vorgehend
Bundespatentgericht, 1 Ni 6/15, 13.10.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 19/17 Verkündet am:
19. Februar 2019
Zöller
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2019:190219UXZR19.17.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning und Dr. Bacher und die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 13. Oktober 2016 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 042 371 (Streitpatents), das am 25. September 2007 angemeldet worden ist und einen Auslauftrichter für ein Silo eines Silofahrzeugs betrifft. Patentanspruch 1, auf den sich die übrigen sechs Patentansprüche beziehen, lautet in der Verfahrenssprache wie folgt: "Auslauftrichter für ein Silo eines Silofahrzeugs, mit filterartigen Segmenten (5), die auf der Innenseite des Auslauftrichters (1) angebracht sind, und mit einer Druckluftzuführung, mit der Druckluft zwischen die filterartigen Segmente (5) und die Innenseite des Auslauftrichters (1) einblasbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die filterartigen Segmente (5) lösbar auf der Innenseite des Auslauftrichters (1) angebracht sind, und dass der Auslauftrichter (1) leistenförmige Halter (9) aufweist, die sich entlang eines Randes der Segmente (5) erstrecken, an denen die Halter (9) die Segmente (5) auf einer dem Auslauftrichter (1) abgewandten Innenseite übergreifen und die Segmente (5) lösbar gegen die Innenseite des Auslauftrichters (1) spannen."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Zudem sei die beanspruchte Erfindung nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten und hilfsweise in vier geänderten Fassungen verteidigt.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent unter Abweisung der Klage im Übrigen für nichtig erklärt, soweit dessen Gegenstand über die mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag Ia verteidigte, aus dem Tenor des angefochtenen Urteils vom 13. Oktober 2016 ersichtliche Fassung hinausgeht, nach der Patentanspruch 1 wie folgt lautet: "Auslauftrichter für ein Silo eines Silofahrzeugs, mit filterartigen Segmenten (5), die lösbar auf der Innenseite des Auslauftrichters (1) angebracht sind, mit einer Druckluftzuführung, mit der Druckluft zwischen die filterartigen Segmente (5) und die Innenseite des Auslauftrichters (1) einblasbar ist, und mit leistenförmigen Haltern (9), die sich entlang eines Randes der Segmente (5) erstrecken, an denen die Halter (9) die Segmente (5) auf einer dem Auslauftrichter (1) abgewandten Innenseite übergreifen und die Segmente (5) lösbar gegen die Innenseite des Auslauftrichters (1) spannen, dadurch gekennzeichnet, dass die Halter (9) einen in ein Austrittsloch (2) des Auslauftrichters (1) eingesetzten Auslaufstutzen (12) übergreifen und halten."
4
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren auf vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
6
I. Das Streitpatent betrifft einen Auslauftrichter für ein Silo eines Silofahrzeugs.
7
1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift sind Silos als Speicher für Schüttgüter auf einem Silofahrzeug, das ein Lastkraftwagen oder dessen Anhänger sein kann, in der Regel liegend angeordnet. Sie seien meist zylindrisch geformt, wobei aber auch die sogenannte Bananenform bekannt sei, bei der sich das Silo zu beiden Enden hin verjünge. Zum Entleeren weise ein solches Silo an seiner Unterseite einen oder mehrere, meist kegelstumpfförmige Auslauftrichter auf, durch die das Schüttgut in der Regel aufgrund der Schwerkraft ausströme. Stark zusammenhaftende Schüttgüter wie Mehl, Salz, Gips oder Zement strömten indessen nicht von selbst aus. Um solche Schüttgüter entnehmen zu können oder um deren Entnahme zu beschleunigen, sei es bekannt gewesen, die Innenseite des Auslauftrichters mit luftdurchlässigen Matten auszukleiden, die am äußeren oberen sowie am inneren unteren Rand abdichtend mit dem Auslauftrichter verbunden seien und dieselbe Form wie dieser hätten. Zwischen den Auslauftrichter und die ihn auskleidenden Matten sei über eine oder mehrere Druckluftzuführungen Druckluft einblasbar. Diese ströme durch die Matten, löse das Schüttgut von den Matten und lockere es auf, so dass es aufgrund der Schwerkraft durch den geöffneten Auslauftrichter aus dem Silo ströme. Nachteilig an einer solchen Anordnung sei indessen, dass die Reinigung der Matten, die insbesondere erforderlich werde, wenn nacheinander verschiedene Schüttgüter zu transportieren seien, vor allem dann zeitaufwändig sei, wenn die Matten hierfür ausgebaut werden müssten.
8
Die internationale Patentanmeldung 01/25 121 (D1), die USamerikanischen Patentschriften 3 236 422 (D2) und 3 829 022 (D4), die japanische Offenlegungsschrift Hei 11-180 557 (D5) und die französische Patentschrift 1 415 624 (D6) offenbarten Silos, auf deren Innenseite statt luftdurchlässiger Matten filterartige Segmente in Form von Kegelstumpfsektoren angeordnet seien, die gemeinsam einen kegelstumpfförmigen Trichter bildeten. Je nach Konstruktion würden die Silos entweder wie bei der D5 durch Absaugen des Schüttguts mit einem Krümmer oder dadurch geleert, dass bei offenem Auslass Druckluft zwischen einen Boden des Silos und die Segmente eingeblasen werde , die das Schüttgut von den Segmenten löse und auflockere, so dass es aufgrund der Schwerkraft aus dem Silo ausströme.
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2. Das Patentgericht hat die Aufgabe des Streitpatents in Übereinstimmung mit der Formulierung in der Streitpatentschrift darin gesehen, für ein Silo eines Silofahrzeugs, das durch Einblasen von Druckluft zwischen die (luftdichte) Außenhülle des Auslauftrichters und die filterartigen Segmente entleert wird, einen Auslauftrichter zur Verfügung zu stellen, dessen filterartige Segmente gut aus- und einbaubar sind.
10
Dies trifft für den Gegenstand des Streitpatents in der nunmehr verteidigten Fassung, der über die Gestaltung und Anbringung der luftdurchlässigen Auskleidung des Auslauftrichters hinaus auch die Anordnung eines Auslaufstutzens betrifft - wie die Klägerin zu Recht geltend macht -, nicht mehr uneinge- schränkt zu. Indessen kann das vom Streitpatent in Angriff genommene technische Problem entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht mit der Begründung , dass die in der Streitpatentschrift formulierte Aufgabe bereits durch die deutsche Offenlegungsschrift 195 18 30 (D7) gelöst werde, darauf reduziert werden, einen Auslaufstutzen mit einfachen Mitteln am Auslauftrichter anzuordnen. Denn die Bestimmung des technischen Problems (der Aufgabe) in einem Nichtigkeitsverfahren dient ausschließlich dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren, darf aber nicht dazu führen, dass über die davon zu trennende und erst anschließend zu prüfende Frage, ob die vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht, bereits eine Vorentscheidung getroffen wird (BGH, Urteil vom 11. November 2014 - X ZR 128/09, GRUR 2015, 356 Rn. 9 - Repaglinid; Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 41/13, GRUR 2015, 352 Rn. 16 - Quetiapin). Es ist danach nicht angezeigt, mit Blick auf die D7 eine aus der Differenz zwischen dieser Schrift und der technischen Lehre des vom Patentgericht für rechtsbeständig erachteten Patentanspruchs 1 abgeleitete Aufgabe zu formulieren. Insbesondere ist dies nicht deshalb veranlasst, weil in dieser Anspruchsfassung ursprünglich kennzeichnende Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 in den Oberbegriff aufgenommen worden sind, denn die - fakultative - Aufteilung des Patentanspruchs in Oberbegriff und Kennzeichen ist für die Erfassung des geschützten Gegenstandes regelmäßig ebenso ohne Belang wie für die Definition eines geeigneten Ausgangspunkts.
11
Vielmehr ist in Anbetracht der in der Streitpatentschrift geschilderten Nachteile des Standes der Technik das dem Streitpatent zugrundeliegende Problem allgemein darin zu sehen, einen Auslauftrichter für ein Silo eines Silofahrzeugs zur Verfügung zu stellen, durch den auch stark zusammenhaftende Schüttgüter gut ausströmen und dessen Bestandteile zu Reinigungszwecken oder bei Reparaturbedürftigkeit ohne großen Zeitaufwand aus- und eingebaut werden können.
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3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der Fassung, die es durch das angefochtene Urteil erhalten hat und die die Beklagte in erster Linie verteidigt, einen Auslauftrichter für ein Silo eines Silofahrzeugs mit folgenden Merkmalen vor (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung unterstrichen ; Gliederungspunkte des Patentgerichts in eckigen Klammern): 1. filterartige Segmente (5) [Ha2], 1.1 die lösbar auf der Innenseite des Auslauftrichters (1) angebracht sind [Ha4; HiI2]; 2. eine Druckluftzuführung, 2.1 mit der Druckluft zwischen die Segmente (5) und die Innenseite des Auslauftrichters (1) einblasbar ist [Ha3]; 3. einen Auslaufstutzen (12), 3.1 der in das Austrittsloch des Auslauftrichters (1) eingesetzt ist [HiIa7]; 4. leistenförmige Halter (9) [Ha5], die 4.1 sich entlang eines Randes der Segmente erstrecken [Ha5], 4.2 die Segmente (5) an dem Rand auf einer dem Auslauftrichter (1) abgewandten Innenseite übergreifen [Ha5], 4.3 die Segmente (5) lösbar gegen die Innenseite des Auslauftrichters (1) spannen [Ha4; Ha6; HiI2] und 4.4 den Auslaufstutzen (12) (gleichfalls) übergreifen und halten [HiIa7].
13
4. Zum Verständnis der erfindungsgemäßen Lehre und einzelner Merkmale sind folgende Bemerkungen veranlasst:
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a) Um die mit Druckluft beaufschlagbare Auskleidung der Innenseite des Auslauftrichters eines Silos für die Reinigung oder Reparatur ohne großen Zeitaufwand aus- und einbauen zu können, sieht die Erfindung eine Unterteilung dieser Auskleidung in filterartige Segmente vor, die lösbar angebracht sind. Dies geschieht mit leistenförmigen Haltern (Merkmal 4), die die Segmente an dem Rand, an dem sie entlanglaufen, übergreifen (Merkmale 4.1 und 4.2) und lösbar gegen die Innenseite des Trichters spannen (Merkmal 4.3). Diese Halter übergreifen und halten zugleich den Auslaufstutzen des Auslauftrichters, der in das Austrittsloch des Auslauftrichters eingesetzt ist (Merkmalsgruppe 3 und Merkmal 4.4).
15
b) Die Parteien streiten über das Verständnis der Merkmalsgruppe 3 und des Merkmals 4.4, mit denen die erteilte Fassung von Patentanspruch 1 durch das patentgerichtliche Urteil ergänzt worden ist.
16
aa) Nach den Erläuterungen in der Beschreibung des Streitpatents handelt es sich bei dem Auslaufstutzen nach Merkmal 3 um eine Art rohrförmiges, in die Mündung des Auslauftrichters eingesetztes und den eigentlichen Auslass bildendes Teil, das auch als Innenring bezeichnet werde und an das beispielsweise eine Rohrleitung oder ein Schlauch angeschlossen werden könne (Beschr. Abs. 17). Als Beispiel nennt die Streitpatentschrift einen Rohrkrümmer, der einen Schraubflansch zum Anschluss einer Rohrleitung zur Entladung des Silos aufweist (Beschr. Abs. 24). Der Auslaufstutzen im Sinne des Streitpatents fungiert demnach gleichzeitig als Anschlussstutzen.
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bb) Nach Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils ist der Auslaufstutzen gemäß Merkmal 3.1 in das Austrittsloch des Auslauftrichters eingesetzt und wird nach Merkmal 4.4 ebenfalls von den Haltern, die auch die filterartigen Segmente übergreifen, übergriffen und gehalten. In Patentan- spruch 1 ist indessen nicht näher festgelegt, wie der Auslaufstutzen in das Austrittsloch eingesetzt ist. Die nachstehend wiedergegebene einzige Figur des Streitpatents zeigt ein Ausführungsbeispiel des beanspruchten Auslauftrichters.


