Bundesgerichtshof EuGH-Vorlage, 14. Nov. 2018 - XII ZB 292/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:141118BXIIZB292.16.0
bei uns veröffentlicht am14.11.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage eingeholt, ob Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2429) mit Art. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit eine unter Beteiligung eines nach ausländischem Recht ehemündigen Minderjährigen geschlossene Ehe nach deutschem Recht - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - ohne einzelfallbezogene Prüfung als Nichtehe qualifiziert wird, wenn der Minderjährige im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte.

Gründe

A.

1

Der am 1. Januar 1994 geborene Antragsteller und die am 1. Januar 2001 geborene Betroffene sind syrische Staatsangehörige. Als Verwandte (Cousin / Cousine) wuchsen sie im selben Dorf in Syrien auf. Am 10. Februar 2015 schlossen sie vor dem Scharia-Gericht in Sarakeb/Syrien die Ehe. Aufgrund der Kriegsereignisse flüchteten sie über die sogenannte "Balkanroute" von Syrien nach Deutschland, wo sie am 27. August 2015 ankamen. Nach ihrer Registrierung in der Erstaufnahmeeinrichtung in Schweinfurt wurden sie nach Aschaffenburg gebracht. Dort wurde die Betroffene, die bis dahin seit Februar 2015 mit dem Antragsteller zusammengelebt hatte, am 10. September 2015 vom Jugendamt in Obhut genommen, vom Antragsteller getrennt und in eine Jugendhilfeeinrichtung für weibliche minderjährige unbegleitete Flüchtlinge verbracht. Durch einstweilige Anordnung vom 16. September 2015 stellte das Amtsgericht das Ruhen der elterlichen Sorge bezüglich der Betroffenen fest und ordnete Vormundschaft an. Zum Vormund wurde das Stadtjugendamt Aschaffenburg bestellt.

2

Der Antragsteller, der zunächst nicht wusste, wohin die Betroffene verbracht worden war, hat sich im Dezember 2015 an das Amtsgericht gewandt und eine Überprüfung der Inobhutnahme sowie die Rückführung der Betroffenen beantragt.

3

Das Amtsgericht, das das Begehren des Antragstellers in einen Antrag auf Regelung des Umgangsrechts zwischen dem Antragsteller und der Betroffenen umgedeutet hat, hat das Umgangsrecht dahingehend geregelt, dass die Betroffene das Recht habe, jedes Wochenende von Freitag 17 Uhr bis Sonntag 17 Uhr mit dem Antragsteller zu verbringen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vormunds der Betroffenen hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen; zugleich hat es die Entscheidung des Amtsgerichts von Amts wegen aufgehoben. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Vormunds der Betroffenen, der eine Regelung des Umgangs dahingehend anstrebt, dass die Betroffene lediglich einmal wöchentlich die Zeit von 14 bis 17 Uhr in Begleitung eines Dritten mit dem Antragsteller verbringen darf.

B.

4

Das Verfahren ist nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen. Nach Überzeugung des Senats ist es mit Art. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG unvereinbar, dass Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB eine unter Beteiligung eines nach ausländischem Recht ehemündigen Minderjährigen geschlossene Ehe nach deutschem Recht - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - ohne einzelfallbezogene Prüfung als Nichtehe qualifiziert, wenn der Minderjährige im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte. Zur Verfassungsmäßigkeit ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.

I.

5

Das Oberlandesgericht, das noch vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017 (BGBl. I, S. 2429 ff.) entschieden hat, hat zur Begründung seiner in FamRZ 2016, 1270 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die Beschwerde des Vormunds der Betroffenen sei zulässig. Die Frage, ob durch die Umgangsregelung das Aufenthaltsbestimmungsrecht des Vormunds für die Betroffene beeinträchtigt werde, könne im Rahmen der Zulässigkeit des Rechtsmittels dahingestellt bleiben, da es sich insoweit um eine sogenannte doppelrelevante Tatsache handele.

7

Die Beschwerde des Vormunds habe keinen Erfolg, führe jedoch zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung von Amts wegen.

8

Die internationale Zuständigkeit sei für den vorliegenden Verfahrensgegenstand nach Art. 1 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. a, Art. 8 Abs. 1 EuEheVO (Brüssel II a) gegeben. Sie ergebe sich zudem aus Art. 6 KSÜ und Art. 16 GFK.

9

Da dem Vormund indessen das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Betroffene nicht zustehe, sei eine Rechtsbeeinträchtigung zu seinen Lasten durch die angefochtene Entscheidung nicht gegeben. Vielmehr sei die angefochtene Umgangsregelung ersatzlos aufzuheben, da die Betroffene insoweit selbst Trägerin der Entscheidungsbefugnis sei.

10

Nach Art. 15 Abs. 1 KSÜ bestimme sich das Recht der elterlichen Verantwortung vorliegend nach deutschem Recht. Danach komme der Betroffenen die eigene volle Entscheidungsbefugnis für ihren Aufenthalt und ihren Umgang zu, da die Vormundschaft nach §§ 1800, 1633 BGB a.F. sich für einen verheirateten Minderjährigen nicht auf Belange des Aufenthalts und des Umgangs erstrecke. Eine solche Entscheidungsbefugnis für den Vormund ergebe sich auch nicht aus Art. 16 Abs. 3 und 4 KSÜ (bzw. Art. 12 GFK) iVm dem syrischen Kindschaftsrecht, da die elterliche Verantwortung für die Betroffene nach syrischem Recht mit der Eheschließung erloschen sei.

11

Die Voraussetzungen der Eheschließung bestimmten sich hier gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB nach syrischem Recht, da beide Ehegatten bei Eingehung der Ehe syrische Staatsangehörige waren. Damit gelte das Gesetz Nr. 59 vom 17. September 1953, geändert durch das Gesetz Nr. 34 vom 31. Dezember 1975 - syrisches Personalstatutgesetz (im Folgenden: syrPSG; deutsche Übersetzung bei Bergmann/Ferid Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Arabische Republik Syrien S. 11 ff.).

12

Die Eheschließung erfolge nach Art. 1 ff. syrPSG durch Vertrag zwischen Ehemann und Ehefrau. Die Ehefähigkeit erfordere nach Art. 15 Abs. 1 syrPSG geistige Gesundheit und Geschlechtsreife. Gemäß Art. 16 syrPSG erlange der Mann die Ehefähigkeit mit der Vollendung des 18. Lebensjahres, die Frau mit Vollendung des 17. Lebensjahres. Wenn eine Jugendliche, die das 13. Lebensjahr vollendet hat, die Eheschließung mit der Behauptung beantrage, geschlechtsreif zu sein, könne der Richter nach Art. 18 Abs. 1 syrPSG die Heirat erlauben, falls er die Richtigkeit ihrer Angaben sowie ihre körperliche Reife als erwiesen ansehe. Eine solche Heirat bedürfe der Zustimmung des Vaters oder des Großvaters der Minderjährigen, soweit diese zugleich Ehevormund der Minderjährigen sind. Der Antrag auf Eheschließung müsse nach Art. 40 Abs. 1 syrPSG beim Bezirksrichter eingereicht werden; dabei müsse u.a. das Alter der Verlobten durch Vorlage einer beglaubigten Abschrift der Geburtsurkunde belegt werden. Gemäß Art. 41 syrPSG gebe der Richter seine Zustimmung zur Eheschließung, sobald alle erforderlichen Unterlagen vorliegen. Die Eheschließung erfolge nach Art. 43 syrPSG durch den Richter oder einen von ihm ermächtigten Rechtspfleger. Über den Ehevertrag müsse gemäß Art. 44 syrPSG eine Niederschrift gefertigt werden, von der der Rechtspfleger nach Art. 45 syrPSG eine Abschrift für das Standesamt fertige.

13

Ausweislich der vorgelegten Unterlagen, die in der Sitzung vor dem Oberlandesgericht durch einen Dolmetscher nochmals übersetzt worden seien, seien vorliegend sämtliche Voraussetzungen für eine wirksame Eheschließung nach syrischem Recht eingehalten. Anhaltspunkte dafür, dass die vorgelegten Unterlagen falsch sein könnten, bestünden nicht. Auch die Deutsche Botschaft in Beirut habe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es sich nicht um eine nach syrischem Recht wirksame Eheschließung handelt.

14

Die Eheschließung in Syrien sei auch anzuerkennen, da ein möglicher Verstoß gegen den ordre public dem nicht entgegenstehe. Zwar sei nach deutschem Eheschließungsrecht (§ 1303 Abs. 2 BGB a.F.) die Eingehung der Ehe frühestens mit Vollendung des 16. Lebensjahres unter gewissen Voraussetzungen zulässig. Dies bedeute jedoch nicht automatisch, dass bei einer Unterschreitung der Ehemündigkeit die nach ausländischem Recht geschlossene Ehe nicht anerkannt werden könne. Ob und ggf. bis zu welchem Lebensalter die Unterschreitung des Ehemündigkeitsmindestalters bei Eheschließung im Ausland zu einem Verstoß gegen den ordre public führe, sei in der Rechtsprechung umstritten. Die Frage eines Verstoßes gegen den ordre public könne aber vorliegend offen bleiben, da selbst bei einem solchen Verstoß hier eine wirksame Ehe vorläge. Denn die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen den deutschen ordre public sei die Nichtanwendung der ausländischen Vorschrift, wobei die dadurch entstehende Regelungslücke nach Möglichkeit nach ausländischem Recht zu schließen sei.

15

Nach Art. 47 bis 52 syrPSG sei ein Ehevertrag gültig, wenn seine wesentlichen Elemente und seine allgemeinen Voraussetzungen gegeben sind. Gemäß Art. 48 Abs. 1 syrPSG sei der Ehevertrag lediglich fehlerhaft, wenn die Grundlage für den Ehevertrag aus Angebot und Annahme vorhanden ist, die anderweitigen Voraussetzungen jedoch nicht vollständig erfüllt sind. Für den fehlerhaften Ehevertrag regele Art. 51 Abs. 1 syrPSG, dass er einem nichtigen Ehevertrag, der gemäß Art. 50 syrPSG keine Rechtswirkungen habe, nur solange entspreche, als die Beiwohnung nicht stattgefunden habe. Dagegen sei den genannten Vorschriften nicht zu entnehmen, dass ein fehlerhafter Ehevertrag zu einem nichtigen Eheschluss führe, wenn - wie hier nach den Angaben der Eheleute in der Anhörung - ehelicher Verkehr bereits stattgefunden habe. Schließlich bestimme Art. 305 syrPSG, dass bezüglich verbleibender Regelungslücken die herrschende Theorie der hanafitischen Lehre anzuwenden sei. Vorliegend gehörten beide Eheleute nach ihren Angaben der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Auch nach sunnitischem Recht komme eine Ungültigkeit der Ehe nur für eine Ehe eines Nicht-Muslims mit einer Muslima in Betracht, während im Übrigen mangelhafte Eheschließungen nur anfechtbar seien.

16

Damit läge selbst bei fehlender Ehemündigkeit nach syrischem Recht lediglich eine fehlerhafte und anfechtbare, jedoch keine unwirksame Eheschließung vor. Dies entspreche dem deutschen Eheschließungsrecht, da auch eine unter Nichteinhaltung der Ehemündigkeit nach § 1303 BGB a.F. geschlossene Ehe gemäß § 1314 Abs. 1 BGB a.F. lediglich aufhebbar sei. Ein Aufhebungs- oder Anfechtungsverfahren bezüglich der Eheschließung sei vorliegend aber nicht anhängig. Die Anwendung des syrischen Rechts im konkreten Fall führe daher auch nicht zu einem Ergebnis, das aus der Sicht grundlegender deutscher Rechtsvorstellungen nicht mehr hinnehmbar sei.

17

Daran ändere auch die Wertung des § 182 Abs. 3 StGB nichts, da eine Strafbarkeit bei 14-jährigen Sexualpartnern insoweit der Einzelfallbetrachtung unterliege.

18

Auch Kindeswohlbelange erforderten vorliegend keine andere Beurteilung. Die UN-Kinderrechtskonvention enthalte hinsichtlich einer Eheschließung keine Altersgrenze, bei deren Unterschreitung zwangsläufig ein Verstoß gegen Kinderrechte anzunehmen wäre. Die Betroffene sei bei Eheschließung 14 Jahre alt gewesen. Die Eheleute seien unter erheblichen Gefahren gemeinsam von Syrien nach Deutschland geflohen. Anhaltspunkte für eine Zwangsheirat seien nicht ersichtlich. Auch der Integrationsbedarf beider Eheleute für eine zukünftige gedeihliche Lebensführung in Deutschland stehe der Anerkennung der syrischen Eheschließung nicht entgegen.

19

Damit sei aufgrund der wirksamen Ehe der Betroffenen das Personensorgerecht des Vormunds gemäß §§ 1633 a.F., 1800 BGB eingeschränkt. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht komme daher der Betroffenen als minderjähriger Verheirateter selbst zu.

II.

20

Der Senat ist überzeugt, dass die Regelung des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB, wonach für den Fall, dass die Ehemündigkeit eines Verlobten ausländischem Recht unterliegt, die Ehe nach deutschem Recht - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - unwirksam ist, wenn der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte, mit Art. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Die Frage, ob diese während des laufenden Verfahrens durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen mit Wirkung vom 22. Juli 2017 (BGBl. I, S. 2429 ff.) eingefügte Regelung verfassungsgemäß ist, ist für die Entscheidung des Verfahrens erheblich. Denn nur bei Geltung dieser Regelung wäre die Rechtsbeschwerde des Vormunds der Betroffenen begründet, während ansonsten die mit der Rechtsbeschwerde angestrebte Ausübung der elterlichen Sorge dahingehend, dass die Betroffene als verheiratete Minderjährige mit ihrem Ehemann wöchentlich lediglich drei Stunden begleiteten Umgang pflegen darf, ausscheidet.

