, und in Lebensmonaten, in denen sie Elterngeld Plus im Sinne des § 4a Absatz 2 in Anspruch nimmt, getrennt zu berechnen.
(4) Elterngeld wird mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt. Dies gilt auch, wenn die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat.
(1) Werden unverantwortbare Gefährdungen im Sinne von § 9, § 11 oder § 12 festgestellt, hat der Arbeitgeber für jede Tätigkeit einer schwangeren oder stillenden Frau Schutzmaßnahmen in folgender Rangfolge zu treffen:
- 1.
Der Arbeitgeber hat die Arbeitsbedingungen für die schwangere oder stillende Frau durch Schutzmaßnahmen nach Maßgabe des § 9 Absatz 2 umzugestalten. - 2.
Kann der Arbeitgeber unverantwortbare Gefährdungen für die schwangere oder stillende Frau nicht durch die Umgestaltung der Arbeitsbedingungen nach Nummer 1 ausschließen oder ist eine Umgestaltung wegen des nachweislich unverhältnismäßigen Aufwandes nicht zumutbar, hat der Arbeitgeber die Frau an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz einzusetzen, wenn er einen solchen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen kann und dieser Arbeitsplatz der schwangeren oder stillenden Frau zumutbar ist. - 3.
Kann der Arbeitgeber unverantwortbare Gefährdungen für die schwangere oder stillende Frau weder durch Schutzmaßnahmen nach Nummer 1 noch durch einen Arbeitsplatzwechsel nach Nummer 2 ausschließen, darf er die schwangere oder stillende Frau nicht weiter beschäftigen.
(2) Der Auftraggeber oder Zwischenmeister darf keine Heimarbeit an schwangere oder stillende Frauen ausgeben, wenn unverantwortbare Gefährdungen nicht durch Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 Nummer 1 ausgeschlossen werden können.
(1) Bei Renten wegen Todes sind als Einkommen zu berücksichtigen
- 1.
Erwerbseinkommen, - 2.
Leistungen, die erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen), - 3.
Vermögenseinkommen, - 4.
Elterngeld und - 5.
Aufstockungsbeträge und Zuschläge nach § 3 Nummer 28 des Einkommensteuergesetzes.
- 1.
Arbeitsentgelt, das eine Pflegeperson von dem Pflegebedürftigen erhält, wenn das Entgelt das dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld nach § 37 des Elften Buches nicht übersteigt, - 2.
Einnahmen aus Altersvorsorgeverträgen, soweit sie nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes gefördert worden sind, - 3.
Renten nach § 3 Nummer 8a des Einkommensteuergesetzes und - 4.
Arbeitsentgelt, das ein behinderter Mensch von einem Träger einer in § 1 Satz 1 Nummer 2 des Sechsten Buches genannten Einrichtung erhält.
(2) Erwerbseinkommen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 sind Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbares Einkommen.
(2a) Arbeitseinkommen im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 ist die positive Summe der Gewinne oder Verluste aus folgenden Arbeitseinkommensarten:
- 1.
Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne der §§ 13, 13a und 14 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 15 Absatz 2, - 2.
Gewinne aus Gewerbebetrieb im Sinne der §§ 15, 16 und 17 des Einkommensteuergesetzes und - 3.
Gewinne aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 des Einkommensteuergesetzes.
(3) Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 sind
- 1.
das Krankengeld, das Verletztengeld, das Versorgungskrankengeld, das Mutterschaftsgeld, das Übergangsgeld, das Pflegeunterstützungsgeld, das Kurzarbeitergeld, das Arbeitslosengeld, das Insolvenzgeld, das Krankentagegeld und vergleichbare Leistungen, - 2.
Renten der Rentenversicherung wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit, die Erziehungsrente, die Knappschaftsausgleichsleistung, das Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus, das Anpassungsgeld an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Braunkohlentagebaus und der Stein- und Braunkohleanlagen und Leistungen nach den §§ 27 und 28 des Sozialversicherungs-Angleichungsgesetzes Saar, - 3.
Altersrenten und Renten wegen Erwerbsminderung der Alterssicherung der Landwirte, die an ehemalige Landwirte oder mitarbeitende Familienangehörige gezahlt werden, - 4.
die Verletztenrente der Unfallversicherung, soweit sie die Beträge nach § 93 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a in Verbindung mit Absatz 2a und 2b des Sechsten Buches übersteigt; eine Kürzung oder ein Wegfall der Verletztenrente wegen Anstaltspflege oder Aufnahme in ein Alters- oder Pflegeheim bleibt unberücksichtigt, - 5.
das Ruhegehalt und vergleichbare Bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis oder aus einem versicherungsfreien Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen, Altersgeld oder vergleichbare Alterssicherungsleistungen sowie vergleichbare Bezüge aus der Versorgung der Abgeordneten, Leistungen nach dem Bundesversorgungsteilungsgesetz und vergleichbare Leistungen nach entsprechenden länderrechtlichen Regelungen, - 6.
das Unfallruhegehalt und vergleichbare Bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis oder aus einem versicherungsfreien Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen sowie vergleichbare Bezüge aus der Versorgung der Abgeordneten; wird daneben kein Unfallausgleich gezahlt, gilt Nummer 4 letzter Teilsatz entsprechend, - 7.
Renten der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen bestimmter Berufsgruppen wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder Alters, - 8.
der Berufsschadensausgleich nach § 30 Absatz 3 bis 11 des Bundesversorgungsgesetzes und anderen Gesetzen, die die entsprechende Anwendung der Leistungsvorschriften des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, - 9.
Renten wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit, die aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses zugesagt worden sind sowie Leistungen aus der Versorgungsausgleichskasse, - 10.
Renten wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit aus privaten Lebens- und Rentenversicherungen, allgemeinen Unfallversicherungen sowie sonstige private Versorgungsrenten.
(4) Vermögenseinkommen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist die positive Summe der positiven oder negativen Überschüsse, Gewinne oder Verluste aus folgenden Vermögenseinkommensarten:
- 1.
- a)
Einnahmen aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 des Einkommensteuergesetzes; Einnahmen im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 6 des Einkommensteuergesetzes in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung sind auch bei einer nur teilweisen Steuerpflicht jeweils die vollen Unterschiedsbeträge zwischen den Versicherungsleistungen einerseits und den auf sie entrichteten Beiträgen oder den Anschaffungskosten bei entgeltlichem Erwerb des Anspruchs auf die Versicherungsleistung andererseits, - b)
Einnahmen aus Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc und dd des Einkommensteuergesetzes in der am 1. Januar 2004 geltenden Fassung, wenn die Laufzeit dieser Versicherungen vor dem 1. Januar 2005 begonnen hat und ein Versicherungsbeitrag bis zum 31. Dezember 2004 entrichtet wurde, es sei denn, sie werden wegen Todes geleistet; zu den Einnahmen gehören außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu diesen Versicherungen enthalten sind, im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 6 des Einkommensteuergesetzes in der am 21. September 2002 geltenden Fassung.
- 2.
Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 des Einkommensteuergesetzes nach Abzug der Werbungskosten und - 3.
Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie mindestens 600 Euro im Kalenderjahr betragen.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 31. August 2009 geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
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Der Beklagte hat der Klägerin drei Fünftel der außergerichtlichen Kosten für den ersten Rechtszug zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
- 1
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Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes der Klägerin, insbesondere über die Berücksichtigung von Zeiten des Bezugs von Streikgeld bei der Leistungsbemessung.
- 2
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Die Klägerin ist Angestellte im öffentlichen Dienst. Ihr Monatsgehalt betrug im Jahre 2006 regelmäßig 2381,13 Euro. Aufgrund einer Teilnahme der Klägerin an gewerkschaftlich organisierten Streikaktionen kürzte der Arbeitgeber deren Arbeitsentgelt in den Monaten März bis Juni 2006 um insgesamt 2323,37 Euro. Die Klägerin erhielt während dieser Zeit Streikgeld in Höhe von 1945,60 Euro. Für die Zeit ab Oktober 2006 führte sie einen Lohnsteuerklassenwechsel von V auf III durch.
- 3
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Nach der Geburt ihrer Tochter F. am 6.2.2007 beantragte die Klägerin bei dem beklagten Landkreis die Gewährung von Elterngeld. Mit Bescheid vom 24.8.2007 bewilligte ihr dieser für den Zeitraum vom 6.2.2007 bis 5.2.2008 vorläufig Elterngeld in Höhe von monatlich 699,82 Euro unter Berücksichtigung eines in der Zeit von Dezember 2005 bis November 2006 durchschnittlich erzielten Monatseinkommens in Höhe von 1044,51 Euro. Wegen der Anrechnung von Mutterschaftsgeld betrug der Auszahlungsbetrag im ersten Monat (6.2. bis 5.3.2007) 0,00 Euro und im zweiten (6.3. bis 5.4.2007) 45,14 Euro. Bei dieser Bewilligung wurde weder der Lohnsteuerklassenwechsel noch das erhaltene Streikgeld zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt.
- 4
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Während des anschließenden Vorverfahrens korrigierte der Beklagte mit Bescheid vom 15.1.2008 die Leistungsbewilligung auf monatlich 695,54 Euro und forderte von der Klägerin 43,06 Euro zurück. Das zugrundeliegende monatliche Durchschnittseinkommen verringerte sich auf 1038,12 Euro. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin ebenfalls Widerspruch. Beide Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.1.2009 als unbegründet zurück.
- 5
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Dagegen hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Stade Klage erhoben. Sodann hat der Beklagte im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Beachtlichkeit eines Lohnsteuerklassenwechsels bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage für das Elterngeld (Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 3/08 R - BSGE 103, 284 = SozR 4-7837 § 2 Nr 1) der Klägerin durch "Teil-Abhilfebescheid" vom 14.7.2009 Elterngeld in Höhe von monatlich 768,99 Euro bewilligt. Dieser Entscheidung liegt ein monatliches Durchschnittseinkommen von 1 147,74 Euro zugrunde. Nunmehr hat die Klägerin ihr Begehren darauf gerichtet, den Beklagten zu verurteilen, bei der Berechnung des Elterngeldes auch für die Monate März bis Juni 2006 das ungekürzte Arbeitsentgelt in Höhe von jeweils 2381,13 Euro brutto, hilfsweise neben dem gekürzten Arbeitsentgelt zusätzlich das für diesen Zeitraum in Höhe von 1945,60 Euro gezahlte Streikgeld, zugrunde zu legen und entsprechend höheres Elterngeld zu bewilligen.
- 6
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Durch Urteil vom 31.8.2009 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 24.8.2007 und vom 15.1.2008 sowie des Widerspruchsbescheids vom 19.1.2009 und des Bescheids vom 14.7.2009 verpflichtet, der Klägerin auf den Antrag vom 7.5.2007 Elterngeld in gesetzlicher Höhe mit der Maßgabe zu gewähren, das von der Klägerin im Bemessungszeitraum bezogene Streikgeld als Einkommen bei der Ermittlung des maßgeblichen Durchschnittseinkommens zu berücksichtigen. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden.
- 7
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Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG unter Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Beurteilung von Streikgeldern als einkommensteuerpflichtiges Einkommen ua ausgeführt: Das Streikgeld sei nach Sinn und Zweck des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) als Entschädigung iS des § 24 Nr 1 Buchst a Einkommensteuergesetz (EStG) anzusehen und bei der Bemessung des Elterngeldes als Einkommen iS des § 2 Abs 1 BEEG zu berücksichtigen. Anderenfalls drohe ein sachlich nicht gerechtfertigter Eingriff in die grundrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit iS des Art 9 Abs 3 GG, da die Klägerin dann über den bei einer Streikmaßnahme hinzunehmenden Lohnausfall hinaus mit einem verringerten Elterngeld rechnen müsste, wenn der Streik in den für die Leistungsbemessung maßgeblichen Zeitraum falle; damit sei sie faktisch in der Ausübung ihres Streikrechts eingeschränkt. Weiterhin sei eine sachliche Rechtfertigung für einen möglichen Eingriff in den Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG nicht erkennbar, soweit die Klägerin einen Verstoß gegen ihre Teilnahmeverpflichtung am kollektiven Arbeitskampf angesichts der zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile bei der Elterngeldhöhe unter Umständen nur durch einen Austritt aus der Gewerkschaft verhindern könne.
- 8
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Schließlich drohe eine Verletzung des Gleichheitssatzes aus Art 3 Abs 1 GG, wenn das Streikgeld bei der Bemessung des Elterngeldes nicht berücksichtigt würde: zum einen durch eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber der Vergleichsgruppe der nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers, die ebenfalls innerhalb von zwölf Monaten nach den Streikmaßnahmen Elterngeld beantragten und bei denen an Stelle des Streikgeldes der erhaltene Arbeitslohn berücksichtigt werde; zum anderen wäre die Klägerin als weibliches Gewerkschaftsmitglied gegenüber männlichen Gewerkschaftsmitgliedern benachteiligt, da statistisch zum überwiegenden Teil Frauen Elterngeld in Anspruch nähmen und diese die Folgen eines Streiks wesentlich härter träfen als männliche Gewerkschaftsmitglieder.
- 9
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Soweit die Klägerin eine Berücksichtigung des Einkommens begehre, das sie ohne Streikmaßnahmen normalerweise in dem Zeitraum von März bis Juni 2006 erhalten hätte, könne sie damit nicht durchdringen, weil bei der Bemessung des Elterngeldes nur positive Einkünfte iS des § 2 Abs 1 EStG maßgeblich seien und ein fiktives Einkommen steuerrechtlich nicht relevant sein könne.
- 10
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Gegen dieses Urteil haben beide Beteiligten - mit Zustimmung des jeweiligen Gegners - die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Die Klägerin hat ihre Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat wieder zurückgenommen.
- 11
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Der Beklagte macht insbesondere geltend: Streikgeld sei nach der Rechtsprechung des 10. Senats des BFH nicht als einkommensteuerpflichtige Entschädigung iS des § 24 Nr 1 Buchst a EStG anzusehen und damit bei der Bemessung des Elterngeldes nach § 2 Abs 1 und 7 BEEG nicht zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des SG sei zur Sicherstellung von Verwaltungspraktikabilität und Rechtssicherheit allein an den steuerrechtlichen Begriff der Einkünfte anzuknüpfen, ohne dass eine eigenständige sozialrechtliche Beurteilung ausschlaggebend sei. Im Übrigen könnten die verfassungsrechtlichen Bedenken des SG nicht geteilt werden, da bei einer Teilnahme an einem Streik ohnehin sozialrechtliche Nachteile - zB durch verringerte Sozialversicherungsbeiträge - entstünden, die sich auf die Höhe späterer Renten- oder Arbeitslosengeldansprüche auswirken bzw den Wegfall des Unfallversicherungsschutzes bewirken könnten. Zudem wirke sich die Nichtberücksichtigung von Streikgeld bei der Bemessung des befristeten Elterngeldes eher gering aus.
- 12
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 31. August 2009 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
- 13
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Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
- 14
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Sie ist der Auffassung: Das ihr während der Streikmaßnahmen gezahlte Streikgeld sei - gemäß § 2 Abs 1 und 7 BEEG - als Erwerbseinkommen zu berücksichtigen, um einen staatlichen Eingriff in den Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG iVm Art 3 Abs 1 GG zu vermeiden. Insoweit komme im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 2 Abs 7 Satz 5 bis 7 BEEG auch eine Verschiebung des Bemessungszeitraums um die von streikbedingten Entgeltkürzungen betroffenen Monate in die Vergangenheit in Betracht.
Entscheidungsgründe
- 15
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Die Revision des Beklagten ist zulässig und begründet.
- 16
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1. Die Anfechtungsklage der Klägerin (§ 54 Abs 1 SGG) richtet sich nur noch gegen den Bescheid des Beklagten vom 14.7.2009, der die vorangegangenen Verwaltungsentscheidungen (Bescheide vom 24.8.2007 und 15.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.1.2009) durch eine vollständige Neuberechnung des Elterngeldes der Klägerin ersetzt hat (vgl § 96 SGG). Nachdem die Klägerin ihre Revision zurückgenommen hat, betrifft ihr mit der Anfechtungsklage verbundenes Leistungsbegehren (vgl § 54 Abs 4 SGG) lediglich die ihr erstinstanzlich zugesprochene Berücksichtigung des Streikgeldes bei der Bemessung des Elterngeldes.
- 17
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2. Entgegen der Auffassung des SG ist auch die verbliebene Klage unbegründet. Die Klägerin hat wegen der in den Monaten März bis Juni 2006 gewährten Streikunterstützung keinen höheren Anspruch auf Elterngeld, als ihr vom Beklagten durch den zuletzt maßgeblichen Bescheid vom 14.7.2009 bewilligt worden ist.
- 18
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a) Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Das Kind muss nach dem 31.12.2006 geboren sein (vgl § 27 Abs 1 BEEG, Art 3 Abs 1 Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748; vgl hierzu auch BSG Urteil vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1). Ob im Fall der Klägerin sämtliche Voraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG erfüllt sind, vermag der Senat anhand der Tatsachenfeststellungen des SG nicht zu beurteilen. Das ist hier unschädlich, weil die Klägerin jedenfalls kein höheres Elterngeld beanspruchen kann.
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b) Die Höhe des Elterngeldes richtet sich gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG nach dem in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Es beträgt 67 % dieses durchschnittlichen Einkommens, höchstens 1800 Euro monatlich. § 2 Abs 5 BEEG sieht ein Mindestelterngeld in Höhe von monatlich 300 Euro vor.
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aa) Der nach den gesetzlichen Vorgaben maßgebende Bemessungszeitraum von zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt (am 6.2.2007) erstreckt sich hier zunächst von Februar 2006 bis Januar 2007. Dazu bestimmt § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG idF vom 5.12.2006 (BGBl I 2748; die Anfügung des Satzes 7 durch Art 1 Nr 1 Buchst a Erstes Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, BGBl I 61, erfolgte mit Wirkung vom 24.1.2009 und ist deshalb hier unbeachtlich):
Kalendermonate, in denen die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes ohne Berücksichtigung einer Verlängerung des Auszahlungszeitraums nach § 6 Satz 2 Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, bleiben bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt. Das Gleiche gilt für Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung oder dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist.
- 21
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Da die Klägerin ab Dezember 2006 wegen der bevorstehenden Geburt Mutterschaftsgeld bezogen hat, bleiben danach die Monate Dezember 2006 und Januar 2007 bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums unberücksichtigt, so dass in dem angefochtenen Bescheid rechtsfehlerfrei auf den Zeitraum von Dezember 2005 bis November 2006 abgestellt worden ist. Im Übrigen sind die Ausnahmetatbestände des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG offensichtlich nicht einschlägig.
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Die bei unklarem oder nicht eindeutigem Wortlaut zur Auslegung gesetzlicher Bestimmungen heranzuziehenden Gesichtspunkte des Bedeutungszusammenhanges, der Regelungsabsicht, des Sinnes und Zweckes des Gesetzes, der Gesetzesentwicklung oder des Gebotes einer verfassungskonformen Auslegung - letztere begehrt die Klägerin - sind hier nicht zu erörtern, denn der eindeutige Wortsinn einer gesetzlichen Vorschrift ist die Grenze jeder Auslegung (Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, 143 mwN, s Bundesverfassungsgericht
, BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81) . Eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung ist nicht möglich.
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Eine Erweiterung des Gesetzesinhalts auf den Fall der Klägerin lässt sich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere mittels eines Analogieschlusses erreichen. Es fehlt an einer erkennbaren Unvollständigkeit des Gesetzes. Der Senat hat bereits zu der Nichtberücksichtigung der Elternzeit für ein älteres Kind ohne Elterngeldbezug entschieden, dass die gesetzlichen Ausnahmetatbestände aus § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG vom Wortlaut her ausdrücklich und klar geregelt sind; der Gesetzgeber wollte allein diese Sachverhalte privilegieren und bei der Bestimmung des für die Bemessung des Elterngeldes maßgebenden Zwölf-Monatszeitraums unberücksichtigt lassen (vgl Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 31-34). Das Gesetz ist auch im Hinblick auf Einkommenseinbußen wegen eines Streiks nicht lückenhaft. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich vielmehr, dass der "Wegfall oder das Fehlen von Erwerbseinkommen aus anderen Gründen wie zum Beispiel der Arbeitsmarktlage oder anderen konkreten Lebensumständen" nicht zu einer Verschiebung des Bemessungszeitraums führen soll (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20 zu § 2 Abs 1 Satz 2 und 3 BEEG-Entwurf, dessen Regelungen in der Gesetz gewordenen Fassung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG vereinheitlicht worden sind, vgl BT-Drucks 16/2785 S 38).
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bb) Ist danach im vorliegenden Fall bei der Leistungsbemessung auf die Zeit von Dezember 2005 bis November 2006 abzustellen, wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG das insoweit erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit berücksichtigt, und zwar nach § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG nach Maßgabe des § 2 Abs 7 bis 9 BEEG. Damit knüpft das BEEG an den einkommensteuerrechtlichen Einkommensbegriff iS des § 2 EStG an(vgl hierzu BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 20 f). Von den sieben im Grundtatbestand des § 2 Abs 1 Satz 1 EStG aufgeführten Einkunftsarten sind nur die (Erwerbs-)Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (Nr 1), Gewerbebetrieb (Nr 2), selbstständiger Arbeit (Nr 3) und nichtselbstständiger Arbeit (Nr 4) erheblich.
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Nach den gesetzlichen Vorgaben ist die von der Klägerin erhaltene Streikunterstützung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG. Sie fällt nach Auffassung des Senats insbesondere nicht unter den Begriff der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG; sie ist weder Arbeitslohn iS des § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG noch eine Entschädigung iS des § 24 Nr 1 Buchst a EStG.
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aaa) Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sind nach § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG insbesondere Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Zwar enthält auch § 19 Abs 1 EStG keine abstrakt generelle Definition des Begriffs der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern nur eine beispielhafte Umschreibung der Einkünfte iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG. Daraus ist indes zu erschließen, dass jedenfalls alle Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer erfasst sind, die durch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers veranlasst sind. Alle Einnahmen aus dem Arbeitsverhältnis sind daher Arbeitslohn (vgl BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 28 mwN; Eisgruber in Kirchhof, EStG, 9. Aufl 2010, § 19 RdNr 13, 15; Drenseck in Schmidt, EStG, 29. Aufl 2010, § 19 RdNr 16, 17). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH müssen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG im weitesten Sinne Gegenleistungscharakter aufweisen, also "für eine Beschäftigung" gewährt werden bzw als Frucht der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu betrachten sein(jüngst BFH Urteil vom 20.5.2010 - VI R 41/09 - BFHE 229, 346, 348 f mwN; vgl auch BFH Urteil vom 26.5.1998 - VI R 9/96 - BFHE 186, 247, 250). Dabei ist die Frage, ob eine Zuwendung Ertrag der Arbeitsleistung ist, danach zu beurteilen, wozu die Zahlung erfolgt ist, und nicht danach, wer die Zahlung vorgenommen hat. Denn es können auch Bar- oder Sachzuwendungen Dritter Arbeitslohn darstellen, soweit sie der Arbeitnehmer vernünftigerweise als Frucht seiner Leistung für den Arbeitgeber ansehen muss (BFH Urteil vom 26.5.1998 - VI R 9/96 - BFHE 186, 247, 250; BFH Urteil vom 5.7.1996 - VI R 10/96 - BFHE 180, 441, 442).