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Danach weist der in das Austrittsloch 2 eingesetzte Auslaufstutzen 12 an seinem trichterseitigen Ende einen an die Form des Auslauftrichters angepassten , kegelstumpfförmigen Flansch 14 auf, der sich an der Innenseite des Auslauftrichters befindet und die Innenränder der filterartigen Segmente 5 übergreift.
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Bei dieser Anordnung ist der Auslaufstutzen von oben her in den Auslauftrichter eingesetzt. Ob der Auslaufstutzen auch anderweitig eingesetzt sein kann, was durch den Wortlaut von Patenanspruch 1 nicht ausgeschlossen wird, kann dahinstehen. Denn nach der Erfindung ist allein entscheidend, dass der Auslaufstutzen von denselben Haltern gehalten wird, die auch die filterartigen Segmente halten. Dies ist bei dem oben wiedergegebenen Ausführungsbeispiel des Streitpatents, bei dem der Auslaufstutzen mittels eines die Innenränder der filterartigen Segmente 5 übergreifenden Flansches 14 eingesetzt ist, der Fall. Dieser Flansch wird seinerseits von den inneren Enden der die Segmente ge- gen die Innenseite des Trichters spannenden Halter 9 übergriffen und auf diese Weise im Austrittsloch des Auslauftrichters befestigt. In dem dargestellten Ausführungsbeispiel weist der Auslaufstutzen 12 einen 90°-Rohrkrümmer auf, über dessen Schraubflansch 13 eine Rohrleitung zur Entladung des Silos angeschlossen werden kann (Beschr. Abs. 24).
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II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
21
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei in der erteilten und in der mit Hilfsantrag I verteidigten Fassung gegenüber der deutschen Offenlegungsschrift 195 18 360 (D7) nicht neu. Der in dieser Schrift beschriebene Auslauftrichter weise luftdurchlässige und damit filterartige Segmente im Sinne von Merkmal 1 auf, die an der Innenseite des Trichters mit Schrauben 10 und damit wie nach Merkmal 1.1 vorgesehen lösbar angebracht seien. Im Boden des Trichters sei ein Anschlussstutzen für Fördergas vorgesehen, der einer Druckluftzuführung nach der Merkmalsgruppe 2 entspreche. Die filterartigen Segmente seien über Führungsoberteile 9, die die Merkmale 4 und 4.1 erfüllten, und mit Schrauben 10 in der mit den Merkmalen 4.2 und 4.3 beschriebenen Weise befestigt und lösbar gegen die Innenseite des Auslauftrichters gespannt. Auch das in der mit Hilfsantrag I verteidigten Fassung zusätzlich enthaltene Merkmal, wonach die Halter einen Auslaufstutzen übergreifen, werde durch die D7 offenbart. Die Führungsoberteile 9 griffen zwar in einem gewissen Abstand über den Auslaufstutzen hinweg, der durch den die Austragsöffnung 5 aufnehmenden Gehäuseteil 17 gebildet werde. Indessen verlange ein Übergreifen im Sinne des Streitpatents nicht, dass die Halter den Auslaufstutzen berührten.
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Dagegen habe der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit Hilfsantrag Ia verteidigten Fassung Bestand. Er werde durch die im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen weder vorweggenommen noch dem Fachmann, einem Maschinenbauingenieur mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Silofahrzeugen und Silobehältern für Schüttgüter, nahegelegt. Bei der D7 sei der Auslaufstutzen Teil des Gehäuses, das seinerseits die in seine Nut 16 hineingesteckten Segmente halte. Es fehle damit an einer Offenbarung der Merkmalsgruppe 3 und des Merkmals 4.4. Eine Anregung für die vergleichsweise aufwändige Konstruktion des Streitpatents, bei der ein in das Austrittsloch des Auslauftrichters eingesetzter Auslaufstutzen von den Haltern der filterartigen Segmente gehalten werde, ergebe sich aus der D7 nicht. Die in der deutschen Offenlegungsschrift 1 531 778 (D8) beschriebene Vorrichtung weise keine leistenförmigen Halter auf. Die Segmentrahmen 8 seien vielmehr über die unteren Ringhälften 10 direkt am Flansch 2 befestigt. Bei der in der deutschen Auslegeschrift 19 03 032 (D9) offenbarten Auslaufeinrichtung für Staub- und Schüttgut gebe es weder Segmente noch Halter im Sinne des Streitpatents. Der Belüftungsboden des deutschen Gebrauchsmusters 1 882 990 (D13) weise zwar Halter auf. Der rohrförmige Auslaufstutzen werde von diesen indessen weder übergriffen noch gehalten, sondern sei am trichterförmigen Bodenblech angebracht. Das deutsche Gebrauchsmuster 91 02 033 (D14) betreffe einen Austragtopf für den Transport und die Lagerung von Schüttgütern mit einem trichterförmigen, nicht unterteilten Belüftungseinsatz. Der untere Flansch am Austrittsloch des Austragtopfs werde nicht von dem Einsatz gehalten, sondern sei ein Teil des Gehäuses. Es gebe somit weder filterartige Segmente noch Halter, die wie beim Streitpatent sowohl die Segmente als auch den Auslaufstutzen hielten.
23
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.
24
1. Das Patentgericht hat den Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit Hilfsantrag Ia verteidigten Fassung zu Recht als patentfähig angesehen.
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a) Zutreffend und von der Berufung unangegriffen hat das Patentgericht angenommen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils gegenüber den Entgegenhaltungen D7, D8, D9, D13 und D14 neu ist, weil jedenfalls keine dieser Schriften eine Konstruktion entsprechend Merkmal 4.4 offenbart.
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b) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in dieser Fassung dem Fachmann, gegen dessen zutreffende Definition im angefochtenen Urteil die Parteien keine Einwände erhoben haben, durch die D7 auch nicht nahegelegt war.
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aa) Diese Entgegenhaltung offenbart ein Fließbett für einen in Form eines Trichters ausgebildeten Boden eines Silobehälters, dessen Aufbau sich aus ihren nachfolgenden Figuren ergibt, wobei die Figur 1 eine Draufsicht auf das Fließbett und die Figur 2 einen Schnitt durch den trichterförmigen Boden des Silobehälters zeigt.


