Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juni 2004 - VII ZR 271/01

bei uns veröffentlicht am24.06.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VII ZR 271/01 Verkündet am:
24. Juni 2004
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
VOB/B § 1 Nr. 4
Der Auftragnehmer ist zur Verweigerung einer nach § 1 Nr. 4 VOB/B angeordneten
Leistung berechtigt, wenn der Auftraggeber deren Vergütung endgültig verweigert.
BGH, Versäumnisurteil vom 24. Juni 2004 - VII ZR 271/01 - KG
LG Berlin
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter
Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Wiebel und Dr. Kuffer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers und seiner Streithelferin wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Kammergerichts vom 1. Juni 2001 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die frühere Klägerin mit Sitz in Italien (künftig weiterhin: Klägerin), für die ihr Insolvenzverwalter den Rechtsstreit nach Aufnahme führt, verlangt von der Beklagten nach Kündigung des Bauvertrages Vergütung für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen. Die Beklagte verlangt von der Klägerin mit der Widerklage Ersatz von Mehraufwand und Schadensersatz. Die Parteien streiten unter anderem darüber, ob das errichtete Baugerüst vertragsgemäß war.
Die Beklagte beauftragte nach einer Ausschreibung nach der VOB/A die Klägerin unter Einbeziehung der VOB/B mit Sanierungsarbeiten an zwei Hochhäusern in Berlin. Die Klägerin war unter anderem verpflichtet, das Baugerüst zu errichten und insoweit die etwa erforderlichen amtlichen Genehmigungen einzuholen sowie eine geprüfte statische Berechnung für das Gerüst und die Ankerpläne vorzulegen. Die Klägerin beauftragte ihrerseits ihre Konzerntochter mit den Gerüstarbeiten. Diese vergab die Arbeiten an die Streithelferin. Die Streithelferin beauftragte das Statikerbüro B.-H. J. mit der Ausführungsstatik für das Gerüst, ließ diese Statik durch den Prüfingenieur L. prüfen und errichtete das Gerüst. Der vom Bauamt beauftragte Prüfingenieur G. beanstandete die Befestigung des Gerüstes und wies darauf hin, daß das Gerüst noch nicht zur Benutzung freigegeben und die Standsicherheit nicht nachgewiesen sei. Gespräche zwischen dem Prüfingenieur G., den Vertretern der Vertragsparteien und der Streithelferin führten zu keiner Einigung. Der Prüfingenieur G. war nicht bereit, die von der Streithelferin verwendeten Dübel zu akzeptieren. Die Beklagte entzog der Klägerin den Auftrag aufgrund grober Vertragsverletzungen , unterbreitete einen Kompromißvorschlag und erklärte, für den Fall, daß die Klägerin diesem Vorschlag nicht folge, solle sie die Kündigung des Bauvorhabens wegen grober Vertragsverletzung als ausgesprochen betrachten. Die Klägerin akzeptierte den Vorschlag nicht. Daraufhin kündigte die Beklagte den Vertrag gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Nr. 4 VOB/B fristlos. Die bis zur Kündigung von der Klägerin erbrachten Leistungen nahm die Beklagte ab.
Die Klägerin erachtet die fristlose Kündigung als unbegründet und läßt sie lediglich als freie Kündigung gemäß § 8 Nr. 1 VOB/B gelten. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Widerklage mit der Begründung abgewiesen, mangels wichtigen Grundes wirke die fristlose nur als freie Kündigung gem. § 8 Nr. 1 VOB/B Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Mit ihrer Revision verfolgen die Klägerin und ihre Streithelferin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

1. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte angenommen und deutsches materielles Recht angewandt. Das erweist sich als zutreffend.

a) Im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Italien, wo die Klägerin ihren Sitz hat, ist noch das EuGVÜ anzuwenden (Art. 66 Abs. 1 EuGVVO), dessen Vorschriften zur internationalen Zuständigkeit der Gerichte die entsprechenden Regelungen des autonomen internationalen Zivilprozeßrechts verdrängen (BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - VII ZR 408/97, BauR 1999, 677, 678 = ZfBR 1999, 208). Da die Beklagte und die Klägerin sich in der mündlichen Verhandlung erster Instanz rügelos eingelassen haben, ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Klage und die Widerklage gemäß Art. 18 EuGVÜ gegeben.
b) Die Parteien haben gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB das deutsche materielle Recht als Vertragsstatut vereinbart. 2. Die Voraussetzungen für eine wirksame Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter über das Vermögen der Klägerin sind nachgewiesen.

