Bundesgerichtshof Urteil, 01. Juni 2016 - IV ZR 80/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:010616UIVZR80.15.0
bei uns veröffentlicht am01.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 80/15 Verkündet am:
1. Juni 2016
Heinekamp
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
EGVVG Art. 9 Abs. 4 vom 28. Juni 1990
Der im Inland niedergelassene Versicherungsmakler ist in der Regel Mittelsperson
im Sinne des Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F.
BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 - IV ZR 80/15 - OLG München in Augsburg
LG Memmingen
ECLI:DE:BGH:2016:010616UIVZR80.15.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2016

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München - 14. Zivilsenat - vom 8. Januar 2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der im Inland lebende Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages nach Widerspruch gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.
2
Er schloss bei der Beklagten, einem Versicherer mit Sitz in L. , mit Versicherungsbeginn zum 1. April 2006 eine fondsgebundene Lebensversicherung ab. Hierzu reichte er über einen in Deutschland ansässigen Versicherungsmakler einen schriftlichen Formularantrag bei der Beklagten ein, die ihm hierauf ein als "Versicherungs-Police" bezeichnetes Schriftstück (im Folgenden: Police) übersandte.
3
Der Versicherung lagen "Allgemeine Versicherungsbedingungen für fondsgebundene Kapitalisationsversicherungen" (im Folgenden: "AVB") der Beklagten zugrunde, welche auszugsweise wie folgt lauten: "14.1. Grundlagen des Versicherungsvertrags bilden  Ihr Versicherungsantrag  die vorliegenden Allgemeinen Versicherungsbedin- gungen. Im übrigen sind die materiellen Bestimmungen des l. Versicherungsvertragsgesetzes anwendbar, soweit nicht zwingendes Recht im Wohnsitzland des Versicherungsnehmers eine für ihn günstigere Lösung vorsieht. […] 14.4. […] Gerichtsstand ist V. L. ."
4
Sowohl die Police als auch die AVB enthielten Belehrungen über Rücktrittsrechte des Versicherungsnehmers.
5
In der Folgezeit erbrachte der Kläger Beitragszahlungen in Höhe von 13.000 €. Mit Schreiben vom 21. April 2011 erklärte er "den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. bzw. den Rücktritt nach § 8 VVG a.F., hilfsweise die Kündigung". Die Beklagte wies den Widerspruch zurück und zahlte den Rückkaufswert von 6.529,90 € aus.
6
Mit der Klage verlangt der Kläger Rückzahlung aller von ihm entrichteten Versicherungsbeiträge sowie die Herausgabe der von der Beklagten hieraus gezogenen Nutzungen abzüglich des bereits erstatteten Rückkaufswerts, insgesamt 10.473,31 €. Die Beklagte hat geltend gemacht , die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei nicht ge- geben. Des Weiteren sieht sie den Widerspruch des Klägers nach § 5a VVG a.F. u.a. deshalb als unwirksam an, weil die Parteien für den Versicherungsvertrag des Klägers verbindlich die Geltung l . Rechts vereinbart hätten.
7
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 6.470,10 € verurteilt. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 6.080,10 € verurteilt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

8
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
9
I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in VersR 2015, 1153 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dass sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus § 215 Abs. 1 VVG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 EGVVG ergebe. Die vorrangigen Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO 2001) oder des Luganer Übereinkommens vom 30. Oktober 2007 (LugÜ 2007) seien nicht einschlägig. Die Gerichtsstandsklausel in Ziff. 14.4. der AVB sei gemäß § 215 Abs. 3 VVG unbeachtlich und auch nicht nach Art. 23 EuGVVO2001 zulässig.
10
Auf den Versicherungsvertrag des Klägers sei nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4, Art. 8 EGVVG in der bis zum 16. Dezember 2009 gültigen Fassung zwingend deutsches Sachrecht anzuwenden. Art. 9 Abs. 4 EGVVG eröff- ne die Möglichkeit zur Rechtswahl nur dann, wenn ein Versicherer im Inland überhaupt nicht in Erscheinung trete. Letzteres sei schon dann der Fall, wenn Maklern Vermittlungsprovisionen versprochen und die für die Vertragsanbahnung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Die Beklagte habe dem eingeschalteten Makler zudem die Identitätsprüfung des Antragstellers übertragen und ihm eine eigene PartnerNummer zugewiesen. Dem im Inland angeworbenen Versicherungsnehmer solle der vom deutschen Versicherungsvertragsrecht gewährte Mindestschutz erhalten bleiben. Dem stünden weder Vorschriften noch Prinzipien des Europarechts entgegen.
11
Mangels Vertragsschlusses im Antragsmodell sei der Kläger gemäß § 5a VVG a.F. zum Widerspruch berechtigt gewesen. Seine Widerspruchserklärung sei nicht verfristet, da die schriftlich erteilten Belehrungen den Anforderungen des § 5a VVG a.F. nicht genügten. Auf den danach gegebenen Prämienrückzahlungsanspruch des Klägers sei lediglich der Wert des von ihm genossenen Versicherungsschutzes anzurechnen.
12
II. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.
13
1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch in Anbetracht von § 545 Abs. 2 ZPO im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - I ZR 49/04, BGHZ 173, 57 Rn. 21), ergibt sich - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - aus § 215 Abs. 1 VVG in der derzeit geltenden Fassung. Hiergegen wendet sich die Beklagte im Revisionsverfahren zu Recht nicht mehr.
14
a) Die nationalen Zuständigkeitsvorschriften werden hier nicht durch die Regelungen der EuGVVO 2001 oder des LugÜ 2007 verdrängt, welche jeweils nach Maßgabe ihres Art. 4 Abs. 1 nicht anwendbar sind. Die Beklagte hat weder im Sinne von Art. 4, 60 Abs. 1 EuGVVO 2001 ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates noch gemäß den Art. 4, 60 Abs. 1 LugÜ 2007 im Hoheitsgebiet eines durch das Übereinkommen , dem das F. nicht beigetreten ist (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - I ZR 49/04, aaO Rn. 22 m.w.N.), gebundenen Staates. Ebenso ist für die Klage keine vom Wohnsitz unabhängige Zuständigkeit nach den vorrangigen Art. 22, 23 EuGVVO 2001 und LugÜ 2007 begründet, deren Voraussetzungen hier nicht vorliegen.
15
b) Die internationale Zuständigkeit für die Klage ergibt sich danach mittelbar aus den nationalen Vorschriften für die örtliche Zuständigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 aaO Rn. 23 m.w.N.), hier aus § 215 Abs. 1 VVG.
16
Den damit gegebenen deutschen Gerichtsstand konnten die Parteien nicht in den AVB wirksam derogieren. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer zulässigen Vereinbarung nach § 215 Abs. 3 VVG liegen nicht vor. Eine darüber hinausgehende Wahl des zuständigen Gerichts sieht das Gesetz nicht vor (vgl. Gesetzesbegründung zu § 215 Abs. 3 VVG, BT-Drucks. 16/3945 S. 117; OLG Dresden, Urteil vom 23. Mai 2013 - 4 U 1965/12, nicht veröffentlicht S. 7).
17
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Streitfall nach deutschem Sachrecht zu beurteilen ist.
18
a) Das anwendbare Recht bestimmt sich hier nach den Art. 7 ff. EGVVG in der bei Abschluss der streitgegenständlichen Versicherung geltenden Fassung.
19
aa) Gemäß Art. 7 Abs. 1 EGVVG a.F. sind diese Vorschriften auf Versicherungsverträge mit Ausnahme der Rückversicherung anzuwenden , wenn sie in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum belegene Risiken decken. Dabei ist Mitglied- oder Vertragsstaat, in dem das Risiko belegen ist, nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a EGVVG a.F. in allen Fällen, in denen - wie hier - die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1-3 EGVVG a.F. nicht vorliegen und der Versicherungsnehmer eine natürliche Person ist, der Mitglied- oder Vertragsstaat , in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Diese Voraussetzungen sind gegeben, da der Kläger bei Vertragsschluss in Deutschland lebte.
20
bb) Die Art. 7 ff. EGVVG a.F. sind auch in zeitlicher Hinsicht einschlägig. Sie werden insbesondere nicht von der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I-VO) verdrängt, die nach ihrem Art. 28 nur auf Verträge Anwendung findet, welche ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden. Ihre Anwendung ist aber auch nicht insofern ausgeschlossen , als sie durch Art. 2 Abs. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 25. Juni 2009 (BGBl. I S. 1574) mit Wirkung zum 17. Dezember 2009 aufgehoben wurden, da dies nur zeitlich nachfolgende Verträge betrifft, während "Altfälle", d.h. Versicherungsverträge, die vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden, nach dem bis dahin geltenden Kollisionsrecht zu beurteilen sind (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/12104 S. 11; OLG Brandenburg NJW-RR 2013, 870, 871; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. Anh. Rom I-VO Rn. 1; Roth in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl.
§ 4 Rn. 18; Kreuzer/Wagner/Reder in Dauses, EU-Wirtschaftsrecht R Rn. 240 (Stand: September 2015)).
21