21

Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB ist nach herkömmlicher Auslegung unter Berücksichtigung des Wortlauts, der Entstehungsgeschichte, des gesetzgeberischen Willens und ihres Sinns und Zwecks dahingehend zu verstehen, dass nach ausländischem Recht geschlossene Ehen nach deutschem Recht unwirksam ("Nichtehe") sein und keinerlei Rechtswirkungen entfalten sollen, wenn der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte. Eine abweichende verfassungskonforme Auslegung des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB kommt nicht in Betracht.

22

1. Die Rechtsbeschwerde hätte ohne Geltung des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB keinen Erfolg.

23

a) Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Oberlandesgericht sie in der angefochtenen Entscheidung zugelassen hat (§ 70 Abs. 1 FamFG), und auch im Übrigen zulässig.

24

b) Indessen wäre die Rechtsbeschwerde ohne Geltung des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB in der Sache nicht begründet.

25

aa) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die unbeschadet des Wortlauts des § 72 Abs. 2 FamFG auch in den Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (Senatsbeschlüsse vom 20. Dezember 2017 - XII ZB 333/17 - FamRZ 2018, 457 Rn. 9 und BGHZ 203, 372 = FamRZ 2015, 479 Rn. 11), ergibt sich vorliegend jedenfalls aus Art. 1 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. a, Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. EU Nr. L 338 S. 1; im Folgenden: Brüssel IIa-VO).

26

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte wäre hier auch nach Art. 6 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 (Kinderschutzübereinkommen - KSÜ; BGBl. 2009 II S. 602, 603) gegeben; diese Vorschrift ist indessen nach Art. 61 lit. a Brüssel IIa-VO nachrangig.

27

bb) Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Vormund der Betroffenen im Sinne von § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt ist.

28

Die Beschwerde steht nach §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 FamG demjenigen zu, der durch den angefochtenen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Dabei muss es sich um eine unmittelbare Beeinträchtigung eines eigenen materiellen Rechts handeln (vgl. Senatsbeschluss vom 25. April 2018 - XII ZB 414/16 - FamRZ 2018, 1184 Rn. 11 mwN). Die tatsächlichen Grundlagen der Rechtsbeeinträchtigung, bei denen es sich um doppelrelevante Tatsachen handelt, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit der Beschwerde entscheidend sind, sind schlüssig vorzutragen (vgl. BGH Beschluss vom 24. April 2012 - II ZB 8/10 - FGPrax 2012, 169 Rn. 15 mwN).

29

Der Vormund der Betroffenen sieht sich in der Ausübung der Personensorge, insbesondere des Aufenthaltsbestimmungsrechts, nach §§ 1800, 1631 Abs. 1 BGB beeinträchtigt. Damit ist eine Beeinträchtigung in einem eigenen Recht schlüssig dargelegt.

30

Dass die Betroffene das 14. Lebensjahr vollendet hat und deshalb auch bei fortbestehender Minderjährigkeit nach § 60 Satz 1 und 3 FamFG das Beschwerderecht in allen ihre Person betreffenden Angelegenheiten ohne Mitwirkung ihres Vormunds und damit selbst ausüben kann, steht der Beschwerdebefugnis des Vormunds nicht entgegen, sondern begründet lediglich ein zusätzliches eigenständiges Beschwerderecht der Betroffenen (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Januar 2018 - XII ZB 383/17 - FamRZ 2018, 601 Rn. 13 mwN).

31

cc) Gemäß Art. 15 Abs. 1 KSÜ findet auf die vorliegende Kindschaftssache (§ 151 Nr. 1 und 3 FamFG) deutsches Recht Anwendung.

32

Der Antragsteller hat beim Amtsgericht eine Überprüfung der Inobhutnahme sowie die Rückführung der Betroffenen zur Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft beantragt. Insoweit handelt es sich entgegen der Umdeutung durch das Amts- und das Oberlandesgericht nicht um einen Antrag auf Regelung des Umgangs des Antragstellers mit der Betroffenen, sondern um einen Rückführungsantrag entsprechend § 1632 Abs. 4 BGB. Denn der Antragsteller macht im Hinblick auf die Ehe geltend, dass das Jugendamt die Betroffene zu Unrecht aus der ehelichen Lebensgemeinschaft herausgenommen habe und als Vormund ihm die Betroffene durch eine missbräuchliche Ausübung des Sorgerechts widerrechtlich vorenthalte.

33

dd) Der Rechtsbeschwerdeführer hat die Betroffene im Falle einer wirksamen Ehe zu Unrecht vom Antragsteller getrennt. Eine Ausübung der elterlichen Sorge durch den Vormund (§§ 1800, 1631 bis 1632 BGB) dahingehend, dass die Minderjährige mit ihrem Ehegatten lediglich drei Stunden wöchentlich begleiteten Umgang pflegen darf, scheitert an der Widerrechtlichkeit des Vorenthaltens, solange eine wirksame Ehe vorliegt.

34

Nach § 1633 BGB a.F. beschränkte sich bis zum 21. Juli 2017 die Personensorge für einen verheirateten Minderjährigen auf die Vertretung in persönlichen Angelegenheiten. Zur Bestimmung des Aufenthalts oder Regelung des Umgangs eines verheirateten Minderjährigen waren danach weder die Eltern noch ein Vormund (§§ 1800 BGB a.F., 1633 BGB a.F.) berechtigt.

35

Zwar wurde § 1633 BGB durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen mit Wirkung zum 22. Juli 2017 aufgehoben, so dass jetzt auch bezüglich eines verheirateten Minderjährigen das volle Sorgerecht der Eltern bzw. des Vormunds besteht (§§ 1631 bis 1632, 1800 BGB). Jedoch scheitert eine Trennung des Minderjährigen von seinem Ehegatten, die weder die Wirksamkeit der Ehe noch das Kindeswohl berücksichtigt, an der Widerrechtlichkeit des Vorenthaltens des Ehegatten.

36

(1) Die Vorfrage, ob die minderjährige Betroffene vorliegend eine wirksame Ehe eingegangen ist, ist selbständig anzuknüpfen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. März 1981 - IVa ZR 111/80 - FamRZ 1981, 651, 653) und richtet sich gemäß Art. 11, 13 Abs. 1 EGBGB nach syrischem Recht, weil beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung in Syrien die syrische Staatsangehörigkeit hatten und noch haben, und das syrische Recht gemäß Art. 13 des syrischen Bürgerlichen Gesetzbuchs Nr. 84 vom 18. Mai 1949 (deutsche Übersetzung abgedruckt bei Bergmann/Ferid Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Arabische Republik Syrien S. 9) keine Rückverweisung ausspricht.

37

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts liegen ausweislich der von den Eheleuten im Verfahren vorgelegten Urkunden sämtliche Voraussetzungen nach dem syrischen Personalstatutgesetz für eine wirksame Eheschließung nach syrischem Recht vor. Ebenso bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die vorgelegten Urkunden falsch sein könnten.

38

Selbst wenn - wofür allerdings hier keine Anhaltspunkte bestehen - eine Ehe unter Verstoß gegen die Ehemündigkeitsvorschrift geschlossen wird, liegt nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts nach syrischem Recht eine wirksame, lediglich aufhebbare Ehe vor.

39

(2) Ohne Geltung des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB verstößt die Wirksamkeit der Ehe des Antragstellers und der Betroffenen als Ergebnis der Anwendung syrischen Rechts im konkreten Fall nicht gegen den ordre public.

40

(a) Art. 6 Satz 1 EGBGB untersagt die Anwendung einer Rechtsnorm eines anderen Staates, wenn diese zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Nach Satz 2 der Bestimmung ist die Rechtsnorm eines anderen Staates insbesondere dann nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Als negative Vorbehaltsklausel mit Abwehrfunktion bzw. "Einbruchstelle" der Grundrechte in das Internationale Privatrecht bringt Art. 6 EGBGB damit zum Ausdruck, dass die Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung nicht zur uneingeschränkten Anwendung fremden Rechts durch inländische Hoheitsträger auf Sachverhalte mit Auslandsbezügen verpflichtet. Die Anwendung des berufenen ausländischen Rechts steht vielmehr unter dem Vorbehalt, dass eine innerstaatliche Rechtshandlung deutscher Staatsgewalt in Bezug auf einen konkreten Sachverhalt, der eine mehr oder weniger starke Inlandsbeziehung aufweist, nicht zu einer Grundrechtsverletzung führt (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 12. September 2006 - 2 BvR 2216/05 - juris Rn. 13 mwN; BVerfGE 31, 58, 86; BVerfGE 31, 58, 75 f.). Zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts in Sorgerechtsangelegenheiten gehört dabei insbesondere die Beachtung des Kindeswohls des betroffenen Minderjährigen, das sich aus dem Grundrecht jedes einzelnen Kindes auf Schutz und Achtung seiner Persönlichkeitsentfaltung aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ableitet (vgl. etwa BVerfG FamRZ 2010, 865 Rn. 23 ff. mwN).

41

(b) Die Ehe, die die Betroffene im Alter von 14 Jahren geschlossen hat, ist nach syrischem Recht wirksam, obwohl die für eine Frau nach Art. 16 syrPSG erforderliche Ehefähigkeit (Vollendung des 17. Lebensjahres) unterschritten wird, weil ein Richter sie gemäß Art. 18 syrPSG gestattet hat, nachdem er im konkreten Einzelfall die körperliche Reife der Betroffenen und ihre Behauptung, geschlechtsreif zu sein, überprüft und bestätigt hat.

42

Anhaltspunkte für eine sogenannte Zwangsehe sind nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts hier weder dargelegt noch ersichtlich.

43

Dass die Betroffene bei der Eheschließung (erst) 14 Jahre alt war, vermag für sich genommen jedenfalls dann, wenn - wie hier - eine konkrete Prüfung der Ehefähigkeit im Einzelfall erfolgt ist, keinen Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts zu begründen.

44

Wann das noch akzeptabel erscheinende Mindestalter für die Eheschließung nach deutschem Recht unterschritten ist, wurde vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen bislang unterschiedlich beurteilt. Teilweise wurde die Grenze grundsätzlich bei 16 Jahren gezogen (KG FamRZ 2012, 1495, 1496 [wenn auch nicht statisch]; wohl AG Offenbach FamRZ 2010, 1561, 1562; Coester StAZ 1988, 122, 123 und MünchKommBGB/Coester 6. Aufl. Art. 13 EGBGB Rn. 38; eher bei Vollendung des 16. Lebensjahres: BeckOK BGB/Mörsdorf-Schulte [Stand: November 2011] Art. 13 EGBGB Rn. 25), teilweise zwischen dem 15. und dem 16. Lebensjahr (Hepting Deutsches und Internationales Familienrecht im Personenstandsrecht [2010] S. 179 [III-281]), teilweise bei 15 Jahren (Mankowski FamRZ 2016, 1274, 1275 und Staudinger/Mankowski BGB [2011] Art. 13 EGBGB Rn. 203; AG Hannover FamRZ 2002, 1116, 1117; KG FamRZ 1990, 45, 46; Rohe StAZ 2000, 161, 165), teilweise eher bei 14 Jahren (bei Differenzierung nach Kulturkreisen für die islamischen Staaten des Vorderen Orients: Scholz StAZ 2002, 321, 328) und teilweise bei einem Ehemündigkeitsalter von unter 14 Jahren (AG Tübingen ZfJ 1992, 48 [Mindestheiratsalter für Mädchen von 12 Jahren nach uruguayischem Recht kein Verstoß gegen den ordre public]; Erman/Hohloch BGB 13. Aufl. Art. 13 EGBGB Rn. 24; jurisPK-BGB/Baetge [2009] Art. 6 EGBGB Rn. 89; Bamberger/Roth/S. Lorenz BGB 2. Aufl. Art. 6 EGBGB Rn. 24; Rohe StAZ 2006, 93, 95; Looschelders Internationales Privatrecht [2004] Art. 6 EGBGB Rn. 44). Teilweise wurde auch für eine Gesamtschau plädiert, für die es nicht allein und nicht einmal entscheidend auf ein Alter von 14 oder 15 Jahren bei der Eheschließung ankommt (Frank StAZ 2012, 129, 130). Die unterschiedlichen Ansätze belegen eindrücklich, dass sich im Hinblick auf die individuelle Entwicklung jedes Kindes jegliche schematische Lösung verbietet.

45

Die Frage eines generellen Mindestalters für die Eheschließung bedarf indessen im Rahmen der Prüfung des ordre public vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts bei der Eheschließung Minderjähriger gehört nicht eine umstrittene generelle Altersgrenze, sondern die Beachtung des Kindeswohls in jedem Einzelfall.