II.

1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte habe den Bauvertrag aus wichtigem Grund ohne Fristsetzung kündigen dürfen. Eine Fortsetzung des Vertrages sei ihr nicht mehr zumutbar gewesen, weil das Verhalten der Klägerin bei dem Streit um die Standsicherheit des Gerüstes den weiteren Bauablauf in erheblichem Maße gefährdet habe. Es könne offenbleiben, ob das Gerüst trotz der Vorbehalte des Prüfingenieurs G. tatsächlich standsicher gewesen sei. Die Klägerin hätte die von dem Prüfingenieur G. verlangten Maßnahmen selbst dann ausführen müssen, wenn diese objektiv nicht notwendig gewesen seien. Auch wenn das Bauamt das Ge-
rüst nicht förmlich gesperrt habe, sei, solange unter den Fachleuten Streit über dessen Standsicherheit geherrscht habe, eine Weiternutzung des Gerüsts der Beklagten nicht zumutbar gewesen. Über einen rechtsmittelfähigen Bescheid des Bauamtes habe der Streit nicht ausgetragen werden können, ein Verwaltungsverfahren mit einem sich womöglich anschließenden verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren hätte den Bau unvermeidbar verzögert. Der Bau habe nur fortgeführt werden können, wenn die Klägerin der Forderung des Prüfingenieurs G. nachgekommen wäre und eine zusätzliche Verankerung eingebaut hätte, die die Standsicherheit des Gerüstes für den Fall gewährleistet hätte, daß sich die Bedenken des Prüfingenieurs G. gegen die von der Streithelferin ausgeführte Verankerung als berechtigt erweisen sollten. Unerheblich sei, ob die zusätzliche Verankerung, die nach der Kündigung ausgeführt worden sei, für sich allein geeignet gewesen sei, die Standsicherheit zu begründen, weil der Prüfingenieur G. damit jedenfalls zufrieden gewesen sei und es keine Anhaltspunkte gebe, daß er hierauf nicht auch vor der Kündigung eingegangen wäre. Die Frage einer etwaigen Mehrvergütung hätte später geklärt werden können. Da die Beklagte die Leistung gefordert habe, hätte die Klägerin sie auch ohne eine dahingehende Vereinbarung ausführen müssen und ihren etwaigen Mehrvergütungsanspruch ankündigen können. Da die Klägerin die Ausführung der von dem Prüfingenieur G. und von der Beklagten geforderten Arbeiten verweigert habe, habe sie ihre Vertragspflichten verletzt. Weitere Diskussionen , die möglicherweise dazu geführt hätten, daß der Prüfingenieur G. von seinem Standpunkt abgerückt wäre, seien der Beklagten nicht mehr zuzumuten gewesen.
2. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Der Auftraggeber eines VOB/B-Vertrages ist berechtigt, den Vertrag wegen positiver Vertragsverletzung fristlos zu kündigen, wenn durch ein schuldhaftes Verhalten des Auftragnehmers der Vertragszweck so gefährdet ist, daß es dem vertragstreuen Auftraggeber nicht zumutbar ist, den Vertrag fortzusetzen (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 - VII ZR 140/95, ZfBR 1996, 267 = BauR 1996, 704).
b) Nach den derzeitigen Feststellungen des Berufungsgerichts war die Beklagte nicht berechtigt, den Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen. Der Umstand, daß die Klägerin der Forderung des Prüfingenieurs G. nach einer zusätzlichen Verankerung nicht nachgekommen ist, begründet für sich allein kein vertragswidriges Verhalten der Klägerin. Aufgrund der vertraglichen Vereinbarung war die Klägerin verpflichtet, die erforderlichen amtlichen Genehmigungen einzuholen und eine geprüfte statische Berechnung für das Gerüst sowie Ankerpläne vorzulegen. Allein der Umstand, daß G. bei seiner Auffassung geblieben ist, begründet noch keine vertragliche Verpflichtung der Klägerin, eine neue Verankerung anzubringen. Nach dem für die Revisionsinstanz maßgeblichen Sachverhalt hat die Klägerin die für die Errichtung des Gerüstes erforderlichen Unterlagen vorgelegt. Nach Mitteilung der zuständigen Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen war für das Gerüst, das allgemein bauaufsichtlich zugelassen war, weder eine Baugenehmigung noch eine Freigabe erforderlich. Den erforderlichen Standsicherheitsnachweis hat die Klägerin nach ihrem Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellen ist, durch die vom Ingenieurbüro W.-H. J. erstellte, von dem Prüfingenieur L. ge-
prüfte und von der Beklagten abgenommene Statik erbracht. Es ist möglich, daß die Klägerin damit ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt hat. Dann wäre eine etwaige Anordnung einer Verdübelung durch die Beklagte die Anordnung einer zusätzlichen Leistung im Sinne von § 1 Nr. 4 VOB/B.
c) Für die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe sich deshalb vertragswidrig verhalten, weil sie die von der Beklagten geforderte zusätzliche Verankerung des Gerüstes nicht ausgeführt habe, fehlt es an den notwendigen tatsächlichen Feststellungen. Die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die zusätzliche Verankerung von der Klägerin gefordert, entbehrt der tragfähigen Grundlage und beruht daher auf einem Verstoß gegen § 286 ZPO. Nach dem derzeitigen Sachstand hat die Beklagte von der Klägerin nur den Nachweis der Gerüstverankerung und die Einleitung der Maßnahmen verlangt , die erforderlich sind, damit die statische Prüfung des Gerüstes und der notwendigen Verankerungen abgeschlossen werden kann. Hingegen ergibt sich bisher nicht, daß die Beklagte konkrete Maßnahmen für eine zusätzliche Verankerung , wie sie der Prüfingenieur G. für erforderlich erachtete, von der Klägerin gefordert hatte.