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Das Fließbett 2 ist in einem trichterförmigen Boden 1 eines in den Figuren nicht gezeigten Silobehälters angeordnet. Es besteht aus einem Material, das für ein Fördergas, nicht jedoch für das im Silo gelagerte Gut durchlässig ist. Das Fördergas wird über den Anschlussstutzen 3 in den Verteilerraum 4 eingespeist und durchströmt das Fließbett, so dass das Gut im Silo über das Fließbett in Richtung der Austragsöffnung strömen und dort entnommen werden kann. Das Fließbett ist in mehrere Segmente 6 unterteilt, die an die Form des Silobehälters angepasst sind, d.h. bei einem runden Silobehälter die Form von Kreissegmenten haben. Die Segmente sind mit ihren einander benachbarten Kanten in einer Führung 7 aufgenommen. In einer bevorzugten Ausführungsform umschließen die Führungen die Kanten der Segmente U-förmig und bestehen aus einem Oberteil und einem Unterteil, die lösbar miteinander verbunden sind, wobei das Unterteil als Abstandshalter zum Gehäuse des Bodens dient und mit diesem verschweißt sein kann (Sp. 4 Z. 33 - Sp. 5 Z. 24).
29
bb) Damit sind die Merkmalsgruppen 1 und 2 sowie die Merkmale 4, 4.1, 4.2 und 4.3 offenbart.
30
cc) Nicht offenbart sind dagegen, wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, die Merkmalsgruppe 3 und Merkmal 4.4.
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dd) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der D7 keine Veranlassung, in die Austragsöffnung des trichterförmigen Bodens einen Auslaufstutzen einzusetzen, der - entsprechend Merkmal 4.4 - von den Führungen der luftdurchlässigen Segmente gehalten wird. Die D7 führt den Fachmann vielmehr von einer derartigen Konstruktion weg. So beschreibt es die D7 als vorteilhaft, wenn umgekehrt die Segmente des Fließbetts außer von den Führungen an den benachbarten Kanten zusätzlich von einem an der Austragsöffnung angebrachten Haltemittel gehalten werden. In dem entsprechenden Ausführungsbeispiel ist die Austragsöffnung von einer umlaufenden Nut umgeben, in die die Segmente mit ihren der Austragsöffnung zugewandten Stirnkanten eingesteckt werden können, wodurch auch an diesen Segmentkanten eine mechanische Halterung und eine entsprechende Abdichtung erzielt werden soll (D7 Sp. 2 Z. 57-63). Damit sieht die D7 bei einer Ausführungsform, bei der die Führungen der benachbarten Kanten der Fließbettsegmente die Austragsöffnung jedenfalls an deren umlaufenden Nut quasi übergreifen, gerade nicht vor, dass diese Führungen gleichzeitig auch in Bezug auf die Auftragsöffnung bzw. dort angebrachte Anschlüsse eine Haltefunktion ausüben. Vielmehr soll umgekehrt durch eine entsprechende Gestaltung der Austragsöffnung in diesem Bereich eine zusätzliche Halterung für die Segmente erreicht werden.
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c) Wie das Patentgericht zu Recht entschieden hat, konnte der Fachmann auch über die Entgegenhaltungen D8, D9, D13 und D14 nicht zum Gegenstand der Erfindung gelangen. Auch soweit diese Entgegenhaltungen einen Anschlussstutzen zum Anschluss von Rohrleitungen zum Entleeren des jeweiligen Behälters oder Silos vorsehen, geben sie dem Fachmann keine Anregung, das Fließbett der D7 dahingehend zu verändern, dass die Führungen der luft- durchlässigen Segmente nicht nur diese, sondern gleichzeitig auch einen in die Austragsöffnung eingesetzten Auslauf- bzw. Anschlussstutzen halten.
33
aa) Bei der in der D8 beschriebenen Vorrichtung zur Entleerung eines Behälters für pulver- oder kornförmiges Material ist das luftdurchlässige Organ mit luftdurchlässigen Befestigungsmitteln an einem Rahmen montiert, der gegen den Austritts- oder Entleerungsbereich des Behälters geneigt ist. Der Rahmen besteht aus zwei - bei einem kegelstumpfförmigen Behälterboden ringförmigen - Gliedern, von denen eines an der Behälterwand oberhalb des Niveaus des Austrittsbereichs und das andere im Austrittsbereich angebracht ist. Zwischen den beiden Ringen sind eine oder mehrere Stützen vorgesehen. Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 zeigen ein Ausführungsbeispiel des von der D8 vorgeschlagenen Behälterbodens.
34
In Figur 1 ist ein Schnitt durch das Bodenteil dargestellt, das mit dem Flansch 1 an dem eigentlichen Behälter festgeschweißt ist. Der Flansch 2 begrenzt den Austritts- und Entleerungsbereich des Behälters. Das luftdurchlässige Organ 6 besteht aus Tüchern 7, die auf je einer Seite des Rahmens 8 montiert sind. In dem dargestellten Ausführungsbeispiel besteht der Rahmen aus zwei zusammenfügbaren Teilen 8a und 8b, wobei nach der Beschreibung in der D7 auch eine weitere Unterteilung des Rahmens möglich ist (D7 S. 7 Abs. 1). Die Rahmenteile 8a und 8b haben die Form einer halben Mantelfläche eines Kegelstumpfs und sind jeweils aus einer oberen Ringhälfte 9 und einer unteren Ringhälfte 10 sowie zwischen den Ringhälften verlaufenden Stützstangen 11 zusammengesetzt. Die Stützstangen sind mit einem Ende an der oberen Ringhälfte 9 festgeschweißt, die ihrerseits am Flansch 1 des Behälters montiert ist. Mit ihrem anderen Ende sind die Stützstangen an der unteren Ringhälfte 10 angeschweißt, die ihrerseits am Flansch 2 montiert ist. Die Tücher 7 des luftdurchlässigen Organs 6 sind um den Umfang jeder Rahmenhälfte mit einer Doppelnaht und um den Umfang jedes von den Stützstangen und den Ringhälften gebildeten Feldes mit einer einfachen Naht aneinander befestigt.
35
Von ihrer Form und Anordnung her sind allenfalls die Stützstangen 11 mit den Haltern 9 des Streitpatents vergleichbar. Die Stützstangen sind mit ihren Enden indessen fest mit dem oberen und dem unteren Ring des Rahmens des luftdurchlässigen Organs verschweißt. Eine Anregung, die Stützstangen, den unteren Ring im Austrittsbereich übergreifen zu lassen, damit sie einen in die Austrittsöffnung eingesetzten Auslaufstutzen halten, ergibt sich hieraus nicht. Denn der Fachmann hätte dazu das Konzept der D8, das luftdurchlässige Organ in einen umlaufenden Rahmen einzuspannen, um die Bildung von toten Bereichen oder Taschen zu vermeiden, aufgeben müssen.
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bb) Die D9 betrifft eine Auslaufeinrichtung für Staub- und Schüttgut, deren Aufbau in Figur 1 wie folgt dargestellt ist:
37
Der Auslaufkonus 1 verjüngt sich nach unten auf einen Auslauf 2, der doppelwandig ausgeführt ist. Der Auslauf weist an seinem unteren Ende eine Austrittsöffnung 11 auf, mit der er in einen im Querschnitt engeren Anschlussstutzen 4 mündet, der als Krümmer ausgebildet ist und an dessen Endflansch 12 eine Förderleitung angeschlossen werden kann. Die Innenwandung ist als Rutschfläche ausgebildet und wird durch eine flexible, Porositäten aufweisende Folie 8 gebildet. Die Folie hat die Form eines Kreiskegelstumpfs und ist von vorneherein in dieser Form gewebt und damit nahtlos ausgebildet. An ihrem oberen Rand ist ein Haltestreifen 28 angesetzt, dessen Kante durch eine eingelegte Schnüre 31 verstärkt ist. Mit diesem Haltestreifen liegt die Folie oben an der Innenseite der Außenwandung des Auslaufs an und ist zwischen diese und einem innen an der Außenwandung aufgesetzten Spannring 33 eingeklemmt, der mit radial nach außen gerichteter Spannung den oberen Folienrand gegen die Außenwand presst. Mit ihrem unteren Rand 94 liegt die Folie 8 an einem die Austragsöffnung 11 umgebenden Andruckring 93 an, auf den ein Pressring 95 gelegt ist. Mittels Schrauben 96, 97, 98, 99 wird der untere Rand 94 der Folie 8 zwischen dem Andruckring 93 und dem Pressring 95 verspannt. Die mittleren Folienbereiche werden durch Stützelemente 16, 17 abgestützt. Die Stützelemente bestehen jeweils aus zwei Stützschienen 18, 21, zwischen die die Folie 8 eingeklemmt ist, wobei die der Außenwandung zugewandten Stützschienen 18 mit Stegen 19, 20 innen an der Außenwand befestigt sind.
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Damit ergibt sich auch aus der D9 keine Anregung, einen Auslaufstutzen entsprechend Merkmal 4.4 mit den Haltemitteln, mit denen die luftdurchlässige Innenwand des Behälters an die Außenwand angebracht ist, in der Austrittsöffnung zu befestigen. Die Stützelemente der D9 mit den Stützschienen sind zwar wie die Halter des Streitpatents leistenförmig ausgebildet (Merkmal 4). Sie weisen indessen nicht die weiteren Merkmale der Merkmalsgruppe 4 auf. Abgesehen davon, dass sie eine nahtlos ausgebildete und keine in Segmente unterteilte Folie stützen (Merkmale 4.2 und 4.3), hat der Fachmann nicht zuletzt deshalb keine Veranlassung, die Stützelemente als Halterung für einen Auslaufstutzen weiterzubilden, da der Auslauf der D9 unmittelbar in einen Anschlussstutzen mündet, der keiner gesonderten Halterung bedarf.
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cc) Der Belüftungsboden der D13 mit mittig angeordnetem Auslauf besteht aus einem trichterförmigen Bodenblech und einem nach unten geneigten, luftdurchlässigen Zwischenboden. Der Zwischenboden ist aus sektorförmigen Lochblechen zusammengesetzt, über die luftdurchlässige Abdeckungen gelegt sind, die sich vom Bodenrand bis zur Bodenmitte erstrecken, die gleiche Form wie die Lochbleche aufweisen und an ihrem Rand mit Befestigungsleisten am Zwischenboden festgeklemmt sind. Im Schutzanspruch 1 der D13 ist nicht näher festgelegt, mit welchen Mitteln der Zwischenboden am Belüftungsboden befestigt ist.
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In dem in den Figuren 1 und 2 der D13 dargestellten Ausführungsbeispiel erfolgt die Verbindung des Zwischenbodens mit dem Belüftungsboden über ein in den trichterförmigen Boden 1 eingesetztes Stahlskelett 2. Bei dieser Ausführungsform werden jeweils zwei benachbarte luftdurchlässige Segmentteile an ihren Längsseiten und an ihrer kreisförmigen Peripherie mittels Metallleisten 5 zusammengehalten. Die so zusammengehaltenen Segmentteile sind durch Schrauben mit den Lochblechen 3 und dem in den Boden eingesetzten Stahlskelett 2 verbunden.
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Danach sind die Befestigungsleisten 5 zwar, was ihre Form und ihre Anordnung angeht, mit den Haltern 9 des Streitpatents vergleichbar (Merkmale 4 und 4.1), nicht jedoch hinsichtlich ihrer Funktion. Die Befestigungsleisten dienen beim Belüftungsboden der D13 lediglich dazu, die einzelnen Bestandteile des luftdurchlässigen Zwischenbodens (Lochbleche und Folien) zusammenzuhalten , der seinerseits durch andere Mittel, wie beispielsweise ein Stahlskelett, mit der Innenseite des Trichterbodens verbunden ist. Die Befestigungsleisten der D13 spannen weder die luftdurchlässigen Segmente gegen die Innenwand des Behälters, noch haben sie eine Haltefunktion in Bezug auf die Austrittsöffnung. Es fehlt damit an der Offenbarung der Merkmale 4.2, 4.3 und 4.4. Somit ergibt sich für den Fachmann auch aus der D13 keine Veranlassung, die Halter der D7 in der Richtung weiterzubilden, dass sie geeignet wären, einen Auslaufstutzen in der Austrittsöffnung zu übergreifen und zu halten.
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dd) Schließlich gibt auch die D14 dem Fachmann keine Anregung für die mit der Merkmalsgruppe 3 und dem Merkmal 4.4 vorgeschlagene Konstruktion. Der in dieser Schrift beschriebene Austragtopf eines zum Transport und zur Lagerung von Schüttgütern vorgesehenen Behälters besteht aus einem trichterförmigen Anschlussstutzen, der mit einem an seinem oberen Rand angebrachten Flansch mit dem Behälter und an einem Flansch am unteren Rand mit einer Förderleitung verbindbar ist. In dem Anschlussstutzen ist mit Abstand zu diesem ein - nicht unterteilter - Belüftungseinsatz aus einem luftdurchlässigen formstabilen Metalldrahtgewebe angeordnet, der mit einem vorzugsweise scheibenförmigen Flansch zwischen den oberen Flansch des Anschlussstutzens und den Behälter eingespannt ist und an seinem unteren Ende einen zylindrischen Flansch aufweist, der mit dem Trichter des Anschlussstutzens eine ringförmige Austrittsöffnung einschließt. Damit mag die D14 den Fachmann veranlassen, einen Anschlussstutzen nach der Merkmalsgruppe 3 vorzusehen. Da der Belüftungseinsatz als nicht unterteiltes Bauteil keine Halter im Sinne der Merkmale 4, 4.1, 4.2 und 4.3 aufweist, erhält der Fachmann aber keine Anregung , den Anschlussstutzen auf die in Merkmal 4.4 beschriebene Weise anzubringen.
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2. Dem Fachmann wird der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils auch nicht durch eine Kombination der D7 mit der im Berufungsverfahren erstmals im Einzelnen erörterten deutschen Ge- brauchsmusterschrift 295 14 784 (D3) nahegelegt. Dementsprechend kann offenbleiben , ob sich der Umfang der Sachprüfung im Berufungsverfahren nach § 117 PatG in Verbindung mit den entsprechend anzuwendenden Vorschriften der § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO auf die D3 erstreckt.
44
a) Die Auslaufeinrichtung der D3 besteht aus einem Auslaufkörper und einer innenliegenden trichterförmigen Auslauffläche. Der Auslaufkörper verengt sich kegelförmig nach unten und geht dort in einen Anschlussstutzen über. Die innenliegende trichterförmige Auslauffläche besteht aus einem Folienmaterial und wird als austauschbarer Teil am oberen und am unteren Trichterumfang gehalten. Sie ist am unteren Ende über mindestens eine lösbare Hakenverbindung mit dem Auslauf, insbesondere mit dem Anschlussstutzen, verspannbar (D3, Schutzanspruch 1 und Beschreibung S. 3 Abs. 3). Für die Hakenverbindung kommen nach der D3 zwei Möglichkeiten in Betracht. Sie kann entweder so gestaltet sein, dass der Haken am Auslaufende des Trichters befestigt und die Öse oder sonstige Hinterschneidung, in die der Haken eingreift, an der Auslauffläche befestigt ist. Umgekehrt kann aber auch der Haken mit dem unteren Ende der Auslauffläche fest verbunden sein. In diesem Fall greift das freie Hakenende in eine Hinterschneidung des Anschlussstutzens (D3 S. 4 Abs. 3). Diese Anordnung, die die D3 als vorzugswürdig ansieht, ist in dem in der einzigen Figur der D3 dargestellten Ausführungsbeispiel gezeigt:
45
Hierbei sind die zwei gegenüberliegenden Haken 15 mit der die Auslauffläche 11 bildenden Folie 11b am unteren Ende 11a fest verbunden, während die freien Hakenenden 16 jeweils in Hinterschneidungen am Auslaufende des Trichters eingreifen. In dem dargestellten Beispiel ist die Hinterschneidung durch eine vorstehende Ringlippe 17 gebildet, die in den Auslauffreiraum hineinragt. Die Haken ragen mit ihrem Schaft durch Ringhülsen 18 hindurch, mit denen die Folie über einen konusförmigen Ring 18a verbunden ist. Die Folie weist ringsum verlaufende Lappen 20 auf, die randseitig mit der Folie vernäht sind und einen Versteifungsring 21 einschließen (D3 S. 7 Abs. 2). Am unteren Ende der Auslauffläche 11 ist ferner eine ringförmig ausgebildete Dichtungslippe 22 angegossen, die den Raum 12, in den zur Auflockerung des Schüttguts Druckluft eingeblasen werden kann, gegen das Auslaufende abdichtet. Außerdem kann am unteren Ende der Auslauffläche ein Dicht- und Zentrierring 11c angeordnet sein (D3 S. 8 Abs. 2).
46
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich für den Fachmann aus der D3 keine Anregung, die Halteleisten der D7 so umzugestalten, dass sie im Sinne von Merkmal 4.4 außer den luftdurchlässigen Segmenten auch einen in den Auslauftrichter eingesetzten Auslaufstutzen halten.
47
Die Beschreibung der D3 verhält sich nicht dazu, ob der Anschlussstutzen als gesondertes Bauteil ausgebildet ist, das in den Auslaufkörper ein- oder an diesen angesetzt ist und dementsprechend einer wie auch immer gearteten Halterung bedarf. In der bildlichen Darstellung des Ausführungsbeispiels der D3 schließt sich der Anschlussstutzen 10a indessen nicht übergangslos an den Auslaufkörper 10 an, sondern erscheint vielmehr als gesondertes Bauteil, das, wenn auch nicht in den Auslaufkörper eingesetzt, so doch an den Auslaufkörper angefügt ist. Bei dieser Konstruktion erscheint es - wie die Klägerin geltend macht - nicht ausgeschlossen, dass die Haken, die die Folie der Auslauffläche halten, gleichzeitig auch als Halterung für den Anschlussstutzen dienen, wenn sie - wie es in der Beschreibung der D3 heißt - mit ihren Enden in Hinterschneidungen am Auslaufende eingreifen (D3 S. 7 Abs. 2).
48
Bei diesem Verständnis des Offenbarungsgehalts mag der Fachmann auf der Grundlage der D3 zu der Erkenntnis gelangen, dass die Haltemittel für die luftdurchlässige Auskleidung des Auslauftrichters gleichfalls für die Befestigung eines Anschlussstutzens genutzt werden können. Dennoch ergibt sich aus der D3 nicht die Anregung, die Halter der D7 wie beim Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung auszubilden. Der D3 liegt die Aufgabe zugrunde , eine im Aufbau einfache Spanneinrichtung zur Halterung der innenliegenden trichterförmigen Auslauffläche so zu gestalten, dass sie den Durchfluss im Auslauftrichter möglichst wenig behindert und das Auswechseln der Auslauffläche erleichtert (D3 S. 3 Abs. 2). Dementsprechend sieht die D3 vor, dass die die Auslauffläche bildende Folie am oberen und am unteren Trichterumfang gehalten und über eine ausschließlich am unteren Ende angeordnete Hakenverbindung , gegebenenfalls unterstützt durch die Verbindung mit dem Ring 18, spannbar ist (Schutzanspruch 1 und D3 S. 7 Abs. 2). Mit dieser Hakenverbindung soll nach den Erläuterungen in der D3 im Unterschied zu den aus dem Stand der Technik bekannten zentralen Befestigungs- und Spannvorrichtungen erreicht werden, dass der Materialabflusskanal weitgehend frei bleibt und so einer Materialbrückenbildung vorgebeugt wird und infolgedessen der Behälter schneller entleert werden kann (D3 S. 3-4). Die D3 will also vermeiden, dass die Halte- und Spannmittel von oben bis unten über die gesamte Auslauffläche verlaufen , wie dies bei den in Segmente aufgeteilten Auslaufflächen der D7 und des Streitpatents der Fall ist. Daher kann der D3 auch in einer Ausführungsform , bei der die Haken nicht nur die Folie, sondern auch den Anschlussstutzen halten, keine Anregung dafür entnommen werden, die leistenförmigen Halter der D7 im Bereich der Austrittsöffnung noch weiter zu verlängern, um sie nicht nur die Ränder der filterartigen Segmente, sondern auch einen eingesetzten Auslaufstutzen übergreifen und halten zu lassen.
49
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist unerheblich, ob das Problem der Anbringung eines Auslauf- bzw. Anschlussstutzens an einen Auslauftrichter durch andere im Stand der Technik bekannte Konstruktionen, für die die Klägerin beispielhaft auf die europäische Patentschrift 1 020 372 (D16), die europäische Patentanmeldung 1 568 620 (D17) und die deutsche Gebrauchsmusterschrift 20 2005 002 563 (D18) verweist, bereits gelöst wurde und ob die mit Merkmal 4.4 vorgeschlagene Lösung im Vergleich dazu zu einer Verbesserung führt oder eine Verschlechterung darstellt.
50
Die Patentfähigkeit eines Gegenstands hängt nicht davon ab, ob dieser einen technischen Fortschritt mit sich bringt. Zwar ist es auch nach dem Wegfall dieses nach früherem Recht geltenden Schutzerfordernisses nicht Sinn des Patentrechts, Lehren zu schützen, die technisch unsinnig sind (BGH, Urteil vom 20. März 2001 - X ZR 177/98, BGHZ 147, 137, 143 f. = GRUR 2001, 730, 732 - Trigonellin). Ein Gegenstand, der neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht , kann aber nicht allein deshalb als nicht patentfähig angesehen werden, weil er im Vergleich zum Stand der Technik keinen erkennbaren Vorteil bietet. Ein solcher Gegenstand ist vielmehr jedenfalls dann patentfähig, wenn mit ihm im Vergleich zum Stand der Technik ein anderer weg aufgezeigt wird (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 - X ZB 1/15, GRUR 2015, 983 Rn. 31 - Flugzeugzustand