46

Weder hinsichtlich des Schutzes des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK noch im Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention - UN-KRK; BGBl. II 1992 S. 121 und 990) wurde ein Mindestalter für die Eheschließung festgesetzt. Vielmehr verlangen Art. 3 Abs. 1 UN-KRK, dass das individuelle Kindeswohl vorrangig berücksichtigt, und Art. 12 Abs. 1 UN-KRK, dass der Reife und der Autonomie des jeweiligen Kindes Respekt gezollt wird (vgl. Hüßtege FamRZ 2017, 1374, 1377; Stellungnahme der Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstag e.V. vom 29. November 2016 [Berichterstattung: Coester] FamRZ 2017, 77, 79). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Betroffene nicht über die erforderliche Reife für die Eheschließung verfügt hat. Auch im Übrigen haben sich danach im gesamten Verfahren keine konkreten Bedenken hinsichtlich des Kindeswohls der Betroffenen ergeben.

47

Auch eine abweichende Beurteilung aufgrund der Wertung des § 182 Abs. 3 StGB hat das Oberlandesgericht mit zutreffender Begründung verneint. Aus dieser Vorschrift lässt sich weder ein generelles Mindestalter für die Eheschließung noch ein Verstoß gegen das Kindeswohl der Betroffenen ableiten.

48

Schließlich war eine (im Februar 2015) unter Verstoß gegen die Regelung der Ehemündigkeit in § 1303 Abs. 1 BGB a.F. geschlossene Ehe nach deutschem Recht nicht unwirksam, sondern nach § 1314 Abs. 1 BGB a.F. aufhebbar. Bei dieser Aufhebbarkeit bleibt es nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 1 EGBGB für Ehen, die nach deutschem Recht vor dem 22. Juli 2017 geschlossen wurden. Ein Anfechtungs- oder Aufhebungsverfahren wurde hier zu keinem Zeitpunkt betrieben.

49

Damit scheidet im Ergebnis ein Verstoß gegen den ordre public aus.

50

(3) Eine danach wirksame Ehe des Antragstellers mit der Betroffenen schließt das Vorenthalten der ehelichen Lebensgemeinschaft durch den Vormund auch insoweit aus, als ihm nach §§ 1800, 1631 bis 1632 BGB die gesamte elterliche Sorge für den minderjährigen Ehegatten zusteht. Dass durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen auch § 1633 BGB a.F. aufgehoben wurde, wonach sich die Personensorge für einen verheirateten Minderjährigen auf die Vertretung in den persönlichen Angelegenheiten beschränkte, ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich. Denn die allein vom Vormund der Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde ist bei Wirksamkeit der Ehe des Antragstellers und der Betroffenen unabhängig von der Regelung des § 1633 BGB a.F. unbegründet.

51

Zu den Kerngrundsätzen der Ehe gehört, dass die Ehegatten gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet sind und für einander Verantwortung tragen. Unter der Lebensgemeinschaft der Ehegatten ist dabei primär die wechselseitige innere Bindung der Ehegatten zu verstehen. Die häusliche Gemeinschaft umschreibt dagegen die äußere Realisierung dieser Lebensgemeinschaft in einer beiden Ehegatten gemeinsamen Wohnstätte. Die häusliche Gemeinschaft bezeichnet also einen äußeren, freilich nicht notwendigen Teilaspekt dieser Gemeinschaft (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 210, 124 = FamRZ 2016, 1142 Rn. 13 mwN und Senatsurteil BGHZ 149, 140 = FamRZ 2002, 316, 317 mwN). Eine anderweitige Lebensgestaltung können die Ehegatten im gegenseitigen Einvernehmen vereinbaren (vgl. Senatsbeschluss vom 27. April 2016 - XII ZB 485/14 - FamRZ 2016, 1142 Rn. 14 mwN). Dass die Ehegatten aber von einem Dritten daran gehindert werden, die eheliche Lebensgemeinschaft in ihrem Teilaspekt der häuslichen Gemeinschaft zu verwirklichen, ist mit dem Wesen der Ehe nicht vereinbar. Vereitelt der Vormund als Inhaber der Personensorge für einen minderjährigen Verheirateten - wie hier - ohne sachlichen Grund die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten, stellt dies vielmehr eine Kindeswohlgefährdung dar, die das Familiengericht gemäß § 1666 Abs. 1 BGB durch geeignete Maßnahmen abzuwenden hat.

52

2. Dagegen wäre die Rechtsbeschwerde bei Anwendbarkeit des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB begründet.

53

Unterliegt die Ehemündigkeit eines Verlobten ausländischem Recht, ist nach Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB die Ehe nach deutschem Recht unwirksam, wenn der Verlobte - wie hier die Betroffene - im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte. Da eine unwirksame Ehe als Nichtehe keine Rechtsfolgen zu bewirken vermag, wäre die Ehe damit für die Ausübung der elterlichen Sorge durch den Vormund unbeachtlich.

54

Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB enthält insoweit eine spezielle Regelung des ordre public, die der allgemeinen Regelung in Art. 6 EGBGB vorgeht. Eine Prüfung des ordre public im Einzelfall unter Berücksichtigung des konkreten Wohls des betroffenen Kindes ist danach ausgeschlossen.

55

a) Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB ist nach herkömmlicher Auslegung unter Berücksichtigung des Wortlauts, der Entstehungsgeschichte, des gesetzgeberischen Willens und ihres Sinns und Zwecks dahingehend zu verstehen, dass nach ausländischem Recht geschlossene Ehen nach deutschem Recht unwirksam ("Nichtehe") sein und keinerlei Rechtswirkungen entfalten sollen, wenn der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte.

56

aa) Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen. Ausgangspunkt der Auslegung ist allerdings der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt aber nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, der sich der Richter nicht entgegenstellen darf. Dessen Aufgabe beschränkt sich darauf, die intendierte Regelungskonzeption bezogen auf den konkreten Fall - auch unter gewandelten Bedingungen - möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen. In keinem Fall darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt neben dem Wortlaut den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Die Eindeutigkeit der im Wege der Auslegung gewonnenen gesetzgeberischen Grundentscheidung wird nicht notwendig dadurch relativiert, dass der Wortlaut der einschlägigen Norm auch andere Deutungsmöglichkeiten eröffnet, soweit diese Deutungen offensichtlich eher fern liegen. Anderenfalls wäre es für den Gesetzgeber angesichts der Schwierigkeit, textlich Eindeutigkeit herzustellen, nahezu unmöglich, sein Regelungsanliegen gegenüber der Rechtsprechung über einen längeren Zeitraum durchzusetzen (vgl. BVerfG NJW 2013, 1058 Rn. 66 mwN).

57

bb) Gemäß Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB sind nach ausländischem Recht geschlossene Ehen - ebenso wie jetzt im Inland geschlossene Ehen nach § 1303 Satz 2 BGB - stets unwirksam, wenn ein Ehepartner bei Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte.

58

(1) Dies ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, der ausnahmslos eine Unwirksamkeit solcher Ehen vorsieht. Diese Ehen entfalten mithin keinerlei Rechtswirkung.

59

Zwar erfährt Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB insoweit eine Einschränkung, als diese Vorschrift nach Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB nicht gilt, wenn der minderjährige Ehegatte vor dem 22. Juli 1999 geboren oder die nach ausländischem Recht wirksame Ehe bis zur Volljährigkeit des minderjährigen Ehegatten geführt worden ist und kein Ehegatte seit der Eheschließung bis zur Volljährigkeit des minderjährigen Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Liegen diese Voraussetzungen - wie hier - aber nicht vor, bleibt es bei der in Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB ausdrücklich angeordneten Nichtigkeit.

60

(2) Ein anderes Verständnis der Vorschrift ist vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte und dem gesetzgeberischen Willen ausgeschlossen.

61

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen ausdrücklich auf die angefochtene Entscheidung reagiert. Er wollte ein Ergebnis wie in dem angefochtenen Beschluss des Oberlandesgerichts, nach dem auf der Rechtsfolgenseite (hinsichtlich der Aufhebbarkeit der Ehe wegen Unterschreitens der Ehemündigkeit) zunächst ausländisches Recht zur Anwendung gelangt, ausdrücklich vermeiden (BT-Drucks. 18/12086 S. 16).

62

Der Gesetzgeber hat das Ehemündigkeitsalter im Interesse des Minderjährigenschutzes auf 18 Jahre heraufgesetzt (§ 1303 Satz 1 BGB). Ehen, die unter Verstoß gegen die Ehemündigkeitsvorschriften geschlossen wurden, sind unwirksam, wenn ein Ehegatte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (§ 1303 Satz 2 BGB). Diese Ehen entfalten keinerlei Rechtswirkung (BT-Drucks. 18/12086 S. 15). Sämtliche Vorschriften, die den minderjährigen Ehegatten betrafen, wie etwa § 1633 BGB a.F., wurden entsprechend aufgehoben. Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB ergänzt diese Regelungen lediglich für das internationale Privatrecht: Auch eine nach ausländischem Recht geschlossene Ehe ist nach deutschem Recht - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - unwirksam ("Nichtehe"), wenn der Eheschließende im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (vgl. BT-Drucks. 18/12086 S. 15).

63

(3) Auch der Sinn und Zweck der Regelung in Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB stehen einem anderweitigen Verständnis entgegen.

64

(a) Sinn und Zweck der Regelung war nach der Gesetzesbegründung, zur Wahrung des Kindeswohls klare Regelungen für den Umgang der deutschen Rechtsordnung mit Ehen minderjähriger ausländischer Staatsangehöriger zu schaffen, weil die bisherige Rechtslage hinsichtlich der Ehen von Minderjährigen im Zuge der Einreise von Flüchtlingen zunehmend als unbefriedigend empfunden wurde (BT-Drucks. 18/12086 S. 14 f.). Inländische und nach ausländischem Recht wirksam geschlossene Minderjährigenehen sollten insoweit gleich behandelt werden (BT-Drucks. 18/12086 S. 2). Dieses gesetzgeberische Konzept ist auch weder unstimmig noch widersprüchlich umgesetzt.

65

(b) Angesichts des Wortlauts, der Entstehungsgeschichte und des gesetzgeberischen Willens ist es ausgeschlossen, die abschließende Vorschrift des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB verfassungskonform erweiternd dahin auszulegen, dass eine nach ausländischem Recht unter Beteiligung eines Minderjährigen, der bei Eheschließung noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet hatte, geschlossene Ehe im Einzelfall unter Kindeswohlgesichtspunkten auch nach deutschem Recht wirksam sein kann.

66

Der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber gebietet es zwar, eine Vorschrift durch Auslegung so weit aufrecht zu erhalten, wie dies in den Grenzen des Grundgesetzes möglich ist, ohne dass sie ihren Sinn verliert. Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet aber dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG NJW 2015, 1359 Rn. 132 mwN; NJW 2007, 2977 Rn. 91 mwN; NJW 2000, 347, 349; Senatsbeschluss vom 1. Juli 2015 - XII ZB 89/15 - FamRZ 2015, 1484 Rn. 35). Eine verfassungskonforme Auslegung gegen den Willen des Gesetzgebers ist nicht zulässig (Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012 - XII ZR 89/10 - FamRZ 2012, 1489 Rn. 50; Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - XII ZR 161/08, FamRZ 2009, 1477 Rn. 28). Eine solche Korrektur des Gesetzes würde nicht zuletzt Art. 100 Abs. 1 GG zuwiderlaufen, der die Autorität des parlamentarischen Gesetzgebers im Verhältnis zur Rechtsprechung wahren soll (BVerfG NJW 2007, 2977 Rn. 91; BGH Beschluss vom 16. Mai 2013 - II ZB 7/11 - NJW 2013, 2674 Rn. 38 mwN).

III.

67

Der Senat ist der Überzeugung, dass die gesetzliche Anordnung der Unwirksamkeit der von einem noch nicht 16-jährigen Minderjährigen nach ausländischem Recht wirksam geschlossenen Ehe in Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - insofern mit Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar ist, als die Wirksamkeit der Ehe nach deutschem Recht ohne Rücksicht auf den konkreten Fall versagt wird, und - im Gegensatz zur Übergangsregelung für im Inland geschlossene Kinderehen nach Art. 229 § 44 Abs. 1 EGBGB - auch solche vor dem 22. Juli 2017 nach ausländischen Recht wirksam geschlossene Ehen unwirksam werden, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen auch nach deutschem Recht wirksam und nur aufhebbar waren.

68

1. Die Anordnung in Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB, dass nach ausländischem Recht wirksam geschlossene Ehen nach deutschem Recht - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - unwirksam sind, wenn einer der Eheschließenden zum Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, ist nach Überzeugung des Senats mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar (ebenso: Coester FamRZ 2017, 77, 79; Hüßtege FamRZ 2017, 1374, 1377; kritisch auch zu weiteren Aspekten des Gesetzes: Schwab FamRZ 2017, 1369 ff.; Spickhoff FamRZ 2018, 412, 419; Dutta FamRZ 2018, 1149, 1151; Weller/Thomale/Hategan/Werner FamRZ 2018, 1289 ff.).