III.

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Der Senat weist für die neue Verhandlung auf folgendes hin: Das Berufungsgericht wird zunächst zu klären haben, welche Gerüstverankerung den vertraglichen Vereinbarungen entspricht. Sollte sich herausstel-
len, daß sich die etwa angeordnete Verdübelung vom Vertragsinhalt nicht erfaßt war, handelt es sich um eine zusätzliche Leistung im Sinne von § 1 Nr. 4 VOB/B. Sollte sich aus den vom Berufungsgericht bisher nicht näher aufgeklärten Gesprächen vor der fristlosen Kündigung ergeben, daß die Beklagte endgültig nicht bereit war, diese zusätzliche Leistung zu vergüten, wäre die Klägerin berechtigt gewesen, die Leistung zu verweigern (Kuffer, Leistungsverweigerungsrecht bei verweigerten Nachtragsverhandlungen, ZfBR 2004, 110, 116). Erweist sich die ausgesprochene fristlose Kündigung unter keinem Gesichtspunkt als berechtigt, wird das Berufungsgericht der Frage nachzugehen haben, ob diese Kündigung als freie Kündigung gewertet werden kann. Ob eine außerordentliche Kündigung eines Bauvertrages als freie Kündigung nach § 649 Satz 1 BGB oder nach § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B gewertet werden kann, richtet sich nach dem Inhalt der Kündigungserklärung. Im Regelfall ist die Kündigung eines Bauvertrages dahingehend zu verstehen, daß auch eine freie Kündigung von dem Auftraggeber gewollt ist. Will der Auftraggeber seine Kündigung nicht so verstanden wissen, muß sich das aus der Erklärung oder den Umständen ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 24.Juli 2003 - VII ZR 218/02, BGHZ 156, 82).
Der Senat weist weiter darauf hin, daß im Hinblick auf die lange Verfahrensdauer eine abermalige Zurückverweisung der Sache an das Landgericht nicht mehr in Betracht kommt. Dressler Thode Hausmann Wiebel Kuffer

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 649 Kostenanschlag


(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar i

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(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VII ZR 218/02
Verkündet am:
24. Juli 2003
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGB §§ 133 B, 157 B, 649; VOB/B § 8

a) Eine Kündigung, die ausschließlich für den Fall erklärt wird, daß ein außerordentlicher
Kündigungsgrund nach § 8 Nr. 2 bis 4 VOB/B vorliegt, ist unwirksam, wenn
ein solcher Grund nicht gegeben ist.

b) Ob eine außerordentliche Kündigung eines Bauvertrages auch als freie Kündigung
nach § 649 Satz 1 BGB oder nach § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B verstanden werden
kann, richtet sich nach dem Inhalt der Kündigungserklärung.