cc) Das in Anwendung der Art. 7 ff. EGVVG a.F. ermittelte Versicherungsvertragsstatut umfasst die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche. Seine Reichweite ergibt sich aus Art. 15 EGVVG i.V.m. den Art. 31, 32 EGBGB jeweils in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung. Danach bestimmt es über sämtliche Rechtsfragen, welche die Entstehung , materielle Wirksamkeit, Auslegung, Abwicklung und Beendigung von Verträgen über Versicherungsleistungen und die daraus entspringenden Ansprüche, ferner etwaige gesetzliche Vermutungen und die Beweislast betreffen (Dörner in Bruck/Möller, 9. Aufl. 1. Abschnitt: Einführung Rn. 26). Es erstreckt sich gemäß Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB a.F. insbesondere auch auf die Rückabwicklung eines Vertrages infolge seiner fehlenden Wirksamkeit.
22
b) Das Versicherungsvertragsstatut richtet sich im Streitfall nach der Regelanknüpfung des Art. 8 EGVVG a.F. Danach ist das Recht des Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft anzuwenden, in dem der Versicherungsnehmer bei Schließung des Vertrages seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Hauptverwaltung hat und zugleich das versicherte Risiko belegen ist. Dabei gilt als Mitgliedstaat der Risikobelegenheit nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a EGVVG a.F. hier - wie bereits unter a aa ausgeführt - der Mitgliedstaat, in dem der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies führt zur Anwendbarkeit deutschen Sachrechts.
23
c) Dem steht die in Ziff. 14.1. Satz 2 der AVB vorgesehene Anwendbarkeit des l. Versicherungsvertragsgesetzes nicht entgegen. Das deutsche Kollisionsrecht eröffnete den Parteien schon keine Möglichkeit zur entsprechenden Rechtswahl. Entgegen der Auffassung der Revision folgt aus Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. nichts anderes. Nach dessen Maßgabe kann als Versicherungsvertragsstatut jedes beliebige Recht gewählt werden, wenn ein Versicherungsnehmer mit gewöhnlichem Aufenthalt oder Hauptverwaltung im Geltungsbereich des EGVVG einen Versicherungsvertrag mit einem Versicherungsunternehmen schließt, welches das Versicherungsgeschäft im Geltungsbereich des EGVVG weder selbst noch durch Mittelspersonen betreibt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
24
aa) Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass der den Vertragsabschluss hier vermittelnde Versicherungsmakler Mittelsperson im Sinne des Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. ist.
25
(1) Der Begriff der Mittelsperson ist im Gesetz nicht näher erläutert. Er wurde durch das Zweite Durchführungsgesetz/EWG zum VAG vom 28. Juni 1990 (BGBl. I S. 1249) zugleich mit dem Inkrafttreten von Art. 9 EGVVG a.F. auch in das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) eingeführt. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte er zur Straffung des Textes im seinerzeit neugefassten § 105 Abs. 1 VAG a.F. die zuvor bestehende Aufzählung von verschiedenen "Vermittlern" ersetzen und zugleich klarstellen, dass damit nicht nur der Außendienst der Versicherer gemeint sei. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, sollte er - wie in der Begründung zum Gesetzesentwurf ausdrücklich betont wird - insbesondere auch die Versicherungsmakler erfassen (BT-Drucks. 11/6341 S. 24). Durch die Verwendung des Begriffes in Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. beabsichtigte der Gesetzgeber eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Norm auf die so genannte Korrespondenzversicherung, die der Versicherungsnehmer im Korrespondenzweg, durch andere Kommunikationsmittel oder anlässlich eines Auslandsaufenthaltes bei einem ausländischen Versicherungsunternehmen abschließt (BT-Drucks. 11/6341 S. 24, 38).
26
Auf dieser Grundlage sieht das Schrifttum nahezu einhellig auch den Versicherungsmakler als Mittelsperson im Sinne des Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. an (so: Dörner in BK-VVG, Art. 9 EGVVG Rn. 42; Schäfer in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. Internationales Versicherungsvertragsrecht Rn. 255; Armbrüster in Prölss/Martin aaO Rn. 30; MünchKomm-BGB/Martiny, 4. Aufl. Art. 37 EGBGB Rn. 106; Staudinger/ Armbrüster (2011), Anhang zu Art. 7 Rom I-VO Rn. 34; Geiger, Der Schutz der Versicherten im Europäischen Binnenmarkt, 1992 S. 128; Gruber, Internationales Versicherungsvertragsrecht, 1999 S. 93 f.; Kramer , Internationales Versicherungsvertragsrecht, 1995 S. 204 f.; Liauh, Internationales Versicherungsvertragsrecht, 2000 S. 53; Uebel, Die deutschen Kollisionsnormen für (Erst-)Versicherungsverträge mit Ausnahme der Lebensversicherung über in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft belegene Risiken, 1994 S. 129; von Oertzen, Asset Protection im deutschen Recht, 2007 Rn. 163; Hübner in Europäisches Gemeinschaftrecht und Internationales Privatrecht, S. 111, 119; Basedow/Drasch, NJW 1991, 785, 791 f.; Imbusch, VersR 1993, 1059, 1063; Worgulla/ Thonemann, ErbStB 2008, 171, 173; a.A. für den "autonom auftretenden Makler": Roth in Beckmann/Matusche-Beckmann, VersicherungsrechtsHandbuch 2. Aufl. § 4 Rn. 112; für den "unabhängigen Makler": Winter, VersR 2001, 1461, 1467).
27
(2) Daran ist zutreffend, dass der im Inland niedergelassene Versicherungsmakler in der Regel Mittelsperson im Sinne des Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. ist (hierzu (a)). Ob er stets als Mittelsperson qualifiziert werden muss, bedarf keiner Entscheidung, weil er jedenfalls im Streitfall als solche anzusehen ist (hierzu (b)).
28
(a) Hinter der begrenzten Eröffnung der allgemeinen Rechtswahl in den Fällen des Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. stand die Erwägung, dass ein Versicherungsnehmer mit Sitz im Inland dann keines Schutzes gegen das Aufdrängen eines fremden Versicherungsvertragsrechts bedarf, wenn er - anders als der typische Verbraucher - aus eigener Initiative den Geltungsbereich der deutschen Gesetze verlässt, indem er sich ins Ausland begibt (Dörner in Bruck/Möller aaO Rn. 28; ders. in BK-VVG aaO Rn. 39; Schäfer in Looschelders/Pohlmann aaO; Roth in Beckmann /Matusche-Beckmann, 2. Aufl. aaO; Basedow/Drasch aaO 792; Mankowski, VersR 1993, 154, 162; ders., VersR 1999, 923, 930; Worgulla /Thonemann aaO 172 f.; ähnlich: OLG Dresden, Urteil vom 23. Mai 2013 - 4 U 1965/12, nicht veröffentlicht, S. 9; Staudinger/Armbrüster aaO Rn. 33; Geiger aaO S. 128; zur Verwendung in § 105 VAG: Laars, VAG 3. Aufl. § 105 Rn. 2; Pohlmann in Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG 5. Aufl. § 105 Rn. 39; Prölss, VAG 12. Aufl. § 105 Rn. 8). Dem steht es nicht gleich, wenn sich ein Versicherungsnehmer auf der Suche nach geeignetem Versicherungsschutz an einen Versicherungsmakler im Inland wendet, der ihm in der Folge Versicherungsschutz im Ausland vermittelt , weil sich der Versicherungsnehmer in solchen Fällen nicht auf eigene Veranlassung hin aus dem Geltungsbereich des deutschen Versicherungsvertragsrechts hinaus begibt.
29
Daran ändert der von der Revision hervorgehobene Umstand nichts, dass der Versicherungsmakler im Bereich des Versicherungsverhältnisses als treuhänderischer Sachwalter des von ihm betreuten Versicherungsnehmers in dessen Lager steht und dessen Interessen wahrzunehmen hat (vgl. Senatsurteil vom 26. März 2014 - IV ZR 422/12, VersR 2014, 625 Rn. 25; BGH, Urteile vom 12. Dezember 2013 - III ZR 124/13, BGHZ 199, 216 Rn. 13; vom 20. Januar 2005 - III ZR 251/04, BGHZ 162, 67, 78; jeweils m.w.N.). Damit mag der Versicherungsnehmer zwar nicht in gleicher Weise schutzbedürftig erscheinen, wie in Fällen, in denen er bei Vertragsschluss über keinen entsprechenden Berater verfügte. Auch eine entsprechende Beratung lässt das durch die gesetzliche Regelung anerkannte Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers aber nicht zur Gänze entfallen. Dies wird schon aus der Einordnung des Versicherungsmaklers in den Gesetzgebungsmaterialien deutlich. Diese ist entgegen der Auffassung der Revision nicht etwa deshalb als überholt anzusehen , weil sich die Schutzbedürftigkeit des Versicherungsnehmers seither verändert hätte. Vielmehr war schon vor Einführung des Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. anerkannt, dass der Versicherungsmakler als treuhänderischer Sachwalter des Versicherungsnehmers anzusehen ist, den umfassende Pflichten gegenüber jenem treffen (Senatsurteil vom 22. Mai 1985 - IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356, 359).
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Entgegen der Ansicht der Revision ist auch nicht erkennbar, inwiefern schon sprachlich ein Betreiben des Versicherungsgeschäfts durch Mittelspersonen ausscheidet, wenn Versicherungsverträge über Versicherungsmakler zustande kommen. Trotz seiner Nähe zum Versicherungsnehmer steht der Versicherungsmakler in einem Doppelrechtsverhältnis zum Versicherungsnehmer einerseits und zum Versicherer andererseits (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Oktober 1994 - IV ZR 39/94, juris; MünchKomm-VVG/Reiff, 2. Aufl. § 59 VVG Rn. 43; Pohlmann in Fahr/ Kaulbach/Bähr/Pohlmann aaO Rn. 46; Reiff, VersR 2012, 645), was seine grundsätzliche Einordnung als Mittelsperson nicht in Frage stellt, sondern unterstreicht.
31
(b) Nach dieser Maßgabe ist im Streitfall der Versicherungsmakler des Klägers als Mittelsperson der Beklagten im Sinne von Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. anzusehen.

