Bundesgerichtshof Urteil, 09. Mai 2018 - 5 StR 17/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:090518U5STR17.18.0
bei uns veröffentlicht am09.05.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Die Rüge unzulässiger Verwertung von Durchsuchungsfunden
erfordert einen Widerspruch in der Hauptverhandlung.
BGH, Urteil vom 9. Mai 2018 5 StR 17/18
LG Hamburg
ECLI:DE:BGH:2018:090518U5STR17.18.0
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 17/18
vom 9. Mai 2018 in der Strafsache gegen

wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln

ECLI:DE:BGH:2018:090518U5STR17.18.0
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Mai 2018, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher, Köhler
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Gruppenleiterin
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Oktober 2017 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit einer Verfahrensrüge und der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft hat ihre auf die Nichtanordnung einer Einziehung beschränkte Revision im Hinblick auf das Urteil des Senats vom 10. April 2018 (5 StR 611/17) vor der Hauptverhandlung zurückgenommen. Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bewohnte der Angeklagte unangemeldet eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Hamburg. Diese diente als Lagerstätte und Umschlagplatz für umfangreichen Drogenhandel. Nach Bestellung von Betäubungsmitteln wie Marihuana, Haschisch, MDMA, Amphetamin und Kokain im „Darknet“ portionierte der Angeklagte gemäß einer ihm von einem unbekannten Mittäter verschlüsselt überlassenen Liste die Drogen aus dem in der Wohnung vorgehaltenen Vorrat, verpackte sie luftdicht und machte sie versandfertig. Hierfür erhielt er eine Entlohnung in unbekannter Höhe. Bei einer Durchsuchung wurden in der Wohnung ca. 3,7 kg Marihuana (365,3 g THC), ca. 266 g Haschisch (35,21 g THC), ca. 1,8 kg MDMA (1,151 kg MDMA-Base), ca. 8,4 kg Amphetamine (794 g Amphetamin-Base) und ca. 3 g Kokain gefunden. An der Wohnungstür im Flur stand ein Schuhschrank, auf dem sich in einer Schale offen sichtbar eine Dose Pfefferspray befand. Dieses diente – wie der Angeklagte wusste – der Sicherung der illegal gelagerten Betäubungsmittel.
3
2. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
4
a) Die auf ein Beweisverwertungsverbot gerichtete Verfahrensrüge ist unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht. Danach muss der Revisionsführer sämtliche Tatsachen unterbreiten, die das Revisionsgericht für die Prüfung benötigt, ob – den Vortrag als zutreffend unterstellt – die erhobene Rüge Erfolg haben kann; zudem muss die Angriffsrichtung der Rüge klar sein (st. Rspr., vgl. nur Cirener/Herb, NStZ-RR 2018, 97 mwN).
5
aa) Vorliegend rügt die Revision die Verwertung von in der Wohnung gefundenen Betäubungsmitteln vor folgendem Hintergrund: Die Wohnungsdurchsuchung erfolgte zunächst aufgrund eines gegen den gemeldeten Wohnungsinhaber F. wegen Betrugsvorwürfen richterlich angeordneten Durchsuchungsbeschlusses. Nachdem die Polizei durch eine offenstehende Tür die Wohnung betreten, niemanden angetroffen, aber zufällig Rauschgift gefunden und teilweise sichergestellt hatte, wechselte sie das Schloss aus und wartete. Als der Angeklagte die Wohnung betreten wollte, wurde er festgenommen. Am nächsten Tag setzten die Polizeibeamten die Durchsuchung fort und stellten weitere Betäubungsmittel sicher. Der Verwertung der an diesem Tag sichergestellten Beweismittel hatte der Verteidiger in der Hauptverhandlung widersprochen ; nur insoweit rügt die Revision einen Verstoß gegen ein Beweisverwertungsverbot.
6
bb) Der Vortrag zum Widerspruch ist unvollständig. Hängt die Beachtung eines Beweisverwertungsverbots in der Revisionsinstanz von der Erhebung eines Widerspruchs in der Hauptverhandlung ab, muss der Revisionsführer hierzu vollständig vortragen (vgl. Cirener/Herb, aaO, S. 99 mwN).
7
(1) Die Erhebung eines Widerspruchs ist auch bei Beweisverwertungsverboten , die aus Fehlern bei einer Wohnungsdurchsuchung resultieren sollen, Voraussetzung einer entsprechenden Revisionsrüge. Soweit der 2. Strafsenat – in diesem Punkt nicht tragend – die gegenteilige Auffassung vertreten hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 – 2 StR 46/15, BGHSt 61, 266 = NStZ 2017, 367 m. Anm. Basdorf; offen gelassen von BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 296 f.), vermag der Senat dem nicht zu folgen.
8
Beweisverwertungsverbote, die aus einem Verstoß gegen Verfahrensvorschriften bei der Beweisgewinnung abgeleitet werden, werden durch den jeweiligen Gesetzesverstoß begründet und sind in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 2016 – 3 StR 230/16, NJW 2017, 1828, 1829 mwN, und vom 22. Februar 2018 – StB 29/17, Rn. 24). Unterlässt es der verteidigte Angeklagte, in der Hauptver- handlung der Beweisverwertung zu widersprechen, führt dies für die Revision zur Rügepräklusion (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 5 StR 176/14, BGHSt 60, 38, 43 f. mwN; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 27. September 2016 – 4 StR 263/16, und vom 9. November 2005 – 1 StR 447/05, BGHSt 50, 272). Das Recht, sich auf das Verwertungsverbot zu berufen, geht verloren, wenn der verteidigte (oder entsprechend belehrte) Angeklagte in der tatrichterlichen Verhandlung der Verwertung und der ihr vorangehenden Beweiserhebung nicht widersprochen hat (BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 226 mwN).
9
Sinn und Zweck der Widerspruchsobliegenheit ist es, auf den Einwand des Betroffenen hin dem Tatgericht in der Hauptverhandlung die Möglichkeit und Veranlassung zu geben, dem gerügten Verfahrensfehler freibeweislich im Einzelnen nachzugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07, BGHSt 52, 38, 42 f.). Dem verteidigten Angeklagten (und den sonst von einem Beweisverwertungsverbot Betroffenen) wird im Interesse der Schonung von Justizressourcen – orientiert am Subsidiaritätsgedanken – die frühestmögliche zumutbare Geltendmachung einer Rechtsverletzung abverlangt , um in der Hauptverhandlung vor dem Tatgericht die Frage des Verwertungsverbots eingehend prüfen und gegebenenfalls Abhilfe schaffen zu können (vgl. ausführlich dazu Basdorf, StV 2010, 414, 416; Mosbacher, FS Rissing-van Saan, 2011, S. 357 ff. mwN). Dementsprechend folgt die Begründung des Widerspruchserfordernisses nicht aus der Dispositionsbefugnis des Angeklagten, sondern aus dem Gedanken subsidiären Rechtsschutzes. Eine Differenzierung des Widerspruchserfordernisses innerhalb unselbständiger Beweisverwertungsverbote überzeugt deshalb nicht (Basdorf, NStZ 2017, 370, 371).
10
(2) Es fehlt am Vortrag, welche Betäubungsmittel konkret am 27. April und welche am 28. April 2017 sichergestellt worden sind. Dies hätte sich mutmaßlich – wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift bemerkt – aus den von der Revisionsbegründung lediglich in Bezug genommenen Durchsuchungsberichten vom 28. April und 2. Mai 2017 ergeben, deren Inhalt nicht näher mitgeteilt wird. Damit bleibt letztlich unklar, gegen die Verwertung welcher Betäubungsmittelfunde sich der Widerspruch des Angeklagten in der Hauptverhandlung gerichtet hat und inwieweit die Beweisverwertung überhaupt gerügt wird.
11
b) Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen den Schuldspruch (vgl. zur Tenorierung BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 – 4 StR 334/16 und Beschluss vom 3. Februar 2015 – 3 StR 632/14). Die Zumessung der Strafe ist angesichts der Rauschgiftmenge überaus milde.

Sander König Berger
Mosbacher Köhler

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(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.

(2) Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums ohne Beisein des Richters oder des Staatsanwalts stattfindet, so sind, wenn möglich, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen nicht Polizeibeamte oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sein.

(3) Wird eine Durchsuchung in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Durchsuchung von Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Hat ein Angeklagter wirksam auf die Rückgabe bei ihm sichergestellter
Betäubungsmittelerlöse verzichtet, bedarf es auch
aufgrund der seit 1. Juli 2017 geltenden §§ 73 ff. StGB regelmäßig
keiner förmlichen Einziehung.
BGH, Urteil vom 10. April 2018 – 5 StR 611/17
LG Hamburg –
ECLI:DE:BGH:2018:100418U5STR611.17.0
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 611/17
vom 10. April 2018 in der Strafsache gegen

wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

ECLI:DE:BGH:2018:100418U5STR611.17.0
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. April 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer als Vorsitzender, Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Dr. Berger
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 8. September 2017 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich allein dagegen, dass weder Betäubungsmittel noch Verkaufserlöse eingezogen worden sind. Sie bleibt erfolglos.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt der Angeklagte Ende Februar 2017 eine Menge von 55 kg Marihuana sowie 537,1 g Amphetamine zum gewinnbringenden Verkauf vorrätig. Bis 11. April 2017 verkaufte er von dem Marihuana 4.312,7 g. Die übrigen Betäubungsmittel wurden am genannten Tag durch die Polizei ebenso sichergestellt wie 5.230 Euro Verkaufserlös. Der glaubhaft geständige Angeklagte hat in der Hauptverhandlung auf die Rückga- be der sichergestellten Gegenstände verzichtet. Im Hinblick darauf hat das Landgericht davon abgesehen, eine Einziehungsentscheidung zu treffen.
3
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft meint, nach den seit 1. Juli 2017 geltenden §§ 73 ff. StGB sei das Landgericht verpflichtet gewesen, die sichergestellten Betäubungsmittel und Gelder trotz des Verzichts des Angeklagten förmlich einzuziehen. Zudem habe es die ihm obliegende Prüfung versäumt, ob der Angeklagte durch die Marihuanaverkäufe über die von ihm als Erlös bezeichneten 5.230 Euro hinaus Einnahmen erzielt habe.
4
3. Das wirksam beschränkte Rechtsmittel bleibt erfolglos. Eine Verpflichtung , die von der Staatsanwaltschaft begehrten Einziehungsentscheidungen zu treffen, besteht nicht (dazu lit. a). Es ist von Rechts wegen auch nicht zu beanstanden , dass das Landgericht nicht erörtert hat, ob der Angeklagte aus den Verkäufen mehr als den genannten Betrag erlangt hat (dazu lit. b).
5
a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass es der Anordnung der Einziehung bzw. des Verfalls sichergestellter Gegenstände regelmäßig nicht bedarf, wenn ein Angeklagter auf deren Rückgabe wirksam verzichtet hat (siehe nur BGH, Urteil vom 27. Juli 2005 – 2 StR 241/05; Beschlüsse vom 18. November 2015 – 2 StR 399/15, NStZ-RR 2016, 83, 84, und vom 6. Juni 2017 – 2 StR 490/16; BayObLG, NStZ-RR 1997, 51; KG, NStZ-RR 2005, 358, 359). Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser in der forensischen Praxis bewährten Handhabung abzuweichen.
6
aa) Hinsichtlich einer Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel ist ohnehin die bis 30. Juni 2017 geltende Rechtslage maßgeblich. Nach Art. 316h EGStGB sind lediglich die durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 2017, S. 872) neu gefassten Bestimmungen zur Einziehung von Taterträgen (§§ 73 ff. StGB; hier des Verkaufserlöses), nicht also die der Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten nach §§ 74 ff. StGB auch auf vor ihrem Inkrafttreten verübte Taten anwendbar. Die insoweit geltenden neuen Regelungen sind für den Angeklagten nicht milder (§ 2 Abs. 1, 3 und 5 StGB). Ein tragfähiger Grund, die bisherige Rechtsprechung zum weiterhin anzuwendenden Einziehungsrecht zu ändern, ergibt sich nicht.
7
bb) Für die dem neuen Recht unterliegende Einziehung der Taterlöse gilt Folgendes:
8
(1) Soweit die Beschwerdeführerin ihre Ansicht darauf stützt, nach dem Wortlaut des § 73 Abs. 1 StGB („ordnet an“) sei die Einziehung zwingend, zeigt sie kein tragfähiges Argument auf. Zwar räumt die Norm dem Gericht kein Ermessen ein. Insofern gilt aber nichts anderes als bei ihrer Vorgängervorschrift (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF). Bewusst gestrichen hat der Gesetzgeber freilich die Härtevorschrift (§ 73c StGB aF), die es unter bestimmten Voraussetzungen gestattete, eine Verfallsanordnung ganz oder teilweise zu unterlassen. Eine der in dieser – den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (siehe hierzu [3]) konkretisierenden Regelung – vorgesehenen Konstellationen ist jedoch in § 421 StPO eingestellt worden. Diese Vorschrift sieht im Übrigen – wie zuvor § 430 Abs. 1 StPO aF – weitere prozessuale Möglichkeiten vor, von einer Einziehung abzusehen.
9
(2) Maßgebliche Bedeutung für die Auslegung kommt vorliegend dem aus den Gesetzesmaterialien erkennbaren Willen des Gesetzgebers zu. Da- nach schränkt die „Neufassung der Vorschrift … die Möglichkeit der ‚formlosen Einziehung‘ des Erlangten nicht ein“ (BT-Drucks.18/9525, S. 61 unter Bezugnahme auf die Analyse der tatgerichtlichen Praxis der sogenannten außerge- richtlichen Einziehung bei Rönnau, Die Vermögensabschöpfung in der Praxis 2. Aufl. Rn. 422 ff.). Ferner hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, das Recht der Vermögensabschöpfung zu vereinfachen sowie Gerichte und Staatsanwaltschaften zu entlasten (vgl. etwa BT-Drucks. 18/9525, S. 2, 48, 54 f. und 59). Dem würde es zuwiderlaufen, den Tatgerichten die Pflicht aufzuerlegen, durch im Urteil zu begründende Entscheidung auch Gegenstände einzuziehen, auf deren Rückgabe der Angeklagte wirksam verzichtet hat.
10
(3) Hinzu kommt, dass eine derartige Anordnung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen würde. Dieser verlangt, dass jede staatliche Maßnahme geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein muss (vgl. BVerfG, NJW 1985, 121, 122 ff.; LR-StPO/Kühne, 27. Aufl., Einl. Abschn. I Rn. 96 f.). Hat aber ein Angeklagter – wie hier – wirksam den aus seinem früheren Besitz erwachsenden Herausgabeanspruch bezüglich des durch Drogengeschäfte erlangten Geldes aufgegeben, so ginge dessen Einziehung ins Leere und wäre mithin ungeeignet, ihr Ziel zu erreichen. Denn da der Angeklagte nach § 134 BGB am Kauferlös kein Eigentum erwerben konnte (hierzu Köhler NStZ 2017, 497, 500), könnte ihm mehr als das Besitzrecht auch nach § 73 StGB nicht entzogen werden. Einer dennoch vorgenommenen Einziehungsanordnung käme ihm gegenüber nur deklaratorische Bedeutung zu (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1993, 452; BayObLG, NStZ-RR 1997, 51).
11
Im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist es etwa bei Entscheidungen nach § 55 Abs. 2 StGB in vergleichbarer Weise anerkannt, dass es des Aufrechterhaltens einer der dort genannten Rechtsfolgen nicht bedarf, sofern diese bereits mit der Rechtskraft des einbezogenen Judikats wirksam geworden ist. Dies wird beispielsweise für die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB; siehe nur BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2009 – 2 StR 351/09, NStZ-RR 2010, 58, und vom 18. November 2015 – 4 StR 442/15) und für Einziehungsanordnungen angenommen (BGH, Beschluss vom 2. Juni 2005 – 3StR 123/05; Urteil vom 20. Juli 2016 – 2 StR 18/16, NStZ-RR 2016, 368, 369; jeweils zu den §§ 74 ff. StGB aF). Ein Fall der einen Eingriff in das Eigentum eines Dritten gestattenden Sicherungseinziehung (§ 74b StGB) wird in Bezug auf die Drogenerlöse kaum je vorliegen.
12
(4) Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Einwand der Revisionsführerin , ohne formale Einziehungsentscheidung käme es zu keinem staatlichen Eigentumserwerb (§ 75 StGB). Dies trifft in dieser Allgemeinheit im Blick auf die Erwerbsmöglichkeiten nach bürgerlichem Recht nicht zu (vgl. insbesondere § 948 BGB). Zudem ist der Einwand bei einer Konstellation wie der vorliegenden ohne praktische Bedeutung. Fälle, in denen sich ein Betäubungsmittelerwerber an die Strafverfolgungsbehörden wendet, um von diesen das seinem „Dealer“ als Kaufpreishingegebene Geld ausgezahlt zu bekommen, sind dem Senat nicht bekannt geworden. Einem derartigen Ansinnen bräuchte selbst dann nicht entsprochen zu werden, wenn das Geld im Eigentum des Betreffenden stünde. Vielmehr wäre gegen ihn – sofern nicht sogar ein Anfangsverdacht des Handeltreibens besteht – ein Ermittlungsverfahren wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) einzuleiten. In diesem Verfahren könnte das zum Kauf verwendete Geld nach § 74 Abs. 1 und 3 Satz 1 StGB mit der Folge des Eigentumsübergangs auf den Staat eingezogen werden.
13
(5) Schließlich würde das von der Beschwerdeführerin erstrebte Gesetzesverständnis einem Angeklagten die Möglichkeit nehmen, sich – durch eine entsprechende Verzichtserklärung glaubhaft dokumentiert – von seiner Tat zu distanzieren und das Tatgericht so unter dem Gesichtspunkt gezeigter Reue zu einer milderen Strafe zu bewegen (zu diesem Strafmilderungsgrund BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152; BayObLG, NStZ-RR 1997, 51; Brauch, NStZ 2013, 503, 504). Demgemäß hat das Landgericht dem Angeklagten auch im vorliegenden Verfahren den freiwillig erklärten Verzicht im Rahmen der Strafzumessung zugute gehalten.
14
b) Von der seitens der Beschwerdeführerin vermissten Prüfung, ob der Angeklagte aus seinen Betäubungsmittelgeschäften mehr als 5.230 Euro erzielt hat, war das Landgericht freilich nicht schon infolge des insoweit erklärten Verzichts entbunden. Die diesbezügliche – revisionsgerichtlicher Überprüfung nur eingeschränkt zugängliche (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 413/14) – Beweiswürdigung zu den erzielten Verkaufserlösen weist je- doch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf; sie ist insbesondere nicht lückenhaft.
15
Das Landgericht hat seinen Feststellungen das umfassende Geständnis des Angeklagten zugrunde gelegt. Es hat dessen durch erhobene Beweismittel bestätigte Angaben als insgesamt glaubhaft angesehen. Den unterdurchschnittlichen Wirkstoffgehalt des gehandelten Rauschgifts von 6,6 % hat es der kriminaltechnischen Untersuchung des sichergestellten Marihuanas entnommen. Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Revisionsbegründungsschrift und der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Umstände anführen, die ihrer Ansicht nach weiterer Aufklärung bedurft hätten, wäre für die revisionsgerichtliche Prüfung eine entsprechende Verfahrensrüge erforderlich gewesen; eine solche ist nicht erhoben worden.
16
4. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.
Mutzbauer Sander Schneider
König Berger