).

51
Diesen Anforderungen wird der Gegenstand des Streitpatents gerecht. Die vom Stand der Technik abweichende Art, einen Auslaufstutzen in die Austrittsöffnung einzusetzen und dort mit den Haltern der filterartigen Segmente der Auslaufeinrichtung zu übergreifen und zu halten, zeigt eine Möglichkeit auf, mit einem Element, nämlich den Haltern, gleichzeitig die Segmente und den Auslaufstutzen festzulegen und im Bedarfsfall zu lösen, die nicht als technisch unsinnig angesehen werden kann.
52
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Bacher Kober-Dehm Marx
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 13.10.2016 - 1 Ni 6/15 (EP) -

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2. In der Beschreibung des Streitpatents ist eine Aufgabe nicht formuliert. Die Beklagte sieht diese darin, ein (Langzeit-)Diabetes-Therapeutikum mit gegenüber dem Stand der Technik vorteilhaften pharmakologischen Eigenschaften , insbesondere mit einem durch schnelles Einsetzen der Wirkung, einem im Verhältnis zur Blutzuckersenkung niedrigen Plasmaspiegel und rascher Eliminierung des Wirkstoffs aus dem Blut ausgestatteten besonderen pharmakokinetischen Profil vorzuschlagen. Dieser Aufgabenbestimmung kann nicht beigetreten werden. Gegen sie wäre möglicherweise nichts einzuwenden, wenn zweifelsfrei feststünde, dass der Fachmann seine Bemühungen am Anmeldetag gezielt und ausschließlich an den genannten Parametern ausgerichtet hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Beschreibung zufolge hat sich erst bei den Bemühungen der Erfinder um eine Weiterentwicklung des Stands der Technik herausgestellt, dass Repaglinid die genannten vorteilhaften pharmakokinetischen Eigenschaften aufweist. Die Bestimmung des technischen Problems dient dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren, um bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung auf Patentfähigkeit zu bewerten, ob die dafür vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht. Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören oder die sich bei ihrer Erarbeitung herausgestellt haben, sind deshalb bei der Bestimmung des technischen Problems nicht zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel ). Dem Streitpatent liegt hiernach das Problem zugrunde, ein (Langzeit-)Diabetes-Therapeutikum mit verbesserter Wirkung bereitzustellen.

Tenor

Die Berufung gegen das am 13. November 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 907 364 (Streitpatents), das am 27. Mai 1997 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 31. Mai 1996 angemeldet wurde und ein Arzneimittel aus einem Dibenzothiazepinderivat mit verzögerter Freisetzung betrifft. Patentanspruch 1, auf den neunzehn weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

"A sustained release formulation comprising a gelling agent and 11-[4-[2-(2-hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepine or a pharmaceutically acceptable salt thereof, together with one or more pharmaceutically acceptable excipients."

2

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Klägerin zu 1 hat ferner geltend gemacht, die Erfindung sei im Streitpatent nicht so offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in vier geänderten Fassungen verteidigt.

3

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

5

I. Das Streitpatent betrifft eine Retard-Formulierung mit dem Wirkstoff Quetiapin.

6

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift war im Stand der Technik bekannt, dass der Wirkstoff 11-[4-[2-(2-Hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepin (Freiname: Quetiapin) antidopaminerge Wirkung hat und zum Beispiel als Antipsychotikum oder zur Behandlung von Hyperaktivität eingesetzt werden kann.

7

In der Streitpatentschrift wird weiter ausgeführt, bei der Behandlung einer Reihe von Krankheiten sei es wünschenswert, die pharmazeutischen Wirkstoffe in Retard-Form bereitzustellen, um eine einheitliche und konstante Freisetzungsrate über einen längeren Zeitraum ohne häufige Verabreichung sicherzustellen. Im Stand der Technik seien zahlreiche Retard-Formulierungen mit Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen bekannt. Die Herstellung solcher Formulierungen von löslichen Medikamenten habe sich aber als schwierig dargestellt. Wasserlösliche Wirkstoffe neigten zu dem als dose dumping bekannten Phänomen, dass die Freisetzung zunächst verzögert werde, dann aber mit hoher Rate einsetze. Ferner bestehe die Tendenz zu Fluktuationen und Tagesschwankungen bei der Plasmakonzentration. Schließlich sei es schwierig, die Freisetzungsrate zu steuern. Deshalb bestehe ein Bedarf an Retard-Formulierungen von löslichen Medikamenten wie Quetiapin, mit denen diese Schwierigkeiten überwunden oder vermindert werden könnten.

8

2. Das Patentgericht hat hieraus abgeleitet, das Streitpatent betreffe das technische Problem, eine Formulierung des Wirkstoffs Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

9

3. Diese Definition ist zu eng. Das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem besteht vielmehr darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt.

10

a) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition bietet sich zwar durch den Wortlaut der Beschreibung an. Diesem kommt aber, wie das Patentgericht im Ansatz nicht verkannt hat und wovon auch die Parteien im Ansatz übereinstimmend ausgehen, nicht notwendigerweise ausschlaggebende Bedeutung zu.

11

Nach der Rechtsprechung des Senats ist als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zwingend auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende "Aufgabe" abzustellen (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III). Maßgeblich ist vielmehr, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - X ZR 200/99, GRUR 2003, 693, 695 - Hochdruckreiniger).

12

b) Hieraus ergibt sich entgegen der Auffassung der Berufung allerdings nicht, dass bei der Definition des technischen Problems kumulativ alle Vorteile zu berücksichtigen sind, die die Erfindung objektiv mit sich bringt.

13

Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Erfindung mehrere unterschiedliche technische Probleme betreffen. In solchen Konstellationen sind die einzelnen Problemstellungen bei der Prüfung der Patentfähigkeit gesondert zu betrachten. Die Patentfähigkeit ist gegebenenfalls schon dann zu verneinen, wenn die Bewältigung eines dieser Probleme zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehört hat und die beanspruchte Erfindung von diesem Ausgangspunkt aus durch den Stand der Technik nahegelegt war (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III).

14

Vor diesem Hintergrund ist die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob die vom Streitpatent beanspruchte Formulierung nicht nur eine konstante Freisetzungsrate über einen langen Zeitraum hinweg ermöglicht, sondern auch zusätzliche Anwendungsfelder und Indikationen für Quetiapin eröffnet, für die Entscheidung des Streitfalls nicht von Bedeutung. Sofern der Fachmann Anlass hatte, nach einer Formulierung mit konstanter Freisetzungsrate zu suchen und der Gegenstand des Streitpatents ausgehend von dieser Problemstellung durch den Stand der Technik nahegelegt war, ist die Patentfähigkeit auch dann zu verneinen, wenn die Erfindung daneben zur Lösung weiterer Probleme geeignet ist.

15

c) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition des technischen Problems ist aber deshalb zu eng, weil der Streitfall unter anderem die Frage aufwirft, ob der Fachmann Anlass hatte, für Quetiapin eine Formulierung in Betracht zu ziehen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

16

Die Definition des technischen Problems, das einer Erfindung zugrunde liegt, dient nicht dazu, eine Vorentscheidung über die Frage der Patentfähigkeit zu treffen. Deshalb dürfen Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören, nicht berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel).

17

Aus demselben Grund ist es nicht zulässig, ohne weiteres zu unterstellen, dass dem Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung nahegelegt war. In vielen Fällen mag sich zwar aus der Beschreibung des Patents oder aus sonstigen Umständen klar ergeben, welchen Problemen sich der Fachmann ausgehend vom Stand der Technik zugewendet hätte. Sofern sich dies nicht zweifelsfrei beurteilen lässt, wäre es jedoch verfehlt, schon bei der Definition der Aufgabe die Frage zu prüfen, welche Anregungen dem Fachmann durch den Stand der Technik gegeben wurden. Vielmehr ist das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich diese Frage ausschließlich in dem Zusammenhang stellt, in dem sie relevant ist, nämlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit.

18

d) Im Streitfall besteht das technische Problem deshalb darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt. Die Frage, welche Maßnahmen dem Fachmann zur Erreichung dieses Ziels nahegelegt waren, ist demgegenüber ausschließlich für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Bedeutung.

19

Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent eine Retard-Formulierung vor, die ein Geliermittel, Quetiapin oder ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon und einen oder mehrere pharmazeutisch unbedenkliche Hilfsstoffe enthält.