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Nach diesen Maßgaben ist eine Streikunterstützung nicht als Arbeitslohn iS des § 19 Abs 1 Nr 1 EStG zu werten, da sie auch im weitesten Sinn keinen Gegenleistungscharakter für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers hat; sie beruht nicht auf dem Vertragsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, sondern auf der Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in der Gewerkschaft und wird zur Durchführung eines Streiks gerade nicht im Interesse des Arbeitgebers gewährt (vgl BFH Urteil vom 24.10.1990 - X R 161/88 - BFHE 162, 329, 332; so schon BSG Urteil vom 9.7.1963 - 9 RV 1114/59 - BSGE 19, 230, 236 = SozR Nr 9 zu § 32 BVG).
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bbb) Der Senat teilt nicht die Auffassung des SG, dass die von der Klägerin erhaltene Streikunterstützung als Entschädigung iS des § 24 Nr 1 Buchst a EStG den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG zuzuordnen ist.
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Nach § 24 Nr 1 Buchst a EStG gehören zu den Einkünften iS des § 2 Abs 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind. Die Vorschrift betrifft alle Einkunftsarten iS des § 2 Abs 1 EStG und beinhaltet - wie sich aus dem Wort "auch" in § 24 EStG ergibt - keine neue Gruppe von steuerpflichtigen Einnahmen(vgl etwa BFH Urteil vom 16.10.2002 - XI R 71/00 - BFHE 200, 544 - juris RdNr 15; Drenseck in Schmidt, EStG, 29. Aufl 2010, § 24 RdNr 2 mwN; BSG Urteil vom 9.10.2007 - B 5b/8 KN 1/06 KR R - SozR 4-2500 § 10 Nr 8 RdNr 17; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 2/05 R - SozR 4-2500 § 10 Nr 6 juris RdNr 13). Entschädigungen für Arbeitnehmer sind dann als Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG anzusehen, wenn sie geleistet werden für ausgefallenen Arbeitslohn iS des § 19 EStG, der - sein Zufluss unterstellt - ebenfalls unter diese Einkunftsart zu subsumieren wäre(zur Einordnung der Einkünfte nach § 24 EStG als nichtselbstständige Einkunftsart vgl BFH Urteil vom 16.10.2002 - XI R 71/00 - BFHE 200, 544, 546; BSG Urteil vom 9.10.2007 - B 5b/8 KN 1/06 KR R - SozR 4-2500 § 10 Nr 8 RdNr 17; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 2/05 R - SozR 4-2500 § 10 Nr 6 RdNr 13).
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Eine am Wortsinn orientierte Auslegung des Begriffs der Entschädigung iS des § 24 EStG - als Ausgleichsleistung für einen Schaden bzw für den Verlust von Rechten - legt es an sich nahe, eine von der Gewerkschaft gezahlte Streikunterstützung als Leistung für den streikbedingten Verlust des Lohnanspruchs gegenüber dem Arbeitgeber(§ 326 Abs 1 Halbs 1, § 275 Abs 1 BGB iVm § 611 Abs 1 BGB; vgl hierzu auch Beschluss des großen Senats des Bundesarbeitsgerichts
vom 21.4.1971 - GS 1/68 - BAGE 23, 292) anzusehen. Die Streikunterstützung tritt aus Sicht des Arbeitnehmers objektiv an die Stelle des entfallenen Arbeitslohns (Lohnsurrogat). Wie bei der Zahlung von Arbeitslohn (vgl § 38 Abs 1 Satz 3 EStG) ist hierbei unerheblich, dass eine Entschädigung iS des § 24 EStG nicht vom Arbeitgeber, sondern von einem Dritten - regelmäßig dem Schadensverursacher - gezahlt wird(vgl BFH Urteil vom 30.3.1982 - III R 150/80 - BFHE 135, 488, 492).
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Nach § 24 Nr 1 Buchst a EStG muss die von der Entschädigung betroffene Einnahme jedoch zusätzlich "entgangen" sein. Dementsprechend fällt nach der Rechtsprechung des BFH eine im Einverständnis mit dem Berechtigten "weggefallene" Einnahme nicht unter diese Vorschrift (vgl etwa Urteil vom 11.12.1970 - VI R 218/66 - BFHE 101, 98). Ein zunächst enges Verständnis des unfreiwilligen Einnahmenverzichts (Verlustes) des Steuerpflichtigen "gegen oder ohne seinen Willen" (BFH, aaO) hat der BFH später zur Erfassung des Steuergegenstands dahingehend präzisiert, dass eine Entschädigung für eine entgangene Einnahme iS des § 24 Nr 1 Buchst a EStG nur dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige, der den Ausfall der Einnahmen mit verursacht hat, dabei unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat(stRspr seit 1978, vgl BFH Urteil vom 20.7.1978 - IV R 43/74 - BFHE 125, 271, 275 ff). Er darf das schadensstiftende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben (BFH Urteil vom 13.8.2003 - XI R 18/02 - BFHE 203, 420, 422 mwN; vgl auch BVerfG Beschluss vom 7.7.2010 - 2 BvL 1/03, 2 BvL 52 BvL 57/06, 2 BvL 52 BvL 58/06 - juris RdNr 77).
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Diese Auslegung beruht auf dem Bedeutungszusammenhang (vgl zu diesem Auslegungskriterium Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, 310 ff) des § 24 EStG mit § 34 Abs 1, Abs 2 Nr 2 EStG, nach dem bei einer Entschädigung iS des § 24 EStG eine Steuerermäßigung gerechtfertigt ist, aber nur in denjenigen Fällen, in denen sich der Steuerpflichtige in einer Zwangssituation befindet und sich dem zusammengeballten Zufluss der Einnahmen nicht entziehen kann(vgl etwa BFH Urteil vom 14.12.2004 - XI R 12/04 - juris RdNr 17 mwN). Insoweit ist maßgeblich, welcher Sphäre das schadensstiftende Ereignis zuzuordnen ist. Eine Zwangslage des Steuerpflichtigen fehlt auch, wenn dieser in seiner Sphäre freiwillig eine Ursachenkette in Gang setzt, die ihm später keinen Entscheidungsspielraum mehr belässt; die Entwicklung der Ursachenkette muss sich allerdings in einem überschaubaren Rahmen halten. Der Ursachenzusammenhang wird nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung unterbrochen bei Ereignissen, mit denen der Steuerpflichtige nicht rechnen konnte und die für ihn außerhalb seiner Vorstellung lagen (BFH Urteil vom 12.12.2001 - XI R 38/00 - juris RdNr 10).
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Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben schließt sich der erkennende Senat der geltenden Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 24.10.1990 - X R 161/88 - BFHE 162, 329, 332-334) an, nach der Streikunterstützungen nicht als Entschädigung iS des § 24 Abs 1 Buchst a EStG anzusehen sind. Denn der mögliche Lohnausfall bei einem Streik hat seine Ursache in dem freiwilligen Eintritt des Betroffenen in die Gewerkschaft, durch den er sich deren satzungsmäßigen Bestimmungen unterwirft; die Ursache für das schadensstiftende Ereignis liegt in seiner Sphäre. Auch wenn die Durchführung der Arbeitskampfmaßnahme Streik satzungsgemäß weitere Schritte voraussetzt (Urabstimmung, Beschluss des Gewerkschaftsvorstandes etc.), muss das Gewerkschaftsmitglied bei bevorstehenden Tarifverhandlungen stets damit rechnen, im Falle des Arbeitskampfes wegen der Teilnahme an Streikmaßnahmen auf möglichen Arbeitslohn verzichten zu müssen (vgl BFH Urteil vom 24.10.1990 - X R 161/88 - BFHE 162, 329, 334); das schadensstiftende Ereignis Streik liegt damit nicht außerhalb seiner Vorstellung.
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Demgegenüber überzeugen die Entscheidungen des 6. Senats des BFH aus dem Jahr 1970 (Urteil vom 30.10.1970 - VI R 273/67 - BFHE 100, 504) und des 3. Senats aus dem Jahr 1982 (Urteil vom 30.3.1982 - III R 150/80 - BFHE 135, 488), auf die sich das SG gestützt hat, den Senat nicht. Denn sie würdigen bei der Auslegung des Begriffes der "entgangenen" Einnahme iS des § 24 Nr 1 Buchst a EStG die Entwicklung der Rechtsprechung des BFH seit 1978(siehe oben BFH Urteil vom 20.7.1978 - IV R 43/74 - BFHE 125, 271) zum Bedeutungszusammenhang zwischen § 24 EStG und der Tarifermäßigung nach § 34 Abs 1, Abs 2 Nr 2 EStG, die ein "außerordentliches" Schadensereignis erfordert, nicht hinreichend. Dies gilt insbesondere für die zum damaligen Zeitpunkt bereits nicht mit der herrschenden Meinung im Schrifttum übereinstimmende Entscheidung des BFH vom 30.3.1982 - III R 150/80 - (BFHE 135, 488, 490 mwN), in deren Gründen dieser Rechtsprechungswandel zwar angesprochen worden ist, aber die dahinterstehenden Erwägungen zum Bedeutungszusammenhang des § 24 EStG mit § 34 Abs 1, Abs 2 Nr 2 EStG keinerlei Erwähnung finden(vgl BFH, aaO, 493 f). Sie stellt zu formal auf das Begriffspaar der Freiwilligkeit und der Unfreiwilligkeit des Betroffenen zum Zeitpunkt des Zuflusses der Ersatzleistung ab, ohne mögliche Ursachen für die entgangenen Einnahmen iS des § 24 Nr 1 Buchst a EStG in dessen Sphäre (iS einer freiwillig in Gang gesetzten Ursachenkette) hinreichend zu berücksichtigen. Die seit mehr als 20 Jahren geltende und den Senat überzeugende neuere Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 24.10.1990 - X R 161/88 - BFHE 162, 329) war zwar in der einkommensteuerrechtlichen Literatur nicht unumstritten (vgl ua Dziadkowski, BB 1991, 2195 ff; Knobbe-Keuk, DB 1992 Beilage Nr 6; Paus, DStZ 1991, 214 ff; Schmidt, DB 1991, 1699 ff). Gleichwohl hat der Gesetzgeber - soweit die bisherige Praxis seinem Willen nicht entsprechen sollte - bis heute keine Veranlassung gesehen, eine abweichende steuerrechtliche Behandlung von Streikunterstützungen zu bestimmen (vgl auch Dau, in juris-PR-SozR 1/2010 Anm 5).
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Anders als das SG sieht der erkennende Senat keinen Spielraum für eine sozialrechtliche Bewertung der Frage, ob Streikgeld als Entschädigung iS des § 24 Abs 1 Buchst a EStG und damit als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG anzusehen ist. Die älteren dazu ergangenen Entscheidungen des 3. und 6. Senats des BFH sind durch die überzeugende neuere Rechtsprechung des insoweit allein zuständig gewordenen 10. Senats dieses Gerichts überholt. Die Maßgaben in § 2 Abs 7 BEEG(vgl § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG) eröffnen ebenfalls keine Möglichkeit für eine abweichende Beurteilung.
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cc) Unter Berücksichtigung der danach maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten hat der Beklagte die Höhe des Elterngeldes der Klägerin mit Bescheid vom 14.7.2009 rechtsfehlerfrei berechnet, indem er auf der Grundlage des von Dezember 2005 bis November 2006 tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts der Klägerin ein durchschnittliches monatliches Nettoerwerbseinkommen in Höhe von 1147,74 Euro ermittelt und daraus den monatlichen Elterngeldanspruch der Klägerin von 768,99 Euro abgeleitet hat.
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3. Nach Auffassung des Senats verstoßen die hier einschlägigen Bestimmungen des BEEG nicht gegen das GG.
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a) Der Senat hält daran fest, dass das BEEG im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 74 Abs 1 Nr 7 GG wirksam erlassen worden ist (vgl BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 36 ff mwN; Verfassungsbeschwerde anhängig unter 1 BvR 2712/09). Dabei versteht er den in Art 74 Abs 1 Nr 7 GG verwendeten Begriff der öffentlichen Fürsorge in einem weiten Sinne. Das Elterngeld wird davon umfasst, weil es dazu beitragen soll, die Lebensgrundlagen junger Familien zu sichern und diese vor dem Eintritt einer finanziellen Bedarfslage zu bewahren (vgl BSG aaO RdNr 39; siehe allgemein dazu auch Degenhart in Sachs, GG, 2009, Art 74 RdNr 35 mwN). Bemerkenswert ist insoweit, dass das BVerfG auch die Regelung in § 90 SGB VIII über die Staffelung von Kindergartenbeiträgen nach dem Familieneinkommen dem Art 74 Abs 1 Nr 7 GG zugeordnet hat(vgl BVerfGE 97, 332, 341 f).
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Ebenso wenig vermag der Senat dem Art 74 Abs 1 Nr 7 GG eine mangelnde Kompetenz des Bundes zur Einführung steuerfinanzierter Einkommensersatzleistungen zu entnehmen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Ausgestaltung der Leistung einem weit verstandenen Begriff der öffentlichen Fürsorge entspricht. Das ist beim Elterngeld der Fall. Die Orientierung an Bedarfslagen zeigt sich insbesondere an dem Basisbetrag von 300 Euro (§ 2 Abs 5 Satz 1 BEEG), der Begünstigung von Geringverdienern (§ 2 Abs 2 BEEG) und Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG), dem "Geschwisterbonus" (§ 2 Abs 4 BEEG) sowie der Festlegung eines Höchstbetrages von 1800 Euro (§ 2 Abs 1 Satz 1 BEEG).
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In den Genuss des Höchstbetrages kommen Bezieher ab einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von rund 2700 Euro. Selbst dieser Betrag ist kein hohes Erwerbseinkommen, sondern wird von vielen Arbeitnehmern der mittleren Bildungsebene - unter Umständen mit steuerpflichtigen Mehrarbeitszuschlägen - erreicht (vgl Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2010, S 535 über die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste im Jahr 2009, ua in der Leistungsgruppe 3 - Fachkräfte -, siehe S 531). Das Elterngeld fördert damit schwerpunktmäßig Erziehende, die im Bemessungszeitraum kleinere bis mittlere Einkommen erzielt haben. Diese Einschätzung wird erhärtet durch die Zahlen über die Höhe des Elterngeldes von Personen, die in der Zeit von Januar 2007 bis Juni 2008 einen Antrag gestellt haben. Von allen Leistungsbeziehern erhielten 53,4 % ein Elterngeld von 300 bis 500 Euro, 28,4 % von 500 bis unter 1000 Euro, 11,4 % von 1000 bis unter 1500 Euro und 6,8 % von 1500 bis 1800 Euro (siehe Bericht der Bundesregierung vom 30.10.2008 über die Auswirkungen des BEEG sowie über die ggf notwendige Weiterentwicklung, BT-Drucks 16/10770 S 12 Tabelle 3).
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Schließlich bleibt der Senat auch bei seiner Beurteilung, dass dem Gesetzgebungsrecht des Bundes Art 72 Abs 2 GG nicht entgegensteht (vgl BSG aaO RdNr 40). Für das BEEG ist die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zu bejahen.
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b) Durch § 2 Abs 1 und 7 BEEG wird Art 9 Abs 3 GG nicht verletzt. In den Schutzbereich des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit greifen diese Vorschriften nicht ein.
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aa) Art 9 Abs 3 GG ist in erster Linie ein Freiheitsrecht. Es gewährleistet für jedermann und für alle Berufe das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Koalitionen zu bilden. Das Grundrecht schützt die Freiheit des Einzelnen, eine derartige Vereinigung zu gründen, ihr beizutreten oder fernzubleiben. Außerdem schützt es die Koalitionen in ihrem Bestand und ihrer organisatorischen Ausgestaltung sowie solche Betätigungen, die darauf gerichtet sind, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern (vgl BVerfGE 84, 212, 224 mwN; vgl auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl 2011, Art 9 RdNr 36 f).
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Das Grundrecht garantiert das Recht, durch spezifisch koalitionsmäßige Betätigung die in Art 9 Abs 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen (BVerfGE 50, 290, 367; 100, 271, 282; 103, 293, 304; 116, 202, 219). Zu den geschützten Tätigkeiten gehört auch ein Streik, der auf den Abschluss eines Tarifvertrages gerichtet ist (BVerfGE 92, 365, 393; ähnlich BVerfGE 88, 103, 114). Von der individuellen Koalitionsfreiheit ist auch die Teilnahme der Arbeitnehmer an der geschützten Tätigkeit umfasst (BVerfGE 51, 77, 87 f; vgl Jarass, aaO, Art 9 RdNr 36, 40).
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bb) Die Nichtberücksichtigung von Streikunterstützungen bei der Berechnung des Elterngeldes nach § 2 Abs 1 und 7 BEEG stellt keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG dar, und zwar weder hinsichtlich der individuellen noch in Bezug auf die kollektive Koalitionsfreiheit.
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Jede Regelung des durch Art 9 Abs 3 GG geschützten Verhaltens durch den Staat beeinträchtigt das Grundrecht. Bei Arbeitskämpfen ist dies der Fall, wenn der Staat zugunsten einer Seite interveniert, also im Sinne eines klassischen Eingriffs unmittelbar und gezielt (final) die grundrechtliche Freiheit einschränkt (vgl zum Begriff des klassischen Grundrechtseingriffs BVerfGE 105, 279, 299 f). Auch mittelbare Behinderungen können bei entsprechendem Gewicht einen Eingriff in den Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG darstellen (vgl insg Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl 2011, Art 9 RdNr 45 mwN). Einwirkungen mittelbarer Art stellen aber nur dann eine Grundrechtsbeeinträchtigung dar, wenn sie in der Zielsetzung und ihren Wirkungen klassischen Eingriffen gleichkommen (BVerwGE 116, 202, 222; 105, 252, 273; 110, 177, 191) und damit die Eingriffsschwelle überschreiten. Diese Schwelle ist regelmäßig überschritten, wenn die Maßnahme die belastende Wirkung bezweckt (BVerwGE 71, 183, 193 f; 90, 112, 121 f). Demgegenüber fehlt es an einem Eingriff, wenn mittelbare Folgen bloße Reflexe einer nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung sind (BVerfGE 116, 202, 222).
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aaa) Nach diesen Maßgaben wird durch § 2 Abs 1 und 7 BEEG nicht in die individuelle Koalitionsfreiheit der Gewerkschaftsmitglieder nach Art 9 Abs 3 GG eingegriffen. Gemäß § 2 Abs 1 BEEG wird bei der Ermittlung des Elterngeldes allein Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG leistungserhöhend berücksichtigt. Einkommenseinbußen werden nur in den engen Grenzen des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG ausgeglichen.
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Dabei fehlt es an einem klassischen - also unmittelbaren und gezielten - Eingriff in das durch Art 9 Abs 3 GG geschützte Recht des Gewerkschaftsmitglieds auf Teilnahme an der Arbeitskampfmaßnahme. Dieses wird durch eine Regelung zur Bemessung des Elterngeldes jedenfalls nicht direkt an der Wahrnehmung seiner gewerkschaftlichen Rechte gehindert.
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Auch ein mittelbarer Eingriff in dieses Grundrecht liegt nicht vor. Wenngleich die nachteiligen (mittelbaren) Folgen aus § 2 Abs 1 und 7 BEEG für Personen, die im Bemessungszeitraum an einem Streik teilgenommen haben, durch das SG aufgezeigt worden sind, erreichen diese Auswirkungen nach Auffassung des Senats nicht die Qualität, die erforderlich ist, um sie mit klassischen Grundrechtseingriffen gleichzusetzen. Dem § 2 Abs 1 BEEG ist keine Zielrichtung zu entnehmen, dass dadurch Gewerkschaftsmitglieder von der Teilnahme an Arbeitskampfmaßnahmen abgehalten werden sollen; es fehlt an einer bezweckten Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art 9 Abs 3 GG. Vielmehr werden alle Einbußen an Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 und 7 BEEG (zB aufgrund Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit oder auch wegen einer Streikteilnahme) unabhängig von der Erwerbsform (zB durch selbstständige, nichtselbstständige Arbeit etc) gleich behandelt. Die im Einzelfall möglicherweise schwerwiegenden Folgen für die Höhe des Elterngeldes sind ein bloßer Reflex der allgemeinen Berechnungsvorschrift des § 2 Abs 1 BEEG.
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bbb) Entsprechendes gilt für das durch Art 9 Abs 3 GG geschützte Recht von Arbeitnehmervereinigungen, Arbeitskampfmaßnahmen durchzuführen. Der Staat greift durch die allgemein ausgerichtete Regelung in § 2 Abs 1 und 7 BEEG weder unmittelbar noch mittelbar in deren kollektive Koalitionsfreiheit ein, auch wenn wegen eines bevorstehenden Elterngeldbezugs und der nachteiligen Folgen von streikbedingten Arbeitsentgelteinbußen der Austritt einzelner Mitglieder aus der Gewerkschaft oder deren Weigerung, an Arbeitskampfmaßnahmen teilzunehmen, drohen könnte. Der Staat interveniert nicht zielgerichtet zugunsten einer Seite, hier etwa der Koalition der Arbeitgeber.
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c) Entgegen der Auffassung des SG liegt keine Verletzung des besonderen Gleichbehandlungsgebots in Art 3 Abs 2 GG oder des Benachteiligungsverbots in Art 3 Abs 3 GG dadurch vor, dass weibliche Gewerkschaftsmitglieder durch eine Streikteilnahme häufiger Nachteile bei der Elterngeldberechnung nach § 2 Abs 1 BEEG erleiden als männliche Gewerkschaftsmitglieder.
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Im Hinblick auf das dahinter stehende Argument, dass zum überwiegenden Teil Frauen Elterngeld in Anspruch nehmen, sind die Schutzbereiche der genannten Grundrechte - wie der Senat bereits entschieden hat (vgl BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 44-46) - nicht betroffen. Dass eine für die Berechtigten ungünstige leistungsrechtliche Vorschrift tatsächlich überwiegend Frauen trifft, genügt nicht, um eine allgemein und geschlechtsneutral formulierte Regelung wie § 2 Abs 1 BEEG als "wahrscheinlich geschlechtsbedingt" iS einer mittelbaren Diskriminierung anzusehen(vgl BSG aaO).
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d) § 2 Abs 1 und 7 BEEG verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz in Art 3 Abs 1 GG(iVm Art 6 Abs 1, Art 20 Abs 1 GG), soweit danach der Bezug von Streikunterstützungen, die an die Stelle ausgefallenen Arbeitsentgelts getreten sind, bei der Elterngeldberechnung nicht berücksichtigt wird.
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Art 3 Abs 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Dieser hat gerade auch im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten Abschnitt des BEEG gehören (§ 6, § 25 Abs 2 Satz 2, § 68 Nr 15a SGB I), einen weiten Gestaltungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist grundsätzlich erst dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG seit BVerfGE 55, 72, 88; vgl jüngst BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55; BVerfGE 117, 272, 300 f). Umgekehrt verbietet Art 3 Abs 1 GG auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung als sachwidrig erscheinen lassen (vgl Jarras in Jarras/Pieroth, GG, 11. Aufl 2011, Art 3 RdNr 8 mwN).