32
Dabei ist weder entscheidend, ob die Beklagte, wie sie vorgetragen hat, im Inland nicht selbst aktiv geworden ist, noch ist von Belang, wie die Identitätsprüfung des Klägers erfolgte. Vielmehr ist ausschlaggebend , dass dem Kläger Versicherungsschutz seitens der im Ausland ansässigen Beklagten durch einen Dritten, der als Versicherungsmakler auch in Rechtsbeziehung zur Beklagten stand, im Inland offeriert wurde.
33
Ob ausnahmsweise eine abweichende Einordnung des Versicherungsmaklers geboten wäre, wenn sich dieser im Auftrag des Versicherungsnehmers eigens außerhalb Deutschlands auf die Suche begibt,um dort geeignet erscheinenden Versicherungsschutz zu beschaffen, kann insofern offen bleiben. Dieser Sonderfall liegt hier nach den getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichtsnicht vor.
34
bb) Auch die übrigen Voraussetzungen, die eine Beschränkung der in Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. eröffneten Rechtswahl begründen, sind hier unabhängig davon, welche Anforderungen insofern an die Mitwirkung des Versicherungsmaklers zu stellen sind, gegeben.
35
Nach einer am Wortlaut der Vorschrift orientierten Ansicht genügt es, wenn der ausländische Versicherer über einen Mittelsmann in Deutschland tätig ist, ohne dass dieser etwas mit dem Vertragsschluss im konkreten Fall zu tun haben muss (MünchKomm-BGB/Martiny aaO; Staudinger/Armbrüster aaO Rn. 34; Armbrüster in Prölss/Martin aaO; Schäfer in Looschelders/Pohlmann aaO; Gruber aaO S. 92, 95; Kramer aaO S. 208 f.; von Oertzen aaO). Nach der mehr auf den Gesetzeszweck abstellenden Gegenauffassung ist die Rechtswahl gemäß Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. hingegen nur dann ausgeschlossen, wenn der konkrete Vertrag durch Vermittlung einer inländischen Mittelsperson des Versicherers zustande gekommen ist (Dörner, Internationales Versicherungsvertragsrecht , 1997 Art. 9 EGVVG Rn. 42; ders. in BK-VVG, Art. 9 EGVVG Rn. 42; Geiger aaO S. 128 f.; Basedow/Drasch aaO; Worgulla/Thonemann aaO 171, 174; differenzierend: Pohlmann in Fahr/Kaulbach/Bähr/ Pohlmann aaO Rn. 43 f.)
36
Der Meinungsstreit kann hier offenbleiben. Da der streitgegenständliche Versicherungsvertrag im Inland durch einen Versicherungsmakler als Mittelsperson der Beklagten vermittelt worden war, war nach allen genannten Ansichten die Rechtswahl nach Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. nicht eröffnet.
37
cc) Eine teleologische Erweiterung des Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. im Sinne einer Ausdehnung der Rechtswahlmöglichkeit nach den Grundsätzen der richtlinienkonformen Auslegung ist nicht geboten. Der Senat ist entgegen der Anregung der Revision nicht gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gehalten, zunächst eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Frage einzuholen, ob die Vorgaben der Richtlinie 2002/83/EG vom 5. November 2002 (im Folgenden : Vierte Richtlinie Lebensversicherung) einer Qualifikation des Versicherungsmaklers als Mittelsperson nach Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. entgegenstehen. Dabei kann offenbleiben, ob eine solche Rechtssicht angesichts der eindeutigen Entscheidung des deutschen Gesetzgebers (BT-Drucks. 11/6341 S. 24) im Wege der richtlinienkonformen Auslegung überhaupt umgesetzt werden könnte (vgl. BVerfGE 119, 247, 274; BVerfG, NJW 2012, 669 Rn. 45-47, jeweils m.w.N.). Einer entsprechenden Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es schon deshalb nicht, weil die richtige Auslegung der Vierten Richtlinie Lebensversicherung bezogen auf die Eröffnung der Rechtswahl durch Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. hier keinen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerfG r+s 2015, 332 Rn. 28).
38
(1) Die Vierte Richtlinie Lebensversicherung verpflichtet die Mitgliedstaaten entgegen der Auffassung der Revision nicht, eine Rechtswahl für Versicherungsverträge zwischen einem Versicherungsnehmer mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat und dem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Versicherer zu ermöglichen, soweit der Vertragsschluss über einen Versicherungsmaklererfolgte, der in dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat.
39
Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie gewährleistet den Parteien des Versicherungsvertrages eine (beschränkte) Rechtswahl dann, wenn der Versicherungsnehmer eine natürliche Person ist, die ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem anderen Mitgliedstaat hat als dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
40
Im Übrigen sieht die Richtlinie in Art. 32 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Buchst. g die Möglichkeit der Rechtswahl ausschließlich vor, sofern dies nach dem Recht des Mitgliedstaates zulässig ist, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder sich - im Falle der juristischen Person - seine Niederlassung befindet, auf die sich der Vertrag bezieht. Diese Regelung, die ihren Ursprung in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a und d der Richtlinie 88/357/EWG vom 22. Juni 1988 (im Folgenden : Zweite Richtlinie Schadensversicherung) hat, gibt den Mitgliedstaaten - als Kompromiss zur Eröffnung der Parteiautonomie - nationale Spielräume, über die zwingenden Vorgaben der Richtlinie hinaus Rechtswahlfreiheit in Fällen einzuräumen, in denen kraft objektiver Anknüpfung nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 ihr Recht Vertragsstatut wäre (vgl.
Roth in BK-VVG, Europ. VersR Rn. 132, 137; Dörner in Bruck/Möller aaO Rn. 29; MünchKomm-VVG/Looschelders, Internationales Versicherungsvertragsrecht Rn. 72; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, 1999 S. 231 f.; Schnyder, EuropäischesBankenund Versicherungsrecht, 2005 S. 207; Stehl, Die Überwindung der Inkohärenz des Internationalen Privatrechts der Bank- und Versicherungsverträge , 2008 S. 149; Uebel aaO S. 41; Perner, IPRax 2009, 218, 221). Diese Befugnis hat der deutsche Gesetzgeber in Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. genutzt, wobei er sich von seiner Einschätzung der Schutzbedürftigkeit des Versicherungsnehmers hat leiten lassen (Mankowski, VersR 1993, 154, 162).
41
(2) Das widerspricht - anders als die Revision meint - nicht den Vorgaben des Art. 33 der Vierten Richtlinie Lebensversicherung. Danach darf der Mitgliedstaat der Verpflichtung den Versicherungsnehmer nicht daran hindern, einen Vertrag mit einem gemäß Art. 4 der Richtlinie zugelassenen Versicherungsunternehmen zu schließen, solange der Vertrag nicht im Widerspruch zu den in dem Mitgliedstaat der Verpflichtung geltenden Rechtsvorschriften des Allgemeininteresses steht. Diese Bestimmung , die Art. 28 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 (im Folgenden: Dritte Richtlinie Lebensversicherung) entspricht, ist darauf gerichtet, das nationale Aufsichts-, Eingriffs- und zwingende Privatrecht einer Kontrolle nach den Maßstäben der primärrechtlich gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit zu unterziehen (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 25. November 2005 - E-1/05 Rn. 34, abrufbar unter www.eftacourt.int; Pearson in International Insurance Contract Law in the EC, 1993 S. 1, 9; Roth in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 4 Rn. 14). Dabei kann dahinstehen, ob die Vorschrift insofern (auch) als Norm des internationalen Privatrechts anzusehen ist (befür- wortend: Mewes, Internationales Versicherungsvertragsrecht unter besonderer Berücksichtigung der europäischen Dienstleistungsfreiheit im Gemeinsamen Markt, 1995 S. 193-195, 225; Stehl aaO S. 154; Smulders /Glazener, CML Rev. 1992, 775, 796; ablehnend: Geiger aaO S. 325; Fahr, VersR 1992, 1033, 1036; alle zu Art. 28 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung). Jedenfalls gewährleistet sie entgegen der Auffassung der Revision nicht die dispositive Anknüpfung des Vertragsstatuts an das Recht des Herkunftsstaats des Versicherers, von der ein Mitgliedstaat nur unter Berufung auf das Allgemeininteresse abrücken dürfte (vgl. Roth in BK-VVG aaO Rn. 105; Drasch, Das Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, 1997 S. 217, 221; zum Begriff des Allgemeininteresses : EuGH, Slg. 1986, 3793 = NJW 1987, 572 Rn. 27).
42
Dies ergibt sich bereits aus ihrer systematischen Stellung im Anschluss an Art. 32 der Vierten Richtlinie Lebensversicherung, der eine ausdifferenzierte kollisionsrechtliche Regelung zu den Rechtswahlmöglichkeiten der Vertragsparteien enthält, die im Falle der Auslegung des Art. 33 im Sinne der Revision weitgehend ihren Sinn verlöre und überflüssig würde (vgl. Drasch aaO S. 216 zu Art. 28 der Dritten Richtlinie Lebens- und Schadensversicherung; Mankowski, VersR 1993, 154, 159 zum vergleichbaren Problem des Verweises in der Zweiten Richtlinie Schadensversicherung auf das EVÜ).
43
Die grundsätzliche Anknüpfung der Lebensversicherungsverträge an den gewöhnlichen Aufenthalt des Versicherungsnehmers wurde aus Gründen des kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzes vorgesehen (vgl. Franzen aaO S. 234). Diesem Sinn und Zweck liefe es zuwider, wenn Art. 33 der Vierten Richtlinie Lebensversicherung ohne weiteres eine Rechtswahl zugunsten des Rechts des Versicherers eröffnete, dieselbst die spätere Rom I-VO nicht vorsieht (vgl. deren Art. 7 Abs. 3). Zwar dient die Richtlinie ausweislich ihres 46. Erwägungsgrundes, den die Revision zu Recht zitiert, der Produktauswahlfreiheit zugunsten des Versicherungsnehmers. Demgegenüber betont der 44. Erwägungsgrund aber zugleich die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, die Anwendung ihres eigenen Rechts bei Versicherungsverträgen vorzuschreiben, bei denen Versicherer Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen (vgl. Drasch aaO S. 217).
44
Nicht zuletzt spricht die Entstehungsgeschichte der Vorschrift offenkundig gegen die Deutung von Art. 33 der Vierten Richtlinie Lebensversicherung im Sinne der Verbürgung einer dispositiven Anknüpfung des Vertragsstatuts an das Recht des Mitgliedstaates, in dem sich die Niederlassung des Versicherers befindet. Art. 25 des Vorschlags der Kommission vom 27. Juli 1990 (ABl. EG 1990 Nr. C 244/28) und Art. 24 des Vorschlags der Kommission vom 25. Februar 1991 (ABl. EG 1991 Nr. C 99/2) für eine Dritte Richtlinie Lebensversicherung sahen vor, dass der Mitgliedstaat der Verpflichtung den Versicherungsnehmer grundsätzlich nicht daran hindern dürfe, einen Vertrag "gemäß der Regelung des Herkunftsmitgliedstaats“ zu unterzeichnen. Nachdem im Schrifttum Stimmen laut geworden waren, die darin eine Kollisionsregel erblickten (vgl. Lorenz, ZVersWiss 1991, 121, 139; Reichert-Facilides in International Insurance Contract Law in the EC, 1993 S. 11, 14 f.), wies die Kommission darauf hin, dass ein derartiger Regelungsgehalt nicht beabsichtigt sei (Geiger aaO S. 325; Stehl aaO S. 153; Fahr, VersR 1992, 1033, 1036). Letztlich wurde Art. 28 der erlassenen Richtlinie dahin gefasst, dass der Mitgliedstaat der Verpflichtung den Versicherungsnehmer grundsätzlich nicht daran hindern dürfe, einen Vertrag zu unterzeichnen, der "mit einem gemäß […] zugelassenen Versicherungsunternehmen" abgeschlossen wurde. Ungeachtet der Frage, ob die Entwurfsfassung im Sinne der Revision auszulegen gewesen wäre, spricht die Endfassung der Vorschrift, deren Wortlaut von Art. 33 der Vierten Richtlinie Lebensversicherung insoweit nicht abweicht, eindeutig für eine Verbürgung nur der freien Wahl des Versicherers, nicht aber des Rechts seines Herkunftsstaates.
45
(3) Auch die Grundsätze der so genannten passiven Dienstleistungsfreiheit veranlassen keine abweichende Auslegung des Begriffs der Mittelsperson in Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. Anders als die Revision meint, gebieten sie insbesondere nicht, dass bei Zustandekommen eines Lebensversicherungsvertrages über einen Versicherungsmakler, der in dem Mitgliedsstaat niedergelassen ist, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, dieselben Rechtswahlmöglichkeiten bestehen müssten wie beim Abschluss im Korrespondenzwege.
46
Das Konzept der passiven Dienstleistungsfreiheit wurde durch die Richtlinie 90/619/EWG vom 8. November 1990 (im Folgenden: Zweite Richtlinie Lebensversicherung) zur Begrenzung der Reichweite der Aufsichtsbefugnisse im Bestimmungsstaat der Dienstleistung eingeführt und bereits nach Maßgabe der Dritten Richtlinie Lebensversicherung von der umfassenden Dienstleistungsfreiheit wieder abgelöst (vgl. Geiger aaO S. 285; Schnyder aaO S. 42; Stehl aaO S. 152). Dabei erfolgte die Unterscheidung zwischen gewährleisteter passiver und (noch) nicht eröffneter aktiver Dienstleistungsfreiheit auf Grundlage des Initiativmodells gemäß Art. 13 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung (vgl. Schnyder aaO; Stehl aaO). Danach galt das Herkunftslandprinzip, wenn sich der Versicherungsnehmer auf eigene Initiative u.U. auch über einen Versicherungsmakler an einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Versicherer wandte (Geiger aaO S. 285; vgl. auch: Becker, VW 1990, 682, 684 f.).
47
Während das Initiativmodell für das Versicherungsaufsichtsrecht vorübergehend Geltung erlangte, findet sich in der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung für den Bereich des Kollisionsrechts keine entsprechende Differenzierung (Schnyder in Aspekte des internationalen Versicherungsvertragsrechts im Europäischen Wirtschaftsraum, 1994 S. 49, 62; Stehl aaO S. 152). Zwar sah Art. 4 Abs. 3 des Vorschlags der Kommission für eine Zweite Richtlinie Lebensversicherung vom 23. Dezember 1988 (ABl. EG 1989 Nr. C 38/7) für den Fall, dass sich der Versicherungsnehmer auf eigene Initiative an den Versicherer wendet, vor, dass der Staat, dessen Recht auf den Vertrag Anwendung findet, dem Versicherungsnehmer nicht verbieten kann, eine Verpflichtung einzugehen, die nach dem Recht des Herkunftslandes, welches das Land bezeichnet, in dem sich der Sitz des Versicherers befindet (Kollhosser in Prölss aaO Vor § 110a Rn. 2), zulässig ist. Unabhängig davon, ob diese Bestimmung im Sinne der Revision auszulegen gewesen wäre, wurde sie aber nicht Teil der erlassenen Richtlinie. Vielmehr stellen deren kollisionsrechtlichen Vorgaben nicht auf die Umstände des Vertragsschlussesab (Stehl aaO 151 f.), so dass der deutsche Gesetzgeber nicht daran gehindert war, bei der begrenzten Eröffnung der Rechtswahl in Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. entsprechend seiner Einschätzung des Schutzbedürfnisses des Versicherungsnehmers zu differenzieren.
48
3. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger gegen die Beklagte der zuerkannte Bereicherungsanspruch zusteht.
49
a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlungen, da er infolge des Widerspruchs des Klägers nicht wirksam zustande gekommen ist. Der Kläger war gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. zum Widerspruch be- rechtigt und übte dieses Recht - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist- rechtzeitig aus.
50
aa) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Versicherungsvertrag im sogenannten Policenmodell des § 5a VVG a.F. zustande gekommen. Weiterhin hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Beklagte den Kläger nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das ihm zustehende Widerspruchsrecht belehrte. Dagegen erhebt die Revision keine Rügen.
51
bb) Für einen solchen Fall der nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Es bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
52
Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
53
b) Das Berufungsgericht ist danach zutreffend davon ausgegangen , dass der Kläger von der Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Rückzahlung der von ihm entrichteten Versicherungsbeiträge verlangen kann, wobei zu Lasten des Klägers der Wert des von ihm bis zu seinem Widerspruch genossenen Versicherungsschutzes anzurechnen ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Memmingen, Entscheidung vom 09.04.2014- 32 O 651/13 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 08.01.2015- 14 U 2110/14 -