20

II. Das Patentgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit, und hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

21

Aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (Time course for dopamine and serotonin receptor occupancy in the brain of schizophrenic patients following dosing with 150 mg Seroquel TM tld, European Neuropsychopharmacology, 1995, S. 347, P-4-65, NiK9 = TM8) habe der Fachmann, ein Team aus einem auf dem Gebiet der pharmazeutischen Technologie promovierten Pharmazeuten und einem Mediziner, entnehmen können, dass nach Verabreichung des Quetiapin sofort freisetzenden Arzneimittels Seroquel zwei von drei für die Wirksamkeit wichtige Werte innerhalb von 26 Stunden erheblich absanken. Hieraus habe sich ergeben, dass dieses Medikament mehr als einmal pro Tag verabreicht werden müsse, damit die angestrebte Wirkung erzielt werden könne. In NiK9 werde zwar eine Verabreichungshäufigkeit von ein- oder zweimal pro Tag als erstrebenswert bezeichnet. Das weitere Vorgehen der Autoren zeige aber, dass sie die bekannte, Quetiapin sofort freisetzende orale Darreichungsform für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag nicht in Betracht gezogen hätten. Eine Anregung, zur Verwirklichung dieses Ziels eine Formulierung mit anderem Freisetzungsprofil in Betracht zu ziehen, habe sich aus der als TM17 vorgelegten Pressemitteilung ergeben, in der berichtet werde, dass die Beklagte die Entwicklung einer Formulierung in Auftrag gegeben habe, mit der Seroquel nur einmal pro Tag verabreicht werden müsse.

22

Für den Fachmann habe auch der Einsatz eines Geliermittels nahegelegen. Aus der US-Patentschrift 4 389 393 (NiK12) sei bekannt gewesen, dass sich Matrixsysteme auf der Grundlage von Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen für die Formulierung einer Vielzahl von Wirkstoffen eigneten.

23

Aus der europäischen Patentanmeldung 240 228 (NiK3) ergebe sich keine abweichende Beurteilung. Diese enthalte nur allgemeine Dosierungsangaben. Darüber hinausgehende Hinweise ergäben sich erst aus NiK9, die den Fachmann lehre, eine den Wirkstoff sofort freisetzende Darreichungsform mindestens zweimal täglich zu verabreichen. Die in NiK9 als vorteilhaft dargestellte Wirkstoffmenge sei nicht so groß, dass sie den Fachmann davon abgehalten habe, Retard-Formulierungen ins Auge zu fassen. Aus den Veröffentlichungen von Farde et. al (Positron emission tomographic analysis of central D1 and D2 dopamine receptor occupancy in patients treated with classical neuroleptics and clozapine, Arch. Gen Psychiatry 49 (1992), 538, NiK29), Wetzel et al. (Seroquel (ICl 204 636), a putative "atypical" antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231, NiK30) und Gelder et al. (Oxford Textbook of Psychiatry, Third Edition, 1996, Kap. 9 S. 246 ff. und Kap. 17, S. 532 ff., NiK32) ergebe sich keine abweichende Beurteilung.

24

Die mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen des Streitpatents unterschieden sich von der erteilten Fassung lediglich durch zusätzliche Angaben zur Verabreichungsart (Tablettenform), zum Anteil des Geliermittels (5 bis 50 Gewichtsprozent) und zur Auswahl des Geliermittels. Alle diese Maßnahmen hielten sich im Rahmen des aus fachlicher Sicht Üblichen.

25

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

26

1. Die Berufung rügt, das Patentgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, der zu dem als Fachmann anzusehenden Team gehörende pharmazeutische Technologe verfüge über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Formulierungen mit kontrollierter Wirkstofffreisetzung. Sie macht geltend, innerhalb des Teams sei der Mediziner die treibende Kraft, die die zu überwindenden Probleme vorgebe.

27

Diese Rüge vermag das angefochtene Urteil nicht in Frage zu stellen.

28

Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass innerhalb des aus einem Mediziner und einem Pharmazeuten bestehenden Teams der erstere die Federführung hat und dass der Pharmazeut nicht zwingend auf Retard-Formulierungen spezialisiert ist. Auch ein solches Team ist indes in der Lage, auf besonderes Fachwissen hinsichtlich solcher Formulierungen zuzugreifen, sofern es erkennt, dass eine kontrollierte Freisetzung des Wirkstoffs als Lösungsmittel in Betracht kommt.

29

2. Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

30

a) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann Anlass hatte, nach Verabreichungsformen zu suchen, mit denen Quetiapin nur einmal pro Tag verabreicht wird.

31

aa) Eine hinreichende Anregung dafür ergab sich, wie das Patentgericht zutreffend festgestellt hat, aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (NiK9).

32

In der Einleitung von NiK9 wird ausgeführt, das Quetiapin enthaltende Medikament Seroquel sei in Tests der Phasen II und III drei- oder viermal täglich verabreicht worden. Im Hinblick auf die große Bedeutung, die einer verlässlichen Einnahme bei Schizophrenie-Patienten zukomme, sei ein bequemeres (more convenient) Verabreichungsschema hilfreich. In den abschließenden Bemerkungen wird die Hoffnung geäußert, eine ein- bis zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein.

33

Daraus ergab sich nicht nur die Anregung, die Zahl der täglichen Verabreichungen auf zwei zu verringern, sondern jedenfalls auch die Anregung, eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag anzustreben.

34

bb) Die von der Beklagten unter Bezugnahme auf die Ausführungen ihres Privatgutachters Prof. Dr. M.   geäußerte Einschätzung, eine Verabreichung einmal pro Tag habe keine nennenswerten Vorteile gegenüber einer Verabreichung zweimal pro Tag (HE12 S. 8), führt insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

35

Die genannte Einschätzung stellt nicht in Frage, dass sowohl für den Patienten als auch für eine gegebenenfalls mit der Betreuung oder Überwachung betraute Person ein geringerer Aufwand entsteht, wenn das Medikament nur einmal pro Tag eingenommen werden muss. Schon dies gab Anlass, eine solche Verabreichungsform auch dann als Alternative ins Auge zu fassen, wenn die damit verbundenen Vorteile von einem Teil der Fachwelt als eher geringfügig angesehen wurden.

36

Dass eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit von zweimal auf einmal pro Tag auch in Zusammenhang mit Quetiapin nicht generell als nutzlos angesehen wurde, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass in NiK9 die Hoffnung geäußert wurde, eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein. Eine zusätzliche Bestätigung dafür bildet die in TM17 wiedergegebene Pressemitteilung, wonach die Unternehmensgruppe der Beklagten schon vor dem Prioritätstag einem anderen Unternehmen den Auftrag erteilt hat, eine Verabreichungsform von Seroquel zu entwickeln, die eine Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag ermöglicht.

37

b) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann aufgrund der in NiK9 wiedergegebenen Daten davon ausgehen musste, dass die Belegung der D2-Rezeptoren vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme gegen null tendiert.

38

Zwar enthält NiK9 keine ausdrücklichen Angaben zur Rezeptorbelegung zu dem genannten Zeitpunkt. Aus den dort wiedergegebenen Werten ergibt sich aber, dass der Prozentsatz der belegten D2-Rezeptoren zwei Stunden nach der letzten Einnahme bei 44 % und sechsundzwanzig Stunden nach diesem Zeitpunkt bei null liegt. Die hieraus abgeleitete Schlussfolgerung des Patentgerichts, dass der Wert schon vierundzwanzig Stunden nach der letzten Einnahme nicht in einem signifikanten Bereich lag, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird durch die Einwände der Berufung nicht in Frage gestellt.

39

Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Werte nicht linear absinken, zumal in NiK9 für das sechsstündige Intervall zwischen der ersten und der zweiten Messung ein Rückgang um vierzehn Prozentpunkte ausgewiesen ist, für den nachfolgenden Zeitraum von vier Stunden dagegen nur noch ein Rückgang um drei Prozentpunkte. Auch die Beklagte zieht aber nicht in Zweifel, dass der weitere Rückgang im Wesentlichen gleichmäßig erfolgt. Ihre auf der Prämisse eines linearen Rückgangs gezogene Schlussfolgerung, vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme seien noch 4 % der D2-Rezeptoren belegt, steht zu der Annahme des Patentgerichts, die Belegung tendiere zu diesem Zeitpunkt gegen null, nicht in Widerspruch. Zwar wird in NiK9 nicht dargelegt, welcher Prozentsatz an D2-Rezeptoren mindestens belegt sein muss, damit Quetiapin die angestrebte Wirkung entfalten kann. Angesichts des Umstandes, dass der Anteil der belegten Rezeptoren acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme - also innerhalb eines Zeitraums, in dem bei dreimaliger Verabreichung pro Tag eine erneute Einnahme zu erwarten ist - noch 30 % beträgt, gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Wert von 4 % aus fachlicher Sicht ebenfalls noch ausreichend erschien, zumal NiK9 für den Prozentsatz der belegten 5HT2-Rezeptoren einen deutlich anderen Verlauf wiedergibt, der erst acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme den gemessenen Höchststand von 85 % und sechsundzwanzig Stunden nach dem genannten Zeitpunkt noch einen Restbestand von 50 % aufweist.

40

c) Zu Recht hat das Patentgericht hieraus die Schlussfolgerung gezogen, dass sich aus NiK9 keine erfolgversprechenden Hinweise darauf ergaben, dass die dort angegebene Wirkstoffmenge von 450 mg für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag mit sofortiger Freisetzung geeignet sein würde.

41

aa) Der von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. M.   aufgezeigte Umstand, dass die relativ schwache Bindung an den D2-Rezeptor und das relativ starke Abdriften von diesem nach dem Prioritätstag als mögliche Ursachen für die Wirkung von Quetiapin angesehen wurden (HE12 S. 11), führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Daraus ergibt sich insbesondere nicht, dass dem Fachmann diese Überlegungen schon am Prioritätstag bekannt waren.

42

Die von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. K.   angeführte Veröffentlichung aus dem Jahr 1996 (Kasper et al., D2-Receptor Imaging (SPEC) as a Tool for Measuring the Efficacy and Side-Effect Profile of Treatment With Neuroleptics, Biol Psychiatry 39 (1996), 564, Anlage 3 zu HE8) gab hierüber noch keinen Aufschluss. Dort wird zwar berichtet, es habe kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Belegung der D2-Rezeptoren und der Wirksamkeit festgestellt werden können und eine Belegung dieser Rezeptoren sei mit Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System (EPMS) verbunden. Für Seroquel wird aber berichtet, die zur Verfügung stehenden vorläufigen Daten deuteten auf einen vergleichbaren Belegungsgrad wie bei dem verwandten Wirkstoff Clozapin hin. Daraus ergibt sich nicht, dass auch extrem geringe Prozentsätze oder eine nur kurzzeitige Belegung ausreichen könnten. In der Veröffentlichung selbst wurde vielmehr die Vermutung geäußert, die beobachteten Zusammenhänge könnten auf der Wirkung auf die 5HT2-Rezeptoren beruhen, weil Risperidon und Olanzapin zu einer relativ hohen Belegung der D2-Rezeptoren führten, aber dennoch eher geringe Nebenwirkungen zeigten.

43

In der Veröffentlichung von Wetzel et al. (Seroquel (ICI 204 636), a putative “atypical” antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231-238, NiK30) wird ebenfalls die kombinierte und ausgeglichene Blockade der D2- und 5HT2-Rezeptoren als wahrscheinliche Ursache der beobachteten Wirkungen von Seroquel und Clozapin angeführt und der Antagonismus zu D2-Rezeptoren bei Seroquel als eher schwach eingeschätzt (NiK30 S. 232 links oben). Auch daraus ergeben sich keine Hinweise darauf, dass eine anteilsmäßig geringe oder nur kurzfristig wirkende Belegung dieser Rezeptoren ausreichen könnte.

44

Aus den Veröffentlichungen von Casey ('Seroquel' (Quetiapine): preclinical and clinical findings of a new atypical antipsychotic, Exp. Opin. Ivest. Drugs 1996, 939-957, NiK31), Hirsch et al. (ICI 204 636: A New Atypical Antipsychotic Drug, British Journal of Psychiatry 168 (1996), 45-56, NiK37) sowie Fleischhacker et al. (A Multicentre, Double-Blind, Randomised Comparison of Dose and Dose Regimen of 'Seroquel' in the Treatment of Patients with Schizophrenia, American College of Neuropsychopharmacology, 34th Annual Meeting (1995), 275, NiK45) ergeben sich insoweit keine weitergehenden Erkenntnisse.