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Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 mwN; 110, 412, 436; stRspr). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 21, 12, 26; 23, 242, 252). Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen (vgl BVerfGE 17, 319, 330; 53, 313, 329; 67, 70, 85 f; stRspr). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt insoweit seine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl BVerfGE 75, 108, 157). Das BVerfG legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlich strengen Prüfungsmaßstab an (vgl zusammenfassend BVerfGE 88, 87, 96 f; 105, 73, 110 f = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 173). So muss der Gesetzgeber im Bereich staatlicher Maßnahmen, welche die Familie betreffen, den Schutz beachten, den er dieser nach Art 6 Abs 1 GG schuldet (vgl BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55). Darüber hinaus kann im vorliegenden Zusammenhang auch das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) von Bedeutung sein.
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Der Gesetzgeber war zunächst durch das Gleichbehandlungsgebot nicht gehindert, bei der Bemessung des Elterngeldes überhaupt an das zuvor erzielte Erwerbseinkommen anzuknüpfen. Für die dadurch bedingte Ungleichbehandlung von Berechtigten, die im Bemessungszeitraum durchgängig ein volles (ungeschmälertes) Arbeitsentgelt erzielt haben, und solchen, bei denen das - wie bei der Klägerin - nicht der Fall ist, gibt es hinreichende sachliche Gründe (aa). Dabei durfte der Bemessungszeitraum grundsätzlich auf 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes beschränkt werden, was zu einer Benachteiligung von Personen führt, die nur für weiter zurückliegende Zeiträume ein volles Arbeitsentgelt vorweisen können (bb). Speziell ist es gerechtfertigt, dass die Klägerin als Bezieherin von Streikgeld ungünstiger behandelt wird als Berechtigte, die im Bemessungszeitraum ungekürztes Arbeitsentgelt bezogen haben oder bei denen in den 12 Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes liegende Arbeitsentgeltausfälle gemäß § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums unberücksichtigt bleiben (cc). Entsprechendes gilt für die Gleichbehandlung der Klägerin mit Personen, die in der betreffenden Zeit Sozialleistungen, insbesondere solche zur Existenzsicherung nach dem SGB II oder SGB XII, erhalten haben (dd).
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aa) Durch das BEEG hat der Gesetzgeber einen Systemwechsel gegenüber dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) vorgenommen. Während das Erziehungsgeld eine von der Bedürftigkeit der antragstellenden Person abhängige Leistung (§ 4 Abs 1 BErzGG, § 5 Abs 3 BErzGG)mit pauschaler, begrenzter Höhe (nach § 5 Abs 1 BErzGG monatlich 450 bzw 300 Euro)war, ist das Elterngeld über den Basisbetrag von 300 Euro und den Basisgeschwisterbonus von 75 Euro hinaus als Leistung ausgestaltet, die das vor der Geburt liegende Erwerbseinkommen des Berechtigten bis zum Höchstbetrag von 1800 Euro (§ 2 Abs 1 BEEG) ersetzt (vgl BSG Urteile vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1, RdNr 19, und vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 55; siehe allgemein auch Pauli in Hambüchen, BEEG-EStG-BKGG Komm, § 2 BEEG RdNr 2; Jung SGb 2007, 449; Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, 2007, RdNr 31, 33). Dabei kommt den Basisbeträgen ersichtlich der Zweck einer einheitlichen Honorierung der Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu (vgl Fuchsloch/Scheiwe, aaO RdNr 43), was durch die Erhöhung um je 300 Euro bei Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG) untermauert wird. Hinsichtlich der darüber hinaus möglichen Leistungshöhe, die sich nach dem vor der Geburt des Kindes erzielten Erwerbseinkommen richtet (§ 2 Abs 1 BEEG), ergibt sich eine Ungleichbehandlung zwischen Berechtigten je nach dem Vorhandensein und der Höhe entsprechender Einkünfte. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist diese Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt (vgl dazu bereits BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 56 ff).
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aaa) Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Anknüpfen an das Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei der Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 BEEG ein legitimes Differenzierungsziel.
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Ziel des Elterngeldes ist es vor allem, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern (vgl die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, soll einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes erhalten (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Durch die Betreuung des Kindes sollen die Eltern keine allzu großen Einkommenseinbußen befürchten müssen (vgl Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des BEEG vom 30.10.2008, BT-Drucks 16/10770 S 5 f). Das Elterngeld soll insoweit die Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf stärken und richtet sich im Kern - über die Mindestförderung in Höhe von 300 Euro (§ 2 Abs 5 Satz 1 BEEG) hinaus - an Erwerbstätige, die durch die Betreuung eines Kindes einem Bruch in ihrer Erwerbsbiographie ausgesetzt sind bzw Einkommenseinbußen hinzunehmen haben (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2).
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Gemessen an den vielfältigen Zwecken, die der Gesetzgeber mit dem Elterngeld in seiner Einkommensersatzfunktion verbindet (ua Vermeidung des Aufschiebens der Kinderphase, gleichberechtigte Kindererziehung von Vätern und Müttern, Vermeidung der Abhängigkeit von staatlichen Fürsorgeleistungen, vgl BT-Drucks 16/1889 S 1 f, 14 f), ist das Differenzierungsziel insbesondere unter Berücksichtigung einer Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (vgl hierzu etwa BVerfG Beschluss vom 10.11.1998 - 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 - BVerfGE 99, 216, 234), einer Steigerung der Geburtenrate und einer (teilweisen) Kompensation des durch die Betreuung und Erziehung des Kindes ausfallenden Erwerbseinkommens legitim. Es sollten - über die für alle gleichen Basisbeträge hinaus - besondere Anreize für solche Elternteile geschaffen werden, bei denen die Kindererziehung mit Einbußen von Einkommen aus Erwerbstätigkeit verbunden ist. Spezielle verfassungsrechtliche Verbote stehen dieser Differenzierung nicht entgegen.
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(1) Ein Differenzierungsverbot ergibt sich nicht aus Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (vgl hierzu bereits Senatsurteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 62 unter Bezugnahme auf Seiler, NVwZ 2007, 129, 132), auch nicht durch eine Ungleichbehandlung von Alleinverdienerehen gegenüber Doppelverdienerehen, bei denen die Berechtigten durch die Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 und 7 BEEG regelmäßig höhere Leistungsansprüche erzielen(vgl hierzu auch Weilert, DVBl 2010, 164, 166).
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Art 6 Abs 1 GG schützt jede Ehe und Familie und garantiert zugleich eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen ist (vgl BVerfGE 21, 329, 353; vgl auch BVerfGE 61, 319, 346 f mwN; 99, 216, 231; 107, 27, 53). Der Gesetzgeber muss, wenn er dem Gebot des Art 6 Abs 1 GG gerecht werden will, Regelungen vermeiden, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen (vgl BVerfGE 66, 84, 94; 87, 234, 258 f; 107, 27, 53). In diesen Bereich fällt auch die Entscheidung darüber, ob eine Ehefrau sich ausschließlich dem Haushalt widmen oder beruflich tätig sein und eigenes Einkommen erwerben will; eine Einwirkung des Gesetzgebers dahin, die Ehefrau "ins Haus zurückzuführen", wäre deshalb auch wegen eines Verstoßes gegen Art 6 Abs 1 GG verfassungswidrig (vgl BVerfGE 6, 55, 81 f; 21, 329, 353; 107, 27, 53). Gleiches gilt, wenn der Ehemann durch eine gesetzliche Regelung in seiner Entscheidungsfreiheit hinsichtlich einer eigenen Erwerbstätigkeit beeinträchtigt wird, weil oder solange seine Ehefrau erwerbstätig ist. Der besondere verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie erstreckt sich auf die "Alleinverdienerehe" ebenso wie auf die "Doppelverdienerehe" (vgl zB BVerfGE 66, 84, 94; 87, 234, 258 f; 107, 27, 53). Diese Grundsätze gelten insbesondere für die Eingriffsverwaltung, etwa im Steuerrecht (vgl BVerfGE 107, 27, 53 ff). Im Bereich familienfördernder Leistungen verfügt der Gesetzgeber zwar grundsätzlich über einen großen Gestaltungsspielraum - Art und Maß bestimmt er in politischer Verantwortung. Wegen des Freiheitsprinzips des GG hat er jedoch auf die Vielfalt der Lebensstile Rücksicht zu nehmen; traditionelle Formen des Familienlebens muss er pflegen, neue Formen ermöglichen; hierbei genießen altbewährte Formen sozialer Gemeinschaft Vorrang vor dem Neuen, das erst noch zur Bewährung ansteht (vgl Di Fabio, NJW 2003, 993, 997).
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Nach Auffassung des Senats hat die Förderung durch das Elterngeld in seiner einkommensersetzenden Funktion nach § 2 Abs 1 und 7 BEEG nicht die Intensität, dass durch die größere Anreizwirkung für Doppelverdienerehen im Vergleich zu Alleinverdienerehen in den Schutzbereich des Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG eingegriffen wird(so auch Becker in Festschrift für Herbert Buchner, 2009, 67, 79; Seiler, NVwZ 2007, 129, 132; Weilert DVBl 2010, 164, 166). Die befristete Förderleistung berührt nicht in erheblicher Weise die Entscheidungsfreiheit von Eheleuten hinsichtlich ihrer innerfamiliären Aufgabenverteilung. Finanzielle Anreize - wie jede Form einer umfassenderen Förderung - können zwar stets eine überschießende Einflussnahme mit sich bringen. Das Elterngeld übt jedoch weder einen auch nur mittelbaren Zwang zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit aus noch nimmt es derart Einfluss auf die Rollenverteilung von Mann und Frau innerhalb der Ehe, dass von einer Eingriffsqualität gesprochen werden kann. Vielmehr bietet es vielen Eltern erst die Alternative, mit geringeren wirtschaftlichen Zwängen eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung eines Kindes zu wagen (vgl auch Becker aaO).
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(2) Ein Differenzierungsverbot lässt sich auch nicht aus Art 3 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) herleiten. Das Sozialstaatsprinzip enthält einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber (BVerfGE 50, 57, 108), für den Ausgleich sozialer Gegensätze (vgl BVerfGE 22, 180, 204) und für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen (vgl BVerfGE 59, 231, 263; 100, 271, 284). Bei der Erfüllung dieser Pflicht kommt ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 18, 257, 273; 29, 221, 235). Das Sozialstaatsprinzip führt daher im Bereich gewährender Staatstätigkeit auch in der Zusammenschau mit dem Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) regelmäßig nicht zu Beschränkungen des Gesetzgebers. Der Staat darf grundsätzlich Leistungen nicht nur deshalb gewähren, um eine dringende soziale Notlage zu steuern oder eine - mindestens moralische - Verpflichtung der Gemeinschaft zu erfüllen (wie etwa beim Lastenausgleich), sondern auch aus freier Entschließung durch finanzielle Zuwendungen ein bestimmtes Verhalten der Bürger fördern, das ihm aus wirtschafts-, sozial- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist. Es ist ihm insoweit nur verwehrt, seine Leistungen nach unsachlichen Gesichtspunkten - also "willkürlich" - zu verteilen (vgl BVerfGE 17, 210, 216; BFH Beschluss vom 22.6.2010 - II R 4/09 - juris RdNr 15).
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Mit dem Systemwechsel von der bedürftigkeitsabhängigen Förderung nach dem BErzGG zu der (erwerbs-)einkommensorientierten Unterstützungsleistung nach dem BEEG verfolgt der Gesetzgeber gewichtige familienpolitische Ziele, die zum Teil selbst das sozialstaatliche Gefüge berühren. Insbesondere würde eine Steigerung der Geburtenrate in Deutschland durch das Elterngeld in seiner Einkommensersatzfunktion maßgeblich zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme beitragen (vgl auch Weilert, DVBl 2010, 164, 171). Unter Berücksichtigung der weiteren Ziele des Gesetzgebers (ua Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gleichberechtigte Kindererziehung von Vätern und Müttern) kann hier nicht von einer unsachlichen Verteilung staatlicher Leistungen und damit von einem Verstoß gegen ein aus dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) herzuleitendes Diskriminierungsverbot ausgegangen werden, selbst wenn das Elterngeld als einkommensorientierte Unterstützungsleistung durch die höhere Förderung Besserverdienender gegenüber Geringverdienern oder Berechtigten ohne Erwerbseinkommen eine bestehende soziale Ungleichheit fortschreiben oder verfestigen könnte. Auch insoweit stellt sich das Elterngeld nicht als offensichtlich "unsozial" dar, zumal einem solchen Effekt durch die Beschränkung der Anspruchshöhe und -dauer enge Grenzen gesetzt sind.
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bbb) Der Gesetzgeber hat für die Bemessung der Elterngeldhöhe mit der Referenzgröße des Einkommens aus Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG ein zulässiges Differenzierungskriterium gewählt.
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Zur Erreichung seines Differenzierungszieles hat der Gesetzgeber das Elterngeld als progressive (durch einen Höchstbetrag) begrenzte Leistung nach Maßgabe des § 2 Abs 1 und 7 BEEG in formaler Anknüpfung an das bis zur Geburt des Kindes erzielte Erwerbseinkommen ausgestaltet(vgl BT-Drucks 16/1889 S 15). Dabei hat er im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens einem steuerrechtlichen Einkommensbegriff den Vorzug gegeben (vgl BT-Drucks 16/2454 S 8; BT-Drucks 16/2785 S 37; s dazu auch BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 3 Nr 3 RdNr 19 ff).
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Mangels vorgegebener Referenzgröße aufgrund eines versicherungstypischen Gegenseitigkeitsverhältnisses von Beiträgen und Leistungen (vgl hierzu jüngst BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - juris RdNr 36) steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, bei der gesetzlichen Ausgestaltung steuerfinanzierter Sozialleistungen, die nicht auf eigenen Beiträgen des Anspruchsberechtigten beruhen, eigenständige Regelungen zu treffen (vgl zur Arbeitslosenhilfe BVerfG Beschluss vom 26.9.2005 - 1 BvR 1773/03 - SozR 4-4300 § 434c Nr 6 RdNr 18-20; zum BErzGG BSG Urteil vom 13.5.1998 - B 14 EG 3/97 R - SozR 3-7833 § 6 Nr 16 S 93) und zur Verwirklichung der Gesetzesziele den als Referenzgröße maßgeblichen Begriff frei zu wählen. Mit der Referenzgröße des Einkommens aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG knüpft er insoweit sachbezogen an das Differenzierungsziel an, gerade Erwerbstätigen die größten Anreize zur Entscheidung für ein Kind zu bieten und höhere Unterstützungsleistungen zukommen zu lassen. Um nach seiner Auffassung die Gesetzesziele am zweckmäßigsten zu erreichen, durfte er auch den Begriff des Einkommens aus Erwerbstätigkeit nach sozial- oder steuerrechtlichen Vorgaben ausrichten, wie dies im Gesetzgebungsverfahren geschehen ist (vgl dazu BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 27). Insoweit hat der Senat bereits entschieden, dass es gemessen an dem Sinn und Zweck des Elterngeldes in seiner Funktion, einen Ausgleich für die Einkommenseinbußen durch die Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit wegen der Kinderbetreuung in dem ersten Lebensjahr des Kindes zu bieten, grundsätzlich sachgerecht ist, dass der Gesetzgeber bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit auf die Summe der positiven Einkünfte ua aus nicht selbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG verweist(vgl Urteil aaO RdNr 39). Auch das BErzGG hatte bereits im Rahmen der Ermittlung der Einkommensgrenzen (§ 5 Abs 3, § 6 Abs 1 Satz 1 BErzGG) auf "die nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs 1 und 2 EStG" abgestellt.
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ccc) Die gesetzgeberische Entscheidung, bei der Bemessung des Elterngeldes an das bisherige Erwerbseinkommen der Berechtigten anzuknüpfen, ist nicht nur frei von Willkür. Sie hält nach Auffassung des Senats auch - zunächst nur allgemein betrachtet - einer Verhältnismäßigkeitsprüfung stand.
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Zwar kann ein Indiz für einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG in einer Systemwidrigkeit, also einer Verletzung der "vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit", liegen (vgl BVerfGE 34, 103, 115 mwN; stRspr). Ein Systemwechsel, wie ihn der Gesetzgeber beim Übergang vom BErzGG zum BEEG vollzogen hat, bleibt davon jedoch grundsätzlich unberührt. Art 3 Abs 1 GG hindert den Gesetzgeber insoweit nicht, neue Wege zu beschreiten. Auch wenn das Elterngeld zu den steuerfinanzierten Sozialleistungen gehört, die sich ansonsten weitestgehend an der Bedürftigkeit der Berechtigten orientieren, ist es damit nicht Teil eines feststehenden Systems, das für eine bestimmte, durch ein gesondertes Gesetz vorgesehene Leistung keine andere Ausrichtung, hier im Sinne eines Ersatzes von entfallendem Erwerbseinkommen, zuließe.
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Das im BEEG vorgesehene Bemessungskriterium ist zur Verwirklichung des Gesetzeszwecks geeignet (vgl dazu allgemein BVerfG Beschluss vom 10.4.1997 - 2 BvL 45/92 - BVerfGE 96, 10, 23), mit dem Elterngeld einen Ausgleich für Einkommenseinbußen zu gewähren, die mit der Entscheidung für das Kind, dessen Geburt und Betreuung einhergehen. Je höher das Erwerbseinkommen vor der Geburt des Kindes ist, desto eher wird ein Elternteil zur Unterbrechung oder Einschränkung der Berufstätigkeit zwecks Kindererziehung ermutigt, wenn sich das Elterngeld an der bisherigen Einkommenshöhe orientiert.
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Auch die Erforderlichkeit dieses Bemessungskriteriums ist zu bejahen, da keine gleichermaßen geeigneten Alternativen ersichtlich sind, um das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel zu erreichen. Insbesondere wäre eine stärkere Förderung von Personen, die in der Zeit vor der Geburt des Kindes kein oder nur ein geringes Erwerbseinkommen erzielt haben, ohne zusätzliche finanzielle Mittel nicht möglich gewesen.
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Schließlich ist es auch als angemessen anzusehen, dass für die Höhe des Elterngeldes - soweit es die Basisbeträge übersteigt - das zuvor erzielte Erwerbseinkommen maßgebend ist. Die sich dabei ergebenden Ungleichbehandlungen sind Folge des zulässigen Gesetzeszwecks. Sie spiegeln die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse vor der Geburt des Kindes und damit die mit der Entscheidung für die Kindererziehung verbundenen Einbußen bei den Einkünften aus der bisherigen Erwerbstätigkeit wider.
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bb) Gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG bemisst sich das Elterngeld nach dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit, das von dem Berechtigten in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielt worden ist. Bei Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit wird von diesem Zeitraum - soweit es den vorliegenden Fall betrifft - nur in den engen Grenzen des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG(der mit Wirkung vom 24.1.2009 angefügte Satz 7 ist hier weder anwendbar noch seinem Inhalt nach einschlägig) abgewichen. Personen, die diese Ausnahmetatbestände nicht erfüllen, können mithin, soweit sie im Bemessungszeitraum kein oder - wie die Klägerin - nur ein gekürztes Arbeitsentgelt bezogen haben, nicht auf weiter in der Vergangenheit zurückliegende Kalendermonate mit (höherem) Erwerbseinkommen zurückgreifen. Diese Benachteiligung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl dazu BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 53 ff).
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aaa) Mit der grundsätzlichen Beschränkung des Bemessungszeitraums auf die 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes verfolgt der Gesetzgeber ein zulässiges Differenzierungsziel. Er möchte den vorgesehenen Einkommensersatz auf die aktuellen Verhältnisse vor der Geburt ausrichten (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20) und damit - ersichtlich - eine größtmögliche Anreizwirkung in Richtung auf eine Entscheidung für eine Einschränkung der Erwerbstätigkeit zu Gunsten des Kindes und dessen Betreuung erzielen. Dieser Ausrichtung des Elterngeldes steht insbesondere kein verfassungsrechtliches Verbot aus Art 6 Abs 1 GG entgegen.
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Zwar mag es zutreffen, dass durch einen auf die 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes begrenzten Bemessungszeitraum die Entscheidungsfreiheit der Ehegatten betreffend die Aufgabenverteilung in der Ehe mittelbar etwas stärker beeinflusst werden kann als bei einem weiter gefassten Bemessungszeitraum. Darin liegt jedoch noch kein relevanter Eingriff in den Schutzbereich des Art 6 Abs 1 GG. Das Gesetz legt nur die tatsächlichen Erwerbsverhältnisse der Ehegatten in dem Jahr vor der Geburt des Kindes zugrunde. Weiter zurückliegende Entscheidungen betreffend die Aufgabenverteilung in der Ehe muss er im Rahmen der Elterngeldbemessung ebenso wenig berücksichtigen wie zukünftige Pläne der Ehegatten hinsichtlich der jeweiligen Erwerbstätigkeit.
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bbb) Der 12-monatige Bemessungszeitraum stellt auch ein zulässiges Differenzierungskriterium dar. Verfassungsrechtliche Verbote sind insoweit nicht ersichtlich. Die einschlägigen Regelungen des BEEG erscheinen dem erkennenden Senat in Ansehung des gesetzgeberischen Zieles auch als verhältnismäßig.
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Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass ein grundsätzlich auf 12 Kalendermonate begrenzter Bemessungszeitraum die Einkommensverhältnisse der Berechtigten vor der Geburt des Kindes am besten abbildet (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20). Wie bei anderen kurzfristigen Entgeltersatzleistungen (vgl § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB IV) ist Grundlage der Berechnung der Elterngeldhöhe nach § 2 Abs 1 und 7 bis 9 BEEG die sog Bezugs- und Referenzmethode(vgl hierzu auch Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 5 juris RdNr 35; bereits BSG Urteil vom 22.6.1966 - 3 RK 105/63 - BSGE 25, 69, 70 = SozR Nr 7 zu § 13 MuSchG; BSG Urteil vom 22.2.1972 - 3 RK 85/69 - BSGE 34, 79 = SozR Nr 4 zu § 200 RVO und jüngst BSG Urteil vom 30.5.2006 - B 1 KR 19/05 R - BSGE 96, 246 = SozR 4-2500 § 47 Nr 4, RdNr 21 ff), nach der unter Bezugnahme auf den wirtschaftlichen Dauerzustand eines gerade vergangenen Zeitraums auf ein Durchschnittseinkommen geschlossen wird, das den individuellen Lebensstandard prägt. Dabei hat der Gesetzgeber - auch in Ansehung des befristeten Bezugszeitraums des Elterngeldes von bis zu 14 Monaten (vgl § 4 Abs 1 Satz 1 BEEG; zur Möglichkeit einer Verlängerung auf maximal 28 Monate durch Halbierung des Auszahlungsbetrages vgl § 6 Satz 2 BEEG) - einen geeigneten Bemessungszeitraum von 12 Kalendermonaten vor der Geburt gewählt (vgl § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG). Das Ende des Bemessungszeitraums knüpft damit an das ausgleichsberechtigende Ereignis an und trägt dem Erfordernis Rechnung, den voraussichtlichen betreuungsbedingten Einkommensausfall des Elternteils einfach und nachvollziehbar zu bestimmen (vgl auch BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 5 RdNr 35).
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Die Ausgestaltung des Bemessungszeitraums erscheint auch als erforderliches Mittel zur Erreichung des Gesetzeszwecks. Andere Lösungen hätten entweder mehr finanzielle Mittel bzw einen größeren Verwaltungsaufwand beansprucht oder das verfolgte Ziel wäre verfehlt worden. Insbesondere hätte eine Berücksichtigung weit zurückliegender Erwerbsverhältnisse des Berechtigten die beabsichtigte Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes vernachlässigt.
