Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 110/16
Verkündet am:
9. November 2017
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
form-strip II
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b, Art. 97, Art. 99; Verordnung
(EU) 2015/2424 Art. 1 Nr. 11, Art. 1 Nr. 92; Verordnung (EU) Nr. 2017/1001
Art. 9 Abs. 2 Buchst. b, Art. 127

a) Die Neufassung des Art. 127 Abs. 3 UMV, die - anders als Art. 99 Abs. 3 Fall 2
GMV - nicht mehr die Einrede des Inhabers des älteren Rechts vorsieht, hat nichts
daran geändert, dass ein älteres Recht der Inanspruchnahme aus der Unionsmarke
im Wege der Einrede entgegengesetzt werden kann. Dies folgt aus der Neufassung
des Art. 9 Abs. 2 UMV, die durch die ausdrückliche Erwähnung des Prioritätsprinzips
klarstellt, dass der Markeninhaber (weiterhin) sein Recht aus der Unionsmarke
nicht mit Erfolg gegen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen
Zeichens geltend machen kann, das Gegenstand eines älteren Rechts ist.

b) Der Prioritätsgrundsatz regelt, wie im Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 UMV zum Ausdruck
kommt, das zeitliche Rangverhältnis von Rechten. Einer tatsächlichen Benutzungsform
kann mangels Rechtscharakters kein Vorrang im Sinne des Art. 9
Abs. 2 UMV zukommen.
BGH, Urteil vom 9. November 2017 - I ZR 110/16 - OLG München
LG München I
ECLI:DE:BGH:2017:091117UIZR110.16.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch und Feddersen

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. April 2016 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


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Die Klägerin und die Beklagte zu 1 stellen Sportartikel her. Die Beklagte zu 2 ist die in der Schweiz ansässige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1, die die Produkte ihrer Muttergesellschaft über das Internet vertreibt.
2
Die Klägerin ist Inhaberin folgender Marken: - Unions-Bildmarke Nr. 3517646, die am 3. November 2003 angemeldet und am 26. Januar 2006 für Schuhwaren eingetragen wurde und die folgendermaßen beschrieben ist: Die Marke besteht aus drei gleich großen und gleich breiten, parallel laufenden Streifen, die auf dem Schuh angebracht sind; die Streifen sind auf der Oberseite des Schuhs auf der Fläche zwischen Schnürsenkel und Sohle angebracht : - DE-Positionsmarke Nr. 39950559, die am 14. Dezember 1999 für "Schuhwaren einschließlich Sport- und Freizeitschuhe" eingetragen worden ist: - DE-Bildmarke Nr. 2094933, die am 19. April 1995 für "Sport- und Freizeitschuhe" eingetragen worden ist: - DE-Bildmarke Nr. 944623, die am 18. Mai 1976 für "Sport- und Freizeitschuhe" eingetragen worden ist: - DE-Bildmarke Nr. 720836, die am 8. Januar 1959 für "Schuhwaren" eingetragen worden ist:
3
Die Beklagte zu 1 ist Inhaberin folgender Marken: - Unions-Bildmarke Nr. 3513694 mit einer Priorität vom 31. Oktober 2003, eingetragen am 7. Januar 2009 für Waren der Klassen 18, 25 (u.a. Schuhwaren ) sowie der Klasse 28: - DE-Bildmarke Nr. 968937 mit einer Priorität vom 4. November 1975, eingetragen am 16. März 1978 für Schuhwaren: - DE-Bildmarke Nr. 30660586 (sog. "kickback") mit einer Priorität vom 30. September 2006, eingetragen am 7. November 2006 für Waren der Klassen Nizza 18, 25 (u.a. Schuhwaren) und 28: - Wort-Bild-Marke Nr. 730270 mit einer Priorität vom 7. Februar 1958, eingetragen am 23. Oktober 1959 für Waren der Klasse Nizza 25:
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Die Beklagten bewarben im Jahr 2013 in ihren Online-Stores folgende Laufschuhe des Typs "BioWeb":
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Die Klägerin hält diese Verwendungsformen der Laufschuhe der Beklagten für marken- und wettbewerbswidrig. Sie stützt ihre Ansprüche in erster Linie auf ihre Unionsmarke (Klagemarke 1), hilfsweise auf eine deutsche Benut- zungsmarke (§ 4 Nr. 2 MarkenG), weiter hilfsweise auf ihre eingetragenen deutschen Marken in der oben dargestellten Reihenfolge, auf eine notorisch bekannte Marke (§ 4 Nr. 3 MarkenG) sowie auf Verstöße gegen das Irreführungsverbot und die Grundsätze des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes.
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Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, in der Europäischen Union im geschäftlichen Verkehr Schuhe gemäß nachstehenden Abbildungen anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder zu den genannten Zwecken zu besitzen und/oder einzuführen und/oder auszuführen und/oder zu bewerben, die mit einer Streifen-Kennzeichnung gemäß den nachstehenden Abbildungen versehen sind [es folgen die oben gezeigten Abbildungen der Schuhmodelle]. Die Klägerin hat ferner Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatzfest7 stellung geltend gemacht.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat
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der Klage stattgegeben, nachdem die Klägerin ihre Annexanträge auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt hatte. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihren auf Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter.

Entscheidungsgründe:


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I. Das Berufungsgericht hat die geltend gemachten Ansprüche als begründet angesehen und hierzu ausgeführt:
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Die angegriffenen Verwendungsformen verletzten die Unionsmarke der Klägerin. Dieser komme eine Kennzeichnungskraft von besonders hoher Inten- sität zu, so dass bei Warenidentität die geringe Zeichenähnlichkeit zwischen der Klagemarke und den angegriffenen Verwendungsformen ausreiche, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts folge eine normative Beschränkung des Schutzbereichs der Klagemarke nicht aus dem Umstand, dass die angegriffene Kennzeichnung eine rechtserhaltende Benutzung der prioritätsälteren Unionsmarke Nr. 3513694 der Beklagten darstelle. Der Schutzbereich einer Marke sei weder nach der Unionsmarkenverordnung noch nach der zuvor geltenden Gemeinschaftsmarkenverordnung mit Blick auf prioritätsältere Marken Dritter zu bemessen. Nach der Regelung im früher geltenden Art. 99 Abs. 3 Fall 2 GMV habe der Beklagte gegenüber der Inanspruchnahme aus einer Gemeinschaftsmarke einwenden können, dass die Klagemarke wegen eines älteren Rechts des Beklagten für nichtig erklärt werden könne. Dass die Beklagte im Streitfall die Nichtigerklärung der Klagemarke erreichen könne, mache sie selbst nicht geltend. Nach neuer Rechtslage regele Art. 99 Abs. 3 UMV nur noch den Einwand mangelnder ernsthafter Benutzung der Klagemarke. Der vom Landgericht konstruierte Einwand habe keinen Eingang in die Unionsmarkenverordnung gefunden.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revisionhaben keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig (dazu nachfolgend II 1). Das Berufungsgericht hat die Beklagten zu Recht wegen der Verletzung der Unionsmarke Nr. 3517646 als zur Unterlassung (dazu nachfolgend II 2) sowie zur Auskunft und zum Schadensersatz (dazu nachfolgend II 3) verpflichtet angesehen.
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1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2006 - I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 Rn. 20 - Arzneimittelwerbung im Internet; Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 94/13, GRUR 2015, 1129 Rn. 12 = WRP 2015, 1326 - Hotelbewertungsportal ), ergibt sich für die im Inland ansässige Beklagte zu 1 aus Art. 97 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke (nachfolgend: GMV) und für die in der Schweiz ansässige Beklagte zu 2 mit Blick auf den inländischen Sitz der Klägerin aus Art. 97 Abs. 2 GMV.
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2. Die Beklagten sind gem. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV sowie Art. 9 Abs. 2 Buchst. b UMV zur Unterlassung der angegriffenen Zeichenverwendung verpflichtet.
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a) Im Zeitpunkt der behaupteten Zuwiderhandlung im Jahr 2013 galt Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV, der wie folgt lautete: Art. 9 GMV Rechte aus der Gemeinschaftsmarke (1) Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr (…)
b) ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Gemeinschaftsmarke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Gemeinschaftsmarke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass das Zeichen mit der Mar- ke gedanklich in Verbindung gebracht wird (…). Art. 99 Abs. 3 GMV regelte den Einwand des Verfalls und der Nichtigkeit
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gegen die in Art. 96 Buchst. a GMV vorgesehene Verletzungsklage: Art. 99 GMV Vermutung der Rechtsgültigkeit; Einreden (…) (3) Gegen Klagen gemäß Artikel 96 Buchstaben a und c ist der Einwand des Verfalls oder der Nichtigkeit der Gemeinschaftsmarke, der nicht im Wege der Widerklage erhoben wird, insoweit zulässig, als sich der Beklagte darauf beruft, dass die Gemeinschaftsmarke wegen mangelnder Benutzung für verfallen oder wegen eines älteren Rechts des Beklagten für nichtig erklärt werden könnte. Durch Art. 1 Nummer 11 der am 23. März 2016 in Kraft getretenen Ver16 ordnung (EU) 2015/2424 vom 16. Dezember 2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke und der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zu entrichtenden Gebühren (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 21; nachfolgend : UMV aF) ist an die Stelle des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV die Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 Buchst. b getreten, der folgenden Wortlaut hat: Art. 9 UMV Ausführungsform Rechte aus der Unionsmarke (1) Mit der Eintragung einer Unionsmarke erwirbt ihr Inhaber ein ausschließliches Recht an ihr. (2) Der Inhaber dieser Unionsmarke hat unbeschadet der von Markeninhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen , wenn (…)
b) das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird (…) Art. 99 Abs. 3 GMV erhielt durch Art. 1 Nr. 92 der Verordnung (EU)
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Nr. 2015/2424 folgende Fassung: Art. 99 UMV aF (…) (3) Gegen Klagen gemäß Artikel 96 Buchstaben a und c ist der Einwand des Verfalls der Unionsmarke, der nicht im Wege der Widerklage erhoben wird, insoweit zulässig, als sich der Beklagte darauf beruft, dass die Unionsmarke wegen mangelnder ernsthafter Benutzung zum Zeitpunkt der Verletzungsklage für verfallen erklärt werden könnte. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2017 sind nunmehr die mit Art. 9 und 99
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UMV aF wortgleichen Bestimmungen der Art. 9 und 127 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1001 vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. Nr. L 154 vom 16. Juni 2017, S. 1; nachfolgend: UMV) maßgeblich.
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b) Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts , die Zeichenverwendung der Beklagten erfolge im geschäftlichen Verkehr und sei markenmäßig. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Die vorstehend dargestellten Rechtsänderungen haben auf diese Vorausset- zungen des Verletzungstatbestands keine Auswirkungen (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 82/14, GRUR 2016, 810 Rn. 18 = WRP 2016, 1252 - profitbricks.es; Teilurteil vom 3. November 2016 - I ZR 101/15, GRUR 2017, 520 Rn. 23 = WRP 2017, 555 - MICRO COTTON).
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c) Die Rüge der Revision, es bestehe keine Verwechslungsgefahr zwischen der Klagemarke 1 und der angegriffenen Zeichenverwendung, hat keinen Erfolg.
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aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klagemarke 1 komme eine Kennzeichnungskraft von besonders hoher Intensität zu. Sie genieße eine durch umfangreiche Benutzung für Sportschuhe und Sportbekleidung im deutschen und europäischen Spitzensport in ganz Europa eine außerordentlich hohe Bekanntheit. Zwischen den Waren, für die die Klagemarke 1 geschützt sei, und den in der angegriffenen Weise gekennzeichneten Waren bestehe Warenidentität. Es bestehe eine jedenfalls geringe Zeichenähnlichkeit. Die Positionsmarke der Klägerin zeige drei parallel verlaufende, gleich breite und gleich große, auf der Oberfläche des Schuhs zwischen Sohle und Schnürsenkel angebrachte , zur Schuhoberfläche farblich kontrastierende Streifen, die leicht schräg in Richtung der Schuhspitze gekippt seien und deren Zwischenraum im Vergleich zur Streifenbreite etwas dünner sei. Die angegriffene Kennzeichnung bestehe aus drei parallel geschwungenen, anfangs in etwa gleich breiten Streifen , die an der Außenseite des Schuhs von der Mitte der Sohle bis zur Schnürung nach oben verliefen. Sie verjüngten sich zunächst nur wenig und seien nur leicht in Richtung der Ferse gekippt, kippten dann jedoch scharf kurvenartig nach hinten in Richtung der Ferse, wobei sie sich gleichzeitig schlagartig auf einen Bruchteil des Durchmessers im Sohlenbereich verjüngten, um dann nur leicht nach oben ansteigend und parallel bei gleichbleibendem Durchmesser bis zum Fersenende zu verlaufen. Der Verkehr nehme sowohl die Klagemarke als auch die angegriffene Kennzeichnung als drei Streifen wahr, die in der Mitte der Schuhaußenseite von der Sohle in Richtung der Schnürung vertikal parallel verliefen und durch den deutlich wahrnehmbaren Abstand der relativ breiten Streifen zueinander mit der Schuhoberfläche farblich kontrastierten. Aufgrund der besonders hohen Kennzeichnungskraft der Klagemarke 1 reiche bei Warenidentität die geringe Zeichenähnlichkeit aus, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.
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bb) Die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Kennzeichnungskraft und Warenidentität greift die Revision nicht an. Auch im Übrigen vermag die Revision Rechtsfehler in der Beurteilung des Berufungsgerichts nicht aufzuzeigen.
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Die Frage, ob eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 254/14, GRUR 2016, 1301 Rn. 44 = WRP 2016, 1510 - Kinderstube; Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 30/16, GRUR 2017, 914 Rn. 13 = WRP 2017, 1104 - Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke, mwN). Die Prüfung der Verwechslungsgefahr als Rechtsfrage erfordert eine Beurteilung des Gesamteindrucks der Zeichen aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise , die - etwa im Hinblick auf die Kennzeichnungskraft des Klagezeichens und die Zeichenähnlichkeit - im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegt (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2017, 914 Rn. 43 - Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke, mwN). Diese Beurteilung kann daher im Revisionsverfahren nur da- rauf überprüft werden, ob der Tatrichter einen zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt und entsprechend den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung geurteilt hat und das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 254/14, GRUR 2016, 1301 Rn. 46 = WRP 2016, 1510 - Kinderstube, mwN).
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Solche Rechtsfehler zeigt die Revision weder mit Blick auf die einzelnen Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr noch hinsichtlich der Gesamtwürdigung auf. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht wegen des hohen Grades der Kennzeichnungskraft der Klagemarke 1 bei Warenidentität nur geringe Anforderungen an die Zeichenähnlichkeit gestellt hat.
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d) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die angegriffene Zeichenverwendung stelle als rechtserhaltende Benutzung der Unionsmarke Nr. 3513694 der Beklagten zu 1 eine erlaubte Zeichenverwendung dar, die das Markenrecht der Klägerin normativ begrenze.
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aa) Zuzustimmen ist der Revision allerdings darin, dass die Streichung der Einrede des Inhabers des älteren Rechts nach Art. 99 Abs. 3 Fall 2 GMV keine Rechtsänderung bewirkt hat, weil der Markeninhaber nach der Neufassung des Art. 9 Abs. 2 UMV sein Recht aus der Unionsmarke gegen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens, das Gegenstand des älteren Rechts ist, nicht mit Erfolg geltend machen kann.
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Der Gerichtshof der Europäischen Union hat schon für die Gemeinschaftsmarkenverordnung ausgesprochen, dass die Bestimmungen dieser Verordnung im Licht des Prioritätsprinzips auszulegen sind, dem zufolge die ältere Gemeinschaftsmarke Vorrang vor der jüngeren Gemeinschaftsmarke hat (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - C-561/11, GRUR Int. 2013, 337 Rn. 39 = WRP 2013, 614 - FCI/FCIPPR; zur Verordnung [EG] Nr. 6/2002 über das Ge- meinschaftsgeschmacksmuster EuGH, Urteil vom 16. Februar 2012 - C-488/10, GRUR 2012, 510 Rn. 39 - Celaya Emparanza y Galdos Internacional).
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Nach dem Erwägungsgrund 12 der Verordnung (EU) 2017/1001 dient die nunmehr geschaffene ausdrückliche Regelung, wonach die Durchsetzung einer Unionsmarke die vor dem Anmelde- oder Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte anderer Inhaber nicht beeinträchtigt, der Gewährleistung der Rechtssicherheit und der vollständigen Übereinstimmung mit dem Prioritätsgrundsatz. Erwägungsgrund 12 der Verordnung (EU) 2017/1001 Zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und der vollständigen Übereinstimmung mit dem Prioritätsgrundsatz, dem zufolge eine eingetragene ältere Marke Vorrang vor einer später eingetragenen Marke genießt, muss vorgesehen werden , dass die Durchsetzung von Rechten aus einer Unionsmarke die Rechte, die Inhaber vor dem Anmelde- oder Prioritätstag der Unionsmarke erworben haben, nicht beeinträchtigt. Dies steht in Einklang mit Artikel 16 Absatz 1 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums vom 15. April 1994. Die Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 UMV, der zufolge das Verbietungsrecht
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des Inhabers einer Unionsmarke "unbeschadet" der von Markeninhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte besteht, ist mithin dahingehend zu verstehen, dass eine Verletzung der Unionsmarke nicht vorliegt, wenn ihr ältere Rechte Dritter entgegenstehen. Der Anspruch des Verletzungsklägers reicht nur so weit, wie er auf prioritätsältere Rechte verweisen kann (vgl. Eisenführ/Overhage in Eisenführ/ Schennen, UMV, 5. Aufl., Art. 99 Rn. 1, die allerdings den Einwand relativer Nichtigkeitsgründe nach der Neufassung des Art. 99 Abs. 3 UMV für ausgeschlossen halten [aaO Rn. 3]).
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Zwar haben die Unionsmarkengerichte gemäß Art. 99 Abs. 1 GMV in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 2015/2424 (jetzt: Art. 127 Abs. 1 UMV) von der Rechtsgültigkeit der Unionsmarke auszugehen, sofern diese nicht durch den Beklagten mit einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit gemäß Art. 58 bis 60 UMV angefochten wird. Hiernach ist den Unionsmarkengerichten eine Prüfung der Rechtsgültigkeit der Unionsmarke von Amts wegen verwehrt (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2011 - I ZR 175/09, GRUR 2012, 618 Rn. 15 = WRP 2012, 813 - Medusa; OGH, GRUR Int. 2005, 945, 947). Die Streichung der Einrede des relativen Nichtigkeitsgrundes in Art. 99 Abs. 3 GMV in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 2015/2424 ist jedoch im Zusammenhang mit der Neufassung des Verletzungstatbestands in Art. 9 Abs. 2 GMV zu sehen. Es entspricht dem im Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 UMV und dem 12. Erwägungsgrund dieser Verordnung zum Ausdruck kommenden Willen des Unionsgesetzgebers, dem Prioritätsprinzip bereits im Rahmen des Verletzungstatbestands Geltung zu verschaffen. Auch nach der Neufassung der UMV ist es daher möglich, der Inanspruchnahme aus dem jüngeren Recht allein durch die Berufung auf das ältere Recht entgegenzutreten, ohne dessen Löschung zu betreiben (aA Eisenführ/Overhage in Eisenführ/ Schennen aaO Art. 99 Rn. 3; BeckOK MarkenR/Grüger, 10. Ed. 1. Juni 2017, Art. 99 VO (EG) 207/2009 Rn. 13.1).
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bb) Ohne Erfolg macht die Revision jedoch geltend, der Inanspruchnahme aus der Unionsmarke der Klägerin stehe im Streitfall der Umstand entgegen , dass es sich bei der angegriffenen Zeichenverwendung um eine rechtserhaltende Benutzung der Unionsmarke Nr. 3513694 der Beklagten zu 1 handelt.
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(1) Das Berufungsgericht hat die Frage offengelassen, ob die angegriffene Verwendungsform eine rechtserhaltende Benutzung der Unionsmarke Nr. 3513694 im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a GMV (jetzt: Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a UMV) darstellt. Auch wenn hieran in der Sache Zweifel bestehen, weil die angegriffene Zeichennutzung - anders als die Unionsmarke der Beklagten zu 1 - eher als drei Einzelstreifen denn als einheitli- cher "form strip" erscheinen, ist dies in der Revisionsinstanz zugunsten der Beklagten zu unterstellen.
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(2) Unter der Geltung des Art. 99 Abs. 3 GMV war anerkannt, dass der Nichtigkeitseinwand nur zum Erfolg führte, wenn das ältere Recht des Beklagten die Klagemarke wegen Eingreifens eines relativen Nichtigkeitsgrundes gem. Art. 53 Abs. 1 und 2 GMV zu Fall bringen konnte (vgl. OGH, GRUR Int. 2009, 74, 77; BeckOK GMV/Müller, 1. Ed. 15. Juni 2015, Art. 99 Rn. 26; BeckOK MarkenR/Grüger, 5. Ed. 1. Februar 2015, Art. 99 GMV Rn. 11). Voraussetzung des Nichtigkeitseinwands war mithin, dass die jüngere Marke und ihr Schutzbereich mit der älteren Marke und deren Schutzbereich identisch waren (Art. 8 Abs. 1 Buchst. a GMV), Verwechslungsgefahr zwischen jüngerer und älterer Marke bestand (Art. 8 Abs. 1 Buchst. b GMV), die jüngere Marke den Bekanntheitsschutz der älteren Marke verletzte (Art. 8 Abs. 5 GMV) oder dass ein älteres sonstiges Kennzeichenrecht der Benutzung der jüngeren Marke entgegenstand (Art. 8 Abs. 4 GMV).
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Die mit der Verordnung (EU) Nr. 2015/2424 vorgenommene Änderung des Art. 99 Abs. 3 GMV hat am Vorrang älterer Rechte gegenüber jüngeren Marken nichts geändert (s. Rn. 26 [II 2 d aa]). Der in Art. 9 Abs. 2 UMV ausdrücklich erwähnte Vorrang der vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte besteht, wenn - wie in Art. 8 Abs. 1, 4 und 5 UMV geregelt - die jüngere Marke das ältere Recht verletzt oder das ältere Recht der Benutzung der jüngeren Marke entgegensteht und folglich der Inhaber des älteren Rechts Löschung der jüngeren Marke verlangen kann.
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(3) Nach der Beurteilung des Berufungsgerichts kann die Beklagte zu 1 aufgrund ihrer Unionsmarke Nr. 3513694 nicht die Nichtigerklärung der Klagemarke 1 verlangen. Gegen diese Beurteilung, die Rechtsfehler nicht erkennen lässt, erhebt die Revision keine Rügen. Sie macht auch nicht geltend, die Be- klagte zu 1 könne aufgrund der weiteren von ihr gehaltenen Marken die Nichtigerklärung der Klagemarke 1 erreichen. Es fehlt hinsichtlich der Klagemarke 1 mithin an einer Kollisionslage, die Voraussetzung einer Prioritätsbetrachtung ist.
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Eine Kollisionslage besteht entgegen der Auffassung der Revision auch nicht mit Blick auf die tatsächliche Zeichennutzung der Beklagten zu 1, die in der Revisionsinstanz als rechtserhaltende Benutzung ihrer Unionsmarke anzusehen ist. Der Prioritätsgrundsatz regelt, wie im Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 UMV zum Ausdruck kommt, das zeitliche Rangverhältnis von Rechten. Einer tatsächlichen Benutzungsform für sich genommen kann mangels Rechtscharakters kein Vorrang im Sinne des Art. 9 Abs. 2 UMV zukommen. Diese Sichtweise entspricht der zum harmonisierten Markenrecht ergangenen Senatsrechtsprechung , in der Priorität allein Zeichenrechten zugebilligt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 148/04, GRUR 2008, 160 Rn. 15 = WRP 2008, 226 - CORDARONE; Urteil vom 5. Februar 2009 - I ZR 167/06, GRUR 2009, 484 Rn. 43 = WRP 2009, 616 - METROBUS; Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 231/06, GRUR 2009, 1055 Rn. 52 = WRP 2009, 1533 - airdsl). Die Verwechslungsgefahr ist mit Blick auf das Verhältnis zwischen Klagemarke und beanstandeter Benutzung zu beurteilen, während die Relevanz prioritätsälterer Gegenrechte allein mit Blick auf das Verhältnis zwischen Klagemarke und Gegenrecht zu prüfen ist. Die Revisionserwiderung verweist zu Recht darauf, dass tatsächliche Benutzungsformen für den Schutzbereich der Klagemarke allein im Sonderfall der Schwächung der Klagemarke eine Rolle spielen können (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - I ZR 50/11, GRUR 2012, 930 Rn. 40 = WRP 2012, 1234 - Bogner B/Barbie B).
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Nichts anderes kann auch der von der Revision angeführten Senatsentscheidung "Makalu" entnommen werden (Urteil vom 19. Februar 1998 - I ZR 138/95, GRUR 1998, 1034 = WRP 1998, 978). In der dortigen Konstellation war die Beklagte zur Benutzung einer mit dem Angriffszeichen identischen Benutzung berechtigt. Hieraus hat der Senat abgeleitet, dass der Angegriffene sich auf das Gegenrecht auch zur Abwehr einer hiermit nur verwechslungsfähigen Bezeichnung stützen könne. Wenn der Angreifer sich schon nicht mit Erfolg gegen eine identische Bezeichnung durchsetzen könne, könne er dieses erst recht nicht gegen eine nur verwechselbare Bezeichnung (BGH, GRUR 1998, 1034, 1036 - Makalu). Mithin greift auch in dieser Konstellation die Klagemarke in den Schutzbereich des älteren Gegenrechts ein. Hieran fehlt es aber im Streitfall, weil die als Gegenrecht angeführten Marken der Beklagten zu 1 weder identisch noch verwechslungsfähig mit der Klagemarke sind.
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3. Nach dem Vorstehenden hat das Berufungsgericht auch den Anträgen auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht zu Recht stattgegeben.
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4. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 287/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.). Die sich im Streitfall stellenden Fragen zur Auslegung der Gemeinschafts - und Unionsmarkenverordnung sind durch eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten.
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III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Büscher Schaffert Kirchhoff
Koch Feddersen
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 21.04.2015 - 1 HKO 22627/13 -
OLG München, Entscheidung vom 28.04.2016 - 6 U 1576/15 -