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 01. Juni 2016 - IV ZR 80/15 zitiert 7 §§.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 545 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. (2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 8 Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers; Verordnungsermächtigung


(1) Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Der Widerruf ist in Textform gegenüber dem Versicherer zu erklären und muss keine Begründung enthalten; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 215 Gerichtsstand


(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnliche

Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG 2016 | § 105 Gegenparteiausfallrisikomodul


(1) Das Gegenparteiausfallrisikomodul trägt möglichen Verlusten Rechnung, die sich aus einem unerwarteten Ausfall oder der Verschlechterung der Bonität von Gegenparteien und Schuldnern des Versicherungsunternehmens während der nächsten zwölf Monate e

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(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.

(2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden.

(3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht.

(2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.

21
1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist, folgt für die gegen die in Liechtenstein ansässige Beklagte zu 1 gerichtete Klage aus § 32 ZPO und für die Klage gegen die in der Schweiz ansässigen Beklagten zu 2 und 3 aus Art. 5 Nr. 3 und Art. 54b Abs. 2 lit. a des LuganoÜbereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (BGBl. 1994 II, S. 2658).

(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.

(2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden.

(3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

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1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist, folgt für die gegen die in Liechtenstein ansässige Beklagte zu 1 gerichtete Klage aus § 32 ZPO und für die Klage gegen die in der Schweiz ansässigen Beklagten zu 2 und 3 aus Art. 5 Nr. 3 und Art. 54b Abs. 2 lit. a des LuganoÜbereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (BGBl. 1994 II, S. 2658).

(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.

(2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden.

(3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

(1) Das Gegenparteiausfallrisikomodul trägt möglichen Verlusten Rechnung, die sich aus einem unerwarteten Ausfall oder der Verschlechterung der Bonität von Gegenparteien und Schuldnern des Versicherungsunternehmens während der nächsten zwölf Monate ergeben.

(2) Das Gegenparteiausfallrisikomodul umfasst

1.
Verträge zur Risikominderung wie Rückversicherungsvereinbarungen, Verbriefungen und Derivate,
2.
Forderungen gegenüber Vermittlern und
3.
alle sonstigen Kreditrisiken, die nicht vom Spread-Risiko gemäß § 104 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 abgedeckt werden.
Das Gegenparteiausfallrisikomodul berücksichtigt in angemessener Weise akzessorische und sonstige Sicherheiten zugunsten der Versicherungsunternehmen, einschließlich der mit diesen Sicherheiten verbundenen Risiken.

(3) Das Gegenparteiausfallrisikomodul berücksichtigt für jede Gegenpartei die Gesamtrisikoexponierung des Versicherungsunternehmens in Bezug auf diese Gegenpartei unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Gegenpartei.

25
a) Die Pflichten des vom Versicherungsnehmer beauftragten Versicherungsmaklers gehen weit. Er wird als sein Interessen- oder sogar Abschlussvertreter angesehen. Wegen seiner umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich des Versicherungsverhältnisses des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderischer Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden (Senatsurteil vom 22. Mai 1985 - IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356, 359; BGH, Urteile vom 16. Juli 2009 - III ZR 21/09, VersR 2009, 1495 Rn. 8; vom 14. Juni 2007 - III ZR 269/06, NJWRR 2007, 1503 Rn. 10; vom 20. Januar 2005 - III ZR 251/04, BGHZ 162, 67, 78). Als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers hat er dessen Interessen wahrzunehmen und individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz zu besorgen; er muss von sich aus das Risiko untersuchen und das Objekt prüfen (Senatsurteil vom 22. Mai 1985 aaO; BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 aaO).
13
aa) Auch wenn nach der herkömmlichen Übung der Versicherungsmakler - ebenso wie der Versicherungsvertreter - im Erfolgsfalle seine Provision vom Versicherer und nicht vom Versicherungsnehmer erhält (so genannte Bruttopolice ), so besteht doch zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versi- cherungsmakler ein "vollwertiger" Maklervertrag. Der Versicherungsmakler ist Interessenvertreter des Versicherungsnehmers und daher zu einer umfassenden Betreuung aller Versicherungsinteressen seines Kunden und zu einer entsprechenden Beratung in Bezug auf den von ihm zu vermittelnden oder bereits vermittelten Versicherungsvertrag verpflichtet (Senatsurteile vom 20. Januar 2005 - III ZR 251/04 aaO S. 78; vom 19. Mai 2005 - III ZR 309/04 aaO S. 1426; vom 14. Juni 2007 - III ZR 269/06, NJW-RR 2007, 1503, 1504 Rn. 10 und vom 16. Juli 2009 - III ZR 21/09, NJW-RR 2009, 1688 Rn. 8).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 251/04
Verkündet am:
20. Januar 2005
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 307 Bh, 652; VVG §§ 165, 178; AGBG § 9 Bh

a) Vermittelt der Versicherungsmakler dem Kunden eine Lebensversicherung
mit Nettopolice, so entfällt seine vereinbarungsgemäß vom
Kunden - in Raten - zu zahlende Abschlußprovision nicht dadurch,
daß dieser die Versicherung vorzeitig kündigt.

b) Ein formularmäßiger Ausschluß aller Beratungspflichten des Versicherungsmaklers
, auch für den vermittelten Vertrag, benachteiligt
den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
und ist deswegen jedenfalls in bezug auf diesen Vertrag
gemäß § 9 AGBG (jetzt § 307 BGB) unwirksam.
BGH, Urteil vom 20. Januar 2005 - III ZR 251/04 - LG Karlsruhe
AG Ettlingen
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Streck, Dr. Kapsa, Galke und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 19. April 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin vermittelte der Beklagten am 28. Februa r 2000 einen Vertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung bei der in Luxemburg ansässigenA. S.A. mit einer Beitragssumme von 49.647,60 DM und einer Vertragslaufzeit von 35 Jahren, außerdem eine BeitragsfortzahlungsZusatzversicherung mit Leistung bei Berufsunfähigkeit und eine TodesfallZusatzversicherung mit vorzeitiger Sparzielabsicherung. Bei der Lebensversicherung handelte es sich um eine sogenannte Nettopolice, bei der die Versicherungsprämie keinen Provisionsanteil für die Vermittlung des Vertrags ent-
hält. Statt dessen unterzeichnete die Beklagte eine vorformulierte "Vermittlungsgebührenvereinbarung" , in der sie sich zur Zahlung einer Vermittlungsprovision an die Klägerin in Höhe von 4.054,02 DM, zahlbar in 36 Monatsraten zu je 112,61 DM, sowie von weiteren monatlich 1,56 DM (1 % des dann jeweils fälligen Versicherungsbeitrags) ab dem vierten Versicherungsjahr während der Laufzeit des Versicherungsvertrags verpflichtete. Im Gegenzug wurde die an den Versicherer zu leistende gesamte Prämie während der ersten drei Jahre von 156,40 DM auf 50,40 DM gesenkt. In der Vereinbarung heißt es unter anderem :
1. Der Handelsmakler wird vom Kunden beauftragt, ihm die nachfolgend gekennzeichneten Versicherungsverträge zu vermitteln. Er erhält vom Kunden für jeden vermittelten Versicherungsvertrag eine Vermittlungsgebühr. Der Handelsmakler erhält vom jeweiligen Versicherungsunternehmen für die Vermittlung des jeweiligen Versicherungsvertrages keine Vergütung. 2. Die vom Handelsmakler zu erbringende Leistung ist auf die Vermittlung des jeweiligen Versicherungsvertrages beschränkt. Eine über die Vermittlung des jeweiligen Versicherungsvertrages hinausgehende Beratungs- oder Betreuungspflicht ist nicht Gegenstand dieser Vereinbarung und wird vom Handelsmakler nicht geschuldet. … 4. Der Anspruch des Handelsmaklers gegenüber dem Kunden auf Zahlung der jeweiligen Vermittlungsgebühr in den ersten drei Versicherungsjahren … entsteht mit der Annahme des jeweiligen Versicherungsantrages durch das Versicherungsunternehmen , sofern der Kunde nicht nach den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes dem jeweiligen Versicherungsvertrag widerspricht oder seinen Rücktritt vom jeweiligen Versicherungsvertrag erklärt oder seinen Antrag widerruft. Die Vermittlungsgebührenansprüche des Handelsmaklers … bleiben jedoch von einer Än de-
rung oder vorzeitigen Beendigung des jeweiligen Versicherungsvertrages aus anderen Gründen unberührt. 5. Zur Sicherung der Ansprüche des Handelsmaklers auf Zahlung der jeweiligen Vermittlungsgebühr während der ersten drei Versicherungsjahre … tritt der Kunde seine gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche auf Versicherungsleistungen aus dem jeweils vermittelten (Haupt-)Versicherungsvertrag … an den Handelsmakler ab, der diese Abtretung annimmt.
Versicherungsbeginn war der 1. April 2000. Die Beklagt e zahlte über einen Treuhänder die Versicherungsprämie und die Maklercourtage bis zum März 2001. Danach kündigte sie den Versicherungsvertrag und stellte ihre Zahlungen ein. Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin nach Fälligstellung des Gesamtbetrags ihre restliche Vermittlungsprovision für die Zeit von April 2001 bis März 2003 in Höhe von 1.248,58 €. Die Beklagte hält die Vermittlungsgebührenvereinbarung für unwirksam und beruft sich unter anderem auf fehlerhafte und unvollständige Beratung durch die Klägerin.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihre r vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageforderung weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg.

I.


Das Berufungsgericht (5. Zivilkammer des Landgerichts Karl sruhe) hat unter Hinweis auf seine in NJW-RR 2003, 1470 = VersR 2004, 110 veröffentlichte frühere Entscheidung ausgeführt:
In diesem Urteil, dem ein dem vorliegenden Fall entsp rechender Sachverhalt zugrunde gelegen habe, habe die Kammer den Vermittlervertrag wegen Verstoßes der Provisionsvereinbarung gegen das dem Versicherungsnehmer durch das Versicherungsvertragsgesetz gewährleistete Recht der jederzeitigen Kündigung der Lebensversicherung als nach § 134 BGB nichtig angesehen. Die Fälligkeit des ganz überwiegenden Teils der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Vermittlungsprovision in den ersten Jahren der Versicherung und die Unverfallbarkeit dieser Provision, auch wenn der Versicherungsnehmer die Versicherung vorzeitig kündige oder in eine beitragsfreie Versicherung umwandele , bedeute im Ergebnis eine unzulässige Erschwerung der dem Versicherungsnehmer gemäß § 165 Abs. 1, § 174 Abs. 1 und § 178 VVG zwingend eingeräumten Freiheit, die Versicherung jederzeit zum Ende der laufenden Versicherungsperiode zu kündigen oder in eine beitragsfreie Versicherung umzuwandeln. Die Bestimmung des § 178 VVG, wonach sich der Versicherer auf eine zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweichende Vereinbarung nicht berufen könne, sei ein gesetzliches Verbot zum Schutz des Versicherungsnehmers, das nicht nur für den Versicherer, sondern auch für den Versicherungsvermittler gelte. An dieser Rechtsprechung halte die Kammer auch im Hinblick auf die Einwände der Klägerin fest.
Es treffe zwar zu, daß der Versicherungsnehmer sein Kündi gungsrecht auch abtreten könne, allerdings nur in dem Sinne, daß der Zessionar dann ebenfalls ein Kündigungsrecht habe, um den durch die bisherigen Prämienzahlungen geschaffenen Kapitalwert (Rückkaufswert gemäß § 176 VVG) für sich liquide zu machen. Das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers selbst könne jedoch richtiger Auffassung nach nicht ausgeschlossen werden. Gesetzlicher Grundsatz bei der Maklerprovision sei es allerdings, daß der Provisionsanspruch mit dem Abschluß des Hauptgeschäfts entstehe und es nicht darauf ankomme, ob der Hauptvertrag nachträglich durch Rücktritt, Kündigung, einverständliche Aufhebung etc. beseitigt werde. Von diesem Grundsatz habe die Rechtsprechung aber eine Ausnahme für den Fall gemacht, daß dem Kunden vertraglich ein freies, an keine Voraussetzungen geknüpftes Rücktrittsrecht eingeräumt sei. Dasselbe gelte, wenn der Hauptvertrag wie bei einer Lebensversicherung mit laufender Beitragszahlung in eine Mehrzahl von Leistungsabschnitten aufgeteilt sei, dergestalt, daß der Versicherungsnehmer für jeden Abschnitt das freie Recht habe, das Wirksamwerden des Vertrags für diesen Abschnitt und die folgenden Abschnitte zu beseitigen. Gegen die Anwendung der §§ 165, 174 und 178 VVG lasse sich ferner nicht einwenden, daß eine Vertragsstrafe im engeren Sinne nicht vereinbart worden sei. Die vom Gesetz gewährleistete Kündigungsfreiheit sei schon dann unzulässig beeinträchtigt, wenn mit der Kündigung objektiv ein erheblicher Nachteil verknüpft sei, der geeignet sei, den Kündigungsberechtigten von der Ausübung seines Rechts abzuhalten. Ein derartiger Nachteil liege auch in der Provisionszahlung zu Beginn der Lebensversicherung, wenn eine solche Vergütung wirtschaftlich betrachtet eine Gegenleistung für spätere Versicherungsperioden sei. Dabei spiele es keine Rolle, ob solche Zahlungen an den Versicherer oder den Versicherungsvermittler erfolgten. Der Schutzzweck des § 134 BGB erfordere, daß auch
Geschäfte mit Dritten, die die Kündigungsfreiheit beeinträchtigten, nichtig seien. Die mit einem Dritten für den Fall der Kündigung vereinbarte Vertragsstrafe oder sonstige nachteilige Folgen könne das Kündigungsrecht nicht weniger behindern oder ausschließen als eine entsprechende Vereinbarung mit dem Versicherer. Es erscheine auch um so weniger gerechtfertigt, den Versicherungsvermittler von dem Schutzzweck der §§ 165, 174 und 178 VVG auszunehmen , als zwischen diesem und dem Lebensversicherer häufig eine enge wirtschaftliche Verbindung bestehe und die Versicherung, soweit der von ihr bestimmte Vertriebsweg Verträge unmittelbar zwischen dem Vermittler und dem Kunden vorsehe, die Bedingungen der Vermittlungsverträge in wesentlichen Punkten vorgebe oder jedenfalls mitgestalte.