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 46/15
vom
6. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Satz 2
1. Die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge, mit der ein Beweisverwertungsverbot wegen
Fehlern bei einer Durchsuchung zur Sicherstellung von Sachbeweisen geltend
gemacht wird, setzt keinen auf den Zeitpunkt des § 257 Abs. 1 StPO befristeten
Widerspruch des verteidigten Angeklagten gegen die Verwertung voraus. Es
bedarf auch keiner vorgreiflichen Anrufung des Gerichts gemäß § 238 Abs. 2
2. Ist beim Ermittlungsrichter ein Durchsuchungsbeschluss beantragt, ist auch dann,
wenn dieser sich außerstande sieht, die Anordnung ohne Vorlage der Akte zu erlassen
, für eine staatsanwaltschaftliche Prüfung des Vorliegens von Gefahr im
Verzug regelmäßig kein Raum mehr, es sei denn, es liegen neue Umstände vor,
die sich nicht aus dem vorangegangenen Prozess der Prüfung und Entscheidung
über den ursprünglichen Antrag auf Durchsuchung ergeben.
3. Der Hypothese eines möglichen rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs kommt bei grober
Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Richtervorbehalts im Rahmen
der Abwägungsentscheidung über ein Beweisverwertungsverbot keine Bedeutung
zu.
BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 - 2 StR 46/15 - LG Köln
ECLI:DE:BGH:2016:061016U2STR46.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 5. Oktober 2016 in der Sitzung am 6. Oktober 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 25. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben , soweit der Angeklagte in den Fällen 23-101, 105-106, 109-110 verurteilt worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 79 Fällen sowie wegen versuchten Betruges in 25 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und Adhäsionsentscheidungen getroffen.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts verabredeten der Angeklagte und der Zeuge H. im Jahre 2010 bei hälftiger Gewinnteilung, fortan unter falschen Identitäten vorgeblich Karten für Fußball-Champions-League- und DFB-Pokalspiele zu verkaufen, um hiermit in einer Vielzahl von Fällen auf serienmäßige , betrügerische Weise an Geld zu gelangen. Aufgabe des Zeugen H. war es dabei im Wesentlichen, mit gefälschten Ausweispapieren Bankkonten zu eröffnen. Die eigentliche Tatbegehung oblag dem Angeklagten. Dieser schaltete unter falschem Namen bundesweit Zeitungsannoncen, in denen er auf vermeintliche Kartenangebote aufmerksam machte. Zur Kontaktaufnahme nutzte er auf Falschpersonalien lautende E-Mail-Adressen und Handynummern. Per Mail oder Telefon täuschte er den Interessenten gegenüber vor, über Eintrittskarten zu verfügen. Dadurch veranlasste er eine Vielzahl von Interessenten , Geldbeträge auf die von dem Zeugen H. eröffneten Konten zu überweisen. Wie von vornherein geplant, erhielten die Interessenten nach der Überweisung keine Gegenleistung.
3
Über einen Zeitraum von jedenfalls zwei Jahren kam es zu einer Vielzahl solcher Geschäfte, die später auch auf AIDA-Kreuzfahrten oder angeblich aus Insolvenzverwertungen stammende iPhones erstreckt wurden. Die Zusammenarbeit mit dem Zeugen H. wurde nach finanziellen Streitigkeiten Ende des Jahres 2012 beendet. Der Angeklagte setzte sein Tun danach allein fort.
4
Insgesamt gab es zwischen August 2011 und April 2013 104 solcher Verkaufsvorgänge, wobei es in 25 Fällen nicht zu einem Geldeingang auf den vom Angeklagten angegebenen Konten und deshalb auch nicht zu einem Schaden der getäuschten Besteller gekommen ist. 18 Geschäfte initiierte der Angeklagte ab Februar 2013 allein.
5
Der Angeklagte, der bereits zuvor mit den Tatvorwürfen konfrontiert worden war, wurde am 7. Mai 2013 festgenommen, bei der gleichzeitigen Durch- suchung der Wohnung wurde ein laufendes Netbook vorgefunden und beschlagnahmt. Ein Koffer mit wichtigen Dokumenten, der in der Wohnung des Angeklagten hinter einer Küchenleiste versteckt war, wurde nach einem Hinweis der Zeugin G. , der Ex-Lebensgefährtin des Angeklagten, am 13. Mai 2013 sichergestellt.
6
Der Angeklagte hat eine Zusammenarbeit mit dem Zeugen H. und insoweit einige Taten im Zusammenhang mit dem Verkauf von AIDA-Kreuzfahrten eingeräumt. Er hat darüber hinaus gestanden, nach dem Zerwürfnis mit dem Zeugen die ab Februar 2013 durchgeführten Geschäfte allein betrieben zu haben. Im Übrigen hat er eine Tatbeteiligung bestritten.
7
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft in den von dem Angeklagten eingeräumten Fällen vor allem auf sein Geständnis und im Übrigen insbesondere auf den Inhalt des bei dem Angeklagten sichergestellten Koffers (mit Unterlagen und auf Datenträgern gespeicherten Daten, die für die Tatbegehung insoweit unerlässlich waren) gestützt.

II.