45

bb) Die in NiK9 geäußerte Hoffnung, Seroquel könnte dennoch für eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag geeignet sein, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

46

Diese Äußerung lässt schon für sich gesehen gewisse Zweifel daran erkennen, ob sich am Ende nicht doch eine Verabreichungshäufigkeit von mindestens zweimal pro Tag als erforderlich erweisen werde. In NiK9 werden zudem keine Hinweise darauf gegeben, auf welche konkreten Ergebnisse der angestellten Untersuchung die Hoffnung bezüglich einer nur einmaligen Verabreichung pro Tag gestützt wird und ob sie sich auf die im Rahmen der Untersuchung verabreichte Dosis von 450 mg pro Tag oder auf eine höhere Dosis bezieht.

47

Das vom Privatgutachter Prof. Dr. M.   in diesem Zusammenhang angeführte Konzept von "drug holidays" (HE12 S. 13) findet in NiK9 keine Erwähnung und steht überdies in Widerspruch zu der dort einleitend wiedergegebenen Einschätzung, wonach zum damaligen Zeitpunkt eine Verabreichung von drei- oder viermal pro Tag als erforderlich angesehen wurde.

48

cc) Zu Recht hat das Patentgericht in diesem Zusammenhang ergänzend die Ergebnisse der in NiK9 erwähnten SAFARI-Studie herangezogen, über die in NiK45 und in einer Pressemeldung aus der Unternehmensgruppe der Beklagten vom 2. Oktober 1995 (World opinion leaders on psychiatric disease are updated on benefits of Zeneca's 'Seroquel' in treating schizophrenia, TM16) berichtet wird.

49

In NiK45 wird zwar, wie die Berufung zutreffend anführt, unter Bezugnahme auf NiK9 die dort geäußerte Hoffnung wiedergegeben, Seroquel könnte aktiv sein, wenn es ein- oder zweimal täglich verabreicht werde. Die SAFARI-Studie betraf ausweislich beider Veröffentlichungen aber allein die Frage, ob die Verabreichung von 450 mg Seroquel bei einer Aufteilung auf zwei Verabreichungen pro Tag die gleichen Wirkungen zeigt wie bei einer Aufteilung auf drei Verabreichungen pro Tag. Die aus der Studie abgeleitete positive Antwort bezieht sich mithin lediglich auf die Verabreichung von zweimal 225 mg pro Tag. Daraus hat das Patentgericht zutreffend abgeleitet, dass sich aus der Studie keine Hinweise auf die Möglichkeit ergeben, die genannte Dosis mit sofortiger Freisetzung in einer einzigen täglichen Verabreichung anzuwenden, und dass die Autoren der Studie die in NiK9 diesbezüglich geäußerten Hoffnungen nicht zum Anlass genommen haben, ihre Untersuchungen auf diese Art der Verabreichung zu erstrecken.

50

Ob für die Konzeption der Studie, wie die Berufung geltend macht, auch ethische Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben, ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ergäbe sich auch daraus, dass eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag aus Sicht des Fachmanns auf praktische Schwierigkeiten stieß und im Ergebnis keine allzu große Erfolgsaussicht bot.

51

d) Im Ergebnis zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass eine Erhöhung der Dosis aus Sicht des Fachmanns jedenfalls nicht als einziges erfolgversprechendes Mittel in Betracht kam, um die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag absenken zu können.

52

aa) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergab sich allerdings aus der in TM17 wiedergegebenen Pressemitteilung allein für den Fachmann nicht hinreichend deutlich, dass sich der von Seiten der Beklagten erteilte Auftrag zur Entwicklung einer neuen Darreichungsform auf eine Retard-Formulierung bezog. Der Umstand, dass das beauftragte Unternehmen besondere Kompetenz bei der Entwicklung solcher Formulierungen hatte, mag einen gewissen Hinweis in diese Richtung geben. Der Mitteilung lässt sich bei isolierter Betrachtung aber nicht hinreichend sicher entnehmen, dass diese Kompetenz bei dem erteilten Auftrag zum Einsatz kommen sollte oder zumindest für die Auswahl des Auftragnehmers relevant war. Zu Schlussfolgerungen in diese Richtung bestand nur dann Anlass, wenn es auch aus fachlicher Sicht Gründe gab, eine Retard-Formulierung für Quetiapin in Betracht zu ziehen.

53

bb) Solche Gründe ergeben sich indes aus den im Prioritätszeitpunkt zugänglichen Kenntnissen über die Bedeutung der Rezeptorbelegung und des Plasmaspiegels.

54

Wie bereits oben dargelegt wurde, gab es im Prioritätszeitpunkt zwar Hinweise darauf, dass ein relativ geringer Prozentsatz für die Belegung der D2-Rezeptoren ausreichend und sogar eher vorteilhaft ist. Es gab aber keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Erwartung, dass eine kurzfristige Belegung dieser Rezeptoren ausreicht, um die angestrebten Wirkungen zu erzielen. Vor diesem Hintergrund mag sich als eine erfolgversprechende Möglichkeit zur Überwindung der aus NiK9 ersichtlichen Schwierigkeiten angeboten haben, die verabreichte Dosis zu erhöhen. Die vom Patentgericht erwähnte Gefahr, dass es dabei zu toxischen Plasmawirkstoffspitzen kommen könnte, schloss dies nicht ohne weiteres aus, zumal der in NiK9 dokumentierte Belegungsgrad der D2-Rezeptoren von Anfang an nicht allzu hoch war und es aus Anlage 3 zu HE8 Hinweise darauf gab, dass ein höherer Belegungsgrad nicht zwangsläufig zu schädlichen Wirkungen führen muss, wenn eine gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren gewährleistet bleibt.

55

Der Fachmann hatte im Prioritätszeitpunkt dennoch Anlass, eine Dosiserhöhung nicht als einzige Alternative in Betracht zu ziehen, weil die einmalige Verabreichung einer hohen Dosis zu erheblichen Schwankungen des Plasmaspiegels führt und dies jedenfalls aus damaliger Sicht nicht wünschenswert war.

56

(1) Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist ein möglichst gleichmäßiger Plasmaspiegel aus Sicht des Fachmanns grundsätzlich als erstrebenswert anzusehen.

57

Dies deckt sich mit den Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 2) und wird auch von der Berufung nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Ihr Einwand, kurze Halbwertszeiten, wie sie für Quetiapin unter anderem aus NiK9 dokumentiert sind, und die damit verbundene schnelle Abnahme der Plasmakonzentration stünden einer Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag nicht zwingend im Wege, bestätigt vielmehr, dass starke Schwankungen des Plasmaspiegels zumindest ein potentielles Problem darstellen.

58

(2) Exemplarisch wurde diese Einschätzung für Neuroleptika, die die D2-Rezeptoren belegen, auch in der Veröffentlichung von Tench et al. (Steady-state pharmacokinetics of controlled release and immediate release formulations of remoxipride in patients with chronic schizophrenia, Psychopharmacology 101 (1990), 132-136, TM23) zum Ausdruck gebracht.

59

In TM23 wird über Versuche mit einer Retard-Formulierung des Wirkstoffs Remoxiprid berichtet. In der Einleitung wird ausgeführt, extrapyramidale Symptome zeigten einen hohen Korrelationsgrad mit neuroleptischer Dosis und Plasmaspiegeln. Remoxiprid habe eine Halbwertszeit von vier bis sieben Stunden und müsse deshalb zwei- bis dreimal täglich verabreicht werden. Für eine einmalige Verabreichung pro Tag sei eine Formulierung mit kontrollierter Abgabe entwickelt worden, um mögliche Nebenwirkungen, die mit hohen Plasma-Spitzenkonzentrationen verbunden sein könnten, zu vermeiden (TM 23 S. 132 rSp).

60

Daraus ergibt sich, dass eine Retard-Formulierung schon dann in Betracht gezogen wurde, wenn bei einer Höherdosierung zwar nicht zwingend mit unerwünschten Nebenwirkungen zu rechnen war, zumindest aber eine gewisse Gefahr bestand.

61

Eine vergleichbare Ausgangssituation bestand am Prioritätstag auch in Bezug auf Quetiapin. Zwar deuteten die bereits oben behandelten Veröffentlichungen darauf hin, dass der Grad der Belegung der D2-Rezeptoren bei Quetiapin grundsätzlich eher niedrig ist und dass die gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren einen zusätzlichen Schutz gegen Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System gewährleistet. Dies bot aber keine hinreichende Gewissheit dafür, dass solche Nebenwirkungen auch dann ausbleiben, wenn die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag gesenkt und hierzu die Tagesdosis signifikant erhöht wird.

62

(3) Aus dem Umstand, dass sich die allgemein bestehenden Vorbehalte gegenüber stark schwankenden Plasmaspiegeln bei einzelnen Wirkstoffen als unbegründet erwiesen haben, ließ sich im Prioritätszeitpunkt mangels einschlägiger Erkenntnisse nicht ableiten, dass dies auch bei Quetiapin der Fall sein werde. Aus der von der Berufung herangezogenen Passage aus dem Lehrbuch von Remington (The Science and Practice of Pharmacy, 19. Auflage 1995, S. 893, HE13), laut der Omeprazol trotz geringer Halbwertszeit einen therapeutischen Effekt hervorruft, der zweiundsiebzig Stunden anhält, ergaben sich deshalb keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob ein ähnlicher Effekt auch bei Quetiapin eintreten könnte, zumal die lange Wirkungsdauer von Omeprazol in HE13 für einen Wirkstoff mit geringer Halbwertszeit als unerwartet bezeichnet wird.

63

cc) Angesichts all dessen lagen im Prioritätszeitpunkt gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Erhöhung der Dosis nicht ausreichen würde, um eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag zu ermöglichen. Dies gab dem Fachmann Anlass, gängige Alternativen in den Blick zu nehmen. Dazu gehörte eine Retard-Formulierung, die zu einer verzögerten Freisetzung und damit zu geringeren Schwankungen des Plasmaspiegels führt.

64

dd) Die von der Berufung geltend gemachten Bedenken, dass die erforderliche Dosis bei Quetiapin zu hoch sein könnte, um eine solche Formulierung herstellen zu können, wiegen im Hinblick auf die in NiK9 und NiK45 als ausreichend bezeichnete Dosierung von 450 mg pro Tag jedenfalls nicht hinreichend schwer, um von einem Beschreiten des nahegelegten Wegs abzusehen.

65

e) Aus den von der Berufung angeführten Dosierungsangaben in der Patentanmeldung für Quetiapin (EP 0 240 228 A1, NiK3, S. 4 Z. 42-43) ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Angaben (1,0 mg bis 40 mg pro Tag und Kilogramm Körpergewicht) hinsichtlich der Obergrenze einen Druckfehler enthalten, weil die ebenfalls angegebenen Beispielswerte für ein Körpergewicht von 50 kg (50 mg bis 200 mg) pro Tag auf eine Obergrenze von 4,0 mg hindeuten. Jedenfalls ergab sich für den Fachmann aus nachfolgenden Veröffentlichungen wie NiK9 und NiK45 die begründete Erwartung, dass eine derart hohe Dosierung nicht erforderlich ist.

66

e) Die Ausführungen des Patentgerichts, dass der Einsatz eines Geliermittels sowie die nach den Hilfsanträgen zusätzlich vorgesehenen Maßnahmen durch den Stand der Technik nahegelegt waren, greift die Berufung nicht an. Rechtsfehler oder konkrete Umstände, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Patentgericht getroffenen Feststellungen begründen könnten, sind insoweit nicht ersichtlich.

67

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 ZPO.