II.


Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht st and.
1. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien beurteilt sich im ganzen nach deutschem Recht, auch soweit es um Auswirkungen des Versicherungsvertrags auf das Vermittlungsverhältnis geht. Denn auch der Versicherungsvertrag mit dem in Luxemburg ansässigen Versicherungsunternehmern unterliegt, da die Beklagte als Versicherungsnehmerin bei Vertragsschluß ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte, deutschem Recht (Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a und Art. 8 EGVVG).
2. Amtsgericht und Landgericht sind auf der Grundlage des Parteivorbringens davon ausgegangen, daß die Klägerin bei der Vermittlung des Versiche-
rungsvertrags mit der Beklagten nicht als Handelsvertreterin (Versicherungsvertreterin ) nach den §§ 84 ff., 92 HGB, sondern als unabhängige Versicherungsmaklerin (§§ 93 ff. HGB) tätig geworden ist. Die Revision greift das als ihr günstig nicht an. Diese Feststellungen sind daher auch für den Senat maßgebend. Rechtsgrundlage der Provisionsansprüche ist somit § 652 BGB.
3. Die Frage, inwieweit ein Versicherungsmakler bei der Vermittlung einer Lebensversicherung mit Nettopolice unmittelbar mit dem Versicherungsnehmer eine Provisionsabrede wirksam treffen kann, ist in Rechtsprechung und Fachliteratur umstritten.

a) Nach der herkömmlichen Übung schließt der Versicherung smakler zwar - ausdrücklich oder konkludent - einen Maklervertrag stets mit dem Versicherungsnehmer (so etwa Prölss/Martin/Kollhosser, VVG 27. Aufl, nach § 48 VVG Rn. 3; abweichend Reiner in Ebenroth/Boujong/Jost, HGB, § 98 Rn. 30). Er erhält aber gleichwohl seine Provision nicht von diesem, sondern von dem Versicherer (vgl. BGHZ 94, 356, 359), dessen Prämie freilich mit einem anfangs jedenfalls beträchtlichen Anteil (näher Schwintowski in Honsell [Hrsg], Berliner Kommentar zum VVG [BK], Vorbem. §§ 159-178 Rn. 68 ff.) die an den Makler zu entrichtende Courtage enthält (sogenannte Bruttopolice). Für diese Zahlung gilt nach wohl allgemeiner Meinung der sogenannte "Schicksalsteilungsgrundsatz" : Die Courtage teilt das Schicksal der Versicherungsprämie im Guten wie im Schlechten (OLG Hamm NJW-RR 1994, 1306; OLG Saarbrücken OLG-Report 1997, 334, 335; Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl., Bd. I, vor §§ 43-48 Anm. 82; BK/Gruber, Anhang zu § 48 Rn. 18; Prölss/Martin/Kollhosser, aaO, nach § 48 VVG Rn. 35; jeweils m.w.N.). Kündigt daher der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag vor dessen Ablauf, so entfällt mit der weiteren
Prämienzahlung auch der in den künftigen Prämien enthaltene Anteil der Maklerprovision.

b) Bei der im Streitfall demgegenüber nicht nur rech tlich, sondern auch tatsächlich vorgenommenen Trennung zwischen Maklervertrag und Versicherungsvertrag auch hinsichtlich der Provisionspflicht liegt es insofern anders: Jedenfalls nach dem Inhalt der Abrede zwischen dem Makler und seinem Kunden soll der Anspruch auf den Maklerlohn in diesem Fall unabhängig von dem späteren Schicksal des wirksam geschlossenen Versicherungsvertrags sein, eine vorzeitige Kündigung der Versicherung also die Verpflichtung zur Fortzahlung der Courtageraten nicht berühren. Von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur wird die damit zumindest bei kurzer Laufzeit des Versicherungsvertrags verbundene Schlechterstellung des Versicherungsnehmers mit unterschiedlichen rechtlichen Ansätzen (Nichtigkeit nach § 134 BGB i.V.m. §§ 165, 174, 178 VVG; Unwirksamkeit gemäß § 9 AGB oder § 307 BGB n.F.) für unzulässig gehalten: so das Berufungsgericht in NJW-RR 2003, 1470); LG Nürnberg -Fürth VerBAV 1999, 322 = VersR 2000, 1235 (LS); AG Berlin-Neukölln VersR 2003, 502 und 2003, 504 (jeweils aufgehoben durch Urteile des Landgerichts Berlin; Anm. der Redaktion in VersR 2003, 1571 und 1574); zustimmend Prölss/Martin/Kollhosser, aaO, nach § 48 VVG Rn. 42a. Demgegenüber bejaht die inzwischen wohl überwiegende Meinung auch unter solchen Umständen die Wirksamkeit einer besonderen Provisionsvereinbarung mit dem Versicherungsnehmer : OLG Frankfurt a.M. VersR 2003, 1571; OLG Karlsruhe VersR 2004, 999; OLG Nürnberg VersR 2003, 1574; LG Baden-Baden, Urteil vom 12. März 2004 - 2 S 76/03 (dazu Senatsurteil vom heutigen Tage, III ZR 207/04); LG Karlsruhe - 9. Zivilkammer -, Urteil vom 14. Mai 2004 - 9 S 261/03
(Revisionsverfahren III ZR 322/04); LG Paderborn NJW-RR 2004, 329; Loritz, VersR 2004, 405, 408 ff. m.w.N.
Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Rechtsauffassu ng an. Die gegen die Gültigkeit einer solchen Provisionsabrede von der Gegenansicht vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch. Infolgedessen läßt sich das Berufungsurteil weder mit der darin gegebenen Begründung noch aus anderen Gründen aufrechterhalten.
4. Nichtigkeit einer Vereinbarung über die Provisionspflicht des Versicherungsnehmers nach § 134 BGB, weil sie die dem Versicherungsnehmer gemäß § 165 Abs. 1, § 174 Abs. 1 und § 178 VVG zwingend eingeräumte Kündigungsfreiheit erschwere, wovon das Berufungsgericht ausgeht, kommt schon von der Rechtsfolge her nicht in Betracht. Über die vom Berufungsgericht erörterte Frage , inwieweit das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers durch die in Ziff. 5 der Vertragsbedingungen vereinbarte Abtretung auf den Zessionar übergeht und ob der Versicherungsnehmer dessen ungeachtet nach § 165 VVG weiterhin zur Kündigung berechtigt ist, muß daher nicht entschieden werden. Nach jenen Bestimmungen kann der Versicherungsnehmer bei Lebensversicherungen mit laufender Prämienzahlung das Versicherungsverhältnis jederzeit für den Schluß der laufenden Versicherungsperiode kündigen (§ 165 Abs. 1 VVG) oder - unter bestimmten weiteren Voraussetzungen - die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung verlangen (§ 174 Abs. 1 VVG). Auf eine Vereinbarung, durch welche von diesen Vorschriften zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen wird, kann sich der Versicherer gemäß § 178 Abs. 1 und 2 VVG nicht berufen. Diese Normen verbieten indes nicht das Rechtsgeschäft als solches, sondern lediglich einzelne Klauseln, sie
tasten vor allem den Bestand des Versicherungsverhältnisses für die Zeit vor der Kündigung nicht an. Demgegenüber würde eine Nichtigkeit der Provisionsabrede gemäß § 134 BGB dem Versicherungsmakler von Anfang an jeglichen Provisionsanspruch nehmen und damit weit über den vom Gesetz bezweckten Schutz des Versicherungsnehmers hinausgehen. Weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die dem Versicherungsnehmer lediglich eine Vertragsbeendigung oder Vertragsänderung für die Zukunft ermöglichen soll, geben dafür eine Rechtfertigung.
5. Für ein sittenwidrig überhöhtes Entgelt (§ 138 Abs. 1 BGB) bieten die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts keinen Anhalt. Die Beklagte macht dies auch nicht geltend. Von dem ihr eingeräumten zweiwöchigen Widerrufsrecht nach § 7 Abs. 1 VerbrKG und § 361a BGB hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht.
6. Die formularmäßige Klausel über eine Fortdauer der Provisionszahlungspflicht unabhängig von dem späteren Schicksal des Versicherungsvertrags in Ziffer 4 der Vertragsbedingungen ist dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags nach nicht überraschend (§ 3 AGBG; jetzt § 305c Abs. 1 BGB). Sie ist entgegen der Auffassung einzelner Instanzgerichte (LG Nürnberg-Fürth VerBAV 1999, 322, 324; AG Berlin-Neukölln VersR 2003, 502, 503 und 2003, 504 f.) auch weder ganz noch zum Teil nach § 9 des im Streitfall gemäß Art. 229 § 5 EGBGB noch anwendbaren AGB-Gesetzes (jetzt § 307 BGB) unwirksam. Eine gegen die Gebote von Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Maklerkunden (§ 9 Abs. 1 AGBG) liegt nicht vor,
insbesondere weicht die Abrede nicht von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG).

