Bundesgerichtshof Urteil, 20. Apr. 2004 - 5 StR 87/04

bei uns veröffentlicht am20.04.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 87/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 20. April 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. April 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S
als Verteidiger des Angeklagten Y ,
Rechtsanwalt F
als Verteidiger des Angeklagten K ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. August 2003 werden verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten Y wegen räuberischer Erpressung (Einzelstrafe: ein Jahr und sechs Monate) und wegen schwerer räuberischer Erpressung (Einzelstrafe: drei Jahre und drei Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten K wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit ihren wirksam auf den jeweiligen Strafausspruch beschränkten Revisionen wendet sich die Staatsanwaltschaft allein gegen die Strafzumessung für die von den Angeklagten gemeinsam begangene schwere räuberische Erpressung (Fall II 2 der Urteilsgründe) und beanstandet insbesondere die Annahme eines minder schweren Falles. Die Rechtsmittel, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten werden, haben keinen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betraten die jeweils mit einem Schal maskierten Angeklagten am Morgen des 22. Januar 2003 eine Filiale der Firma Sc und zwangen die Kassiererin unter Vorhalt eines großen Küchenmessers und eines Klappmessers, sie in das Büro zu dem dort befindlichen Tresor zu führen. In dem Büro hielten sich – für die Angeklagten unerwartet – fünf weitere Mitarbeiter der Firma Sc auf. Wiederum unter Vorhalt der Messer zwangen die Angeklagten die Anwesenden, sich auf den Boden zu legen, während einer der Angestellten den Tresor öff- !" nen mußte. Er entnahm 3.080,- durchwühlten alsdann die Taschen ihrer Opfer, nahmen noch zwei Mobiltelefone an sich und verließen das Geschäft. Die Kassiererin hatte während des Überfalls eine leichte, zwei Zentimeter lange Schnittwunde am Arm erlitten , die nach den Urteilsausführungen unabsichtlich zugefügt worden sein kann. Nach dem Vorfall war sie mehrere Wochen arbeitsunfähig und befand sich einige Monate in psychologischer Behandlung. Beide Angeklagte standen bei Begehung der Tat unter dem Einfluß von Rauschmitteln, was ihre Schuldfähigkeit jedoch nicht erheblich einschränkte.
Die Strafkammer ist bei beiden Angeklagten von einem minder schweren Fall der (besonders) schweren räuberischen Erpressung im Sinne von § 250 Abs. 3 StGB ausgegangen. In diesem Zusammenhang hat sie auf das jugendliche Alter der Angeklagten, auf ihr von Reue getragenes Geständnis, ihre Entschuldigung bei den Geschädigten, ihren Verzicht auf Rückgabe der bei der Tat verwendeten Gegenstände und insbesondere auch darauf abgestellt , daß der Angeklagte Y erstmalig zu einer freiheitsentziehenden Rechtsfolge und der Angeklagte K erstmalig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sind. Bei dem Angeklagten K ist als straferschwerender Gesichtspunkt benannt worden, daß er die Tat während einer laufenden Bewährungsfrist aus einem Jugendstrafverfahren begangen hat.
Innerhalb des so gefundenen Strafrahmens sind die bei der Kassiererin infolge der Tat eingetretenen physischen und psychischen Beeinträchtigungen , die erzielte hohe Beute und bei dem Angeklagten K die strafrechtlichen Vorbelastungen strafschärfend berücksichtigt worden. Zu Gunsten des Angeklagten Y hat die Strafkammer die erlittene sechswö- chige Untersuchungshaft, die begonnene Schadenswiedergutmachung und den Umstand gewertet, daß er noch nicht erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Bei dem Angeklagten K hat sich strafmildernd ausgewirkt, daß er infolge der neuerlichen Tatbegehung mit dem Widerruf eines nicht unerheblichen Strafrestes einer Jugendstrafe zu rechnen hat. Schließlich hat die Strafkammer bei Festsetzung der Strafen zu Gunsten beider Angeklagten die drohenden ausländerrechtlichen Maßnahmen bedacht.
2. Die Strafzumessung des Landgerichts ist rechtsfehlerfrei. Insbesondere hält die Anwendung des nach § 250 Abs. 3 StGB für minder schwere Fälle vorgesehenen Strafrahmens rechtlicher Nachprüfung stand.
Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimißt, ist im wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR StGB § 177 Abs. 5 Strafrahmenwahl 2 m.w.N.). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGH StV 2002, 20; BGH, Urt. vom 26. Juni 2001 – 5 StR 151/01). Das ist hier nicht der Fall.
Allerdings hat das Landgericht bei der Wahl des Strafrahmens in erster Linie auf die strafmildernden Umstände abgestellt und die früheren strafrechtlichen Verfehlungen des Angeklagten Y und die Jugendstrafen des Angeklagten K im einzelnen nicht erörtert. Angesichts der ausführlichen Darstellung der früheren Straftaten bei den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten und deren Würdigung innerhalb der konkreten Strafzumessung ist jedoch nicht zu besorgen, der Tatrichter könnte das Gewicht der Vortaten bei der Strafrahmenwahl nicht bedacht haben (vgl. BGHSt 34, 355, 359; BGH StV 1995, 24). Daß die Strafkammer das maskierte Vorgehen der Angeklagten in diesem Fall nicht ausdrücklich berücksichtigt hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn der Tatrichter ist nicht gehalten, sämtliche Strafzumessungsgesichtspunkte im Einzelnen auszuführen (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 2; BGH StV 1996, 662). Auch spricht der genannte Umstand im Rahmen der erforderlichen und vom Landgericht vorgenommenen Gesamtbewertung nicht ohne weiteres gegen die Annahme eines minder schweren Falles.
Soweit die Beschwerdeführerin weiter geltend macht, die Strafkammer habe bei der Wahl des Strafrahmens den Milderungsgründen ein zu großes Gewicht beigemessen, erschöpfen sich ihre Ausführungen letztlich in dem im Revisionsverfahren unbeachtlichen Versuch, die Wertung des Tatrichters durch eine eigene zu ersetzen und die festgestellten für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände anders zu gewichten.
Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, daß die Strafkammer die nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte bezeichnet und rechtsfehlerfrei gegeneinander abge- wogen hat. Die so gefundenen sehr maßvollen Strafen lösen sich noch nicht von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein.
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal

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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

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(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

5 StR 151/01

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 26. Juni 2001
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juni
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B
als Verteidiger,
Rechtsanwalt V
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 21. November 2000 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Annahme eines minder schweren Falles (§ 177 Abs. 5 StGB) und erstrebt die Verurteilung des Angeklagten zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Strafe. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens und die Strafzumessung halten rechtlicher Prüfung stand.
1. Daß die Strafkammer einen minder schweren Fall der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 5 StGB angenommen hat, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.
Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorhandenen Fälle so sehr abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten scheint (BGHR StGB § 177 Abs. 2 – Strafrahmenwahl 1, 5, 6, 8, 10). Dabei obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, welches Gewicht er den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den Erschwerungsgründen beimißt. Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen , ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Das ist hier nicht der Fall.
Die Strafkammer hat die für ihre Wertung bestimmenden Umstände dargelegt und gegeneinander abgewogen. Dabei hat sie das erhebliche Gewicht der Straferschwerungsgründe – die Brutalität der Tatausführung, den Einsatz mehrerer Tatwerkzeuge und die Todesangst der Nebenklägerin – nicht verkannt. Diesen strafschärfenden Zumessungstatsachen hat das Landgericht jedoch eine Vielzahl von Milderungsgründen gegenübergestellt, die nach seiner Auffassung die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigen. Ausschlaggebend waren die Unbestraftheit des 72jährigen Angeklagten, die geringe Intensität der sexuellen Handlungen, die Tatsache, daß er durch sein unmittelbar nach der Tat gegenüber seiner Lebensgefährtin abgegebenes “Geständnis” Hilfsmöglichkeiten für das Opfer habe eröffnen wollen, sowie der Umstand, daß er sich bei Eintreffen der Polizeibeamten sofort zu der Tat bekannt und dieses Schuldgeständnis bei den weiteren Vernehmungen und im Haftprüfungstermin wiederholt habe. Als weitere auch für die Höhe der Freiheitsstrafe bestimmende Milderungsgründe führt die Strafkammer an, daß die Nebenklägerin keine schwerwiegenden Verletzungen erlitten habe, daß der Angeklagte an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung leide, und schließlich, daß er bei Verlassen des Schuppens das frierende Opfer zugedeckt habe. Angesichts dieser Strafmilderungsgründe ist die vom Landgericht vorgenommene Gewichtung gerade noch vertretbar und daher im Ergebnis vom Revisionsgericht hinzunehmen (zum Zusammentreffen mehrerer Milderungsgründe bei der Strafrahmenwahl vgl. BGHR StGB § 178 Abs. 2 – Strafrahmenwahl 2).
Ein Rechtsfehler liegt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht in der vom Landgericht vorgenommenen Bewertung des Einlassungsverhaltens des Angeklagten. Der Revision ist zwar zuzugeben, daß die ursprünglich umfassend geständigen Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren durch seine Einlassung in der Hauptverhandlung relativiert wurden. Das Landgericht hat jedoch bei der positiven Berücksichtigung des Einlassungsverhaltens des Angeklagten in erster Linie darauf abgestellt, daß er sich zu einem sehr frühen Zeitpunkt offenbart hat, um eine Befreiung der Nebenklägerin aus ihrer vermeintlich noch anhaltenden Notlage zu ermöglichen. Insgesamt war das Prozeßverhalten des Angeklagten vor dem Hintergrund seiner geständigen Angaben im Ermittlungsverfahren und seiner schwierigen Persönlichkeitsstruktur nicht überzubewerten.
2. Schließlich ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat. Angesichts der festgestellten Strafzumessungstatsachen durfte das Landgericht bei einer Gesamtbetrachtung ohne Wertungsfehler zu dem Ergebnis kommen, daß hierin besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB zu sehen sind. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Unbestraftheit des Angeklagten, seine altersbedingte erhöhte Haftempfindlichkeit, die sechsmonatige Untersuchungshaft und die besonders günstige Prognose (vgl. BGH StV 1990, 496; BGHR StGB § 56 Abs. 1 – Sozialprognose 5). 3. Durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten (§ 301 StPO) enthält das angefochtene Urteil nicht. Daß die Strafkammer die Frage uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten anhand des Tatbildes nicht weiter hinterfragt hat, kann sich angesichts der außerordentlich milden Sanktionierung nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Brause

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.