c) Im Regelfall ist die Kündigung eines Bauvertrages dahin zu verstehen, daß auch
eine freie Kündigung gewollt ist. Will der Auftraggeber seine Kündigung nicht so
verstanden wissen, muß sich das aus der Erklärung oder den Umständen ergeben.
BGH, Versäumnisurteil vom 24. Juli 2003 - VII ZR 218/02 - OLG Stuttgart
LG Ravensburg
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter
Hausmann, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 9. April 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung einer geleisteten Abschlagszahlung von 33.904 DM sowie Erstattung von Kosten in Höhe von 3.724,71 DM nach Kündigung eines Vertrages über die schlüsselfertige Herstellung eines Einfamilienhauses. Die Parteien streiten im wesentlichen darüber , ob der Vertrag wirksam durch Kündigung beendet worden ist. Mit Bauvertrag vom 19./22. Juli 2000 verpflichtete sich die Beklagte unter Geltung der VOB/B als Generalunternehmerin zur schlüsselfertigen Erstellung
eines Einfamilienhauses für den Kläger zum Pauschalpreis von 423.000 DM. Nach Nr. 2 des Bauzeitenplans war "angestrebt, die Bautätigkeit innerhalb von vier Wochen nach Vorlage der Baugenehmigung zu beginnen". Der Bau sollte sieben Monate später fertiggestellt sein. Der Kläger zahlte vereinbarungsgemäß die erste Abschlagszahlung in Höhe von 33.904 DM (8% des Kaufpreises) nach Vorlage der Baugenehmigung. Eine zweite Zahlung von 22% des Pauschalpreises sollte bei Beginn der Kellerarbeiten geleistet werden. Wegen einer auf Wunsch des Klägers erforderlichen Änderung übergab dieser erst am 6. November 2000 eine Änderungsgenehmigung und forderte die Beklagte auf, umgehend mit dem Bau zu beginnen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten, H. GmbH, verhandelten die Parteien über die Reduzierung der zweiten Abschlagszahlung auf 13,5%, was die Beklagte ablehnte. Der Kläger beanstandete mit Schreiben vom 4. Dezember 2000, daß der Bau entgegen der Ankündigung der Beklagten nicht am 29. November 2000 begonnen worden sei. Er kündigte am 8. Dezember 2000 "nach § 5 VOB/B wegen Verzögerung des Auftragnehmers bei Beginn der Bauausführung" und forderte die Abschlagszahlung zurück. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 13. Dezember 2000 mitgeteilt hatte, daß statt der H. GmbH Otto H. als persönlich haftender Gesellschafter eingetreten sei, erklärte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 19. Dezember 2000, daß er wegen der von der Beklagten erklärten Leistungsfähigkeit die Kündigung vom 8. Dezember 2000 zurücknehme. In diesem Schreiben forderte er die Beklagte zugleich auf, mit dem Bau (Kelleraushub) bis spätestens 8. Januar 2001 zu beginnen. Andernfalls drohte er "Entziehung des Auftrags nach § 8 Ziff. 3 VOB/B an". Die Beklagte berief sich mit Schreiben vom 15. Dezember 2000 auf die Kündigung und teilte mit weiterem Schreiben vom
28. Dezember 2000 mit, sie könne den Inhalt des Schreibens vom 19. Dezember 2000 und die Fristsetzung zum 8. Januar 2001 nicht hinnehmen. Sie habe die ausgesprochene Kündigung akzeptiert und dementsprechend geplant , sei jedoch hinsichtlich eines neuen Vertrags gesprächsbereit. Nachdem die Beklagte am 8. Januar 2001 nicht mit den Bauarbeiten begonnen hatte, kündigte der Klägervertreter am 9. Januar 2001 nach § 8 Nr. 3 VOB/B aus wichtigem Grund. Der Kläger verlangt Rückzahlung der Abschlagszahlung (33.904 DM), Kosten der Tektur (200 DM), Anwaltskosten in Höhe von 3.504,71 DM sowie Zinsen und vorgerichtliche Kosten. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 33.904 DM (Abschlagszahlung ) stattgegeben. Auf beiderseitige Berufung hat das Berufungsgericht die ! " Beklagte zur Zahlung von 17.437,10 DM sowie Tektur von 200 DM) zuzüglich Zinsen und vorgerichtliche Kosten verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Revision der Beklagten zu der Frage zugelassen , ob eine vom Auftraggeber zu Unrecht aus wichtigem Grund ausgesprochene Kündigung eines Werkvertrags als freie Kündigung nach § 649 Satz 1 BGB oder nach § 8 Nr. 1 VOB/B das Vertragsverhältnis beendet. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihr Begehren auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Vertrag sei nicht durch das Kündigungsschreiben vom 8. Dezember 2000, sondern erst durch das Schreiben vom 9. Januar 2001 aus wichtigem Grund gekündigt worden. Der Kläger habe daher Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B oder § 326 BGB in Höhe der geleisteten Abschlagszahlung, die für die nicht mehr brauchbare Planung der Beklagten erfolgt sei, sowie der nutzlos aufgewendeten Kosten der Änderungsplanung von 200 DM. 1. Das Landgericht habe zutreffend die Voraussetzungen einer Auftragsentziehung aus wichtigem Grund nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B in Verbindung mit § 5 Nr. 4 VOB/B bei der Kündigung vom 8. Dezember 2000 verneint. Es habe bereits an einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung gefehlt. Auf einen möglichen Kündigungsgrund aus § 8 Nr. 2 VOB/B könne sich der Kläger nicht mehr berufen, weil er nach erklärter Leistungsfähigkeit der Beklagten am Vertrag habe festhalten wollen. Auch ein wichtiger Grund in entsprechender Anwendung des § 8 Nr. 3 VOB/B wegen einer schweren Vertragsverletzung der Beklagten, die dem Kläger ein Festhalten am Vertrag unzumutbar gemacht hätte, habe nicht vorgelegen.
2. Die Kündigungserklärung vom 8. Dezember 2000 habe das Vertragsverhältnis nicht als freie Kündigung nach § 8 Nr. 1 VOB/B beendet. Der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht, daß eine außerordentliche Kündigung zur Vertragsbeendigung als freie Kündigung führe, wenn Gründe für die außerordentliche Kündigung nicht gegeben seien, sei nur zu folgen, wenn sich aufgrund der Kündigungserklärung oder aus sonstigen Umständen der Wille des Bestellers ergebe, den Werkvertrag auf jeden Fall beenden zu wollen. Der Kündigungserklärung vom 8. Dezember 2000 sei deutlich zu entnehmen, daß der Kläger das Vertragsverhältnis ohne Gegenleistung habe beenden wollen. Seine Erklärung könne daher nicht als Kündigung nach § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B ausgelegt oder umgedeutet werden. 3. Der Werkvertrag sei durch das Schreiben des Rechtsanwalts des Klägers vom 9. Januar 2001 wirksam gekündigt worden. Da der Vertrag fortbestanden habe und die Beklagte ihrerseits nicht gekündigt habe, habe der Kläger gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B wirksam kündigen können. Die Fristsetzung zum 8. Januar 2001 im Schriftsatz vom 19. Dezember 2000 sei zwar unangemessen kurz gewesen. Eine längere Fristsetzung sei jedoch wegen der ernsthaften Erfüllungsverweigerung der Beklagten entbehrlich gewesen. Die Kündigung sei daher nicht verfrüht erfolgt.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand. Der Bauvertrag der Parteien ist durch die Kündigung des Klägers vom 8. Dezember 2000 beendet worden. Die gegenteilige Auffassung des Beru-
fungsgerichts läßt die maßgeblichen Grundsätze zur Auslegung der Kündigung eines Bauvertrages außer Acht. 1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, daß das Recht, den Vertrag nach § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B kündigen zu können, zu unterscheiden ist von dem Recht, den Vertrag außerordentlich in den Fällen kündigen zu können, die in § 8 Nr. 2 bis 4 VOB/B genannt sind.