Meier-Beck                       Gröning                              Bacher

                    Deichfuß                       Kober-Dehm

Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 177/98 Verkündet am:
20. März 2001
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
Trigonellin
PatG 1981 § 64; EPÜ Art. 68
Wird ein europäisches Patent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland
sowohl in einem deutschen Beschränkungsverfahren als auch im europäischen
Einspruchsverfahren beschränkt, verbleibt als geschützt nur das, was zugleich
nach beiden Entscheidungen noch unter Schutz steht.
EPÜ Art. 56 (entsprechend PatG 1981 § 4)
Die Zugabe eines weiteren Stoffs zur Rezeptur eines Heilmittels, durch die eine
verbesserte Wirkung des Heilmittels nicht zu erwarten war, kann zur erfinderischen
Tätigkeit nichts beitragen, wenn eine verbesserte Wirkung erwartungsgemäß
durch diese Zugabe nicht eintritt.
BGH, Urteil vom 20. März 2001 – X ZR 177/98 – Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die
Richter Dr. Melullis, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 5. Mai 1998 abgeändert : Das europäische Patent 0 289 639 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagten sind eingetragene Inhaber des am 7. Mai 1987 angemeldeten , mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 289 639 (Streitpatents), das die “Verwendung von Trigonellin zum
Wiederbeleben und zum Anregen und Verstärken des Haarwuchses” betrifft. In der Fassung des erteilten Patents lautete Patentanspruch 1 in der Verfahrenssprache Deutsch:
“Verwendung von Trigonellin als Mittel zur Wiederbelebung und zum Anregen und Verstärken des Haarwuchses bei Lebewesen.”
Durch Beschluß des Deutschen Patentamts vom 14. Mai 1993 ist das Streitpatent auf Antrag der Patentinhaber beschränkt worden. Im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt ist es später – mit einem gesonderten Anspruchssatz für die Bundesrepublik Deutschland – ebenfalls beschränkt worden. Der einzige Patentanspruch lautet nach der Entscheidung des Deutschen Patentamts:
“Verwendung von Trigonellin als Mittel zur Wiederbelebung und zum Anregen und Verstärken des Haarwuchses bei Lebewesen zusammen mit Riboflavin und/oder Nicotinamid und/oder Calciumpantothenat und/oder Folsäure.”
In der Fassung, die das Streitpatent im europäischen Einspruchsverfahren erhalten hat, lautet Patentanspruch 1, an den sich zwei weitere Patentansprüche anschließen:
“1. Verwendung von Trigonellin zusammen mit Riboflavin und/oder Nicotinamid und/oder Calciumpantothenat und/oder Folsäure zum Herstellen eines peroral einzunehmenden, kapselierten Mittels zur Wiederbelebung und zum Anregen und Verstärken des Haarwuchses bei Lebewesen.”

Der Kläger hat unter Hinweis auf die nachveröffentlichte ältere deutsche Patentanmeldung 36 03 601 sowie auf zahlreiche Veröffentlichungen, die bis auf das Jahr 1543 zurückreichen, geltend gemacht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 wie der abhängigen Patentansprüche 2 und 3 des Streitpatents sei nicht neu, jedenfalls habe es aber keines erfinderischen Zutuns bedurft , um ihn aufzufinden. Die Beklagten haben das Patent nur eingeschränkt verteidigt; der verteidigte Patentanspruch 1 lautet:
“1. Verwendung von Trigonellin zusammen mit Calciumpantothenat und/oder Folsäure zum Herstellen eines peroral einzunehmenden , kapselierten Mittels zur Wiederbelebung und zum Anregen und Verstärken des Haarwuchses bei Lebewesen.”
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit es über die verteidigte Fassung hinausging. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, der sich im Berufungsverfahren auch auf mangelnde Ausführbarkeit und Brauchbarkeit sowie darauf stützt, daß die Patentansprüche 2 und 3 den Schutzbereich des Streitpatents erweiterten. Die Beklagten treten dem Rechtsmittel entgegen.
Professor Dr. E. L. , , hat als gerichtlicher Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung des Klägers führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents in vollem Umfang. Daß sich der Kläger dabei auf weitere Nichtigkeitsgründe als in erster Instanz stützt, stellt eine sachdienliche Klageänderung dar. Diese ist auch in zweiter Instanz zulässig (vgl. Sen.Urt. v. 24.6.1997 – X ZR 13/94, bei Bausch Bd. I S. 327, 334 – Auspreßvorrichtung; Sen.Urt. v. 7.6.1994 - X ZR 82/91, bei Bausch Bd. I S. 27, 29 – thermoplastische Formmassen ).
I. 1. Gegenstand der Prüfung im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren ist nur noch die beschränkt verteidigte Fassung des Patentanspruchs 1, wie sie im Urteilsausspruch des angefochtenen Urteils formuliert ist. Diese Fassung trägt allen früheren Einschränkungen im nationalen deutschen Beschränkungsverfahren wie im europäischen Einspruchsverfahren Rechnung. Insoweit bestehen keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen unzulässigen Erweiterung. Darüber besteht auch zwischen den Parteien kein Streit.
Das Streitpatent ist sowohl durch den bestandskräftig gewordenen Beschränkungsbeschluß des Deutschen Patentamts als auch durch die beschränkte Aufrechterhaltung im europäischen Einspruchsverfahren geändert worden. Beide Ä nderungen sind für das weitere Verfahren zu beachten (vgl. zur Zulässigkeit von Beschränkungen europäischer Patente nach § 64 PatG Sen.Urt. v. 7.2.1995 – X ZR 58/93, BlPMZ 1995, 322 – Isothiazolon; Sen.Urt. v. 11.6.1996 – X ZR 76/93, GRUR 1996, 862 – Bogensegment). Für die Entscheidung über den Einspruch folgt dies ohne weiteres aus der in Art. 68 EPÜ geregelten Wirkung der in Bestandskraft erwachsenen beschränkt aufrechter-
haltenden Entscheidung. Die Konkurrenz der Entscheidungen im nationalen Beschränkungsverfahren und im europäischen Einspruchsverfahren ist gesetzlich nicht geregelt. Da von der Wirksamkeit beider Entscheidungen auszugehen ist, müssen schon zur Vermeidung der Gefahr späterer Erweiterungen durch eine weniger oder anders beschränkende zweite Entscheidung beide Beschränkungen beachtlich sein. Demnach kann als geschützt insgesamt nur das verbleiben, was zugleich nach beiden Entscheidungen noch unter Schutz steht.
2. Nach der Fassung des Patentanspruchs 1 des erteilten Patents ebenso wie nach der im Beschränkungsverfahren erfolgten Ä nderung soll sich der Schutz noch allgemein auf die “Verwendung von Trigonellin als Mittel zur Wiederbelebung und zum Anregen und Verstärken des Haarwuchses bei Lebewesen” beziehen. Demgegenüber ist es lediglich eine Einschränkung, wenn in dem verteidigten Patentanspruch ebenso wie in Patentanspruch 1 nach der Fassung im Einspruchsverfahren lediglich die Verwendung von Trigonellin zum Herstellen eines Mittels zu einem therapeutischen Zweck unter Schutz gestellt ist. Die Verwendung eines Stoffs für die Herstellung eines Mittels zu einem solchen Zweck ist patentrechtlich bereits Verwendung des Stoffs zu diesem Zweck; diese Verwendung besteht nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zwar noch nicht in der Herstellung eines für diesen Zweck objektiv geeigneten Stoffs oder Mittels, wohl aber in dessen zusätzlicher sinnfälliger (“augenfälliger” ) Herrichtung (BGHZ 88, 209, 211, 215 – Hydropyridin m.w.N.). Eine solche sinnfällige Herrichtung hat der Senat etwa in der auf den speziellen Verwendungszweck abgestellten Formulierung und Konfektionierung eines Medikaments sowie in der Dosierung und gebrauchsfertigen Verpackung gesehen (BGHZ 68, 156, 181 – Benzolsulfonylharnstoff; BGH, Beschl. v. 3.6.1982 – X ZB 21/81, GRUR 1982, 548 – Sitosterylglykoside). Mit der Umformulierung
des Patentanspruchs im Einspruchsverfahren sollte lediglich beschränkend auf der Grundlage der zuvor ergangenen Beschwerdeentscheidung (EPA T 143/94 ABl. EPA 1996, 430 = GRUR Int. 1996, 1154 – Trigonellin/MAI) dem Umstand Rechnung getragen werden, daß es sich bei der vorgeschlagenen Behandlung von Haarausfall um eine therapeutische Maßnahme handelt, die nach Art. 52 Abs. 4 EPÜ (ebenso wie nach § 5 Abs. 2 PatG) nicht geschützt werden kann. Nach der von der Praxis des Senats abweichenden grundlegenden Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts G 1/83 (ABl. EPA 1985, 160 = GRUR Int. 1985, 193 – Zweite medizinische Indikation) kann in solchen Fällen nicht jede Verwendung zu einem bestimmten erfinderischen neuen Zweck, sondern nur die Verwendung zur Herstellung eines Mittels für einen solchen Zweck geschützt werden. Die Herstellung des Mittels entspricht im wesentlichen der sinnfälligen Herrichtung im Sinn der Rechtsprechung des Senats. Das eine wie das andere fiel bereits unter den zunächst allgemeiner formulierten Verwendungsschutz.
3. Eine sachliche und als solche unbedenklich zulässige Einschränkung ohne gleichzeitige unzulässige Erweiterung liegt ferner darin, daß nach dem verteidigten Patentanspruch 1 die Verwendung von Trigonellin nur noch zusammen mit Calciumpantothenat und/oder Folsäure geschützt sein soll. Diese Kombinationen waren – neben weiteren Alternativen – bereits in allen früheren Fassungen und im erteilten Patent in den Patentansprüchen 1 und 3 erfaßt. Die weitere Einschränkung auf die Formulierung eines peroral einzunehmenden kapselierten Mittels ist bereits im europäischen Einspruchsverfahren erfolgt und in der Beschreibung des erteilten Patents als bevorzugte Ausführungsform genannt.
II. Das Streitpatent schützt somit in seiner noch verteidigten Fassung die Verwendung von Trigonellin (N-Methylnicotinsäure-betain), eines insbesondere im Samen des Bockshornklees (Trigonella foenum graecum L.) vorkommenden und aus diesem zu gewinnenden Alkaloids (einer Verbindungsgruppe, die Stickstoff enthält und im wäßrigen Milieu im allgemeinen eine Verschiebung der Wasserstoffionenkonzentration zum Alkalischen bewirkt), der Summenformel C H O N-H O, zusammen mit mindestens einem der Stoffe Calciumpanto- 7 7 2 2 thenat, einem aus der Pantothensäure (C H NO ) abgeleiteten Salz, und Fol- 9 16 5 säure (C H N O ), die der B -Vitamingruppe zugerechnet wird. Diese Stoffe 19 19 7 6 2 werden patentgemäß zur Herstellung eines peroral einzunehmenden, kapselierten Mittels verwendet. Das Mittel dient wiederum zur Wiederbelebung und zum Anregen und Verstärken des Haarwuchses bei Lebewesen, wobei jedenfalls in der vorgesehenen Konfektionierung praktisch die Anwendung beim Menschen allein wirtschaftliche Bedeutung hat.
III. Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents mag im Hinblick auf die dem Stoff Trigonellin patentgemäß beigegebenen weiteren Stoffe Calciumpanthotenat und Folsäure in einem nicht ganz zu vernachlässigenden Grad geeignet sein, die erfindungsgemäßen Wirkungen herbeizuführen. Er ist jedoch im Sinn des Nichtigkeitsgrunds des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 52 ff. EPÜ nicht patentfähig. Er erfüllt nämlich die Anforderungen nicht, die an eine Bejahung der Schutzvoraussetzung der erfinderischen Tätigkeit (Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ) zu stellen sind. Diese setzt nach der Legaldefinition in Art. 56 Satz 1 EPÜ voraus, daß sich die Erfindung für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Grundsätzlich ist dabei auf die Gesamtheit der Merkmale abzustellen (Senat BGHZ 122, 144, 152 – tetraploide Kamille; EPA T 175/84 ABl. EPA 1989, 71, 73 – Kombinationsanspruch/KABELMETAL). Dies
gilt jedoch nicht für solche Lösungsmerkmale, die zur Lösung der Aufgabe nichts beitragen (EPA T 37/82 ABl. EPA 1984, 71, 74 – NiederspannungsSchalter /SIEMENS).
Der Senat geht bei dieser Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von folgenden Tatsachen aus:
Die Verabreichung peroral einzunehmender, kapselierter Mittel zur Förderung des Haarwachstums war bekannt. Das gilt etwa für das Mittel “Pantovigar” , das, wie der Nichtigkeitskläger nachgewiesen hat, in Kapselform vor dem Prioritätszeitpunkt u.a. für verschiedene Anwendungsgebiete bei Haarausfall vertrieben worden ist. Dieses Mittel enthielt u.a. den auch in Patentanspruch 1 des Streitpatents genannten Wirkstoff Calciumpantothenat. Zudem wird die Gabe von Calciumpanthotenat bei Störungen des Haarwuchses auch in anderen Literaturstellen beschrieben, so von Hirsch, Das Haar des Menschen, Journal für medizinische Kosmetik (1956), 351 ff., und in Römpps ChemieLexikon , 8. Aufl. 1979, S. 571. Auch die Gabe von Folsäure zu diesem Zweck ist, wie der gerichtliche Sachverständige unter Hinweis auf die Erläuterungen in Römpps Chemie-Lexikon zur Folsäure wie zu der chemisch dieser eng verwandten Folinsäure und auf den zitierten Aufsatz von Hirsch zur Überzeugung des Senats erläutert hat, für den Fachmann, einen Pharmazeuten mit Kenntnissen auf dem Gebiet der pharmazeutischen Technologie, der pharmazeutischen Biologie und der Pharmakologie, zumindest als naheliegend anzusehen. Es liegt auf der Hand und der Senat ist überzeugt davon, daß auch insoweit wie bei allen Vitaminpräparaten des Vitamin-B-Komplexes eine perorale Anwendung in verkapselter Form in naheliegender Weise in Betracht kam; auch die Beklagten haben das nicht in Zweifel gezogen.