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Schließlich erachtet der Senat die einschlägige gesetzliche Regelung, soweit es den grundsätzlichen Bemessungszeitraum anbelangt, auch nicht als unangemessen. Die durch die zeitliche Begrenzung des Bemessungszeitraums verursachte Ungleichbehandlung zwischen berechtigten Personen ist sachlich gerechtfertigt. Die voneinander abweichenden Einkommensverhältnisse der Betroffenen im Zeitraum unmittelbar vor der Geburt des Kindes legen in Ansehung der Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes eine entsprechend differenzierte Behandlung nahe.
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cc) Da das Streikgeld gemäß § 2 Abs 1 und 7 Satz 1 bis 4 BEEG iVm dem Einkommenssteuerrecht nicht als Arbeitsentgelt anzusehen ist, wird die Klägerin bei der Bemessung des Elterngeldes ungünstiger behandelt als Berechtigte, die während des Bemessungszeitraums kein Streikgeld, sondern ungekürztes Arbeitsentgelt bezogen haben. Darüber hinaus bleiben die Kalendermonate mit Streikgeldbezug bei der Bestimmung der für die Bemessung des Elterngeldes maßgebenden 12 Kalendermonate auch nicht unberücksichtigt, so dass bei der Klägerin, anders als bei Berechtigten, die die Voraussetzungen des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG erfüllen, nicht auf weiter zurückliegende Kalendermonate zurückgegriffen werden kann, in denen sie wahrscheinlich ein ungekürztes Arbeitsentgelt vorweisen kann. Die darin liegende Benachteiligung verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.
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aaa) Der Gesetzgeber war im Rahmen seiner zulässigen Zielsetzung, einen Ausgleich für den durch Kinderbetreuung verursachten Ausfall von Erwerbseinkommen zu schaffen, von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, bei der Bemessung des Elterngeldes den Bezug von Streikgeld der Erzielung von Arbeitsentgelt gleichzustellen. Das Streikgeld unterscheidet sich vom Arbeitsentgelt dadurch, dass es gerade ausgefallenes Arbeitsentgelt ersetzen soll. Der Ausschluss von Streikgeld (und anderer "Lohnersatzleistungen") bei der Leistungsbemessung stellt insoweit ein geeignetes Mittel zur Erreichung des Gesetzeszwecks dar. Diese gesetzliche Maßnahme ist auch als erforderlich anzusehen, weil gleichermaßen geeignete Alternativen nicht erkennbar sind. Eine Einbeziehung von Lohnersatzleistungen in die Bemessung des Elterngeldes würde einen höheren finanziellen Aufwand erfordern. Auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist die Nichtberücksichtigung von Streikgeld bei den für die Leistungshöhe maßgebenden Einkünften als gerechtfertigt anzusehen.
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Das Elterngeld ist eine familienpolitische Förderleistung eigener Art, mit der - im Gegensatz zu "regulären" kurzfristigen Entgeltersatzleistungen zur Aufrechterhaltung des individuellen Lebensstandards in sozialen Notlagen - vielfältige Ziele verfolgt werden (wegen der "Vermengung" der gesetzgeberischen Zielrichtungen krit Seiler NVwZ 2007, 129, 133). Sicher soll sie auch der Stagnation der Geburtenzahlen in Deutschland entgegenwirken und deswegen Erwerbstätigen einen wirtschaftlichen Anreiz bieten, sich trotz der finanziellen Einbußen, die mit einer Einschränkung der beruflichen Arbeit zwecks Kindererziehung verbunden sind, für ein Kind zu entscheiden. Um dieses Ziel zu erreichen, stellt der Staat eine einkommensorientierte Zuwendung in Aussicht, mit der diejenigen Einbußen an Erwerbseinkommen ganz oder teilweise kompensiert werden sollen, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dem ausgleichsberechtigenden Ereignis - der Geburt des Kindes - stehen. Realisiert sich in der Zeit vor der Geburt des Kindes bereits ein anderes Erwerbsrisiko (Wirtschafts- oder Arbeitsmarktlage, Streik, Krankheit etc), so sind die damit einhergehenden Einkommensausfälle grundsätzlich nicht vom Sinn und Zweck der Zuwendung umfasst (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20). Trotz dieser Einschränkung stellt das Elterngeld in seiner einkommensersetzenden Funktion eine (verhaltenssteuernde) Subvention zur Förderung der Kindererziehung dar. Zugleich verfolgt der Gesetzgeber mit dem derart ausgestalteten Elterngeld weitergehende Ziele, ua die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der gleichberechtigten Kindererziehung von Mann und Frau, der Gewährung eines finanziellen Schonraums für junge Familien bei einer betreuungsbedingten Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit der Elternteile und eine Kompensation der Betreuungskosten für das Kind (BT-Drucks 16/1889 S 1 f, 14 f).
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Die Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes unterscheidet sich allerdings wesentlich von kurzfristigen Entgeltersatzleistungen iS des § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB IV, die bei einem schutzwürdigen Wegfall des Arbeitsentgelts (infolge Unfalls, Krankheit, Arbeitslosigkeit etc) den individuellen Lebensstandard des Betroffenen für einen vorübergehenden Zeitraum erhalten sollen. Das den Ausgleich nach dem BEEG begründende Ereignis (Geburt eines Kindes und die erforderliche Betreuung) ist kein Schicksalsschlag, mit dem zwingend der Ausfall von Erwerbseinkommen einhergeht. Aus diesem Grund ist das Elterngeld im Bezugszeitraum auch als subsidiäre Unterstützungsleistung ausgestaltet, auf die gleichzeitig bezogene einkommensersetzende Leistungen angerechnet werden (vgl § 3 Abs 2 Satz 1 BEEG). Gleichwohl ist das Elterngeld in seiner Einkommensersatzfunktion eine Ausgleichsleistung; es verbindet die Leistungsgewährung nicht mit der Verwirklichung eines bestimmten Erwerbsrisikos, sondern mit einer typischen - aber hinsichtlich individueller Einkommenseinbußen unterschiedlich ausgeprägten - allgemeinen Bedarfslage (vgl Becker in Festschrift für Herbert Buchner, 2009, 67, 77, 78). Die als Anreiz zur Entscheidung für ein Kind gedachte Förderleistung Elterngeld knüpft in ihrer einkommensersetzenden Funktion insoweit allein an das Einkommen aus Erwerbstätigkeit an, das die vorgeburtliche Lebenssituation geprägt hat. Trotz der genannten Unterschiede folgt der Gesetzgeber damit zugleich in gewisser Weise auch der kurzfristigen Entgeltersatzleistungen im Allgemeinen zugrunde liegenden Regel, dass jeder seinen Bedarf (und evtl denjenigen seiner Angehörigen) durch eigene Erwerbstätigkeit zu decken hat und dem Berechtigten bei einem Einkommensausfall aus besonderen Gründen die Erhaltung seines individuellen Einkommensstandards ermöglicht wird (vgl Buchner/Becker, MuSchG - BEEG, 8. Aufl 2008, § 2 BEEG RdNr 8).
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Selbst bei kurzfristigen Entgeltersatzleistungen wird von der Referenzgröße des Einkommens aus Erwerbstätigkeit (bzw des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts oder -einkommens iS der §§ 14 f SGB IV) nur in Ausnahmefällen abgewichen. So erhalten Bezieher von Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld bei Krankheit unter bestimmten Voraussetzungen Krankengeld nach § 47b SGB V, Verletztengeld nach § 47 Abs 2 Satz 1 SGB VII oder Versorgungskrankengeld nach § 16b Abs 5 Buchst c Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sinn und Zweck dieser Leistungen ist der Ersatz für eine entgehende Sozialleistung (vgl zu § 47b SGB V: BSG Urteil vom 7.12.2004 - B 1 KR 5/03 R - BSGE 94, 19 = SozR 4-2500 § 44 Nr 3, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.9.2002 - B 1 KR 11/02 R - BSGE 90, 72, 77 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 34 f; BSG Urteil vom 2.11.2007 - B 1 KR 38/06 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 18). Diese Zielrichtung wird vom Elterngeld ersichtlich nicht verfolgt (ebenso LSG Schleswig-Holstein Urteil vom 22.2.2010 - L 1 EG 6/08 - juris RdNr 32; ähnlich LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 30.1.2009 - L 13 EG 48/08 - juris RdNr 3).
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Nicht nur wegen der besonderen familienpolitischen Zielsetzung des Elterngeldes, sondern auch wegen des weit gefassten Kreises der Berechtigten ist es als sachgerecht anzusehen, dass der Gesetzgeber die Leistungsbemessung eng an die vorangegangene Erzielung von Erwerbseinkommen angeknüpft und dabei "Entgeltersatzleistungen" wie das Streikgeld unberücksichtigt gelassen hat. Anderenfalls wäre es insbesondere im Vergleich zu Berechtigten mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit zu problematischen Ungleichbehandlungen gekommen. Denn diese Personenkreise haben regelmäßig keinen Zugang zu entsprechenden Ersatzleistungen.
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bbb) Der Gesetzgeber des BEEG musste im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG auch keine Ausgleichsmöglichkeit für Berechtigte vorsehen, die in den letzten 12 Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes Arbeitsentgeltausfälle wegen der Teilnahme an Streikmaßnahmen hatten. Insbesondere war er nicht gehalten, diesen Personenkreis mit solchen Berechtigten gleichzustellen, die iS von § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG Elterngeld für ein älteres Kind bzw Mutterschaftsgeld bezogen oder wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommenseinbußen erlitten haben.
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Allerdings werden bei kurzfristigen Entgeltersatzleistungen iS des § 18a Abs 3 Satz 1 SGB IV zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse Zeiten, die aus besonderen Gründen während des Bemessungszeitraums ohne repräsentatives Erwerbseinkommen sind, nicht in die Bemessung der Leistungshöhe einbezogen. Dies gilt zum einen für Entgeltersatzleistungen, die bei einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis das entgehende Gehalt kompensieren sollen, in Fällen von "Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis" (vgl etwa § 11 Abs 1 Satz 3 BUrlG; § 11 Abs 2 Satz 2 MuSchG; § 200 Abs 2 Satz 3 RVO; § 14 Abs 1 Satz 4 MuSchG) und zum anderen unter bestimmten Voraussetzungen (vgl § 130 Abs 2 SGB III; siehe dazu BT-Drucks 15/1515 S 85) auch für das Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (§ 117 Abs 1 Nr 1 SGB III). Diese mitunter sehr differenzierten Regelungen verwirklichen das die Sozialversicherung prägende Versicherungsprinzip (vgl hierzu BVerfGE 59, 36, 49 ff; 63, 152, 171), nach dem im Grundsatz eine Äquivalenz von Beitrag und Leistung bestehen muss.
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Demgegenüber sieht das BEEG eine Privilegierung von Einkommensausfall nur in Ausnahmefällen für Sachverhalte vor, die - nach der hier maßgeblichen Rechtslage - in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Förderzweck des Elterngeldes stehen (vgl § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG in der hier maßgeblichen Fassung vom 5.12.2006); Einkommensminderungen oder -ausfälle aufgrund allgemeiner Erwerbsrisiken (zB Streik, Krankheit, Arbeitslosigkeit etc) werden grundsätzlich nicht bei der Bemessung der Leistungshöhe berücksichtigt. Einer solchen Ausgestaltung steht Art 3 Abs 1 GG nicht entgegen, zumal der Gesetzgeber bei der Gewährung steuerfinanzierter Leistungen nicht an das versicherungstypische Gegenseitigkeitsverhältnis von Beiträgen und Leistungen (vgl jüngst zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - juris RdNr 36) gebunden ist.
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Durch die eng begrenzten Ausnahmefälle in § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG hat der Gesetzgeber eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Risikoverteilung vorgenommen. Einkommenseinbußen aus Gründen, die nicht direkt mit dem Zweck des Elterngeldes zusammenhängen, werden dem Risikobereich des Berechtigten zugeordnet. Zwar verzichtet der Gesetzgeber damit auf einen - möglicherweise wünschenswerten (vgl dazu Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes eV vom 1.9.2008, Ausschuss-Drucks 16(13)371c NEU zu BT-Drucks 16/9415) - sozialen Ausgleich, er orientiert sich jedoch in noch sachgerechter Weise an dem von ihm verfolgten Ziel eines (teilweisen) Ersatzes von Erwerbseinkommen, das durch die erfolgende Kindesbetreuung entfällt. Die Behebung sozialer Notlagen hat er insoweit anderen sozialen Sicherungssystemen überlassen (vgl Buchner/Becker, MuSchG-BEEG, 8. Aufl 2008, § 2 BEEG RdNr 8).
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ccc) Ein gewichtiger sachlicher Grund für die Ausgestaltung der Bemessungsmethode nach § 2 Abs 1 und 7 BEEG liegt auch in der Praktikabilität bei der Leistungsgewährung(vgl hierzu allg Heun in Dreier, GG, 2. Aufl 2004, Art 3 RdNr 33). So muss im Bemessungszeitraum nicht nach einem bestehenden, unterbrochenen oder beendetem Beschäftigungsverhältnis oder nach dem Grund der Einkommenseinbußen aus Erwerbstätigkeit unterschieden werden. Die hiermit sonst verbundenen Schwierigkeiten lassen sich zB an dem sehr differenziert ausgestalteten Bemessungsrecht beim Arbeitslosengeld (vgl §§ 129 ff SGB III) unschwer erkennen.
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Bei dem grundlegenden Systemwechsel ist dem Gesetzgeber zudem zur sachgerechten Überleitung des alten in den neuen Rechtszustand ein angemessener Zeitraum zu gewähren, in dem er nach Überprüfung der erzielten Ergebnisse auf Unstimmigkeiten im Einzelfall reagieren kann (vgl BVerfG Urteil vom 13.6.1979 - 1 BvL 27/76 - BVerfGE 51, 257, 268; BVerfGE 49, 192, 210). Ob der Gesetzgeber durch die Anfügung des Satzes 7 an § 2 Abs 7 BEEG zum 24.1.2009 (vgl Art 1 Nr 1 Buchst a Erstes Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, BGBl I 61) einen sachgerechten Schritt getan hat, kann hier offenbleiben.
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dd) Die Gleichbehandlung der Klägerin mit Personen, die in dem Bemessungszeitraum an Stelle von Streikgeld soziale Entgeltersatzleistungen (zB Krankengeld, Arbeitslosengeld) oder Existenz sichernde Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bezogen haben, bei der Bemessung des Elterngeldes verstößt ebenfalls nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Beide Vergleichsgruppen haben nach dem gesetzlichen Differenzierungskriterium insoweit kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 BEEG erzielt. Sie werden demnach in dieser Beziehung sachgerechterweise gleich behandelt.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt das Teilobsiegen der Klägerin im Klageverfahren infolge des Teilabhilfebescheids vom 14.7.2009, mit dem der Beklagte über die zunächst mit Bescheid vom 15.1.2008 bewilligte Leistungshöhe von monatlich 695,54 Euro hinaus einen monatlichen Elterngeldanspruch in Höhe von 768,99 Euro zuerkannt hat. Unter Berücksichtigung ihres Klageantrags hat die Klägerin erstinstanzlich einen Anspruch in Höhe von ca 820 Euro je Monat verfolgt.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes der Klägerin, insbesondere über die Berücksichtigung von Zeiten des Bezugs von Krankengeld bei der Leistungsbemessung.
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Nach der Geburt ihres Sohnes L. am 2.1.2007 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld, das ihr vom beklagten Freistaat mit Bescheid vom 5.3.2007 für den Zeitraum vom 2.1.2007 bis 1.1.2008 in Höhe von monatlich 824,60 Euro unter Berücksichtigung ihres in der Zeit von November 2005 bis Oktober 2006 erzielten Entgelts aus nichtselbstständiger Arbeit bewilligt wurde. Wegen der Anrechnung von Mutterschaftsgeld betrug der Auszahlungsbetrag im ersten Monat (2.1. bis 1.2.2007) 0,00 Euro und im zweiten (2.2. bis 1.3.2007) 58,90 Euro. Bei der Leistungsberechnung wurde das von der Klägerin in dem Zeitraum vom 26.3. bis 9.4.2006 wegen einer nicht schwangerschaftsbedingten Erkrankung bezogene Krankengeld in Höhe von insgesamt 671,40 Euro nicht berücksichtigt. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.5.2007 zurück.
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Die Klägerin hat gegen diese Entscheidung beim Sozialgericht (SG) München Klage erhoben, die durch Urteil vom 13.11.2007 abgewiesen worden ist. Das SG hat die Berufung gegen diese Entscheidung nicht im Urteil zugelassen; in der Rechtsmittelbelehrung heißt es, dass das Urteil mit der Berufung angefochten werden könne.
- 4
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Die Klägerin hat gegen das ihr am 11.2.2008 zugestellte Urteil des SG am 10.3.2008 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) zunächst Berufung eingelegt, diese auf gerichtlichen Hinweis zurückgenommen und am 12.6.2009 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Daraufhin hat das LSG in der mündlichen Verhandlung vom 24.6.2009 die Berufung gegen das Urteil des SG durch Beschluss zugelassen und dieses Rechtsmittel mit Urteil vom selben Tag zurückgewiesen. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt:
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Krankengeld und sonstige Lohnersatzleistungen stellten kein Einkommen iS des § 2 Abs 1 Bundeserziehungsgeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) dar. Denn sie seien nach § 3 Nr 1 Buchst a Einkommensteuergesetz (EStG) einkommensteuerfrei und unterlägen nach § 32g Abs 1 Nr 1 Buchst b EStG lediglich dem sog Progressionsvorbehalt. Eine planwidrige Regelungslücke liege hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von Krankengeld als Einkommen oder als sog "Hinausschiebenstatbestand" iS des § 2 Abs 7 Satz 6 Alt 2 BEEG ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien(Hinweis auf Ausschussbericht, BT-Drucks 16/2785 S 37 zu Art 1 § 2) nicht vor. Auch seien diese Regelungen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG vereinbar.
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Vergleiche man die Klägerin mit der Gruppe derjenigen Personen, deren Lohneinkommen im Bemessungszeitraum infolge schwangerschaftsbedingter Erkrankung eine Unterbrechung erfahre und die durch den "Hinausschiebenstatbestand" iS des § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG privilegiert würden, sei diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Die in § 2 Abs 7 Satz 6 BEEG geregelten Fälle hätten nämlich einen engen Bezug zum Förderungszweck des Elterngeldes. Gegenüber denjenigen Personen, die an Stelle von Lohnersatzleistungen im Bemessungszeitraum Lohneinkommen erhalten haben, sei die Nichtberücksichtigung des Krankengeldes bei der Leistungsberechnung ebenfalls gerechtfertigt. Zum einen sei Krankengeld als Lohnersatzeinkommen im Gegensatz zu Arbeitslohn von der Einkommensteuerpflicht freigestellt und zum anderen würden sich Lohneinkommen und Lohnersatzeinkommen auch sonst wesentlich unterscheiden.
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Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers erlaube es, die Berechnung der allein steuerfinanzierten Sozialleistung Elterngeld an den steuerrechtlichen Einkommensbegriff anzulehnen. Der Gesetzgeber knüpfe damit an das aufgrund von Erwerbstätigkeit "Verdiente" an und nicht an eine Versicherungsleistung, die einen Ausgleich für - im Falle des Krankengeldes krankheitsbedingt - entgangenes Arbeitsentgelt bezwecke. Das Elterngeld stelle insoweit selbst eine Lohnersatzleistung dar, nicht aber eine "Lohnersatzersatzleistung". Krankengeld und steuerpflichtiger Arbeitslohn seien auch nicht wegen des durch Versicherungsbeiträge erworbenen Anspruchs auf diese Lohnersatzleistung im Rahmen der Elterngeldbemessung gleichzustellen, da Elterngeld als steuerfinanzierte Leistung gerade keinen Sozialversicherungsbezug aufweise. Dem Elterngeld liege keine Beitragszahlung zugrunde, die eine Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips auf der Leistungsseite erfordere.
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Der Gesetzgeber habe sich mit dieser Ausgestaltung auch nicht in Widerspruch zu dem im BEEG manifestierten Regelungswillen oder der entwickelten Systematik der Regelungsmaterie gesetzt. Ebenso wenig sei unter Berücksichtigung des Förderzwecks des BEEG eine sachliche Differenzierung nach dem Grund der Einkommenseinbuße geboten, etwa im Hinblick auf die soziale Wertigkeit oder auf Freiwilligkeit bzw Unfreiwilligkeit. Eine solche Unterscheidung liefe auf eine Einzelfallprüfung hinaus, die einer generellen Regelung kaum zugänglich wäre.
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Schließlich sei Art 6 Abs 1 GG nicht verletzt, da der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, werdende Familien bei der Bemessung von Familienleistungen von Leistungsverschlechterungen aufgrund eines sich realisierenden allgemeinen Lebensrisikos auszunehmen, das alle Bürger treffen könne und keinen unmittelbaren Familien-, Erziehungs- und Schwangerschaftsbezug habe.
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Mit ihrer vom LSG zugelassenen, beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegten Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Nach § 2 BEEG sei nicht ausschließlich auf den Begriff des Erwerbseinkommens im einkommensteuerrechtlichen Sinn abzustellen; insbesondere sei gemäß § 2 Abs 3 BEEG auch die Berücksichtigung von fiktivem Einkommen möglich. Weiterhin werde sie als Bezieherin von durch abgeführte Sozialversicherungsbeiträge erworbenem Krankengeld bei der Bemessung des Elterngelds unter Verletzung des Art 3 Abs 1 GG mit Beziehern beitragsunabhängiger Sozialleistungen, zB nach dem SGB II oder SGB XII, gleich behandelt. Bei der Bemessung des Elterngelds sei eine Ungleichbehandlung von erkrankten und gesunden Elternteilen ebenfalls nicht mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Schließlich seien nach der Geburt des Kindes Erkrankte schlechter gestellt als berechtigte Personen, die Resturlaub in Anspruch nähmen, da dieser Resturlaub bei der Berechnung des Elterngeldes berücksichtigt werde.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2009 und des Sozialgerichts München vom 13. November 2007 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 5. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des in den Monaten März und April 2006 erfolgten Bezuges von Krankengeld zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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Er trägt ua vor: Auch unter Berücksichtigung der Rügen der Klägerin sei eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes durch die Nichtberücksichtigung des Krankengeldes bei der Bemessung des Elterngeldes nicht ersichtlich. § 2 Abs 3 BEEG enthalte lediglich einen Höchstbetrag für das vor der Geburt anzusetzende Einkommen, ohne dass etwa steuerfreies oder gar fiktives Einkommen bei der Bemessung des Elterngeldes berücksichtigt werde. Darüber hinaus sei der Einkommensbegriff iS des § 2 Abs 1 und 7 BEEG gemessen an dem Förderzweck des BEEG mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Elterngeld diene dem Ausgleich von Einkommenseinbußen, die der das Kind betreuende Elternteil durch die Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit erleide. Das Anknüpfen an das einkommenssteuerpflichtige Erwerbseinkommen bei der Bemessung des Elterngeldes sei insoweit sachgerecht. Auch der Umstand, dass Krankengeld - anders als zB Sozialhilfeleistungen - eine beitragsabhängige Lohnersatzleistung sei, gebiete bei der Bemessung des Elterngeldes keine Gleichbehandlung dieser Leistung mit (steuerpflichtigem) Erwerbseinkommen. Andere Lohnersatzleistungen - etwa das Arbeitslosengeld oder das Kurzarbeitergeld - würden ebenfalls nicht bei der Bemessung des Elterngeldes angerechnet und insofern gleich behandelt. Auf den Einwand der Klägerin, ein erkrankter Elternteil werde im Vergleich zu einem gesunden schlechter behandelt, sei eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG ebenfalls nicht ersichtlich; das Gesetz differenziere nicht nach dem Gesundheitszustand, sondern ausschließlich nach dem Einkommen des Anspruchsinhabers. Auch die Berücksichtigung von Erwerbseinkommen, das während des Resturlaubs nach der Geburt gezahlt werde, bedinge keine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG; vielmehr könne ein solcher Arbeitsentgeltbezug zu einer Kürzung des Elterngeldes nach § 2 Abs 3 BEEG oder auch zu einem Wegfall des Elterngeldes nach § 1 Abs 6 BEEG führen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
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1. Zwar ist die Statthaftigkeit des angefochtenen Urteils grundsätzlich im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen (vgl BSG Urteil vom 30.3.2000 - B 3 KR 19/99 R - BSGE 86, 86, 87 = SozR 3-6855 Art 10d Nr 1 S 2 mwN), der Senat hat hier jedoch nicht darüber zu befinden, ob das LSG die Berufung verfahrensfehlerfrei durch Beschluss vom 24.6.2009 zugelassen hat. Zweifel könnten insoweit bestehen, als das LSG die Berufung gegen das am 11.2.2008 zugestellte erstinstanzliche Urteil, dem wegen des Nichterreichens des nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Satz 2 SGG idF vom 1.4.2008 (BGBl I 444) maßgeblichen Beschwerdewerts von 750 Euro eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung (Berufung) beigefügt gewesen sein dürfte, zugelassen hat, ohne hinsichtlich der erst am 12.6.2009 - also nach Ablauf der Jahresfrist iS des § 66 Abs 2 Satz 1 SGG - eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden(vgl hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 66 RdNr 13b und § 144 RdNr 45a mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist indes die im Beschwerdeverfahren getroffene Entscheidung des LSG über die Eröffnung des Berufungsrechtszuges für das Revisionsgericht bindend (vgl BSG Urteil vom 3.6.2004 - B 11 AL 75/03 R - SozR 4-1500 § 144 Nr 1 RdNr 6; BSG Urteil vom 30.3.2000 - B 3 KR 19/99 R - BSGE 86, 86, 87 = SozR 3-6855 Art 10d Nr 1 S 2 f).