a) Das freie Kündigungsrecht nach § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B lehnt sich an das Kündigungsrecht aus § 649 Satz 1 BGB an. Es besteht "jederzeit". Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß der Auftraggeber den Vertrag kündigen kann, ohne daß ihm ein besonderer Kündigungsgrund zur Seite steht. Der Auftraggeber hat vorzugsweise Interesse an der Ausführung des Werkes und soll deshalb die Möglichkeit einer Lösung vom Vertrag für den Fall erhalten, daß das Interesse wegfällt. Der Auftragnehmer ist nach der Wertung des Gesetzes durch die Regelung des § 649 Satz 2 BGB, dem § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B entspricht, ausreichend geschützt (BGH, Urteil vom 8. Juli 1999 - VII ZR 237/98, NJW 1999, 3261 = BauR 1999, 1294 = ZfBR 2000, 30). Danach behält der Auftragnehmer seinen vertraglichen Vergütungsanspruch; er muß sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt.
b) Dagegen gewährt § 8 Nr. 2 bis 4 VOB/B dem Auftraggeber ein außerordentliches Kündigungsrecht nur in den dort genannten Fällen. Nach einer wirksamen Kündigung auf Grundlage des § 8 Nr. 2 bis 4 VOB/B hat der Auftragnehmer lediglich Anspruch auf Vergütung der bis zur Kündigung erbrachten Leistungen (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1959 - VII ZR 120/58, BGHZ 31, 224, 229; Urteil vom 12. Februar 2003 - X ZR 62/01, BauR 2003, 880, 881),
im Fall des § 8 Nr. 2 VOB/B nach Maßgabe des § 6 Nr. 5 VOB/B (BGH, Urteil vom 7. Januar 2003 - X ZR 16/01 = BauR 2003, 877). Eine Kündigung, die ausschließlich für den Fall erklärt wird, daß ein außerordentlicher Kündigungsgrund nach § 8 Nr. 2 bis 4 VOB/B vorliegt, ist unwirksam, wenn ein solcher Grund nicht vorliegt. Das Vertragsverhältnis dauert an. Die Vertragspflichten bleiben bestehen. 2. Rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht beanstandet geht das Berufungsgericht davon aus, daß eine außerordentliche Kündigung am 8. Dezember 2000 nicht gerechtfertigt war. Eine Kündigung nach § 8 Nr. 3 in Verbindung mit § 5 Nr. 4 VOB/B war nicht wirksam, weil der Kläger keine Frist zur Arbeitsaufnahme gesetzt und auch nicht die Kündigung angedroht hat. Vom Berufungsgericht wird auch richtig gesehen, daß ein sofortiges außerordentliches Kündigungsrecht unter Verzicht auf eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung nicht gegeben war sowie die Voraussetzungen des § 8 Nr. 2 VOB/B nicht vorlagen. 3. Zutreffend geht das Berufungsgericht schließlich davon aus, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich nicht "automatisch" als freie Kündigung gewertet werden kann (vgl. Schmidt, NJW 1995, 1313, 1314). Vielmehr kann eine unwirksame außerordentliche Kündigung nur dann als eine freie Kündigung ausgelegt bzw. umgedeutet werden, wenn nach der Sachlage anzunehmen ist, daß diese dem Willen des Erklärenden entspricht und dieser Wille in seiner Erklärung gegenüber deren Empfänger zum Ausdruck gekommen ist (BGH, Urteil vom 26. Juli 2001 - X ZR 162/99, NZBau 2001, 621, 622). Das Berufungsgericht läßt jedoch bei seiner Auslegung der Kündigungserklärung die Besonderheiten des Bauvertrages unberücksichtigt und stellt des-
halb rechtsfehlerhaft allein darauf ab, daß der Kläger die Kündigung nur auf einen wichtigen Grund gestützt habe. Daraus ergebe sich für die Beklagte erkennbar , daß der Kläger das Risiko einer freien Kündigung, die volle Vergütung zahlen zu müssen, nicht habe übernehmen wollen. Diese Erwägungen tragen die Entscheidung nicht.
a) Für die Frage, ob eine außerordentliche Kündigung eines Bauvertrages auch als freie Kündigung nach § 649 Satz 1 BGB oder § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B verstanden werden kann, kommt es maßgeblich darauf an, ob sich aus der Kündigungserklärung ergibt, daß der Bauvertrag unabhängig davon beendet sein soll, ob der geltend gemachte Kündigungsgrund vorliegt. Das wird die Auslegung der Kündigung eines Bauvertrages regelmäßig ergeben, wenn aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes folgt. Die Kündigung eines Bauvertrages ist eine Entscheidung, die in aller Regel nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Wirkungen hat. Mit ihr wird nicht nur zum Ausdruck gebracht, daß das Vertragsverhältnis beendet ist, sondern mit ihr werden auch die Voraussetzungen für den Einsatz eines Drittunternehmers