69

a) Art. 6 Abs. 1 GG stellt die Ehe unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält diese Vorschrift sowohl ein Grundrecht auf Schutz vor Eingriffen des Staates als auch eine Institutsgarantie und eine wertentscheidende Grundsatznorm für das gesamte die Familie betreffende private Recht (BVerfGE 62, 323, 329; BVerfGE 31, 58, 67 mwN). Sie beinhaltet dabei ein Verbot, die Ehe zu schädigen (BVerfG FamRZ 1990, 727 Rn. 29). In diesen Schutz sind auch nach ausländischem Recht geschlossene Ehen einbezogen (BVerfGE 62, 323, 329; BVerfGE 51, 386, 396; BVerfGE 31, 58, 67; Coester FamRZ 2017, 77, 79). Verfassungsrechtlichen Schutz genießt insofern die familiäre Verantwortlichkeit füreinander, die von der wechselseitigen Pflicht der Ehegatten zu Beistand und Rücksichtnahme geprägt ist (vgl. BVerfG FamRZ 2005, 872 Rn. 71 mwN). Dies erfasst die freie Gestaltung des gesamten Verhältnisses der Ehegatten untereinander. Ohne das Vorliegen zwingender sachlicher Gründe verbieten sich daher Behinderungen bzw. Vorenthaltung des räumlichen Zusammenlebens der Ehegatten (vgl. BeckOK GG/Uhle [Stand: 15. August 2018] Art. 6 GG Rn. 28 mwN). Wenn dem Gesetzgeber bei der Regelung der Ehemündigkeit auch ein erheblicher Gestaltungsspielraum zusteht, so können dennoch zu strenge Voraussetzungen der Eheschließung mit der Freiheit der Eheschließung oder anderen sich aus der Verfassung ergebenden Strukturprinzipien der Ehe unvereinbar sein (BVerfGE 31, 56 NJW 1971, 1509, 1510).

70

b) Diesen Anforderungen wird Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB nicht gerecht. Denn diese Regelung versagt den nach ausländischem Recht wirksam geschlossenen Ehen den gebotenen Schutz ohne Rücksicht auf den konkreten Fall (vgl. Coester FamRZ 2017, 77, 79). Sie greift ohne sachlichen Grund in den Kernbereich der Ehe ein, indem sie den Ehegatten die Gestaltung ihrer ehelichen Lebensverhältnisse nach ihren Vorstellungen verweigert. Darüber hinaus fehlt jegliche Regelung über die Rechtsfolgen der Nichtigkeit der Ehe, etwa zur Frage der Abstammung von Kindern, die in der unwirksamen Ehe geboren werden, zur elterlichen Sorge für solche Kinder oder zu etwaigen Unterhaltsansprüchen des Minderjährigen aus der unwirksamen Ehe (vgl. Hüßtege FamRZ 2017, 1374, 1377 f.). Zudem leistet die Vorschrift der Entstehung von Doppelehen Vorschub.

71

2. Die Regelung des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - verstößt nach Auffassung des Senats zudem gegen Art. 6 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Vertrauensschutzes.

72

a) Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind. Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde den Einzelnen in seiner Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an sein Verhalten oder an ihn betreffende Umstände ohne weiteres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt seines rechtserheblichen Verhaltens galten.

73

Die "echte" Rückwirkung ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen") ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Erst mit der Verkündung, das heißt, mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss, muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird. Ausnahmsweise können aber zwingende Belange des Gemeinwohls oder ein nicht - oder nicht mehr - vorhandenes schutzbedürftiges Vertrauen des Einzelnen eine Durchbrechung des Verbots einer "echten" Rückwirkung gestatten.

74

Dagegen ist die "unechte" Rückwirkung ("tatbestandliche Rückanknüpfung") nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Dabei sind die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage abzuwägen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (BVerfGE 131, 20 = NVwZ 2012, 876 Rn. 71 ff. mwN).

75

b) Zwar beinhaltet Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB keine echte Rückwirkung im Sinne einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen. Denn das Vertrauen der Betroffenen wird insoweit lediglich in Gestalt einer tatbestandlichen Rückanknüpfung beschränkt, weil die belastende Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Ehe nach deutschem Recht erst nach der Verkündung des Gesetzes eingreift. Soweit jedoch vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen die vor dem 22. Juli 2017 nach ausländischem Recht wirksam geschlossenen Ehen bei Unterschreitung der Ehemündigkeit nach deutschem Recht wirksam und lediglich aufhebbar waren, verletzt Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB den durch den Vergangenheitsbezug diesbezüglich begründeten Vertrauensschutz. Zu dem Zeitpunkt, als der Antragsteller und die Betroffene in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind, war ihre in Syrien geschlossene Ehe nach deutschem Recht wirksam und lediglich aufhebbar. Die Wirksamkeit ihrer Ehe stand zudem unter dem besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Dass die Nichtigkeit sämtlicher vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen unter Verstoß gegen die Ehemündigkeitsvorschriften geschlossener Ehen zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht erforderlich war, belegt die abweichende Übergangsregelung des Art. 229 § 44 Abs. 1 EGBGB; danach bleibt es für nach deutschem Recht vor dem 22. Juli 2017 geschlossenen Ehen bei der bisherigen Regelung, dass diese Ehen wirksam und lediglich aufhebbar sind. Zu einem generalpräventiven Schutz des Kindeswohls ist die Regelung des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB darüber hinaus ungeeignet, weil sie weder direkte noch indirekte Wirkungen auf die Eheschließung nach ausländischem Recht haben kann (vgl. Coester FamRZ 2017, 77, 79).

76

3. Die Regelung des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - verstößt nach Auffassung des Senats ferner gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

77

a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerfG NJW 2018, 2542 Rn. 69 und FR 2016, 78 Rn. 26 mwN).

78

b) Diesen Anforderungen wird die Regelung des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - nicht gerecht.

79

Zum einen ist ein sachlicher Grund für die Differenzierung zwischen im Ausland und in Deutschland geschlossenen Ehen nicht ersichtlich: Während eine nach deutschem Recht vor dem 22. Juli 2017 unter Verstoß gegen die Ehemündigkeit geschlossene Ehe nach Art. 229 § 44 Abs. 1 EGBGB weiterhin wirksam, aber aufhebbar bleibt, ist die nach ausländischem Recht geschlossene Ehe nach Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB iVm Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB unwirksam, wenn der minderjährige Ehegatte nicht vor dem 22. Juli 1999 geboren wurde und die Ehegatten vor der Volljährigkeit dieses Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland genommen haben (vgl. Coester-Waltjen IPrax 2017, 429, 433).

80

Ebenso wenig ist ein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass es bei der Nichtigkeit gemäß Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB auch in dem Fall verbleibt, dass der zuvor in die Bundesrepublik Deutschland eingereiste Minderjährige hier das 18. Lebensjahr vollendet, während nach der Übergangsregelung des Art. 229 § 44 Abs. 4 Nr. 2 EGBGB die Ehe nach deutschem Recht wirksam ist, wenn die nach ausländischem Recht wirksame Ehe bis zur Volljährigkeit des minderjährigen Ehegatten geführt worden ist und kein Ehegatte seit der Eheschließung bis zur Volljährigkeit des minderjährigen Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.

81

4. Die Regelung des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - verstößt nach Auffassung des Senats schließlich gegen den nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 GG gebotenen Schutz des Kindeswohls.

82

a) Das minderjährige Kind hat als Grundrechtsträger Anspruch auf staatlichen Schutz seines Grundrechts auf Schutz und Achtung seiner Persönlichkeitsentfaltung aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (BVerfG FamRZ 2010, 865 Rn. 23 ff. mwN). Zugleich bildet das Wohl des Kindes den Richtpunkt für den staatlichen Schutzauftrag nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG (BVerfG FamRZ 1999, 85 Rn. 57). Das staatliche "Wächteramt" beinhaltet insoweit eine Verpflichtung zu kindeswohlgerechtem Handeln, das auf die Kindesgrundrechte abzustimmen ist (BVerfG FamRZ 1999, 85 Rn. 58 mwN). Entsprechend gehört der Schutz des Kindeswohls, wie bereits ausgeführt, zu den wesentlichen Grundsätzen des Kindschaftsrechts.

83

b) Die Qualifizierung als Nichtehe nach Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - verletzt den danach erforderlichen Schutz des Minderjährigen.

84

Der Schutz des Kindeswohls gebietet eine konkrete Prüfung des Wohls des betroffenen Kindes im Einzelfall. Denn jeder Minderjährige ist ein Wesen mit eigener Menschenwürde und einem eigenen Recht auf Entfaltung und Entwicklung seiner Persönlichkeit. Dies steht mit einem generellen Mindestalter für die Eheschließung, das keinerlei Ausnahmen im Einzelfall zulässt, nicht in Einklang. Entsprechend setzt die UN-KRK ein Mindestalter für die Eheschließung gerade nicht fest, sondern verlangt vielmehr, dass nach Art. 12 UN-KRK der Reife und der Autonomie des jeweiligen Kindes Respekt gezollt wird, und dass nach Art. 3 UN-KRK das individuelle Wohl des Kindes vorrangig berücksichtigt wird (vgl. Coester FamRZ 2017, 77, 79).

85

Demgegenüber lässt die durch Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB angeordnete Unwirksamkeit keinen Spielraum für die erforderliche einzelfallbezogene Prüfung des Wohls des betroffenen Kindes.

Dose     

      

Schilling     

      

Günter

      

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Eine Ehe darf nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Mit einer Person, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, kann eine Ehe nicht wirksam eingegangen werden.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 60 Beschwerderecht Minderjähriger


Ein Kind, für das die elterliche Sorge besteht, oder ein unter Vormundschaft stehender Mündel kann in allen seine Person betreffenden Angelegenheiten ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters das Beschwerderecht ausüben. Das Gleiche gilt in sons

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Tenor I. Das Verfahren wird ausgesetzt. II. Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu folgender Fr

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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Eine Ehe darf nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Mit einer Person, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, kann eine Ehe nicht wirksam eingegangen werden.

(1) Eine Ehe kann aufgehoben werden, wenn sie

1.
entgegen § 1303 Satz 1 mit einem Minderjährigen geschlossen worden ist, der im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr vollendet hatte, oder
2.
entgegen den §§ 1304, 1306, 1307, 1311 geschlossen worden ist.

(2) Eine Ehe kann ferner aufgehoben werden, wenn

1.
ein Ehegatte sich bei der Eheschließung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befand;
2.
ein Ehegatte bei der Eheschließung nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt;
3.
ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten; dies gilt nicht, wenn die Täuschung Vermögensverhältnisse betrifft oder von einem Dritten ohne Wissen des anderen Ehegatten verübt worden ist;
4.
ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist;
5.
beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 begründen wollen.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird eine Person über achtzehn Jahren bestraft, die eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.

(3) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch mißbraucht, daß sie

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
und dabei die ihr gegenüber fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(6) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der Person, gegen die sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(3) Die §§ 547, 556 und 560 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

9
1. Im Ergebnis zu Recht ist das Oberlandesgericht von der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte ausgegangen, die unbeschadet des Wortlauts von § 72 Abs. 2 FamFG auch in den Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (Senatsbeschluss BGHZ 203, 372 = FamRZ 2015, 479 Rn. 11).

(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.

(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.

11
Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den angefochtenen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Dabei ist der Begriff der Rechtsbeeinträchtigung in § 59 Abs. 1 FamFG inhaltsgleich mit demjenigen der unmittelbaren Rechtsbetroffenheit in § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Eine Rechtsbeeinträchtigung liegt danach vor, wenn der Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift, wobei diese Beeinträchtigung auch in einer ungünstigen Beeinflussung oder Gefährdung des Rechts liegen kann (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2017 - XII ZB 544/15 - FamRZ 2017, 623 Rn. 25 mwN). Eine Beeinträchtigung lediglich wirtschaftlicher, rechtlicher oder sonstiger berechtigter Interessen ist nicht ausreichend (Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2015 - XII ZB 695/14 - FamRZ 2016, 120 Rn. 14).
15
Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht demjenigen die Beschwerde zu, der durch einen gerichtlichen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Es muss sich um die unmittelbare Beeinträchtigung eines eigenen materiellen Rechts handeln (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2011 - XII ZB 326/10, FamRZ 2011, 465 Rn. 9 m.w.N.; Beschluss vom 3. April 1951 - V BLw 5/50, BGHZ 1, 343, 351 ff.). Die tatsächlichen Grundlagen der Rechtsbeeinträchtigung , bei denen es sich um doppelrelevante Tatsachen handelt, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit der Beschwerde entscheidend sind, sind schlüssig vorzutragen (vgl. RGZ 29, 371, 373 f.; BGH, Urteil vom 25. November 1993 - IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237, 240 f.; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl., § 59 Rn. 20).

(1) Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen.

(2) Das Kind hat ein Recht auf Pflege und Erziehung unter Ausschluss von Gewalt, körperlichen Bestrafungen, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Maßnahmen.

(3) Das Familiengericht hat die Eltern auf Antrag bei der Ausübung der Personensorge in geeigneten Fällen zu unterstützen.

Ein Kind, für das die elterliche Sorge besteht, oder ein unter Vormundschaft stehender Mündel kann in allen seine Person betreffenden Angelegenheiten ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters das Beschwerderecht ausüben. Das Gleiche gilt in sonstigen Angelegenheiten, in denen das Kind oder der Mündel vor einer Entscheidung des Gerichts gehört werden soll. Dies gilt nicht für Personen, die geschäftsunfähig sind oder bei Erlass der Entscheidung das 14. Lebensjahr nicht vollendet haben.