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2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG) verfolgte Anspruch der Klägerin auf höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des Bezugs von Krankengeld in der Zeit vom 26.3. bis 9.4.2006. Wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, besteht ein solcher Anspruch nicht.
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a) Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Das Kind muss nach dem 31.12.2006 geboren sein (vgl § 27 Abs 1 BEEG, Art 3 Abs 1 Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748; vgl hierzu auch BSG Urteil vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1). Ob im Fall der Klägerin sämtliche Voraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG erfüllt sind, vermag der Senat anhand der Tatsachenfeststellungen des SG nicht zu beurteilen. Das ist hier unschädlich, weil die Klägerin jedenfalls kein höheres Elterngeld beanspruchen kann.
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b) Die Höhe des Elterngeldes richtet sich gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG nach dem in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Es beträgt 67 % dieses durchschnittlichen Einkommens, höchstens 1800 Euro monatlich. § 2 Abs 5 BEEG sieht ein Mindestelterngeld in Höhe von monatlich 300 Euro vor.
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aa) Der nach den gesetzlichen Vorgaben maßgebende Bemessungszeitraum von zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt (am 2.1.2007) erstreckt sich hier zunächst von Januar bis Dezember 2006. Dazu bestimmt § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG idF vom 5.12.2006 (BGBl I 2748; die Anfügung des Satzes 7 durch Art 1 Nr 1 Buchst a Erstes Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, BGBl I 61, erfolgte mit Wirkung vom 24.1.2009 und ist deshalb hier unbeachtlich):
Kalendermonate, in denen die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes ohne Berücksichtigung einer Verlängerung des Auszahlungszeitraumes nach § 6 Satz 2 Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, bleiben bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zu Grunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt. Das Gleiche gilt für Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung oder dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist.
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Da die Klägerin ab November 2006 wegen der bevorstehenden Geburt Mutterschaftsgeld bezogen hat, bleiben danach die Monate November und Dezember 2006 bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums unberücksichtigt, so dass in dem angefochtenen Bescheid rechtsfehlerfrei auf den Zeitraum von November 2005 bis Oktober 2006 abgestellt worden ist. Im Übrigen sind die Ausnahmetatbestände des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG nicht einschlägig. Nach den Feststellungen des LSG litt die Klägerin während des Bezuges von Krankengeld nicht an einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung.
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Die bei unklarem oder nicht eindeutigem Wortlaut zur Auslegung gesetzlicher Bestimmungen heranzuziehenden Gesichtspunkte des Bedeutungszusammenhanges, der Regelungsabsicht, des Sinnes und Zweckes des Gesetzes, der Gesetzesentwicklung oder des Gebotes einer verfassungskonformen Auslegung - letztere begehrt die Klägerin sinngemäß - sind hier nicht zu erörtern, denn der eindeutige Wortsinn einer gesetzlichen Vorschrift ist die Grenze jeder Auslegung (Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, 143 mwN, s Bundesverfassungsgericht
, BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81) . Eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung ist nicht möglich.
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Eine Erweiterung des Gesetzesinhalts auf den Fall der Klägerin lässt sich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere mittels eines Analogieschlusses erreichen. Es fehlt an einer erkennbaren Unvollständigkeit des Gesetzes. Der Senat hat bereits zu der Nichtberücksichtigung der Elternzeit für ein älteres Kind ohne Elterngeldbezug entschieden, dass die gesetzlichen Ausnahmetatbestände aus § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG vom Wortlaut her ausdrücklich und klar geregelt sind; der Gesetzgeber wollte allein diese Sachverhalte privilegieren und bei der Bestimmung des für die Bemessung des Elterngeldes maßgebenden Zwölf-Monatszeitraums unberücksichtigt lassen (vgl Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 31-34). Das Gesetz ist auch im Hinblick auf Einkommenseinbußen wegen Krankheit nicht lückenhaft. Vielmehr hat der Gesetzgeber gezielt nur die Fälle einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung begünstigen wollen. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich vielmehr, dass der "Wegfall oder das Fehlen von Erwerbseinkommen aus anderen Gründen wie zum Beispiel der Arbeitsmarktlage oder anderen konkreten Lebensumständen" nicht zu einer Verschiebung des Bemessungszeitraums führen soll (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20 zu § 2 Abs 1 Satz 2 und 3 BEEG-Entwurf, dessen Regelungen in der Gesetz gewordenen Fassung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG vereinheitlicht worden sind, vgl BT-Drucks 16/2785 S 38).
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bb) Ist danach im vorliegenden Fall bei der Leistungsbemessung auf die Zeit von November 2005 bis Oktober 2006 abzustellen, wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG das insoweit erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit berücksichtigt, und zwar nach § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG nach Maßgabe des § 2 Abs 7 bis 9 BEEG. Damit knüpft das BEEG an den einkommensteuerrechtlichen Einkommensbegriff iS des § 2 EStG an(vgl hierzu BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 20 f). Von den sieben im Grundtatbestand des § 2 Abs 1 Satz 1 EStG aufgeführten Einkunftsarten sind nur die (Erwerbs-)Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (Nr 1), Gewerbebetrieb (Nr 2), selbstständiger Arbeit (Nr 3) und nichtselbstständiger Arbeit (Nr 4) erheblich.
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Nach den gesetzlichen Vorgaben ist das von der Klägerin bezogene Krankengeld unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG. Es fällt nach Auffassung des Senats insbesondere nicht unter den Begriff der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG.
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Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sind nach § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG insbesondere Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Zwar enthält auch § 19 Abs 1 EStG keine abstrakt generelle Definition des Begriffs der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern nur eine beispielhafte Umschreibung der Einkünfte iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG. Daraus ist indes zu erschließen, dass jedenfalls alle Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer erfasst sind, die durch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers veranlasst sind. Alle Einnahmen aus dem Arbeitsverhältnis sind daher Arbeitslohn (vgl BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 28 mwN; Eisgruber in Kirchhof, EStG, 9. Aufl 2010, § 19 RdNr 13,15; Drenseck in Schmidt, EStG, 29. Aufl 2010, § 19 RdNr 16, 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müssen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG im weitesten Sinne Gegenleistungscharakter aufweisen, also "für eine Beschäftigung" gewährt werden bzw als Frucht der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu betrachten sein(jüngst BFH Urteil vom 20.5.2010 - VI R 41/09 - BFHE 229, 346, 348 f mwN; vgl auch BFH Urteil vom 26.5.1998 - VI R 9/96 - BFHE 186, 247, 250). Dabei ist die Frage, ob eine Zuwendung Ertrag der Arbeitsleistung ist, danach zu beurteilen, wozu die Zahlung erfolgt ist, und nicht danach, wer die Zahlung vorgenommen hat. Denn es können auch Bar- oder Sachzuwendungen Dritter Arbeitslohn darstellen, soweit sie der Arbeitnehmer vernünftigerweise als Frucht seiner Leistung für den Arbeitgeber ansehen muss (BFH Urteil vom 26.5.1998 - VI R 9/96 - BFHE 186, 247, 250; BFH Urteil vom 5.7.1996 - VI R 10/96 - BFHE 180, 441, 442 f).
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Bereits das Merkmal des Gegenleistungscharakters fehlt dem Krankengeld. Rechtsgrund für die Leistungsgewährung ist das Versicherungs- (vgl § 44 Abs 1 SGB V bzw § 47b Abs 1 Satz 1 SGB V) und nicht das Beschäftigungsverhältnis (§ 611 Abs 1 BGB). Es ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, die der beschäftigte Versicherte - ggf nach Ablauf der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber (vgl § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz
) - erhält, weil er wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit seinen Gegenleistungsanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber verloren hat (§ 326 Abs 1 Halbs 1, § 275 Abs 1 BGB iVm § 611 Abs 1 BGB). Es entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung zum zu versteuernden Arbeitslohn gehören und damit auch die Verschaffung eines solchen gesetzlichen oder privaten Versicherungsschutzes durch den Arbeitgeber grundsätzlich Arbeitslohn darstellt (BFH Beschluss vom 11.9.2007 - VI B 146/05 - juris RdNr 3; BFH Beschluss vom 29.10.2004 - XI B 170/03 - juris RdNr 3). Demgegenüber sind jedoch die Leistungen aus diesem Versicherungsverhältnis, die nicht lediglich dem Arbeitgeber zustehen, sondern auf einem eigenen Anspruch des Arbeitnehmers beruhen, regelmäßig auch dann kein Arbeitslohn, wenn der Versicherungsschutz im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gewährt wird (BFH Urteil vom 26.5.1998 - VI R 9/96 - BFHE 186, 247 - juris RdNr 14). Aus diesem Grund ist Krankengeld kein Arbeitslohn iS des § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG.
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Da Krankengeld bereits kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4, § 19 Abs 1 EStG ist, kommt es nicht darauf an, dass diese Sozialleistung gemäß § 3 Nr 1 Buchst a EStG von der Steuer befreit ist. Die in § 3 EStG geregelten Tatbestände der Steuerbefreiung sind nach den gesetzlichen Vorgaben - wie sie das LSG zu Recht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat - bereits bei der Ermittlung der Einkünfte nach dem objektiven Nettoprinzip gemäß § 2 Abs 1 und Abs 2 EStG zu prüfen(vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 20 ff mwN). Dies hat zur Folge, dass steuerfreie Beträge steuerrechtlich weder als steuerpflichtige Einnahmen noch als steuerpflichtige Einkünfte noch als steuerpflichtiges Einkommen behandelt werden dürfen und das Krankengeld auch aus diesem Grund der Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG nicht zugrunde gelegt werden darf.
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cc) Unter Berücksichtigung der danach maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten hat der Beklagte die Höhe des Elterngeldes der Klägerin mit Bescheid vom 5.3.2007 rechtsfehlerfrei berechnet, indem er auf der Grundlage des von November 2005 bis Oktober 2006 tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts der Klägerin ein durchschnittliches monatliches Nettoerwerbseinkommen in Höhe von 1230,75 Euro ermittelt und daraus den monatlichen Elterngeldanspruch der Klägerin von 824,60 Euro abgeleitet hat.
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3. Nach Auffassung des Senats verstoßen die hier einschlägigen Bestimmungen des BEEG nicht gegen das GG.
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a) Der Senat hält daran fest, dass das BEEG im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 74 Abs 1 Nr 7 GG wirksam erlassen worden ist (vgl BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 36 ff mwN; Verfassungsbeschwerde anhängig unter 1 BvR 2712/09). Dabei versteht er den in Art 74 Abs 1 Nr 7 GG verwendeten Begriff der öffentlichen Fürsorge in einem weiten Sinne. Das Elterngeld wird davon umfasst, weil es dazu beitragen soll, die Lebensgrundlagen junger Familien zu sichern und diese vor dem Eintritt einer finanziellen Bedarfslage zu bewahren (vgl BSG aaO RdNr 39; siehe allgemein dazu auch Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl 2009, Art 74 RdNr 35 f mwN). Bemerkenswert ist insoweit, dass das BVerfG auch die Regelung in § 90 SGB VIII über die Staffelung von Kindergartenbeiträgen nach dem Familieneinkommen dem Art 74 Abs 1 Nr 7 GG zugeordnet hat(vgl BVerfGE 97, 332, 341 f).
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Ebenso wenig vermag der Senat dem Art 74 Abs 1 Nr 7 GG eine mangelnde Kompetenz des Bundes zur Einführung steuerfinanzierter Einkommensersatzleistungen zu entnehmen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Ausgestaltung der Leistung einem weit verstandenen Begriff der öffentlichen Fürsorge entspricht. Das ist beim Elterngeld der Fall. Die Orientierung an Bedarfslagen zeigt sich insbesondere an dem Basisbetrag von 300 Euro (§ 2 Abs 5 Satz 1 BEEG), der Begünstigung von Geringverdienern (§ 2 Abs 2 BEEG) und Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG), dem "Geschwisterbonus" (§ 2 Abs 4 BEEG) sowie der Festlegung eines Höchstbetrages von 1800 Euro (§ 2 Abs 1 Satz 1 BEEG).
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In den Genuss des Höchstbetrages kommen Bezieher ab einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von rund 2700 Euro. Selbst dieser Betrag ist kein hohes Erwerbseinkommen, sondern wird von vielen Arbeitnehmern der mittleren Bildungsebene - unter Umständen mit steuerpflichtigen Mehrarbeitszuschlägen - erreicht (vgl Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2010, S 535 über die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste im Jahr 2009 ua in der Leistungsgruppe 3 - Fachkräfte -, siehe S 531). Das Elterngeld fördert damit schwerpunktmäßig Erziehende, die im Bemessungszeitraum kleinere bis mittlere Einkommen erzielt haben. Diese Einschätzung wird erhärtet durch die Zahlen über die Höhe des Elterngeldes von Personen, die in der Zeit von Januar 2007 bis Juni 2008 einen Antrag gestellt haben. Von allen Leistungsbeziehern erhielten 53,4 % ein Elterngeld von 300 bis 500 Euro, 28,4 % von 500 bis unter 1000 Euro, 11,4 % von 1000 bis unter 1500 Euro und 6,8 % von 1500 bis 1800 Euro (siehe Bericht der Bundesregierung vom 30.10.2008 über die Auswirkungen des BEEG sowie über die ggf notwendige Weiterentwicklung, BT-Drucks 16/10770 S 12 Tabelle 3).
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Schließlich bleibt der Senat auch bei seiner Beurteilung, dass dem Gesetzgebungsrecht des Bundes Art 72 Abs 2 GG nicht entgegensteht (vgl BSG aaO RdNr 40). Für das BEEG ist die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zu bejahen.
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b) § 2 Abs 1 und 7 BEEG verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz in Art 3 Abs 1 GG(iVm Art 6 Abs 1, Art 20 Abs 1 GG), soweit danach der Bezug von Krankengeld, das an die Stelle ausgefallenen Arbeitsentgelts getreten ist, bei der Elterngeldberechnung nicht berücksichtigt wird.
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Art 3 Abs 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Dieser hat gerade auch im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten Abschnitt des BEEG gehören (§ 6, § 25 Abs 2 Satz 2, § 68 Nr 15a SGB I), einen weiten Gestaltungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist grundsätzlich erst dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG seit BVerfGE 55, 72, 88; vgl jüngst BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55; BVerfGE 117, 272, 300 f). Umgekehrt verbietet Art 3 Abs 1 GG auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung als sachwidrig erscheinen lassen (vgl Jarras in Jarras/Pieroth, GG, 11. Aufl 2011, Art 3 RdNr 8 mwN).
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Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 mwN; 110, 412, 436; stRspr). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 21, 12, 26; 23, 242, 252). Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen (vgl BVerfGE 17, 319, 330; 53, 313, 329; 67, 70, 85 f; stRspr). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt insoweit seine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl BVerfGE 75, 108, 157). Das BVerfG legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlich strengen Prüfungsmaßstab an (vgl zusammenfassend BVerfGE 88, 87, 96 f; 105, 73, 110 f = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 173). So muss der Gesetzgeber im Bereich staatlicher Maßnahmen, welche die Familie betreffen, den Schutz beachten, den er dieser nach Art 6 Abs 1 GG schuldet (vgl BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55). Darüber hinaus kann im vorliegenden Zusammenhang auch das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) von Bedeutung sein.
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Der Gesetzgeber war zunächst durch das Gleichbehandlungsgebot nicht gehindert, bei der Bemessung des Elterngeldes überhaupt an das zuvor erzielte Erwerbseinkommen anzuknüpfen. Für die dadurch bedingte Ungleichbehandlung von Berechtigten, die im Bemessungszeitraum durchgängig ein volles (ungeschmälertes) Arbeitsentgelt erzielt haben, und solchen, bei denen das - wie bei der Klägerin - nicht der Fall ist, gibt es hinreichende sachliche Gründe (aa). Dabei durfte der Bemessungszeitraum grundsätzlich auf 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes beschränkt werden, was zu einer Benachteiligung von Personen führt, die nur für weiter zurückliegende Zeiträume einen lückenlosen Arbeitsentgeltbezug vorweisen können (bb). Speziell ist es gerechtfertigt, dass die Klägerin als Bezieherin von Krankengeld ungünstiger behandelt wird als Berechtigte, die im Bemessungszeitraum durchgängig Arbeitsentgelt bezogen haben oder bei denen in den 12 Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes liegende Arbeitsentgeltausfälle gemäß § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums unberücksichtigt bleiben (cc). Entsprechendes gilt für die Gleichbehandlung der Klägerin mit Personen, die in der betreffenden Zeit Leistungen zur Existenzsicherung nach dem SGB II oder SGB XII erhalten haben (dd) sowie für die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber Berechtigten, die im Krankheitsfall keine Einkommensverluste erleiden (ee). Schließlich wird die Klägerin - entgegen ihrer Annahme - weder gegenüber dem von § 2 Abs 3 BEEG betroffenen Personenkreis noch gegenüber Berechtigten, die nach der Geburt des Kindes Resturlaub haben, sachwidrig benachteiligt (ff).
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aa) Durch das BEEG hat der Gesetzgeber einen Systemwechsel gegenüber dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) vorgenommen. Während das Erziehungsgeld eine von der Bedürftigkeit der antragstellenden Person abhängige Leistung (§ 4 Abs 1 BErzGG, § 5 Abs 3 BErzGG)mit pauschaler, begrenzter Höhe (nach § 5 Abs 1 BErzGG monatlich 450 bzw 300 Euro)war, ist das Elterngeld über den Basisbetrag von 300 Euro und den Basisgeschwisterbonus von 75 Euro hinaus als Leistung ausgestaltet, die das vor der Geburt liegende Erwerbseinkommen des Berechtigten bis zum Höchstbetrag von 1800 Euro (§ 2 Abs 1 BEEG) ersetzt (vgl BSG Urteile vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1, RdNr 19, und vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 55; siehe allgemein auch Pauli in Hambüchen, BEEG-EStG-BKGG Komm, § 2 BEEG RdNr 2; Jung SGb 2007, 449; Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, 2007, RdNr 31, 33). Dabei kommt den Basisbeträgen ersichtlich der Zweck einer einheitlichen Honorierung der Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu (vgl Fuchsloch/Scheiwe, aaO RdNr 43), was durch die Erhöhung um je 300 Euro bei Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG) untermauert wird. Hinsichtlich der darüber hinaus möglichen Leistungshöhe, die sich nach dem vor der Geburt des Kindes erzielten Erwerbseinkommen richtet (§ 2 Abs 1 BEEG), ergibt sich eine Ungleichbehandlung zwischen Berechtigten je nach dem Vorhandensein und der Höhe entsprechender Einkünfte. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist diese Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt (vgl dazu bereits BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 56 ff).
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aaa) Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Anknüpfen an das Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei der Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 BEEG ein legitimes Differenzierungsziel.
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Ziel des Elterngeldes ist es vor allem, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern (vgl die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, soll einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes erhalten (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Durch die Betreuung des Kindes sollen die Eltern keine allzu großen Einkommenseinbußen befürchten müssen (vgl Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des BEEG vom 30.10.2008, BT-Drucks 16/10770 S 5 f). Das Elterngeld soll insoweit die Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf stärken und richtet sich im Kern - über die Mindestförderung in Höhe von 300 Euro (§ 2 Abs 5 Satz 1 BEEG) hinaus - an Erwerbstätige, die durch die Betreuung eines Kindes einem Bruch in ihrer Erwerbsbiographie ausgesetzt sind bzw Einkommenseinbußen hinzunehmen haben (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2).
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Gemessen an den vielfältigen Zwecken, die der Gesetzgeber mit dem Elterngeld in seiner Einkommensersatzfunktion verbindet (ua Vermeidung des Aufschiebens der Kinderphase, gleichberechtigte Kindererziehung von Vätern und Müttern, Vermeidung der Abhängigkeit von staatlichen Fürsorgeleistungen, vgl BT-Drucks 16/1889 S 1 f, 14 f), ist das Differenzierungsziel insbesondere unter Berücksichtigung einer Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (vgl hierzu etwa BVerfG Beschluss vom 10.11.1998 - 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 - BVerfGE 99, 216, 234), einer Steigerung der Geburtenrate und einer (teilweisen) Kompensation des durch die Betreuung und Erziehung des Kindes ausfallenden Erwerbseinkommens legitim. Es sollten - über die für alle gleichen Basisbeträge hinaus - besondere Anreize für solche Elternteile geschaffen werden, bei denen die Kindererziehung mit Einbußen von Einkommen aus Erwerbstätigkeit verbunden ist. Spezielle verfassungsrechtliche Verbote stehen dieser Differenzierung nicht entgegen.
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(1) Ein Differenzierungsverbot ergibt sich nicht aus Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (vgl hierzu bereits Senatsurteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 62 unter Bezugnahme auf Seiler, NVwZ 2007, 129, 132), auch nicht durch eine Ungleichbehandlung von Alleinverdienerehen gegenüber Doppelverdienerehen, bei denen die Berechtigten durch die Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 und 7 BEEG regelmäßig höhere Leistungsansprüche erzielen(vgl hierzu auch Weilert, DVBl 2010, 164, 166).