oder für den vollständigen Abbruch des Bauvorhabens geschaffen. Das ist konfliktfrei nur möglich, wenn die außerordentliche Kündigung auch für den Fall wirksam sein soll, daß der Kündigungsgrund nicht besteht. Deshalb wirkt eine außerordentliche Kündigung als Erklärung, nach der alle in Betracht kommenden Kündigungsmöglichkeiten , auch die nach § 649 Satz 1 BGB oder § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B, ausgeschöpft werden sollen. Dieser Auslegung der Kündigung im Regelfall steht nicht entgegen, daß der Auftraggeber grundsätzlich nicht bereit ist, eine Vergütung nach § 649 Satz 2 BGB zu zahlen, worauf das Berufungsgericht maßgeblich abgestellt hat. Denn der Auftraggeber trägt dieses Risiko in der Regel auch dann, wenn seine Kündigung nur als außerordentliche verstanden würde. Der Auftragnehmer be-
hielte in dem regelmäßig vorliegenden Fall, daß der Auftraggeber nach der Kündigung die Fortsetzung der Bauleistung für den Auftragnehmer unmöglich gemacht hat, nach § 324 BGB a.F. oder § 326 Abs. 2 BGB n.F. den Anspruch auf die Gegenleistung abzüglich der Ersparnis, des anderweitigen Erwerbs oder des böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs. Allein aus dem Umstand, daß der Auftraggeber bei der Kündigung davon ausgeht und er das auch zum Ausdruck bringt, ihm stehe ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu, kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht geschlossen werden , er wolle nicht das Risiko einer Gegenleistung übernehmen. Die Kündigung stellt sich vielmehr unter Inkaufnahme dieses Risikos als eine durch § 649 Abs. 1 BGB geschaffene Möglichkeit dar, den Bauvertrag in jedem Fall zu beenden. Will der Auftraggeber seine Kündigung nicht so verstanden wissen, muß sich das aus der Erklärung oder den Umständen ergeben.
b) Dieses Verständnis einer Kündigung eines Bauvertrages ist interessengerecht. Der Bauvertrag ist ein Vertragsverhältnis, das in aller Regel in einen zeitlichen Rahmen gefaßt ist und von gegenseitigen Rechten und Pflichten, auch zur Kooperation während der Bauzeit, geprägt ist. Mit diesem Vertragstyp ist ein Zustand schwer zu vereinbaren, der Unsicherheit darüber schafft, ob der Vertrag noch mit dem Auftragnehmer fortgeführt werden muß oder nicht. Die regelmäßig zutreffende Auslegung einer außerordentlichen Kündigung des Auftraggebers dahin, daß jedenfalls die freie Kündigung gewollt ist, stellt die weitere Abwicklung des Bauvorhabens auf eine sichere rechtliche und zeitliche Grundlage. Das Vertragsverhältnis mit dem Auftragnehmer ist in jedem Fall beendet. Beide Parteien haben Sicherheit für ihre zukünftigen Dispositionen, ohne daß sie in Rechnung stellen müßten, daß eine von ihnen sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung beruft und sodann die Frage auftaucht, ob der Vertrag fortzuführen wäre. Es geht deshalb nur noch um die rechtlichen Folgen, insbesondere um die Frage, ob dem Auftragnehmer der Vergütungsanspruch nach
§ 649 Satz 2 BGB zusteht oder nach § 631 Abs. 1 BGB lediglich für die erbrachten Leistungen. Das ist für beide Parteien erkennbar und regelmäßig im Zweifel auch so gewollt. Der Auftraggeber hat in der Regel kein Interesse an einer Rechtslage, die die Frage, ob die Kündigung wirksam war, in der Schwebe hält. Denn ihm ist grundsätzlich daran gelegen, das Bauvorhaben auf der Grundlage einer sicheren rechtlichen Bewertung fortzuführen. Anders könnte der Auftraggeber, ohne sich der Gefahr auszusetzen, selbst vertragsbrüchig zu sein, auch nicht einen Drittunternehmer einsetzen. Das Risiko, bei einer Fehleinschätzung die Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen, des anderweitigen Erwerbs oder des böswillig unterlassenen Erwerbs tragen zu müssen, trägt er, wie dargelegt , ohnehin. In dem Fall, in dem ihn die Kündigung reut, weil er möglicherweise nachträglich festgestellt hat, daß die Kündigungsvoraussetzungen nicht vorliegen, ist er ohnehin nicht schützenswert. Der Auftragnehmer hat ebenfalls kein schützenswertes Interesse daran, daß die Kündigung nicht als freie Kündigung verstanden wird. Denn ihm bleibt in diesem Fall der volle Vergütungsanspruch nach Maßgabe des § 649 Satz 2 BGB. Ebenso wie der Auftraggeber hat er regelmäßig kein Interesse an einer Rechtslage, die die Frage der Wirksamkeit der Kündigung in der Schwebe hält. Denn er muß nach einer Kündigung neu disponieren.