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Bundesgerichtshof Urteil, 09. Nov. 2017 - I ZR 110/16 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 545 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. (2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen

Markengesetz - MarkenG | § 4 Entstehung des Markenschutzes


Der Markenschutz entsteht 1. durch die Eintragung eines Zeichens als Marke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register,2. durch die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr, soweit das Zeichen innerhalb beteiligter Verkehrs

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Bundesgerichtshof Urteil, 09. Nov. 2017 - I ZR 110/16 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Nov. 2017 - I ZR 110/16 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juli 2007 - I ZR 148/04

bei uns veröffentlicht am 12.07.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 148/04 Verkündet am: 12. Juli 2007 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Feb. 2009 - I ZR 167/06

bei uns veröffentlicht am 05.02.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 167/06 Verkündet am: 5. Februar 2009 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR

Bundesgerichtshof Urteil, 30. März 2006 - I ZR 24/03

bei uns veröffentlicht am 30.03.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 24/03 Verkündet am: 30. März 2006 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : ja BGHR : j

Bundesgerichtshof Urteil, 02. März 2017 - I ZR 30/16

bei uns veröffentlicht am 02.03.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 30/16 Verkündet am: 2. März 2017 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR

Bundesgerichtshof Teilurteil, 03. Nov. 2016 - I ZR 101/15

bei uns veröffentlicht am 03.11.2016

Tenor Es wird festgestellt, dass das Verfahren hinsichtlich der Beklagten zu 2, soweit es in die Revisionsinstanz gelangt ist, unterbrochen ist.

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Apr. 2016 - I ZR 254/14

bei uns veröffentlicht am 28.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 254/14 Verkündet am: 28. April 2016 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Kinderstube Marken

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Apr. 2016 - I ZR 82/14

bei uns veröffentlicht am 28.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 82/14 Verkündet am: 28. April 2016 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 09. Nov. 2017 - I ZR 110/16.

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Juni 2018 - I ZR 221/16

bei uns veröffentlicht am 28.06.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 221/16 Verkündet am: 28. Juni 2018 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja beauty for less VO

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juli 2018 - I ZR 74/17

bei uns veröffentlicht am 12.07.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 74/17 Verkündet am: 12. Juli 2018 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja combit/Comm

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2018 - I ZR 20/17

bei uns veröffentlicht am 26.07.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZR 20/17 Verkündet am: 26. Juli 2018 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Davi

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Okt. 2018 - I ZR 136/17

bei uns veröffentlicht am 17.10.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 136/17 Verkündet am: 17. Oktober 2018 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Tork Verordnung

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Der Markenschutz entsteht

1.
durch die Eintragung eines Zeichens als Marke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register,
2.
durch die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr, soweit das Zeichen innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat, oder
3.
durch die im Sinne des Artikels6bis der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Verbandsübereinkunft) notorische Bekanntheit einer Marke.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht.

(2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 24/03 Verkündet am:
30. März 2006
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
BGHR : ja
Arzneimittelwerbung im Internet
EuGVÜ Art. 5 Nr. 3

a) Der Werbende kann das Verbreitungsgebiet der Werbung im Internet durch
einen sog. Disclaimer einschränken, in dem er ankündigt, Adressaten in einem
bestimmten Land nicht zu beliefern. Um wirksam zu sein, muss ein
Disclaimer eindeutig gestaltet und aufgrund seiner Aufmachung als ernst
gemeint aufzufassen sein und vom Werbenden auch tatsächlich beachtet
werden.

b) Den Einschränkungen des innerstaatlichen Rechts unterliegen nach § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 TDG Diensteanbieter, die in einem anderen Staat der EU
geschäftsansässig sind, wenn sie im Inland für ein nicht zugelassenes Arzneimittel
werben. Auch die Frage des Vertriebsverbots für nicht zugelassene
Arzneimittel in Deutschland richtet sich nach inländischem Recht.

c) Art. 1 Nr. 1 lit. b der Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur
Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. EG
Nr. L 136 v. 30.4.2004, S. 34) hat einen neuen europarechtlich einheitlichen
Arzneimittelbegriff für Funktionsarzneimittel eingeführt, der aufgrund richtlinienkonformer
Auslegung des § 2 AMG im Inland gilt.
BGH, Urt. v. 30. März 2006 - I ZR 24/03 - Kammergericht
LG Berlin
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 8. November 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte, ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, unterhält einen Internet-Versandhandel. Zu den von ihr vertriebenen Erzeugnissen gehören die im Klageantrag näher bezeichneten Produkte. Für diese warb die Beklagte auf ihren Internet-Seiten u.a. folgendermaßen:
2
Die Startseite des Internet-Auftritts der Beklagten enthielt jedenfalls bis Dezember 2001 den nachstehenden Hinweis:
3
Gleichwohl lieferte die Beklagte auf eine Bestellung aus November 2001 noch im Dezember 2001 die Produkte "L. TM Kapseln" und "Johanniskraut Kapseln" nach Deutschland.
4
Der klagende Wettbewerbsverein hat geltend gemacht, die streitgegenständlichen Produkte seien Arzneimittel, die die Beklagte ohne Zulassung im Inland weder bewerben noch vertreiben dürfe.

5
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr nachfolgend wiedergegebene Mittel ohne Zulassung als Arzneimittel (gemäß § 21 AMG) zu bewerben und/oder zu vertreiben:
a) K. mit Knoblauch Kapseln,
b) L. TM Kapseln,
c) Ly. TM Kapseln,
d) V. TM Kapseln,
e) Johanniskraut Kapseln.
6
Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in Abrede gestellt und die Ansicht vertreten, die von ihr beworbenen Produkte seien Nahrungsergänzungsmittel und keine zulassungspflichtigen Arzneimittel. Sie hat geltend gemacht, die Werbung und der Vertrieb der Produkte seien in den Niederlanden zulässig; sie dürfe deshalb für die Waren im Internet werben und diese vertreiben. Dies gelte jedenfalls, wenn sie klarstelle, nicht nach Deutschland zu liefern.
7
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen (KG ZLR 2003, 604).
8
Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