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Art 6 Abs 1 GG schützt jede Ehe und Familie und garantiert zugleich eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen ist (vgl BVerfGE 21, 329, 353; vgl auch BVerfGE 61, 319, 346 f mwN; 99, 216, 231; 107, 27, 53). Der Gesetzgeber muss, wenn er dem Gebot des Art 6 Abs 1 GG gerecht werden will, Regelungen vermeiden, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen (vgl BVerfGE 66, 84, 94; 87, 234, 258 f; 107, 27, 53). In diesen Bereich fällt auch die Entscheidung darüber, ob eine Ehefrau sich ausschließlich dem Haushalt widmen oder beruflich tätig sein und eigenes Einkommen erwerben will; eine Einwirkung des Gesetzgebers dahin, die Ehefrau "ins Haus zurückzuführen", wäre deshalb auch wegen eines Verstoßes gegen Art 6 Abs 1 GG verfassungswidrig (vgl BVerfGE 6, 55, 81 f; 21, 329, 353; 107, 27, 53). Gleiches gilt, wenn der Ehemann durch eine gesetzliche Regelung in seiner Entscheidungsfreiheit hinsichtlich einer eigenen Erwerbstätigkeit beeinträchtigt wird, weil oder solange seine Ehefrau erwerbstätig ist. Der besondere verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie erstreckt sich auf die "Alleinverdienerehe" ebenso wie auf die "Doppelverdienerehe" (vgl zB BVerfGE 66, 84, 94; 87, 234, 258 f; 107, 27, 53). Diese Grundsätze gelten insbesondere für die Eingriffsverwaltung, etwa im Steuerrecht (vgl BVerfGE 107, 27, 53 ff). Im Bereich familienfördernder Leistungen verfügt der Gesetzgeber zwar grundsätzlich über einen großen Gestaltungsspielraum - Art und Maß bestimmt er in politischer Verantwortung. Wegen des Freiheitsprinzips des GG hat er jedoch auf die Vielfalt der Lebensstile Rücksicht zu nehmen; traditionelle Formen des Familienlebens muss er pflegen, neue Formen ermöglichen; hierbei genießen altbewährte Formen sozialer Gemeinschaft Vorrang vor dem Neuen, das erst noch zur Bewährung ansteht (vgl Di Fabio, NJW 2003, 993, 997).
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Nach Auffassung des Senats hat die Förderung durch das Elterngeld in seiner einkommensersetzenden Funktion nach § 2 Abs 1 und 7 BEEG nicht die Intensität, dass durch die größere Anreizwirkung für Doppelverdienerehen im Vergleich zu Alleinverdienerehen in den Schutzbereich des Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG eingegriffen wird(so auch Becker in Festschrift für Herbert Buchner, 2009, 67, 79; Seiler, NVwZ 2007, 129, 132; Weilert DVBl 2010, 164, 166). Die befristete Förderleistung berührt nicht in erheblicher Weise die Entscheidungsfreiheit von Eheleuten hinsichtlich ihrer innerfamiliären Aufgabenverteilung. Finanzielle Anreize - wie jede Form einer umfassenderen Förderung - können zwar stets eine überschießende Einflussnahme mit sich bringen. Das Elterngeld übt jedoch weder einen auch nur mittelbaren Zwang zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit aus noch nimmt es derart Einfluss auf die Rollenverteilung von Mann und Frau innerhalb der Ehe, dass von einer Eingriffsqualität gesprochen werden kann. Vielmehr bietet es vielen Eltern erst die Alternative, mit geringeren wirtschaftlichen Zwängen eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung eines Kindes zu wagen (vgl auch Becker aaO).
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(2) Ein Differenzierungsverbot lässt sich auch nicht aus Art 3 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) herleiten. Das Sozialstaatsprinzip enthält einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber (BVerfGE 50, 57, 108), für den Ausgleich sozialer Gegensätze (vgl BVerfGE 22, 180, 204) und für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen (vgl BVerfGE 59, 231, 263; 100, 271, 284). Bei der Erfüllung dieser Pflicht kommt ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 18, 257, 273; 29, 221, 235). Das Sozialstaatsprinzip führt daher im Bereich gewährender Staatstätigkeit auch in der Zusammenschau mit dem Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) regelmäßig nicht zu Beschränkungen des Gesetzgebers. Der Staat darf grundsätzlich Leistungen nicht nur deshalb gewähren, um eine dringende soziale Notlage zu steuern oder eine - mindestens moralische - Verpflichtung der Gemeinschaft zu erfüllen (wie etwa beim Lastenausgleich), sondern auch aus freier Entschließung durch finanzielle Zuwendungen ein bestimmtes Verhalten der Bürger fördern, das ihm aus wirtschafts-, sozial- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist. Es ist ihm insoweit nur verwehrt, seine Leistungen nach unsachlichen Gesichtspunkten - also "willkürlich" - zu verteilen (vgl BVerfGE 17, 210, 216; BFH Beschluss vom 22.6.2010 - II R 4/09 - juris RdNr 15).
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Mit dem Systemwechsel von der bedürftigkeitsabhängigen Förderung nach dem BErzGG zu der (erwerbs-)einkommensorientierten Unterstützungsleistung nach dem BEEG verfolgt der Gesetzgeber gewichtige familienpolitische Ziele, die zum Teil selbst das sozialstaatliche Gefüge berühren. Insbesondere würde eine Steigerung der Geburtenrate in Deutschland durch das Elterngeld in seiner Einkommensersatzfunktion maßgeblich zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme beitragen (vgl auch Weilert, DVBl 2010, 164, 171). Unter Berücksichtigung der weiteren Ziele des Gesetzgebers (ua Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gleichberechtigte Kindererziehung von Vätern und Müttern) kann hier nicht von einer unsachlichen Verteilung staatlicher Leistungen und damit von einem Verstoß gegen ein aus dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) herzuleitendes Diskriminierungsverbot ausgegangen werden, selbst wenn das Elterngeld als einkommensorientierte Unterstützungsleistung durch die höhere Förderung Besserverdienender gegenüber Geringverdienern oder Berechtigten ohne Erwerbseinkommen eine bestehende soziale Ungleichheit fortschreiben oder verfestigen könnte. Auch insoweit stellt sich das Elterngeld nicht als offensichtlich "unsozial" dar, zumal einem solchen Effekt durch die Beschränkung der Anspruchshöhe und -dauer enge Grenzen gesetzt sind.
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bbb) Der Gesetzgeber hat für die Bemessung der Elterngeldhöhe mit der Referenzgröße des Einkommens aus Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG ein zulässiges Differenzierungskriterium gewählt.
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Zur Erreichung seines Differenzierungszieles hat der Gesetzgeber das Elterngeld als progressive (durch einen Höchstbetrag) begrenzte Leistung nach Maßgabe des § 2 Abs 1 und 7 BEEG in formaler Anknüpfung an das bis zur Geburt des Kindes erzielte Erwerbseinkommen ausgestaltet(vgl BT-Drucks 16/1889 S 15). Dabei hat er im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens einem steuerrechtlichen Einkommensbegriff den Vorzug gegeben (vgl BT-Drucks 16/2454 S 8; BT-Drucks 16/2785 S 37; s dazu auch BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 3 Nr 3 RdNr 19 ff).
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Mangels vorgegebener Referenzgröße aufgrund eines versicherungstypischen Gegenseitigkeitsverhältnisses von Beiträgen und Leistungen (vgl hierzu jüngst BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - juris RdNr 36) steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, bei der gesetzlichen Ausgestaltung steuerfinanzierter Sozialleistungen, die nicht auf eigenen Beiträgen des Anspruchsberechtigten beruhen, eigenständige Regelungen zu treffen (vgl zur Arbeitslosenhilfe BVerfG Beschluss vom 26.9.2005 - 1 BvR 1773/03 - SozR 4-4300 § 434c Nr 6 RdNr 18-20; zum BErzGG BSG Urteil vom 13.5.1998 - B 14 EG 3/97 R - SozR 3-7833 § 6 Nr 16 S 93) und zur Verwirklichung der Gesetzesziele den als Referenzgröße maßgeblichen Begriff frei zu wählen. Mit der Referenzgröße des Einkommens aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG knüpft er insoweit sachbezogen an das Differenzierungsziel an, gerade Erwerbstätigen die größten Anreize zur Entscheidung für ein Kind zu bieten und höhere Unterstützungsleistungen zukommen zu lassen. Um nach seiner Auffassung die Gesetzesziele am zweckmäßigsten zu erreichen, durfte er auch den Begriff des Einkommens aus Erwerbstätigkeit nach sozial- oder steuerrechtlichen Vorgaben ausrichten, wie dies im Gesetzgebungsverfahren geschehen ist (vgl dazu BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 27). Insoweit hat der Senat bereits entschieden, dass es gemessen an dem Sinn und Zweck des Elterngeldes in seiner Funktion, einen Ausgleich für die Einkommenseinbußen durch die Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit wegen der Kinderbetreuung in dem ersten Lebensjahr des Kindes zu bieten, grundsätzlich sachgerecht ist, dass der Gesetzgeber bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit auf die Summe der positiven Einkünfte ua aus nicht selbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG verweist(vgl Urteil aaO RdNr 39). Auch das BErzGG hatte bereits im Rahmen der Ermittlung der Einkommensgrenzen (§ 5 Abs 3, § 6 Abs 1 Satz 1 BErzGG) auf "die nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs 1 und 2 EStG" abgestellt.
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ccc) Die gesetzgeberische Entscheidung, bei der Bemessung des Elterngeldes an das bisherige Erwerbseinkommen der Berechtigten anzuknüpfen, ist nicht nur frei von Willkür. Sie hält nach Auffassung des Senats auch - zunächst nur allgemein betrachtet - einer Verhältnismäßigkeitsprüfung stand.
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Zwar kann ein Indiz für einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG in einer Systemwidrigkeit, also einer Verletzung der "vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit", liegen (vgl BVerfGE 34, 103, 115 mwN; stRspr). Ein Systemwechsel, wie ihn der Gesetzgeber beim Übergang vom BErzGG zum BEEG vollzogen hat, bleibt davon jedoch grundsätzlich unberührt. Art 3 Abs 1 GG hindert den Gesetzgeber insoweit nicht, neue Wege zu beschreiten. Auch wenn das Elterngeld zu den steuerfinanzierten Sozialleistungen gehört, die sich ansonsten weitestgehend an der Bedürftigkeit der Berechtigten orientieren, ist es damit nicht Teil eines feststehenden Systems, das für eine bestimmte, durch ein gesondertes Gesetz vorgesehene Leistung keine andere Ausrichtung, hier im Sinne eines Ersatzes von entfallendem Erwerbseinkommen, zuließe.
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Das im BEEG vorgesehene Bemessungskriterium ist zur Verwirklichung des Gesetzeszwecks geeignet (vgl dazu allgemein BVerfG Beschluss vom 10.4.1997 - 2 BvL 45/92 - BVerfGE 96, 10, 23), mit dem Elterngeld einen Ausgleich für Einkommenseinbußen zu gewähren, die mit der Entscheidung für das Kind, dessen Geburt und Betreuung einhergehen. Je höher das Erwerbseinkommen vor der Geburt des Kindes ist, desto eher wird ein Elternteil zur Unterbrechung oder Einschränkung der Berufstätigkeit zwecks Kindererziehung ermutigt, wenn sich das Elterngeld an der bisherigen Einkommenshöhe orientiert.
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Auch die Erforderlichkeit dieses Bemessungskriteriums ist zu bejahen, da keine gleichermaßen geeigneten Alternativen ersichtlich sind, um das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel zu erreichen. Insbesondere wäre eine stärkere Förderung von Personen, die in der Zeit vor der Geburt des Kindes kein oder nur ein geringes Erwerbseinkommen erzielt haben, ohne zusätzliche finanzielle Mittel nicht möglich gewesen.
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Schließlich ist es auch als angemessen anzusehen, dass für die Höhe des Elterngeldes - soweit es die Basisbeträge übersteigt - das zuvor erzielte Erwerbseinkommen maßgebend ist. Die sich dabei ergebenden Ungleichbehandlungen sind Folge des zulässigen Gesetzeszwecks. Sie spiegeln die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse vor der Geburt des Kindes und damit die mit der Entscheidung für die Kindererziehung verbundenen Einbußen bei den Einkünften aus der bisherigen Erwerbstätigkeit wider.
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bb) Gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG bemisst sich das Elterngeld nach dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit, das von dem Berechtigten in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielt worden ist. Bei Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit wird von diesem Zeitraum - soweit es den vorliegenden Fall betrifft - nur in den engen Grenzen des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG(der mit Wirkung vom 24.1.2009 angefügte Satz 7 ist hier weder anwendbar noch seinem Inhalt nach einschlägig) abgewichen. Personen, die diese Ausnahmetatbestände nicht erfüllen, können mithin, soweit sie im Bemessungszeitraum - wie zeitweise die Klägerin - kein oder nur ein gekürztes Arbeitsentgelt bezogen haben, nicht auf weiter in der Vergangenheit zurückliegende Kalendermonate mit (höherem) Erwerbseinkommen zurückgreifen. Diese Benachteiligung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl dazu BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 53 ff).
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aaa) Mit der grundsätzlichen Beschränkung des Bemessungszeitraums auf die 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes verfolgt der Gesetzgeber ein zulässiges Differenzierungsziel. Er möchte den vorgesehenen Einkommensersatz auf die aktuellen Verhältnisse vor der Geburt ausrichten (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20) und damit - ersichtlich - eine größtmögliche Anreizwirkung in Richtung auf eine Entscheidung für eine Einschränkung der Erwerbstätigkeit zu Gunsten des Kindes und dessen Betreuung erzielen. Dieser Ausrichtung des Elterngeldes steht insbesondere kein verfassungsrechtliches Verbot aus Art 6 Abs 1 GG entgegen.
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Zwar mag es zutreffen, dass durch einen auf die 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes begrenzten Bemessungszeitraum die Entscheidungsfreiheit der Ehegatten betreffend die Aufgabenverteilung in der Ehe mittelbar etwas stärker beeinflusst werden kann als bei einem weiter gefassten Bemessungszeitraum. Darin liegt jedoch noch kein relevanter Eingriff in den Schutzbereich des Art 6 Abs 1 GG. Das Gesetz legt nur die tatsächlichen Erwerbsverhältnisse der Ehegatten in dem Jahr vor der Geburt des Kindes zugrunde. Weiter zurückliegende Entscheidungen betreffend die Aufgabenverteilung in der Ehe muss er im Rahmen der Elterngeldbemessung ebenso wenig berücksichtigen wie zukünftige Pläne der Ehegatten hinsichtlich der jeweiligen Erwerbstätigkeit.
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bbb) Der 12-monatige Bemessungszeitraum stellt auch ein zulässiges Differenzierungskriterium dar. Verfassungsrechtliche Verbote sind insoweit nicht ersichtlich. Die einschlägigen Regelungen des BEEG erscheinen dem erkennenden Senat in Ansehung des gesetzgeberischen Zieles auch als verhältnismäßig.
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Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass ein grundsätzlich auf 12 Kalendermonate begrenzter Bemessungszeitraum die Einkommensverhältnisse der Berechtigten vor der Geburt des Kindes am besten abbildet (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20). Wie bei anderen kurzfristigen Entgeltersatzleistungen (vgl § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB IV) ist Grundlage der Berechnung der Elterngeldhöhe nach § 2 Abs 1 und 7 bis 9 BEEG die sog Bezugs- und Referenzmethode(vgl hierzu auch Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 5 juris RdNr 35; bereits BSG Urteil vom 22.6.1966 - 3 RK 105/63 - BSGE 25, 69, 70 = SozR Nr 7 zu § 13 MuSchG; BSG Urteil vom 22.2.1972 - 3 RK 85/69 - BSGE 34, 79 = SozR Nr 4 zu § 200 RVO und jüngst BSG Urteil vom 30.5.2006 - B 1 KR 19/05 R - BSGE 96, 246 = SozR 4-2500 § 47 Nr 4, RdNr 21 ff), nach der unter Bezugnahme auf den wirtschaftlichen Dauerzustand eines gerade vergangenen Zeitraums auf ein Durchschnittseinkommen geschlossen wird, das den individuellen Lebensstandard prägt. Dabei hat der Gesetzgeber - auch in Ansehung des befristeten Bezugszeitraums des Elterngeldes von bis zu 14 Monaten (vgl § 4 Abs 1 Satz 1 BEEG; zur Möglichkeit einer Verlängerung auf maximal 28 Monate durch Halbierung des Auszahlungsbetrages vgl § 6 Satz 2 BEEG) - einen geeigneten Bemessungszeitraum von 12 Kalendermonaten vor der Geburt gewählt (vgl § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG). Das Ende des Bemessungszeitraums knüpft damit an das ausgleichsberechtigende Ereignis an und trägt dem Erfordernis Rechnung, den voraussichtlichen betreuungsbedingten Einkommensausfall des Elternteils einfach und nachvollziehbar zu bestimmen (vgl auch BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 5 RdNr 35).
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Die Ausgestaltung des Bemessungszeitraums erscheint auch als erforderliches Mittel zur Erreichung des Gesetzeszwecks. Andere Lösungen hätten entweder mehr finanzielle Mittel bzw einen größeren Verwaltungsaufwand beansprucht oder das verfolgte Ziel wäre verfehlt worden. Insbesondere hätte eine Berücksichtigung weit zurückliegender Erwerbsverhältnisse des Berechtigten die beabsichtigte Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes vernachlässigt.
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Schließlich erachtet der Senat die einschlägige gesetzliche Regelung, soweit es den grundsätzlichen Bemessungszeitraum anbelangt, auch nicht als unangemessen. Die durch die zeitliche Begrenzung des Bemessungszeitraums verursachte Ungleichbehandlung zwischen berechtigten Personen ist sachlich gerechtfertigt. Die voneinander abweichenden Einkommensverhältnisse der Betroffenen im Zeitraum unmittelbar vor der Geburt des Kindes legen in Ansehung der Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes eine entsprechend differenzierte Behandlung nahe.
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cc) Da das Krankengeld gemäß § 2 Abs 1 und 7 Satz 1 bis 4 BEEG iVm dem Einkommenssteuerrecht nicht als Arbeitsentgelt anzusehen ist, wird die Klägerin bei der Bemessung des Elterngeldes ungünstiger behandelt als Berechtigte, die während des Bemessungszeitraums kein Krankengeld, sondern durchgängig Arbeitsentgelt bezogen haben. Darüber hinaus bleiben die Kalendermonate mit Krankengeldbezug hier bei der Bestimmung der für die Bemessung des Elterngeldes maßgebenden 12 Kalendermonate auch nicht unberücksichtigt, so dass bei der Klägerin, anders als bei Berechtigten, die die Voraussetzungen des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG erfüllen, nicht auf weiter zurückliegende Kalendermonate zurückgegriffen werden kann, in denen sie wahrscheinlich ein Arbeitsentgelt vorweisen kann. Die darin liegende Benachteiligung verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.
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aaa) Der Gesetzgeber war im Rahmen seiner zulässigen Zielsetzung, einen Ausgleich für den durch Kinderbetreuung verursachten Ausfall von Erwerbseinkommen zu schaffen, von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, bei der Bemessung des Elterngeldes den Bezug von Krankengeld der Erzielung von Arbeitsentgelt gleichzustellen. Das Krankengeld unterscheidet sich vom Arbeitsentgelt dadurch, dass es gerade ausgefallenes Arbeitsentgelt ersetzen soll. Der Ausschluss von Krankengeld (und anderer Lohnersatzleistungen) bei der Leistungsbemessung stellt insoweit ein geeignetes Mittel zur Erreichung des Gesetzeszwecks dar. Diese gesetzliche Maßnahme ist auch als erforderlich anzusehen, weil gleichermaßen geeignete Alternativen nicht erkennbar sind. Eine Einbeziehung von Lohnersatzleistungen in die Bemessung des Elterngeldes würde einen höheren finanziellen Aufwand erfordern. Auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist die Nichtberücksichtigung von Krankengeld bei den für die Leistungshöhe maßgebenden Einkünften als gerechtfertigt anzusehen.
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Das Elterngeld ist eine familienpolitische Förderleistung eigener Art, mit der - im Gegensatz zu "regulären" kurzfristigen Entgeltersatzleistungen zur Aufrechterhaltung des individuellen Lebensstandards in sozialen Notlagen - vielfältige Ziele verfolgt werden (wegen der "Vermengung" der gesetzgeberischen Zielrichtungen krit Seiler NVwZ 2007, 129, 133). Sicher soll sie auch der Stagnation der Geburtenzahlen in Deutschland entgegenwirken und deswegen Erwerbstätigen einen wirtschaftlichen Anreiz bieten, sich trotz der finanziellen Einbußen, die mit einer Einschränkung der beruflichen Arbeit zwecks Kindererziehung verbunden sind, für ein Kind zu entscheiden. Um dieses Ziel zu erreichen, stellt der Staat eine einkommensorientierte Zuwendung in Aussicht, mit der diejenigen Einbußen an Erwerbseinkommen ganz oder teilweise kompensiert werden sollen, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dem ausgleichsberechtigenden Ereignis - der Geburt des Kindes - stehen. Realisiert sich in der Zeit vor der Geburt des Kindes bereits ein anderes Erwerbsrisiko (Krankheit, Wirtschafts- oder Arbeitsmarktlage, Streik etc), so sind die damit einhergehenden Einkommensausfälle grundsätzlich nicht vom Sinn und Zweck der Zuwendung umfasst (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20). Trotz dieser Einschränkung stellt das Elterngeld in seiner einkommensersetzenden Funktion eine (verhaltenssteuernde) Subvention zur Förderung der Kindererziehung dar. Zugleich verfolgt der Gesetzgeber mit dem derart ausgestalteten Elterngeld weitergehende Ziele, ua die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der gleichberechtigten Kindererziehung von Mann und Frau, der Gewährung eines finanziellen Schonraums für junge Familien bei einer betreuungsbedingten Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit der Elternteile und eine Kompensation der Betreuungskosten für das Kind (BT-Drucks 16/1889 S 1 f, 14 f).
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Die Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes unterscheidet sich allerdings wesentlich von kurzfristigen Entgeltersatzleistungen iS des § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB IV, die bei einem schutzwürdigen Wegfall des Arbeitsentgelts (infolge Unfalls, Krankheit, Arbeitslosigkeit etc) den individuellen Lebensstandard des Betroffenen für einen vorübergehenden Zeitraum erhalten sollen. Das den Ausgleich nach dem BEEG begründende Ereignis (Geburt eines Kindes und die erforderliche Betreuung) ist kein Schicksalsschlag, mit dem zwingend der Ausfall von Erwerbseinkommen einhergeht. Aus diesem Grund ist das Elterngeld im Bezugszeitraum auch als subsidiäre Unterstützungsleistung ausgestaltet, auf die gleichzeitig bezogene einkommensersetzende Leistungen angerechnet werden (vgl § 3 Abs 2 Satz 1 BEEG). Gleichwohl ist das Elterngeld in seiner Einkommensersatzfunktion eine Ausgleichsleistung; es verbindet die Leistungsgewährung nicht mit der Verwirklichung eines bestimmten Erwerbsrisikos, sondern mit einer typischen - aber hinsichtlich individueller Einkommenseinbußen unterschiedlich ausgeprägten - allgemeinen Bedarfslage (vgl Becker in Festschrift für Herbert Buchner, 2009, 67, 77, 78). Die als Anreiz zur Entscheidung für ein Kind gedachte Förderleistung Elterngeld knüpft in ihrer einkommensersetzenden Funktion insoweit allein an das Einkommen aus Erwerbstätigkeit an, das die vorgeburtliche Lebenssituation geprägt hat. Trotz der genannten Unterschiede folgt der Gesetzgeber damit zugleich in gewisser Weise auch der kurzfristigen Entgeltersatzleistungen im Allgemeinen zugrunde liegenden Regel, dass jeder seinen Bedarf (und evtl denjenigen seiner Angehörigen) durch eigene Erwerbstätigkeit zu decken hat und dem Berechtigten bei einem Einkommensausfall aus besonderen Gründen die Erhaltung seines individuellen Einkommensstandards ermöglicht wird (vgl Buchner/Becker, MuSchG - BEEG, 8. Aufl 2008, § 2 BEEG RdNr 8).