13
Der Vormund konnte den Betroffenen auch gemäß § 9 Abs. 2 FamFG bei der Einlegung der Beschwerde vertreten. Da es in vorliegendem Verfahren gerade um die Frage geht, ob die Vormundschaft wegen Eintritts der Volljährigkeit kraft Gesetzes geendet hat, ist für die Zulässigkeit des Rechtsmittels die Minderjährigkeit des Betroffenen als doppelrelevante Tatsache und damit die Vertretungsbefugnis des Vormunds zu unterstellen (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2017 - XII ZB 333/17 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen Rn. 15 mwN). Dass der Betroffene das 14. Lebensjahr vollendet hat und deshalb auch bei fortbestehender Minderjährigkeit nach § 60 Satz 1 und 3 FamFG das Beschwerderecht in allen seine Person betreffenden Angelegenheiten ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters und damit selbst ausüben kann, steht der Vertretungsbefugnis des Vormunds nicht entgegen, sondern begründet lediglich ein zusätzliches eigenständiges Beschwerderecht des Mündels (Johannsen/Henrich/Althammer Familienrecht 6. Aufl. § 60 Rn. 2; Keidel/MeyerHolz FamFG 19. Aufl. § 60 Rn. 1; Hk-ZPO/Kemper 7. Aufl. § 60 FamFG Rn. 4; Schulte-Bunert/Weinreich/Unger/Roßmann FamFG 5. Aufl. § 60 Rn. 1, 14; Zöller/Feskorn ZPO 32. Aufl. § 60 FamFG Rn. 1).

Kindschaftssachen sind die dem Familiengericht zugewiesenen Verfahren, die

1.
die elterliche Sorge,
2.
das Umgangsrecht und das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes,
3.
die Kindesherausgabe,
4.
die Vormundschaft,
5.
die Pflegschaft oder die gerichtliche Bestellung eines sonstigen Vertreters für einen Minderjährigen oder für ein bereits gezeugtes Kind,
6.
die Genehmigung von freiheitsentziehender Unterbringung und freiheitsentziehenden Maßnahmen nach § 1631b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, auch in Verbindung mit § 1795 Absatz 1 Satz 3 und § 1813 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
7.
die Genehmigung oder Anordnung einer freiheitsentziehenden Unterbringung, freiheitsentziehenden Maßnahme oder ärztlichen Zwangsmaßnahme bei einem Minderjährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker oder
8.
die Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz
betreffen.

(1) Die Personensorge umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält.

(2) Die Personensorge umfasst ferner das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen.

(3) Über Streitigkeiten, die eine Angelegenheit nach Absatz 1 oder 2 betreffen, entscheidet das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils.

(4) Lebt das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege und wollen die Eltern das Kind von der Pflegeperson wegnehmen, so kann das Familiengericht von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde. Das Familiengericht kann in Verfahren nach Satz 1 von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson zusätzlich anordnen, dass der Verbleib bei der Pflegeperson auf Dauer ist, wenn

1.
sich innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes vertretbaren Zeitraums trotz angebotener geeigneter Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen die Erziehungsverhältnisse bei den Eltern nicht nachhaltig verbessert haben und eine derartige Verbesserung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zukünftig nicht zu erwarten ist und
2.
die Anordnung zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird eine Person über achtzehn Jahren bestraft, die eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.

(3) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch mißbraucht, daß sie

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
und dabei die ihr gegenüber fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(6) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der Person, gegen die sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.

Eine Ehe darf nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Mit einer Person, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, kann eine Ehe nicht wirksam eingegangen werden.

(1) Eine Ehe kann aufgehoben werden, wenn sie

1.
entgegen § 1303 Satz 1 mit einem Minderjährigen geschlossen worden ist, der im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr vollendet hatte, oder
2.
entgegen den §§ 1304, 1306, 1307, 1311 geschlossen worden ist.

(2) Eine Ehe kann ferner aufgehoben werden, wenn

1.
ein Ehegatte sich bei der Eheschließung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befand;
2.
ein Ehegatte bei der Eheschließung nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt;
3.
ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten; dies gilt nicht, wenn die Täuschung Vermögensverhältnisse betrifft oder von einem Dritten ohne Wissen des anderen Ehegatten verübt worden ist;
4.
ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist;
5.
beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 begründen wollen.

(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung.

(2) Ein Ehegatte ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechts darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist.

14
Nach § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB leben die Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Allein aus dem Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft ergibt sich ein Getrenntleben der Ehegatten daher noch nicht. Eine eheliche Lebensgemeinschaft kann vielmehr auch dann bestehen, wenn die Ehegatten einvernehmlich eigenständige Haushalte unterhalten (vgl. Staudinger/Rauscher BGB [2010] § 1567 Rn. 49 ff.). Auch die dauerhafte stationäre Pflege eines Ehegatten in einem Pflegeheim führt für sich genommen nicht zur Trennung der Ehegatten (Senatsurteil vom 25. Januar 1989 - IVb ZR 34/88 - FamRZ 1989, 479; MünchKommBGB/Weber-Monecke 6. Aufl. § 1360 Rn. 2; jurisPK-BGB/Viefhues [Stand: 4. April 2016] § 1361 Rn. 2.1). Der von den Ehegatten vollzogenen räumlichen Trennung kann dann nicht die Bedeutung eines einseitig oder beiderseitig geäußerten Trennungswillens zugemessen werden. Will ein Ehegatte dennoch die Trennung im Sinne von § 1567 BGB herbeiführen, so bedarf es hierzu einer entsprechenden Äußerung oder eines sonstigen für den anderen Ehegatten erkennbaren Verhaltens, das unmissverständlich den Willen zum Ausdruck bringt, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht weiterführen zu wollen (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 1989 - IVb ZR 34/88 - FamRZ 1989, 479 f.; vgl. auch BSG FamRZ 2010, 973).

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

Eine Ehe darf nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Mit einer Person, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, kann eine Ehe nicht wirksam eingegangen werden.

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu folgender Frage eingeholt:

Ist § 1906 Abs. 3 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18. Februar 2013 (BGBl. I S. 266) mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, soweit er für die Einwilligung des Betreuers in eine stationär durchzuführende ärztliche Zwangsmaßnahme auch bei Betroffenen, die sich der Behandlung räumlich nicht entziehen wollen oder hierzu körperlich nicht in der Lage sind, voraussetzt, dass die Behandlung im Rahmen einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB erfolgt?

Gründe

A.

1

Die 63-jährige Betroffene leidet unter einer schizoaffektiven Psychose. Sie steht deswegen seit Ende April 2014 unter Betreuung. Der Aufgabenkreis der Berufsbetreuerin (Beteiligte zu 1) umfasst unter anderem die Sorge für die Pflege und Gesundheit einschließlich der Zustimmung zu ärztlichen Maßnahmen und Behandlungen sowie die Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Entscheidung über eine Unterbringung oder unterbringungsähnliche Maßnahme.

2

Im August 2014 wurde bei der Betroffenen im Rahmen einer stationären Behandlung eine Dermatomyositis, eine Autoimmunkrankheit, diagnostiziert, die zu großflächigen Hautausschlägen und massiver Muskelschwäche mit akuten Schluckstörungen führte. Im Zuge der Behandlung ergab sich auch der Verdacht auf Brustkrebs, wobei die Betroffene weitere Untersuchungen ablehnte. Anfang September 2014 wurde sie nochmals kurzzeitig in einer Pflegeeinrichtung aufgenommen, wo sie die Einnahme der zur Behandlung der Dermatomyositis benötigten Medikamente ablehnte und die Essensaufnahme verweigerte sowie Suizidabsichten äußerte. Ab Mitte September 2014 befand sich die Betroffene mit richterlicher Genehmigung auf einer geschlossenen Demenzstation des Klinikums S. Auf der Grundlage mehrerer betreuungsgerichtlicher Beschlüsse wurden im Wege ärztlicher Zwangsmaßnahmen zum einen sowohl die Dermatomyositis und eine Schilddrüsenunterfunktion als auch die psychische Krankheit medikamentös behandelt, wobei die Medikation - ebenso wie die Nahrung - über eine ebenfalls als ärztliche Zwangsmaßnahme gelegte Magensonde verabreicht wurde; zum anderen wurden weitere Untersuchungen (Stanzbiopsie) hinsichtlich der Krebserkrankung durchgeführt. Letztere bestätigten den Verdacht eines - noch nicht durchgebrochenen - Mammakarzinoms rechts. Aufgrund ihrer Erkrankung ist die Betroffene inzwischen körperlich stark geschwächt und kann weder gehen noch sich selbst mittels eines Rollstuhls fortbewegen. Sie hat einer Behandlung der Krebserkrankung widersprochen.

3

Mit Schreiben vom 20. Januar 2015 hat die Betreuerin beantragt, die Unterbringungsgenehmigung zu verlängern und ärztliche Zwangsmaßnahmen insbesondere zur Behandlung des Brustkrebses (Brustektomie, Brustbestrahlung, Knochenmarkspunktion zur weiteren Diagnostik), aber auch zur Fortsetzung der medikamentösen Therapie der weiteren Erkrankungen zu genehmigen. Zur Begründung hat sie unter anderem ausgeführt, die Tumorerkrankung werde im Falle der Nichtbehandlung rasch fortschreiten und unausweichlich zu Pflegebedürftigkeit, Schmerzen und letztlich zum Tod der Betroffenen führen. Diese könne aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die Notwendigkeit von Unterbringung und Behandlung nicht erkennen und nicht nach dieser Einsicht handeln.

4

Das Amtsgericht hat die beantragten Genehmigungen verweigert, das Landgericht hat die von der Betreuerin namens der Betroffenen hiergegen eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Betreuerin namens der Betroffenen die Anträge auf Genehmigung der Unterbringung und der Einwilligung in die ärztlichen Zwangsmaßnahmen weiter.

B.

5

Das Verfahren ist nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen. Nach Überzeugung des Senats ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, dass § 1906 Abs. 3 BGB eine in stationärem Rahmen erfolgende ärztliche Maßnahme nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB (Untersuchung des Gesundheitszustands, Heilbehandlung oder ärztlicher Eingriff) gegen den natürlichen Willen des Betroffenen - bei Vorliegen der sonstigen materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen - nur als möglich vorsieht, wenn der Betroffene zivilrechtlich untergebracht ist, nicht jedoch für Fälle, in denen eine freiheitsentziehende Unterbringung ausscheidet, weil der Betroffene sich der Behandlung räumlich nicht entziehen will und/oder aus körperlichen Gründen nicht kann. Zur Verfassungsmäßigkeit ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.

6

Die Richtervorlage ist eröffnet, obwohl die Vorlagefrage gesetzgeberisches Unterlassen betrifft. Zwar kann schlichtes gesetzgeberisches Unterlassen nicht Gegenstand einer Vorlage sein. Ist der Gesetzgeber aber auf einem Gebiet - wie hier dem der ärztlichen Zwangsmaßnahmen - bereits tätig geworden und hält ein Gericht die geschaffenen Vorschriften angesichts einer grundrechtlichen Schutzpflicht für unzureichend oder das Unterlassen der Einbeziehung weiterer Tatbestände in eine begünstigende Regelung für nicht gerechtfertigt, ist eine Vorlage möglich (vgl. BVerfG FamRZ 2013, 605 Rn. 21 mwN).

I.

7

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts kann weder die Unterbringung der Betroffenen noch die Einwilligung der Betreuerin in die beabsichtigten ärztlichen Zwangsmaßnahmen betreuungsgerichtlich genehmigt werden.

8

Es könne unterstellt werden, dass die von der Betreuerin genannten Eingriffe und Untersuchungen zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens notwendig seien und die Betroffene wegen psychischer Krankheit oder geistiger oder seelischer Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln könne. Das Amtsgericht habe gleichwohl zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Genehmigung der Unterbringung verneint, weil alle diese ärztlichen Maßnahmen auch ohne eine Unterbringung in geschlossener Einrichtung durchgeführt werden könnten. Auszugehen sei von einem engen Begriff der mit der Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung, wonach eine Freiheitsentziehung nur dann notwendig und damit erforderlich sei, wenn sich der Betroffene ohne die Freiheit einschränkende Vorkehrungen der Örtlichkeit räumlich entziehen könne. Das sei hier nicht der Fall. Die Betroffene sei bettlägerig und nicht in der Lage, sich selbständig aus dem Bett zu bewegen, geschweige denn zu gehen. Auch mit dem Liegerollstuhl, in den sie regelmäßig verlegt werde, könne sie sich nicht selbständig fortbewegen. Sie zeige zudem keinerlei Weglauftendenzen dahingehend, dass sie andere Personen damit beauftragen könnte oder würde, sie aus der Klinik abzuholen und an einen anderen Ort zu bringen. Daher sei es aus tatsächlichen Gründen nicht notwendig, sie in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen.

9

Eine solche Notwendigkeit ergebe sich auch nicht aus der - unterstellten - Notwendigkeit der zwangsweisen Durchführung ärztlicher Maßnahmen. Aus dem Umstand, dass deren Erzwingung gegen den Widerstand eines Betroffenen nur im Rahmen einer vom Betreuungsgericht genehmigten freiheitsentziehenden Unterbringung zulässig sei, dürfe nicht gefolgert werden, dass eine Unterbringung immer schon dann genehmigt werden dürfe, wenn die medizinische Maßnahme notwendig sei, aber nur gegen den Widerstand des Betroffenen durchgeführt werden könne. Vielmehr müsse gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Unterbringung auch ihrerseits - und zwar tatsächlich - erforderlich sein, um die medizinische Maßnahme durchzuführen. Sie sei in diesem Sinne erforderlich, wenn zu erwarten sei, dass der Betroffene sich ohne die Unterbringung der medizinischen Maßnahme räumlich entziehen werde. Daran habe sich auch durch die Einfügung des § 1906 Abs. 3 BGB als gesetzlicher Grundlage für eine Zwangsbehandlung nichts geändert.

