Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2006 - VI ZR 36/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist die Eigentümerin eines PKW, der am 23. November 2002 in einen Verkehrsunfall mit einem bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten und von der Beklagten zu 2 geführten PKW verwickelt worden ist. Die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu einer Quote von 50 % ist dem Grunde nach unstreitig. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten als Gesamtschuldner zu 50 % für sämtliche Schäden, die aus der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung zur Schadensregulierung resultieren.
- 2
- Das Amtsgericht hat die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrages abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei den bei der Klägerin durch die Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung eingetretenen Prämiennachteilen nicht um einen adäquat kausalen Schaden des streitgegenständlichen Unfallereignisses, für welche die Beklagten eine (anteilige) Haftung treffe. Ausschlaggebend für die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung durch den Geschädigten sei im Falle seiner anteiligen Mithaftung nicht die Regulierung der durch den Schädiger verursachten Schäden, sondern der Ausgleich der vom Geschädigten selbst zu tragenden Schäden. Auf dieser Grund- lage träten die Prämiennachteile bereits ihrem gesamten Umfang nach ein (so auch AG Altenkirchen VersR 2002, 116).
II.
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- Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.
- 5
- 1. Da die Beklagten und Revisionsbeklagten in der Revisionsverhandlung trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten waren, ist über die Revision der Klägerin antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 81; BGH, Urteil vom 18. November 1998 - VIII ZR 344/97 - NJW 1999, 647, 648).
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- 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin die beantragte Feststellung verlangen.
- 7
- a) Sie kann ihren Anspruch insgesamt im Wege der Feststellungsklage geltend machen. Das hierfür erforderliche und von Amts wegen zu prüfende Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist für den künftigen Schaden jedenfalls zu bejahen, weil noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht, ob und inwieweit sich die Rückstufung im Vermögen der Geschädigten tatsächlich nachteilig auswirken wird (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 1991 - VI ZR 140/91 - VersR 1992, 244). Soweit der Antrag der Klägerin den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung betrifft, könnte die Klägerin den Schaden zwar beziffern. Doch ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig , weil sich der Schaden noch in der Fortentwicklung befindet (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1991 - III ZR 204/89 - VersR 1991, 788 f.).
- 8
- b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Rückstufungsschaden in der Vollkaskoversicherung trotz des anteiligen Mitverschuldens des Geschädigten eine adäquate Folge des Unfalls.
- 9
- aa) Anders als beim Verlust des Schadensfreiheitsrabattes in der Haftpflichtversicherung , bei dem es sich lediglich um einen allgemeinen Vermögensnachteil in der Form des Sachfolgeschadens handelt (BGHZ 66, 398, 400 m.w.N.; vgl. BVerwGE 95, 98, 101; BAG NJW 1993, 1028), ist die Rückstufung in der Vollkaskoversicherung für den Geschädigten eine Folge seines unfallbedingten Fahrzeugschadens (Senatsurteil BGHZ 44, 382, 387; ebenso BGH, Urteil vom 14. Juni 1976 - III ZR 35/74 - VersR 1976, 1066, 1067, insoweit in BGHZ 66, 398 nicht abgedruckt; BVerwGE 95, 98, 102 f.; vgl. zur Gebäudekaskoversicherung Senatsurteil vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04 - VersR 2005, 558, 559). Für den Fall der vollen Haftung des Schädigers stellt dies auch das Berufungsgericht nicht in Frage.
- 10
- bb) Doch liegt der Auffassung des Berufungsgerichts, dass im Falle anteiliger Mithaftung des Geschädigten der Prämienschaden allein infolge der Regulierung der durch den Geschädigten selbst zu tragenden Schäden eintrete, ein rechtsfehlerhaftes Verständnis des Ursachenzusammenhangs im Haftungsrecht zugrunde. Es kommt nicht darauf an, ob ein Ereignis die "ausschließliche" oder "alleinige" Ursache des Schadens ist; auch eine Mitursächlichkeit, sei sie auch nur "Auslöser" neben erheblichen anderen Umständen, steht einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleich (vgl. Senatsurteile vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04 - VersR 2005, 945, 946; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200, 201; vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282, 1283 und vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862). Auch bei anteiliger Schadensverursachung haftet der Schädiger dementsprechend für den Rückstufungsschaden, der dadurch eintritt, dass der Geschädigte die Kaskoversicherung in Anspruch nimmt.
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- cc) Im Streitfall hat die Abrechnung des gesamten Unfallschadens über die Vollkaskoversicherung den Rückstufungsschaden der Klägerin zur Folge, der durch die Beklagte zu 2 mitverursacht worden ist. Dass die Klägerin eine hälftige Mithaftung trifft, ändert daran nichts. Der Nachteil der effektiven Prämienerhöhung trat, unabhängig von der Schuldfrage, allein dadurch ein, dass überhaupt Versicherungsleistungen in Anspruch genommen wurden. Da der Unfall als das den Schaden begründende Ereignis teils von der Beklagten zu 2, teils von der Klägerin zu vertreten ist, ist auch der Rückstufungsschaden hälftig zu teilen (Senatsurteil BGHZ 44, 382, 387 f.; OLG Karlsruhe, VersR 1992, 67, 68; LG Ulm, VersR 1993, 334; vgl. Klunzinger, NJW 1969, 2113, 2116; Becker /Böhme, Kraftverkehrshaftpflichtschäden, 22. Aufl., D 84; GeigelSchlegelmilch , Haftpflichtprozess, 24. Aufl., § 13 Rn. 88).
- 12
- c) Die Fragen, ob und inwieweit die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung zum Ausgleich des Schadens erforderlich ist, wenn der Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer die Regulierung ihres Schadensanteils sofort angeboten haben (vgl. zur Erforderlichkeit von Rechtsanwaltsgebühren als Rechtsverfolgungskosten Senatsurteil vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04 - aaO; zur Inanspruchnahme der Kaskoversicherung Becker/Böhme, Kraftverkehrshaftpflichtschäden , 22. Aufl., Rn. D 84) oder ob der Geschädigte bei geringer Fremdbeteiligung gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt (verneinend OLG Hamm, VersR 1993, 1545; LG Aachen, DAR 2000, 36; AG Gießen , DAR 1995, 29; AG Münster, VersR 2001, 781, 782), wirft der Streitfall nicht auf, weil die Beklagten nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen die Haftung zunächst dem Grunde nach bestritten haben. Jedenfalls unter diesen Umständen war die Klägerin berechtigt, die Versicherung in Anspruch zu nehmen.
- 13
- 3. Da keine weiteren Feststellungen zu treffen waren, konnte der Senat nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
AG Mitte, Entscheidung vom 07.10.2004 - 106 C 3486/03 -
LG Berlin, Entscheidung vom 17.01.2005 - 58 S 384/04 -
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(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.