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Selbst bei kurzfristigen Entgeltersatzleistungen wird von der Referenzgröße des Einkommens aus Erwerbstätigkeit (bzw des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts oder -einkommens iS der §§ 14 f SGB IV) nur in Ausnahmefällen abgewichen. So erhalten Bezieher von Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld bei Krankheit unter bestimmten Voraussetzungen Krankengeld nach § 47b SGB V, Verletztengeld nach § 47 Abs 2 Satz 1 SGB VII oder Versorgungskrankengeld nach § 16b Abs 5 Buchst c Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sinn und Zweck dieser Leistungen ist der Ersatz für eine entgehende Sozialleistung (vgl zu § 47b SGB V: BSG Urteil vom 7.12.2004 - B 1 KR 5/03 R - BSGE 94, 19 = SozR 4-2500 § 44 Nr 3, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.9.2002 - B 1 KR 11/02 R - BSGE 90, 72, 77 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 34 f; BSG Urteil vom 2.11.2007 - B 1 KR 38/06 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 18). Diese Zielrichtung wird vom Elterngeld ersichtlich nicht verfolgt (ebenso LSG Schleswig-Holstein Urteil vom 22.2.2010 - L 1 EG 6/08 - juris RdNr 32; ähnlich LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 30.1.2009 - L 13 EG 48/08 - juris RdNr 3).
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Nicht nur wegen der besonderen familienpolitischen Zielsetzung des Elterngeldes, sondern auch wegen des weit gefassten Kreises der Berechtigten ist es als sachgerecht anzusehen, dass der Gesetzgeber die Leistungsbemessung eng an die vorangegangene Erzielung von Erwerbseinkommen angeknüpft und dabei Entgeltersatzleistungen wie das Krankengeld unberücksichtigt gelassen hat. Anderenfalls wäre es insbesondere im Vergleich zu Berechtigten mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit zu problematischen Ungleichbehandlungen gekommen. Denn diese Personenkreise haben regelmäßig keinen Zugang zu entsprechenden Ersatzleistungen.
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bbb) Der Gesetzgeber des BEEG musste im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG auch keine allgemeine Ausgleichsmöglichkeit für alle Berechtigten vorsehen, die in den letzten 12 Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes Arbeitsentgeltausfälle wegen Krankheit hatten. Insbesondere war er nicht gehalten, diesen Personenkreis mit solchen Berechtigten gleichzustellen, die iS von § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG Elterngeld für ein älteres Kind bzw Mutterschaftsgeld bezogen oder wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommenseinbußen erlitten haben.
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Allerdings werden bei kurzfristigen Entgeltersatzleistungen iS des § 18a Abs 3 Satz 1 SGB IV zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse Zeiten, die aus besonderen Gründen während des Bemessungszeitraums ohne repräsentatives Erwerbseinkommen sind, nicht in die Bemessung der Leistungshöhe einbezogen. Dies gilt zum einen für Entgeltersatzleistungen, die bei einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis das entgehende Gehalt kompensieren sollen, in Fällen von "Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis" (vgl etwa § 11 Abs 1 Satz 3 BUrlG; § 11 Abs 2 Satz 2 MuSchG; § 200 Abs 2 Satz 3 RVO; § 14 Abs 1 Satz 4 MuSchG) und zum anderen unter bestimmten Voraussetzungen (vgl § 130 Abs 2 SGB III; siehe dazu BT-Drucks 15/1515 S 85) auch für das Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (§ 117 Abs 1 Nr 1 SGB III). Diese mitunter sehr differenzierten Regelungen verwirklichen das die Sozialversicherung prägende Versicherungsprinzip (vgl hierzu BVerfGE 59, 36, 49 ff; 63, 152, 171), nach dem im Grundsatz eine Äquivalenz von Beitrag und Leistung bestehen muss.
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Demgegenüber sieht das BEEG eine Privilegierung von Einkommensausfall nur in Ausnahmefällen für Sachverhalte vor, die - nach der hier maßgeblichen Rechtslage - in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Förderzweck des Elterngeldes stehen (vgl § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG in der hier maßgeblichen Fassung vom 5.12.2006); Einkommensminderungen oder -ausfälle aufgrund allgemeiner Erwerbsrisiken (zB Krankheit, Arbeitslosigkeit, Streik etc) werden grundsätzlich nicht bei der Bemessung der Leistungshöhe berücksichtigt. Einer solchen Ausgestaltung steht Art 3 Abs 1 GG nicht entgegen, zumal der Gesetzgeber bei der Gewährung steuerfinanzierter Leistungen nicht an das versicherungstypische Gegenseitigkeitsverhältnis von Beiträgen und Leistungen (vgl jüngst zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - juris RdNr 36) gebunden ist.
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Durch die eng begrenzten Ausnahmefälle in § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG hat der Gesetzgeber eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Risikoverteilung vorgenommen. Einkommenseinbußen aus Gründen, die nicht direkt mit dem Zweck des Elterngeldes zusammenhängen, werden dem Risikobereich des Berechtigten zugeordnet. Zwar verzichtet der Gesetzgeber damit auf einen - möglicherweise wünschenswerten (vgl dazu Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes eV vom 1.9.2008, Ausschuss-Drucks 16(13)371c NEU zu BT-Drucks 16/9415) - sozialen Ausgleich, er orientiert sich jedoch in noch sachgerechter Weise an dem von ihm verfolgten Ziel eines (teilweisen) Ersatzes von Erwerbseinkommen, das durch die erfolgende Kindesbetreuung entfällt. Die Behebung sozialer Notlagen hat er insoweit anderen sozialen Sicherungssystemen überlassen (vgl Buchner/Becker, MuSchG-BEEG, 8. Aufl 2008, § 2 BEEG RdNr 8).
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ccc) Ein gewichtiger sachlicher Grund für die Ausgestaltung der Bemessungsmethode nach § 2 Abs 1 und 7 BEEG liegt auch in der Praktikabilität bei der Leistungsgewährung(vgl hierzu allg Heun in Dreier, GG, 2. Aufl 2004, Art 3 RdNr 33). So muss im Bemessungszeitraum nicht nach einem bestehenden, unterbrochenen oder beendetem Beschäftigungsverhältnis oder nach dem Grund der Einkommenseinbußen aus Erwerbstätigkeit unterschieden werden. Die hiermit sonst verbundenen Schwierigkeiten lassen sich zB an dem sehr differenziert ausgestalteten Bemessungsrecht beim Arbeitslosengeld (vgl §§ 129 ff SGB III) unschwer erkennen.
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Bei dem grundlegenden Systemwechsel ist dem Gesetzgeber zudem zur sachgerechten Überleitung des alten in den neuen Rechtszustand ein angemessener Zeitraum zu gewähren, in dem er nach Überprüfung der erzielten Ergebnisse auf Unstimmigkeiten im Einzelfall reagieren kann (vgl BVerfG Urteil vom 13.6.1979 - 1 BvL 27/76 - BVerfGE 51, 257, 268; BVerfGE 49, 192, 210). Ob der Gesetzgeber durch die Anfügung des Satzes 7 an § 2 Abs 7 BEEG zum 24.1.2009 (vgl Art 1 Nr 1 Buchst a Erstes Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, BGBl I 61) einen sachgerechten Schritt getan hat, kann hier offenbleiben.
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dd) Die Gleichbehandlung der Klägerin mit Personen, die in dem Bemessungszeitraum an Stelle von Krankengeld Existenz sichernde Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bezogen haben, bei der Bemessung des Elterngeldes verstößt ebenfalls nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Beide Vergleichsgruppen haben nach dem gesetzlichen Differenzierungskriterium insoweit kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 BEEG erzielt. Sie werden demnach in dieser Beziehung sachgerechterweise gleich behandelt. Da das Elterngeld keine beitragsfinanzierte Leistung der Sozialversicherung ist, brauchte der Gesetzgeber Personen, die im Bemessungszeitraum beitragsfinanzierte Entgeltersatzleistungen bezogen haben, nicht besser zu stellen als Bezieher von steuerfinanzierten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende oder der Sozialhilfe.
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ee) Die Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die - zB wegen amtsangemessener Alimentation (Beamte, Richter) - bei länger als sechs Wochen andauernder Erkrankung regelmäßig keine Einbußen an Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 BEEG erleiden, führt nicht zu einem Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG.
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Es besteht kein Anspruch der Klägerin als Angestellte auf Gleichbehandlung zB mit Beamten, die bei einer länger als sechs Wochen andauernden Erkrankung nicht Krankengeld beziehen, sondern weiterhin ihre Dienstbezüge erhalten; die Vergleichsgruppen sind nicht wesentlich gleich, weil sich das gesetzlich geregelte Beamten- und Richterverhältnis von dem durch privatrechtlichen Vertrag begründeten Angestelltenverhältnis grundlegend unterscheidet (vgl BVerfG Beschluss vom 2.3.2000 - 2 BvR 1508/99 - juris RdNr 5; BVerfGE 52, 303, 345). Entsprechend verhält es sich im Vergleich zu Personen, die aufgrund ihres Arbeitsvertrages Anspruch auf eine über sechs Wochen hinausgehende Entgeltfortzahlung durch ihren Arbeitgeber haben. Die insoweit im Beamten- oder Arbeitsvertragsrecht begründeten Unterschiede musste der Gesetzgeber des BEEG nicht ausgleichen; vielmehr durfte er bei der Ausgestaltung der Bemessung des Elterngeldes an den tatsächlichen Erwerbseinkommensverhältnissen der Berechtigten im Bemessungszeitraum anknüpfen.
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ff) Soweit die Klägerin ansonsten Verletzungen von Art 3 Abs 1 GG geltend macht, beruht dies auf Missverständnissen.
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§ 2 Abs 3 BEEG, auf den sich die Klägerin bezieht, betrifft die Berechnung von Elterngeld bei Berechtigten, die nach der Geburt des Kindes - also während der Bezugszeit - Einkommen aus Erwerbstätigkeit haben. Entgegen der Annahme der Klägerin wird dabei kein fiktives Einkommen berücksichtigt. Bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages zwischen dem vor und dem nach der Geburt erzielten Einkommen gilt lediglich für das vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen ein Höchstbetrag von 2700 Euro. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, das Elterngeld nur bis zu einem monatlichen Höchstbetrag von 1800 Euro gezahlt wird (§ 2 Abs 1 Satz 1 BEEG), der bei einem monatlichen Nettoeinkommen von etwa 2700 Euro erreicht wird. Die Regelung des § 2 Abs 3 BEEG bewirkt damit praktisch eine Anrechnung des nach der Geburt erzielten Einkommens auf das Elterngeld. Inwiefern die Klägerin gegenüber den von dieser Vorschrift betroffenen Berechtigten benachteiligt sein könnte, ist nicht ersichtlich.
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Ebenso wenig leuchtet die Ansicht der Klägerin ein, dass sich ein Elternteil, der vor der Geburt des Kindes gearbeitet hat und nach der Geburt des Kindes erkrankt, schlechter stehe, als ein Elternteil, der nach der Geburt des Kindes einen Resturlaub hat. Da ein während eines Resturlaubes gezahltes Arbeitsentgelt bzw eine Urlaubsabgeltung (sofern nicht sogar § 1 Abs 6 BEEG eingreift) im Rahmen des § 2 Abs 3 BEEG berücksichtigt wird, während ein nach der Geburt des Kindes bezogenes Krankengeld nach Maßgabe des § 3 Abs 2 BEEG auf das Elterngeld angerechnet wird, ist eine sachwidrige Ungleichbehandlung insoweit nicht erkennbar. Abgesehen davon sind diese Fallgestaltungen mit der Situation der Klägerin nicht vergleichbar, die im Bemessungszeitraum vor der Geburt Krankengeld bezogen hat.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes der Klägerin, insbesondere über die Berücksichtigung von Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld bei der Leistungsbemessung.
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Nach der Geburt ihres Sohnes M. am 2.8.2007 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld, das ihr vom beklagten Freistaat mit Bescheid vom 21.8.2007 für den Zeitraum vom 2.8.2007 bis 1.8.2008 in Höhe von monatlich 354,01 Euro bewilligt wurde. Wegen der Anrechnung von Mutterschaftsgeld betrug der Auszahlungsbetrag in den ersten beiden Lebensmonaten des Kindes (2.8. bis 1.10.2007) 0,00 Euro und im dritten (2.10.bis 1.11.2007) 251,24 Euro. Bei der Leistungsbemessung wurde das von Juli 2006 bis Januar 2007 erzielte steuerpflichtige Entgelt der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt. Das von der Klägerin anschließend bezogene Arbeitslosengeld nach dem SGB III wurde nicht als Einkommen gewertet. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5.2.2008 zurück.
- 3
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Die Klägerin hat beim Sozialgericht (SG) München Klage erhoben und dazu geltend gemacht: In ihrem Fall sei das von Februar bis Juni 2007 bezogene Arbeitslosengeld bzw das regelmäßig erhaltene Arbeitsentgelt aus der zuvor ausgeübten nichtselbstständigen Beschäftigung zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art 6 Abs 4 GG und Art 3 Abs 1 GG als Einkommen iS des § 2 Abs 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zu berücksichtigen. Zum einen sei der Grund der Arbeitslosigkeit allein auf den Wechsel des Beschäftigungsorts ihres Ehemanns und den gemeinsamen Umzug nach München zurückzuführen. Zum anderen sei es einer erkennbar schwangeren Frau im Falle der Arbeitslosigkeit praktisch nicht möglich, eine neue Tätigkeit aufzunehmen, da sie wohl kein Arbeitgeber einstellen werde.
- 4
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Das SG München hat die Klage durch Urteil vom 10.7.2008 abgewiesen. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung ist vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 24.6.2009 zurückgewiesen worden. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt:
Arbeitslosengeld und sonstige Lohnersatzleistungen stellten kein Einkommen iS des § 2 Abs 1 und 7 BEEG dar. Denn sie seien nach § 3 Nr 2 Einkommensteuergesetz (EStG) einkommensteuerfrei und unterlägen nach § 32g Abs 1 Nr 1 Buchst b EStG lediglich dem sog Progressionsvorbehalt. Eine planwidrige Regelungslücke liege hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von Arbeitslosengeld als Einkommen oder als sog "Hinausschiebenstatbestand" iS des § 2 Abs 7 Satz 6 Alt 2 BEEG ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien(Hinweis auf Ausschussbericht, BT-Drucks 16/2785 S 37 zu Art 1 § 2) nicht vor. Auch seien diese Regelungen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG vereinbar.
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Vergleiche man die Klägerin mit der Gruppe derjenigen Personen, die im Bemessungszeitraum durchgehend gearbeitet und kein Arbeitslosengeld bezogen haben, weil eine Arbeitslosigkeit nicht eingetreten ist, sei eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Zum einen sei Arbeitslosengeld als Lohnersatzeinkommen im Gegensatz zu Arbeitslohn von der Einkommensteuerpflicht freigestellt und zum anderen würden sich Lohneinkommen und Lohnersatzeinkommen wesentlich unterscheiden.
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Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers erlaube es, die Berechnung der allein steuerfinanzierten Sozialleistung Elterngeld an den steuerrechtlichen Einkommensbegriff anzulehnen. Der Gesetzgeber knüpfe damit an das aufgrund von Erwerbstätigkeit "Verdiente" an und nicht an eine Versicherungsleistung, die einen Ausgleich für entgangenes Arbeitsentgelt - im Falle des Arbeitslosengeldes aufgrund des ersatzlos weggefallenen Arbeitsplatzes - bezwecke. Das Elterngeld stelle insoweit selbst eine Lohnersatzleistung dar, nicht aber eine "Lohnersatzersatzleistung". Arbeitslosengeld und steuerpflichtiger Arbeitslohn seien auch nicht wegen des durch Versicherungsbeiträge erworbenen Anspruchs auf diese Lohnersatzleistung im Rahmen der Elterngeldbemessung gleichzustellen, da Elterngeld als steuerfinanzierte Leistung gerade keinen Sozialversicherungsbezug aufweise. Dem Elterngeld liege keine Beitragszahlung zu Grunde, die eine Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips auf der Leistungsseite erfordere.
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Der Gesetzgeber habe sich mit dieser Ausgestaltung auch nicht in Widerspruch zu dem im BEEG manifestierten Regelungswillen oder der entwickelten Systematik der Regelungsmaterie gesetzt. Ebenso wenig sei unter Berücksichtigung des Förderzwecks des BEEG eine sachliche Differenzierung nach dem Grund der Arbeitslosigkeit geboten, etwa im Hinblick auf die soziale Wertigkeit oder auf Freiwilligkeit bzw Unfreiwilligkeit. Dies gelte im Besonderen für den Einwand der Klägerin, ihre Arbeitslosigkeit sei auf die erstrebte Familienzusammenführung zurückzuführen und eine Gleichbehandlung mit sonstigen, nicht "familienbezogenen" Anlässen des Arbeitsplatzverlustes sei sachlich nicht gerechtfertigt. Ein Ausnahmetatbestand wegen familienbezogener Gründe des Arbeitsplatzverlustes - etwa durch eine Einbeziehung des Lohnersatzeinkommens in die Bemessungsgrundlage oder durch einen besonderen "Hinausschiebenstatbestand" - sei wegen der freiwilligen Lebensentscheidung der Klägerin nicht geboten; im Übrigen seien solche Einzelsachverhalte einer generellen Regelung kaum zugänglich.
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Schließlich sei Art 6 Abs 1 GG nicht verletzt, da der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, werdende Familien bei der Bemessung von Familienleistungen von Leistungsverschlechterungen aufgrund eines sich realisierenden allgemeinen Lebensrisikos auszunehmen, das alle Bürger treffen könne und keinen unmittelbaren Familien-, Erziehungs- und Schwangerschaftsbezug habe. Durch die mit dem Umzug nach M. verbundene Arbeitsaufgabe verwirkliche sich kein unmittelbares Familienrisiko, zumal der Ortwechsel des Ehemanns nicht erzwungen worden sei.
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Mit ihrer vom LSG zugelassenen, beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegten Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Eine Unterscheidung von Arbeitsentgelt als "verdientes" und Arbeitslosengeld als durch Sozialversicherungsbeiträge "erdientes" Einkommen sowie ein Rückgriff auf die Definition von Einkommen aus Erwerbstätigkeit im einkommensteuerrechtlichen Sinn sei bei der Bemessung von Elterngeld in Ansehung des Art 3 Abs 1 GG nicht zulässig. Arbeitslosengeld unterscheide sich wesentlich von beitragsunabhängigen Sozialleistungen, wie zB der Sozialhilfe. Für eine entsprechende Differenzierung würden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hohe Anforderungen gelten. Im Hinblick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falls, insbesondere der Arbeitsplatzaufgabe zwecks Wahrung der Familieneinheit, sei verfassungsrechtlich (Art 3 Abs 1 GG, Art 6 GG) eine Einzelfallprüfung der Gründe des Arbeitsplatzverlustes geboten, zumal die Entscheidung ihres Ehemanns über den Arbeitsplatzwechsel dem Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 GG unterliege und der gemeinsame Umzug nach München vom Grundrecht der Freizügigkeit umfasst sei. Insoweit genüge die einfachgesetzliche Ausgestaltung des BEEG nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art 3, 6, 12 GG.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2009 und des Sozialgerichts München vom 10. Juli 2008 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 21. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2008 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des von Februar bis Juli 2007 erfolgten Bezuges von Arbeitslosengeld zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er trägt ua vor: Der Einkommensbegriff iS des § 2 Abs 1 und 7 BEEG sei gemessen an dem Förderzweck des BEEG mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Elterngeld diene dem Ausgleich von Einkommenseinbußen, die der das Kind betreuende Elternteil durch die Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit erleide. Das Anknüpfen an das einkommensteuerpflichtige Erwerbseinkommen bei der Bemessung des Elterngeldes sei insoweit sachgerecht. Auch der Umstand, dass Arbeitslosengeld - anders als zB Sozialhilfeleistungen - eine beitragsabhängige Lohnersatzleistung sei, gebiete bei der Bemessung des Elterngelds keine Gleichbehandlung dieser Leistung mit (steuerpflichtigem) Erwerbseinkommen. Bei der Berechnung von Entgeltersatzleistungen - wie auch des Elterngeldes - würden regelmäßig gerade keine anderen Entgeltersatzleistungen berücksichtigt, vielmehr würden vom Gesetzgeber Zeiten unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Bemessungszeitraum ausgeklammert (vgl etwa § 130 Abs 2 SGB III); besonders schutzwürdige Situationen berücksichtige insoweit § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG. Im Übrigen würden auch andere Lohnersatzleistungen - etwa das Krankengeld - nicht bei der Bemessung des Elterngelds angerechnet und insofern gleich behandelt.
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Soweit die Klägerin auf die besonderen Umstände des Einzelfalls hinweise, sei der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Der Gesetzgeber habe sich aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und im Hinblick auf eine zügige Feststellung der Leistung entschieden, gemäß § 2 Abs 1 und 7 BEEG auf das einkommensteuerpflichtige Erwerbseinkommen abzustellen, und den damit verbundenen Härten dadurch Rechnung getragen, dass er Zeiten mit besonders schutzwürdigen Situationen bei der Festlegung des Bemessungszeitraums ausklammere. Durch die Einbeziehung weiterer Einnahmen würde das Elterngeld hingegen den Charakter als "Erwerbsersatzeinkommen" verlieren; die Typisierung der berücksichtigungsfähigen Einnahmen diene insoweit nicht ausschließlich der Verwaltungsvereinfachung und halte sich im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG) verfolgte Anspruch der Klägerin auf höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des Bezugs von Arbeitslosengeld in der Zeit von Februar bis Juli 2007. Wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, besteht ein solcher Anspruch nicht.
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1. Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Das Kind muss nach dem 31.12.2006 geboren sein (vgl § 27 Abs 1 BEEG, Art 3 Abs 1 Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748; vgl hierzu auch BSG Urteil vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1). Ob im Fall der Klägerin sämtliche Voraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG erfüllt sind, vermag der Senat anhand der Tatsachenfeststellungen des SG nicht zu beurteilen. Das ist hier unschädlich, weil die Klägerin jedenfalls kein höheres Elterngeld beanspruchen kann.
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2. Die Höhe des Elterngeldes richtet sich gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG nach dem in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Es beträgt 67 % dieses durchschnittlichen Einkommens, höchstens 1800 Euro monatlich. § 2 Abs 5 BEEG sieht ein Mindestelterngeld in Höhe von monatlich 300 Euro vor.