8
Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung in den Fällen 23-101, 105-106, 109-110 wendet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
9
1. Der Angeklagte rügt zu Recht, dass sich das Landgericht in den genannten Fällen bei seiner Überzeugungsbildung auf Beweise gestützt hat, die es nicht hätte verwerten dürfen, da sie bei einer Durchsuchung gewonnen wor- den waren, die unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt (§ 105 Abs. 1 Satz 1 StPO) durchgeführt wurden und daher rechtswidrig waren.
10
a) Am 13. Mai 2013 wurde in der Wohnung des Angeklagten hinter einer Küchenleiste versteckt ein Koffer gefunden, in dem sich wichtige Dokumente und Datenträger befanden. Auf die darin enthaltenen Unterlagen und auf die auf den Datenträgern gespeicherten Dateien hat sich die Strafkammer bei ihrer Überzeugungsbildung in den oben genannten Fällen gestützt. Zu der Durchsuchung , die zur Auffindung dieser Beweismittel führte, kam es wie folgt:
11
Am 12. Mai 2013 rief die Zeugin G. , die ehemaligeLebensgefährtin des Angeklagten, den Zeugen KHK L. an und bat um ein Treffen für den folgenden Tag. Im Rahmen dieses Treffens informierte sie den Polizeibeamten darüber, dass in der Wohnung des Angeklagten, der sich seit dem 7. Mai 2013 in Untersuchungshaft befand, hinter der Küchenleiste noch ein Koffer mit wichtigen Dokumenten aufbewahrt sei. KHK L. teilte dies der zuständigen Staatsanwältin mit, die „Gefahr im Verzug“ annahm und das gezielteSuchen des Koffers anordnete. Durch KHK L. wurde noch am 13. Mai 2013 inder Wohnung des Angeklagten ein Koffer mit Inhalt am angegebenen Ort aufgefunden , sichergestellt (UA S. 164 f.) und sein Inhalt gesichtet.
12
Dem Vermerk der Staatsanwältin vom 13. Mai 2013 zur Begründung einer Eilzuständigkeit der Staatsanwaltschaft lässt sich entnehmen, dass sie von KHK L. um 16.40 Uhr darüber informiert worden sei, dass sich in der Wohnung des Angeklagten noch ein Koffer befinde, der bei der am 7. Mai 2013 erfolgten Durchsuchung nicht gefunden worden sei. Die ehemalige Lebensgefährtin des Angeklagten, die im Besitz eines Schlüssels zur Wohnung sei, sei von dessen Verteidigern gebeten worden, diesen aus der Wohnung zu holen und an diese zu übergeben. Der Versuch um 16.44 Uhr, einen Haftrichter im Polizeipräsidium zu erreichen, der bereits mit dem Verfahren befasst gewesen sei, sei fehlgeschlagen. Um 16.45 Uhr sei im Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts Richter am Amtsgericht Ki. erreicht worden. Dieser habe den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses ohne Vorlage der Akte abgelehnt. Daraufhin sei das Vorliegen von Gefahr im Verzug geprüft worden. Ein Zuwarten sei angesichts der heutigen Entwicklung nicht möglich. Zum einen sei die Vorlage der Akte derzeit nicht möglich, da sich diese beim Amtsgericht mit dem Antrag auf Erlass eines Beschlagnahmebeschlusses befinde. Zum anderen bestehe die konkrete Gefahr, dass Beweismittel durch die Zeugin G. beiseite geschafft würden. Überdies habe das Amtsgericht am 7. Mai 2013 einen Durchsuchungsbeschluss erlassen, so dass davon auszugehen sei, dass ein solcher auch im Hinblick auf die Aussage der Zeugin und die bei der Durchsuchung am 7. Mai 2013 aufgefundenen Beweismittel erneut erlassen würde. Die Genehmigung zur Wohnungsdurchsuchung sowie zur Öffnungdes Koffers sei KHK L. um 16.50 Uhr mitgeteilt worden.
13
b) Die Rüge des Angeklagten, die aus der Durchsuchung gewonnenen Erkenntnisse seien wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt unverwertbar , ist zulässig. Es lässt sich der Revisionsbegründung zwar nicht zweifelsfrei entnehmen, ob der Angeklagte in der Hauptverhandlung bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt der Verwertung der bei der Durchsuchung am 13. Mai 2013 gewonnenen Beweismittel widersprochen hat. Dies steht der Zulässigkeit der Rüge mit Blick auf § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht im Wege. Ausführungen zum Zeitpunkt des Widerspruchs wären nur erforderlich, wenn für den verteidigten Angeklagten die Pflicht bestünde, zur Aufrechterhaltung einer Rügemöglichkeit der Unverwertbarkeit des fehlerhaft im Vorverfahren erhobenen Beweises bis zum Zeitpunkt des Äußerungsrechts zu diesbezüglichen Be- weiserhebungen in der Hauptverhandlung gemäß § 257 Abs. 1 StPO zu widersprechen.
14
Dies wird in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach der vor allem zu Fällen einer Verletzung der §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 4 Satz 2 StPO entwickelten Widerspruchslösung für unselbständige Beweisverwertungsverbote gefordert: Hat ein Verteidiger in der Hauptverhandlung mitgewirkt und hat der verteidigte Angeklagte der Verwertung des Inhalts einer ohne Belehrung über sein Recht, sich redend oder schweigend verteidigen und jederzeit den Beistand eines Verteidigers in Anspruch nehmen zu können, zustande gekommenen Aussage zugestimmt, so besteht kein Verwertungsverbot; dasselbe gilt aber auch, wenn der verteidigte Angeklagte der Verwertung nicht widersprochen hat. Der Widerspruch muss spätestens in der Erklärung enthalten sein, die der Angeklagte oder sein Verteidiger im Anschluss an diejenige Beweiserhebung abgibt, die sich auf den Inhalt der ohne Belehrung gemachten Aussage bezieht (BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 225 f.; Urteil vom 12. Januar 1996 - 5 StR 756/94, BGHSt 42, 15, 22 f.). Der rechtzeitige Widerspruch als Bewirkungshandlung ist danach eine Entstehungsvoraussetzung des Verwertungsverbots (Meixner, Das Widerspruchserfordernis des BGH bei Beweisverwertungsverboten, 2015, S. 17 ff.). Nach dem Zeitpunkt des § 257 Abs. 1 StPO kann er nicht mehr nachgeholt werden. Daher bedarf der fristgerechte Widerspruch gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechender Darlegungen im Rahmen einer Verfahrensrüge zum Revisionsgericht.
15
Der Bundesgerichtshof hat bisher aber nicht entschieden, ob diese Widerspruchslösung auch für unselbständige Beweisverwertungsverbote wegen Fehlern bei der Durchsuchung oder Beschlagnahme gilt (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2007 - 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 296 f.). Dagegen spricht, dass eine Dispositionsmacht der Verteidigung über den auf diese Weise erfassten Sachbeweis, anders als bezüglich der Äußerungen des Beschuldigten, die durch verfahrensfehlerhafte Vernehmungen (§§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 4 Satz 2 StPO) oder durch Gesprächsüberwachungen (§§ 100a, 100f StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2006 - 1 StR 316/05, BGHSt 51, 1, 3) im Vorverfahren erlangt wurden, grundsätzlich nicht besteht. Seine früheren Angaben kann der Angeklagte aus seiner Erinnerung erläutern und erklären, er kann sie durch eine Sacheinlassung ersetzen oder dementieren; er kann auch aus seiner Sicht die Äußerungssituation, die zur staatlichen Informationsbeschaffung geführt hat, darstellen. Dann aber erscheint es nachvollziehbar, ihm ferner die Disposition über die Verwertbarkeit seiner früheren Angaben zu überlassen. Bei der staatlichen Erfassung von Sachbeweisen (Urkunden oder Augenscheinsobjekten ) bestehen keine vergleichbaren Dispositionsmöglichkeiten. Die Verteidigung darf dem staatlichen Strafverfahren sächliche Beweismittel grundsätzlich nicht entziehen, wenn sie verwertbar und dem hoheitlichen Zugriff ausgesetzt sind. Die Art und Weise der Erlangung solcher Sachbeweise durch die Ermittlungsbehörden , auf die der Beschuldigte keinen Einfluss hat, ist deshalb vom Gericht von Amts wegen aufzuklären, soweit Verfahrensfehler bei diesem Vorgang in Betracht kommen. Auf einen Widerspruch gegen die Beweisverwertung kommt es dafür nicht an. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich - wie hier - auch ohne besonderen Hinweis der Verteidigung konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Ermittlungsmaßnahme nicht den gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen entspricht. Versäumnisse der Verteidigung dürfen insoweit nicht dazu führen, dass an sich rechtswidrig erlangtes Beweismaterial ohne weiteres zur Grundlage einer strafrechtlichen Verurteilung des Angeklagten werden kann.
16
Selbst wenn eine Dispositionsbefugnis der Verteidigung angenommen werden würde, weil sie - auch im Hinblick auf ihr günstige Erkenntnisse aus den verfahrensfehlerhaft erlangten Sachbeweisen - selbst entscheiden können soll, ob sie die Verwertung dieser Erkenntnisse wünscht (vgl. BGH aaO, BGHSt 51, 1, 3), würde dies nicht bedeuten, dass eine Entscheidung hierüber bis zu dem in § 257 Abs. 1 StPO genannten Zeitpunkt erfolgt sein muss. Es genügt jedenfalls , wenn der Angeklagte so rechtzeitig auf die mögliche Unverwertbarkeit von Erkenntnissen hinweist, dass das Tatgericht dies in der Beweisaufnahme prüfen kann. Eine (zwingende) Begründung dafür, warum ein Widerspruch unbedingt bis zu dem in § 257 Abs. 1 StPO genannten Zeitpunkt erklärt sein muss, findet sich nicht. § 257 Abs. 1 StPO ist vielmehr eine Schutzbestimmung zugunsten der Verfahrensbeteiligten, wonach ihnen zu den Beweiserhebungen in der Hauptverhandlung jeweils das rechtliche Gehör zu gewähren ist. Die Änderung des Normgehalts in eine Befristung für eine Prozesserklärung zur Herbeiführung eines Beweisverwertungsverbots, das mangels rechtzeitigen Widerspruchs im gesamten weiteren Instanzenzug präkludiert ist, ergibt sich daraus nicht. Auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Disponibilität möglicher Rechtsverstöße ist es nicht geboten, eine frühzeitige Festlegung der Verteidigung zu fordern. Würde man statt eines Widerspruchs eine Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO gegen die Anordnung der Beweiserhebung durch den Vorsitzenden fordern (vgl. BGH aaO, BGHSt 51, 1, 4), wäre eine solche Beanstandung auch an keine Frist gebunden (vgl. KK/Schneider, StPO, 7. Aufl., § 238 Rn. 17).
17
Soweit der Angeklagte in seiner Revisionsbegründung jedenfalls vorgetragen hat, der Verwertung der Erkenntnisse aus dem sichergestellten Koffer überhaupt widersprochen zu haben, ist seine Rüge damit zulässig erhoben.
18
c) Die Rüge ist auch begründet. Die bei der Durchsuchung des Koffers aufgefundenen Beweismittel unterliegen einem Beweisverwertungsverbot.
19
Die am 13. Mai 2013 durchgeführte Durchsuchung war wegen Missachtung des Richtervorbehalts rechtswidrig. Eine gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO grundsätzlich erforderliche richterliche Durchsuchungsanordnung lag nicht vor. Die Gestattung der Durchsuchung durch die ermittelnde Staatsanwältin beruhte nicht auf einer rechtmäßigen Inanspruchnahme der sich aus § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO ergebenden Eilkompetenz. Gefahr im Verzug lag nicht vor. Der deshalb vorliegende Kompetenzmangel bei der Anordnung der Durchsuchung führt hier zur Unverwertbarkeit der auf diesem Wege sichergestellten Sachbeweise.
20
aa) Gefahr im Verzug ist gegeben, wenn die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährdet hätte (vgl. BVerfGE 103, 142, 154; BGHSt 51, 285, 288). Ob ein angemessener Zeitraum zur Verfügung steht, innerhalb dessen eine Entscheidung des zuständigen Richters erwartet werden kann, oder ob bereits eine zeitliche Verzögerung wegen des Versuchs der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde und daher eine nichtrichterliche Durchsuchungsanordnung ergehen darf, haben die Ermittlungsbehörden zunächst selbst zu prüfen. Dabei darf Gefahr im Verzug nicht vorschnell angenommen werden, damit die bei Wohnungsdurchsuchungen auch aus Art. 13 Abs. 2 GG fließende Regelzuständigkeit des Richters nicht unterlaufen wird. Aus diesem Grund reichen auf reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder auf kriminalistische Alltagserfahrungen gestützte, fallunabhängige Vermutungen nicht aus, Gefahr im Verzug zu begründen (vgl. BVerfGE 103, 142, 155; 139, 245, 270). Regelmäßig ist daher auch der Versuch zu unternehmen, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Haben die Ermittlungsbehörden den zuständigen Ermittlungs- oder Eilrichter mit der Sache befasst, ist für ihre Eilkompetenz kein Raum mehr. Sie kann (nur) durch nachträglich eintretende oder neu bekannt werdende tatsächliche Umstände, die sich nicht aus dem Prozess der Prüfung des Durchsuchungsantrags und der Entscheidung darüber ergeben , neu begründet werden (BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 2015 - 2 BvR 2718/10, 1849, 2808/11, BVerfGE 139, 245, 269 ff.).
21
Gemessen daran ist die Annahme von Gefahr im Verzug nicht tragfähig begründet. Die ermittelnde Staatsanwältin hat den Eilrichter erreicht und bei ihm den Erlass einer Durchsuchungsanordnung beantragt. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen einer staatsanwaltschaftlichen Eilanordnung nicht gegeben waren. Mit der Befassung des Eilrichters aber endet grundsätzlich die Eilzuständigkeit der Ermittlungsbehörden; es ist nunmehr Sache des Ermittlungsrichters, über den beantragten Eingriff zu entscheiden (BVerfGE 139, 245, 273 ff.). Auch soweit während des durch den Richter in Anspruch genommenen Entscheidungszeitraums nach dessen Befassung die Gefahr eines Beweismittelverlusts eintritt, etwa weil dieser auf ein mündlich gestelltes Durchsuchungsbegehren hin die Vorlage schriftlicher Antragsunterlagen oder einer Ermittlungsakte fordert, Nachermittlungen anordnet oder schlicht bis zum Eintritt der Gefahr eines Beweismittelverlusts noch nicht entschieden hat, lebt die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden nicht wieder auf. Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen die richterliche Entscheidung über den Durchsuchungsantrag unterbleibt (vgl. BVerfGE 139, 245, 273). Der ermittelnden Staatsanwältin war es deshalb verwehrt, erneut in eine eigene Sachprüfung einzutreten, nachdem der Eilrichter eine Entscheidung ohne Vorlage der Akte abgelehnt hatte. Es hätte ihr vielmehr oblegen, dem Eilrichter die Akte zur Verfügung zu stellen, damit dieser in Kenntnis des Ermittlungs- standes sachgerecht über den Antrag entscheiden kann. Dass dies nach ihrer Ansicht nicht möglich gewesen sei, weil diese beim Amtsgericht mit dem Antrag auf Erlass eines Beschlagnahmebeschlusses liege, ändert daran nichts. Es erschließt sich nicht ohne Weiteres, dass es nicht möglich sein soll, eine beim Amtsgericht befindliche Akte einem Eilrichter bei demselben Gericht zugänglich zu machen; selbst wenn damit organisatorische Schwierigkeiten verbunden wären , wäre es zur Gewährleistung des präventiven Rechtsschutzes durch den Richter geboten, diese aus dem Weg zu räumen. Wenn die ermittelnde Staatsanwältin bei dieser Sachlage nicht einmal den Versuch unternimmt, die Akten beizubringen, belegt dies eine grundsätzliche Verkennung der Bedeutung des Richtervorbehalts.
22
Auch die sich an die unzutreffende Annahme der eigenen Eilkompetenz anschließende Prüfung der Staatsanwältin, ob weiteres Zuwarten die Gefahr eines Beweismittelverlusts mit sich bringe, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Die Annahme einer konkreten Gefahr, dass Beweismittel durch die (Ex-)Lebensgefährtin des Beschuldigten beiseite geschafft würden, ist nicht durch Tatsachen belegt, erweist sich vielmehr als bloße, fernliegende Spekulation. Auf andere Möglichkeiten eines Beweismittelverlusts etwa durch den Angeklagten oder Dritte, hat die Staatsanwältin weder abgestellt noch sind Umstände ersichtlich , die konkret darauf hindeuten könnten. Die ehemalige Lebensgefährtin des zu dieser Zeit bereits inhaftierten Beschuldigten, die sich schon zu diesem Zeitpunkt auch gegenüber den Ermittlungsbehörden von ihm distanziert hatte, hatte die Ermittlungsbehörden auf die Existenz des Koffers, den sie auf Veranlassung der Verteidiger des Beschuldigten aus der Wohnung verbringen sollte, hingewiesen und insoweit das Gespräch mit der ermittelnden Polizei gesucht; die zuvor bestehende Möglichkeit, den von ihr in einem Versteck in der Wohnung aufgefundenen Koffer beiseite zu schaffen, hatte sie nicht genutzt. An- haltspunkte dafür, dass sie anderen Sinnes geworden sein und nunmehr den Koffer aus der Wohnung schaffen könnte, sind nicht ersichtlich und auch von der Staatsanwältin nicht dokumentiert worden. Angesichts ihrer von dem ermittelnden Polizeibeamten wiedergegebenen Erklärung, sie habe „kein Interesse, mit oder für den Beschuldigten etwas zu tun“, und mit Blick auf ihre weiteren Unterstützungsleistungen zur Auffindung von den Angeklagten belastenden Beweismitteln (vgl. Aktenvermerk des KHK L. vom 14. Mai 2013) wird deutlich, dass die von der ermittelnden Staatsanwältin angegebenen Gründe vorgeschoben sind und die darauf gestützte Annahme von Gefahr im Verzug objektiv nicht vertretbar war. Dies gilt in besonderem Maße mit Blick darauf, dass das Vorgehen der Ermittlungsbehörden hier nicht allein auf eine Beweissicherung durch eine Sicherstellung des Koffers beschränkt war, sondern die Anordnung des Einschreitens durch die Staatsanwaltschaft ohne Weiteres auch zur Öffnung des Koffers und dessen inhaltlicher Sichtung führte.
23
bb) Das Fehlen einer richterlichen Durchsuchungsanordnung führt hier zu einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der bei der Durchsuchung gewonnenen Beweismittel.
24
Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots ist zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten (BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02, BVerfGE 113, 29, 61; Beschluss vom 16. März 2006 - 2 BvR 954/02, NJW 2006, 2684, 2686; Beschluss vom 20. Mai 2011 - 2 BvR 2017/10, NJW 2011, 2783, 2784). Ein schwerwiegender Verstoß liegt aufgrund der oben geschilderten Umstände vor. Die ermittelnde Staatsanwältin hat die Bedeutung des Richtervorbehalts grundlegend verkannt, als sie nach der Befassung des Eilrichters in der Sache - ohne dass sich gegenüber der Sachlage zuvor etwas Neues ergeben hätte - ihre eigene Eilkompetenz allein deshalb wieder aufleben ließ, weil der Eilrichter sich zu einer Entscheidung ohne Akten nicht in der Lage gesehen hat. Dass sie keine Anstrengungen unternommen hat, dem Ermittlungsrichter die Akten beizubringen, entbehrt eines nachvollziehbaren Grundes. Schon dies stellt angesichts der dargelegten Besonderheiten des Falles für sich gesehen - ungeachtet des Umstands, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die den Vorrang der richterlichen Entscheidung vor einer Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden nach dessen Befassung festgestellt hat, zum Zeitpunkt der Eilanordnung der Staatsanwältin noch nicht ergangen war - eine grundlegende Verkennung der Bedeutung des Richtervorbehalts dar.
25
Hinzu kommt die objektiv unvertretbare Annahme eines durch die ExLebensgefährtin des Beschuldigten drohenden Beweismittelverlusts, der angesichts ihrer kooperativen Mitarbeit keinerlei tatsächliche Grundlage hat und auch nicht durch allgemeine kriminalistische Erwägungen gestützt wird. Dies gilt trotz des Umstands, dass bereits am 7. Mai 2013 in der Sache ein Durchsuchungsbeschluss erlassen worden war und die die Ermittlung führende Staatsanwältin davon ausging, das Amtsgericht würde im Hinblick auf die Angaben der Zeugin G. und die bei der Durchsuchung am 7. Mai 2013 aufgefundenen Beweismittel erneut einen Durchsuchungsbeschluss erlassen.
26
Dem Aspekt eines möglichen hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. November 2003 - 1 StR 455/03, BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 4) kommt bei - wie hier - grober Verkennung des Richtervorbehalts ohnehin keine Bedeutung zu (vgl. auch BGH, Urteil vom 18. April 2007 - 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 295 f.; Beschluss vom 30. August 2011 - 3 StR 210/11, BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 8; Beschluss vom 21. April 2016 - 2 StR 394/15, StraFo 2010, 338). Hier kommt hinzu, dass es eine verbindliche und abschließende richterliche Entscheidung gibt, ohne Aktenvorlage die beantragte Maßnahme abzulehnen. Die ist von der Staatsanwaltschaft zu respektieren und verbietet den Rückgriff auf einen „hypo- thetischen“ anderen Ermittlungsrichter, der dem Antrag stattgegeben hätte.
27
2. Die Verurteilung in den Fällen 23-101, 105-106, 109-110, in denen wesentliche Verurteilungsgrundlage die in dem Koffer aufgefundenen Unterlagen waren (UA S. 174), kann danach keinen Bestand haben. Es ist nicht auszuschließen , dass das Landgericht in diesen Fällen ohne Berücksichtigung des in dem Koffer enthaltenen Materials nicht zu einer Verurteilung gelangt wäre. Dies führt zur Aufhebung und Zurückverweisung; angesichts der weiteren gegen den Angeklagten sprechenden Umstände (UA S. 191 ff.) ist es möglich, dass in einer neuen Hauptverhandlung auch ohne Verwertung aller anlässlich der Durchsuchung vom 13. Mai 2013 gewonnenen Erkenntnisse noch Feststellungen getroffen werden können, die einen Schuldspruch tragen.
Fischer Krehl Eschelbach
Zeng Bartel
Nachschlagewerk ja
BGHSt ja
Veröffentlichung ja
Eine bewusste Missachtung oder gleichgewichtig grobe Verkennung
der Voraussetzungen des für Wohnungsdurchsuchungen
bestehenden Richtervorbehalts kann die Annahme
eines Verbots der Verwertung bei der Durchsuchung gewonnener
Beweismittel rechtfertigen.
BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 18. April 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. April 2007,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Sch.
alsVerteidigerfürdenAngeklagten R. ,
Rechtsanwalt H. ,
Rechtsanwalt Z.
alsVerteidigerfürdenA ngeklagten G. ,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten R. gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. Februar 2006 werden verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch den Angeklagten R. und G. entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Der Angeklagte R. trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen versuchten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen diesen Angeklagten hat die Strafkammer ferner den Verfall von 1.000 Euro angeordnet. Den Mitangeklagten G. hat das Landgericht von dem Vorwurf freigesprochen, in zwei Fällen ohne Erlaubnis mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben. Mit ihren vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die Freisprechung des Angeklagten G. und beanstandet bezüglich des Angeklagten R. , dass dieser Angeklagte nicht wegen vollendeten unerlaubten Handeltreibens verurteilt worden ist. Der Ange- klagte R. wendet sich mit der allgemein erhobenen Sachrüge gegen seine Verurteilung. Sämtliche Rechtsmittel bleiben erfolglos.