c) Diese Auslegungsgrundsätze gelten, wenn der Auftraggeber zu Unrecht eine außerordentliche Kündigung eines Bauvertrages erklärt, denn der Irrtum darüber, daß der außerordentliche Kündigungsgrund nicht besteht, macht die auch als freie verstandene Kündigung nicht unwirksam. Soweit der Senat im Urteil vom 5. Dezember 1968 (VII ZR 127, 128/66, NJW 1969, 419, 421) weitergehend zum Ausdruck gebracht haben sollte, daß jede außerordent-
liche Kündigung als hilfsweise erklärte freie Kündigung zu werten sei, hält er daran nicht fest. Maßgebend ist unter Beachtung der dargelegten Auslegungsgrundsätze die Auslegung der Erklärung im Einzelfall. Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß eine Abrechnung der Bauleistungen nach § 649 Satz 2 BGB erfolgt, wenn sich herausstellt, daß der geltend gemachte Grund zur außerordentlichen Kündigung nicht besteht (BGH, Urteil vom 8. Februar 1996 - VII ZR 219/94, ZfBR 1996, 200; Urteil vom 10. Oktober 1996 - VII ZR 250/94, BauR 1997, 157 = ZfBR 1997, 36 = NJW 1997, 259; Urteil vom 24. Juni 1999 - VII ZR 196/98, NJW 1999, 3554 = BauR 1999, 1319 = ZfBR 2000, 28; Urteil vom 8. Juli 1999 - VII ZR 237/98, BauR 1999, 1294). Die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung des X. Zivilsenats (Urteil vom 26. Juli 2001 - X ZR 162/99, NZBau 2001, 621, 622) weicht von den dargestellten Grundsätzen des Bauvertragsrechts nicht ab. Sie betrifft die Auslegung einer Kündigungserklärung in einem Softwareentwicklungsvertrag. Es kann dahinstehen, ob in anderen Vertragstypen andere Auslegungsgrundsätze maßgeblich sind, wie das z.B. für diejenigen Verträge gelten kann, auf die § 649 BGB nicht anwendbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2000 - II ZR 285/97, ZIP 2000, 539, 540). Jedenfalls ist nicht ersichtlich, daß der X. Zivilsenat die gefestigte Rechtsprechung des VII. Zivilsenats in Frage stellen wollte. 4. Die Kündigung vom 8. Dezember 2000 ist nach den dargestellten Grundsätzen wirksam. Es handelt sich um eine außerordentliche Kündigung, die dahin auszulegen ist, daß sie den Vertrag auch dann beenden soll, wenn der geltend gemachte außerordentliche Kündigungsgrund nicht vorliegt. Allein daraus, daß die Kündigung wegen des verzögerten Baubeginns erklärt worden ist, folgt nichts anderes. Die Kündigung wirkt rechtsgestaltend. Sie konnte nicht zurückgenommen werden.

III.

Danach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Für die weitere Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin: Nicht gefolgt werden kann der Meinung des Berufungsgerichts, ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der geleisteten Abschlagszahlungen ergebe sich aus § 812 Abs. 1 BGB. Aus der Vereinbarung über Abschlagszahlungen folgt vielmehr die vertragliche Verpflichtung des Auftragnehmers, seine Leistung abzurechnen (BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365, 374; Urteil vom 24. Januar 2002 - VII ZR 196/00, NJW 2002, 1567 = BauR 2002, 938 = ZfBR 2002, 474). Ergibt die Abrechnung einen Überschuß, dann hat der Auftraggeber einen vertraglichen Anspruch auf Auszahlung des Überschusses. Da in der Revision davon auszugehen ist, daß mit der Errichtung des Bauwerks noch nicht begonnen worden ist, ist das Vorbringen zur Rückzahlung der Abschlagszahlung schlüssig. Die Beklagte hat Gelegenheit, gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B abzurechnen. Dressler Hausmann Kuffer Kniffka Bauner