Was die Gabe von Trigonellin betrifft, liegen die Umstände anders. Allerdings ist eine äußerliche Anwendung des in der Volksmedizin seit dem Altertum bekannten Bockshornklees und damit jedenfalls mittelbar des in dessen Samen enthaltenen Stoffs Trigonellin als Haarwuchsmittel wiederholt beschrieben worden, so in der 1985 veröffentlichten französischen Patentanmeldung 2 551 972 (Einreibung mit einer Flüssigkeit, die u.a. zerriebenen Bockshornkleesamen enthält), bei Willfort, Gesundheit durch Heilkräuter (1969), S. 270 f. (“Ä ußerlich wird der Samenaufguß bei Haarschwund ... mit Erfolg genommen. ... Der zerstoßene Samen, mit Olivenöl zu einem Brei vermengt und damit die Kopfhaut oft und gründlich eingerieben, unterbricht den Haarausfall und läßt neue Haare wieder wachsen, wenn nicht tiefere Ursachen den Haarausfall auslösten.”), Madaus, Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Bd. II (1938), S. 1365 (“In der indischen Volksmedizin wendet man Bockshornklee in Öl aufgeweicht zur Förderung des Haarwuchses an ...”) und S. 1366 (“Dänemark: ... äußerlich gegen Kopfschuppen und Haarausfall ...”) sowie in mehreren Kräuterbüchern der Renaissancezeit. Alle diese Veröffentlichungen betreffen jedoch, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend bestätigt hat, allein äußerliche und nicht perorale Anwendungen. Peroral ist lediglich die Applikation als Tee zur Bekämpfung toxischer Leberschädigungen, zur Verbesserung der Leberfunktion und als Leberschutztherapeutikum vorbeschrieben (deutsche Offenlegungsschrift 32 25 056 vom 5.1.1984 unter Hinweis auf eine bekannte Eignung als Kräftigungsmittel); Hinweise auf Wirkungen bezüglich des Haarwuchses finden sich in dieser Veröffentlichung nicht.
Der Senat ist auf Grund der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen mit einer vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietenden Sicherheit
überzeugt davon, daß eine haarwuchsfördernde Wirkung des Stoffs Trigonellin bei peroraler Verabreichung ausgeschlossen ist. Dies ergibt sich aus folgenden Umständen:
Gegen eine haarwuchsfördernde Wirkung von Trigonellin, bei dem es sich nur um einen von zahlreichen Inhaltsstoffen des Bockshornkleesamens handelt, spricht zunächst schon, daß Trigonellin in der Literatur (Kirk-Othmer, Encyclopedia of Chemical Technology, 1970, S. 536) als “pharmakologisch inert” beschrieben wird und daß es, Menschen und Hunden gegeben, unverändert ausgeschieden wird. Auch Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis , Sechster Band, 1979, S. 272, beschreibt keine therapeutsche Anwendung von Trigonellin. Von Willfort (aaO S. 269), der vom gerichtlichen Sachverständigen als wenig seriös bezeichnet wird, wird Trigonellin unter die Heil- und Wirkstoffe des Bockshornkleesamens eingereiht, eine bestimmte therapeutische Wirkung wird ihm jedoch nicht zugewiesen. Der gerichtliche Sachverständige hat daraus überzeugend gefolgert, daß eine physiologische Wirkung des Stoffs Trigonellin gleich welcher Art zumindest nicht gesichert ist, er hat insbesondere auch keinen Hinweis darauf finden können, daß Trigonellin zu Vitamin B umgesetzt wird und auf diesem Weg therapeutisch wirksam ist. Dies gilt erst

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recht für haarwuchsfördernde Wirkungen, die – wenn sie dem Bockshornkleesamen oder Extrakten daraus zukommen – nach den überzeugenden Bekundungen des gerichtlichen Sachverständigen auf andere Inhaltsstoffe zurückzuführen sind.
Für die therapeutische Unwirksamkeit in der geschützten Verabreichungsform spricht weiter, daß bei ihr mit therapeutisch wirksamen Konzentrationen am Wirkort (der Kopfhaut) nicht gerechnet werden kann. Der gerichtliche Sachverständige hat schon in seinem schriftlichen Gutachten die Verkap-
selung als aus pharmazeutischer Sicht unsinnig bezeichnet, wenn damit der Haarwuchs angeregt, verstärkt oder wiederbelebt werden solle; hieran hat er auch in der mündlichen Verhandlung mit überzeugenden Argumenten, insbesondere dem Hinweis auf die sehr langsame und geringe Resorption als quartäre Ammoniumverbindung bei oraler Applikation (so auch Gutachten S. 7 unter Hinweis auf Mutschler, Arzneimittelwirkungen, 7. Aufl. S. 11), festgehalten.
Die von den Beklagten vorgelegten Untersuchungen belegen – soweit sich ihnen überhaupt eine Förderung des Haarwuchses entnehmen läßt –, jedenfalls nicht, daß eine positive Wirkung auf den Stoff Trigonellin und nicht auf weitere in dem probeweise verwendeten Mittel enthaltene Stoffe zurückzuführen ist. Insoweit ist nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen eher von einer erwartungsgemäßen positiven Wirkung der weiteren Komponenten Calciumpantothenat und/oder Folsäure auszugehen.
Daß sich der gerichtliche Sachverständige letztlich nicht in der Lage gesehen hat, von einem naturwissenschaftlich vollständig gesicherten Unwirksamkeitsnachweis auszugehen, steht der Feststellung der Unwirksamkeit durch den Senat nicht entgegen, weil ein derart hohes Beweismaß dem deutschen Recht fremd ist; für die Beurteilung der Schutzfähigkeit europäischer Patente gelten insoweit keine besonderen Regeln.
Eine therapeutische Wirkung der Beigabe von Trigonellin in bezug auf Haarausfall und Haarwachstum konnte bei peroraler Einnahme von trigonellinhaltigen Mitteln nach alledem nicht erwartet werden. Demnach sieht das Streitpatent mit der Lehre, ein trigonellinhaltiges Mittel zu verwenden, eine Maßnahme vor, bei der sich lediglich die zu erwartende Wirkungslosigkeit der Tri-
gonellinbeigabe verwirklicht. Ä hnlich wie in dem Fall, in dem sich ein zu erwartender Erfolg bei Verwirklichung der patentgemäßen Lehre tatsächlich einstellt , dieser Umstand gegen erfinderische Tätigkeit sprechen kann (vgl. EPA T 249/88 – Milchproduktion/MONSANTO, u.a. auszugsweise bei Jaenichen GRUR Int. 1992, 327, 339; EPA T 60/89 ABl. EPA 1992, 268 = GRUR Int. 1992, 771, 775 – Fusionsproteine/HARVARD, Entscheidungsgründe unter 3.2.5., wo entscheidend darauf abgestellt wird, ob es für den Fachmann naheliegend gewesen wäre, die Idee mit einer angemessenen Erfolgserwartung auszuprobieren; vgl. auch Busse PatG 5. Aufl. § 4 PatG Rdn. 103; Kroher in Singer/Stauder EPÜ 2. Aufl. Art. 56 EPÜ Rdn. 41), muß auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem sich der zu erwartende Mißerfolg einer Maßnahme verwirklicht, dies als Gesichtspunkt berücksichtigt werden, der einem Heranziehen dieser Maßnahme zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit von vornherein entgegensteht. Andernfalls würde der Patentierung von Lehren Tür und Tor geöffnet, die technisch unsinnig sind; es kann auch nach Wegfall des früher im nationalen Recht geltenden Schutzerfordernisses des technischen Fortschritts nicht Sinn des Patentrechts sein, derartige Lehren zu schützen und zu fördern. Dieser Gesichtspunkt muß auch im Rahmen der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die Zugabe eines weiteren Stoffs zur Rezeptur eines Heilmittels, durch die eine verbesserte Wirkung des Heilmittels nicht zu erwarten war, zur erfinderischen Tätigkeit nichts beitragen kann, wenn eine verbesserte Wirkung erwartungsgemäß durch diese Zugabe nicht eintritt.
Demnach kann die Zusammensetzung des herzustellenden Mittels aus einer oder zwei einzeln und in Kombination naheliegenden Vitaminkomponenten und einem weiteren, als solchen unwirksamen Stoff erfinderische Tätigkeit
nicht begründen. Auch die anderen Maßnahmen (Verkapselung, Therapieform) enthalten nichts, worauf sich die Annahme erfinderischer Tätigkeit stützen ließe.
Der Senat verkennt nicht, daß andere sachkundige Stellen, insbesondere das Europäische Patentamt und das Bundespatentgericht, in den das Streitpatent und ein Parallelschutzrecht betreffenden Verfahren die Schutzfähigkeit positiv beurteilt haben. Auch wenn dies im Regelfall als gewichtiger Hinweis auf die Schutzfähigkeit anzusehen ist, ergibt sich im vorliegenden Fall daraus nichts zugunsten des Streitpatents, weil die entsprechenden Entscheidungen soweit ersichtlich jeweils zumindest stillschweigend von einer therapeutischen Wirkung von Trigonellin auf den Haarwuchs ausgehen und nicht die vom Senat getroffene Feststellung berücksichtigen, daß eine solche Wirkung nicht vorliegt.
IV. Die Kostenentscheidung beruht nach dem übergangsrechtlich (Art. 29 2. PatGÄ ndG) weiterhin anzuwendenden § 110 Abs. 3 PatG i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 i.V.m. §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.
Rogge Melullis Keukenschrijver
Mühlens Meier-Beck
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Die Patentfähigkeit eines Gegenstands hängt nicht davon ab, ob dieser einen technischen Fortschritt mit sich bringt. Zwar ist es auch nach dem Wegfall dieses nach früherem Recht geltenden Schutzerfordernisses nicht Sinn des Patentrechts, Lehren zu schützen, die technisch unsinnig sind (BGH, Urteil vom 20. März 2001 - X ZR 177/98, BGHZ 147, 137, 143 f. = GRUR 2001, 730, 732 - Trigonellin). Ein Gegenstand, der neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht , kann aber nicht allein deshalb als nicht patentfähig angesehen werden, weil er im Vergleich zum Stand der Technik keinen erkennbaren Vorteil bietet. Ein solcher Gegenstand ist vielmehr jedenfalls dann patentfähig, wenn mit ihm im Vergleich zum Stand der Technik ein anderer Weg aufgezeigt wird.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)