a) Maklerlohnansprüche für die Vermittlung von Verträg en entstehen gemäß § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits dann, wenn der Hauptvertrag wirksam zustande kommt. Der weitere Bestand des nachgewiesenen oder vermittelten Vertrags bleibt auf die Provisionsforderung grundsätzlich ohne Einfluß. Die Zahlungspflicht des Maklerkunden entfällt deswegen im allgemeinen nicht, wenn der vermittelte Vertrag nachträglich durch Rücktritt, Kündigung, einverständliche Aufhebung oder ähnliche Rechtsgeschäfte beseitigt wird, ohne daß dabei eine schon im Vertragsschluß selbst liegende Unvollkommenheit mitgewirkt hätte (vgl. nur Senatsurteil vom 14. Dezember 2000 - III ZR 3/00 - NJW 2001, 966, 967).
Davon weicht die hier in Rede stehende Vertragsklausel n icht ab. Es handelt sich für die ersten drei Jahre um eine reine Abschlußprovision, die kein Betreuungsentgelt enthält. Die Bestimmung knüpft an einen wirksamen Abschluß des Versicherungsvertrags an und erklärt spätere Änder ungen oder eine vorzeitige Beendigung dieses Vertrags für provisionsunschädlich. Zu derartigen nachträglichen Rechtsgeschäften, die den Vergütungsanspruch des Maklers nicht berühren, gehört auch eine Kündigung des Versicherungsvertrags nach § 165 VVG oder die Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung gemäß § 174 VVG. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht eine solche Kündigung einem zeitlich befristeten, aber sonst an keine Voraussetzungen gebundenen Rücktrittsrecht, bei dem eine echte vertragliche Bindung erst in dem Zeitpunkt begründet wird, an dem das Rücktrittsrecht nicht mehr ausgeübt werden kann (Senatsurteile vom 20. Februar 1997 - III ZR 208/95 -
NJW 1997, 1581, 1582 und vom 13. Januar 2000 - III ZR 294/98 - NJW-RR 2000, 1302, 1303), nicht gleich. Das Versicherungsverhältnis läßt sich auch nicht, wie das Berufungsgericht weiter meint, in eine Kette periodisch aufeinander folgender Teile aufspalten, so daß ein Makleranspruch für die späteren Perioden jeweils erst mit Nichtausübung des Kündigungsrechts nach § 165 VVG entstünde.

b) Die bei Lebensversicherungen den Versicherungsnehmer b egünstigenden , bereits erörterten gesetzlichen Vorschriften der §§ 165, 174 und 178 VVG können neben § 652 BGB nicht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Sie richten sich ausschließlich an das Versicherungsunternehmen und setzen inhaltlich auch ein Dauerschuldverhältnis voraus, dessen Voraussetzungen (eigene Leistungsfähigkeit, persönliche Beziehungen zu anderen) sich während der regelmäßig langjährigen Laufzeit eines Lebensversicherungsvertrags grundlegend ändern können, so daß mit Rücksicht hierauf das Versicherungsverhältnis vorzeitig kündbar sein soll (Motive zum VVG, Nachdruck 1963, S. 224; BK/Schwintowski, § 165 Rn. 1). Derartige Umstände bestehen bei einem auf einmaligen Leistungsaustausch gerichteten Maklervertrag entweder nicht oder sie haben jedenfalls nicht ein solches Gewicht, daß wie im Versicherungsverhältnis ein den §§ 165 und 174 VVG entsprechender Eingriff in die Vertragsfreiheit geboten wäre. Das gilt selbst dann, wenn dem Maklerkunden - wie hier - die Möglichkeit eingeräumt wird, die Provision über insgesamt drei Jahre in monatlichen Raten zu tilgen. Richtig ist, daß mit dem Abschluß einer Nettopolice und der damit einhergehenden unmittelbaren Provisionspflicht des Versicherungsnehmers eine vorzeitige Kündigung der Lebensversicherung tatsächlich erschwert werden kann, weil sie an der Verpflichtung zur Weiterzahlung der Maklerprovision nichts ändert. Ob diese Folge aus Gründen des Ver-
braucherschutzes rechtspolitisch bedenklich ist oder ob eine solche Vertragsgestaltung umgekehrt wegen der ihr innewohnenden Transparenz zu begrüßen ist (vgl. Loritz, VersR 2004, 405 f., 409, 410), hat der Senat nicht zu entscheiden. Derartigen Erschwernissen zu begegnen, ist jedenfalls nicht Aufgabe der Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes. Sie können bei einem Direktanspruch des Maklers gegen den Versicherungsnehmer auch sonst nicht als treuwidrige Benachteiligung des Kunden angesehen werden. Selbst bei einer Bruttopolice ist im übrigen eine Kündigung des Versicherungsvertrags während der ersten zwei bis drei Jahre für den Versicherungsnehmer regelmäßig mit erheblichen Verlusten verbunden. Sofern dies im Versicherungsvertrag hinreichend transparent vereinbart ist, dürfen die einmaligen Abschlußkosten zu einem wesentlichen Anteil mit den ersten Versicherungsprämien verrechnet werden mit der Folge, daß der Rückkaufswert des Vertrags so lange gegen Null geht (vgl. BGHZ 147, 354, 363 ff.; Bruck/Möller/Winter, aaO, Bd. V/2 Anm. G 399; Prölss/Martin/Kollhosser, aaO, vor § 159 VVG Rn. 53; BK/Schwintowski, Vorbem. §§ 159-178 Rn. 68 ff.).

c) Es fehlt endlich auch an einer rechtlichen Grundlage dafür, den für die Bruttoversicherungspolice entwickelten Grundsatz, daß die Courtage des Versicherungsmaklers das Schicksal der Versicherungsprämie teilt, mit dem Landgericht Nürnberg-Fürth (aaO) auf die unmittelbar vom Versicherungsnehmer zu zahlende Maklerprovision beim Abschluß einer Nettopolice zu übertragen. Bereits der rechtliche Ausgangspunkt dieses "Schicksalsteilungsgrundsatzes" in § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB und § 92 Abs. 4 HGB (vgl. Prölss/Martin/Kollhosser, aaO, nach § 48 VVG Rn. 35) - d.h. aus dem Handelsvertreterrecht entnommenen Vorschriften - macht deutlich, daß es bei jener Regelung lediglich um eine Risikoverteilung zwischen dem Unternehmer und dem von ihm aus den Gewin-
nen des vermittelten Geschäfts entlohnten Vermittler bei Störungen in der Ausführung des Vertrags geht. Für einen Risikoausgleich solcher Art ist im Verhältnis zwischen dem Versicherungsmakler und seinem Kunden schon im Ansatz kein Raum. Ebensowenig bilden der Maklervertrag und der von der Klägerin vermittelte Lebensversicherungsvertrag hier allein wegen der in Ziffer 5 der Gebührenvereinbarung enthaltenen Sicherungsabtretung der Ansprüche des Beklagten auf die Versicherungsleistungen oder wegen der Anpassung der Prämienhöhe für die Versicherung an die gleichzeitig zu zahlenden Raten aus der Maklercourtage ein einheitliches Geschäft derart, daß auch die Verpflichtung zur ratenweisen Zahlung der Maklerprovision inhaltlich vom Fortbestand des Hauptvertrags abhängig wäre. Es verbleibt nach alledem bei der eingangs dargestellten grundsätzlichen Regel des § 652 Abs. 1 BGB, daß das spätere Schicksal des nachgewiesenen oder vermittelten wirksamen Hauptvertrags den Maklerlohnanspruch unberührt läßt.

III.


Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif. Das Be rufungsgericht hat sich - von seinem Standpunkt aus zu Recht - mit den weiteren Einwänden der Beklagten gegen die Klageforderung nicht befaßt. Der Senat kann dies nicht nachholen. Die Sache ist deswegen unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für die weitere Verhandlung weist der Senat auf fol gendes hin: Der bei objektiver Auslegung, insbesondere wörtlichem Verständnis, vollständige Aus-
schluß von Beratungspflichten der Klägerin in Ziffer 2 ihrer Vertragsbedingungen , auch für den vom Handelsmakler vermittelten Vertrag, verstößt jedenfalls in diesem Punkt gegen § 9 AGBG und ist deswegen insoweit unwirksam. Der Versicherungsmakler ist Interessenvertreter des Versicherungsnehmers und daher zu einer umfassenden Betreuung aller Versicherungsinteressen seines Kunden und zu einer entsprechenden Beratung in bezug auf den von ihm vermittelten Versicherungsvertrag verpflichtet (BGHZ 94, 356, 359; BK/Gruber, Anhang zu § 48 Rn. 6 ff.; Prölss/Martin/Kollhosser, aaO, nach § 48 VVG Rn. 5 m.w.N.). Ob eine dem widersprechende formularmäßige Geschäftsbedingung daher schon gemäß § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil wird, mag dahinstehen. Zumindest benachteiligt sie den Kunden entgegen den Geboten von Treu
und Glauben im Sinne des § 9 AGBG. Das Berufungsgericht wird daher insbesondere dem Vorwurf mangelhafter Beratung der Beklagten durch die Klägerin nachzugehen haben.
Schlick Streck Kapsa
Galke Herrmann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR76/11 Verkündet am:
7. Mai 2014
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
VVG § 5a F.: 21. Juli 1994;
Zweite Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung)
und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs
sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG Artikel 15 Abs. 1 Satz 1;
Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung)
sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung
) Artikel 31 Abs. 1
1. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist unter Beachtung des Urteils des Gerichtshofs der
Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (C-209/12) richtlinienkonform einschränkend
auszulegen.
2. Danach enthält § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. eine planwidrige Regelungslücke, die
richtlinienkonform dergestalt zu schließen ist, dass die Vorschrift im Bereich der Lebens
- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung
nicht anwendbar ist, aber auf die übrigen Versicherungsarten uneingeschränkt
Anwendung findet.
3. Im Falle der Unanwendbarkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. besteht das Widerspruchsrecht
des Versicherungsnehmers, der nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht
belehrt worden ist und/oder die Versicherungsbedingungen oder eine
Verbraucherinformation nicht erhalten hat, grundsätzlich fort.
4. Ist der Versicherungsvertrag infolge eines rechtzeitigen Widerspruchs nicht wirksam
zustande gekommen, ist bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der erlangte
Versicherungsschutz zu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2014

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 31. März 2011 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Verneinung eines Schadensersatzanspruchs richtet.
Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und des Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen und Schadensersatz.

2
Er beantragte bei der Beklagten den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 1998. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er erst mit dem Versicherungsschein. Er wurde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in drucktechnisch deutlicher Form über sein Widerspruchsrecht nach § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630) belehrt.
3
Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut: "(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen , wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterla- gen schriftlich widerspricht. … (2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht , den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Ab- weichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie."
4
Von Dezember 1998 bis Dezember 2002 zahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 51.129,15 €. Nachdem er den Vertrag am 1. Juni 2007 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte im September 2007 einen Rückkaufswert von 52.705,94 € aus. Mit Schreiben vom 31. März 2008 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber der Beklagten und forderte sie zur Rückzahlung aller Beiträge nebst Zinsen auf.
5
Der Kläger meint, der Rentenversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen die unten genannten Richtlinien verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe er den Widerspruch erklären können. Außerdem sei ihm die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihn vor Vertragsschluss nicht über Abschlusskosten, Provisionen, Stornokosten und deren Verrechnung nach dem Zillmerverfahren, die damit verbundenen Nachteile im Falle einer Kündigung sowie über die Berechnung der Überschussbeteiligung informiert habe.
6
Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger in der Hauptsache unter Verrechnung des Rückkaufswerts weitere 22.272,56 € von der Beklagten verlangt hat, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese Forderung verfolgt der Kläger mit der Revision weiter.
7
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 28. März 2012 (VersR 2012, 608) dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zwei- ten Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung - wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - entgegensteht , nach der ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder W iderspruch belehrt worden ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat durch Urteil vom 19. Dezember 2013 (C-209/12, VersR 2014, 225) die Vorlagefrage bejaht.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision ist bezüglich der Schadensersatzforderung als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9
A. Dieses hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Rückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Da er bei Antragstellung die Versicherungs- bedingungen und die Verbraucherinformation noch nicht von der Beklagten erhalten habe, sei trotz der übereinstimmenden Willenserklärungen beider Vertragsparteien der Versicherungsvertrag zunächst schwebend unwirksam gewesen und hätte durch den Widerspruch des Klägers endgültig unwirksam werden können. Die Beklagte habe den Kläger nicht in drucktechnisch hervorgehobener Form über sein Widerspruchsrecht belehrt , so dass die Widerspruchsfrist gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht in Gang gesetzt worden sei. Der Vertrag sei gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erst ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie, d.h. spätestens mit Ablauf des Monats Januar 2000, rückwirkend endgültig wirksam geworden. Der lange nach Ablauf der Jahresfrist erklärte Widerspruch des Klägers habe hieran nichts mehr ändern können. Die Regelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei unter Berücksichtigung des europäischen Rechts nicht zu beanstanden.
10
Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der Prämien und Erstattung entgangener Zinsvorteile wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss.
11
B. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht zulässig. Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht ein Widerspruchsrecht des Klägers und einen daraus abgeleiteten Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint hat. Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage, ob die Vorschriften des § 5a VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entsprechen , zugelassen. Diese im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam. Es geht nicht um eine - unzulässige - Beschränkung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen. Die zum Anlass für die Zulassung genommene Frage betrifft einen tatsächlich und rechtlich selbständigen , abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 17. September 2008 - IV ZR 191/05, VersR 2008, 1524 Rn. 7; BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 9; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5; jeweils m.w.N.). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Der - auf Vertragsaufhebung und Rückzahlung der Prämien gerichtete - Anspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung, über den das Berufungsgericht entschieden hat, bestünde ungeachtet der Entscheidung zum Zustandekommen des Vertrags nach § 5a VVG a.F. und konnte daher von der Zulassung ausgenommen werden.
12
C. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht versagt werden.
13
I. Der Kläger kann dem Grunde nach aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Prämien verlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.