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a) Der nach den gesetzlichen Vorgaben maßgebende Bemessungszeitraum von zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt (am 2.8.2007) erstreckt sich hier zunächst von August 2006 bis Juli 2007. Dazu bestimmt § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG idF vom 5.12.2006 (BGBl I 2748; die Anfügung des Satzes 7 durch Art 1 Nr 1 Buchst a Erstes Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, BGBl I 61, erfolgte mit Wirkung vom 24.1.2009 und ist deshalb hier unbeachtlich):
Kalendermonate, in denen die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes ohne Berücksichtigung einer Verlängerung des Auszahlungszeitraumes nach § 6 Satz 2 Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, bleiben bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zu Grunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt. Das Gleiche gilt für Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung oder dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist.
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Da die Klägerin ab Juli 2007 wegen der bevorstehenden Geburt Mutterschaftsgeld bezogen hat, bleibt danach dieser Monat bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums unberücksichtigt, so dass in dem angefochtenen Bescheid rechtsfehlerfrei auf den Zeitraum von Juli 2006 bis Juni 2007 abgestellt worden ist. Im Übrigen sind die Ausnahmetatbestände des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG offensichtlich nicht einschlägig.
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Die bei unklarem oder nicht eindeutigem Wortlaut zur Auslegung gesetzlicher Bestimmungen heranzuziehenden Gesichtspunkte des Bedeutungszusammenhanges, der Regelungsabsicht, des Sinnes und Zweckes des Gesetzes, der Gesetzesentwicklung oder des Gebotes einer verfassungskonformen Auslegung - letztere begehrt die Klägerin sinngemäß - sind hier nicht zu erörtern, denn der eindeutige Wortsinn einer gesetzlichen Vorschrift ist die Grenze jeder Auslegung (Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, 143 mwN, s Bundesverfassungsgericht
, BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81) . Eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung ist nicht möglich.
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Eine Erweiterung des Gesetzesinhalts auf den Fall der Klägerin lässt sich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere mittels eines Analogieschlusses erreichen. Es fehlt an einer erkennbaren Unvollständigkeit des Gesetzes. Der Senat hat bereits zu der Nichtberücksichtigung der Elternzeit für ein älteres Kind ohne Elterngeldbezug entschieden, dass die gesetzlichen Ausnahmetatbestände aus § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG vom Wortlaut her ausdrücklich und klar geregelt sind; der Gesetzgeber wollte allein diese Sachverhalte privilegieren und bei der Bestimmung des für die Bemessung des Elterngeldes maßgebenden Zwölf-Monatszeitraums unberücksichtigt lassen (vgl Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 31-34). Das Gesetz ist auch im Hinblick auf Einkommenseinbußen wegen Arbeitslosigkeit nicht lückenhaft. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich vielmehr, dass der "Wegfall oder das Fehlen von Erwerbseinkommen aus anderen Gründen wie zum Beispiel der Arbeitsmarktlage oder anderen konkreten Lebensumständen" nicht zu einer Verschiebung des Bemessungszeitraums führen soll (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20 zu § 2 Abs 1 Satz 2 und 3 BEEG-Entwurf, dessen Regelungen in der Gesetz gewordenen Fassung des § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG vereinheitlicht worden sind, vgl BT-Drucks 16/2785 S 38).
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b) Ist danach im vorliegenden Fall bei der Leistungsbemessung auf die Zeit von Juli 2006 bis Juni 2007 abzustellen, wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG das insoweit erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit berücksichtigt, und zwar nach § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG nach Maßgabe des § 2 Abs 7 bis 9 BEEG. Damit knüpft das BEEG an den einkommensteuerrechtlichen Einkommensbegriff iS des § 2 EStG an(vgl hierzu BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 20 f). Von den sieben im Grundtatbestand des § 2 Abs 1 Satz 1 EStG aufgeführten Einkunftsarten sind nur die (Erwerbs-)Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (Nr 1), Gewerbebetrieb (Nr 2), selbstständiger Arbeit (Nr 3) und nichtselbstständiger Arbeit (Nr 4) erheblich.
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Nach den gesetzlichen Vorgaben ist das von der Klägerin bezogene Arbeitslosengeld unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG. Es fällt nach Auffassung des Senats insbesondere nicht unter den Begriff der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG.
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Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sind nach § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG insbesondere Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Zwar enthält auch § 19 Abs 1 EStG keine abstrakt generelle Definition des Begriffs der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern nur eine beispielhafte Umschreibung der Einkünfte iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG. Daraus ist indes zu erschließen, dass jedenfalls alle Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer erfasst sind, die durch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers veranlasst sind. Alle Einnahmen aus dem Arbeitsverhältnis sind daher Arbeitslohn (vgl BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 28 mwN; Eisgruber in Kirchhof, EStG, 9. Aufl 2010, § 19 RdNr 13, 15; Drenseck in Schmidt, EStG, 29. Aufl 2010, § 19 RdNr 16, 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müssen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG im weitesten Sinne Gegenleistungscharakter aufweisen, also "für eine Beschäftigung" gewährt werden bzw als Frucht der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu betrachten sein(jüngst BFH Urteil vom 20.5.2010 - VI R 41/09 - BFHE 229, 346, 348 f mwN; vgl auch BFH Urteil vom 26.5.1998 - VI R 9/96 - BFHE 186, 247, 250). Dabei ist die Frage, ob eine Zuwendung Ertrag der Arbeitsleistung ist, danach zu beurteilen, wozu die Zahlung erfolgt ist, und nicht danach, wer die Zahlung vorgenommen hat. Denn es können auch Bar- oder Sachzuwendungen Dritter Arbeitslohn darstellen, soweit sie der Arbeitnehmer vernünftigerweise als Frucht seiner Leistung für den Arbeitgeber ansehen muss (BFH Urteil vom 26.5.1998 - VI R 9/96 - BFHE 186, 247, 250; BFH Urteil vom 5.7.1996 - VI R 10/96 - BFHE 180, 441, 442).
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Bereits das Merkmal des Gegenleistungscharakters fehlt dem Arbeitslosengeld. Rechtsgrund für die Leistungsgewährung ist das Versicherungsverhältnis und nicht die (frühere) Beschäftigung. Es entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung zum zu versteuernden Arbeitslohn gehören und damit auch die Verschaffung eines solchen - gesetzlichen oder privaten - Versicherungsschutzes durch den Arbeitgeber grundsätzlich Arbeitslohn darstellt (BFH Beschluss vom 11.9.2007 - VI B 146/05 - juris RdNr 3; BFH Beschluss vom 29.10.2004 - XI B 170/03 - juris RdNr 3). Demgegenüber sind jedoch Leistungen aus diesem Versicherungsverhältnis, die nicht lediglich dem Arbeitgeber zustehen, sondern auf einem eigenen Anspruch des Arbeitnehmers beruhen, regelmäßig auch dann kein Arbeitslohn, wenn der Versicherungsschutz im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gewährt wird (BFH Urteil vom 26.5.1998 - VI R 9/96 - BFHE 186, 247 - juris RdNr 14). Somit ist Arbeitslosengeld weder Arbeitslohn iS des § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG(vgl auch Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftssteuergesetz, § 3 Nr 2 EStG RdNr 2 mwN) noch Bezug oder Vorteil aus früheren Dienstleistungen iS des § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG, da auch diese Einnahmen nach den allgemeinen Grundsätzen durch das (frühere) Dienstverhältnis veranlasst sein müssen(vgl BFH Urteil vom 14.4.2005 - VI R 134/01 - BFHE 209, 361). Mangels rechtlichen Zusammenhangs mit dem früheren Beschäftigungsverhältnis ist Arbeitslosengeld auch nicht als Entschädigung iS des § 24 Abs 1 Buchst a EStG den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 19 Abs 1 Nr 1 EStG zuzuordnen(zur Einordnung der Einkünfte nach § 24 EStG als nicht selbstständige Einkunftsart vgl BFH Urteil vom 16.10.2002 - XI R 71/00 - BFHE 200, 544 - juris RdNr 15; BSG Urteil vom 9.10.2007 - B 5b/8 KN 1/06 KR R - SozR 4-2500 § 10 Nr 8 juris RdNr 17; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 2/05 R - SozR 4-2500 § 10 Nr 6 juris RdNr 13).
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Da Arbeitslosengeld bereits kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG ist, kommt es nicht darauf an, dass diese Sozialleistung gemäß § 3 Nr 2 EStG von der Steuer befreit ist. Die in § 3 EStG geregelten Tatbestände der Steuerbefreiungen sind nach den gesetzlichen Vorgaben - wie sie das LSG zu Recht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat - bereits bei der Ermittlung der Einkünfte nach dem objektiven Nettoprinzip gemäß § 2 Abs 1 und Abs 2 EStG zu prüfen(vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 20 ff mwN). Dies hat zur Folge, dass steuerfreie Beträge steuerrechtlich weder als steuerpflichtige Einnahmen noch als steuerpflichtige Einkünfte noch als steuerpflichtiges Einkommen behandelt werden dürfen und das Arbeitslosengeld auch aus diesem Grund der Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG nicht zugrunde gelegt werden darf.
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c) Unter Berücksichtigung der danach maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten hat der Beklagte die Höhe des Elterngeldes der Klägerin mit Bescheid vom 21.8.2007 rechtsfehlerfrei berechnet, indem er auf der Grundlage des von Juli 2006 bis Juni 2007 tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts der Klägerin ein durchschnittliches monatliches Nettoerwerbseinkommen in Höhe von 357,22 Euro ermittelt und daraus - unter Heranziehung der Geringverdienerregelung des § 2 Abs 2 BEEG - den monatlichen Elterngeldanspruch der Klägerin von 354,01 Euro abgeleitet hat.
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3. Nach Auffassung des Senats verstoßen die hier einschlägigen Bestimmungen des BEEG nicht gegen das GG.
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a) Der Senat hält daran fest, dass das BEEG im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 74 Abs 1 Nr 7 GG wirksam erlassen worden ist (vgl BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 36 ff mwN; Verfassungsbeschwerde anhängig unter 1 BvR 2712/09). Dabei versteht er den in Art 74 Abs 1 Nr 7 GG verwendeten Begriff der öffentlichen Fürsorge in einem weiten Sinne. Das Elterngeld wird davon umfasst, weil es dazu beitragen soll, die Lebensgrundlagen junger Familien zu sichern und diese vor dem Eintritt einer finanziellen Bedarfslage zu bewahren (vgl BSG aaO RdNr 39; siehe allgemein dazu auch Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl 2009, Art 74 RdNr 35 f mwN). Bemerkenswert ist insoweit, dass das BVerfG auch die Regelung in § 90 SGB VIII über die Staffelung von Kindergartenbeiträgen nach dem Familieneinkommen dem Art 74 Abs 1 Nr 7 GG zugeordnet hat(vgl BVerfGE 97, 332, 341 f).
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Ebenso wenig vermag der Senat dem Art 74 Abs 1 Nr 7 GG eine mangelnde Kompetenz des Bundes zur Einführung steuerfinanzierter Einkommensersatzleistungen zu entnehmen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Ausgestaltung der Leistung einem weit verstandenen Begriff der öffentlichen Fürsorge entspricht. Das ist beim Elterngeld der Fall. Die Orientierung an Bedarfslagen zeigt sich insbesondere an dem Basisbetrag von 300 Euro (§ 2 Abs 5 Satz 1 BEEG), der Begünstigung von Geringverdienern (§ 2 Abs 2 BEEG) und Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG), dem "Geschwisterbonus" (§ 2 Abs 4 BEEG) sowie der Festlegung eines Höchstbetrages von 1800 Euro (§ 2 Abs 1 Satz 1 BEEG).
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In den Genuss des Höchstbetrages kommen Bezieher ab einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von rund 2700 Euro. Selbst dieser Betrag ist kein hohes Erwerbseinkommen, sondern wird von vielen Arbeitnehmern der mittleren Bildungsebene - unter Umständen mit steuerpflichtigen Mehrarbeitszuschlägen - erreicht (vgl Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2010, S 535 über die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste im Jahr 2009 ua in der Leistungsgruppe 3 - Fachkräfte -, siehe S 531). Das Elterngeld fördert damit schwerpunktmäßig Erziehende, die im Bemessungszeitraum kleinere bis mittlere Einkommen erzielt haben. Diese Einschätzung wird erhärtet durch die Zahlen über die Höhe des Elterngeldes von Personen, die in der Zeit von Januar 2007 bis Juni 2008 einen Antrag gestellt haben. Von allen Leistungsbeziehern erhielten 53,4 % ein Elterngeld von 300 bis 500 Euro, 28,4 % von 500 bis unter 1000 Euro, 11,4 % von 1000 bis unter 1500 Euro und 6,8 % von 1500 bis 1800 Euro (siehe Bericht der Bundesregierung vom 30.10.2008 über die Auswirkungen des BEEG sowie über die ggf notwendige Weiterentwicklung, BT-Drucks 16/10770 S 12 Tabelle 3).
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Schließlich bleibt der Senat auch bei seiner Beurteilung, dass dem Gesetzgebungsrecht des Bundes Art 72 Abs 2 GG nicht entgegensteht (vgl BSG aaO RdNr 40). Für das BEEG ist die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zu bejahen.
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b) § 2 Abs 1 und 7 BEEG verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz in Art 3 Abs 1 GG(iVm Art 6 Abs 1, Art 20 Abs 1 GG), soweit danach der Bezug von Arbeitslosengeld, das an die Stelle ausgefallenen Arbeitsentgelts getreten ist, bei der Elterngeldberechnung nicht berücksichtigt wird.
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Art 3 Abs 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Dieser hat gerade auch im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten Abschnitt des BEEG gehören (§ 6, § 25 Abs 2 Satz 2, § 68 Nr 15a SGB I), einen weiten Gestaltungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist grundsätzlich erst dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG seit BVerfGE 55, 72, 88; vgl jüngst BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55; BVerfGE 117, 272, 300 f). Umgekehrt verbietet Art 3 Abs 1 GG auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung als sachwidrig erscheinen lassen (vgl Jarras in Jarras/Pieroth, GG, 11. Aufl 2011, Art 3 RdNr 8 mwN).
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Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 mwN; 110, 412, 436; stRspr). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 21, 12, 26; 23, 242, 252). Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen (vgl BVerfGE 17, 319, 330; 53, 313, 329; 67, 70, 85 f; stRspr). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt insoweit seine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl BVerfGE 75, 108, 157). Das BVerfG legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlich strengen Prüfungsmaßstab an (vgl zusammenfassend BVerfGE 88, 87, 96 f; 105, 73, 110 f = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 173). So muss der Gesetzgeber im Bereich staatlicher Maßnahmen, welche die Familie betreffen, den Schutz beachten, den er dieser nach Art 6 Abs 1 GG schuldet (vgl BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55). Darüber hinaus kann im vorliegenden Zusammenhang auch das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) von Bedeutung sein.
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Der Gesetzgeber war zunächst durch das Gleichbehandlungsgebot nicht gehindert, bei der Bemessung des Elterngeldes überhaupt an das zuvor erzielte Erwerbseinkommen anzuknüpfen. Für die dadurch bedingte Ungleichbehandlung von Berechtigten, die im Bemessungszeitraum durchgängig ein volles (ungeschmälertes) Arbeitsentgelt erzielt haben, und solchen, bei denen das - wie bei der Klägerin - nicht der Fall ist, gibt es hinreichende sachliche Gründe (aa). Dabei durfte der Bemessungszeitraum grundsätzlich auf 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes beschränkt werden, was zu einer Benachteiligung von Personen führt, die nur für weiter zurückliegende Zeiträume einen lückenlosen Arbeitsentgeltbezug vorweisen können (bb). Speziell ist es gerechtfertigt, dass die Klägerin als Bezieherin von Arbeitslosengeld - unabhängig von den dafür maßgeblichen Gründen - ungünstiger behandelt wird als Berechtigte, die im Bemessungszeitraum durchgängig Arbeitsentgelt bezogen haben oder bei denen in den 12 Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes liegende Arbeitsentgeltausfälle gemäß § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums unberücksichtigt bleiben (cc). Entsprechendes gilt für die Gleichbehandlung der Klägerin mit Personen, die in der betreffenden Zeit Leistungen zur Existenzsicherung nach dem SGB II oder SGB XII erhalten haben (dd).
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aa) Durch das BEEG hat der Gesetzgeber einen Systemwechsel gegenüber dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) vorgenommen. Während das Erziehungsgeld eine von der Bedürftigkeit der antragstellenden Person abhängige Leistung (§ 4 Abs 1 BErzGG, § 5 Abs 3 BErzGG)mit pauschaler, begrenzter Höhe (nach § 5 Abs 1 BErzGG monatlich 450 bzw 300 Euro)war, ist das Elterngeld über den Basisbetrag von 300 Euro und den Basisgeschwisterbonus von 75 Euro hinaus als Leistung ausgestaltet, die das vor der Geburt liegende Erwerbseinkommen des Berechtigten bis zum Höchstbetrag von 1800 Euro (§ 2 Abs 1 BEEG) ersetzt (vgl BSG Urteile vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1, RdNr 19, und vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 55; siehe allgemein auch Pauli in Hambüchen, BEEG-EStG-BKGG Komm, § 2 BEEG RdNr 2; Jung SGb 2007, 449; Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, 2007, RdNr 31, 33). Dabei kommt den Basisbeträgen ersichtlich der Zweck einer einheitlichen Honorierung der Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu (vgl Fuchsloch/Scheiwe, aaO RdNr 43), was durch die Erhöhung um je 300 Euro bei Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG) untermauert wird. Hinsichtlich der darüber hinaus möglichen Leistungshöhe, die sich nach dem vor der Geburt des Kindes erzielten Erwerbseinkommen richtet (§ 2 Abs 1 BEEG), ergibt sich eine Ungleichbehandlung zwischen Berechtigten je nach dem Vorhandensein und der Höhe entsprechender Einkünfte. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist diese Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt (vgl dazu bereits BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 56 ff).
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aaa) Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Anknüpfen an das Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei der Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 BEEG ein legitimes Differenzierungsziel.
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Ziel des Elterngeldes ist es vor allem, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern (vgl die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, soll einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes erhalten (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Durch die Betreuung des Kindes sollen die Eltern keine allzu großen Einkommenseinbußen befürchten müssen (vgl Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des BEEG vom 30.10.2008, BT-Drucks 16/10770 S 5 f). Das Elterngeld soll insoweit die Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf stärken und richtet sich im Kern - über die Mindestförderung in Höhe von 300 Euro (§ 2 Abs 5 Satz 1 BEEG) hinaus - an Erwerbstätige, die durch die Betreuung eines Kindes einem Bruch in ihrer Erwerbsbiographie ausgesetzt sind bzw Einkommenseinbußen hinzunehmen haben (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2).
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Gemessen an den vielfältigen Zwecken, die der Gesetzgeber mit dem Elterngeld in seiner Einkommensersatzfunktion verbindet (ua Vermeidung des Aufschiebens der Kinderphase, gleichberechtigte Kindererziehung von Vätern und Müttern, Vermeidung der Abhängigkeit von staatlichen Fürsorgeleistungen, vgl BT-Drucks 16/1889 S 1 f, 14 f), ist das Differenzierungsziel insbesondere unter Berücksichtigung einer Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (vgl hierzu etwa BVerfG Beschluss vom 10.11.1998 - 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 - BVerfGE 99, 216, 234), einer Steigerung der Geburtenrate und einer (teilweisen) Kompensation des durch die Betreuung und Erziehung des Kindes ausfallenden Erwerbseinkommens legitim. Es sollten - über die für alle gleichen Basisbeträge hinaus - besondere Anreize für solche Elternteile geschaffen werden, bei denen die Kindererziehung mit Einbußen von Einkommen aus Erwerbstätigkeit verbunden ist. Spezielle verfassungsrechtliche Verbote stehen dieser Differenzierung nicht entgegen.
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(1) Ein Differenzierungsverbot ergibt sich nicht aus Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (vgl hierzu bereits Senatsurteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 62 unter Bezugnahme auf Seiler, NVwZ 2007, 129, 132), auch nicht durch eine Ungleichbehandlung von Alleinverdienerehen gegenüber Doppelverdienerehen, bei denen die Berechtigten durch die Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 und 7 BEEG regelmäßig höhere Leistungsansprüche erzielen(vgl hierzu auch Weilert, DVBl 2010, 164, 166).
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Art 6 Abs 1 GG schützt jede Ehe und Familie und garantiert zugleich eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen ist (vgl BVerfGE 21, 329, 353; vgl auch BVerfGE 61, 319, 346 f mwN; 99, 216, 231; 107, 27, 53). Der Gesetzgeber muss, wenn er dem Gebot des Art 6 Abs 1 GG gerecht werden will, Regelungen vermeiden, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen (vgl BVerfGE 66, 84, 94; 87, 234, 258 f; 107, 27, 53). In diesen Bereich fällt auch die Entscheidung darüber, ob eine Ehefrau sich ausschließlich dem Haushalt widmen oder beruflich tätig sein und eigenes Einkommen erwerben will; eine Einwirkung des Gesetzgebers dahin, die Ehefrau "ins Haus zurückzuführen", wäre deshalb auch wegen eines Verstoßes gegen Art 6 Abs 1 GG verfassungswidrig (vgl BVerfGE 6, 55, 81 f; 21, 329, 353; 107, 27, 53). Gleiches gilt, wenn der Ehemann durch eine gesetzliche Regelung in seiner Entscheidungsfreiheit hinsichtlich einer eigenen Erwerbstätigkeit beeinträchtigt wird, weil oder solange seine Ehefrau erwerbstätig ist. Der besondere verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie erstreckt sich auf die "Alleinverdienerehe" ebenso wie auf die "Doppelverdienerehe" (vgl zB BVerfGE 66, 84, 94; 87, 234, 258 f; 107, 27, 53). Diese Grundsätze gelten insbesondere für die Eingriffsverwaltung, etwa im Steuerrecht (vgl BVerfGE 107, 27, 53 ff). Im Bereich familienfördernder Leistungen verfügt der Gesetzgeber zwar grundsätzlich über einen großen Gestaltungsspielraum - Art und Maß bestimmt er in politischer Verantwortung. Wegen des Freiheitsprinzips des GG hat er jedoch auf die Vielfalt der Lebensstile Rücksicht zu nehmen; traditionelle Formen des Familienlebens muss er pflegen, neue Formen ermöglichen; hierbei genießen altbewährte Formen sozialer Gemeinschaft Vorrang vor dem Neuen, das erst noch zur Bewährung ansteht (vgl Di Fabio, NJW 2003, 993, 997).
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Nach Auffassung des Senats hat die Förderung durch das Elterngeld in seiner einkommensersetzenden Funktion nach § 2 Abs 1 und 7 BEEG nicht die Intensität, dass durch die größere Anreizwirkung für Doppelverdienerehen im Vergleich zu Alleinverdienerehen in den Schutzbereich des Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG eingegriffen wird(so auch Becker in Festschrift für Herbert Buchner, 2009, 67, 79; Seiler, NVwZ 2007, 129, 132; Weilert DVBl 2010, 164, 166). Die befristete Förderleistung berührt nicht in erheblicher Weise die Entscheidungsfreiheit von Eheleuten hinsichtlich ihrer innerfamiliären Aufgabenverteilung. Finanzielle Anreize - wie jede Form einer umfassenderen Förderung - können zwar stets eine überschießende Einflussnahme mit sich bringen. Das Elterngeld übt jedoch weder einen auch nur mittelbaren Zwang zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit aus noch nimmt es derart Einfluss auf die Rollenverteilung von Mann und Frau innerhalb der Ehe, dass von einer Eingriff