10

Ohne eine genehmigte freiheitsentziehende Unterbringung sei die Zwangsbehandlung aber nicht zulässig. Die beantragten Maßnahmen widersprächen dem natürlichen Willen der Betroffenen. Die damit erforderliche gerichtliche Genehmigung sei ausschließlich im Rahmen einer genehmigten Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB möglich. Das ergebe sich aus Systematik, Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Eine andere Entscheidung rechtfertige auch nicht die UN-Behindertenrechtskonvention vom 13. Dezember 2006. Die Auffassung der Betreuerin, die Nichtgenehmigung benachteilige die immobile Betroffene gegenüber einem noch körperlich mobilen Betreuten, der zum Weglaufen in der Lage sei, treffe nicht zu. Die Genehmigung eines so schwerwiegenden Grundrechtseingriffs wie der hier beantragten ärztlichen Zwangsmaßnahme sei keine Bevorzugung und damit die Nichtgenehmigung auch keine Benachteiligung. Eine Gleichbehandlung im Rahmen staatlicher Grundrechtseingriffe im negativen Sinn sei nicht Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention.

11

Eine Genehmigung der Zwangsbehandlung sei ferner nicht nach § 1904 BGB zu erteilen. Zum einen sei der Antrag der Betreuerin nicht auf eine solche Genehmigung gerichtet. Zum anderen könne eine solche lediglich die rechtsgeschäftliche Einwilligung der nicht einwilligungsfähigen Betroffenen ersetzen, nicht aber ihren entgegenstehenden natürlichen Willen überwinden.

II.

12

Die Frage, ob § 1906 Abs. 3 BGB verfassungsgemäß ist, ist für die Entscheidung über die zulässig eingelegte Rechtsbeschwerde erheblich (vgl. hierzu Ulsamer in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge BVerfGG [Stand: Dezember 2014] § 80 Rn. 248a mwN). Würde die Bestimmung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, wäre der Senat jedenfalls teilweise - nämlich soweit es um ärztliche Zwangsmaßnahmen hinsichtlich der Krebserkrankung geht - an einer Entscheidung gehindert, während bei Annahme der Verfassungsmäßigkeit der Regelung die Rechtsbeschwerde insgesamt zurückzuweisen wäre.

13

1. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist mit dem Beschwerdegericht davon auszugehen, dass die ärztlichen Eingriffe und Untersuchungen, für die die Betreuerin um eine Genehmigung gemäß § 1906 Abs. 3a BGB nachgesucht hat, erforderlich sind, einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden (§ 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB) und die Betroffene aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahmen nicht erkennen bzw. nicht nach dieser Einsicht handeln kann (§ 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB).

14

Dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit nach einer weiteren Sachaufklärung, die im vorliegenden Fall von den Vorinstanzen noch nicht abschließend durchgeführt worden ist, möglicherweise nicht beantwortet werden müsste, hindert die Vorlage durch den Senat nicht. Denn anders als Tatsachengerichte, denen vor der Klärung des Sachverhalts eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht eröffnet ist (vgl. BVerfGE 11, 330, 334 f.), ist der Bundesgerichtshof als Rechtsbeschwerdegericht nicht in der Lage, die gebotenen Ermittlungen selbst durchzuführen. Die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts ist vielmehr dem Tatrichter vorbehalten. Der die Rechtsbeschwerdeinstanz abschließende Beschluss entscheidet auch dann, wenn er das Gesamtverfahren nicht beendet, sondern die Sache zurückverweist, über Rechtsfragen, hebt die bis dahin gültige Sachentscheidung auf und bindet das untere Gericht im Rahmen der für die Aufhebung maßgebenden Begründung. Vor allem aber stellt sich die Frage der Verfahrensökonomie bei einer Zurückverweisung anders als bei der Entscheidung über die Durchführung einer Beweisaufnahme zur Sachverhaltsermittlung innerhalb ein- und derselben Instanz. Der Gesichtspunkt, das Bundesverfassungsgericht vor einer Überlastung mit Verfahren der konkreten Normenkontrolle zu bewahren, tritt in diesem Fall nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinter dem berechtigten Interesse der Verfahrensbeteiligten und der Gerichte, ein erneutes Durchlaufen des Instanzenzuges nach Möglichkeit zu vermeiden, zurück (vgl. BVerfGE 24, 119, 133 f.; vgl. auch Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012 - XII ZR 89/10 - FamRZ 2012, 1489 Rn. 32).

15

Rechtsbeschwerderechtlich ist zudem zu unterstellen, dass der erhebliche gesundheitliche Schaden - hinsichtlich der Krebserkrankung der letztlich tödliche Verlauf - durch keine andere der Betroffenen zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann (§ 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BGB) und der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartende Beeinträchtigung deutlich überwiegt (§ 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BGB). Den tatrichterlichen Feststellungen lässt sich allerdings nur entnehmen, dass die Betroffene den krebsbehandelnden Maßnahmen widersprochen hat. Für diese ist rechtsbeschwerderechtlich wiederum davon auszugehen, dass erfolglos versucht wurde, die Betroffene von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahmen zu überzeugen (§ 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB).

16

2. Das Beschwerdegericht hat jedoch mit Recht das Vorliegen der Voraussetzungen einer Unterbringung gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verneint.

17

a) Die Vorschrift des § 1906 Abs. 1 BGB geht von einem engen Begriff der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung aus und erfasst nur solche Maßnahmen, die die persönliche Bewegungsfreiheit des Betroffenen nicht nur kurzfristig auf einen bestimmten räumlichen Lebensbereich begrenzen (Senatsbeschlüsse vom 7. Januar 2015 - XII ZB 395/14 - FamRZ 2015, 567 Rn. 12; vom 7. August 2013 - XII ZB 559/11 - FamRZ 2013, 1646 Rn. 12; vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 Rn. 19 und BGHZ 145, 297 = FamRZ 2001, 149 f.).

18

Die Unterbringung zur Durchführung einer Untersuchung des Gesundheitszustands, einer Heilbehandlung oder eines ärztlichen Eingriffs gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verlangt nicht nur, dass die medizinische Maßnahme als solche notwendig ist. Die freiheitsentziehende Unterbringung muss vielmehr auch ihrerseits erforderlich sein, damit die medizinische Maßnahme durchgeführt werden kann. Sie ist in diesem Sinne erforderlich, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene sich ohne die freiheitsentziehende Unterbringung der erforderlichen medizinischen Maßnahme räumlich - also etwa durch Fernbleiben oder "Weglaufen" - entzieht. Umgekehrt begründet die Erforderlichkeit der medizinischen Maßnahme ebenso wie die Erforderlichkeit, den dieser Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu brechen, für sich genommen noch keine Notwendigkeit, den Betroffenen freiheitsentziehend unterzubringen. Dies gilt etwa dann, wenn der Betroffene sich der Maßnahme zwar physisch widersetzt, sich ihr aber nicht räumlich entzieht. Die gegenteilige Argumentation würde dazu führen, bereits aus der Notwendigkeit einer Behandlung die Zulässigkeit einer freiheitsentziehenden Unterbringung herzuleiten. Ein solches Verständnis ist mit dem Wortlaut der Regelung, der die Zulässigkeit einer freiheitsentziehenden Unterbringung an ein doppeltes Notwendigkeitskriterium knüpft, nicht vereinbar. Es widerspricht auch dem Schutzzweck der Norm, die eine freiheitsentziehende Unterbringung dann nicht eröffnen will, wenn diese - etwa mangels jeder "Weglaufgefahr" - unnötig ist (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 Rn. 23).

19

b) Dass das Gesetz durch § 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB die Möglichkeit einer ärztlichen Zwangsmaßnahme nur dann eröffnet, wenn diese im Rahmen der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB erfolgt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Insbesondere hat es nicht zur Folge, dass als freiheitsentziehende Unterbringung etwa auch der Aufenthalt in einer nicht geschlossenen Einrichtung angesehen werden kann, solange dort eine ärztliche Behandlung gegen den natürlichen Willen des Betroffenen durchgeführt wird.

20

aa) Der Senat hat in seiner früheren Rechtsprechung der Vorschrift des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Rechtsgrundlage für die Durchführung notwendiger medizinischer Maßnahmen auch gegen den natürlichen Willen des Betroffenen entnommen. Dabei hat er den dargestellten engen Unterbringungsbegriff zugrunde gelegt und daher nicht die erzwungene Einnahme von Medikamenten losgelöst von der Frage, wo sich diese Zwangsbehandlung vollzieht, rechtlich als eine freiheitsentziehende Unterbringung angesehen. Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, dass eine derart extensive Auslegung mit dem Wortlaut des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht vereinbar und auch vom Zweck dieser Vorschrift nicht gedeckt sei. Die sich aus dem Bemühen, den Anwendungsbereich des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auszuweiten, um auf diese Weise der Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung Betroffener in deren wohlverstandenem Eigeninteresse größeren Raum zu schaffen, erklärbare andere Auffassung hat der Senat als methodisch nicht akzeptabel und wegen des Eingriffs in die durch Gesetzesvorbehalt gesicherten Grundrechte des Betroffenen auch als verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar eingestuft (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 Rn. 22 ff. mwN).

21

Dabei hat der Senat nicht nur wiederholt darauf hingewiesen, dass die von ihm vertretene enge Auslegung des Begriffs der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung zu einer Begrenzung der Möglichkeit führe, einen Betroffenen gegen seinen Willen einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Er hat auch deutlich gemacht, dass das Fehlen von Zwangsbefugnissen zur Durchsetzung notwendiger medizinischer Maßnahmen außerhalb einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung dazu führen könne, dass ein Betroffener aufgrund des Unterbleibens einer von ihm verweigerten medizinischen Maßnahme einen erneuten Krankheitsschub erleide und dann möglicherweise für längere Zeit untergebracht werden müsse, oder dass er in sonstiger Weise erheblichen Schaden nehme (Senatsbeschlüsse vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 Rn. 25 und BGHZ 145, 297, 310 = FamRZ 2001, 149, 152; vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 193, 337 = FamRZ 2012, 1366 Rn. 48).

22

bb) Nachdem der Senat mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug (BVerfG FamRZ 2011, 1128 und 2011, 1927) seine Auffassung, wonach Zwangsbehandlungen im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich genehmigungsfähig seien, aufgegeben und auf das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage hingewiesen hatte (Senatsbeschlüsse BGHZ 193, 337 = FamRZ 2012, 1366 Rn. 25 ff.; vom 20. Juni 2012 - XII ZB 130/12 - juris Rn. 28 ff.; vom 8. August 2012 - XII ZB 671/11 - FamRZ 2012, 1634 Rn. 12 und vom 5. Dezember 2012 - XII ZB 665/11 - FamRZ 2013, 289 Rn. 13), hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18. Februar 2013 (BGBl. I S. 266) mit Wirkung vom 26. Februar 2013 in die Vorschrift des § 1906 BGB die neuen Absätze 3 und 3a eingefügt. Mit diesen hat er die Voraussetzungen der Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme sowie das gerichtliche Genehmigungserfordernis geregelt und dabei in Absatz 3 Satz 1 Nr. 3 das Erfordernis normiert, dass die ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen einer Unterbringung nach Absatz 1 zu erfolgen hat (vgl. auch BT-Drucks. 17/11513 S. 5, 6 und 7; 17/12086 S. 1). Inhaltliche Änderungen an § 1906 Abs. 1 BGB hat er - bis auf die klarstellende Einfügung in Nr. 2, dass die ärztliche Maßnahme "zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens" notwendig sein muss - jedoch nicht vorgenommen.

23

Im Gegenteil wollte der Gesetzgeber ausdrücklich lediglich die bis zur Rechtsprechungsänderung des Senats bestehende Rechtslage möglichst nah abbilden (BT-Drucks. 17/11513 S. 5; vgl. auch Knittel Betreuungsrecht [Stand: 15. Juli 2013] § 1906 BGB Rn. 121) und eine Rechtsgrundlage für die Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB schaffen (BT-Drucks. 17/11513 S. 5; ebenso S. 6, 7).

24

Dies lässt allein den Schluss zu, dass die gesetzliche Regelung der Zulässigkeit ärztlicher Zwangsmaßnahmen nicht zu Änderungen an dem § 1906 Abs. 1 BGB zugrunde liegenden engen Unterbringungsbegriff führen sollte, sondern dieser nach wie vor für die Anwendung der Vorschrift maßgeblich ist.

25

c) Bei Anwendung dieses Maßstabs hat das Beschwerdegericht rechtlich zutreffend die beantragte Unterbringungsgenehmigung versagt. Nach den von den Tatsacheninstanzen rechtlich beanstandungsfrei getroffenen Feststellungen ist die Betroffene körperlich nicht in der Lage, ihren Aufenthaltsort zu ändern und sich eventuellen Behandlungsmaßnahmen räumlich zu entziehen. Sie zeigt auch keinerlei Tendenzen, Dritte damit zu beauftragen, sie aus dem Klinikum wegzubringen. Mithin fehlt es an der Erforderlichkeit einer freiheitsentziehenden Unterbringung.

26

3. Damit kommen aber gemäß § 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB weder die Einwilligung der Betreuerin in ärztliche Zwangsmaßnahmen noch deren gerichtliche Genehmigung in Betracht.

27

a) Nach dieser Bestimmung eröffnet das Gesetz die Möglichkeit, ärztliche Maßnahmen zwangsweise gegen den natürlichen Willen des Betroffenen durchzusetzen, ausschließlich im Rahmen einer - hier nicht genehmigungsfähigen - geschlossenen Unterbringung.

