Bundesgerichtshof Urteil, 16. Okt. 2008 - 4 StR 369/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
- 2
- Am Samstag, dem 3. November 2007 verbrachten der Angeklagte, seine Ehefrau und Peter F. den Abend und die Nacht trinkend im Wohnzimmer. Am Sonntag, dem 4. November 2007, erwachte der Angeklagte in den Vormittagsstunden aus einem mehrstündigen Schlaf und sah, dass seine Ehefrau, nur mit einem vorne geöffneten Morgenmantel bekleidet, auf dem Schlafsofa lag. Auf ihr lag Peter F. mit teilweise heruntergelassener Hose. Der Angeklagte nahm an, dass seine Ehefrau mit Peter F. den Geschlechtsverkehr ausübte. Obwohl ihm intime Kontakte seiner Ehefrau mit Peter F. bereits bekannt waren, war er durch den "unverschämten Vertrauensbruch seines besten Freundes und seiner Ehefrau gekränkt und aufgebracht" und beschloss, Peter F. zu bestrafen. Er suchte einen Gegenstand, mit dem er Peter F.
- 3
- Der mit großer Wucht geführte Schlag verfehlte den Kopf Peter F. s knapp und traf den Kopf der Ehefrau des Angeklagten. Die Beilschneide zertrümmerte die Schädelkalotte im Bereich des linken Stirn- und Scheitelbeins und durchtrennte die harte und die weiche Hirnhaut. Die Schneide des Beils brach dabei ab und flog in einem hohen Bogen in Richtung des Wohnzimmerschranks. Peter F. sprang von der Schlafcouch und floh aus der Wohnung. Der Angeklagte, der glaubte, Peter F. am Hinterkopf getroffen zu haben, nicht aber seine Ehefrau, schlug in seiner Wut mit dem Beilstiel auf seine Ehefrau ein. Die Schwere der von dem Beilhieb herrührenden Kopfwunde wurde sowohl vom Angeklagten als auch von seiner Ehefrau verkannt, obwohl die Wunde heftig zu bluten begann. Der Angeklagte glaubte, seine Frau nur leicht mit dem Stiel des Beils verletzt zu haben. Sie erlag der schweren Kopfverletzung in den frühen Morgenstunden des 5. November 2007.
II.
- 4
- Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
III.
- 5
- Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.
- 6
- 1. Der Schuldspruch ist auch unter Berücksichtigung der von der Revision und vom Generalbundesanwalt dagegen erhobenen Einwendungen rechtlich nicht zu beanstanden.
- 7
- Der Verurteilung des Angeklagten steht nicht entgegen, dass er mit dem Beilhieb Peter F. , nicht aber seine Ehefrau töten wollte. Wirkt sich die Tat, wie hier, ohne Verwechslung des Angriffsobjekts an einem anderen Menschen aus (aberratio ictus, Fehlgehen des Angriffs), kann dem Täter, soweit die Wirkung des Angriffs auf das nicht in Aussicht genommene Opfer in Frage steht, der Vorwurf der vorsätzlichen Tatbestandserfüllung allerdings nur dann gemacht werden, wenn er weiß, dass ein solcher Erfolg eintreten kann, und er diese Möglichkeit billigend in Kauf nimmt (h.M.; BGHSt 34, 53, 55 ). Das ist hier nach den Feststellungen der Fall. Die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung weist, auch soweit sie die innere Tatseite und die Schuldfähigkeit des Angeklagten betrifft, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
- 8
- a) Die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte mit der Möglichkeit gerechnet hat, mit dem gegen den Kopf Peter F. s geführten wuchtigen Hieb mit dem Beil auch seine Ehefrau tödlich zu verletzen, ist durch die festgestellten Tatumstände hinreichend belegt. Danach war der wuchtige Hieb mit der Schneide des Beils eine äußerst gefährliche Gewalthandlung, die zu tödlichen Verletzungen führen und sich nicht nur, wie vom Angeklagten gewollt, auf Peter F. , sondern auch auf die unter diesem liegende Ehefrau des Angeklagten auswirken konnte. Der Angeklagte wusste, dass der Kopf seiner Ehefrau sich „direkt“ neben dem Peter F. s bzw. darunter befand, und hatte zudem bemerkt, dass sich seine Ehefrau und Peter F. bewegten. Dass ein Angriff mit dem Beil unter diesen Umständen fehlgehen und sich auf die Person auswirken kann, die nicht (primäres) Ziel des Angriffs ist, liegt auf der Hand, zumal ein wuchtiger Schlag mit einem schweren Gegenstand im Einzelnen nicht mehr kontrollierbar ist (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51).