14
1. Ein Rechtsgrund ergibt sich nicht aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrag. Dieser ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. nicht wirksam zustande gekommen, weil der Kläger mit seinem Schreiben vom 31. März 2008 rechtzeitig den Widerspruch erklärt hat.
15
a) Da die Beklagte dem Kläger bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte, hätte ein wirksamer Vertrag nur nach Maßgabe des § 5a VVG a.F. zustande kommen können. Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu nur Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10; Senatsurteil vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22; jeweils m.w.N.).
16
Hier kann dahinstehen, ob das Policenmodell als solches mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist und ob sich ein Versicherungs- nehmer, der ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist und die Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation erhalten hat, darauf nach Durchführung des Vertrages berufen könnte. Jedenfalls wurde die 14-tägige Widerspruchsfrist gegenüber dem Kläger nicht in Lauf gesetzt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte die Beklagte den Kläger auch im Zuge der Annahme des Antrags und Übersendung des Versicherungsscheins nicht in drucktechnisch deutlicher Form i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht.
17
b) Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Nachdem der Kläger die erste von ihm geschuldete Prämie im Dezember 1998 gezahlt hatte, wäre nach dieser Bestimmung sein Recht zum Widerspruch längst erloschen gewesen, als er diesen im März 2008 erklärte. Indes bestand sein Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
18
aa) Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225).
19
(1) Dieser hat entschieden, dass Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. entgegensteht, nach der ein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Ver- sicherungsprämie erlischt, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist (aaO Rn. 32).
20
(2) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund des in Art. 288 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Umsetzungsgebots und des aus Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) folgenden Grundsatzes der Unionstreue zudem verpflichtet , die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des ihnen dadurch eingeräumten Beurteilungsspielraums soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson u.a., jeweils m.w.N.). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als bloße Auslegung im engeren Sinne entsprechend dem Verständnis in der nationalen Methodenlehre. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und nach der nationalen Methodenlehre möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 10; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 30; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 m.w.N.; Riesenhuber /Roth, Europäische Methodenlehre 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 17 m.w.N.). Terminologisch unterscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union nicht zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung (Riesenhuber/Neuner aaO § 13 Rn. 2; Riesenhuber/Roth aaO § 14 Rn. 17; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 m.w.N.; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.). Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG, NJW 2012, 669 Rn. 47 m.w.N.).
21
(3) Einer Auslegung im engeren Sinne ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht zugänglich. Dem steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Sie bestimmte ein Erlöschen des Widerspruchsrechts unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer über dieses Recht belehrt war. Die Regelung ist aber richtlinienkonform teleologisch dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung (Art. 1 Ziffer 1 A bis C der Ersten Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierungder Rechtsund Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992) grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat. Hingegen ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - innerhalb seiner zeitlichen Geltungsdauer - für alle Versicherungsarten außerhalb des Bereichs der Richtlinien unverändert anwendbar.
22
(a) Die Vorschrift weist die für eine teleologische Reduktion erforderliche verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auf (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 31; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 22 m.w.N.).
23
(aa) Eine solche liegt vor, wenn das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist (BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 34; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 25 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 11). Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht nur dann gegeben, wenn Wertungswidersprüche zwischen zwei innerstaatlichen Normen bestehen (so aber: OLG München VersR 2013, 1025, 1029 m.w.N.; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 unter Berufung auf BGH, Urteil vom 26. November 2008 aaO). Dies lässt sich der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entnehmen und entspricht auch nicht etwa einem zwingenden Verständnis der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Dieser hat sich im Sinne einer Vermutungsregel geäußert, dass ein Mitgliedstaat , der von einem mit einer Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat, die Verpflichtungen aus der Richtlinie auch in vollem Umfang umsetzen wollte (EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 112 - Pfeiffer u.a.). Der Normzweck ist daher - außer im Falle einer ausdrücklichen Umsetzungsverweigerung - unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens zu bestimmen, eine Richtlinie korrekt umzusetzen. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er sehenden Auges einen Richtlinienverstoß in Kauf nehmen wollte (vgl. zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 257). Die Richtlinie dient dabei gleichzeitig als Maßstab der Lückenfeststellung sowie der Lückenschließung (Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.).
24
(bb) § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. steht in Widerspruch zu dem mit dem Gesetz verfolgten Grundanliegen, die Dritte Richtlinie Lebensversicherung ordnungsgemäß umzusetzen. Bei § 5a VVG a.F. handelt es sich insgesamt um eine Umsetzungsnorm. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG ergibt sich, dass der in diesem Gesetz enthaltene neue § 10a u.a. Art. 31 i.V.m. Anhang II. A. der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie über die Verbraucherinformation vor Abschluss und während der Laufzeit des Versicherungsvertrages in deutsches Recht umsetzt (BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Die Verbraucherinformation sollte eingeführt werden, weil bei den unter die Dritte Richtlinie fallenden Versicherungsunternehmen die Bedingungen und Berechnungsgrundlagen nicht mehr Teil des vorab zu genehmigenden Geschäftsplanes waren (Begr. Ausschussempfehlung BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Der aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses hinzugekommene neue § 5a VVG stellt eine Einschränkung des § 10a VAG dar. Er beruht ausweislich der Begründung dieser später umgesetzten Anregung darauf, dass die im Regierungsentwurf des § 10a VAG geplanten, vor Abschluss des Vertrages zu erfüllenden Informationsverpflichtungen "in der Praxis auf z.T. unüberwindbare Schwierigkeiten stießen" (BT-Drucks. 12/7595 aaO). Vor diesem Hintergrund stellen § 10a VAG und § 5a VVG einen einheitlich zu betrachtenden Komplex dar, mit dem die Dritte Richtlinie Lebensversicherung in deutsches Recht umgesetzt wurde (ebenso Brand, VersR 2014, 269, 274). Dies ist auch der Begründung der Ausschussempfehlung zu entnehmen, die ausdrücklich von einer Verknüpfung der Vorschriften des § 10a VAG und § 5a VVG spricht. Die Regelung in zwei verschiedenen Gesetzen beruhe lediglich darauf, dass die Konkretisierung der Verbraucherinformation im VAG verbleiben müsse, weil es sich um eine gewerberechtliche Frage handele und die Ansiedlung im VAG Voraussetzung für eine Kontrolle durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen sei (BT-Drucks. 12/7595 aaO).
25
Der nationale Gesetzgeber bezweckte danach mit § 5a VVG a.F. nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts. Diese - in der Instanzrechtsprechung immer wieder vertretene - These lässt sich aus dem für die Verbraucherinformation maßgeblichen 23. Erwägungsgrund zur Dritten Richtlinie Lebensversicherung, die der nationale Gesetzgeber umsetzen wollte, nicht entnehmen. Dort wird das Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers so umschrieben: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Ein Bezug zum Aufsichtsrecht ist daraus nicht zu entnehmen.
26
Die zu der Ausnahmeregelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. gegebene Begründung, die Ausschlussfrist sei im Interesse des Rechtsfriedens erforderlich (BT-Drucks. 12/7595 S. 111), ändert nichts am Zweck des gesamten Regelungskomplexes, die Richtlinie umzusetzen. Strebt der Gesetzgeber eine richtlinienkonforme Umsetzung an, ist diesem - wenn auch möglicherweise unvollkommen verwirklichten - Zweck Vorrang vor der mit der Einzelnorm verfolgten Zielrichtung zu geben (vgl. Riesenhuber/Roth, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 59; so im Ergebnis auch BGH; Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27; vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248; a.A. Brand, VersR 2014, 269, 274).
27
(b) Die Regelungslücke des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist richtlinienkonform dergestalt zu schließen, dass die Vorschrift im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht anwendbar ist, aber auf die von der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nicht erfassten Versicherungsarten uneingeschränkt Anwendung findet (so auch OLG Celle, Urteil vom 27. Februar 2014 - 8 U 192/13, juris Rn. 42 ff.).
28
(aa) Die Ausfüllung einer Regelungslücke durch die Gerichte muss den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprechen und in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht vorgenommen werden (BVerfGE 37, 67, 81). Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union sind im Rahmen einer interpretatorischen Gesamtabwägung (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 15 Rn. 37) hinreichend umzusetzen. Dabei dürfen die Grenzen des den Gerichten im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung zustehenden Gestaltungsspielraums nicht überschritten werden (vgl. hierzu Palandt/ Sprau, BGB 73. Aufl. Einl. Rn. 56). Weder das Gemeinschaftsrecht noch das nationale Recht fordern eine einheitliche Auslegung des europäischen und des national-autonomen Rechts (Riesenhuber/Habersack/ Mayer aaO § 15 Rn. 24 ff., 36; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1416 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Das Gebot richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts reicht nur so weit wie der in Art. 288 Abs. 3 AEUV verankerte Umsetzungsbefehl der entsprechenden Richtlinie (Mörsdorf aaO). Zulässig ist demnach eine gespaltene Auslegung dergestalt, dass eine nationale Norm durch richtlinienkonforme Auslegung nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der Richtlinie nicht übereinstimmt , und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 36 f.).
29
(bb) Der gegenüber der allgemeinen, für alle Versicherungen geltenden Regelung des § 5a VVG a.F. engere Anwendungsbereich der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nur für Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung rechtfertigt eine gespaltene Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Auf diese Weise wird zum einen dem Willen des Gesetzgebers zur Umsetzung der Richtlinie Rechnung getragen und zum anderen für die übrigen, nicht davon erfassten Versicherungsarten die Ausschlussfrist im Interesse der angestrebten Rechtssicherheit beibehalten. Der Gesetzgeber wollte im allgemeinen Teil des VVG eine einheitliche Bestimmung für alle Versicherungsarten treffen. Dies ergibt sich daraus, dass er auf eine Definition des genauen Zeitpunktes der Informationserteilung verzichtet hat, um bei der Frage, wann eine Information noch vor Abschluss des Vertrages erfolgt, den Besonderheiten der einzelnen Versicherungsarten und Vertriebsformen Rechnung tragen zu können und Raum für vertragliche Vereinbarungen zu lassen (Begr. RegE BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Der Gesetzgeber hat zwei Entscheidungen getroffen: eine Strukturentscheidung , das Widerspruchsrecht und sein Erlöschen einheitlich für alle Versicherungen zu regeln, und eine Sachentscheidung mit dem Inhalt des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (vgl. zu dieser Differenzierung grundsätzlich Riesenhuber/Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 aaO § 15 Rn. 38). Die Richtlinienwidrigkeit der Sachentscheidung im Bereich der von der Richtlinie erfassten Versicherungsarten war ihm nicht bekannt. Dass er an der Strukturentscheidung festgehalten hätte, wenn er eine abweichende Sachentscheidung für Lebens- und Rentenversicherungen hätte treffen müssen, ist nicht anzunehmen (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 38 m.w.N.; Mayer/Schürnbrand, JZ 2004, 545, 551). Eine Vermutung, der Gesetzgeber hätte für den gesamten Anwendungsbereich der Vorschrift eine richtlinienkonforme Auslegung gewollt, lässt sich aus der Gleichbehandlung im Wortlaut der Norm nicht herleiten (vgl. Herdegen, WM 2005, 1921, 1930 zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F.). In einem Großteil der Anwendungsfälle der Norm kann der gesetzgeberische Wille Geltung erlangen, ohne den Anwendungsbereich der Richtlinie zu berühren (vgl. Herdegen aaO). Im überschießend geregelten Bereich der Nicht-Lebensversicherung sind abweichende Auslegungsgesichtspunkte zu beachten (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 43). Insoweit bestehen keine entsprechenden Richtlinienvorgaben.
30
Die mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG ebenfalls umgesetzte Dritte Richtlinie Schadenversicherung (Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung ) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG; ABl. L 228 S. 1) fordert zwar auch Verbraucherinformationen , sieht jedoch - anders als die Dritte Richtlinie Lebensversicherung - nicht vor, dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitzuteilen. Zudem hält das nationale Recht den Versicherungsnehmer außerhalb der Lebensversicherung im Hinblick auf die zu erteilenden Informationen für weniger schützenswert. Darauf deutet das in der Empfehlung des Finanzausschusses zu § 5a VVG a.F. genannte Beispiel des Rückkaufswertes in der Lebensversicherung hin (Begr. Aus- schussempfehlung, BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Den Produkten der Lebensversicherung wird große Komplexität beigemessen, was die Bedeutung des Verbraucherschutzes erhöht. Hinzu kommt, dass sich der Versicherungsnehmer einer Lebens- oder Rentenversicherung, anders als bei Versicherungen mit jährlicher Wechselmöglichkeit, regelmäßig über einen langen Zeitraum an das Produkt und den Versicherer bindet. Die Entscheidung für einen Vertrag hat hier weiter reichende Folgen und größere wirtschaftliche Bedeutung als bei den meisten anderen Versicherungsarten. Dies findet Ausdruck in § 5a Abs. 1 Satz 2 VVG in der Fassung vom 2. Dezember 2004, der die Widerspruchsfrist für Lebensversicherungsverträge entsprechend der Vorgabe des Art. 17 der Fernabsatzrichtlinie II (Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 S. 16) auf 30 Tage verlängert und damit mehr als verdoppelt hat. Mit Blick auf die besondere Bedeutung der Lebens- und Rentenversicherungen gebietet Art. 3 Abs. 1 GG keine Gleichbehandlung von Lebensund Rentenversicherungen mit anderen Versicherungen.
31
(cc) Das gegen eine gespaltene Auslegung angeführte Argument der Abgrenzungsschwierigkeiten (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 261 f.) greift bei § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Versicherungsarten ist ohne weiteres möglich und hängt - anders als die Unterscheidung zwischen verschiedenen Haustürsituationen - nicht von Zufällen des Geschehensablaufes ab.