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1. Den Angeklagten liegt Folgendes zur Last:
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a) Der Angeklagte G. erwarb über 50.000 Ecstasy Tabletten (Wirkstoffgehalt über 3 kg MDMA) und verwahrte sie zum gewinnbringenden Weiterverkauf in der vom Zeugen B. vermieteten Wohnung in der F. Straße in B . G. gab dem Angeklagten R. am 16. Februar 2004 1.000 Euro gegen das Versprechen, aus der Wohnung eine Tüte voller Betäubungsmittel zu holen und diese in den Kofferraum eines in der Nähe geparkten Pkw zu verbringen (Anklagevorwurf 1).
4
b) Der Angeklagte G. erwarb später 3,5 kg Marihuana (Wirkstoffgehalt 412 g THC) und verwahrte dieses zum beabsichtigten gewinnbringenden Weiterverkauf bis zum 18. Februar 2005 in einer Wohnung in der P. - straße in B. (Anklagevorwurf 2).
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2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
a) Zu Anklagevorwurf 1:
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Der Angeklagte R. erhielt am 16. Februar 2004 von einem ihm nicht weiter bekannten „M. “ 1.000 Euro nebst einem Wohnungsschlüssel, um einen zugeschweißten gefüllten Beutel aus der Wohnung F. Straße zu einem Pkw zu verbringen. R. stellte sich vor, in dem Beutel würden sich mindestens 300 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von nicht mehr als 9 g THC befinden. Als R. am Morgen des 17. Februar 2004 im Begriff war, die Wohnung mit dem Schlüssel zu öffnen, wurde er festgenommen.
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Das Landgericht hat aufgrund folgender Umstände darüber hinaus gehende Ermittlungsergebnisse wegen Missachtung des Gebots, einen richterlichen Beschluss zur Wohnungsdurchsuchung zu erlangen, als unverwertbar erachtet: Am 16. Februar 2004 öffnete der Vermieter wegen eines Wasserschadens gewaltsam die Wohnung. Er informierte die Polizei von seinem Verdacht , in der Wohnung Betäubungsmittel gefunden zu haben. Gegen 15.30 Uhr durchsuchten drei Polizeibeamte die Wohnung und informierten ihre Fachdienststelle von dem möglichen Rauschgiftfund. Deren Mitarbeiter trafen gegen 17.00 Uhr ein, stellten die aufgefundenen Betäubungsmittel sicher und brachten sie zur polizeitechnischen Untersuchungsstelle. Die Polizei „besetzte“ nun die Wohnung, um mögliche Drogenhändler dingfest zu machen. Am nächsten Morgen wurde der Angeklagte R. vorläufig festgenommen, als er versuchte , die Wohnungstür zu öffnen.
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Das Landgericht hat mit weiteren beweiswürdigenden Erwägungen die Täterschaft des Angeklagten G. in Zweifel gezogen und dazu Folgendes ausgeführt: Das Auffinden einer türkischen Zeitung und DNA eines anderen Mannes – außer der des Angeklagten in aufgefundenen Zigarettenkippen – sowie die G. ausdrücklich entlastende Einlassung des R. sprächen gegen die Täterschaft des schweigenden Angeklagten G. . Ferner hätten die in die Hauptverhandlung eingeführten Telefongespräche des Angeklagten G. und die in seinem Pkw überwachten Gespräche keinen Bezug dieses Angeklagten zu Rauschgift in der F. Straße erbracht.
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b) Zu Anklagevorwurf 2:
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Der Angeklagte G. hielt sich während der letzten vier Wochen vor seiner Festnahme am 18. Februar 2005 in der Wohnung des Zeugen Zo. in der P. straße auf. Dies war der Polizei bekannt. Der die Ermittlungen gegen G. führende Zeuge Kriminalkommissar Si. war darüber hinaus am 18. Februar 2005 über den jeweiligen Aufenthaltsort des Tatverdächtigen informiert. Si. erfuhr gegen 15.47 Uhr, dass sich G. um ein Gerät bemühte , um in seinem Fahrzeug – tatsächlich angebrachte – polizeiliche Or- tungs- und Abhörgeräte aufzufinden. Si. erörterte eine deshalb aus polizeilicher Sicht gebotene Festnahme des G. mit dem zuständigen Staatsanwalt. G. wurde mit Zustimmung des Staatsanwalts schließlich um 17.30 Uhr festgenommen, worüber Si. um 20.00 Uhr den Staatsanwalt informierte ; dabei bat er ferner um die Genehmigung, die Wohnung des Zo. durchsuchen zu dürfen. Der Staatsanwalt ordnete die Wohnungsdurchsuchung auf Grund angenommener eigener Eilkompetenz an, ohne die Anrufung eines Ermittlungsrichters zu erwägen und eine Gefahr für den Verlust von Beweismitteln zu dokumentieren.
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Das Landgericht hat auch die bei dieser Durchsuchung gewonnenen Beweismittel wegen Missachtung des Gebots, einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss herbeizuführen, mit einem Beweisverwertungsverbot belegt und ergänzend darauf hingewiesen, dass auf Grund weiterer Umstände das fehlende Bemühen um richterliche Durchsuchungsgenehmigungen nicht lediglich eine einzelne Nachlässigkeit der Ermittlungsbehörden dargestellt hat, sondern in eine Kette weiterer Ermittlungsmängel eingereiht gewesen ist: - Ermittlungsbeamte hatten eine DNA-Probe des Angeklagten G. vor dessen Festnahme durch eine fingierte Verkehrskontrolle erschlichen. Dabei wurde das bei dem Alkoholtest verwendete Mundstück einbehalten und dem Angeklagten auf seinen Rückgabewunsch hin stattdessen ein unbenutztes Austauschstück übergeben.
- Entgegen dem Inhalt eines Durchsuchungsberichts vom 28. Februar 2005 hatten Polizeibeamte gar nicht versucht, einen Durchsuchungsbeschluss für eine der Mutter des Angeklagten G. gehörende Garage zu erlangen.
- Eine dem Angeklagten gehörende wertvolle Werkzeugkiste war – einem polizeilichen Aktenvermerk widersprechend – nicht vernichtet
worden. Sie befand sich weiter im Besitz der Polizei und konnte während der Hauptverhandlung in Augenschein genommen werden.
- Während der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung des Zeugen Zo. wurde diesem mitgeteilt, ein anwaltlicher Beistand wäre nicht nötig, weil es sich „nur um eine Vernehmung“ handeln würde.
- Schließlich machte der Sitzungsstaatsanwalt während der Beweisaufnahme Vorhalte aus staatsanwaltschaftlichen Nachermittlungen, ohne diese zuvor dem erkennenden Gericht übergeben zu haben.
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3. Die Freisprechung des Angeklagten G. hält den Revisionsangriffen stand.
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a) Auf die von der Staatsanwaltschaft lediglich erhobene Sachrüge ist der Senat allenfalls befugt, auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen zu prüfen , ob die Subsumtion des Landgerichts dessen verfahrensrechtliche Folgerungen rechtfertigt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 261 Rdn. 38). Der weitergehende vom Generalstaatsanwalt bei dem Kammergericht formulierte Revisionsangriff , die im Zusammenhang mit der Annahme von Beweisverwertungsverboten getroffenen Feststellungen des Landgerichts seien lückenhaft – dem sich der Generalbundesanwalt angeschlossen hat –, entzieht sich der Betrachtung. Solches hätte die Erhebung einer Verfahrensrüge mit weitergehendem Sachvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) vorausgesetzt, die indes nicht vorliegt (vgl. BGHSt 19, 273, 275, 279; 48, 240, 250; Kuckein in KK 5. Aufl. § 337 Rdn. 30).
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b) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob das Landgericht zu Anklagevorwurf 1 für die aus der Wohnung F. Straße stammenden Betäubungsmittel zu Unrecht ein Beweisverwertungsverbot angenommen hat. Die Freisprechung des Angeklagten G. beruht jedenfalls nicht auf einem etwaigen Rechtsfehler. Das Landgericht hat die erhobenen Beweise insgesamt hinreichend deutlich dahingehend gewürdigt, dass aus sachlichen Erwägungen nicht zu überwindende Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten G. bestanden haben. Solches hat das Revisionsgericht hinzunehmen (vgl. BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
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c) Soweit das Landgericht hinsichtlich des in der Wohnung des Zeugen Zo. aufgefundenen Rauschgifts ein Beweisverwertungsverbot angenommen hat, hält diese Wertung der – hier, wie ausgeführt, von vornherein nur eingeschränkt möglichen – rechtlichen Prüfung stand.
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aa) Die am 18. Februar 2005 um 20.05 Uhr aufgrund der um 20.00 Uhr getroffenen Anordnung des Staatsanwalts erfolgte Durchsuchung der Wohnung war wegen Missachtung des Richtervorbehalts rechtswidrig. Eine gemäß Art. 13 Abs. 2 GG, § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO grundsätzlich erforderliche richterliche Durchsuchungsanordnung lag nicht vor (vgl. BVerfGE 103, 142, 153; BGHR StPO § 105 Durchsuchung 4). Die Anordnung des Staatsanwalts beruhte nicht auf einer rechtmäßigen Inanspruchnahme seiner sich aus § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO ergebenden Eilkompetenz.
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Bei der hier zu beurteilenden Durchsuchungsanordnung hätte Gefahr im Verzug angenommen werden können, falls die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährdet hätte (vgl. BVerfGE 103, 142, 154; BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 6). Bei der Prüfung dieser Voraussetzung steht es aber nicht im Belieben der Strafverfolgungsbehörden , wann sie eine Antragstellung in Erwägung ziehen. Sie dürfen nicht so lange mit dem Antrag an den Ermittlungsrichter zuwarten, bis etwa die Gefahr eines Beweismittelverlusts tatsächlich eingetreten ist, und damit die von Verfassungs wegen vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters unterlaufen (BVerfGE 103, 142, 155; BVerfG – Kammer – NJW 2005, 1637, 1638 f.). Für die Frage, ob die Ermittlungsbehörden eine richterliche Entscheidung rechtzeitig erreichen können, kommt es deshalb auf den Zeitpunkt an, zu dem die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamten die Durchsuchung für erforderlich hielten (Stellungnahme des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in BVerfGE aaO S. 148).
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Solches war hier nach jeglicher kriminalistischer Erfahrung spätestens zum Zeitpunkt des Entschlusses zur Festnahme des G. am Nachmittag des 18. Februar 2005 der Fall (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2005, 1637, 1638 f.; AG Kiel StV 2002, 536, 537 jeweils zu ähnlichen Sachverhalten). Die sofortige Suche nach Sachbeweisen am gewöhnlichen Aufenthaltsort des G. drängte sich auf. Nur durch einen alsbaldigen Zugriff wäre auszuschließen gewesen, dass mögliche Mittäter in der Wohnung befindliches Rauschgift beseitigen. Schon daher konnte die erst um 20.00 Uhr erfolgte Durchsuchungsanordnung – jenseits jeder fehlenden Dokumentation (vgl. BVerfG – Kammer – aaO S. 1639; BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 5) – nicht mehr auf Gefahr im Verzug gestützt werden. Hinzu kommt, dass den Polizeibeamten durch G. s Beobachtung schon mindestens vier Wochen lang dessen Aufenthalt in Zo. s Wohnung bekannt war (UA S. 22) und dass sich die Notwendigkeit einer alsbaldigen Wohnungsdurchsuchung aufdrängte, mithin nicht einer überraschenden Verfahrenssituation entsprang.
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bb) Die Rechtswidrigkeit der Wohnungsdurchsuchung rechtfertigt vorliegend die Annahme eines Verwertungsverbots hinsichtlich der bei der Durchsuchung sichergestellten Betäubungsmittel.
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(1) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei Missachtung des sich aus Art. 13 Abs. 2 GG, § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO ergebenden Richtervorbehalts ein Verwertungsverbot hinsichtlich der aus der Wohnung zu Tage geförderten Beweismittel anzunehmen ist, hat der Gesetzgeber nicht entschieden (vgl. Gössel in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl. Einl. Abschn. L Rdn. 16). So ist – wie auch bei der Prüfung eines Verwertungsverbots bei Verstößen gegen andere Erhebungsvorschriften – davon auszugehen, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist (BGHSt 44, 243, 249). Vielmehr ist diese Frage nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung jeweils nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden (BGHSt aaO m.w.N.). Dabei muss beachtet werden, dass die Annahme eines Verwertungsverbots, auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung „um jeden Preis“ gerichtet ist, eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts einschränkt, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (BGHSt aaO m.w.N.). Maßgeblich mit beeinflusst wird das Ergebnis der demnach vorzunehmenden Abwägung vom Gewicht des infrage stehenden Verfahrensverstoßes (BGHSt aaO m.w.N.). Dieses wird seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt (BGHSt aaO).
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(2) Indes können einzelne Rechtsgüter durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass dadurch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig beschädigt wird. Dann wäre jede andere Lösung als die Annahme eines Verwertungsverbots – jenseits des in § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO normierten – unerträglich (vgl. BGHSt 31, 304, 308; Eisenberg, Beweisrecht der StPO 5. Aufl. Rdn. 363; Gössel aaO Rdn. 33 und 178). Solches wurde in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beispielsweise angenommen bei der Durchführung von Abhörmaßnahmen unter Verstoß gegen völkerrechtliche Grundsätze (BGHSt 36, 396, 398 ff.) oder ohne richterliche Anordnung (BGHSt 31, 304, 306 f.; 35, 32, 34) oder zur gezielten Verleitung des Angeklagten zum unbewussten Schaffen von Anknüpfungstatsachen für ein Sachverständigengutachten (BGHSt 34, 39), ferner bei der Einbeziehung eines Raumgesprächs zwischen Eheleuten in die Telefonüberwachung (BGHSt 31, 296) und bei akusti- scher Wohnraumüberwachung in einem nicht allgemein zugänglichen, als Wohnung zu bewertenden Vereinsbüro (BGHSt 42, 372, 377 zu § 100c Abs. 1 StPO a.F.) und in einem Krankenzimmer (BGHSt 50, 206).
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Solchen Fallgestaltungen ist der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt nicht ausreichend ähnlich. Die Durchsuchungsanordnung war dem Staatsanwalt nicht schlechthin verboten, sondern in Eilfällen gestattet. Gefahr im Verzug lag hier zwar nicht vor. Die Verletzung des Richtervorbehalts hat aber aus objektiver Sicht geringeres Gewicht, als wenn, wie etwa im Falle des § 100b Abs. 1 StPO, der Polizei die Anordnung von Eingriffen der betreffenden Art schlechthin untersagt ist (Roxin NStZ 1989, 376, 379). Zudem kommt bei der hier gebotenen objektiven Sicht dem Umstand Bedeutung zu, dass ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss höchstwahrscheinlich zu erlangen gewesen wäre (vgl. Roxin aaO; ders. Strafverfahrensrecht, 25. Aufl. S. 182 Rdn. 21). Daran bestehen hier kaum Zweifel, wenngleich eine umfassende Prüfung aufgrund einer nicht ausreichend ausgeführten Verfahrensrüge nicht erfolgen kann. Immerhin waren gegen G. bereits Maßnahmen nach § 100c Abs. 1 Nr. 1 lit. b und Nr. 2 StPO a.F. erlassen, deren Anordnung strengere Voraussetzungen zu erfüllen hatten, als es der Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses erfordert hätte.
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(3) In Sonderfällen schwerwiegender Rechtsverletzungen, die durch das besondere Gewicht der jeweiligen Verletzungshandlung bei grober Verkennung der Rechtslage geprägt sind, sind Beweismittel darüber hinaus unverwertbar, weil der Staat – soweit nicht notstandsähnliche Gesichtspunkte Gegenteiliges ermöglichen sollten (vgl. BGHSt 31, 304, 307; 34, 39, 51 f.) – auch in solchen Fällen aus Eingriffen ohne Rechtsgrundlage keinen Nutzen ziehen darf (Roxin, Strafverfahrensrecht aaO S. 193 Rdn. 46; vgl. auch Gössel aaO Rdn. 175). Eine Verwertung würde hier gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoßen (vgl. BGHSt 24, 125, 131; Roxin NStZ aaO).
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So ist eine von dem Ermittlungsrichter oder dem Staatsanwalt angeordnete Telefonüberwachung rechtswidrig – mit der Folge eines Verwertungsverbots –, falls deren Entscheidung nach dem Maßstab (objektiver) Willkür oder grober Fehlbeurteilung nicht mehr vertretbar gewesen ist (BGHSt 41, 30, 34; vgl. auch BGHSt 32, 68, 70; 47, 362, 366; 48, 240, 248; einschränkend BGHSt 51, 1). Für Fälle fehlerhafter Wohnungsdurchsuchungen ist dies in der Rechtsprechung weitgehend anerkannt, falls der Richtervorbehalt bewusst umgangen worden ist (vgl. BVerfGE 113, 29, 61; BVerfG – Kammer – NJW 2006, 2684, 2686; BVerfG – Kammer – Beschluss vom 12. August 2005 – 2 BvR 1404/04; LG Osnabrück StV 1991, 152, 153; AG Offenbach StV 1993, 406, 407 f.; LG Darmstadt StV 1993, 573 f.; AG Kiel StV 2002, 536, 538; OLG Koblenz NStZ 2002, 660; AG Tiergarten in Berlin StV 2003, 663, 664; StraFo 2007, 73, 74; LG Heilbronn StV 2005, 380, 381; vgl. noch weitergehend AG Braunschweig StV 2001, 393 und LG Saarbrücken StV 2003, 434, 436). Diese Auffassung wird von Stimmen in der Literatur geteilt (Meyer-Goßner aaO § 98 Rdn. 7; Krekeler NStZ 1993, 263, 265). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug oder bei Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers ein Verwertungsverbot für notwendig gehalten (BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 4), was im Schrifttum ebenfalls vertreten wird (Schäfer in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 105 Rdn. 119; Pfeiffer, StPO 5. Aufl. § 105 Rdn. 7; grundsätzlich Roxin, Strafverfahrensrecht aaO S. 193 Rdn. 46; allgemein bei Willkür Nack in KK 5. Aufl. Vor § 94 Rdn. 11; Krekeler/Löffelmann in AnwK-StPO Einleitung Rdn. 141). Diesen Ansätzen folgt der Senat.
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Die Notwendigkeit der Annahme eines Verwertungsverbots ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Beachtlichkeit des Richtervorbehalts und zu den inhaltlichen Anforderungen, denen die Durchsuchungsbeschlüsse genügen müssen, angelegt (vgl. allgemein Landau NStZ 2007, 121, 128). Richterliche Durchsuchungsanordnungen sind nach Wortlaut und Systematik des Art. 13 Abs. 2 GG die Regel und die nichtrichterlichen die Ausnahme (BVerfGE 103, 142, 153). Vor allem wegen der grund- rechtssichernden Schutzfunktion des Richtervorbehalts ist „Gefahr im Verzug“ eng auszulegen (BVerfGE aaO), weshalb die Pflicht, einen Durchsuchungsbeschluss zu beantragen, den Spielraum der Ermittlungsbeamten begrenzt, das Ermittlungsverfahren nach kriminalistischen und taktischen Erwägungen frei zu gestalten (BVerfG aaO S. 155). Der bloße abstrakte Hinweis, eine richterliche Entscheidung sei gewöhnlicherweise zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht zu erlangen, kann Gefahr im Verzug nicht begründen, weil dem korrespondierend die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Gerichte besteht, die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters, auch durch die Einrichtung eines Eil- oder Notdienstes , zu sichern (BVerfG aaO S. 156; BVerfG – Kammer – StV 2006, 676). Damit ist das Gebot, den Richtervorbehalt einzuhalten, für das durch rechtsstaatliche Grundsätze geprägte Ermittlungsverfahren so wesentlich, dass jedenfalls grobe Verstöße nicht sanktionslos gelassen werden dürfen (Schäfer aaO § 105 Rdn. 118; Krehl JR 2001, 491, 494). Genauso wie es nicht tragbar wäre, bei jeglichem Irrtum der Beamten über die tatsächlichen Voraussetzungen der Gefahr im Verzug oder bei sonstigen weniger gewichtigen Verstößen gegen irgendwelche die Art und Weise der Durchsuchung regelnden Vorschriften auch bei schwerwiegenden Straftaten ein Verwertungsverbot anzunehmen, wäre es für die Rechtsgemeinschaft und ihre Vorstellung vom Recht unerträglich, könnte der verfassungsrechtlich abgesicherte Schutz der Wohnung samt Richtervorbehalt stets folgenlos selbst willkürlich ausgehebelt werden (vgl. Schäfer aaO § 105 Rdn. 119).
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Hier liegt schon die Annahme außerordentlich nahe, dass die Polizeibeamten den Richtervorbehalt bewusst ignoriert und die Inanspruchnahme der Eilkompetenz des Staatsanwalts provoziert haben. Das Unterlassen der Polizeibeamten , sich um einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Zo. zu bemühen, ist angesichts des Ganges der Ermittlungen unverständlich. Der Umstand, dass sich G. in der Wohnung des Zo. aufgehalten hat, war den ermittelnden Kriminalbeamten schon mindestens vier Wochen vor der Festnahme des G. bekannt (UA S. 22). Die Verdachtslage, wie sie ferner ersichtlich im Blick auf die nach § 100c Abs. 1 Nr. 1 lit. b und Nr. 2 StPO a.F.
angeordneten Maßnahmen angenommen wurde und sich zudem durch wenigstens im Allgemeinen auf Rauschgift bezogene Gespräche des G. im überwachten Pkw ergab, machte es immer dringlicher, spätestens zum Zeitpunkt der Festnahme des G. auch die Wohnung des Zo. zu durchsuchen. Vor dem Hintergrund der Vollstreckbarkeit eines Durchsuchungsbeschlusses über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten (BVerfGE 96, 44) wäre mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf der polizeiliche Zugriff für die Ermittlungen förderlich und der Rechtsordnung entsprechend mit Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses ohne Schwierigkeiten vorzubereiten gewesen. Spätestens mit der am 18. Februar 2005 um 15.47 Uhr von den Polizeibeamten gefassten Festnahmeabsicht erlangte die nach kriminalistischer Erfahrungsregel notwendige Wohnungsdurchsuchung und damit die Erlangung eines Durchsuchungsbeschlusses höchste Priorität, die indes gänzlich unbeachtet blieb. Erst zweieinhalb Stunden nach der Festnahme des G. erheischten die Kriminalbeamten – ohne dass ermittlungsbezogene Besonderheiten dies erklären konnten – eine Entscheidung des ebenfalls nur über eine Eilkompetenz verfügenden Staatsanwalts, ohne die mögliche Inanspruchnahme eines Ermittlungsrichters zuvor auch nur erwogen zu haben (vgl. auch AG Tiergarten in Berlin StraFo 2007, 73, 74 zu Existenz und Bekanntheit des jeweiligen Bereitschaftsrichters