28

aa) Streitig ist dabei, ob die Zwangsbehandlung auch bei einer allein nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfolgenden Unterbringung zulässig ist (so LG Augsburg Beschluss vom 12. September 2013 - 51 T 2592/13 - juris Rn. 16 ff.; HK-BUR/Bauer/Braun [Stand: August 2014] § 1906 BGB Rn. 245) oder zwingend eine Unterbringung auf der Grundlage des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB voraussetzt (so etwa LG Lübeck BtPrax 2014, 282, 284 mwN; Grotkopp BtPrax 2013, 83, 86, 90; Lipp FamRZ 2013, 913, 920). In § 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB ist zwar lediglich von "der Unterbringung nach Absatz 1" die Rede. Auch könnte die Wiederholung der Abwendung des "drohenden gesundheitlichen erheblichen" Schadens in Absatz 1 Nr. 2 und Absatz 3 Satz 1 Nr. 3 darauf hindeuten, dass auch eine Unterbringung nach Absatz 1 Nr. 1 ausreichend sein soll. Gleichwohl dürfte der sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende gesetzgeberische Wille (BT-Drucks. 17/11513 S. 5, 6, 7) für die strengere zweite Auffassung sprechen.

29

Diese Frage bedarf im vorliegenden Fall allerdings keiner abschließenden Entscheidung. Denn eine Unterbringung der Betroffenen auf der Grundlage des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB steht nicht im Raum - insbesondere ist eine aktuelle Selbsttötungsabsicht nicht festgestellt - und würde zudem aus den Gründen ausscheiden, die auch einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB entgegenstehen.

30

bb) Im Rahmen von Maßnahmen nach § 1906 Abs. 4 BGB, bei denen einem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll, sind ärztliche Zwangsmaßnahmen nicht zulässig. Die Vorschrift verweist nicht auf die Regelungen in § 1906 Abs. 3 und 3a BGB.

31

cc) Wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat, betrifft die Vorschrift des § 1904 BGB die Ersetzung der rechtsgeschäftlichen Einwilligung des nicht einwilligungsfähigen Betroffenen, nicht aber die zwangsweise Überwindung von dessen einer ärztlichen Maßnahme entgegenstehendem natürlichen Willen. Eine gesetzliche Grundlage für die Genehmigung einer Zwangsbehandlung enthält diese Vorschrift nicht. Dementsprechend richtet sich der Antrag der Betreuerin auch nicht auf eine Genehmigung nach § 1904 BGB (vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 145, 297 = FamRZ 2001, 149, 152 sowie BVerfG Beschluss vom 10. Juni 2015 - 2 BvR 1967/12 - juris Rn. 19).

32

b) Die entsprechende Anwendung der Bestimmungen zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen nach § 1906 Abs. 3 und 3a BGB auf nicht geschlossen untergebrachte Betroffene scheidet schon wegen Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke aus (Dodegge NJW 2013, 1965, 1970; Grotkopp BtPrax 2013, 83, 86; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 15. Juli 2013] § 1906 Rn. 122; Lipp FamRZ 2013, 913, 920).

33

Wie bereits ausgeführt, hatte der Senat zur alten Rechtslage wiederholt darauf hingewiesen, dass aufgrund der Koppelung der Zwangsbehandlung an die Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB und des engen Unterbringungsbegriffs ein großer Anteil objektiv behandlungsbedürftiger Betroffener nicht ärztlichen Zwangsmaßnahmen zugeführt werden und allein deswegen in ganz erheblicher Weise gesundheitlichen Schaden nehmen kann. Dies hat den Gesetzgeber jedoch nicht dazu veranlasst, der Zwangsbehandlung einen weiter gefassten Anwendungsbereich zu eröffnen. Vielmehr hat er im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens für das Zweite Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts (Zweites Betreuungsrechtsänderungsgesetz - 2. BtÄndG) vom 21. April 2005 (BGBl. I S. 1073) den noch im ersten Gesetzesentwurf als neuer § 1906 a BGB vorgesehenen Vorschlag, eine ambulante Zwangsbehandlung zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 15/2494 S. 7, 30), im weiteren Fortgang verworfen (vgl. BT-Drucks. 15/4874 S. 8, 25 f., 27).

34

Indem er ärztliche Zwangsmaßnahmen nur im Rahmen einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB für zulässig erklärt hat, ist dem Gesetzgeber mithin nicht ein Versehen unterlaufen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung, die die Rechtsprechung zu akzeptieren hat (vgl. auch Senatsbeschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 Rn. 25) und nicht im Wege der Rechtsfortbildung überwinden darf.

35

c) Aus den vorstehenden Gründen kommt eine verfassungskonforme Auslegung von § 1906 Abs. 3 BGB dahingehend, dass auch außerhalb geschlossener Unterbringung ärztliche Zwangsmaßnahmen (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) möglich sind, wenn der Unterbringungsgenehmigung "nur" das Fehlen jeder "Weglaufgefahr" entgegensteht, nicht in Betracht. Denn die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze dort, wo sie zum Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde. Der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber verbietet es, im Wege der Auslegung einem nach Sinn und Wortlaut eindeutigen Gesetz einen entgegengesetzten Sinn beizulegen oder den normativen Gehalt einer Vorschrift grundlegend neu zu bestimmen (BVerfG NJW 2015, 1359 Rn. 132 mwN).

36

d) Schließlich macht die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg geltend, die Auffassung des Beschwerdegerichts verstoße gegen das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2006 (UN-Behindertenrechtskonvention; BGBl. 2008 II S. 1420), das aufgrund des Gesetzes zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008 (BGBl. II S. 1419) in Deutschland Gesetzeskraft hat.

37

Dies gilt schon deswegen, weil (auch) die UN-Behindertenrechtskonvention nicht die für die Rechtmäßigkeit einer ärztlichen Zwangsmaßnahme bei Betroffenen unabdingbare, die Voraussetzungen der Zulässigkeit des Eingriffs bestimmende Gesetzesgrundlage enthält. Darüber hinaus sind die Regelungen der Konvention - insbesondere deren Art. 12 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 2 - vor allem auf Sicherung und Stärkung der Autonomie behinderter Menschen und damit gerade nicht positiv auf die Ermöglichung ärztlicher Zwangsmaßnahmen gerichtet (vgl. auch BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 53).

38

4. Für die vom Senat zu treffende Entscheidung kommt es mithin jedenfalls insoweit, als es um die Genehmigung der Einwilligung in die stationär durchzuführenden ärztlichen Zwangsmaßnahmen zur Behandlung der bei der Betroffenen vorliegenden Brustkrebserkrankung geht, darauf an, ob die strikte Koppelung der Zulässigkeit ärztlicher Zwangsmaßnahmen an das Vorliegen einer freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB verfassungsgemäß ist.

III.

39

Der Senat ist davon überzeugt, dass es gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, diese strikte Koppelung der Zulässigkeit ärztlicher Zwangsmaßnahmen an eine freiheitsentziehende Unterbringung auch für Fallgestaltungen gesetzlich vorzuschreiben, in denen sich Betroffene einer stationär durchzuführenden ärztlichen Maßnahme räumlich nicht entziehen wollen oder können.

40

1. Darin, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer ärztlichen Zwangsbehandlung nicht auch für solche Fälle geregelt hat, liegt ein gesetzgeberisches Unterlassen.

41

Ein solches kann einen Grundrechtsverstoß zum einen dann darstellen, wenn die Verfassung einen ausdrücklichen Gesetzgebungsauftrag enthält, der Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht im Wesentlichen umgrenzt (vgl. etwa BVerfGE 12, 139, 142 mwN; 23, 242, 249; Höfling in Sachs Grundgesetz 7. Aufl. Art. 1 Rn. 102; Dreier in Dreier Grundgesetz-Kommentar 3. Aufl. Art. 1 III Rn. 54; Leibholz/Rinck GG [Stand: März 2013] Art. 3 Rn. 136). Zum anderen sind grundrechtswidrige Unterlassungen des Gesetzgebers dort denkbar, wo eine staatliche Schutzpflicht zugunsten der grundrechtlich geschützten Rechtsgüter oder eine Pflicht zu grundrechtsfördernder Ausgestaltung der Rechtsordnung missachtet wird (Dreier in Dreier Grundgesetz-Kommentar 3. Aufl. Vorb. Rn. 101 ff. mwN und Art. 1 III Rn. 54; Höfling in Sachs Grundgesetz 7. Aufl. Art. 1 Rn. 102).

42

Darüber hinaus kann die Nichtberücksichtigung einer bestimmten Gruppe im Rahmen einer begünstigenden Vorschrift als teilweises gesetzgeberisches Unterlassen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzen, wenn zur begünstigten Gruppe keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (st. Rspr., vgl. etwa BVerfG NJW 1987, 2919, 2920; 1998, 2269, 2271; FamRZ 1998, 890, 892; vgl. auch Dreier in Dreier Grundgesetz-Kommentar 3. Aufl. Art. 1 III Rn. 54; Leibholz/Rinck GG [Stand: März 2013] Art. 3 Rn. 137).

43

2. Ein ausdrücklicher Regelungsauftrag ist dem Grundgesetz in Bezug auf die Ermöglichung ärztlicher Zwangsmaßnahmen nicht zu entnehmen.

44

Allerdings trifft den Staat zum einen die Pflicht, sich schützend und fördernd vor die von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit zu stellen und entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Bei der Erfüllung solcher Schutzpflichten kommt dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, wobei er das sog. Untermaßverbot zu beachten hat (BVerfG NVwZ 2011, 991 Rn. 37 f.). Zum anderen ist der Staat verpflichtet, einen Menschen, der nicht in der Lage ist, eine selbstbestimmte und eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen, vor sich selbst zu schützen (vgl. BVerfGE 58, 208, 225 f.; Lipp FamRZ 2013, 913, 915). Allgemein gilt, dass er einen Betroffenen nicht mit seiner Krankheit allein lassen darf (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 147).

45

Wie der Gesetzgeber ausdrücklich anerkennt, gehören zum Wohl eines Betroffenen auch die Erhaltung seiner Gesundheit und die Verringerung und Beseitigung von Krankheiten. Der Ausschluss von ärztlichen Zwangsmaßnahme birgt die Gefahr, dass Betroffene aufgrund ihrer psychischen Erkrankung oder geistigen oder seelischen Behinderung ihre Behandlungsbedürftigkeit nicht erkennen bzw. krankheitsbedingt nicht entsprechend einer vorhandenen Erkenntnis handeln können und eine Behandlung deshalb ablehnen; auch nach Auffassung des Gesetzgebers darf daran aber etwa eine lebensnotwendige Operation nicht scheitern (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 72, 141; 17/11513 S. 5).

46

Ob aus diesen Erwägungen überhaupt eine Verpflichtung des Gesetzgebers folgt, die gesetzlichen Voraussetzungen für ärztliche Zwangsmaßnahmen bei Betroffenen zu schaffen - und wenn ja, für welche Konstellationen -, hat der Senat bislang offen gelassen (BGHZ 193, 337 = FamRZ 2012, 1366 Rn. 47). Dies bedarf auch hier keiner Entscheidung.

47

3. Denn der Gesetzgeber hat sich dazu entschlossen, ärztliche Zwangsmaßnahmen bei Betroffenen zu ermöglichen und die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür zu bestimmen. Die entsprechende Regelung in § 1906 Abs. 3 BGB bildet nicht nur die Grundlage für den mit der Durchführung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme verbundenen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen. Sie stellt sich vielmehr als Bestandteil des staatlichen Erwachsenenschutzes ebenso als Begünstigung dar. Von dieser Begünstigung die Betroffenen auszunehmen, bei denen es einer stationär durchzuführenden ärztlichen Maßnahme bedarf, der sie sich (rein) räumlich nicht entziehen wollen und/oder können, fehlt es jedoch an einer hinreichenden Rechtfertigung, so dass das Gesetz insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

48

a) Bei § 1906 Abs. 3 BGB handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine den Betroffenen jedenfalls auch begünstigende Vorschrift.

49

Die Regelungen der §§ 1896 ff. BGB zur rechtlichen Betreuung, die auch die Bestimmungen über die zivilrechtliche Unterbringung und die ärztlichen Zwangsmaßnahmen umfassen, normieren in ihrer Gesamtheit zwar die Voraussetzungen, unter denen zum Wohl eines Betroffenen in sein Selbstbestimmungsrecht, seine Fortbewegungsfreiheit sowie seine körperliche Unversehrtheit eingegriffen werden kann.

50

Dieser staatliche Eingriffe beschränkende Inhalt ist aber nur Ausfluss der eigentlichen Normfunktion. Denn bei dem gesamten Betreuungsrecht handelt es sich um ein Institut des Erwachsenenschutzes als Ausdruck der staatlichen Wohlfahrtspflege, deren Anlass und Grundlage das öffentliche Interesse an der Fürsorge für den schutzbedürftigen Einzelnen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. März 2015 - XII ZA 12/15 - FamRZ 2015, 1017 Rn. 8 und vom 28. Januar 2015 - XII ZB 520/14 - FamRZ 2015, 650 Rn. 13 mwN; vgl. auch BVerfG Beschluss vom 10. Juni 2015 - 2 BvR 1967/12 - juris Rn. 16 sowie BVerfG NJW 1980, 2179 zum früheren Vormundschaftsrecht für Volljährige). Mithin haben die §§ 1896 ff. BGB nicht nur einen in die Grundrechte eingreifenden Gehalt, sondern dienen insbesondere der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts und der Menschenwürde des Betroffenen, der wegen seiner Krankheit oder Behinderung nicht eigenverantwortlich entscheiden kann (vgl. Lipp FamRZ 2013, 913, 915 f.), sowie dem Schutz seines Lebens und seiner Gesundheit.