32
Die gespaltene Auslegung verstößt auch nicht gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Rechtssicherheit, das Vertrauensschutz für den Bürger gewährleistet. Durfte die betroffene Partei mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwägung mit den Belangen des Vertragspartners und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, liegt ein Eingriff in rechtlich geschützte Positionen vor (BGH, Urteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 33 m.w.N.). Die uneingeschränkte Anwendung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. konnte nicht als gesichert angesehen werden, weil ihre Richtlinienkonformität im Schrifttum von Anfang an bezweifelt wurde (Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Lorenz, VersR 1997, 773, 782; vgl. Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 16 m.w.N.).
33
Die richtlinienkonforme Reduktion des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bedeutet keine gesetzeswidrige (contra legem) Rechtsschöpfung (so aber OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/13, juris Rn. 52 ff.; VersR 2013, 1025, 1028). Wie ausgeführt, kann § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar nicht im engeren Sinne ausgelegt, jedoch im Wege der nach nationalem Recht zulässigen und erforderlichen teleologischen Reduktion richtlinienkonform fortgebildet werden, so dass ein ausreichender Anwendungsbereich der gesetzgeberischen Sachentscheidung verbleibt.
34
Schließlich lässt sich der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung nicht entgegenhalten, sie laufe auf eine - in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgelehnte (EuGH, NJW 1994, 2473 Rn. 20 - Dori/Recreb; NJW 1986, 2178 Rn. 48 - Marshall) - horizon- tale Drittwirkung der Richtlinie hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 259 f.). Zur Anwendung kommt vielmehr im Rahmen des national methodologisch Zulässigen fortgebildetes nationales Recht.
35
bb) Das Widerspruchsrecht des Klägers ist nicht aus anderen Gründen entfallen.
36
(1) Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen. Da der Kläger über sein Widerspruchsrecht nicht ausreichend belehrt wurde, konnte er sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch nicht sachgerecht ausüben (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 24).
37
(2) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt - anders als in der Sache IV ZR 52/12 (aaO) - schon deshalb nicht in Betracht, weil eine entsprechende Anwendung der Regelungen in den §§ 7 Abs. 2 VerbrKrG, 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2009 - XI ZR 260/08, WM 2010, 34 Rn. 16).
38
cc) Der Kläger verstößt mit seiner Rechtsausübung nicht gegen Treu und Glauben.
39
(1) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat er sein Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und be- sondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr., BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230 Rn. 13 m.w.N.). Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen , weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. dazu unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit EuGH, VersR 2014, 225 Rn. 30).
40
(2) Aus demselben Grund liegt in der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung (vgl. dazu Brand, VersR 2014, 269, 276). Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - IX ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12 m.w.N.). Die Beklagte kann keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen, nachdem sie es versäumt hat, den Kläger über sein Widerspruchsrecht zu belehren.
41
2. Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht - etwa in Anlehnung an die Rechtsfigur des faktischen Vertragsverhältnisses - auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken.
42
a) Allein eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (effet utile). Stünde dem Versicherungsnehmer bei unterbliebener oder unzureichender Widerspruchsbelehrung nur ein Lösungsrecht mit Wirkung ex nunc zu, bliebe der Verstoß gegen die Belehrungspflicht sanktionslos. Dies würde dem Gebot des Art. 4 Abs. 3 EUV nicht gerecht, der verlangt, dass sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, achten und unterstützen. Daher darf die Anwendung des nationalen Rechts die Tragweite und die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen. Dies bedeutet auch, die Vorgaben der Richtlinien und des Gerichtshofs der Europäischen Union im nationalen Recht möglichst vollständig durchzusetzen (EuGH, NZA 2013, 891 Rn. 71 - Asociatia ACCEPT). Wie der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt hat, regelten die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung nicht den Fall, dass der Versicherungsnehmer nicht über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde, und damit auch nicht die Folgen, die das Unterbleiben der Belehrung für dieses Recht haben konnte. Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 3 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung sah vor, dass "die [für den Rücktritt erforderlichen Voraus- setzungen … gemäß dem auf den Versicherungsvertrag … anwendbaren [nationalen] Recht geregelt [wurden]" (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 22). Die Mitgliedstaaten mussten jedoch dafür sorgen, dass die praktische Wirksamkeit der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet ist (EuGH aaO Rn. 23). Aus der Struktur und aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung hat der Gerichtshof der Europäischen Union eindeutig geschlossen, mit ihr habe sichergestellt werden sollen, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).
43
Eine nationale Bestimmung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wonach das Recht des Versicherungsnehmers, von dem Vertrag zurückzutreten , zu einem Zeitpunkt erlischt, zu dem er über dieses Recht nicht belehrt war, läuft daher nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union der Verwirklichung eines grundlegenden Ziels der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung und damit deren praktischer Wirksamkeit zuwider (EuGH aaO Rn. 26). Diese kann nur gewährleistet werden , wenn der nicht ordnungsgemäß belehrte Versicherungsnehmer im Falle eines Widerspruchs die von ihm gezahlten Prämien grundsätzlich zurückerhält. Das gilt umso mehr, als es bei dem in § 5a VVG a.F. vorgesehenen Widerspruch nicht um den Rücktritt von einem bereits zustande gekommenen Vertrag geht, sondern darum, das Zustandekommen des Vertrages zu verhindern. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung. Danach soll der Versicherungsnehmer für die Zukunft von allen aus diesem Vertrag resultierenden Verpflichtungen befreit werden. Dies betrifft aber nur den Fall, dass er ordnungsgemäß belehrt wurde. Der nicht oder nicht ausreichend belehrte Versicherungsnehmer muss hingegen so gestellt werden, als ob er ordnungsgemäß belehrt worden wäre. Dann hätte er sein Widerspruchsrecht ausüben können und mangels wirksamen Vertrages keine Prämien gezahlt.
44
b) Eine Einschränkung der bereicherungsrechtlichen Abwicklung ist nicht etwa geboten, um Widersprüche zu den §§ 9 Abs. 1 und 152 Abs. 2 VVG n.F. zu vermeiden. Danach erhält der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Prämien, wenn er auf sein Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen worden ist und zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt, und bei Unterbleiben des Hinweises zusätzlich den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile oder - falls dies günstiger ist - die für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Prämien zurück. Einer rückwirkenden analogen Anwendung der genannten Vorschriften steht Art. 1 Abs. 1 EGVVG entgegen, nach dem auf Altverträge grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2008 das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung anzuwenden ist. Unabhängig davon, ob man im Vertragsschluss bereits einen abgeschlossenen Sachverhalt sieht, in den wegen des Verbotes der echten Rückwirkung nicht eingegriffen werden darf (so Looschelders/Pohlmann/Brand, VVG 2. Aufl. Art. 1 EGVVG Rn. 14), können auf Altverträge Vorschriften des neuen VVG, die vor oder bei Abschluss des Vertrages zu beachten sind, auch nach dem 31. Dezember 2008 keine Anwendung finden (Begr. RegE BT-Drucks. 16/3945 S. 118 zu Art. 1 Abs. 1 EGVVG). Das gilt auch für das Widerrufsrecht des § 8 Abs. 1 VVG n.F., das den Vertragsparteien bei Vertragsschlüssen vor 2008 nicht bekannt sein konnte, sowie für die Rechtsfolgen des Widerrufs gemäß den §§ 9 Abs. 1, 152 Abs. 2 VVG n.F., die an die vorvertragliche Belehrungspflicht nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG n.F. anknüpfen.

45
II. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle Prämien, die er an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirksamen Versicherungsvertrag verpflichtet zu sein. Im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm darf bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden (vgl. EuGH, NJW 2010, 1511 Rn. 48; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2010 - II ZR 250/09, juris unter 1). Eine einschränkungslose Ausgestaltung des W iderspruchsrechts auch auf der Rechtsfolgenseite wäre nicht sachgerecht. Der Versicherungsnehmer hat während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen. Es ist davon auszugehen, dass er diesen im Versicherungsfall in Anspruch genommen und sich - selbst bei zwischenzeitlich erlangter Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht - gegen eine Rückabwicklung entschieden hätte. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten (so auch OLG München, VersR 2013, 1025 Rn. 28). Daher muss sich der Kläger im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den er jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. Erlangter Versicherungsschutz ist ein Vermögensvorteil , dessen Wert nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen sein kann (BGH, Urteile vom 30. Juni 1983 - III ZR 114/82, NJW 1983, 2692 unter III 3; vom 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81, NJW 1983, 1420 unter IV 1 b). Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen wer- den; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen.
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Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben. Das gilt auch für die vom Kläger geltend gemachten und von der Beklagten in Abrede gestellten Nutzungszinsen, mit denen sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht befasst hat.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2010- 22 O 587/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 31.03.2011- 7 U 147/10 -