- 9
- Zwar kann es je nach den Umständen des Einzelfalles auch bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen fraglich sein, ob der Täter das erforderliche Wissen um die mögliche Todesgefahr hat (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz , bedingter 26, 37). Das Landgericht hat sich aber mit nachvollziehbarer Begründung die Überzeugung verschafft, dass der Angeklagte trotz seines Zustands die Gefährlichkeit seines Tuns auch in Bezug auf seine Ehefrau erkannt hat.
- 10
- b) Schließlich ist die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte die Möglichkeit, seine Ehefrau tödlich zu verletzen, billigend in Kauf genommen hat, rechtsfehlerfrei belegt.
- 11
- Auch für das Willenselement stellt die Lebensbedrohlichkeit gefährlicher Gewalthandlungen ein gewichtiges Beweisanzeichen dar, jedoch ist angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sorgfältig zu prüfen, ob der Täter, der sein gefährliches Handeln durchführt, obwohl er mit der Möglichkeit tödlicher Verletzungen rechnet, den Tod des Opfers billigend in Kauf nimmt (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3, 5, 33, 35 und 38 jeweils m.w.N.). In diese Prüfung sind vor allem die konkrete Angriffsweise, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation mit einzubeziehen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 39). Dies hat das Landgericht aber auch bei seinen Erwägungen, mit denen es das Willenselement des bedingten Vorsatzes bejaht hat, beachtet. Insbesondere hat es dabei entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts das Nachtatverhalten des Angeklagten nicht außer acht gelassen. Daraus, dass der Angeklagte nach dem Abspringen der Beilklinge sein aggressives Verhalten nunmehr durch Schläge mit dem Beilstiel gegen seine Ehefrau richtete, durfte das Landgericht den Schluss ziehen, dass der Angeklagte schon beim ersten Beilhieb (zumindest) mit bedingtem Tötungsvorsatz auch in Bezug auf seine Ehefrau handelte.
- 12
- Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte, dass der Angeklagte trotz der erkannten Lebensgefährlichkeit des Schlages mit dem Beil auch für seine Ehefrau ernsthaft und nicht nur vage (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51) darauf vertraut haben könne, es würde seine Ehefrau nicht zu Tode kommen , sind nicht festgestellt und liegen bei dem Tatgeschehen auch fern.
- 13
- 2. Auch die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens und die Bemessung der Strafe halten rechtlicher Prüfung stand.
- 14
- Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 3, 179; 24, 268). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGH StV 2002, 20; BGH, Urt. vom 20. April 2004 - 5 StR 87/04). Das ist hier nicht der Fall.
- 15
- a) Das Landgericht hat einen minder schweren Fall im Sinne der zweiten Alternative des § 213 StGB nur unter Heranziehung auch des vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB bejaht. Es hat deshalb unter Hinweis auf § 50 StGB von einer Milderung des Strafrahmens des § 213 StGB gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgesehen (vgl. BGHR StGB § 50 Mehrfachmilderung 1; BGH StV 1992, 371).
- 16
- Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht ohne Rechtsfehler die vorliegenden unbenannten Strafmilderungsgründe für sich genommen als nicht ausreichend erachtet, einen minder schweren Fall zu bejahen. Eines Eingehens auf das Verhalten des Tatopfers nach der Tat bedurfte es dabei nicht. Dass die Ehefrau des Angeklagten keine ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat, sondern weiter Alkohohl getrunken hat, vermag die Schuld des Angeklagten nicht zu mindern. Nach den Feststellungen hat sie, ebenso wie der Angeklagte, die Schwere ihrer Verletzung verkannt. Die Revision lässt zudem außer acht, dass die Zeugin S. am Abend des Tattages dem Angeklagten anbot, einen Krankenwagen zu rufen, was dieser ablehnte. Die strafschärfende Erwägung, dass sich die Tatbegehung „sehr dicht an der Grenze des Mordmerkmals der Heimtücke“ bewege, begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Zwar hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten die subjektive Tatseite dieses Mordmerkmals verneint. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Art des Angriffs gänzlich als Belastungsfaktor ausscheiden muss (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 294). Wie sich den Urteilsausführungen entnehmen lässt, war sich die Kammer bewusst, dass dieser Tatumstand dem Angeklagten nur eingeschränkt anzulasten ist.
- 17
- b) Die Bemessung der Strafhöhe lässt auch im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Insbesondere war es dem Landgericht hier nicht verwehrt, auf die Umstände, die schon zur Bestimmung des Strafrahmens gedient haben, Bezug zu nehmen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 21). Die erkannte Strafe löst sich entgegen der Auffassung der Revision nicht nach oben von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein. Sie liegt vielmehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsrahmens und ist daher vom Revisionsgericht hinzunehmen.
Ernemann Mutzbauer
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden.
War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.