9
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG a.F. i.V. mit §§ 2, 21 AMG, § 3a HWG für begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:
10
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folge aus Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ. Unter den Begriff der unerlaubten Handlung im Sinne dieser Vorschrift fielen auch Ansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs. Ort des schädigenden Ereignisses seien der Handlungs- und der Erfolgsort. Die Internet-Domain sei bestimmungsgemäß in Deutschland abrufbar. Zu dem auf der Startseite angeführten Begriff der deutschsprachigen Europäer zählten neben Österreichern und Schweizern auch Deutsche. Zwar könne durch einen sog. Disclaimer das auf der ganzen Welt abrufbare Internet-Angebot auf bestimmte Gebiete beschränkt werden. Die Beklagte habe sich jedoch durch die Lieferung nach Deutschland zu dem Disclaimer in Widerspruch gesetzt. Im Übrigen reiche die schlüssige Behauptung der die internationale Zuständigkeit begründenden Umstände aus.
11
Der Unterlassungsanspruch sei begründet, weil es sich bei den streitgegenständlichen Produkten um (Funktions-)Arzneimittel handele, die ohne arzneimittelrechtliche Zulassung in Deutschland nicht vertrieben werden dürften. Maßgeblich für die Einordnung als Arzneimittel oder als Lebensmittel sei die an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung. Die Verkehrsanschauung knüpfe regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung an, die von den Verwendungsmöglichkeiten solcher Mittel ihrer Art nach abhänge. Die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung eines Produkts könne von der Auffassung der Wissenschaft, den dem Mittel beigefügten Hinweisen und Werbeprospekten sowie der Aufmachung der Mittel beeinflusst werden. Auch nach den einschlägigen EG-Vorschriften seien Mittel, die unter den europäischen Arzneimittelbegriff fielen, keine Lebensmittel.
12
Nach den Werbeaussagen der Beklagten, deren Richtigkeit von den Parteien nicht in Abrede gestellt worden sei, hätten die in Rede stehenden Produkte eine pharmakologische Wirkung. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sei ein Erzeugnis als ein Arzneimittel anzusehen , wenn es dazu bestimmt und geeignet sei, zur Beeinflussung der Körperfunktion im eigentlichen Sinne angewandt zu werden, es sei denn, die Stoffe wirkten sich nicht nennenswert auf den Stoffwechsel aus. Die streitgegenständlichen Produkte hätten in diesem Sinne eine pharmakologische Wirkung. Es finde eine gezielte Beeinflussung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers statt, der kein gleichwertiger oder überwiegender Ernährungszweck gegenüberstehe. Durch die Mittel würden keine Mangelzustände aufgrund verbrauchter Nährstoffe ausgeglichen, sondern es werde gezielt die Herzfunktion verbessert, die sexuelle Leistungsfähigkeit gesteigert, die Prostata verkleinert oder zur Aufhellung der Psyche beigetragen.
13
Das Mittel "K. mit Knoblauch Kapseln" enthalte das CoEnzym Q-10, das den Stoffwechsel beeinflusse. Knoblauch in arzneilicher Zubereitung diene der Vorbeugung altersbedingter Gefäßerkrankungen.
14
Die Mittel "L. TM Kapseln" und "V. TM Kapseln" würden als natürliche, sichere, patentierte und klinisch erprobte Rezepturen zur Steigerung der sexuellen Leistungsfähigkeit beworben, die durch eine klinisch erprobte Formel zur Erhöhung der Produktion des Neutrotransmitters "Stickstoffmonoxyd" die Durchblutung der Sexualorgane steigern sollten. Die Mittel würden in den Stoffwechsel eingreifen. Durch den Hinweis auf eine klinische Erprobung werde das Verkehrsverständnis einer pharmakologischen Wirkung verstärkt.
15
Das Mittel "Ly. TM Kapseln" helfe, eine vergrößerte Prostata zu verkleinern und einem häufigen Harndrang entgegenzuwirken, und manipuliere ebenfalls die Körperfunktionen.
16
Die Wirkung der Johanniskraut-Kapseln sei auf die Förderung einer positiven Einstellung und einer stabilen Gemütslage gerichtet. Johanniskraut werde in arzneilicher Zubereitung bei psycho-vegetativen Störungen wie Angst und nervöser Unruhe sowie depressiven Verstimmungen angewandt. Es habe die Zweckbestimmung eines Arzneimittels und manipuliere die Körperfunktionen.
17
Bei der Einnahme der Mittel seien Gesundheitsrisiken nicht auszuschließen ; es bestehe die Gefahr der unsachgerechten Selbstmedikation durch Einnahme der Mittel unter Vernachlässigung eines gebotenen Arztbesuchs.
18
Das Vertriebs- und Werbeverbot nach § 21 AMG, § 3a HWG gelte auch dann, wenn die Mittel in einem anderen EU-Mitgliedstaat zulässigerweise auf dem Markt sein sollten. Handele es sich um in einem anderen Mitgliedstaat frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel ohne arzneimittelrechtliche Zulassung oder Registrierung, fehle es an einer Grundlage, die Mittel ohne entsprechendes Prüfverfahren als gleichwertig mit im Inland zugelassenen Arzneimitteln anzusehen. Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit i.S. von Art. 28 EG durch das Vertriebs- und das Werbeverbot seien zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen nach Art. 30 EG gerechtfertigt.
19
II. Die Revision ist nicht begründet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts , die Bewerbung und der Vertrieb der in Rede stehenden Produkte durch die Beklagte seien im Inland unlauter, hält sowohl nach altem (§ 1 UWG a.F.) als auch nach neuem Recht (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG) der rechtlichen Nachprüfung stand.
20
1. Anders als die Revision meint, ist im Streitfall eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben. Die unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.2003 - IX ZR 203/02, WM 2003, 1542; Urt. v. 20.11.2003 - I ZR 102/02, TranspR 2004, 74, 75 = MDR 2004, 761) ergibt sich aus Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ. Das EuGVÜ ist vorliegend anwendbar, weil die Klage am 7. September 2001 und damit vor Geltung der EuGVVO, die am 1. März 2002 in Kraft getreten ist (Art. 76 Abs. 1 EuGVVO), erhoben worden ist (§ 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 ZPO; vgl. auch BGH, Urt. v. 24.2.2005 - I ZR 101/02, GRUR 2005, 519 = WRP 2005, 735 - Vitamin-Zell-Komplex).
21
Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Unter die Zuständigkeit des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ fallen Klagen aufgrund unerlaubter Wettbewerbshandlungen (BGH, Urt. v. 11.2.1988 - I ZR 201/86, GRUR 1988, 483, 485 = WRP 1988, 446 - AGIAV; BGHZ 153, 82, 91). Der Ort des schädigenden Ereignisses i.S. des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ist neben dem Handlungsort auch der Erfolgsort, d.h. der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist (EuGH, Urt. v. 7.3.1995 - Rs. C-68/93, Slg. 1995, I-415 = GRUR Int. 1998, 298 Tz. 20 - Shevill). Bei Wettbewerbsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internet-Auftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll (BGH, Urt. v. 13.10.2004 - I ZR 163/02, GRUR 2005, 431, 432 = WRP 2005, 493 - HOTEL MARITIME; zu § 32 ZPO, § 24 UWG a.F.: OLG Frankfurt CR 1999, 450; OLG Bremen CR 2000, 770, 771; Harte/Henning/Retzer, UWG, § 14 Rdn. 64; weitergehend zu § 32 ZPO, § 24 UWG a.F.: OLG München CR 2002, 449, 450). Die Zuständigkeit hängt allerdings nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist. Es reicht vielmehr aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH GRUR 2005, 431, 432 - HOTEL MARITIME).
22
Der Ort des schädigenden Ereignisses liegt im Streitfall in Deutschland. Der Internet-Auftritt der in den Niederlanden ansässigen Beklagten war international ausgerichtet und auch in deutscher Sprache gehalten und an deutschsprachige Europäer gerichtet. Die Verkaufspreise waren zudem in DM angegeben. Soweit die Beklagte in ihrem Internet-Auftritt den Hinweis auf "deutschsprachige Europäer" mit dem Zusatz "aber nicht an deutsche Adressen" und der österreichischen Nationalflagge versehen hat, ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass dadurch Deutschland von dem Internet-Auftritt nicht ausgeschlossen worden ist. Allerdings kann ein sogenannter Disclaimer, mit dem der Werbende ankündigt, Adressaten in einem bestimmten Land nicht zu beliefern, ein Indiz für eine Einschränkung des Verbreitungsgebiets sein (vgl. OLG Frankfurt CR 1999, 450, 451; KG GRUR Int. 2002, 448, 449 f.; Fezer /Hausmann/Obergfell, UWG, Einl. I Rdn. 369; Hoeren, WRP 1997, 993, 998; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909, 919; Ubber, Markenrecht im Internet, S. 214; enger: Harte/Henning/Retzer aaO § 14 Rdn. 64). Ein wirksamer Disclaimer setzt aber voraus, dass er klar und eindeutig gestaltet und aufgrund seiner Aufmachung als ernst gemeint aufzufassen ist. Erheblich ist der Disclaimer zudem nur, wenn ihn der Werbende auch tatsächlich beachtet und nicht entgegen seiner Ankündigung gleichwohl in das vom Vertrieb ausgenommene Absatzgebiet liefert. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Der Disclaimer ist ersichtlich nicht ernst gemeint, weil die Beklagte beim Vertrieb ihrer Produkte neben Preisen in Euro auch DM-Preise bei der Produktwerbung angegeben hat. Hätte die Beklagte von ihrem an deutschsprachige Europäer gerichteten Angebot tatsächlich inländische Abnehmer ausnehmen wollen, hätte es wesentlich näher gelegen, statt der deutschen Währung die österreichische oder die schweizerische Währung anzugeben. Den Disclaimer hat die Beklagte auch selbst nicht beachtet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist sie den Lieferersuchen nach Deutschland jedenfalls in zwei Fällen nachgekommen.
23
Entgegen der Ansicht der Revision stellt es auch keine unzulässige Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 EG dar, dass ein Disclaimer bei der Frage, an wen sich der Internet-Auftritt bestimmungsgemäß richtet, nur Beachtung finden kann, wenn er widerspruchsfrei und ernst gemeint aufgemacht ist und wenn sich der Werbende zu dem Disclaimer nicht in Widerspruch setzt.
24
2. Der Unterlassungsanspruch ist nach § 1 UWG a.F., §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs.1 UWG i.V. mit §§ 2, 21 AMG, § 3a HWG begründet.
25
a) Die Anwendung deutschen Rechts auf den Internet-Auftritt der Beklagten ist nicht nach dem sog. Marktortprinzip ausgeschlossen. Nach dem Marktortprinzip setzt die Anwendung deutschen Wettbewerbsrechts voraus, dass die wettbewerblichen Interessen der Mitbewerber im Inland aufeinandertreffen (vgl. BGH, Urt. v. 4.6.1987 - I ZR 109/85, GRUR 1988, 453, 454 = WRP 1988, 25 - Ein Champagner unter den Mineralwässern; BGHZ 113, 11, 14 - Kauf im Ausland; BGH, Urt. v. 14.5.1998 - I ZR 10/96, GRUR 1998, 945, 946 = WRP 1998, 854 - Co-Verlagsvereinbarung). Nach deutschem Wettbewerbs- recht ist der Internet-Auftritt der Beklagten zu beurteilen, wenn sich dieser bestimmungsgemäß auch im Inland ausgewirkt hat (vgl. Köhler in Hefermehl /Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., Einl. UWG Rdn. 5.8; Fezer /Hausmann/Obergfell aaO Einl. I Rdn. 273; Harte/Henning/Glöckner aaO Einl. C Rdn. 84 ff.; Bornkamm in: Bartsch/Lutterbeck, Neues Recht für neue Medien, 1998, 99, 105). Hiervon ist im Streitfall auszugehen; insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen zur Begründung der internationalen Zuständigkeit entsprechend (Abschn. II 1). Der Internet-Auftritt der Beklagten hat sich auch tatsächlich und nicht nur nach den Behauptungen des Klägers im Inland ausgewirkt. Durch den von der Beklagten auf ihrer Startseite im Internet angebrachten Disclaimer wurde der Inlandsbezug nicht ausgeschlossen, weil der Disclaimer ersichtlich nicht ernst gemeint war und die Beklagte sich an die dort angekündigte Lieferbeschränkung tatsächlich auch nicht gehalten hat. Bei der von der Beklagten vorgenommenen Lieferung von zwei Produkten nach Deutschland handelte es sich nicht um ein einmaliges Versehen. Davon ist das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten ausgegangen. Diese Feststellungen des Berufungsgerichts sind aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Auch die Revision zeigt einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts nicht auf. Dem Disclaimer fehlte deshalb eine dahingehende Indizwirkung, dass die Beklagte grundsätzlich keine Lieferungen nach Deutschland vornahm.
26
b) Das beantragte Verbot der Werbung und des Vertriebs der streitgegenständlichen Produkte ist nicht nach dem Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz TDG) ausgeschlossen. Das Teledienstegesetz in der bis zum 20. Dezember 2001 gültigen Fassung sah keine Ausnahmen von nationalen Beschränkungen für Diensteanbieter mit Niederlassung in einem anderen EG-Staat vor.
27
Nach der Novellierung des Teledienstegesetzes mit Wirkung ab 21. Dezember 2001 sind die beanstandete Werbung und der Vertrieb der in Rede stehenden Produkte von einem Verbot nach § 4 Abs. 2 Satz 1 TDG n.F. nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte ihren Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat hat. Nach dieser Vorschrift, durch die Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft , insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr", ABl. EG Nr. L 178 v. 17.7.2000, S. 1) umgesetzt worden ist (vgl. Begr. zum Regierungsentwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr [Elektronisches Geschäftsverkehr-Gesetz - EGG], BTDrucks. 14/6098, S. 18), wird der Dienstleistungsverkehr von nationalen Beschränkungen , die im Herkunftsland nicht gelten, freigestellt (Herkunftslandprinzip ). Zu den Telediensten im Sinne des Teledienstegesetzes rechnen gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 5 TDG auch Angebote von Waren in elektronisch abrufbaren Datenbanken mit interaktivem Zugriff und unmittelbarer Bestellungsmöglichkeit , wie sie die Beklagte vorliegend bereitstellt. Gleichwohl unterliegen Werbung und Vertrieb der Produkte der Beklagten deutschem Recht.
28
aa) Für die Beurteilung des Vertriebsverbots sind die Bestimmungen des Teledienstegesetzes nicht einschlägig. Die E-Commerce-Richtlinie, zu deren Umsetzung die Novellierung des Teledienstegesetzes durch das Elektronische Geschäftsverkehr-Gesetz (EGG) diente (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 14/6098, S. 11), regelt nicht die Lieferung von Produkten. Diese sind nach Art. 2 lit. h ii Spiegelstrich 2 der E-Commerce-Richtlinie und nach ihrem Erwägungsgrund Nr. 21 vom koordinierten Bereich ausgenommen (vgl. auch KG GRUR-RR 2001, 244, 249; Ahrens, CR 2000, 835, 841; Ernst, WRP 2001, 893, 898). Entsprechendes gilt für die die Richtlinie umsetzende Novellie- rung des Teledienstegesetzes, dem auch nichts für eine weitergehende Regelung zu entnehmen ist (Spindler in Spindler/Schmitz/Geis, TDG, 2004, § 4 TDG Rdn. 11; Brunner in Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, § 4 TDG Rdn. 35).
29
bb) Dem von dem Kläger beantragten Werbeverbot steht nicht die Bestimmung des § 4 Abs. 2 Satz 1 TDG entgegen. Dazu bedarf es keines näheren Eingehens auf die Rechtsnatur und die Reichweite des Herkunftslandprinzips nach § 4 Abs. 2 Satz 1 TDG (vgl. zum Meinungsstand: Ahrens, FS Tilmann, S. 739, 745 f.; Fezer/Hausmann/Obergfell aaO Einl. I Rdn. 112 ff.; Spindler in Spindler/Schmitz/Geis aaO § 4 TDG Rdn. 23 ff.; Brunner in Manssen aaO § 4 TDG Rdn. 37 ff.). Denn § 4 Abs. 2 Satz 1 TDG findet nach § 4 Abs. 2 Satz 2 i.V. mit Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 TDG keine Anwendung. Danach unterliegen das Angebot und die Erbringung eines Teledienstes durch einen Diensteanbieter, der in einem anderen EU-Mitgliedstaat niedergelassen ist, abweichend von § 4 Abs. 2 Satz 1 TDG den Einschränkungen des innerstaatlichen Rechts, soweit dieses dem Schutz der öffentlichen Gesundheit vor Beeinträchtigungen oder ernsthaften und schwerwiegenden Gefahren dient, und die auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts in Betracht kommenden Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen stehen. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht ausdrücklich erörtert. Das nötigt jedoch nicht zu einer Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache, weil der Senat die erforderliche Prüfung selbst vornehmen kann.
30
Gegenstand der Beurteilung ist im Streitfall die Frage, ob ein Werbeverbot für im Inland nicht zugelassene Arzneimittel, zu denen die streitgegenständlichen Produkte der Beklagten rechnen (vgl. hierzu nachstehend II 2 c), dem Schutz der öffentlichen Gesundheit vor Beeinträchtigungen oder ernsthaften und schwerwiegenden Gefahren dient und dies im Hinblick auf das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit verhältnismäßig ist (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 TDG, Art. 3 Abs. 4 lit. a E-Commerce-Richtlinie). Davon ist allerdings nicht schon deshalb auszugehen, weil der deutsche Gesetzgeber in § 3a HWG ein Werbeverbot für Arzneimittel vorgesehen hat, denen die erforderliche Zulassung fehlt (vgl. Spindler in Spindler/Schmitz/Geis aaO § 4 Rdn. 55 TDG). Allein aus dem Vorhandensein eines nationalen Werbeverbots für entsprechende Arzneimittel folgte nicht, dass auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 TDG erfüllt sind. Das Werbeverbot des § 3a HWG für Arzneimittel, denen die notwendige Zulassung fehlt, setzt aber Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 31. März 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel (ABl. EG Nr. L 113 v. 30.4.1992, S. 13) um. Danach untersagen die Mitgliedstaaten die Werbung für ein Arzneimittel, für dessen Inverkehrbringen keine Genehmigung nach den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft erteilt worden ist. Eine gleichlautende Bestimmung enthält Art. 87 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. EG Nr. L 311 v. 28. 11. 2001, S. 67). Das in diesen Richtlinien vorgesehene und in § 3a HWG umgesetzte Werbeverbot für nicht zugelassene Arzneimittel dient der Abwendung ernsthafter und schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Gesundheit und ist, wie sich aus der in den Richtlinien selbst angeordneten Rechtsfolge ergibt, verhältnismäßig. Für dieses Ergebnis spricht auch der Erwägungsgrund Nr. 11 der E-Commerce-Richtlinie, wonach die Richtlinie das Schutzniveau für die öffentliche Gesundheit unberührt lässt. Zum Rechtsstand, der uneingeschränkt für die Dienste der Informationsgesellschaft gilt, zählt nach diesem Erwägungsgrund auch die Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 31. März 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel. Dieses Schutzniveau würde aber abgesenkt, wenn § 3a HWG, der die EG-Richtlinien umsetzt, aufgrund der E-Commerce-Richtlinie keine Anwendung fände. Entsprechendes gilt, wenn in jedem Einzelfall eine Prüfung erforderlich wäre, ob konkrete, nicht anders als durch ein Verbot abwendbare Gefahren von einer Werbung für ein nicht zugelassenes Arzneimittel ausgehen. Eine solche Einzelfallprüfung sehen die einschlägigen Vorschriften der Richtlinien 92/28/EWG und 2001/83/EG gerade nicht vor. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass nunmehr von einem einheitlichen Arzneimittelbegriff in der Europäischen Union auszugehen ist (dazu Abschnitt II 2 c bb). Das auf nicht zugelassene Arzneimittel bezogene Werbeverbot ist in den Mitgliedstaaten danach einem einheitlichen Recht unterworfen.
31
c) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Erzeugnissen um (Funktions-)Arzneimittel i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG handelt, die ohne arzneimittelrechtliche Zulassung in Deutschland nicht vertrieben (§ 21 Abs. 1 AMG) und nicht beworben werden dürfen (§ 3a HWG). Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
32
aa) Der Senat ist in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass für die Einordnung eines Produkts als Arznei- oder Lebensmittel seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung entscheidend ist, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher darstellt. Die Verkehrsauffassung knüpft regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Vorstellung des Verbrauchers von der Zweckbestimmung des Produkts kann weiter durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft, durch ihm beigefügte oder in Werbeprospekten enthaltene Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie durch die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher entgegentritt, beeinflusst sein (BGHZ 151, 286, 292 - Muskelaufbaupräparate ). Diese Abgrenzung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zum gemeinschaftsrechtli- chen Arzneimittelbegriff nach der Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 (BGH, Urt. v. 6.5.2004 - I ZR 275/01, GRUR 2004, 793, 796 = WRP 2004, 1024 - Sportlernahrung II; vgl. auch EuGH, Urt. v. 9.6.2005 - Rs. C-211, C-299 und C-316/03 bis C-318/03, WRP 2005, 863 Tz. 45 = ZLR 2005, 435 - HLH Warenvertriebs GmbH).
33
bb) Durch Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. EG Nr. L 136 v. 31.3.2004, S. 34) ist der Arzneimittelbegriff neu definiert worden. Nach Art. 1 Nr. 1 lit. b der Richtlinie 2004/27/EG sind danach Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische , immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Durch die neu in die Begriffsbestimmung des Funktionsarzneimittels aufgenommenen Wirkungen (pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung) stellt der Arzneimittelbegriff jedenfalls in größerem Umfang als die zuvor maßgebliche Definition des Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG auf objektive Merkmale des Produkts ab (vgl. Doepner/Hüttebräuker, WRP 2005, 1195, 1196; Meyer/Reinhart, WRP 2005, 1437, 1444; weitergehend Gröning, WRP 2005, 709, 712). Mit der neuen Definition des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 1 lit. b der Richtlinie 2004/27/EG aufgrund des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts verfolgte der europäische Gesetzgeber nach Erwägungsgrund Nr. 7 der Richtlinie das Ziel, die Begriffsbestimmungen weiter zu klären und zu spezifizieren und auftretende Zweifel der Begriffsbestimmung vermeiden zu helfen. Mit der Bestimmung des Begriffs des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 1 lit. b der Richtlinie 2004/27/EG vom 31. März 2004 ist nunmehr an- ders als unter Geltung des Arzneimittelbegriffs nach Art. 1 Nr. 2 in der ursprünglichen Fassung der Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 (vgl. EuGH WRP 2005, 863 Tz. 56 - HLH Warenvertriebs GmbH) von einem einheitlichen europäischen Begriff des Funktionsarzneimittels und einer Vollharmonisierung in diesem Bereich auszugehen (vgl. Doepner/Hüttebräuker, WRP 2005, 1195, 1202; Meyer/Reinhart, WRP 2005, 1437, 1444). Nach Ablauf der Umsetzungsfrist gemäß Art. 3 der Richtlinie 2004/27/EG vom 31. März 2004 am 30. Oktober 2005 ist die Bestimmung des § 2 AMG, die den nationalen Arzneimittelbegriff regelt, richtlinienkonform i.S. des neu gefassten europarechtlichen Arzneimittelbegriffs auszulegen. Dabei ist für die Abgrenzung zwischen Arzneimittel und Lebensmittel auch die Definition des Lebensmittels heranzuziehen. Denn Arzneimittel sind nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG nicht Lebensmittel i.S. von § 2 Abs. 2 LFGB. Nach § 2 Abs. 2 LFGB i.V. mit Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 (ABl. EG L 31 v. 1.2.2002, S. 1) sind "Lebensmittel" alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.
34
cc) Sowohl unter Zugrundelegung des Arzneimittelbegriffs der Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 in der ursprünglichen Fassung als auch in der durch die Richtlinie 2004/27/EG vom 31. März 2004 geänderten Fassung ist bei den von der Beklagten beworbenen und vertriebenen Präparaten davon auszugehen, dass es sich um Funktionsarzneimittel handelt. Das Berufungsgericht hat die pharmakologische Wirkung dieser Produkte festgestellt. Mit ihren hiergegen gerichteten Rügen dringt die Revision nicht durch.
35
Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass mit der Verwendung der in Rede stehenden Erzeugnisse nicht zwingend Gesundheitsgefahren verbunden sein müssen, um eine pharmakologische Wirkung zu bejahen. Der Begriff des Arzneimittels ist nicht auf Präparate beschränkt, die gesundheitsgefährdend sein können. Vielmehr ist das Auftreten einer Gesundheitsgefahr nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften lediglich ein eigenständiger Faktor, der bei der Einstufung als Arzneimittel zu berücksichtigen ist (EuGH WRP 2005, 863 Tz. 54 - HLH Warenvertriebs GmbH). Demgegenüber ist die pharmakologische Wirkung - neben der immunologischen oder der metabolischen Wirkung - des Erzeugnisses ein Faktor, auf dessen Grundlage die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten zu beurteilen haben, ob das Erzeugnis i.S. von Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der ursprünglichen Fassung dazu bestimmt ist, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden (EuGH WRP 2005, 863 Tz. 52 und 54 - HLH Warenvertriebs GmbH) oder um nach Art. 1 Nr. 1 lit. b der Richtlinie 2004/27/EG die menschlichen physiologischen Funktionen wieder herzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Denn es hat die Gefahr einer unsachgemäßen Selbstmedikation aufgrund der Einnahme der Mittel statt eines gebotenen Arztbesuchs bejaht. Aus diesem Grund erweisen sich das Werbe- und das Vertriebsverbot unter Berücksichtigung der von den Produkten ausgehenden Gesundheitsrisiken auch nicht als unverhältnismäßig (vgl. zu diesem Erfordernis: EuGH, Urt. v. 29.4.2004 - Rs. C-387/99, Slg. 2004, I-3751 = ZLR 2004, 464 Tz. 72 - Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland; BGH GRUR 2004, 793, 797 - Sportlernahrung II), sondern im Hinblick auf eine einheitliche Anwendung des Arzneimittelbegriffs in den Mitgliedstaaten als sachgerecht.
36
Die Revision hat weiter geltend gemacht, das Berufungsgericht habe bei der Einordnung als Arzneimittel lediglich auf die Werbeaussagen der Beklagten im Internet abgestellt und gleichwohl das vom Landgericht ausgesprochene Verbot des Vertriebs und der Werbung für die fünf Produkte bestätigt. Das Berufungsgericht hat das Vertriebsverbot jedoch nicht aus bestimmten Werbeangaben der Beklagten hergeleitet, sondern ist davon ausgegangen, dass es sich bei den Produkten der Beklagten um Funktionsarzneimittel handelt, weil die in den Werbeangaben getroffenen Aussagen richtig sind und die Produkte danach eine pharmakologische Wirkung haben.
37
Die von der Beklagten vertriebenen Produkte sind somit Arzneimittel i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG, für deren Inverkehrbringen im Inland die erforderliche Zulassung oder Genehmigung fehlt. Sie dürfen gemäß § 21 AMG nicht im Inland vertrieben und gemäß § 3a HWG nicht im Inland beworben werden. Da die Beklagte hiergegen verstoßen hat, ist sie gemäß § 1 UWG a.F. und § 3, § 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1 UWG zur Unterlassung verpflichtet. Das Inverkehrbringen und Bewerben von Arzneimitteln ohne Zulassung stellen ein i.S. des § 1 UWG a.F. sittenwidriges Handeln und ein nach § 4 Nr. 11 UWG unlauteres Marktverhalten dar (vgl. BGHZ 163, 265, 274 - Atemtest).
38
Die Wiederholungsgefahr folgt hinsichtlich der zwei nach Deutschland gelieferten Produkte aus dem Wettbewerbsverstoß. Wegen der übrigen drei Produkte besteht eine Erstbegehungsgefahr. Aufgrund der bereits erfolgten Lieferung der Präparate "L. Kapseln" TM und "Johanniskraut Kapseln" in das Inland besteht die konkrete Gefahr, dass bei entsprechenden Lieferersuchen auch die übrigen Produkte in das Inland geliefert werden.
39
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ullmann Bornkamm Büscher
Schaffert Bergmann
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 18.03.2002 - 97 O 192/01 -
KG Berlin, Entscheidung vom 08.11.2002 - 5 U 149/02 -
18
a) Nach dem Zeitpunkt der behaupteten Zuwiderhandlungen ist das im Streitfall maßgebliche Recht durch die am 23. März 2016 in Kraft getretene Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Gemeinschaftsmarke und der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 der Kommission über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zu entrichtenden Gebühren (nachfolgend: VO (EU) Nr. 2015/2424) novelliert worden (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 21). Die im Streitfall maßgebliche Vorschrift des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV ist durch Art. 1 Nummer 11 der VO (EU) Nr. 2015/2424 zwar ergänzt und geändert worden. An die Stelle des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV ist die Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der VO (EU) Nr. 2015/2424 getreten. Diese Änderungen haben aber keine Auswirkungen auf die im Streitfall entscheidungserheblichen Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr und das Erfordernis des Handelns im geschäftlichen Verkehr. Deshalb besteht kein Anlass, die mündliche Verhandlung wegen dieser Gesetzesänderung nach § 156 Abs. 1 ZPO wiederzueröffnen.