51

Dementsprechend stellen sich zivilrechtliche Unterbringungen und ärztliche Zwangsmaßnahmen nicht nur als Grundrechtseingriffe, sondern vor allem auch als den Betroffenen begünstigende Maßnahmen der staatlichen Fürsorge dar. Ihr Zweck besteht neben ihrer die Eingriffsvoraussetzungen festlegenden und damit Grundrechtseingriffe beschränkenden Funktion insbesondere darin, den Anspruch des Betroffenen auf Schutz und Behandlung umzusetzen, wenn er krankheitsbedingt keinen freien Willen bilden kann und sich dadurch erheblich schädigen würde (vgl. Lipp FamRZ 2013, 913, 919). Dass dies nur mittels schwerwiegender Eingriffe in die Grundrechte des Betroffenen möglich ist, ändert an diesem begünstigenden Charakter nichts.

52

b) Ein hinreichender Grund, untergebrachten Betroffenen diese Fürsorge zuteil werden zu lassen, hingegen von vorneherein andere Betroffene hiervon auszuschließen, die sich einer dringend erforderlichen stationären Behandlung zwar verweigern, aber räumlich nicht entziehen wollen und/oder können, besteht nicht.

53

aa) Ein solcher liegt zum einen nicht in den Erwägungen, die den Gesetzgeber ersichtlich dazu bewogen haben, im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens für das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz von der Regelung einer ambulanten Heilbehandlung abzusehen.

54

(1) Der erste Gesetzesentwurf sah einen § 1906 a BGB vor, mit dem die zwangsweise Zuführung des Betroffenen zur ambulanten ärztlichen Heilbehandlung durch den Betreuer geregelt werden sollte (BT-Drucks. 15/2494 S. 7, 30). Die Frage wurde im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags intensiv mit Sachverständigen erörtert, die auch schriftlich hierzu Stellung nahmen (vgl. das Protokoll der 49. Sitzung des Rechtsausschusses vom 26. Mai 2004 S. 69, 72, 74-76, 86, 98 f., 123, 131, 147-149, 157-159; Protokoll der 51. Sitzung des Rechtsausschusses vom 16. Juni 2004 S. 113, 129 f.).

55

Dabei wurden allgemeine Einwände gegen jede Art von Zwangsbehandlungen geltend gemacht. Wenn eine solche aber unbedingt erforderlich sei, dann solle sie in stationärem Rahmen erfolgen.

56

Gegen die ambulante Zwangsbehandlung selbst wurde vor allem angeführt, dass die zwangsweise Verbringung des Betroffenen zu einem niedergelassenen Arzt oder einer Krankenhausambulanz praktisch kaum umsetzbar sei. Die vorgesehene Vorschrift helfe ohnedies nicht, wenn der Betroffene niemanden in seine Wohnung lasse. Die ambulante Zwangsbehandlung stelle zudem sowohl für den Betroffenen als auch für den Behandler eine extreme Belastung dar und übertreffe für einzelne Betroffene die Belastung durch eine geschlossene Unterbringung. Für den Betroffenen sei sie darüber hinaus mit einer nach außen hervortretenden Diskriminierung verbunden. Auch habe sie massiv negative Auswirkungen auf dessen Beziehung zum Betreuer. Schließlich wurde die Gefahr gesehen, dass zu einer solchen Möglichkeit aus Bequemlichkeitsgründen öfter gegriffen werde, als es zur Behandlung notwendig wäre.

57

Der Rechtsausschuss kam daraufhin zu der Empfehlung, diese Vorschrift zu streichen (BT-Drucks. 15/4874 S. 8, 25 f.). In der anschließenden Bundestagsdebatte wurde ausgeführt, die ambulante Zwangsbehandlung widerspreche allen Ansätzen einer modernen Psychiatrie, die auf ein kooperatives Patientenverhältnis setze. Gerade in ihrem Zuhause bräuchten psychisch Kranke vertrauensvolle Unterstützung und Hilfe, nicht staatlich verordneten Zwang (BT-Plenarprotokoll 15/158 S. 14830 A). Der Deutsche Bundestag ist dem Vorschlag des Rechtsausschusses gefolgt.

58

(2) Ein durchgreifender Grund, die Zulässigkeit ärztlicher Zwangsmaßnahmen ausschließlich im Rahmen einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB zuzulassen und so auch die Fälle einer stationären Behandlung auszunehmen, in denen sich der Betroffene dieser räumlich nicht entziehen kann oder will, ist dem nicht zu entnehmen.

59

Die allgemein gegen Zwangsbehandlungen gerichteten Einwendungen haben den Gesetzgeber nicht von der aktuellen gesetzlichen Regelung abgehalten. Die übrigen angeführten Gründe beziehen sich speziell auf ambulante Zwangsmaßnahmen und greifen allesamt nicht für einen Betroffenen, der sich bereits im stationären Umfeld befindet, ohne sich aus diesem entfernen zu wollen oder zu können. Ein solcher Betroffener ist nicht der Situation einer zwangsweisen Verbringung in eine Arztpraxis oder Krankenhausambulanz ausgesetzt, die eine ambulante Zwangsbehandlung nicht als den regelmäßig gegenüber der Unterbringung weniger schwer wiegenden Grundrechtseingriff erscheinen lässt (vgl. dazu auch Senatsbeschluss BGHZ 145, 297 = FamRZ 2001, 149, 151).

60

bb) Nichts anderes gilt für das vom Gesetzgeber im Lauf des Verfahrens zum Erlass des Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme berücksichtigte Argument, nach Auskunft der ärztlichen Praxis werde bei einer Unterbringung in der überwiegenden Anzahl der Fälle mit den Betroffenen ein einvernehmliches Zusammenwirken zur Behandlung erzielt, während sich der Betroffene nach erfolgter Unterbringung lediglich in einer geringen Zahl der Fälle gegen eine Behandlung wende (BT-Drucks. 17/11513 S. 7).

61

Dafür, dass dies bei Betroffenen anders wäre, die zwar nicht untergebracht, aber bereits stationär aufgenommen sind, ist nichts ersichtlich. Vielmehr besteht dann in gleicher Weise die Möglichkeit der die Behandlung beabsichtigenden Ärzte, im Rahmen des Arzt-Patienten-Verhältnisses den Betroffenen von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen und seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen (vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 201, 324 = FamRZ 2014, 1358 Rn. 15).

62

cc) Sonstige Gründe für die bei der Zulässigkeit ärztlicher Zwangsmaßnahmen bestehende Ungleichbehandlung von untergebrachten und solchen Betroffenen, die sich dem stationären Rahmen nicht räumlich entziehen wollen oder können, sind nicht erkennbar. Im Gegenteil spricht nach Auffassung des Senats alles dafür, insoweit von einer jedenfalls identischen Schutzbedürftigkeit beider Gruppen auszugehen. Die Gesetz gewordene gegenteilige Meinung läuft - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht - unter anderem darauf hinaus, dass dem noch zum "Weglaufen" Fähigen (und Willigen) geholfen werden kann, während etwa derjenige, der aufgrund der Krankheit schon zu schwach für ein räumliches Entfernen ist, auch bei schwersten Erkrankungen seiner Krankheit überlassen bleiben muss. Dies ist ein Ergebnis, das auch durch die psychisch Kranken zuzugestehende "Freiheit zur Krankheit" (vgl. etwa Senatsbeschlüsse BGHZ 166, 141 = FamRZ 2006, 615, 616 und BGHZ 145, 297 = FamRZ 2001, 149, 151; BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 48; BVerfGE 58, 208, 226) in keiner Weise vorgezeichnet ist.

63

dd) Diese durch die Ungleichbehandlung verursachte Schutzlücke wird nicht durch andere vom Gesetz eröffnete Möglichkeiten aufgefangen.

64

(1) Das hier einschlägige Landesrecht - das baden-württembergische Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz - PsychKHG) vom 25. November 2014 (GBl. 2014, 534) - greift schon deshalb nicht zu Gunsten von Betroffenen ein, die sich räumlich nicht aus dem stationären Rahmen entfernen wollen oder können, weil es eine Zwangsbehandlung nach § 20 Abs. 3 PsychKHG ebenfalls nur bei einer geschlossenen Unterbringung vorsieht.

65

(2) Auch der rechtfertigende Notstand des § 34 StGB, der einer ohne die Einwilligung des Patienten oder gar gegen dessen Willen erfolgenden ärztlichen Behandlung gegebenenfalls die Rechtswidrigkeit nehmen kann, lässt die Notwendigkeit der Aufnahme von Betroffenen, die sich räumlich nicht aus dem stationären Rahmen entfernen wollen oder können, in den Anwendungsbereich des § 1906 Abs. 3 BGB nicht entfallen. Dies gilt unabhängig von der Frage, inwieweit angesichts der konkreten gesetzlichen Festlegung derjenigen Fälle, in denen ärztliche Zwangsmaßnahmen zulässig sind, von der Bestimmung nicht erfasste Fälle überhaupt notstandsfähig sein können. Denn die vom ärztlichen Behandler in jedem Einzelfall vorzunehmende schwierige Interessenabwägung zu § 34 StGB (vgl. dazu allgemein etwa Lackner/Kühl StGB 28. Aufl. § 34 Rn. 6 ff.; Schönke/Schröder/Perron StGB 29. Aufl. § 34 Rn. 22 ff.; jeweils mwN) kann die vom Gesetzgeber vorzunehmende Festlegung der Voraussetzungen, unter denen eine ärztliche Zwangsmaßnahme zulässig ist, nicht ersetzen. Sie bietet nicht annähernd die angesichts der betroffenen grundrechtlichen Belange gebotene Rechtssicherheit einerseits gegen ungerechtfertigte, regelmäßig schwerwiegende Grundrechtseingriffe, andererseits aber vor allem auch für den im Wege der ärztlichen Zwangsmaßnahmen vorzunehmenden Schutz der Grundrechte von Betroffenen.

Dose                       Weber-Monecke                        Klinkhammer

            Schilling                                   Guhling

50
5. Bei der unterschiedlichen Behandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens erhobene Bedenken gegen die unterschiedliche Behandlung der Vaterschaft kraft Anerkennung und kraft Ehe (vgl. etwa Helms Stellungnahme zum Gesetzentwurf an den Rechtsausschuss des Bundestags vom 17. Mai 2007 S. 7 f., 13, abrufbar unter www.gesmat.bundesgerichtshof.de Stand: 30. Mai 2012) haben ihm keine Veranlassung dazu gegeben, die behördliche Anfechtung auch auf die Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 BGB zu erstrecken. Demnach ist eine Auslegung der Anfechtungsvorschrift , die bereits aufgrund der bestehenden Rechtslage zu einer Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder führt, nicht möglich (zutreffend OLG Bremen FamRZ 2011, 1073, 1075). Eine verfassungskonforme Auslegung gegen den Willen des Gesetzgebers ist schließlich nicht zulässig (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - XII ZR 161/08 - FamRZ 2009, 1477 Rn. 28 mwN).
28
Eine verfassungskonforme Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn eine Norm mehrere Auslegungen zulässt, die teils zu einem verfassungswidrigen , teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen (BVerfG NJW 2001, 2160, 2161; BFHE 207, 471 Tz. 86). Sie findet ihre Grenze dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG NJW 2007, 2977, 2980; NJW 1999, 1853, 1855 jeweils m.w.N.).

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

38
Der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber gebietet es zwar, eine Vorschrift durch Auslegung so weit aufrecht zu erhalten, wie dies in den Grenzen des Grundgesetzes möglich ist, ohne dass sie ihren Sinn verliert (BVerfG, NJW 2007, 2977 Rn. 91). Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet aber dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (st.Rspr., BVerfG, NJW 2007, 2977 Rn. 91 mwN; NJW 2000, 347, 349; ZIP 1998, 1763, 1771; NJW 1994, 2475, 2476; BVerfGE 18, 97, 111). Eine verfassungskonforme Auslegung gegen den Willen des Gesetzgebers ist nicht zulässig (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2012 - XII ZR 89/10, FamRZ 2012, 1489 Rn. 50; Urteil vom 24. Juni 2009 - XII ZR 161/08, NJW 2009, 2744 Rn. 28). Eine solche Korrektur des Gesetzes würde nicht zuletzt Art. 100 Abs. 1 GG zuwiderlaufen, der die Autorität des parlamentarischen Gesetzgebers im Verhältnis zur Rechtsprechung wahren soll (BVerfG, NJW 2007, 2977 Rn. 91; BVerfGE 86, 71, 77). In der Begründung des Entwurfs zum Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte von 1994 ist dieser Vorbehalt aus- drücklich angesprochen: „Es handelt sich hier um Berufsausübungsregelungen von erheblichem Gewicht für die Rechtsanwälte und für das Funktionieren des Rechts-, Wirtschafts- und Soziallebens, die durch den Gesetzgeber selbst zu treffen sind“ (BT-Drucks. 12/4993, S. 23).

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

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(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

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(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

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(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.