).


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Der Senat kann es letztlich dahingestellt sein lassen, ob gerade auch im Blick auf das vorhergegangene Erschleichen von DNA-Material des Angeklagten G. und nachfolgende Unkorrektheiten bei den weiteren polizeilichen Ermittlungen aus einer Gesamtschau aller Rechtsverstöße die Annahme einer grundlegenden Vernachlässigung von Richtervorbehalten durch die Polizeibeamten und – daraus abgeleitet – deren vorsätzlicher Missachtung in jedem Einzelfall zu rechtfertigen wäre. Da der Senat die Bewertung der Durchsuchung vom 16. Februar 2004 offen gelassen hat, stützt er sich nicht auf diese Gesamtschau , wie sie das Landgericht vorgenommen hat. Er kann den Feststellungen des Landgerichts jedoch entnehmen, dass jedenfalls der ermittelnde Staatsanwalt – mag er auch möglicherweise von der Polizei in gewisser Weise instrumentalisiert worden sein – objektiv willkürlich eine Wohnungsdurchsuchung ohne richterliche Anordnung gestattet und damit den Richtervorbehalt bewusst ignoriert oder gleichgewichtig gröblich missachtet hat. Solches ergibt die Gesamtschau folgender Umstände (UA S. 21):
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Dem vom Landgericht als Zeugen vernommenen Staatsanwalt war – selbstverständlich – der Richtervorbehalt bekannt. Bei der Erörterung der Festnahme des G. hatte er an eine Durchsuchung aber „nicht gedacht“ und auf die zeitliche Diskrepanz zwischen Festnahme und Durchsuchung der Wohnung „nicht geachtet“. Selbst zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsanordnung – eine Stunde vor Beginn der Nachtzeit im Sinn des § 104 Abs. 3 StPO – war es nicht von vornherein aussichtslos, zumindest noch eine fernmündliche Genehmigung eines Ermittlungsrichters (vgl. BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 5) zu erreichen (vgl. BVerfG – Kammer – StV 2006, 676; AG Tiergarten in Berlin StraFo 2007, 73, 74; Meyer-Goßner aaO § 105 Rdn. 2). Eine solche einzuholen, hat der Staatsanwalt aber weder erwogen, noch hat er die Voraussetzungen der von ihm in Anspruch genommenen Eilkompetenz dokumentiert (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2005, 1637, 1639; BGHSt 47, 362, 366; BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 5). Der Staatsanwalt hat ferner gegen die ihm obliegende Pflicht verstoßen, für die Rechtmäßigkeit des Ermittlungsverfahrens und damit für die Einhaltung des Richtervorbehalts durch die Polizei Sorge zu tragen (vgl. Meyer-Goßner aaO § 160 Rdn. 1 m.w.N.). Damit ist er seiner Funktion als Herr des Ermittlungsverfahrens nicht gerecht geworden , wie seiner Bekundung vor dem Landgericht zu entnehmen ist, die Polizei ermittele „autark“ (UA S. 21), so dass er sich mithin um Rechtsverstöße der in seinem Verfahren ermittelnden Hilfsbeamten nicht zu kümmern habe. Ein Staatsanwalt, der – wie hier – seine gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten bestehende Leitungsfunktion so weitgehend ignoriert, was zu einer Ausschaltung des Ermittlungsrichters über einen Zeitraum von zweieinhalb Stunden geführt hat, und der sich – ohne die Anrufung eines Ermittlungsrichters auch nur zu erwägen – sachlich unbegründet und ohne Dokumentation auf seine Eilkompetenz beruft, missachtet den Richtervorbehalt bewusst oder verkennt ihn in gleichgewichtiger Weise gröblich. Solches rechtfertigt – mangels besonderer ermittlungsbezogener Umstände (vgl. BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung
4) – das vom Landgericht angenommene Beweisverwertungsverbot.
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(4) Dem – für andere Fallgestaltungen zur Einschränkung der Annahme von Beweisverwertungsverboten entwickelten – Aspekt eines möglichen hypothetischen rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs (vgl. BGHSt 31, 304, 306; BGH NStZ 1989, 375, 376; BGHR StPO § 105 Durchsuchung 4; Roxin, Strafverfahrensrecht aaO S. 182 Rdn. 21) kann bei solcher Verkennung des Richtervorbehalts keine Bedeutung zukommen (vgl. schon BGHSt 31 aaO; Roxin aaO S. 182 f. Rdn. 21; Gössel aaO Rdn. 178). Die Einhaltung der durch Art. 13 Abs. 2 GG und § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO festgelegten Kompetenzregelung könnte bei Anerkennung des hypothetischen rechtmäßigen Ersatzeingriffs in diesen Fällen stets unterlaufen (vgl. Schäfer aaO § 105 Rdn. 117) und der Richtervorbehalt sogar letztlich sinnlos werden (Roxin, Strafverfahrensrecht aaO S. 183 Rdn. 21 m.w.N.). Bei Duldung grober Missachtungen des Richtervorbehalts entstünde gar ein Ansporn, die Ermittlungen ohne Ermittlungsrichter einfacher und möglicherweise erfolgversprechender zu gestalten (vgl. Roxin NStZ 1995, 465, 467 f.). Damit würde ein wesentliches Erfordernis eines rechtstaatlichen Ermittlungsverfahrens aufgegeben, dass Beweise nicht unter bewusstem Rechtsbruch oder gleichgewichtiger Rechtsmissachtung erlangt werden dürfen (vgl. Roxin NStZ 1989, 376, 379; ders. Strafverfahrensrecht aaO S. 193 Rdn. 46).
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(5) Ob vorliegend der Gesichtspunkt einer fehlenden Berührung des Rechtskreises des Angeklagten (vgl. BGHSt[GS] 11, 213, 215 f.; BGHSt 22, 35, 38; 40, 211, 214 f.) der Anerkennung eines Verwertungsverbotes entgegenstehen könnte, bedarf keiner Vertiefung (vgl. dazu Gössel aaO Rdn. 38 ff.). Der Angeklagte war zur Zeit der Durchsuchung ersichtlich berechtigter Mitnutzer der Wohnung des Zo. (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht 8. Aufl. § 540 Rdn. 32; Teichmann in Jauernig, BGB 11. Aufl. § 535 Rdn. 12; jeweils m.w.N.) und damit in den Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG einbezogen (vgl. BVerfGE 109, 279, 326).
31
(6) Der Senat kann ferner die Beantwortung der Frage dahingestellt sein lassen, ob das angenommene Verwertungsverbot einen Widerspruch des Verteidigers in der Hauptverhandlung vorausgesetzt hätte (vgl. Gössel aaO Rdn. 33 und 174) – was herrschender Tendenz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspräche (vgl. BGHR StPO § 100a Verwertungsverbot 11; BGHSt 50, 206, 215 f.; 51, 1; Gössel aaO Rdn. 29 m.w.N.), die indes jenseits der Fälle von dem Rechtsverstoß berührter Verteidigungsrechte, deren effektive Verletzung der Betroffene selbst optimal beurteilen kann und die uneingeschränkt seiner Disponibilität unterliegen, zu hinterfragen wäre – oder ob sich solches im Blick auf die betroffenen, für den Angeklagten nicht zweifelsfrei umfassend disponiblen Rechtsgüter verbieten würde (vgl. BGHSt 51, 1, 3). Die Revision der Staatsanwaltschaft kann jedenfalls aus solchen Erwägungen nicht erfolgreich sein, weil zur Frage, ob und wie der Verwertung der Beweismittel, die sich zu dem Ergebnis der Durchsuchung der Wohnung des Zo. verhalten, widersprochen worden ist, nichts vorgetragen ist (vgl. BGHR StPO § 100a Verwertungsverbot

11).


32
cc) Gegen die gefundene Rechtsauffassung kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, der Schutz der Volksgesundheit – bei dem hier objektiv vorliegenden Verbrechen gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG – und die Pflicht des Rechtsstaats zur effektiven Strafverfolgung (vgl. hierzu BGHSt[GS] 42, 139, 157; Landau NStZ 2007, 121, 128 f.) werde so vernachlässigt. Das sichergestellte Rauschgift unterliegt gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG, § 76a Abs. 1 StGB der Einziehung. Es wird dem illegalen Rauschgiftmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Sorge um einen Effektivitätsverlust wird vorliegend – jenseits erhobener grundsätzlicher Einwendungen gegen diesen Aspekt (vgl. Roxin NStZ 1997, 18, 20) – schon deshalb relativiert, weil bei Duldung eines bewussten oder gleichgewichtig schweren Rechtsbruchs durch Ermittlungsbeamte ein Ansehensverlust des rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahrens bei der rechtstreuen Bevölkerung zu befürchten wäre, den es zu verhindern gilt und der seinerseits etwa durch verändertes Anzeige- oder Aussageverhalten infolge schwindenden Vertrauens in die Lauterkeit der Ermittlungsorgane zu Effektivitätsverlusten führen könnte. Ferner wird die Bedeutung des Beweismittelverlustes durch Annahme eines Verwertungsverbots hier dadurch gemindert, dass zur Überführung des Angeklagten andere, im Allgemeinen erfolgversprechende Ermittlungsmethoden (Maßnahmen nach §§ 100a, 100c a.F. StPO) angewandt werden konnten, deren Ergebnisse indes nur im vorliegenden Einzelfall – ohne dass solches von der Revisionsführerin beanstandet worden wäre – zur Überzeugungsbildung des Landgerichts nicht ausgereicht haben.
33
dd) Der Senat ist nicht zu einer Anfrage gemäß § 132 Abs. 2 GVG genötigt. Die Erwägungen des 2. Strafsenats (NStZ 1989, 375, 376) zum hypothetischen Ersatzeingriff waren für die Entscheidung nicht tragend (vgl. Roxin NStZ 1989, 376, 378). Die gefundene Rechtsauffassung stimmt mit der vom 1. Strafsenat (BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 4) vertretenen überein.
34
4. Die die Verurteilung des Angeklagten R. betreffenden Revisionen sind ebenfalls unbegründet. Das Landgericht hat sich auf Grund einer wertenden Betrachtung aller Tatumstände angesichts des Gewinnstrebens des R. , seiner Tatinitiative und seines vorgesehenen vorübergehenden Besitzes des Rauschgifts von einem mittäterschaftlichen Mitwirken des Angeklagten überzeugt. Die Annahme nur eines (untauglichen) Versuchs begegnet keinen Bedenken, weil der Angeklagte seine Kuriertätigkeit zu einem Zeitpunkt ausführen sollte, als das zu transportierende Rauschgift durch polizeilichen Aufgriff bereits aus der Bunkerwohnung entfernt und dadurch der Verfügungsmacht des Auftraggebers des Angeklagten entglitten war (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 1; BGHSt[GS] 50, 252, 263). Auch gegen den Rechtsfolgenausspruch können Bedenken nicht erhoben werden.
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 230/16
vom
1. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
ECLI:DE:BGH:2016:011216B3STR230.16.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 1. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Nebenkläger L. und G. M. gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 15. Oktober 2015 werden verworfen. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:


1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes unter Einbeziehung einer Strafe aus einer früheren Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Nebenkläger , die sie auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts stützen.
2
2. Die Rechtsmittel erweisen sich als unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO). Nach § 400 Abs. 1 StPO ist ein Nebenkläger nicht befugt, das Urteil mit dem Ziel anzufechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird. Die Revision eines Nebenklägers bedarf daher eines Antrags oder einer Begründung, die deutlich macht, dass er eine Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich eines Nebenklagedelikts und damit ein zulässiges Ziel verfolgt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 426/12, juris Rn. 2; vom 28. Mai 1990 - 4 StR 221/90, BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 4; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 400 Rn. 3, 3a, 6 mwN).
3
Daran fehlt es hier. Die nicht ausgeführten Formalrügen sind bereits aus diesem Grunde unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Ausweislich der Revisionsanträge und der Begründungen der näher ausgeführten Sachrügen soll mit den Rechtsmitteln die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld erreicht werden. Da das Landgericht das Tötungsdelikt zum Nachteil der Tochter der Nebenkläger als Mord beurteilt hat, stellt die erstrebte Feststellung der besonderen Schwere der Schuld nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB lediglich eine andere Rechtsfolge für die Tat dar, die kein zulässiges Anfechtungsziel der Revision eines Nebenklägers sein kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Juni 2001 - 5 StR 45/01, BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 12; vom 3. Mai 2013 - 1 StR 637/12, juris Rn. 3).
4
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Eine Erstattung der notwendigen Auslagen des Angeklagten im Revisionsverfahren findet wegen dessen gleichfalls erfolgloser Revision nicht statt (vgl. MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 473 Rn. 10a).
Becker Gericke Tiemann
Berg Hoch
24
(1) Zu diesen Vorwürfen hat der Beschuldigte bei seiner polizeilichen Einvernahme am 14. September 2017 nach Belehrung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 bis 4, § 163a Abs. 4 Satz 1, 2 StPO Angaben gemacht. Zwar hat er später nach telefonischer Rücksprache mit seinem Verteidiger die Aussage vorzeitig beendet und die Unterschriftsleistung unter das Vernehmungsprotokoll verweigert. Gleichwohl ist die Aussage hier für die Haftfrage zu berücksichtigen; ein ein Verwertungsverbot begründender Verfahrensverstoß ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich (zur Beachtlichkeit eines Verwertungsverbots vor der Hautverhandlung vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2016 - 3 StR 230/16, NJW 2017, 1828, 1829 f.). Mit seiner Aussage hat der Beschuldigte seine Beteiligung an der Hinrichtung des Offiziers ebenso wie eine Mitgliedschaft im oder eine Nähe zum IS auf - nach vorläufiger Bewertung auf der Grundlage des derzeitigen Aktenbestands - wenig plausible Weise in Abrede gestellt. Im Kern hat er sich wie folgt geäußert: Der Mitbeschuldigte R. , sein Sohn, sei vom IS gefangen genommen worden. Der Mitbeschuldigte habe ihm - dem Beschuldigten - später gesagt, er sei vom IS aufgefordert worden, den Offizier zu beschimpfen, um selbst freizukommen. Diese Bedingung habe der Mitbeschuldigte erfüllt, woraufhin er noch am selben Tag freigelassen worden sei. Auf Frage hat der Beschuldigte weiter geäußert, für ihn sei die Zusammenkunft mit seinem Sohn nach dessen Freilassung "insofern ... keine große Erleichterung an dem Tag" gewesen, weil er - der Beschuldigte - am Tag zuvor Lösegeld gezahlt gehabt habe.
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Regelmäßig keine notwendige Verteidigung im Ermittlungsverfahren
schon vor einer verantwortlichen Vernehmung des Beschuldigten
nach dessen Ergreifung aufgrund eines Haftbefehls
wegen Mordverdachts.
BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 5 StR 176/14
LG Berlin –
BESCHLUSS
5 StR 176/14
vom
20. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Oktober 2014 beschlossen
:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 25. Oktober 2013 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und
die dem Nebenkläger durch ihre Revision entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel vermag aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgeführten Gründen nicht durchzudringen. Der ergänzenden Erörterung bedarf Folgendes:
2
1. Die Revision beanstandet, dass die Angeklagte unter „Verletzung der § 163a Abs. 3 Satz 2, § 136 Abs. 2, § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO, Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK“ ohne Beiordnung eines Verteidigers zweimal polizeilich und einmal durch den Haftrichter vernommen worden sei. Trotz eines daraus resultierenden Beweisverwertungsverbots seien die Vernehmungsbeamten und der Ermittlungsrichter gegen den Widerspruch der Verteidigung in der Hauptverhandlung über den Inhalt der Vernehmungen vernommen und ein Teil der Feststellungen auf deren Aussagen gestützt worden.
3
a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
4
Am 12. September 2001 wurde die 63 Jahre alte D. gewaltsam getötet in ihrer Wohnung aufgefunden. Die Ermittlungen verliefen zunächst ergebnislos. Nach deren Wiederaufnahme im Dezember 2012 ergab ein DNSAbgleich einer Speichelprobe der Angeklagten Übereinstimmung unter anderem mit in der Hand der Getöteten gefundenen Haaren. Gegen die Angeklagte wurde am 27. Februar 2013 Haftbefehl erlassen. Am 5. März 2013 wurde sie festgenommen und zur Berliner Mordkommission verbracht. Noch am selben Tag und am Vormittag des folgenden Tages wurde sie jeweils nach ordnungsgemäßer Belehrung auch über ihr Recht auf Verteidigerkonsultation vernommen. Anschließend wurde sie dem Haftrichter vorgeführt. Nach weiterer korrekter Belehrung war sie aussagebereit, erklärte, keinen Anwalt zu benötigen und noch nie einen benötigt zu haben. Zur Sache bekundet sie, sie habe schon bei der Polizei ausgesagt. Was sie dort gesagt habe, sei zutreffend. Auf Vorhalt einer Passage aus einem Vernehmungsprotokoll bekundete sie, dass sie es ja gewesen sein müsse. Sie sei da gewesen und habe die Frau angegriffen. Weiter wolle sie jetzt nichts sagen. Der Ermittlungsrichter ordnete den Vollzug des Haftbefehls an und bestellte der Angeklagten einen Pflichtverteidiger.
5
Am zweiten Hauptverhandlungstag (18. September 2013) widersprach der Verteidiger vorab der Verwertung der polizeilichen und richterlichen Vernehmungen. Nach Herbeiführung von Gerichtsbeschlüssen (§ 238 Abs. 2 StPO) wurden die Polizeibeamten und der Ermittlungsrichter vernommen. Ein weiterer Verwertungswiderspruch erfolgte nicht.
6
b) Die Rüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts bedurfte es keines gesonderten (zweiten) Verwertungswiderspruchs im Anschluss an die Vernehmung der ge- nannten Beweispersonen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Widerspruch nämlich grundsätzlich auch umfassend vorab erklärt werden; in diesem Fall muss ihn der Verteidiger nach Abschluss der Zeugenvernehmung nicht noch einmal ausdrücklich wiederholen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2003 – 5 StR 307/03, NStZ 2004, 389; Urteil vom 27. Juni 2013 – 3 StR 435/12, NJW 2013, 2769, 2771 f., insoweit in BGHSt 58, 301 nicht abgedruckt; KK/Diemer, StPO, 7. Aufl., § 136 Rn. 28). Der durch die Verteidigung erhobene Widerspruch wird auch ansonsten den Anforderungen gerecht.
7
Der Senat kann dahingestellt lassen, ob anderes zu gelten hätte, wenn sich bei freibeweislicher Klärung von der Verteidigung erhobener Beanstandungen etwa gewichtige Anhaltspunkte für deren Haltlosigkeit ergeben haben würden. Dies könnte im vorliegenden Fall für den nach rechtsfehlerfreier Würdigung der Schwurgerichtskammer durch die Beweisaufnahme widerlegten und von der Verteidigung mit der Revision nicht weiterverfolgten Vortrag gelten, die Vernehmungsbeamten hätten die irrige Annahme der Angeklagten ausgenutzt, nicht den Rat eines Verteidigers in Anspruch nehmen zu können, weil sie sich einen solchen nicht zu leisten vermöge. Indessen stützt sich die Revision auf die Erwägung, die Staatsanwaltschaft hätte vor einer Vernehmung zwingend auf die Beiordnung eines Verteidigers hinwirken müssen (§ 141 Abs. 3 Satz 2 StPO). Dieser Gesichtspunkt wurde durch die Vernehmungen aber nicht berührt.
8
c) Die Rüge ist unbegründet.
9
aa) Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass nach geltendem Recht (§ 141 Abs. 3 Satz 2 StPO) auch mit Bedacht auf Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK keine Pflicht besteht, dem Beschuldigten stets bereits frühzeitig im Ermittlungsverfahren, etwa beginnend mit dem dringenden Verdacht eines (auch schweren) Verbrechens, einen Verteidiger zu bestellen (BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2002 – 5 StR 588/01, BGHSt 47, 233, 236 f.; vom 17. Dezember 2003 – 5 StR 501/03, BGHR StPO § 141 Bestellung 8; vom 19. Oktober 2005 – 1 StR 117/05, NStZ-RR 2006, 181, 182; vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1010). Das gilt auch dann, wenn ein Haftbefehl besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 5 StR 501/03, aaO).
10
Von dieser Rechtsprechung abzurücken, besteht kein Anlass. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2274) den Zeitpunkt der rechtlich zwingenden Bestellung eines Pflichtverteidigers in § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO in Kenntnis der bestehenden Rechtsprechung bewusst auf den Beginn der Vollstreckung der Untersuchungshaft festgelegt hat. Nach § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO hat die Verteidigerbestellung „unverzüglich“ zuerfolgen, sofern der Haftbefehl nach seiner Verkündung nicht außer Vollzug gesetzt wird (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13097, S. 19). Erst mit der Aufrechterhaltung der Haft nach § 115 Abs. 4 Satz 1 StPO liegt eine Vollstreckung der Untersuchungshaft im Sinne des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO vor. Forderungen, frühere Ereignisse, wofür beispielsweise der Erlass eines Haftbefehls oder die Ergreifung des Beschuldigten in Betracht gekommen wären, haben sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchgesetzt (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht, aaO, S. 16 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 – 5 StR 588/01, aaO, S. 237; Jahn in Festschrift Rissing-van Saan, 2011, S. 275, 277 f. mwN).
11
bb) Diesen gesetzlichen Vorgaben wurde hier mit der sofortigen Verteidigerbestellung nach Anordnung des Vollzugs der Untersuchungshaft entsprochen. Besonderheiten, etwa die Durchführung einer beweissichernden ermittlungsrichterlichen Vernehmung eines wesentlichen Belastungszeugen in Abwesenheit des Beschuldigten (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2000 – 1 StR 169/00, BGHSt 46, 93, 99 f.), waren nicht gegeben. Der Umstand allein, dass die bislang unbestrafte Angeklagte über keine Erfahrungen mit der Strafjustiz verfügte und mit einem Mordvorwurf konfrontiert wurde, genügt für die Annahme einer von der Verteidigung geltend gemachten Ermessensreduktion auf Null auf Seiten der Staatsanwaltschaft in Richtung auf sofortige Verteidigerbestellung nicht.
12
cc) Allerdings haben die Polizeibeamten gegen § 115 Abs. 1 StPO verstoßen , indem sie die Angeklagte nach ihrer Ergreifung nicht unverzüglich dem zuständigen Gericht vorgeführt, die Vorführung vielmehr zum Zweck der Durchführung polizeilicher Beschuldigtenvernehmungen aufgeschoben haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 5 StR 547/94, BGHR StPO § 128 Abs. 1 Vorführungsfrist 2; Urteil vom 17. November 1989 – 2 StR 418/89, NJW 1990, 1188). Dieser Verfahrensfehler verengt jedoch nicht den der Staatsanwaltschaft in § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO übertragenen Beurteilungsspielraum betreffend das Hinwirken auf sofortige Verteidigerbestellung. Vielmehr wäre es – sofern eingebunden – deren Pflicht gewesen, nachhaltig für die Wahrung des Unverzüglichkeitsgebots nach § 115 Abs. 1 StPO Sorge zu tragen. Infolge der in erster Linie auf Gewährleistung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG zielenden Schutzrichtung des § 115 Abs. 1 StPO (vgl. BVerfG [Kammer], NStZ 1994, 551, 552; LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 115 Rn. 1), die das Interesse an frühzeitiger Verteidigerbestellung (vgl. auch KK/Graf, StPO, 7. Aufl., § 115 Rn. 1a) gleichsam als Reflex mit umfasst, ver- mag die Verletzung dieser Vorschrift den Zeitpunkt rechtlich zwingender Verteidigerbestellung aber nicht vorzuverlagern.
13
Ein Verwertungsverbot wäre freilich anzunehmen, wenn die Polizeibeamten die gebotene Vorführung bewusst unterlassen hätten, um die Verteidigerbestellung durch den Haftrichter zu umgehen. Dafür sind jedoch keine Anhaltspunkte vorhanden. Hiergegen spricht vielmehr, dass der Haftrichter nach der Wertentscheidung des Gesetzgebers die aussagebereite Beschuldigte – wie geschehen – in dem in § 115 Abs. 2 StPO bezeichneten Zeitrahmen vor Vollstreckung der Untersuchungshaft ohne vorherige Verteidigerbestellung hat vernehmen dürfen. Es liegt die Annahme nahe, dass die Beamten hier in bloßer Verkennung des § 115 Abs. 1 StPO bestrebt waren, dem zuständigen Gericht eine tragfähige Grundlage für seine Entscheidung über den Vollzug der Untersuchungshaft zu vermitteln.
14
2. Die Verletzung des in § 115 Abs. 1 StPO normierten Unverzüglichkeitsgebots hat die Revision, was sie in ihrer Erwiderung auf die diesen Gesichtspunkt hervorhebende Zuschrift des Generalbundesanwalts auch nicht in Abrede gestellt hat, nicht in einer Verfahrensrüge beanstandet, sich vielmehr ausdrücklich auf die Rüge unterlassener Verteidigerbestellung beschränkt. Damit ist dem Senat die Prüfung verwehrt, ob dieser Verfahrensfehler etwa zur Unverwertbarkeit der von der Angeklagten vor der Polizei, unter Umständen auch vor dem Haftrichter gemachten Angaben hätte führen müssen; hiergegen sprächen die Einhaltung immerhin der in Art. 104 Abs. 3 GG bestimmten Frist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 5 StR 547/94, aaO), die nach Vorführung vor den Haftrichter und korrekter Belehrung gleichwohl erfolgte Aussage der Angeklagten, die den Beistand eines Verteidigers ausdrücklich nicht begehrte , sowie die Schwere des Tatvorwurfs. Die Angriffsrichtung bestimmt den Prüfungsumfang des Revisionsgerichts; einem Revisionsführer steht es wegen seiner Dispositionsbefugnis zu, ein Prozessgeschehen nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt zu rügen, einen etwa zusätzlich begangenen Verfahrensverstoß aber hinzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2013 – 5 StR 318/13, NStZ 2013, 671; Beschluss vom 29. November 2013 – 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221, jeweils mwN).
15
Darüber hinaus wäre die Revision mit einer etwa erhobenen diesbezüglichen Verfahrensrüge auch ausgeschlossen. Denn die Verteidigung hat schon den in der Hauptverhandlung erhobenen Verwertungswiderspruch nicht (auch) auf die Verletzung des Unverzüglichkeitsgebots gestützt, was insoweit eine Rügepräklusion nach sich ziehen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07, BGHSt 52, 38, 42 ff.; Mosbacher in Festschrift Rissing-van Saan, 2011, S. 357, 375 f.).
16
3. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der durch die Angeklagte erhobenen Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben. Der Senat kann angesichts mangelnden Beruhens dahingestellt lassen , ob angesichts der konkreten Gegebenheiten (glaubhaftes Geständnis der Angeklagten, weitere belastende Indizien) die Mitteilung nur des Ergebnisses des DNA-Gutachtens (Übereinstimmung mit der DNA der Angeklagten) hier ausnahmsweise genügen würde (vgl. zu den Anforderungen BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454; vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212).
Basdorf Dölp König
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 263/16
vom
27. September 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 27. September 2016 einstimmig beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Freiburg vom 7. Dezember 2015 werden als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349
Abs. 2 StPO).
Der Angeklagte M. Y. hat die Kosten seines
Rechtsmittels zu tragen; beim Angeklagten A. Y. wird von der
Auferlegung von Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens abgesehen
(§§ 74, 109 Abs. 1 JGG); die im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen der Nebenkläger haben beide Angeklagten
zu tragen.
ECLI:DE:BGH:2016:270916B4STR263.16.0

Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in den Antragschriften vom 21. Juni 2016 bemerkt der Senat:
1. Die dritte Verfahrensrüge des Angeklagten A. Y. - Verstoß gegen § 67 Abs. 1 und 2 JGG - ist bezüglich der Verwertung der Vernehmung durch den Haftrichter nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Revision trägt zu dieser Rüge lediglich den in der Hauptverhandlung vom 27. April 2015 erhobenen Widerspruch gegen die Verwertung der Inhalte der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung durch die Zeugen T. und W. sowie die im Hauptverhandlungstermin vom 5. Oktober 2015 vorgetragene ergänzende Begründung aus dem Schriftsatz vom 1. Oktober 2015 vor. Der in der Hauptverhandlung vom 27. April 2015 erhobene Widerspruch stützte sich zudem lediglich auf die unterlassene Hinzuziehung eines Rechtsanwalts und eine fehlende erneute Belehrung über das Recht auf Verteidigerkonsultation vor der Vernehmung zur Sache, nicht aber auf eine Verletzung des § 67 Abs. 1 und 2 JGG (zur Rügepräklusion vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 5 StR 176/14, BGHSt 60, 38, 43 f.). Der Schriftsatz vom 1. Oktober 2015 gibt, abgesehen davon, dass die Ausführungen auch verspätet wären, im Hinblick auf § 67 JGG lediglich die Angaben desZeugen W. zur fehlenden „Konsultation“ des Erziehungsberechtigten wieder. Den in der Hauptverhandlung vom 19. Mai 2015 erhobenen Widerspruch - Schriftsatz vom 4. Mai 2015 -, der sich auch auf die Verletzung von § 67 JGG durch den Haftrichter stützt, teilt die Revision bei dieser Rüge nicht mit, sondern nur zur zweiten Verfahrensrüge. Dies reicht zur Begründung nicht aus. Es kann nicht Aufgabe des Revisionsgerichts sein, den Revisionsvortrag aus anderen Unterlagen jeweils an passender Stelle zu ergänzen und dabei auch noch den Sachzusammenhang selbst herzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2005 – 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463 mwN).
2. Soweit der Angeklagte M. Y. einen Verstoß gegen § 115 Abs. 1 StPO rügt, weil seine Vorführung vor den Haftrichter nicht unverzüglich erfolgt sei, ist die Rüge schon deshalb unzulässig, weil nicht zutreffend vorgetragen wird. Der Angeklagte wurde nach vorläufiger Festnahme gemäß § 128 StPO vorgeführt; der Haftrichter gab ihm den Haftbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft bekannt (Verfahrensakte Band I Bl. 277). Im Übrigen genügen die Angaben zum Verfahrensablauf in der Revisionsschrift nicht, um überprüfen zu können, ob ein Verstoß gegen das Gebot einer unverzüglichen Vorführung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO (dazu BGH, Urteil vom 17. November 1989 - 2 StR 418/89, NJW 1990, 1188) vorliegt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke Bender Paul

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 447/05
vom
9. November 2005
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
StPO §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 4 Satz 2; Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs.
1 GG
Der in der ersten Hauptverhandlung unterlassene oder verspätete Widerspruch
sonstiger Belehrungspflichten aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens kann
nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht in der neuen
Hauptverhandlung nicht mehr geltend gemacht werden.
BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - 1 StR 447/05 - LG Baden-Baden
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2005 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Baden-Baden vom 10. Juni 2005 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:


Zu der Verfahrensrüge, die die Verwertbarkeit der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 16. September 2003 in Abwesenheit des bestellten Verteidigers und ohne Dolmetscher betrifft, bemerkt der Senat: I. Dieser Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Am 15. September 2003 wurde der Angeklagte, italienischer Staatsangehöriger , der mehr als 30 Jahre in Deutschland gelebt hatte, aus spanischer Auslieferungshaft an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Zuvor war ihm bereits ein Pflichtverteidiger bestellt worden. Termin zur Verkündung des Haftbefehls wurde bestimmt auf den 16. September 2003, 13.30 Uhr. Die
Staatsanwaltschaft setzte den Verteidiger und die für die Vorführung des Beschuldigten zuständige Kriminalpolizei vom Termin in Kenntnis. Ein Dolmetscher wurde vom Ermittlungsrichter geladen. Vor dem Haftrichtertermin erklärte sich der Angeklagte um 12.55 Uhr gegenüber KHK K. nach ordnungsgemäßer Belehrung zur Aussage ohne Hinzuziehung eines Verteidigers bereit. Dem Vernehmungsbeamten war die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht bekannt. Auch der Beschuldigte wusste davon nichts. Er gab eine geständige Einlassung ab und erklärte, er sei der deutschen Sprache mächtig. Um 13.30 Uhr benachrichtigte der Haftrichter den zuständigen Staatsanwalt , dass die Haftbefehlseröffnung sich verzögere, weil der Beschuldigte vor der Kriminalpolizei ein Geständnis ablege. Der Staatsanwalt unterrichtete den Verteidiger entsprechend. Die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung endete um 13.50 Uhr. Beim Haftrichter sagte der Beschuldigte in Anwesenheit des Verteidigers und eines Dolmetschers nicht zur Sache aus. Mit Schriftsatz vom 18. September 2003 beanstandete der damalige Pflichtverteidiger gegenüber der Staatsanwaltschaft die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung vom 16. September 2003 wegen der fehlenden Anwesenheit von Verteidiger sowie Dolmetscher , rügte einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und machte ein Verwertungsverbot geltend. Der Angeklagte ließ in der ersten Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht die Angaben aus der betreffenden Beschuldigtenvernehmung über seinen Verteidiger im Kern bestätigen und als seine Einlassung in Anwesenheit eines Dolmetschers vortragen. Ein Widerspruch gegen die Verwertung der Beschuldigtenvernehmung wurde in der Hauptverhandlung nicht mehr erhoben.
Das Schwurgericht verurteilte den Angeklagten wegen Totschlags. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verurteilung wegen Mordes in der Begehungsform der Heimtücke erstrebte, wurde das erstinstanzliche Urteil mit den Feststellungen aufgehoben. In der zweiten Hauptverhandlung hat der Angeklagte sich abweichend von seinen früheren Angaben in zwei unterschiedlichen Versionen eingelassen. Seinen früheren Verteidiger hat er von der Schweigepflicht nicht entbunden. Der Verwertung der Beschuldigtenvernehmung wurde in der zweiten Hauptverhandlung widersprochen. Die Einlassung des Angeklagten aus der ersten Hauptverhandlung wurde durch die Vernehmung des damaligen Vorsitzenden eingeführt. Der Angeklagte wurde wegen eines heimtückisch begangenen Mordes verurteilt. Im neuen erstinstanzlichen Urteil hat sich das Schwurgericht dem Wortlaut nach "ergänzend" auf die Beschuldigtenvernehmung gestützt. II. Die von der Revision auf § 163a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO gestützte Verfahrensrüge hat keinen Erfolg. 1. Grundsätzlich ist dem Beschuldigten vor seiner polizeilichen Vernehmung mitzuteilen, dass ihm bereits ein Verteidiger bestellt worden ist (BGH NStZ 1997, 502). Ob hier in dem Unterlassen der Mitteilung ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens zu sehen ist, der ein Verwertungsverbot nach sich ziehen könnte, kann der Senat offen lassen. Entgegen der oben zitierten Entscheidung ist dem Beschuldigten die Verteidigerbestellung hier nicht bewusst vorenthalten worden. Der Vernehmungsbeamte hatte keine Kenntnis davon. Der Staatsanwalt erfuhr von der polizeilichen Vernehmung erst, nachdem diese schon fortgeschritten war. Ob zu dem Zeitpunkt für ihn noch Unterrichtungsmöglichkeiten bestanden, ist nicht geklärt.
2. Der Angeklagte kann sich hier auf einen Verstoß gegen Grundsätze des fairen Verfahrens schon deshalb nicht berufen, weil er in der ersten Hauptverhandlung über seinen Instanzverteidiger, der noch im Ermittlungsverfahren Widerspruch erhoben hatte, die Angaben aus der Beschuldigtenvernehmung im Kern bestätigen ließ und das Tatgeschehen erneut in Anwesenheit eines Dolmetschers einräumte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2003 - 5 StR 475/02). Das Unterlassen des Hinweises im Ermittlungsverfahren ist dadurch jedenfalls geheilt (BGHSt 22, 129; 27, 355, 359). Die Revision trägt zudem sowohl die Bestätigung der Angaben aus der Beschuldigtenvernehmung über den damaligen Verteidiger in der ersten Hauptverhandlung als auch dessen Widerspruch im Ermittlungsverfahren nicht vor. Soweit eine Wiederholung des Widerspruchs in der ersten Hauptverhandlung nicht mehr erfolgte, ist ein Verteidigerverschulden nach einer bestätigenden Einlassung in der Hauptverhandlung nicht ersichtlich. 3. Generell ist der Verwertung einer Aussage, die unter Verstoß gegen die Verfahrensgrundsätze der §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 4 Satz 2 StPO (Schweigerecht sowie Recht zur Verteidigerkonsultation) oder sonstige Belehrungspflichten aus dem Grundsatz des fairen Verfahren nach Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG im Ermittlungsverfahren erlangt worden ist, bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt zu widersprechen (vgl. zur Widerspruchslösung BGHSt 38, 214; 42, 15, 22; BGH NStZ 1997, 502). Die Frage, ob der unterlassene oder verspätete Widerspruch in der ersten Hauptverhandlung nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht in der neuen Hauptverhandlung nicht mehr geltend gemacht werden kann (so BayObLG NStZ 1997, 99; OLG Celle StV 1997, 68; OLG Oldenburg StV 1996, 416; MeyerGoßner , StPO 48. Aufl. § 136 Rdn. 25; Boujong in KK StPO 5. Aufl. § 136 Rdn. 28; ebenso für das Berufungsverfahren OLG Stuttgart NStZ 1997, 405),
ist, soweit ersichtlich, durch den Bundesgerichtshof noch nicht entschieden. Der Senat teilt die auch vom Generalbundesanwalt vertretene Auffassung, dass in einem solchen Fall die Rüge präkludiert ist. Die Nichtausübung des Widerspruchsrechts innerhalb der Frist führt in den genannten Fällen zum endgültigen Rechtsverlust. Dies ergibt sich daraus, dass es sich um ein prozessuales Gestaltungsrecht handelt, das nicht auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt beschränkt ist. Das Ermittlungsverfahren bildet die Grundlage für das gesamte folgende gerichtliche Verfahren, auch nach Aufhebung des ersten Urteils und Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht. Der Angeklagte muss sich an einer nicht widersprochenen Einlassung aus dem Ermittlungsverfahren festhalten lassen. Deren Bestand kann nicht seiner Dispositionsfreiheit unterliegen , was schon im Fall einer Teilaufhebung des ersten Urteils deutlich wird. Der Angeklagte hat sich hier in der neuen Hauptverhandlung mit einem neuen Verteidiger einer anderen Verteidigungsstrategie bedient und sich nicht nur abweichend zur früheren Hauptverhandlung, sondern auch in der neuen Hauptverhandlung wechselnd eingelassen. Dies zeigt bereits die Notwendigkeit der Bindungswirkung an eine einmal getroffene Entscheidung bzw. an den eingetretenen Rechtszustand. Der frühere Verteidiger unterliegt der Schweigepflicht. Es entspricht der besonderen Verantwortung eines Verteidigers und seiner Fähigkeit, Mängel beim Zustandekommen einer Einlassung im Ermittlungsverfahren aufzudecken und zu erkennen, ob die Berufung auf ein etwa daraus resultierendes Verwertungsverbot einer sinnvollen Verteidigung dient (vgl. BGHSt 38, 214, 226). Deshalb wird der Angeklagte durch die Bindung an die Verwertbarkeit seiner unwidersprochen eingeführten und berücksichtigten Angaben aus dem Ermittlungsverfahren in seinen Verteidigungsrechten nicht beschränkt.
4. Der Senat kann offen lassen, ob das Urteil auf den Angaben aus der beanstandeten Beschuldigtenvernehmung, die dem Wortlaut nach zwar "ergänzend" herangezogen wurde und "mit den übrigen Erkenntnissen der Beweisaufnahme in Einklang" steht, überhaupt beruht. Nack Wahl Boetticher Schluckebier Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 273/07
vom
11. September 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nur II)
Veröffentlichung: ja
WÜK Art. 36; StPO § 257
1. Die Widerspruchslösung findet auch bei einer zu spät erteilten Belehrung
über das Recht auf konsularischen Beistand nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3
des Wiener Konsularrechtsübereinkommens (WÜK) Anwendung.
2. Zu den Anforderungen an einen solchen Widerspruch.
BGH, Beschl. vom 11. September 2007 - 1 StR 273/07 - LG Regensburg
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2007 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 20. Dezember 2006 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


I.

1
1. Das Landgericht hat - für den Senat bindend - festgestellt:
2
In der Tatnacht kam es zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau D. B. , dem Tatopfer, im Wohnzimmer der gemeinsamen Wohnung zunächst zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen. Dabei fesselte der Angeklagte seiner Ehefrau die Hände auf dem Rücken; dies gehörte zu den üblichen Praktiken des Ehepaars. Er riss hierzu Lautsprecherkabel der Heimkinoanlage ab, weil er die gewöhnlich benutzten Utensilien - wie Stofftücher oder Handschellen aus dem Erotikfachhandel - weggeworfen oder unauffindbar verlegt hatte. Seine Ehefrau war über die Verwendung des Kabels und die äußerst straffe Fesselung, die zu blasigen Hautabhebungen führte, verwundert. Der Angeklagte führte sodann mit seiner Ehefrau einvernehmlich - zuletzt bäuchlings übereinander auf dem Wohnzimmerteppich liegend - den Analverkehr bis zum Samenerguss durch. Als der Angeklagte ihrem anschließenden Begehren, von ihr "herunterzugehen" und sie loszubinden, keine Folge leistete, beschimpfte sie ihn.
3
Auf Grund dieser Unmutsäußerungen erregt, beschloss der Angeklagte nunmehr seine Ehefrau zu töten. Er hob ihren Slip vom Boden auf, zerriss ihn und band ihr damit die Fußgelenke zusammen. Weiterhin riss er ein zweites Lautsprecherkabel ab und verschnürte damit ihre Unterschenkel. Erst jetzt erkannte D. B. - zumal der Angeklagte auf Nachfrage entsprechende Andeutungen machte - die Gefahr für ihr Leben, war allerdings infolge der Fesselung widerstandsunfähig. Es gelang ihr nicht, den Angeklagten umzustimmen. In Ausführung seines Tötungsvorhabens schlang dieser ein weiteres Stück Lautsprecherkabel um den Hals seiner Ehefrau und zog bis zum Todeseintritt zu, wobei er im weiteren Verlauf noch einen Holzkochlöffel einsetzte, um damit durch Drehbewegungen die Zugkräfte und die drosselnde Wirkung des Kabels zu verstärken.
4
2. Das Landgericht hat die Tat als Heimtückemord bewertet und den Angeklagten zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, welche die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

II.

5
Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 12. Juni 2007 dargelegten Gründen nicht durch. Näherer Erörterung bedarf nur die Rüge, die Schwurgerichtskammer habe bei der Ur- teilsfindung rechtsfehlerhaft die Aussage des Angeklagten bei seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung verwertet, obwohl er bei dieser Vernehmung als irakischer Staatsangehöriger nicht über sein Recht auf konsularischen Beistand belehrt worden sei (Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des Wiener Konsularrechtsübereinkommens [WÜK]).
6
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
7
Nachdem der Angeklagte nach der Tat über Notruf mitgeteilt hatte, dass er soeben seine Ehefrau erdrosselt habe, wurde er von Polizeibeamten kurz nach deren Eintreffen vor seiner Wohnung festgenommen. Etwa fünf Stunden später, am Morgen des 12. September 2005, begann die gegenständliche Beschuldigtenvernehmung durch den kriminalpolizeilichen Sachbearbeiter, der den Angeklagten nach § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 StPO, nicht jedoch nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrte. Noch bevor der Angeklagte die Tat schilderte, wurde ein Dolmetscher hinzugezogen, der das gesamte bis dahin erstellte Protokoll einschließlich der Belehrung übersetzte. Sodann machte der Angeklagte geständige Angaben zum Tatgeschehen.
8
Bei der Haftbefehlseröffnung am nächsten Tag sagte der Angeklagte nicht mehr aus. Vom Ermittlungsrichter wurde er anschließend erstmals darüber belehrt, dass er die Unterrichtung seiner Auslandsvertretung verlangen könne. Von diesem Recht machte der Angeklagte Gebrauch; der Versuch einer sofortigen telefonischen Kontaktaufnahme mit der irakischen Botschaft scheiterte allerdings. Bei der Exploration durch den psychiatrischen Sachverständigen ca. ein halbes Jahr später wiederholte der Angeklagte im Wesentlichen seine Angaben bei der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits durch seinen derzeitigen Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Bo. vertreten.
9
Am 1. Hauptverhandlungstag, dem 9. Oktober 2006, widersprach der Verteidiger vor Einlassung des Angeklagten zur Sache der Verwertung von dessen Angaben bei der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung "insofern, als die Kammer aus dieser für … (den Angeklagten) negative Schlussfolgerungen ziehen möchte". Gerügt wurde folgendes: Der Angeklagte sei nicht auf die Möglichkeit der - kostenlosen - Beiordnung eines Pflichtverteidigers hingewiesen und es sei kein entsprechender Beiordnungsantrag gestellt worden; er sei nicht über die Existenz eines Strafverteidigernotrufs informiert worden; der Dolmetscher habe den kurdischen Dialekt des Angeklagten nicht beherrscht; es seien verbotene Vernehmungsmethoden infolge Ermüdung des Angeklagten angewandt worden. Anschließend gab der Verteidiger für den Angeklagten eine Erklärung zur Sache ab, die von den bisherigen Angaben abwich. Am 3. Verhandlungstag , dem 11. Oktober 2006, wurde der hinzugezogene Dolmetscher als Zeuge vernommen, zudem ein Beschluss verkündet, mit dem der Widerspruch in allen gerügten Punkten zurückgewiesen wurde. Am 4. Verhandlungstag, dem 13. Oktober 2006, wurde der kriminalpolizeiliche Sachbearbeiter zeugenschaftlich vernommen.
10
Am 8. Verhandlungstag, dem 29. November 2006, erhob der Verteidiger eine Gegenvorstellung und "erneuert(e) den Widerspruch … um eine weitere rechtliche Sichtweise". Unter Hinweis auf die Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 - 2 BvR 2115/01 u.a. (NJW 2007, 499) machte er nunmehr zusätzlich ein Verwertungsverbot infolge der Verletzung der Belehrungspflicht nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend. Am 9. Verhandlungstag, dem 7. Dezember 2006, verkündete der Vorsitzende einen Beschluss der Schwurgerichtskammer, mit dem sie die Gegenvorstellung zurückwies.
11
Die Feststellungen zur Tat basieren auf der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung ; die Angaben des Angeklagten gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen hat die Kammer (nur) "ergänzend" herangezogen (UA S. 16).
12
2. Die Verfahrensrüge ist - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - nicht zulässig erhoben. Die Revisionsbegründung teilt nicht mit (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), dass die Gegenvorstellung des Angeklagten vom 29. November 2006, mit der er den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK erstmals beanstandete, mit Beschluss vom 7. Dezember 2006 zurückgewiesen wurde. Diese Tatsache ergibt sich zwar aus den Urteilsgründen, die das Revisionsgericht auf die Sachrüge ergänzend zu berücksichtigen hat (UA S. 33 f.). Der Inhalt des Beschlusses wird aber weder in der Revisionsbegründung noch im Urteil wiedergegeben.
13
Ein Zweck des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ist, das Revisionsgericht in die Lage zu versetzen, allein anhand der Revisionsbegründung über die Schlüssigkeit einer Verfahrensrüge zu befinden (BVerfGE 112, 185, 212). Der Revisionsführer muss daher die den Mangel enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, dass das Revisionsgericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BVerfG aaO 208 m. Nachw. zur st. Rspr. des BGH). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung hier nicht gerecht. Auch unter ergänzender Heranziehung der Urteilsgründe ist für den Senat nicht erkennbar , aufgrund welcher Tatsachen und welcher Erwägungen das Landgericht von uneingeschränkter Verwertbarkeit der Beschuldigtenvernehmung ausgegangen ist. Dies wäre für ein im Wege der Abwägung zu beurteilendes Beweisverwertungsverbot relevant. Daher hätte die Revisionsbegründung den Beschluss mit seinem wesentlichen Inhalt mitteilen müssen. http://127.0.0.1:50000/Xaver/text.xav?SID=&skin=&bk=heymanns_bgh_ed_bghst&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghst-38-214'%5D&tf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&hlf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&qmf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&tocf=heymanns_bgh_ed_bghst_tocFrame#xaverTitleAnchore [Link] http://127.0.0.1:50000/Xaver/text.xav?SID=&skin=&bk=heymanns_bgh_ed_bghst&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghst-42-15'%5D&tf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&hlf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&qmf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&tocf=heymanns_bgh_ed_bghst_tocFrame#xaverTitleAnchore [Link] http://127.0.0.1:50000/Xaver/text.xav?SID=&skin=&bk=heymanns_bgh_ed_bghst&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghst-42-22'%5D&tf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&hlf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&qmf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&tocf=heymanns_bgh_ed_bghst_tocFrame#xaverTitleAnchore - 7 -
14
3. Die Rüge wäre auch unbegründet. Zwar wurde die Belehrungspflicht nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK verletzt, indem der Angeklagte nicht "unverzüglich" nach seiner Festnahme auf sein Recht auf konsularischen Beistand hingewiesen wurde. Insoweit war der Widerspruch in der Hauptverhandlung jedoch verspätet, da diese Pflichtverletzung erst nach dem gemäß § 257 StPO maßgeblichen Zeitpunkt geltend gemacht wurde. Die Zeugenvernehmungen des Dolmetschers und des kriminalpolizeilichen Sachbearbeiters erfolgten bereits am 2. und 3. Verhandlungstag; die - den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK erstmals beanstandende - Gegenvorstellung wurde erst am 8. Verhandlungstag erhoben. Daher kann dahinstehen, ob hier aus dem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK ein Beweisverwertungsverbot zu folgern gewesen wäre.
15
a) Generell gilt, dass Angaben des Angeklagten, die im Ermittlungsverfahren unter Verstoß gegen die Verfahrensgrundsätze des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO (Schweigerecht sowie Recht zur Verteidigerkonsultation) oder sonstige Belehrungspflichten aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG erlangt wurden, gleichwohl verwertet werden können, wenn der (verteidigte) Angeklagte nicht bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt widersprochen hat (BGHSt 50, 272, 274; zur Widerspruchslösung vgl. BGHSt 38, 214; 39, 349, 352; 42, 15, 22 f.; BGH NJW 1997, 2893; NStZ 1997, 502; Gössel in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. Einl. Abschn. L Rdn. 28 f.). Dies ist ebenso der Fall, wenn eine Belehrung über das Recht auf konsularischen Beistand gemäß Art. 36 WÜK nicht rechtzeitig erfolgte; auch dieses Recht konkretisiert den Grundsatz des fairen Verfahrens (vgl. BVerfG [Kammer] NJW 2007, 499, 501). Inwieweit anderes anzunehmen wäre, wenn die Belehrung nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK nicht nachgeholt worden wäre, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Denn insoweit könnte die fehlende Belehrung dafür verantwortlich sein, dass der - nicht informier- http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=JR&B=2006&S=300 - 8 - te - Herkunftsstaat außerstande ist, dem Angeklagten bei der Verteidigung behilflich zu sein, damit dieser den Belehrungsmangel rechtzeitig rügen kann (vgl. IGH, Urt. vom 27. Juni 2001 - Fall "LaGrand" - Rdn. 90 f., ICJ-Reports 2001, 464 = JZ 2002, 91, 92; BVerfG aaO 503).
16
b) Der Widerspruch des verteidigten Angeklagten bedarf regelmäßig einer Begründung, in der - zumindest in groben Zügen - anzugeben ist, unter welchem Gesichtspunkt der Angeklagte den zu erhebenden oder bereits erhobenen Beweis für unverwertbar hält. Die Begründung muss die Angriffsrichtung erkennen lassen, die den Prüfungsumfang durch das Tatgericht begrenzt (ausdrücklich offen gelassen in BVerfG aaO 504; vgl. in diesem Sinne zur Angriffsrichtung einer Verfahrensrüge im Revisionsverfahren BGH NStZ 2007, 161, 162; Cirener/Sander JR 2006, 300 jew. m.w.N.). Hierfür spricht namentlich:
17
Widerspricht der verteidigte Angeklagte etwa der Verwertung der Aussage einer Vernehmungsperson über seine Angaben im Ermittlungsverfahren, weil er nicht über sein Aussageverweigerungsrecht belehrt worden sei, wird das Tatgericht keine Veranlassung haben, möglichen anderen Verfahrensfehlern im Einzelnen nachzugehen. Das Gericht wird dann beispielsweise nicht - von sich aus - den seinerzeit hinzugezogenen Dolmetscher dazu hören, inwieweit er sich mit dem Angeklagten verständigen konnte und ob er den von diesem gesprochenen Dialekt hinreichend beherrscht; auch zu Ermittlungen und (freibeweislichen ) Beweiserhebungen im Zusammenhang mit der Belehrung über das Recht auf konsularischen Beistand - etwa dazu, ob der Angeklagte in einem früheren Verfahren schon einmal über dieses Recht unterrichtet worden war - ist das Gericht nicht gehalten. Müsste es alledem stets von Amts wegen nachgehen, würde dies auch dem verfassungsrechtlichen Gebot der straffen Durchführung der Hauptverhandlung zuwiderlaufen (vgl. nur BGH NJW 2007, 2501, 2504 m.w.N.). Dagegen dient der befristet zu erhebende Widerspruch - bis zum durch § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt - der gebotenen Verfahrensförderung, ohne dem verteidigten Angeklagten unzumutbare Anforderungen aufzuerlegen (BGHSt 42, 15, 23).
18
c) Der Widerspruch des Angeklagten vom 9. Oktober 2006 bezog sich auf eine Reihe vermeintlicher - tatsächlich nicht vorliegender oder jedenfalls im Ergebnis unbeachtlicher - Verfahrensfehler, nicht jedoch auf eine Gesetzesverletzung im Zusammenhang mit dem Recht auf konsularischen Beistand. Insoweit war der - erst mit der Gegenvorstellung erhobene weitere - Widerspruch verspätet im Sinne von § 257 StPO.
19
Die verschiedenen Angriffsrichtungen des Widerspruchs vom 9. Oktober 2006 gehen aus dem Wortlaut des Verteidigerschriftsatzes eindeutig hervor. In diesen Punkten hat das Gericht den Widerspruch auch alsbald, am 11. Oktober 2006, verbeschieden. Dass es dem Angeklagten bei Erhebung dieses Widerspruchs nicht um den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK ging, ergibt sich gerade daraus, dass er diese Angriffsrichtung deutlich später, am 29. November 2006, eigens mit einer Gegenvorstellung "nachgeschoben" hat. Dies geschah erst, als die an der gegenständlichen Beschuldigtenvernehmung beteiligten Zeugen schon längst entlassen waren und die Verfahrensbeteiligten sich hierzu hatten erklären können (§ 257 Abs. 1 und 2 StPO). Eine frühere Geltendmachung des Verstoßes war dem Angeklagten auch zumutbar, zumal er bereits am Tag nach der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung über sein Recht auf konsularischen Beistand belehrt worden war.
20
d) Der Beschwerdeführer hat weder im Rahmen der Gegenvorstellung noch im Rahmen der Revision vorgetragen, dass er gehindert war, auch im Hinblick auf den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK rechtzeitig Widerspruch zu erheben. Unbeschadet dessen wäre eine späte Kenntnisnahme des Angeklagten oder des Verteidigers von der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch ohne Relevanz (in vergleichbarem Sinne BGH NStZ 2005, 582; StV 2005, 373).