Tenor

Es wird festgestellt, dass das Verfahren hinsichtlich der Beklagten zu 2, soweit es in die Revisionsinstanz gelangt ist, unterbrochen ist.

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - 5. Zivilsenat - vom 27. März 2015 aufgehoben, soweit zugunsten der Beklagten zu 1 erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein in I.   ansässiges Textilunternehmen, ist Inhaberin der am 6. März 2001 angemeldeten und am 16. Februar 2004 für eine Vielzahl von Waren, darunter

Badezimmerwäsche, Badetücher, Strandhandtücher, Bett- und Tischüberzüge, Betttücher, Bettdecken, Decken, Kissenbezüge, Federbettbezüge, Gesichtshandtücher, Haarhandtücher, Handtücher für den gewerblichen Gebrauch (für Hotels, Krankenhäuser, Laboratorien), Kopfkissenbezüge, Steppdeckenbezüge, Lacken [gemeint wohl: Laken], Gesichtstücher aus Textil, Hand- und Badetücher aus Textil, Badezimmer Matten

eingetragenen Unions-Wortmarke Nr. 002116275 "MICRO COTTON" (Klagemarke 1). Die Klägerin ist weiterhin Inhaberin der am 22. März 2007 angemeldeten und am 15. Mai 2008 für "Badwäsche, Badetücher, Strandtücher" sowie "Textilhandtücher" eingetragenen Unions-Wortmarke Nr. 005778031 "MICRO COTTON GREEN EARTH" (Klagemarke 2).

2

Im Mai 2010 verkaufte die Beklagte zu 1, Einkaufsgesellschaft der Supermarktketten A.  Nord und A.  Süd, Handtücher in der folgenden Aufmachung, die ihr die Beklagte zu 2, eine Textilherstellerin, geliefert hatte (Abbildung Anlage K 8):

Abbildung

3

Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung ihrer Marken und hat die Beklagten erfolglos vorgerichtlich abgemahnt. Sie stützt ihr Begehren vorrangig auf die Klagemarke 1, nachrangig auf die Klagemarke 2.

4

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr das Zeichen "Microcotton" für den Vertrieb von Handtüchern zu benutzen, insbesondere dieses Zeichen auf Handtüchern, ihrer Aufmachung, ihrem Etikett und/oder ihrer Verpackung anzubringen, unter diesem Zeichen Handtücher anzubieten und/oder anbieten zu lassen, in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, zu diesem Zweck zu besitzen, unter diesem Zeichen Handtücher einzuführen und/oder einführen zu lassen, auszuführen und/oder ausführen zu lassen und/oder in der Werbung, insbesondere im Internet, für Handtücher zu benutzen und/oder benutzen zu lassen, jeweils wenn dies geschieht wie aus der Anlage K 8 ersichtlich;

2. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin unter Vorlage aller entsprechenden Rechnungen Auskunft zu erteilen über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß vorstehender Ziffer 1, insbesondere über die Herkunft und den Vertriebsweg der unter Ziffer 1 beschriebenen Produkte unter Angabe von Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer und Auftraggeber, sowie die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Artikel;

3. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin unter Vorlage aller entsprechenden Rechnungen über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß vorstehender Ziffer 1 Auskunft zu erteilen und zwar unter detaillierter Aufschlüsselung aller mit den bezeichneten Waren erzielten Umsätze und Kostenfaktoren, aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren und unter Angabe des Umfangs der betriebenen Werbung, aufgelistet nach Kalendervierteljahren und Werbeträgern, Auflagenhöhen und Verbreitungsgebieten und Verbreitungszeiträumen;

4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den in Ziffer 1 beschriebenen Handlungen bereits entstanden ist oder künftig noch entstehen wird;

5. die Beklagten zu verurteilen, die in ihrem Besitz befindlichen Gegenstände, die mit dem Zeichen "Microcotton" gekennzeichnet sind, nämlich Handtücher, deren Etiketten, Verpackungen und Kataloge zu vernichten;

6. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin jeweils einen Betrag in Höhe von 699,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2010 zu zahlen.

5

Die Beklagten haben widerklagend beantragt,

die Unionsmarke 2 116 275 "MICRO COTTON" für nichtig zu erklären,

hilfsweise, die vorgenannte Unionsmarke für verfallen zu erklären.

6

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt (LG Hamburg, Urteil vom 4. Oktober 2011 - 312 O 558/10, juris). Auf den Hilfsantrag der Widerklage hat das Landgericht die Klagemarke 1 in Bezug auf die folgenden Waren für verfallen erklärt:

Tischbezüge, Tischtücher, Rollos, Tücher, Baumwollstoffe, Gardinen, Federbetten, Stoffe, Stoffe für den textilen Gebrauch, Möbelbezüge, Taschentücher, Haushaltswäsche, Textilartikel für den Haushalt, Servietten und Windeln, Steppdecken, Duschvorhänge, Tischbezüge, Tischunterlagen, Geschirrtücher, Textilartikel, Textilartikel, die nicht in einer anderen Klasse enthalten sind, Stückwaren aus Textil, Wandbehänge aus Textil, Textilien und Güter aus Textil, Textilien und textile Güter, die nicht in anderen Klassen beinhaltet sind, Make-up Entfernungstücher aus Textil, Polsterstoffe, gewobene Güter und Textilien, Teppichrückenverstärkungen, Teppiche, Läufer, Matten, Türvorleger, Fußbodenbeläge, Wandverkleidungen und Wandbehänge.

7

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und auf die Widerklage die Klagemarke 1 für nichtig erklärt (OLG Hamburg, Urteil vom 27. März 2015 - 5 U 230/11, BeckRS 2016, 6264).

8

Mit Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 27. Mai 2016 ist über das Vermögen der Beklagten zu 2 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

9

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte zu 1 beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge und den Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.

Entscheidungsgründe

10

I. Das Berufungsgericht hat die Klage für zulässig, aber unbegründet, die Widerklage dagegen als begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

11

Ansprüche wegen Verletzung der Klagemarke 1 bestünden nicht, weil die angegriffene Verwendungsform keine markenmäßige Benutzung darstelle. Die Klage sei auch im Hinblick auf die Klagemarke 2 nicht begründet, weil diese Marke keine stärkere Rechtsposition vermittle als die Klagemarke 1. Die auf die Nichtigerklärung der Klagemarke 1 gerichtete Widerklage sei wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen Vorliegens eines Freihaltebedürfnisses begründet.

12

II. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten zu 2 ist der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2 anhängige Rechtsstreit gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Diese Unterbrechung berührt jedoch das Prozessrechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 nicht. Insoweit ist der Rechtsstreit durch Teilurteil zu entscheiden.

13

1. Ein Teilurteil ist hinsichtlich der Klage zulässig.

14

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Teilurteil nur ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so dass die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht. Ein Teilurteil ist schon dann unzulässig, wenn nicht auszuschließen ist, dass es in demselben Rechtsstreit zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2003 - VI ZR 8/03, NJW 2004, 1452; Urteil vom 7. November 2006 - X ZR 149/04, NJW 2007, 156 Rn. 12; Urteil vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 13; Urteil vom 23. September 2015 - I ZR 78/14, GRUR 2015, 1201 Rn. 26 = WRP 2015, 1487 - Sparkassen-Rot/Santander-Rot). Ein Teilurteil kann danach grundsätzlich nicht für oder gegen einzelne von mehreren Streitgenossen ergehen.

15

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist allerdings anerkannt, dass gegen einen einfachen Streitgenossen ein Teilurteil trotz der Gefahr einer widerstreitenden Entscheidung im weiteren Verfahren ergehen kann, wenn das Verfahren durch Insolvenz oder Tod des anderen Streitgenossen unterbrochen ist. Diese Ausnahme ist gerechtfertigt, weil die Unterbrechung des Verfahrens zu einer faktischen Trennung des Rechtsstreits führt und regelmäßig nicht voraussehbar ist, ob und gegebenenfalls wann das unterbrochene Verfahren aufgenommen werden wird. Da die übrigen Prozessbeteiligten keine prozessuale Möglichkeit haben, die Aufnahme des Verfahrens und damit den Fortgang des Prozesses insgesamt zu bewirken, wäre es mit ihrem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar, wenn die Unterbrechung des Verfahrens eine Entscheidung nur deshalb nachhaltig verzögerte, weil die abstrakte Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung nach einer eventuellen Aufnahme des Verfahrens besteht (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02, NJW-RR 2003, 1002, 1003; BGH, NJW 2007, 156 Rn. 15 f.; GRUR 2010, 343 Rn. 22 - Oracle; BGHZ 189, 356 Rn. 17; BGH, GRUR 2015, 1201 Rn. 29 - Sparkassen-Rot/Santander-Rot).

16

b) Danach ist der Erlass eines Teilurteils über die Klage im Streitfall zulässig, weil die Beklagten einfache Streitgenossen sind.

17

aa) Notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 62 Abs. 1 ZPO besteht, wenn das Rechtsverhältnis aus prozessualen oder materiell-rechtlichen Gründen allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1984 - V ZR 67/83, BGHZ 92, 351, 353 f.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 62 Rn. 2 ff.). Eine prozessual begründete notwendige Streitgenossenschaft liegt etwa vor, wenn gesetzliche Vorschriften die Rechtskraft des gegenüber dem einen Streitgenossen ergangenen Urteils auf den anderen Streitgenossen erstrecken (BGH, Urteil vom 15. Juni 1959 - II ZR 44/58, BGHZ 30, 195, 198 ff.; BGHZ 92, 351, 353 f.). Eine Streitgenossenschaft ist materiell-rechtlich eine notwendige, wenn ein Recht aus materiell-rechtlichen Gründen nur von mehreren Berechtigten oder gegen mehrere Verpflichtete gemeinsam ausgeübt werden darf, die Klage also wegen fehlender Prozessführungsbefugnis abgewiesen werden müsste, wenn sie nur von einem einzelnen Mitberechtigten oder gegen einen einzelnen Mitverpflichteten erhoben würde (BGHZ 92, 351, 353; BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - X ZR 94/10, BGHZ 192, 245 Rn. 19 - Tintenpatrone II).

18

bb) Im Streitfall werden die Beklagten von der Klägerin als einfache Streitgenossen in Anspruch genommen. Die von der Klägerin gegenüber den Beklagten geltend gemachte Haftung auf Unterlassen besteht für jeden von mehreren Schuldnern selbständig und unabhängig voneinander (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2008 - X ZB 12/06, GRUR-RR 2008, 460 Rn. 8 = WRP 2008, 952). Gleiches gilt für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Auskunft, Vernichtung und Abmahnkostenersatz. Auch die gesamtschuldnerische Schadensersatzhaftung mehrerer Beklagter begründet keine notwendige Streitgenossenschaft, weil es dem Kläger freisteht, alle Gesamtschuldner gemeinsam oder auch nur einzelne von ihnen gerichtlich in Anspruch zu nehmen.

19

2. Über die Widerklage kann ebenfalls im Wege des Teilurteils entschieden werden. Dies gilt unbeschadet des Umstands, dass die Beklagten hinsichtlich ihrer auf Nichtigerklärung der Klagemarke 1 gerichteten Widerklage notwendige Streitgenossen sind.

20

Erheben mehrere Streitgenossen Nichtigkeitsklage gegen ein registergebundenes Schutzrecht, so sind sie notwendige Streitgenossen aus prozessrechtlichen Gründen, weil die durch Gestaltungsurteil ergehende Nichtigerklärung des Schutzrechts gegenüber jedem der Kläger einheitlich ergehen muss und sie zudem Wirkung gegenüber jedermann hat (vgl. zum Patent BGH, Teilurteil vom 2. Februar 2016 - X ZR 146/13, juris Rn. 6). Dies gilt gemäß Art. 52 Abs. 1, Art. 55 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Gemeinschaftsmarke und der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 der Kommission über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zu entrichtenden Gebühren (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 21; Unionsmarkenverordnung - UMV) auch für die nach Art. 100 UMV erhobene Nichtigkeitsklage gegen eine Unionsmarke. Im Falle einer solchen Nichtigkeitsklage steht die notwendige Streitgenossenschaft dem Erlass eines Teilurteils für oder gegen einzelne von mehreren Streitgenossen jedoch nicht entgegen. Es liegt nach den §§ 145, 147 ZPO, die als verfahrensrechtliche Vorschriften nach Art. 101 Abs. 2 UMV anwendbar sind, im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, mehrere Nichtigkeitsverfahren zu verbinden oder auch zu trennen. Besteht aber die Möglichkeit, durch Verfahrenstrennung hinsichtlich einzelner Streitgenossen separat zu entscheiden, ist es auch zulässig, ohne Abtrennung über die Nichtigkeitsklage des Streitgenossen zu entscheiden, hinsichtlich dessen das Verfahren nicht nach § 240 ZPO unterbrochen ist (vgl. BGH, Teilurteil vom 2. Februar 2016 - X ZR 146/13, juris Rn. 7).

21

III. Die Revision der Klägerin ist begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus der Klagemarke 1 nicht verneint werden (nachfolgend III 1 und 2). Das Berufungsgericht hat der Nichtigkeitswiderklage der Beklagten zu 1 zu Unrecht stattgegeben (dazu III 3).

22

1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von der Klägerin aus der Klagemarke 1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß Art. 102 Abs. 1, Art. 9 Abs. 2 Buchst. b UMV und Art. 102 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV nicht verneint werden.

23

a) Nach dem Zeitpunkt der behaupteten Zuwiderhandlungen ist das im Streitfall maßgebliche Recht durch die am 23. März 2016 in Kraft getretene Unionsmarkenverordnung novelliert worden. Die im Streitfall maßgebliche Vorschrift des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV ist durch Art. 1 Nummer 11 UMV zwar ergänzt und geändert worden. An die Stelle des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV ist die Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 Buchst. b UMV getreten. Diese Änderungen haben aber keine Auswirkungen auf die im Streitfall entscheidungserheblichen Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr und das Erfordernis des Handelns im geschäftlichen Verkehr (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 82/14, GRUR 2016, 810 Rn. 18 = WRP 2016, 1252 - profitbricks.es).

24

b) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die beanstandete Zeichenverwendung stelle keine markenmäßige Benutzung dar.

25

aa) Das Berufungsgericht hat eine markenmäßige Verwendung verneint. Es handele sich ausschließlich um eine produktbeschreibende Verwendung des Zeichens, weil es dem Betrachter nicht in hervorgehobener Form nach Art einer Marke gegenübertrete, sondern in die Warenbeschreibung zwischen der Zahl "2" und dem Wort "Handtücher" eingebettet sei und am rechten Rand die erkennbar herkunftshinweisende Bezeichnung "aquarelle" auffalle. Der Verkehr werde in dieser Zeichenverwendung keine Mehrfachkennzeichnung erkennen. "Microcotton" sei zwar ein Kunstwort, das keine unmittelbare Wortbedeutung habe. Es wecke jedoch nachhaltige Assoziationen zum allseits bekannten Begriff "Mikrofaser". Jedenfalls bei der Verwendung für Baumwollhandtücher, die als flauschig und voluminös beschrieben würden, sei "Microcotton" auf den ersten Blick sinntragend, weil diese Eigenschaften feine, sehr weiche Fasern voraussetzten. Der Begriff "Microcotton" sei in Deutschland schon vor der beanstandeten Handlung als Sachbeschreibung für Textilien verwendet worden, so dass eine entsprechende Prägung des Verkehrsverständnisses erfolgt sei. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

26

bb) Eine Markenverletzung nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. b UMV kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn eine markenmäßige Verwendung der beanstandeten Bezeichnung vorliegt. Eine markenmäßige Verwendung oder - was dem entspricht - eine Verwendung als Marke setzt voraus, dass die beanstandete Bezeichnung im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dient. Die Rechte aus der Marke nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. b UMV, dessen Anwendung eine Verwechslungsgefahr voraussetzt, sind daher auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Hauptfunktion der Marke, das heißt die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber dem Verbraucher, beeinträchtigt oder immerhin beeinträchtigen könnte (BGH, Urteil vom 11. April 2013 - I ZR 214/11, GRUR 2013, 1239 Rn. 20 = WRP 2013, 1601 - VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; Urteil vom 30. Juli 2015 - I ZR 104/14, GRUR 2015, 1223 Rn. 21 = WRP 2015, 1501 - Posterlounge). Eine rein beschreibende Verwendung, die weder die Herkunftsfunktion noch andere Markenfunktionen beeinträchtigt, stellt keine Benutzung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Buchst. b UMV dar (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - C-487/07, Slg. 2009, I-5185 = GRUR 2009, 756 Rn. 61 - L'Oréal/Bellure; BGH, Urteil vom 6. Dezember 2001 - I ZR 136/99, GRUR 2002, 814, 815 = WRP 2002, 987 - Festspielhaus; Urteil vom 20. Dezember 2001 - I ZR 135/99, GRUR 2002, 812, 813 = WRP 2002, 985 - FRÜHSTÜCKS-DRINK II; Urteil vom 13. März 2008 - I ZR 151/05, GRUR 2008, 912 Rn. 19 = WRP 2008, 1353 - metrosex). Hat ein Wort beschreibenden Charakter, wird es vom Verkehr eher als Sachhinweis und nicht als Kennzeichen aufgefasst (vgl. BGH, GRUR 2008, 912 Rn. 19 - Metrosex; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - I ZR 200/06, GRUR 2009, 772 Rn. 59 = WRP 2009, 971 - Augsburger Puppenkiste). Dabei wird die Verkehrsauffassung auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juni 2008 - C-533/06, Slg. 2008, I-4231 = GRUR 2008, 698 Rn. 64 - O2/Hutchison; BGH, Urteil vom 20. Dezember 2001 - I ZR 60/99, GRUR 2002, 809, 811 = WRP 2002, 982 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I; Urteil vom 14. Januar 2010 - I ZR 92/08, GRUR 2010, 838 Rn. 20 = WRP 2010, 1043 - DDR-Logo; Urteil vom 9. Februar 2012 - I ZR 100/10, GRUR 2012, 1040 Rn. 19 = WRP 2012, 1241 - pjur/pure). Eine blickfangmäßige Herausstellung oder die Verwendung eines Zeichens im Rahmen der Produktkennzeichnung spricht für eine markenmäßige Verwendung (vgl. BGH, GRUR 2012, 1040 Rn. 19 - pjur/pure).

27

Die Beurteilung der Frage, ob der Verkehr eine Bezeichnung als Herkunftshinweis versteht, obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter. Im Revisionsverfahren ist daher nur zu prüfen, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff zutreffend erfasst und ohne Widerspruch zu Denkgesetzen und Erfahrungssätzen geurteilt hat und ob das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird (BGH, GRUR 2013, 1239 Rn. 21 - VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; GRUR 2015, 1223 Rn. 21 - Posterlounge).

28

cc) Mit diesen Grundsätzen steht die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht im Einklang.

29

(1) Keinen Bestand hat die Beurteilung des Berufungsgerichts, infolge der Einbettung des Begriffs "Microcotton" zwischen der Zahl "2" und der Angabe "Handtücher" handele es sich um eine Zeichenverwendung, die nicht hervorgehoben in Art einer Marke sei und die der Verkehr ausschließlich als produktbeschreibende Angabe und nicht als Mehrfachkennzeichnung wahrnehme. Diese Beurteilung wird von den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht getragen.

30

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die beanstandete Zeichenverwendung im Rahmen eines Produktetiketts in einer größeren Schrift als der übrige Text abgefasst und anders als dieser nicht in schwarzer Schrift gehalten, sondern dunkelfarbig unterlegt ist. Der Verkehr entnimmt einer solchen in einem Produktetikett enthaltenen Darstellung, die durch Schriftgröße und graphische Gestaltung nach Art einer Überschrift betont wird, typischerweise einen Hinweis auf die Herkunft des Produkts (vgl. BGH, GRUR 2002, 809, 811 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I). Hierbei steht einer herkunftshinweisenden Wahrnehmung nicht entgegen, dass die hervorgehobene Textzeile mit den Zeichen "2" und "Handtücher" auch zweifelsfrei produktbeschreibende Bestandteile enthält. An einer hinreichenden Hervorhebung fehlt es auch nicht deshalb, weil das Etikett mit dem Zeichen "aquarell" am rechten Rand über ein ebenfalls als Herkunftshinweis wahrgenommenes Wort-Bild-Zeichen verfügt. Diese Kennzeichnung wirkt dem potentiell herkunftshinweisenden Charakter der graphisch hervorgehobenen Textzeile nicht entgegen. Die Annahme des Berufungsgerichts, eine Mehrfachkennzeichnung sei im Bereich der Heimtextilien nicht verbreitet anzutreffen, wenn an anderer Stelle bereits ein deutlicher Herkunftshinweis angebracht sei, entbehrt einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage.

31

(2) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht weiter angenommen, der Begriff "Microcotton" sei rein beschreibend, weil er zwar ein Kunstwort sei, das keine unmittelbare Wortbedeutung in sich trage, jedoch nachhaltige Assoziationen zum allseits bekannten Begriff "Mikrofaser" wecke und jedenfalls bei der Verwendung für Baumwollhandtücher, die als flauschig und voluminös beschrieben würden, auf den ersten Blick sinntragend sei. Dieser Beurteilung liegt ein unzutreffender rechtlicher Maßstab zugrunde.

32

Ein Begriff, der gewisse Unschärfen aufweist und deshalb die Eigenschaften eines Produkts nicht fest umreißt, kann zwar einen beschreibenden Anklang haben (BGH, GRUR 2012, 1040 Rn. 31 - pjur/pure). Eine beschreibende Benutzung als Sachangabe für Waren und Dienstleistungen setzt nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche Konturen erlangt und sich eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausgebildet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2008 - I ZB 53/05, GRUR 2008, 900 Rn. 15 = WRP 2008, 1004 - SPA II). Einem in der maßgeblichen Sprache nicht vorhandenen Fantasie- und Kunstwort mit eigenschöpferischem Gehalt kann jedoch auch bei bestehendem beschreibenden Anklang grundsätzlich nicht jegliche Unterscheidungskraft versagt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - I ZR 132/04, GRUR 2008, 258 Rn. 24 = WRP 2008, 232 - INTERCONNECT/T-InterConnect; Urteil vom 24. Februar 2011 - I ZR 154/09, GRUR 2011, 826 Rn. 16 = WRP 2011, 1168 - Enzymax/Enzymix). Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend.

33

Nach den zutreffenden Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Begriff "Microcotton" um ein Kunstwort, das keine unmittelbare Wortbedeutung hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Begriff sei auf den ersten Blick sinntragend, steht, wie die Revision mit Recht rügt, hierzu allerdings im Widerspruch.

34

Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der in Deutschland angesprochene Verkehr assoziiere aufgrund der gleichartigen Wortbildung den geläufigen Begriff "Mikrofaser", so dass "Microcotton" in Bezug auf Baumwollhandtücher als Beschreibung der flauschigen und voluminösen Beschaffenheit verstanden werde. Tatsächliche Anhaltspunkte für ein solches Verständnis hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; sie sind auch nicht ersichtlich. Gegen ein rein beschreibendes Verständnis spricht weiter, dass die vom Berufungsgericht angenommenen Assoziationen mehrere Gedankenschritte voraussetzen, die die Zuschreibung des vom Berufungsgericht gesehenen Begriffsinhalts zu der beanstandeten Bezeichnung keineswegs als naheliegend erscheinen lassen. Feststellungen über ein rein beschreibendes Verständnis in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

35

(3) Die Revision wendet sich weiter mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Begriff "Microcotton" sei in Deutschland bereits vor der beanstandeten Handlung in einem Maße beschreibend für Textilien verwendet worden, dass hierdurch das Verkehrsverständnis im Sinne eines beschreibenden Begriffsinhalts geprägt worden sei.

36

Das Berufungsgericht hat seine Würdigung auf von den Parteien vorgelegte Anlagen gestützt. Der Auszug aus einem Bestellkatalog der Firma T.   enthalte die Beschreibung von Handtüchern "aus Micro-Cotton" sowie daneben die in einem Kästchen angebrachte Definition dieses Begriffs. Diese Verwendung durch einen großen Anbieter mit einem umfangreichen Filialnetz präge das Verkehrsverständnis, auch wenn die Klägerin gegen diese Werbung vorgegangen sei und eine Unterlassungsverpflichtungserklärung dieses Anbieters erwirkt habe. Die Klägerin selbst habe in einer Produktinformation unter einem als Marke erkennbaren, graphisch gestalteten Zeichen "MicroCotton" die Beschreibung "Badehandtuch aus Micro-Cotton" angebracht. Eine solche beschreibende Verwendung durch den Markeninhaber selbst sei zur Beeinflussung des Verkehrsverständnisses besonders geeignet. Der Begriff "Microcotton" erscheine hier als Sachangabe und das gestaltete Zeichen als Herkunftshinweis. In einer Produktwerbung der Firma G.   K.   , einem Vertriebspartner der Klägerin, heiße es "Microcotton ist unglaublich voluminös und dennoch leicht und hat einen wundervollen, seidig-weichen Griff". In Bezug auf Produkteigenschaften werde hier die Schreibweise "Microcotton" und für das Produkt selbst die Schreibweise "Micro Cotton" verwendet. Diese Würdigung ist nicht frei von Rechtsfehlern.

37

Eine Berücksichtigung der vom Berufungsgericht herangezogenen Zeichenverwendung durch die Firma T.   kommt von Rechts wegen nicht in Betracht. Im Rahmen des Art. 12 Abs. 2 MarkenRL steht ein Vorgehen des Markeninhabers gegen Verwendungsformen, die zur Entwicklung der Marke zu einer beschreibenden Bezeichnung führen, einer Löschung der Marke wegen Verfalls entgegen (vgl. EuGH Urteil vom 27. April 2006 - C-145/05, Slg. 2006, I-3703 = GRUR 2006, 495 Rn. 25 und 34 - Levi Strauss/Casucci; Urteil vom 6. März 2014 - C-409/12, GRUR 2014, 374 Rn. 33 f. = WRP 2014, 411 - Kornspitz). In gleicher Weise hat bei der im Rahmen der Prüfung des Art. 9 Abs. 2 UMV erfolgenden Beurteilung, ob der Verkehr die Verwendung eines Zeichens nicht als markenmäßig wahrnimmt, weil er dem Zeichen infolge einer vor der beanstandeten Handlung erfolgten Gewöhnung nur eine rein beschreibende Bedeutung entnimmt, eine Zeichenverwendung außer Betracht zu bleiben, gegen die der Markeninhaber vorgegangen ist.

38

Im Übrigen entspricht, wie die Revision zu Recht rügt, die Würdigung des Berufungsgerichts nicht den Anforderungen des § 286 ZPO. Die vom Berufungsgericht herangezogenen Verwendungsbeispiele belegen kein rein beschreibendes Verständnis des Begriffs "Microcotton". Die Kombination mit der Präposition "aus" bezeichnet zwar das Material, aus dem die jeweils angebotene Ware hergestellt ist, lässt aber auf den beschreibenden Charakter des folgenden Begriffs nicht schließen, wenn dieser Begriff selbst - wie im Streitfall (siehe Rn. 31 ff.) - nicht rein beschreibend ist. Dem Verkehr ist geläufig, dass die Beschaffenheit von Textilien im Falle der Verwendung von neuartigen Ausgangsstoffen - etwa Kunstfasern - unter Verwendung von Eigennamen angegeben wird, ohne dass der Verkehr den Begriff deshalb inhaltlich rein beschreibend verstünde. Gegen ein beschreibendes Verkehrsverständnis spricht im Falle des Bestellkatalogs der Firma T.   sowie der Produktwerbung der Firma G.   K.   zudem der Umstand, dass die Anbieter die Notwendigkeit einer Definition des - aus sich heraus offenbar nicht verständlichen - Begriffs "Micro-Cotton" für notwendig erachtet haben.

39

Danach rechtfertigen die vom Berufungsgericht herangezogenen Unterlagen nicht die Annahme, das Verständnis des angesprochenen Verkehrs in Deutschland sei bereits vor der beanstandeten Handlung im Sinne eines rein beschreibenden Begriffsinhalts geprägt worden.

40

(4) Das angegriffene Urteil erweist sich nicht deshalb aus anderen Gründen als zumindest teilweise richtig (§ 561 ZPO), weil sich aus den von der Beklagten zu 1 vorgelegten Unterlagen ergäbe, dass in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union der Begriff "Microcotton" rein beschreibend verstanden würde. Es ist nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich, dass für die in englischer, niederländischer und französischer Sprache vorgelegten Angebotsnachweise etwas anderes gilt (siehe Rn. 34).

41

c) Das angegriffene Urteil erweist sich auch nicht deshalb als richtig (§ 561 ZPO), weil - wie das Berufungsgericht angenommen hat - markenrechtlichen Ansprüchen der Klägerin die Schutzschranke des Art. 12 Buchst. b UMV entgegenstünde.

42

Nach Art. 12 Buchst. b UMV gewährt die Unionsmarke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, Zeichen oder Angaben ohne Unterscheidungskraft oder über die Art, die Beschaffenheit, die Menge, die Bestimmung, den Wert, die geografische Herkunft oder die Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder über andere Merkmale der Ware oder Dienstleistung im geschäftlichen Verkehr zu benutzen. Diese Vorschrift privilegiert die Benutzung beschreibender Angaben über Merkmale der Ware oder Dienstleistung; sie gestattet jedoch nicht die Verwendung von kennzeichnungskräftigen Marken Dritter (BeckOK UMV/Pohlmann/Schramek, 3. Edition, Stand 25.8.2016, Art. 12 Rn. 5). Von einer rein beschreibenden Verwendung kann nach dem Vorstehenden nicht ausgegangen werden. Vielmehr weist die beanstandete Verwendung des Zeichens "Microcotton" allenfalls einen beschreibenden Anklang auf.

43

2. Danach können auch die von der Klägerin auf der Grundlage der Klagemarke 1 geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft, Schadensersatz und Abmahnkostenersatz nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden.

44

3. Die Revision wendet sich weiter mit Erfolg gegen die auf die Widerklage erfolgte Nichtigerklärung der Klagemarke 1.

45

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, das Markenwort "MICRO COTTON" sei schon nicht hinreichend unterscheidungskräftig. Baumwolle sei ein maßgeblicher Grundstoff der in das Warenverzeichnis aufgenommenen Stoffe und Textilien. Der Bestandteil "COTTON" werde auch von Adressaten, deren Muttersprache nicht Englisch sei, als "Baumwolle" verstanden, so dass er unmittelbar beschreibend sei. Der Bestandteil "MICRO" bedeute "klein" und sei daher ebenfalls unmittelbar beschreibend. Das Gesamtzeichen verstehe der Verkehr im Zusammenhang mit Textilien ohne weiteres als Angabe der Beschaffenheit im Sinne "feiner Baumwollfasern". Jedenfalls bestehe das Eintragungshindernis des Freihaltebedürfnisses, weil es sich um eine Wortkombination handele, die im Verkehr zur Bezeichnung der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale dienen könne. Die Eintragungshindernisse bestünden jedenfalls für den Bereich Deutschlands, so dass die Unionsmarke für nichtig zu erklären sei. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

46

b) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht das Eintragungshindernis fehlender Unterscheidungskraft gemäß Art. 7 Buchst. b UMV bejaht.

47

aa) Nach Art. 7 Buchst. b UMV sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und die Waren oder Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - C-398/08, Slg. 2010, I-535 = GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2014 - I ZB 61/13, GRUR 2015, 581 Rn. 16 = WRP 2015, 248 - Langenscheidt-Gelb; Beschluss vom 21. Juli 2016 - I ZB 52/15, GRUR 2016, 1167 Rn. 13 = WRP 2016, 1364 - Sparkassen-Rot, mwN). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2008 - I ZB 48/08, GRUR 2009, 778 Rn. 11 = WRP 2009, 813 - Willkommen im Leben; Beschluss vom 24. Juni 2010 - I ZB 115/08, GRUR 2010, 1100 Rn. 10 = WRP 2010, 1504 - TOOOR!; BGH, GRUR 2014, 872 Rn. 12 - Gute Laune Drops; GRUR 2015, 581 Rn. 9 - Langenscheidt-Gelb; GRUR 2016, 1167 Rn. 13 - Sparkassen-Rot). Bei der Prüfung absoluter Eintragungshindernisse ist auf den Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens und das zu diesem Zeitpunkt bestehende Verkehrsverständnis abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2013 - I ZB 71/12, GRUR 2013, 1143 Rn. 15 = WRP 2013, 1478 - Aus Akten werden Fakten; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - I ZB 65/12, GRUR 2014, 483 Rn. 21 = WRP 2014, 438 - test; Beschluss vom 9. Juli 2015 - I ZB 65/13, GRUR 2015, 1012 Rn. 10 = WRP 2015, 1108 - Nivea-Blau; BGH, GRUR 2016, 1167 Rn. 22 - Sparkassen-Rot).

48

Feststellungen zur Verkehrsauffassung liegen im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und sind revisionsrechtlich nur darauf überprüfbar, ob die tatrichterliche Würdigung einen zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt, nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2012 - I ZR 228/10, GRUR 2012, 1273 Rn. 19 = WRP 2012, 1523 - Stadtwerke Wolfsburg; Urteil vom 22. Januar 2014 - I ZR 71/12, GRUR 2014, 382 Rn. 20 = WRP 2014, 452 - REAL-Chips; BGH, GRUR 2015, 1012 Rn. 21 - Nivea-Blau; BGH, Beschluss vom 9. November 2016 - I ZB 43/15, GRUR 2017, 186 Rn. 15 = WRP 2017, 183 - Stadtwerke Bremen). Diesem Maßstab hält die Würdigung des Berufungsgerichts nicht stand.

49

bb) Der Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klagemarke 1 sei nicht unterscheidungskräftig, liegt ein unzutreffender rechtlicher Maßstab zugrunde. Der Begriff "Microcotton" weist keinen ausschließlich beschreibenden Gehalt auf, weil es sich um ein Fantasie- und Kunstwort mit eigenschöpferischem Gehalt handelt (siehe Rn. 31 ff.). Die Klagemarke 1 ist auch keine bloße Aneinanderreihung beschreibender Bestandteile, deren Eindruck nur unmaßgeblich von dem abweicht, der durch die Zusammenfügung der Bestandteile entsteht (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - C-363/99, GRUR 2004, 674 Rn. 98 f. - Postkantoor). Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Bestandteil "MICRO" vom deutschen Verkehr als "klein" und der Bestandteil "COTTON" als "Baumwolle" verstanden wird. Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, "kleine Baumwolle" gebe es begrifflich nicht. Die weitere Feststellung des Berufungsgerichts, infolge der Assoziation des geläufigen Begriffs "Mikrofaser" verstehe der Verkehr die Bezeichnung "MICRO COTTON" als Beschreibung einer besonders fein gewebten Baumwollstruktur, zeigt, dass die Kombination der beiden beschreibenden Bestandteile einen Eindruck erzeugt, der von demjenigen einer bloßen Aneinanderreihung der Bestandteile erheblich abweicht, weil ein neuer Begriffsinhalt assoziiert wird.

50

c) Das Berufungsgericht hat ferner zu Unrecht angenommen, dass die Klagemarke 1 eine beschreibende Angabe im Sinne des Art. 7 Buchst. c UMV darstellt. Unter diese Vorschrift fallen Zeichen und Angaben, die im normalen Sprachgebrauch nach dem Verständnis des Verbrauchers die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale bezeichnen können. Jede erkennbare Abweichung in der Formulierung einer angemeldeten Wortverbindung von der Ausdrucksweise, die im üblichen Sprachgebrauch der betroffenen Verbraucherkreise für die Bezeichnung der Ware oder der Dienstleistung oder ihrer wesentlichen Merkmale verwendet wird, ist geeignet, einer Wortverbindung die für ihre Eintragung als Marke erforderliche Unterscheidungskraft zu verleihen. Die Feststellung, dass es sich bei der Klagemarke 1 um ein Kunstwort handelt, das keinen unmittelbaren Begriffsinhalt aufweist, dessen Sinn sich dem Verkehr im Wege der Assoziation eines anderen geläufigen Begriffs erschließt, führt zu der Annahme, dass die Klagemarke 1 kein im Sinne des Art. 7 Buchst. c UMV rein beschreibendes Zeichen ist (vgl. Rn. 33).

51

4. Da keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung des im Streitfall anwendbaren Unionsrechts bestehen, ist ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 - Doc Generici, mwN).

52

IV. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

53

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

54

1. Das Berufungsgericht wird Feststellungen zur rechtserhaltenden Benutzung der Klagemarken zu treffen haben, die die Beklagte zu 1 bestritten hat.

55

2. Die beanstandete Zeichenverwendung dürfte als markenmäßig zu beurteilen sein, weil der Begriff "Microcotton" nicht rein beschreibend ist und die Art der Gestaltung des Produktetiketts unter Verwendung dieses Begriffs vom Verkehr als herkunftshinweisend wahrgenommen wird.

56

3. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr wird wegen eines beschreibenden Anklangs von geringer Kennzeichnungskraft der Klagemarke 1 auszugehen sein. Es dürfte hochgradige Zeichenähnlichkeit vorliegen, weil die im Schriftbild bestehenden Unterschiede der Annahme einer Zeichenidentität entgegenstehen (vgl. Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 254/14, GRUR 2016, 1301 Rn. 61 = WRP 2016, 1510 - Kinderstube).

Büscher     

       

Schaffert     

       

Kirchhoff

       

Koch     

       

Feddersen     

       

44
b) Die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - I ZR 71/12, GRUR 2014, 382 Rn. 14 = WRP 2014, 452 - REAL-Chips; Urteil vom 5. März 2015 - I ZR 161/13, GRUR 2015, 1004 Rn. 18 = WRP 2015, 1219 - IPS/ISP; BGH, GRUR 2016, 197 Rn. 42 - Bounty; BGH, Beschluss vom 14. Januar 2016 - I ZB 56/14, GRUR 2016, 382 Rn. 21 = WRP 2016, 336 - BioGourmet).
13
a) Die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2015 - I ZR 161/13, GRUR 2015, 1004 Rn. 18 = WRP 2015, 1219 - IPS/ISP; Urteil vom 21. Oktober 2015 - I ZR 23/14, GRUR 2016, 197 Rn. 42 = WRP 2016, 199 - Bounty; Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 254/14, GRUR 2016, 1301 Rn. 44 = WRP 2016, 1510 - Kinderstube).
44
b) Die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - I ZR 71/12, GRUR 2014, 382 Rn. 14 = WRP 2014, 452 - REAL-Chips; Urteil vom 5. März 2015 - I ZR 161/13, GRUR 2015, 1004 Rn. 18 = WRP 2015, 1219 - IPS/ISP; BGH, GRUR 2016, 197 Rn. 42 - Bounty; BGH, Beschluss vom 14. Januar 2016 - I ZB 56/14, GRUR 2016, 382 Rn. 21 = WRP 2016, 336 - BioGourmet).
15
b) Soweit eine nach diesem Zeitpunkt begründete Begehungsgefahr in Betracht kommt, kann die Klägerin den Beklagten zu 1 und 2 das Anbieten und Vertreiben des aus Belgien in der Packungsgröße zu 60 Tabletten importierten Arzneimittels unter der Bezeichnung "CORDARONE" ab dem 19. Januar 2001 nicht nach § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG untersagen, weil die Beklagten zu 1 und 2 sich insoweit auf das vorrangige Recht der Beklagten zu 3 aus deren Marke "Cordarone" stützen können.
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aa) Auf die Klagemarke Nr. 301 27 034 kann die Klägerin das Verbot schon deshalb nicht stützen, weil diese Marke nach § 6 Abs. 1 und 2 MarkenG prioritätsjünger ist als die angegriffene Marke der Beklagten zu 2.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)