III.

21
Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch das Mordmerkmal der Heimtücke hat das Landgericht zutreffend bejaht.
22
1. Heimtückisch im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Das Opfer muss gerade auf Grund seiner Arglosigkeit wehrlos sein, wobei für die Beurteilung die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs maßgebend ist (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2005, 688, 689; 2006, 502, 503; Urt. vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04; Urt. vom 2. Februar 2005 - 1 StR 473/04). An dieser Ursächlichkeit der Arglosigkeit für die Wehrlosigkeit fehlt es, wenn sich das Opfer vom Täter verteidigungsunfähig machen ließ, bevor dieser den Entschluss zu dem Angriff fasste (vgl. BGHSt 32, 382; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 211 Rdn. 24a; Schneider in MüKo-StGB § 211 Rdn. 139).
23
2. Gemessen an diesen Maßstäben ist die Bewertung durch das Landgericht frei von Rechtsfehlern.
24
Freilich wäre das Mordmerkmal der Heimtücke nicht verwirklicht, wenn sich nach Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs an der - so die Feststellungen des Landgerichts: undolos herbeigeführten - Lage von D. B. keine relevanten Änderungen mehr ergeben hätten. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte den Tötungsentschluss fasste, waren die Verteidigungsmöglichkeiten seiner Ehefrau zwar infolge der einvernehmlichen Sexualpraktiken eingeschränkt. Die Hände waren auf ihrem Rücken gefesselt; sie lag bäuchlings auf dem Teppichboden.
25
Gleichwohl war D. B. infolge Arglosigkeit wehrlos. Denn bei rechtzeitigem Erkennen des Tötungsentschlusses wäre sie in dieser Situation zu wirksamerer Gegenwehr imstande gewesen, um den Anschlag auf ihr Leben wenigstens deutlich zu erschweren. Der Angeklagte musste noch ihren Slip aufheben und zerreißen, weiterhin ein zweites Lautsprecherkabel abreißen und mit beidem ihre Fußgelenke und Unterschenkel fesseln, bevor sie endgültig widerstandsunfähig war. Es liegt auf der Hand, dass D. B. in dieser Zeit geeignete Verteidigungsmaßnahmen - Tritte gegen den Angeklagten oder Versuche , aufzustehen und wegzulaufen - hätte ergreifen können. Derartiger hypothetischer Erwägungen im Urteil bedarf es hier daher nicht. Da die Wehrlosigkeit von D. B. also mit der Fesselung der unteren Extremitäten noch weiter vertieft wurde, ist entscheidend, dass sie währenddessen von dem kurz zuvor gefassten Tötungsentschluss nichts ahnte, die ihr drohende Gefahr vielmehr erst während des anschließenden Wortwechsels erkannte.
26
In diesem Sinne hat das Landgericht als Ursache für die Wehrlosigkeit nicht nur angesehen, "dass D. B. die zunächst beiderseits rein sexuell motivierte Fesselung ihrer Handgelenke freiwillig … vornehmen" ließ, sondern vor allem auch, dass sie "die vor Anlegung der Fußfesseln eingetretene Änderung der Motivlage des Angeklagten zu spät bemerkt(e) …, um effektiv intervenieren zu können" (UA S. 20). Das Urteil stellt ausdrücklich heraus: "Das Anlegen der Fußfesseln stellte den ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriff des Angeklagten dar. D. B. war davon zu überrascht, um sich zu wehren" (UA S. 34).
27
Die - weiteren - Ausführungen der Revision, die Arglosigkeit von D. B. könnte schon Tage vor der Tat allgemein "entfallen" gewesen sein, weil der Angeklagte ihr gegenüber geäußert habe, er werde sie töten, wenn sie schlechten Umgang habe und den gemeinsamen Sohn "da hineinziehe", und weil sie den Angeklagten seinerzeit - nicht ausschließbar - beleidigt habe, liegen angesichts der Feststellungen zur Tat neben der Sache. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 334/16
vom
19. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:190117U4STR334.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Januar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 29. Februar 2016 werden verworfen; jedoch wird auf die Revision des Angeklagten der Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln sowie des Raubes schuldig ist. 2. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die Kosten seines Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltrei- bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung eines Gegenstandes, der nach seiner Art zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln“ so- wie wegen Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte rügt mit seinem unbeschränkten Rechtsmittel allgemein die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft erhebt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Einzelstrafe zu Fall II. 2 der Urteilsgründe sowie die Gesamtstrafe beschränkten Revision ebenfalls die Sachrüge. Sie beanstandet, das Landgericht habe im Fall II. 2 zu Unrecht einen minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln angenommen.
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1. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet und führt lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen Neufassung des Schuldspruchs (zur Entbehrlichkeit des Zusatzes „in nicht geringer Menge“ beim bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln siehe BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – 3 StR 632/14, NStZ-RR 2015, 144 [Ls]).
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2. Der wirksam beschränkten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ebenfalls der Erfolg versagt.
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a) Das Landgericht hat zu Fall II. 2 der Urteilsgründe im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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Am 21. September 2015 erwarb der Angeklagte, der bereits zuvor mit Amphetamin gehandelt hatte, zumindest 328,5 g dieses Betäubungsmittels mit einer Wirkstoffkonzentration von 9,2 %. 70 g waren für seinen Eigenkonsum, der Rest zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Das Amphetamin lagerte der Angeklagte im Kühlschrank in der Küche seiner Wohnung. In seinem offen mit der Küche verbundenen Wohnzimmer bewahrte er ein 104 cm langes Samurai-Schwert mit einer spitz zulaufenden, jedoch stumpfen Klinge auf, das zur Verletzung von Personen geeignet und von ihm hierzu auch bestimmt war. Bei einer polizeilichen Durchsuchung seiner Wohnung am 22. September 2015 befand sich das Schwert in einer Schwertscheide auf einem vor dem Wohnzimmersofa stehenden Tisch. In der Wohnung wurden weiterhin eine Feinwaage, ein Vakuumierer, dazugehöriges Verpackungsmaterial und handschriftliche Aufzeichnungen über den Handel mit verschiedenen Betäubungsmitteln sichergestellt.
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Das Landgericht hat diese Tat als minder schweren Fall eines bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 3 BtMG gewürdigt , unter Beachtung der Sperrwirkung der Mindeststrafe des zugleich verwirklichten § 29a Abs. 1 BtMG einen Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe angewandt und auf die Einsatzstrafe von vier Jahren und drei Monaten erkannt.
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b) Die Annahme eines minder schweren Falls des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 3 BtMG im Fall II. 2 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung stand.
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aa) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldaus- gleich zu sein. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Diese Maßstäbe gelten auch für die dem Tatgericht obliegende Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt. Bei der dabei gebotenen Gesamtwürdigung obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts, welches Gewicht es den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den Erschwerungsgründen beimisst; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (vgl. BGH, Urteile vom 29. August 2001 – 2 StR 276/01, StV 2002, 20; vom 14. Dezember 2016 – 2 StR 338/16).
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bb) Hieran gemessen hat die Annahme eines minder schweren Falls des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln Bestand. Weder fehlt es an der gebotenen Gesamtwürdigung der für die Wertung der Tat und des Täters wesentlichen Umstände, noch bestehen gegen die einzelnen vom Landgericht zugunsten des Angeklagten in seine Gesamtwürdigung eingestellten Gesichtspunkte durchgreifende rechtliche Bedenken. Die Beschwerdeführerin dringt mit ihren Einzelangriffen gegen die Strafrahmenwahl daher nicht durch.
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(1) Soweit das Landgericht neben dem umfassenden Geständnis des Angeklagten strafmildernd berücksichtigt hat, dass er bei der Durchsuchung seiner Wohnung durch die Polizei keinerlei Anstalten unternahm, sich der Waffe zu bedienen, ist hiergegen von Rechts wegen nichts zu erinnern. Zwar könnte auf das Fehlen des Strafschärfungsgrundes eines denkbaren Einsatzes der Waffe ein minder schwerer Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG nicht gestützt werden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 5 StR 536/14). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Denn nach dem Zusammenhang der Ausführungen hat die Strafkammer nicht maßgeblich auf den fehlenden Gebrauch der Waffe abgestellt , sondern vorrangig dem Angeklagten zugutegehalten, dass er sogleich bei Eintreffen der Polizei signalisierte, er werde keinen Widerstand leisten, und sich insoweit kooperativ verhielt (UA 35).
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(2) Es stellt hier ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar, dass das Landgericht bei der Strafrahmenwahl auch die lange Dauer der Untersuchungshaft zugunsten des Angeklagten angeführt hat. Zwar ist erlittene Untersuchungshaft bei einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. BGH, Urteile vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100, und vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, NStZ 2014, 31); eine strafmildernde Berücksichtigung kommt nur in Betracht, wenn mit ihrem Vollzug ungewöhnliche, über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden sind (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12; Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147). Diese Grundsätze hat das Landgericht indes nicht verkannt. Vielmehr hat es bei Fall II.1 der Urteilsgründe relativierend ausgeführt , dass erlittene Untersuchungshaft auf eine Haftstrafe angerechnet wird (UA 33). Insoweit hat es der – überdies lediglich ergänzend erwähnten – langen Dauer der Untersuchungshaft des Angeklagten erkennbar kein bestimmendes Gewicht beigemessen.
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(3) Soweit die Strafkammer bei ihrer Strafrahmenwahl nicht (erneut) erwähnt hat, dass der Angeklagte im Zeitpunkt der Tat unter Führungsaufsicht stand, schließt der Senat aus, dass ihr dieser Umstand aus dem Blick geraten ist. Denn das Urteil teilt an anderer Stelle mit, dass der Angeklagte noch bis zum 18. Dezember 2016 unter Führungsaufsicht stand (UA 14). Zudem hat das Landgericht im Zusammenhang mit der Erörterung der Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG ausdrücklich zulasten des Angeklagten die erst kurz zuvor erfolgte „Vollverbüßung“ der Jugendstrafevon zwei Jahren und vier Monaten gewertet, die von Gesetzes wegen (§ 68f Abs. 1 Satz 1 StGB) die Anordnung der Führungsaufsicht nach sich zieht.
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(4) Die von der Strafkammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigten tatbezogenen Umstände begegnen ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht hat in zulässiger Weise für den Angeklagten in Ansatz gebracht, dass das Schwert aufgrund seiner geringen Qualität – hierzu ist im Urteil festgestellt, dass dem Angeklagten durch den Verkäufer des Schwertes mitgeteilt worden war, die Waffe sei nicht geeignet, um damit auf feste Gegenstände zu schlagen –, seiner stumpfen Klinge und seiner Aufbewahrung in einer Schwertscheide nur ein eingeschränktes Gefährdungspotential besaß. Weiter hat das Landgericht in seine Abwägung miteinstellen dürfen, dass sich die Straftat auf ein Betäubungsmittel mit im Vergleich insbesondere zu Heroin und Kokain geringerem Suchtpotential bezog und die Drogenmenge innerhalb der erfahrungsgemäß vorkommenden Bandbreite der nicht geringen Menge im unteren Bereich lag (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2012 – 2 StR 235/12, NStZRR 2013, 150, 152; Beschluss vom 14. November 2003 – 2 StR 404/03, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Strafzumessung 1). Schließlich hat auch die Sicherstellung der Betäubungsmittel zu Recht zugunsten des Angeklagten Berücksichtigung gefunden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 2012 – 5 StR 252/12, NStZ 2013, 50, und vom 25. Februar 2016 – 3 StR 513/15).
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c) Gegen die konkrete Strafzumessung im Fall II. 2 der Urteilsgründe sowie den Gesamtstrafenausspruch ist gleichfalls von Rechts wegen nichts zu erinnern.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 6 3 2 / 1 4
vom
3. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 3. Februar 2015
gemäß § 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 StPO analog einstimmig beschlossen:
Die Revision desAngeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 17. September 2014 wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln in 30 Fällen schuldig ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln "in nicht geringer Menge" sowie wegen "gewerbsmäßigen" Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln in 30 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf nicht ausgeführte "formelle Bedenken" sowie materiellrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten führt zur teilweisen Neufassung des Schuldspruchs; in der Sache ist sie aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbe- gründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der ausdrücklichen Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
2
1. Die Verfahrensrüge ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
3
2. Der Schuldspruch hält der auf die Sachrüge veranlassten materiellrechtlichen Überprüfung stand. Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen, dass der Angeklagte sich in den Fällen II. 1. bis 30. der Urteilsgründe nach § 29 Abs. 1 BtMG und im Fall II. 31. der Urteilsgründe nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG strafbar gemacht hat. Der Schuldspruch ist allerdings in den Fällen II. 1. bis 30. der Urteilsgründe dahin neu zu fassen, dass der Zusatz "gewerbsmäßig" entfällt; denn das gewerbsmäßige Handeln als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG betrifft nur die Strafzumessung und ist deshalb gemäß § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht in die Urteilsformel aufzunehmen (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2005 - 3 StR 133/05, NStZ 2006, 172, 173). Im Fall II. 31. der Urteilsgründe bedarf es des Zusatzes "in nicht geringer Menge" nicht, da der Qualifikationstatbestand des bewaffneten Handeltreibens nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG stets voraussetzt, dass die Tat eine solche Menge betrifft.
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3. Gegen den Strafausspruch bestehen im Ergebnis ebenfalls keine sachlichrechtlichen Bedenken; insbesondere weist die Bestimmung des Strafrahmens von einem Jahr bis zu zehn Jahren im Fall II. 31. der Urteilsgründe keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
5
Die Strafkammer hat insoweit, nachdem sie unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes gemäß § 31 BtMG einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG angenommen hat, zutreffend die Sperrwirkung des § 29a BtMG geprüft. Sie hat ebenfalls ohne Rechtsfehler ausgeführt, dass die allge- meinen Strafzumessungsgesichtspunkte einen minder schweren Fall gemäß § 29a Abs. 2 BtMG nicht begründen. Allerdings hätte sie im Anschluss hieran den vertypten Milderungsgrund des § 31 BtMG in ihre diesbezügliche Bewertung einbeziehen müssen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 8. Juli 2014 - 3 StR 276/14, juris Rn. 4). Bereits mit Blick auf das vom Angeklagten verwirklichte Tatunrecht ist es indes auszuschließen, dass die Höhe der verhängten Einzelstrafe von drei Jahren auf diesem Rechtsfehler beruht.
6
Hinzu kommt, dass das Landgericht sich bei der Bestimmung der Untergrenze des Strafrahmens an § 29a Abs. 1 BtMG orientiert und die Obergrenze dem § 30a Abs. 3 BtMG entnommen hat. Dies entspricht zwar der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der Senat neigt allerdings weiterhin dazu, unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung in den Fällen eines minder schweren Falles des § 30a Abs. 3 BtMG, in denen nicht zugleich die Voraussetzungen eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG gegeben sind, auch die Höchststrafe dem § 29a Abs. 1 BtMG zu entnehmen (BGH, Beschluss vom 25. Juli 2013 - 3 StR 143/13, NStZ 2014, 164, 165 f. mwN). Dies bedarf im vorliegenden Fall allerdings keiner Entscheidung, da der Angeklagte durch Bestimmung des Strafrahmens, wie sie das Landgericht vorgenommen hat, nicht beschwert ist.
Becker Hubert Schäfer
RiBGH Mayer befindet sich Spaniol im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker