Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR300/18
vom
21. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:210818B2STR300.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. August 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 (analog) StPO einstimmig beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 30. Januar 2018 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord und in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt wird. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zur Verhängung einer Freiheitsstrafe von elf Jahren; im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Am 1. März 2017 gegen 16 Uhr suchte die Zeugin E. den Angeklagten an seiner Wohnung im Erdgeschoss eines Mehrparteienhauses auf, um mit ihm über Forderungen des Vermieters auf Nachzahlung von Mietnebenkosten zu sprechen. Die Eheleute J. und T. F. , die von einem Einkauf zurückkehrten , traten hinzu. Dies missfiel dem Angeklagten, zumal er die Eheleute F. für die Nachforderung des Vermieters verantwortlich machte. Er erklärte : „Nur damit ihr einen warmen Arsch habt, muss ich dafür zahlen.“ T. F. fühlte sich dadurch beleidigt und begann eine Rangelei, worauf der Angeklagte zu Boden ging. T. F. versetzte ihm dort mehrere Faustschläge gegen den Kopf, wodurch der Angeklagte zwei Vorderzähne verlor. T. und J. F. gingen dann zur Treppe, um in ihre Wohnung im ersten Obergeschoss zu gehen, während der Angeklagte zunächst reglos liegen blieb. Die Eheleute F. rechneten deshalb nicht mit einem Angriff. Der Angeklagte beschloss aber, T. F. zu töten, um sich an ihm zu rächen. Er holte von den Eheleuten F. unbemerkt eine Pistole im Kaliber 6,35 mm aus seiner Wohnung. Damit gab er vor seiner Wohnungstür einen Schuss auf T. F. ab, der sich gerade auf einer der letzten Treppenstufen vor seiner Wohnung befand und keine Ausweich- oder Abwehrmöglichkeit hatte. T. F. - wurde in die Brust getroffen, setzte aber seinen Weg fort, weshalb der Angeklagte einen zweiten Pistolenschuss auf ihn abgab. Die Kugel traf eine Metallstrebe zwischen Treppenpodest und Treppengeländer, wurde dadurch abgelenkt und streifte J. F. an der Hüfte. Die Geschädigten begaben sich in ihre Wohnung, wo T. F.
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schrie, dass er getroffen sei und keine Luft mehr bekomme. J. F. half ihm dabei, Rucksack und Jacke abzulegen. Dann wählte sie den Notruf der Feuerwehr. Sie rechnete in dieser Situation nicht mit einem weiteren Angriff durch den Angeklagten in ihrer Wohnung; sie hatte aber vergessen, deren Tür zu schließen. Der Angeklagte holte inzwischen aus seiner Wohnung eine mit zwei Patronen geladene Schrotflinte, da er eine Waffe mit größerer Durchschlagskraft gegen T. F. einsetzen wollte. Er drang durch die offene Tür in die Wohnung der Eheleute F. ein, stand sodann vor dem Wohnzimmer und sah durch einen Türspalt hindurch T. F. am Boden liegen, während J.
F. neben ihm kniete und mit dem Rettungsdienst telefonierte. Aus dieser Position heraus gab er, für die Geschädigten überraschend, einen Schuss aus der Schrotflinte ab, um T. F. zu töten. Dabei hielt er es auch für möglich, dass J. F. tödlich getroffen werden könnte, was er billigend in Kauf nahm. Der Schuss ging fehl; die Schrotkugeln trafen zwischen den Eheleuten auf den Boden auf. J. F. lief daraufhin zur Wohnzimmertür und stemmte sich mit dem Rücken dagegen. Außerdem stellte sie einen Fuß davor und hielt sich mit einer Hand an der Lehne eines Sofas fest. Der Angeklagte versuchte vergeblich, die Wohnzimmertür aufzustoßen und gab schließlich durch die Glasscheibe einen weiteren Schrotschuss ab, um T. F. zu töten, wobei er wiederum tödliche Folgen für J. F. für möglich hielt und in Kauf nahm. Diese wurde von Schrotkugeln am rechten Oberarm, am rechten Ellbogen und am Bauch getroffen. Da der Angeklagte keine weiteren Schrotpatronen mitführte und die Pistole in seiner Wohnung gelassen hatte, sah er keine Möglichkeit zur Fortsetzung der Tatausführung und zog sich zurück. T. F. starb kurz darauf durch Verbluten. 2. Das Landgericht, das dem Angeklagten eine erhebliche Verminderung
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seiner Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit zugebilligt hat, hat alle Schüsse als einheitliche Tat zum Nachteil von T. F. angesehen und sie als heimtückisch begangenen Mord bewertet. Die Verletzung von J. F. durch den fehlgegangenen zweiten Pistolenschuss hat es als rechtlich selbständige fahrlässige Körperverletzung, die beiden Schrotschüsse als tatmehrheitlich gegenüber den vorgenannten Handlungen mit bedingtem Tötungsvorsatz begangenen Mordversuch in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil von J. F. beurteilt.

II.

6
1. Die Revision führt zu einer Änderung des Schuldspruchs.
7
a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt nicht Tatmehrheit der Handlungen zum Nachteil von T. F. und J. F. vor, sondern Tateinheit.
8
aa) Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass alle Schüsse des Angeklagten in der Absicht, T. F. zu töten, eine Tat im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB zu dessen Nachteil darstellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine natürliche
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Handlungseinheit vor, wenn mehrere im wesentlichen gleichartige Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs so miteinander verbunden sind, dass sich das gesamte Tätigwerden auch für einen Dritten als einheitliches Geschehen darstellt. Dabei begründet auch der Wechsel eines Angriffsmittels jedenfalls nicht ohne weiteres die Annahme von Handlungsmehrheit (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2017 – 3 StR 501/16, NStZ 2017, 459, 460). Nach diesem Maßstab liegt bei den vier Schüssen des Angeklagten, dieer
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jeweils abgegeben hat, um T. F. zu töten, eine Tat im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB vor. Den Teilakten lag eine einheitliche Tötungsabsicht zugrunde und sie sind in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang erfolgt. An der natürlichen Handlungseinheit ändert es nichts, dass der Angeklagte nach den beiden ersten Schüssen mit der kleinkalibrigen Pistole noch die Schrotflinte aus seiner Wohnung holte und in der Wohnung der Eheleute F. einsetzte. Ein Vorsatzwechsel erfolgte dadurch nicht, die zeitliche Unterbrechung des Handlungsablaufs war unwesentlich und die Verlagerung des Tatgeschehens vom Flur über das Treppenhaus in die Wohnung der Eheleute F. stellte keine derart wesentliche Änderung des Tatorts dar, dass die Annahme von Handlungsmehrheit geboten wäre.
11
bb) Der zweite bis vierte Schuss in der Absicht, T. F. zu töten, waren zugleich Handlungen zum Nachteil von J. F. . Der Angeklagte verletzte J. F. mit dem zweiten Schuss fahrlässig (§ 229 StGB), er handelte mit dem dritten und vierten Schuss mit bedingtem Tötungsvorsatz (§§ 211, 22 StGB) und mit dem letzten Schuss zugleich vorsätzlich im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB. Das Zusammentreffen der auch J. F. betreffenden Teilakte beim zweiten bis vierten Schuss des Angeklagten mit der insgesamt als natürliche Handlungseinheit zu bewertenden Tat zum Nachteil von T. F. durch einheitliche Körperbewegungen führt dazu, dass auch insoweit Tateinheit vorliegt. Den Begriff „dieselbe Handlung“ in § 52 Abs. 1 StGB definiert das Gesetz
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nicht ausdrücklich. Er knüpft an den Vollzug eines Verhaltens im natürlichen Sinne und damit letztlich an eine Körperbewegung an (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17). Wird durch eine Körperbewegung ein Mensch mit direktem Vorsatz angegriffen, durch dieselbe Bewegung aber auch ein anderer fahrlässig verletzt oder mit bedingtem Vorsatz angegriffen, liegt demnach eine Tat im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB vor. Allein die Tatsache, dass verschiedene Personen betroffen waren, rechtfer13 tigt danach nicht die Annahme von Tatmehrheit. Nur wenn mehrere Personen nacheinander durch unterscheidbare Handlungen angegriffen werden, geht der Bundesgerichtshof mit Blick auf die Verschiedenheit der betroffenen Rechtsgutsträger im Allgemeinen von Tatmehrheit aus (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 – 4 StR 683/93, StV 1994, 537 f.; Urteil vom 11. Oktober 2005 – 1 StR 195/05, NStZ 2006, 284, 285 f.). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die konkurrenzrechtliche Zusammenfassung der Einzelakte zu einer tatein14 heitlich begangenen Tat ändert nichts an der Bewertung der Erfüllung verschiedener Straftatbestände. Soweit der Angeklagte mit den weiteren Schüssen Tötungsversuche zum Nachteil von T. F. beging, gehen diese zwar für sich genommen rechtlich in dem schon durch den ersten Schuss verursachtenvollendeten Mord auf; dies ändert aber nichts am tateinheitlichen Zusammentreffen mit Handlungen , die auch zum Nachteil von J. F. begangen wurden. Die Teilakte , die sich gegen diese richteten, sind vom Landgericht rechtsfehlerfrei als fahrlässig (zweiter Schuss) beziehungsweise vorsätzlich begangene Taten (dritter und vierter Schuss) bewertet worden (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2008 – 4 StR 369/08, NStZ 2009, 210, 211).
b) Der Senat ändert den Schuldspruch dahin ab, dass alle Teilakte des Mor15 des zum Nachteil von T. F. , des Mordversuchs, der gefährlichen und der fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil von J. F. tateinheitlich erfüllt sind. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen verteidigen könnte. 2. Die Konkurrenzkorrektur führt dazu, dass die Einzelstrafen und die Ge16 samtstrafe entfallen. Jedoch kann der Senat die Strafe in Höhe der vom Landgericht gebildeten Gesamtstrafe entsprechend § 354 Abs. 1 StPO festsetzen. Danach bleibt die Gesamtstrafe im Ergebnis als Einzelstrafe bestehen. Die bloße Korrektur des Konkurrenzverhältnisses hat keine Verringerung des Tatunrechts und des Schuldgehalts in seiner Gesamtheit zur Folge (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 2017 – 4StR 566/16, NStZ-RR 2017, 306, 307 f. und vom 27. März 2018 – 4 StR 75/17 mwN). Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei Annahme von Tateinheit auf eine mildere Strafe erkannt hätte.
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3. Die Revision ist im Übrigen unbegründet. Es ist danach nicht unbillig, dem Beschwerdeführer die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen (§ 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 StPO).
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

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(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

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(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

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(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 22 Begriffsbestimmung


Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Strafgesetzbuch - StGB | § 229 Fahrlässige Körperverletzung


Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 501/16
vom
7. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:070317B3STR501.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. März 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 28. Juni 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der allgemeinen Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach den Urteilsfeststellungen legte sich der alkoholabhängige Angeklagte nach dem Genuss größerer Mengen Bier und der Einnahme von Medikamenten gegen 15:00 Uhr in der Wohnung des Nebenklägers schlafen. Gegen 0:20 Uhr wachte er von der Lautstärke des Fernsehers auf, dessen Programm der schwerhörige Nebenkläger verfolgte. Stark erregt herrschte der Angeklagte den erheblich alkoholisierten Nebenkläger wegen der Störung an. Dieser schrie seinerseits den Angeklagten an; dabei traf er ihn ungewollt mit einem Speicheltropfen ins Gesicht. Erzürnt schlug der Angeklagte daraufhin zunächst mit der Faust gegen Brust oder Schulter des Nebenklägers, der dadurch zu Boden fiel. Nach weiteren Faustschlägen gegen den Kopf des Nebenklägers ergriff der Angeklagte eine zwei bis drei Kilogramm schwere Personenwaage und schlug damit mehrfach mit großer Wucht auf den Kopf des Nebenklägers, wobei er dessen Tod für möglich hielt und billigte. Sodann ergriff der Angeklagte einen etwa 250 Gramm schweren kleinen Hammer, mit dem er kraftvoll auf den Kopf des Nebenklägers schlug. Nachdem sich bereits nach dem ersten Schlag der Hammerkopf vom Stiel löste, nahm der Angeklagte ein Brotmesser mit einer Klingenlänge von 17,5 cm, mit dem er in der Absicht, den Nebenkläger zu töten, diesem einen etwa 20 cm langen Schnitt am Hals vom rechten Ohr bis in die Mitte der linken Halsseite beibrachte. Obwohl er versuchte, den Schnitt tief in den Hals zu führen, drang die Messerklinge aufgrund der gebeugten Kopfhaltung des Nebenklägers nur schräg in die Haut ein, wo sie zwar eine stark blutende klaffende Wunde verursachte, aber keine größeren Gefäße verletzte. Trotz der Verletzungen bestand für den Nebenkläger keine konkrete Lebensgefahr.
3
Obwohl dem Angeklagten die Fortführung der Verletzungshandlungen weiterhin möglich war, ließ er von dem Nebenkläger ab. Zu diesem Zeitpunkt hielt er es für möglich, dass der Nebenkläger an den beigebrachten Verletzungen sterben könne. Er begab sich in die Küche und rauchte eine Zigarette. Der Nebenkläger gab währenddessen röchelnde Geräusche von sich und rief um Hilfe. Daraufhin setzte sich der Angeklagte, der seinen Vorsatz, den Nebenkläger zu töten, aufgegeben hatte, neben den Nebenkläger und drückte ihm mindestens zwei Mal ein Kissen auf das Gesicht, um die störenden Laute des Nebenklägers zu unterbinden. Dabei achtete er darauf, dass er das Kissen jeweils zurückzog, wenn er merkte, dass sich der Nebenkläger infolge der Atemnot versteifte, um ihn wieder frei atmen zu lassen. Bis zum Erscheinen der Polizei gegen 1:10 Uhr vernahmen Nachbarn weiterhin gelegentlich Hilferufe des Nebenklägers.
4
Das Landgericht hat dies als versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 212, 22, 23, §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5, § 52 StGB) in Tatmehrheit (§ 53 StGB) mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) gewertet. Einen strafbefreienden Rücktritt nach § 24 Abs. 1 StGB hat es mit der Erwägung verneint, dass ein beendeter Versuch vorgelegen und der Angeklagte sich nicht ernsthaft bemüht habe, die Vollendung der Tat zu verhindern.
5
2. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
6
a) Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht die zur "Korrektur des Rücktrittshorizonts" entwickelten Grundsätze (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f. jeweils mwN) nicht beachtet, obwohl die Feststellungen zum unmittelbaren Nachtatgeschehen zur Prüfung dieser Frage drängten.
7
Ein unbeendeter Versuch kommt auch dann in Betracht, wenn der Täter nach seiner letzten Tathandlung den Eintritt des Taterfolgs zwar für möglich hält, unmittelbar darauf aber zu der Annahme gelangt, sein bisheriges Tun könne diesen doch nicht herbeiführen, und er nunmehr von weiteren fortbestehenden Handlungsmöglichkeiten zur Verwirklichung des Taterfolges absieht (st. Rspr.; vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f.; Urteil vom 19. Juli 1989 - 2 StR 270/89, BGHSt 36, 224, 225 f.; Beschlüsse vom 7. November 2001 - 2 StR 428/01, NStZ-RR 2002, 73 f. und vom 8. Juli 2008 - 3 StR 220/08, NStZ-RR 2008, 335 f.). Die Frage, ob nach diesen Rechtsgrundsätzen von einem beendeten oder unbeendeten Versuch auszugehen ist, bedarf bei versuchten Tötungsdelikten insbesondere dann eingehender Erörterung, wenn das angegriffene Tatopfer nach der letzten Ausführungshandlung noch zu vom Täter wahrgenommenen körperlichen Reaktionen fähig ist, die geeignet sind, Zweifel daran aufkommen zu lassen, das Opfer sei bereits tödlich verletzt (BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschlüsse vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f.; vom 12. Januar 2017 - 1 StR 604/16, juris Rn. 9 f., jeweils mwN). Ein solcher Umstand kann geeignet sein, die Vorstellung des Täters zu erschüttern , alles zur Erreichung des gewollten Erfolgs getan zu haben. Dabei ist die Feststellung der tatsächlichen Vorstellungen des Täters entscheidend; nicht ausreichend sind Feststellungen, die sich auf einen Fahrlässigkeitsvorwurf beschränken , etwa die Wertung, der Täter habe den Erfolg für möglich halten müssen (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2007 - 3 StR 179/07, NStZ 2007, 634 f.).
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Nach diesen Maßstäben leidet das Urteil an einem durchgreifenden Erörterungsmangel. Denn die getroffenen Feststellungen verhalten sich nicht zu einer möglichen Korrektur des Vorstellungsbildes des Angeklagten während des Verlegens der Atemwege und im weiteren Verlauf bis zum Erscheinen der Polizei. Zur eingehenden Erörterung hätte indes Anlass bestanden, weil - anders als zunächst vom Angeklagten angenommen - der Nebenkläger nicht alsbald an den mit Tötungsvorsatz beigebrachten Verletzungen verstarb, sondern noch zu Hilferufen in der Lage war und sich sein - tatsächlich nicht konkret lebensbedrohlicher - Zustand eine geraume Zeitspanne, in der der Angeklagte die Lebenszeichen vernehmen konnte, nicht wesentlich verschlechterte. Daher erscheint es jedenfalls als möglich, dass der Angeklagte im Zeitraum nach der letzten Ausführungshandlung bis zum Eintreffen der Polizei nicht mehr davon ausging, den Nebenkläger tödlich verletzt zu haben. Die Erwägung des Landgerichts , der Angeklagte habe in der Zeit nach der Tat keine wesentlichen neuen Erkenntnisse gewonnen und er müsse in dem Bewusstsein des Schnittes in den Hals des Nebenklägers zumindest für möglich gehalten haben, dass dieser noch stirbt, genügt bei dieser Sachlage nicht. Auf Grund der bisher getroffenen Feststellungen ist daher ein unbeendeter Versuch nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
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b) Durchgreifenden Bedenken begegnet auch die Annahme der Strafkammer , in Anwendung des Zweifelssatzes sei davon auszugehen, dass der Angeklagte dem Nebenkläger den Schnitt in den Hals vor dem Gang in die Küche und nicht erst danach beibrachte, weil er sonst wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen zu verurteilen gewesen wäre.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine natürliche Handlungseinheit grundsätzlich dann vor, wenn mehrere strafrechtlich relevante Handlungen des Täters, die durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind, in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und sein gesamtes Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen Dritten als einheitliches Tun erscheint (BGH, Urteil vom 25. November 2004 - 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Beschluss vom 25. November 1992 - 3 StR 520/92, NStZ 1993, 234); dabei begründet auch der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne Weiteres die Annahme einer Zäsur (BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274). Wegen des engen Zusammenhanges der Ausführungshandlungen und des durchgehend vorhandenen Tötungswillens hätte die kurze Unterbrechung des Geschehens durch den Gang in die Küche und der Wechsel von den Schlagwerkzeugen zu dem Messer die natürliche Handlungseinheit zwischen den Angriffen auf das Leben des Nebenklägers nicht unterbrochen. Es wäre mithin in dieser Sachverhaltsvariante eine Verurteilung nur wegen Totschlagsversuchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Betracht gekommen.
11
3. Die Sache bedarf deshalb insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung.
Becker Schäfer Gericke Tiemann Hoch

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
GSSt 4/17
vom
10. Juli 2017
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für den Erwerb einer früheren als
auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen
des Lieferanten verbindet als natürliche Handlung die beiden Umsatzgeschäfte
zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinne.
Im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung verbindet die Bezahlung einer
zuvor "auf Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge aus Anlass der
Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden Umsatzgeschäfte
zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit.
BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17 – LG Stade
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:100717BGSST4.17.0

Der Große Senat für Strafsachen hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum, die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Prof. Dr. Jäger und Dr. Schäfer, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider sowie die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach und Gericke am 10. Juli 2017 beschlossen:
Das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für den Erwerb einer früheren als auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten verbindet als natürliche Handlung die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinne. Im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung verbindet die Bezahlung einer zuvor "auf Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge aus Anlass der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit.

Gründe:


I.


1
Die Vorlage betrifft die konkurrenzrechtliche Bewertung unterschiedlicher Modalitäten der Abwicklung von aufeinanderfolgenden Betäubungsmittelumsätzen , insbesondere dann, wenn die Bezahlung einer zunächst "auf Kommission" erworbenen Betäubungsmittelmenge im Zeitpunkt der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge noch nicht (vollständig) erledigt ist.
2
1. In einem beim 3. Strafsenat anhängigen Verfahren hat das Landgericht den Angeklagten unter anderem wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen.
3
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte in sechs Fällen von derselben Person jeweils mindestens 100 g Kokain mit einem Reinheitsgehalt von mindestens 30 %, um dieses gewinnbringend weiter zu veräußern und sich eine nicht unerhebliche Einnahmequelle von einiger Dauer zu verschaffen. Er fuhr deswegen zwischen Mitte August 2011 und Mitte Mai 2012 insgesamt sechs Mal nach vorheriger telefonischer Absprache mit dem Lieferanten in seinem Auto nach Bremen, erwarb dort das Rauschgift "auf Kommission" und bezahlte es jeweils nach gewinnbringendem Weiterverkauf bei Abholung der neuen, zuvor bestellten Betäubungsmittelmenge. Auf welche Weise das Entgelt für die sechste Betäubungsmittelmenge entrichtet wurde, hat die Strafkammer nicht festgestellt.
4
b) Das Landgericht hat dieses Geschehen ohne weitere Erörterungen als sechs rechtlich selbstständige Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge abgeurteilt. Nur insoweit ist die Verurteilung des Angeklagten , gegen die er sich insgesamt mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts wendet, Gegenstand des Vorlageverfahrens. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, das angefochtene Urteil im Strafausspruch wegen unterlassener Berücksichtigung eines eingezogenen Kraftfahrzeugs bei der Strafzumessung aufzuheben (§ 349 Abs. 4 StPO) und die weiter gehende Revision des Angeklagten zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
5
2. Der 3. Strafsenat beabsichtigt, die Revision des Angeklagten in diesen sechs Verurteilungsfällen zu verwerfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Er ist ebenso wie das Landgericht der Ansicht, dass sechs in Tatmehrheit zueinander stehende Verbrechen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gegeben seien. Sie würden weder durch das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten noch durch die Bezahlung der zuvor "auf Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge tateinheitlich miteinander verknüpft.
6
3. Der 3. Strafsenat sieht sich jedoch nach dem Ergebnis des gemäß § 132 Abs. 3 GVG durchgeführten Anfrageverfahrens daran gehindert, in diesem Sinne zu entscheiden.
7
a) Der 2. und der 4. Strafsenat haben mit Beschlüssen vom 31. Mai 2016 (2 ARs 403/15, NStZ-RR 2016, 313) und 1. September 2016 (4 ARs 21/15, NStZ-RR 2016, 373) mitgeteilt, dass sie an ihrer entgegenstehenden Rechtsprechung festhalten. Dabei hat der 2. Strafsenat seine Rechtsprechung – in der Sache dem 4. Strafsenat folgend – dahin präzisiert, dass in dem Aufsuchen des Lieferanten, das der Bezahlung der bereits früher erworbenen und der Abholung der weiteren Rauschgiftmenge diene, ein den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllendes Handlungselement liege, welches die Teilidentität der Ausführungshandlungen begründe. Es sei deshalb in sol- chen Fällen von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB auszugehen. Der 2. und der 4. Strafsenat sind der Auffassung, der eindeutige Wortlaut der Vorschrift lasse die Annahme von Tatmehrheit nicht zu. Dem Gewicht oder dem Unrechtsgehalt der jeweiligen Tathandlung komme bei der rechtlichen Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses keine Bedeutung zu.
8
b) Der 5. Strafsenat hat mit Beschluss vom 2. März 2016 (5 ARs 60/15) entschieden, dass seine Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats nicht entgegenstehe und er an eventuell früherer, abweichender Rechtsprechung aus den Gründen des Anfragebeschlusses nicht festhalte. Der 1. Strafsenat hat von einer Stellungnahme zu dem Anfragebeschluss abgesehen.

II.


9
1. Mit Beschluss vom 15. November 2016 (3 StR 236/15) hat der 3. Strafsenat die Sache gemäß § 132 Abs. 2 GVG dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt: Verbindet das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten oder die Bezahlung einer zuvor auf "Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiellrechtlichen Sinn?
10
2. Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen: Weder das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten noch die Bezahlung einer zuvor auf "Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge verbindet die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinn.

III.


11
Die Voraussetzungen einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG sind gegeben, da der 3. Strafsenat mit seiner beabsichtigten Entscheidung von Rechtsprechung des 2. und des 4. Strafsenats abweichen würde.

IV.


12
Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die Vorlegungsfrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich. Aus der Anwendung der Konkurrenzregel des § 52 Abs. 1 StGB auf den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ergibt sich danach Folgendes:
13
Aufeinanderfolgende, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehende Umsatzgeschäfte eines Betäubungsmittelhändlers werden im Sinne des § 52 StGB zu einer Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verbunden , wenn sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um die vorangegange- ne Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine weitere, zuvor bestellte Lieferung abzuholen, wenn also das Aufsuchen des Lieferanten zugleich beiden Umsatzgeschäften dient. Kommt es hingegen ohne eine vergleichbare teilidentische Ausführungshandlung zur Entgegennahme weiterer Betäubungsmittel lediglich aus Anlass der Bezahlung zuvor gelieferter Betäubungsmittel, handelt es sich um einen Fall der natürlichen Handlungseinheit.
14
Im Einzelnen:
15
1. Nach § 52 Abs. 1 StGB liegt materiell-rechtlich Tateinheit vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt:
16
a) Den Begriff "dieselbe Handlung" in § 52 Abs. 1 StGB definiert das Gesetz nicht ausdrücklich. Nach allgemeiner Auffassung wird der Handlungsbegriff in den §§ 52 Abs. 1 ff. StGB vorausgesetzt (MüKo-StGB/von HeintschelHeinegg , 3. Aufl., Vorbemerkung zu § 52 Rn. 8). Da die sachlich-rechtlichen Regelungen des § 52 StGB in erster Linie als Voraussetzung für ein funktionierendes Rechtsfolgensystem dienen, ist der Handlungsbegriff im Sinne der Konkurrenzlehre unabhängig vom jeweils erfüllten Tatbestand allgemein zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1997 – 2 StR 520/96, BGHSt 43, 252, 256; von Heintschel-Heinegg aaO, Rn. 12). Er knüpft an den Vollzug eines Verhaltens im natürlichen Sinne und damit letztlich an eine Körperbewegung an (SSW-StGB/Eschelbach, 3. Aufl., § 52 Rn. 31, 57). Die für die Annahme von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB erforderliche Verknüpfung der Tatbestände hat der Bundesgerichtshof dabei allein in der Überlagerung der objektiven Ausführungshandlungen gesehen (BGH, Beschluss vom 11. November 1976 – 4 StR 266/76, BGHSt 27, 66, 67; vgl. dazu auch RG, Urteil vom 28. April 1899 – Rep. 1158/99, RGSt 32, 137, 138 f.). Einen darüber hinausgehenden "inneren Zusammenhang" hat der Bundesgerichtshof dagegen nicht gefordert (BGH aaO). Abzugrenzen ist eine derartige Überschneidung jedoch von einem Zusammenfallen zweier Tatbestände, bei dem der Täter den einen Tatbestand nur gelegentlich der anderen Tat verwirklicht (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. April 2004 – 1 StR 466/03, NStZ 2004, 694; Urteil vom 5. August 2010 – 3 StR 210/10, juris Rn. 16). An diesen bereits in der früheren Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof auch in der Folgezeit festgehalten (vgl. die Darstellung bei LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 9 ff., § 52 Rn. 6 ff; jeweils mwN). Eine Einschränkung der Annahme von Tateinheit ergibt sich auch nicht aus dem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs formulierten Erfordernis der Identität in einem für beide Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1976 – 4 StR 266/76, BGHSt 27, 66, 67 unter Bezugnahme auf Geerds, Zur Lehre von den Konkurrenzen im Strafrecht, 1961, S. 277). Das Kriterium der Notwendigkeit bezieht sich insoweit lediglich auf die Tatbestandsverwirklichung in ihrer konkreten Form, mithin auf den konkreten Tatplan des Täters (BGH aaO).
17
b) Eine mehrfache Gesetzesverletzung durch eine Tat ist zunächst bei einer Handlung im natürlichen Sinne gegeben, also dann, wenn sich ein Willensentschluss in einem Ausführungsakt erschöpft (sog. natürliche Handlung; vgl. LK/Rissing-van Saan aaO, Vor § 52 Rn. 9, § 52 Rn. 6; jeweils mwN). Darüber hinaus kann von einer Tat im Rechtssinne auszugehen sein, wenn mehrere Handlungen im natürlichen Sinne zu einer Handlungseinheit zusammengefasst werden. Das ist der Fall, wenn zwischen mehreren menschlichen, strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen ein solcher unmittelbarer Zusammenhang besteht, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrach- tungsweise (objektiv) auch für einen Dritten als ein einheitlich zusammengefasstes Tun darstellt und die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind (sog. natürliche Handlungseinheit ; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. März 1953 – 2 StR 801/52, BGHSt 4, 219, 220, vom 21. September 2000 – 4 StR 284/00, BGHSt 46, 146, 153, und vom 29. März 2012 – 3 StR 422/11, NStZ 2012, 525). Eine weitere Fallgruppe stellt die sog. tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinne dar, die sich dadurch auszeichnet, dass mehrere natürliche Handlungen unter – unterschiedlichen – rechtlichen Aspekten zu einer Handlungseinheit zusammengefasst werden, wie dies etwa in Fällen der mehraktigen oder zusammengesetzten Delikte oder bei Dauerdelikten der Fall sein kann (LK/Rissing-van Saan aaO, Vor § 52 Rn. 20 ff.). Wiederum darüber hinausgehend können auch der Sinn und Zweck der jeweils verletzten gesetzlichen Tatbestände, die im Wege der Auslegung zu ermitteln sind, zur Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit führen, die – anders als die natürliche Handlungseinheit – vorwiegend normativ bestimmt wird. Solche Handlungseinheiten werden etwa bei Delikten mit pauschalierenden Handlungsbeschreibungen wie z.B. den Organisationsdelikten der §§ 129 ff. StGB (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 – 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 311 ff.) sowie in Fällen wiederholter oder fortlaufender Tatbestandsverwirklichungen (sog. tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinne; vgl. dazu LK/Rissing-van Saan aaO, Vor § 52 Rn. 23 ff., 36 mwN) angenommen.
18
Der Sache nach stellt auch die sog. Bewertungseinheit eine tatbestandliche Zusammenfassung einer Mehrzahl natürlicher Handlungen zu einer Tat im Rechtssinne dar (vgl. LK/Rissing-van Saan aaO, Vor § 52 Rn. 39 ff. mwN [Unterfall der tatbestandlichen Handlungseinheit i.w.S:]; anders MüKo-StGB/von Heintschel-Heinegg aaO, § 52 Rn. 39 mwN [Rechtsfigur sui generis]). Haupt- anwendungsfall der Bewertungseinheit ist das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (LK/Rissing-van Saan aaO, Rn. 39).
19
2. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256 mwN). Eine auf den gewinnorientierten Umsatz von Betäubungsmitteln ausgerichtete Tätigkeit ist auch darin zu sehen, dass sich der Täter zu einer Örtlichkeit begibt, an welcher er von seinem Lieferanten eine zuvor bestellte, zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmte Betäubungsmittellieferung vereinbarungsgemäß übernehmen soll (BGH, Urteil vom 20. August 1991 – 1 StR 273/91, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 28). Das Aufsuchen des Lieferanten zur Abholung einer bereits zuvor verabredeten Lieferung zur Weiterveräußerung vorgesehener Betäubungsmittel verwirklicht daher den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.
20
Dem – weit auszulegenden (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 262) – Begriff des Handeltreibens mit Betäu- bungsmitteln unterfallen aber nicht nur Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Weitergabe von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen. Tatbestandlich erfasst werden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge, ohne dass danach differenziert wird, ob der Handelnde auf Seiten des Abnehmers oder des Lieferanten tätig geworden ist (BGH, Beschluss vom 5. August 2014 – 3 StR 340/14, NStZ-RR 2015, 16; Urteile vom 7. Februar 2008 – 5 StR 242/07, NStZ 2008, 465; vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 162; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2002 – 2 StR 294/02, juris; vom 23. Mai 2007 – 2 StR 569/06, NStZ 2008, 42, 43; vom 27. Juni 2008 – 3 StR 212/08, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 7). So hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit mehrfach entschieden, dass auch die bloße Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer an den Lieferanten den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllt (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juli 1995 – 1 StR 189/95, StV 1995, 641; vom 7. Februar 2008 – 5 StR 242/07, NStZ 2008, 465; Beschlüsse vom 5. November 1991 – 1 StR 361/91, StV 1992, 161; vom 17. Mai 1996 – 5 StR 119/96, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 50).
21
3. Gemessen daran gilt in Bezug auf die Vorlegungsfrage das Folgende:
22
a) ln der Fallkonstellation des Ausgangsverfahrens liegt Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB vor.
23
aa) Bei aufeinanderfolgenden, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehenden Umsatzgeschäften liegt eine jedenfalls teilweise, Tateinheit begründende Überschneidung der objektiven Ausführungshandlungen darin, dass sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um einerseits die vorangegangene Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine neue, zuvor bestellte Lieferung abzuholen, also das Aufsuchen des Lieferanten als verbindendes Element gleichermaßen beiden Umsatzgeschäften dient. Damit sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer teilidentischen Ausführungshandlung und damit für die Annahme von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB erfüllt.
24
bb) Entgegen der Auffassung des vorlegenden Senats ergeben sich – unterBerücksichtigung des Zwecks der §§ 52 ff. StGB, das verwirklichte Unrecht und die Schuld im Einzelfall sachgerecht zu erfassen – auch aus den Besonderheiten des weiten Tatbegriffs beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bei dieser Fallgestaltung keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme von Tateinheit.
25
(1) Wie ausgeführt sind die Voraussetzungen von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB unabhängig von den im jeweiligen Einzelfall verwirklichten Tatbeständen zu bestimmen. Maßgebend ist insoweit allein, ob sich zwei oder mehrere Straftatbestände in ihren Ausführungshandlungen notwendig jedenfalls teilweise überschneiden. Ein darüber hinausgehendes sachlich-rechtliches Kriterium für eine einschränkende Auslegung der Voraussetzungen von Tateinheit ist § 52 Abs. 1 StGB nicht zu entnehmen (vgl. MüKo-StGB/von Heintschel-Heinegg aaO, Vor §§ 52 ff. Rn. 8).
26
(2) Die Auffassung, wonach eine teilidentische Ausführungshandlung im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG nur dann zu einer tateinheitlichen Verbindung zweier an sich unabhängiger, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehender Handelsgeschäfte führt, wenn sie für jedes dieser Geschäfte einen nicht unerheblichen eigenen Unrechts- und Schuldgehalt aufweist und dadurch deren Unwert und die jeweilige Schuld des Täters zumindest mitprägt, was bei dem untergeordneten Teilakt der Fahrt zum Zwecke der Bezahlung eines bereits abgewickelten Betäubungsmittelgeschäfts nicht der Fall sei, findet im Gesetz keine Stütze. Sie beruht vielmehr allein auf einer einschränkenden, auf die jeweilige konkrete Fallgestaltung bezogenen Auslegung des Begriffs des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Damit steht sie zugleich im Widerspruch zu der vom Bundesgerichtshof in ständiger Recht- sprechung vorgenommenen weiten Auslegung des Begriffs des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, die ihren Ausdruck schon im Beschluss des Großen Senats vom 26. Oktober 2005 (GSSt 1/05, BGHSt 50, 252) gefunden hat und von der abzuweichen der Große Senat auch weiterhin keinen Anlass sieht.
27
(3) Auch als generelles Abgrenzungskriterium zwischen Tateinheit und Tatmehrheit ist die Ansicht, wonach eine teilidentische Ausführungshandlung beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nur dann zu einer tateinheitlichen Verbindung zweier Handelsgeschäfte führen kann, wenn sie für jedes dieser Geschäfte einen nicht unerheblichen eigenen Unrechts- und Schuldgehalt aufweist , nicht tragfähig. Mag auch das eigentliche Umsatzgeschäft in Gestalt der Übergabe einer bestellten Betäubungsmittelmenge bereits abgewickelt sein, sind gleichwohl Fallgestaltungen denkbar, in denen die Fahrt des Täters zum Zwecke der Bezahlung des gelieferten Rauschgifts beim Lieferanten nicht lediglich als untergeordneter Teilakt zu bewerten ist. Denkbar ist dies etwa beim Transport hoher Geldsummen oder in Fällen, in denen der Täter die mit sich geführten Geldbeträge auf dem Transport gegen Dritte etwa mit (Waffen-)Gewalt "verteidigt" und dadurch das Handeltreiben gegebenenfalls zu einem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 StGB wird.
28
b) Kommt es im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung ohne eine für beide Umsatzgeschäfte teilidentische Ausführungshandlung zur Entgegennahme weiterer Betäubungsmittel aus Anlass der Bezahlung zuvor bereits "auf Kommission" gelieferter Betäubungsmittel, verbindet dies beide Handelsgeschäfte zu einer Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit.
29
aa) Beide strafrechtlichen Betätigungen sind jeweils für sich genommen Bestandteile zweier unterschiedlicher Umsatzgeschäfte im Sinne des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln; die Annahme einer (einzigen) Bewertungseinheit kommt danach regelmäßig nicht in Betracht. Jedoch stehen beide Betätigungsakte – ohne tatbestandliche Überschneidung in zumindest einem Teil der Ausführungshandlung, sondern aufeinander folgend – in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang. In objektiver Hinsicht erscheinen sie daher vor dem Hintergrund der zwischen den Beteiligten bestehenden Lieferbeziehung als ein einheitliches, zusammengehöriges Tun. In einer solchen Konstellation ist nicht lediglich von einem nur gelegentlichen Zusammentreffen zweier Tatbestände auszugehen.
30
bb) Auch das für die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit weiterhin erforderliche subjektive Element des einheitlichen Willens, von dem die einzelnen Betätigungsakte getragen sein müssen, ist in den Fällen der Bezahlung einer früheren und der Entgegennahme der Betäubungsmittel einer weiteren Lieferung regelmäßig gegeben. Zwar erfüllen beide Betätigungen als gesonderte Handlungen das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nur für die jeweilige Lieferung. Gemeinsame Grundlage ist aber auch hier regelmäßig der über die einzelnen Umsatzgeschäfte hinausreichende Wille von Lieferant und Abnehmer, im Rahmen einer über ein Einzelgeschäft hinausreichenden Lieferbeziehung nicht nur ein Umsatzgeschäft zu tätigen und insgesamt aus mehreren Rauschgiftgeschäften größtmöglichen Gewinn zu erzielen.
Limperg Raum Sost-Scheible Franke
Jäger Schäfer Schneider König
Krehl Eschelbach Gericke

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 195/05
vom
11. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Oktober
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten C. ,
Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 6. Oktober 2004 in Bezug auf den Angeklagten I. mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Totschlags sowie wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben
a) in Bezug auf die Angeklagten C. und K. ,
b) in Bezug auf den Angeklagten A. , soweit er verurteilt worden ist. 3. Die weitergehenden Revisionen und die den Angeklagten S. betreffende Revision der Staatsanwaltschaft sowie die die Angeklagten C. , K. und S. betreffenden Revisionen der Nebenkläger werden verworfen. 4. Die Staatskasse hat die Kosten des dem Angeklagten S. betreffenden Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die diesem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 5. Die Nebenkläger haben die Kosten ihrer die Angeklagten C. , K. und S. betreffenden Rechtsmittel und die diesen Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 6. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der den Angeklagten I. betreffenden Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger sowie der die Angeklagten A. C. , und K. betreffenden Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: - den Angeklagten I. wegen Totschlags, versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beteiligung an einer Schlägerei sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zur Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren, - den Angeklagten A. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei unter Einbeziehung eines
Urteils des Amtsgerichts Reutlingen vom 31. Juli 2003 zu der einheitlichen Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, - den Angeklagten C. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei in zwei Fällen zur Jugendstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung, - den Angeklagten K. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, - den Angeklagten S. wegen Totschlags sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren. Den Angeklagten A. hat das Landgericht im Übrigen freigesprochen.

I.

1. Das Landgericht hat festgestellt: Am Abend des 3. September 2003 gerieten die AngeklagtenI. und A. in der Innenstadt R. s in eine verbale Auseinandersetzung mit den später Geschädigten Ra. , Z. und G. . Sie fühlten sich, insbesondere durch das griechische Schimpfwort "Malaka", so beleidigt, dass sie die Sache nicht auf sich beruhen lassen wollten. Mit den herbeigerufenen Angeklagten C. , K. und S. Verstärkung als traten sie ihren drei Gegnern nach etwa 40 Minuten erneut gegenüber.
S. und I. begannen, S. von vorne und I. von hinten, auf Ra. , der sich nicht ernstlich wehren konnte, mit Fäusten einzuschlagen. Nunmehr entschloss sich I. , ein in seiner Kleidung mitgebrachtes Messer, dessen Existenz den anderen Angeklagten bis dahin nicht bekannt war, zum Einsatz zu bringen. Er stach dem Ra. gezielt und wuchtig in den rechten und mittleren Halsbereich sowie in den linken Rücken. Die Stichverletzungen waren akut lebensgefährlich und hätten ohne eine alsbald durchgeführte Notoperation zum Tode geführt. C. , dem das Ausmaß der dem Ra. zugefügten Verletzungen nicht bewusst war, versetzte diesem noch mindestens vier Faustschläge in den Bereich des Kopfes und des Oberkörpers. I. und S. wandten sich nun dem - völlig betrunkenen und deshalb kampfunfähigen - Z. zu. S. griff wieder von vorne an, I. , der das Messer noch in der Hand hielt, von hinten. I. stach insgesamt sechsmal wuchtig auf den Oberkörper des Z. ein; ein 17 cm tiefer Stich traf direkt in das Herz und führte zu seinem Tod. Während dieses Geschehens hatten K. und A. den etwas seitlich befindlichen G. von vorne und von hinten angegriffen. Während dieses Handgemenges näherte sich zufällig ein Fahrzeug, dessen Insassen auf das Geschehen aufmerksam wurden. K. und A. ließen daraufhin von G. ab und flüchteten. Nunmehr griffen I. , S. und C. ihrerseits G. von drei Seiten an. C. versetzte ihm einen gezielten Faustschlag ins Gesicht. I. stach ihm mit dem Messer in den Rücken, allerdings erheblich weniger wuchtig als den Ra. und den Z. - Stichtiefe ein Zentimeter -, und trat noch mehrmals auf ihn ein. Anschließend flüchteten auch diese drei Angeklagten.
2. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihren zu Ungunsten der fünf Angeklagten eingelegten Revisionen die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich gegen die Verneinung eines Tötungsvorsatzes bei den Angeklagten I. und S. , soweit diese (nur) wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil G. verurteilt wurden und gegen die Verneinung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe bei dem Angeklagten I. . Ferner beanstandet sie, dass die Angeklagten A. , C. und K. nicht jeweils wegen drei (tateinheitlicher) Vergehen der gefährlichen Körperverletzung verurteilt wurden. Mit ihren zum Nachteil der Angeklagten I. , C. , K. und S. eingelegten und ebenfalls auf die Sachrüge gestützten Rechtsmitteln verfolgen die Nebenkläger hinsichtlich des Angeklagten I. die gleichen Ziele wie die Staatsanwaltschaft und rügen zusätzlich die Verneinung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe auch bei dem Angeklagten S. .

II.

Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, soweit sie die Angeklagten I. , A. C. und K. betreffen, und das den Angeklagten I. betreffende Rechtsmittel der Nebenkläger haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen bleiben die Rechtsmittel erfolglos. 1. Revisionen der Staatsanwaltschaft:
a) Die Verneinung des Mordmerkmals "niedrige Beweggründe" bezüglich der versuchten Tötung des Ra. und der Tötung des Z. durch den Angeklagten I. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Tötungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (vgl. BGHSt 47, 128, 130 m.w.N.). Bei einer Tötung aus Wut oder Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (BGH NJW 1995, 3196). Bei diesen Abwägungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (vgl. Senat, Urteil vom 10. Mai 2005 - 1 StR 30/05). Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt, ist seine Würdigung auch dann nicht zu beanstanden , wenn ein anderes Ergebnis möglich gewesen wäre. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil jedoch nicht gerecht. Zu Unrecht hat die Kammer bei ihrer Abwägung der Beweggründe des Angeklagten den "Hintergrund seiner kulturellen Herkunft, in der der Begriff der Ehre besonders ausgeprägt ist" einbezogen. Der Maßstab für die Bewertung der Beweggründe ist den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 41 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte außer Stande war, die Bewertung seiner Handlungsantriebe durch die deutsche Rechtsordnung als niedrig nachzuvollziehen , lassen sich den Feststellungen der Kammer nicht entnehmen; solches liegt auch fern. Unabhängig davon weist die Revision zu Recht darauf hin, dass die Annahme, einfache Beleidigungen würden die Tötung von Menschen zu einer Ehrensache machen, auch in fremden Kulturkreisen durchaus fern liegend ist, zumal wenn zwischen dem Anlass und den Taten ein eklatan-
tes Missverhältnis besteht. Dass der Angeklagte durch diese Beleidigungen zu seinen Taten "provoziert" wurde, kann ihn nicht entlasten, denn auch in diesem Fall bestünde ein eklatantes Missverhältnis zwischen Tatanlass und Tötung. Die Kammer stellt ferner bei den Erörterungen der Motivlage des Angeklagten darauf ab, es sei "nicht auszuschließen, dass der Angeklagte ... zusätzlich in seiner Hoffnung auf eine Beziehung mit einer Frau enttäuscht worden" sei; diese frustrierende Situation habe dazu geführt, dass er die Beleidigung als überaus kränkend empfunden habe. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich lediglich, dass die Angeklagten I. und A. sich vor dem ersten Zusammentreffen mit den Geschädigten mit zwei Mädchen in einem Restaurant aufgehalten hatten. Die Annahme einer enttäuschten Beziehungserwartung entbehrt daher einer ausreichenden Grundlage und erweist sich als bloße Vermutung. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Vorgänge zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind (vgl. Senat, Urteil vom 31. Mai 2005 - 1 StR 290/04). Unabhängig davon wäre eine derartige enttäuschte Beziehungserwartung kaum geeignet, die Bewertung des Tötungsbeweggrundes als niedrig zu verändern. Schließlich begegnen auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen der subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe verneint hat, rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, der Angeklagte habe "seinen Antrieb ... nicht mehr beherrschen" können. Anhaltspunkte hierfür teilt das Urteil jedoch nicht mit. Auch wenn der Angeklagte - wovon das Landgericht ausgeht - den Tötungsentschluss erst am Tatort gefasst hat, handelte es sich insbesondere nicht um eine kurze Spontantat im Sinne einer wutbedingten "Kurzschlusshandlung", sondern um ein länger andauerndes, mehraktiges Vorgehen gegenüber mehreren Opfern in unter-
schiedlichen Positionen. Selbst wenn der Angeklagte bei den Taten in immer größere Erregung geraten sein sollte, könnte ihn dies nicht entlasten, wenn er sich bewusst von beherrschbaren Gefühlen zu den Taten hätte treiben lassen (vgl. BGH NStZ 2004, 332). Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, dass nicht nur die von dem Angeklagten begangene Körperverletzung, sondern auch von ihm verwirklichte Tötungsdelikte in Tateinheit mit der ebenfalls verwirklichten Beteiligung an einer Schlägerei stehen würden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2002 - 2 StR 522/01; Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 231 Rdn. 17).
b) Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin auch, dass die Jugendkammer die Angeklagten A. und K. wegen Körperverletzung nur zum Nachteil des Geschädigten G. sowie den Angeklagten C. wegen Körperverletzung nur zum Nachteil der Geschädigten G. und Ra. verurteilt hat. Nach den Feststellungen der Kammer fassten alle fünf Angeklagten den gemeinsamen Entschluss, eine körperliche Auseinandersetzung mit den drei Geschädigten zu suchen. Sie griffen die Geschädigten auch gemeinsam und gleichzeitig mit dem Ruf "Wir machen Euch fertig" an und führten den Angriff arbeitsteilig durch. Danach war die Körperverletzung aller drei Geschädigten von allen Angeklagten mittäterschaftlich gewollt, so dass ihnen die Verletzungen aller drei Opfer - mit Ausnahme der von dem Angeklagten I. mit dem Messer begangenen Exzesse - zuzurechnen sind. Das Urteil bedarf daher auch insoweit der Aufhebung. Der neue Tatrichter wird hier auch nochmals auf die Konkurrenzverhältnisse einzugehen haben. Die Revision meint, trotz der durch das Vorgehen der Angeklagten jeweils verletzten höchstpersönlichen Rechtsgüter sei natürliche Handlungseinheit anzu-
nehmen. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich sind. Greift daher der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen (vgl. BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluss , einheitlicher 9). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden (vgl. BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluß, einheitlicher 2 und 5) oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierten Personenmehrheit gerichteten Angriff (vgl. BGH NJW 1985, 1565), willkürlich und gekünstelt erschiene. Ein solcher Sonderfall wäre hier nach den bisherigen Feststellungen zu verneinen. Wenn die Angeklagten drei Taten der gefährlichen Körperverletzung begangen haben, wird auch Tateinheit zwischen diesen Taten durch eine Klammerwirkung der Beteiligung an einer Schlägerei mangels einer annähernden Wertgleichheit dieser Tat ausscheiden.
c) Im Übrigen haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler - auch nicht zum Nachteil der Angeklagten (§ 301 StPO) - aufgedeckt. Insbesondere erscheint die Verneinung eines Tötungsvorsatzes des Angeklagten I. bezüglich des Geschädigten G. angesichts seines hier anders gearteten Vorgehens vertretbar. Innere Tatsachen wie das Bestehen oder Fehlen des Vorsatzes des Täters können sich gerade aus äußeren
Umständen erschließen (vgl. BGH NStZ 1991, 400). I. hat diesen Geschädigten , der im Gegensatz zu seinen beiden ersten Opfern bereits Angriffen von Mitangeklagten ausgesetzt war, nur einmal und mit deutlich geringerer Wucht in den Rücken gestochen und sodann unter Verzicht auf den weiteren Einsatz des Messers mehrfach auf ihn eingetreten. Aufgrund der unterschiedlichen Abläufe in den Fällen Ra. und Z. einerseits und in dem Falle G. andererseits ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht sich nicht ausdrücklich damit auseinandergesetzt hat, ob bei I. ein Umschwung im intendierten Verletzungserfolg eingetreten war. 2. Revisionen der Nebenkläger:
a) Soweit sich die Revisionen gegen die Verurteilung der Angeklagten C. und K. richten, sind sie unzulässig, weil die Nebenkläger nicht - was im Hinblick auf § 400 Abs. 1 StPO erforderlich gewesen wäre - angegeben haben, inwieweit das Urteil mit dem Ziel einer Änderung des Schuldspruchs angefochten wird.
b) Die die Angeklagten I. und S. betreffenden Revisionen sind aus den oben zu II. 1. ausgeführten Gründen nur insoweit begründet, als die Nebenkläger rügen, dass das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten I. niedrige Beweggründe bei der Tötung des Geschädigten Z. und der versuchten Tötung des Geschädigten Ra. verneint hat. Im Übrigen haben sie keinen Rechtsfehler aufgezeigt. Insbesondere hat das Landgericht niedrige Beweggründe des Angeklagten S. tragfähig damit verneint, daß dieser Angeklagte, der lediglich mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, an der Vorgeschichte der Tat nicht beteiligt war, keine eigenen Ziele verfolgte und nur dem Mitangeklagten I. bei dessen vermeintlich berechtigtem Vorgehen zur Seite stehen wollte. Dass das Landgericht den Angeklagten S. be-
züglich des Geschädigten Z. nicht auch wegen tateinheitlich mit dem Totschlag begangener Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt hat - auf diese Tat hat sich schon die Revision der Staatsanwaltschaft nicht erstreckt -, vermag der Senat auch auf die Revisionen der Nebenkläger nicht zu korrigieren, weil die Beteiligung an einer Schlägerei kein Nebenklagedelikt ist. Nack Kolz Hebenstreit Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 369/08
vom
16. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Oktober
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 30. April 2008 wird verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Am Samstag, dem 3. November 2007 verbrachten der Angeklagte, seine Ehefrau und Peter F. den Abend und die Nacht trinkend im Wohnzimmer. Am Sonntag, dem 4. November 2007, erwachte der Angeklagte in den Vormittagsstunden aus einem mehrstündigen Schlaf und sah, dass seine Ehefrau, nur mit einem vorne geöffneten Morgenmantel bekleidet, auf dem Schlafsofa lag. Auf ihr lag Peter F. mit teilweise heruntergelassener Hose. Der Angeklagte nahm an, dass seine Ehefrau mit Peter F. den Geschlechtsverkehr ausübte. Obwohl ihm intime Kontakte seiner Ehefrau mit Peter F. bereits bekannt waren, war er durch den "unverschämten Vertrauensbruch seines besten Freundes und seiner Ehefrau gekränkt und aufgebracht" und beschloss, Peter F. zu bestrafen. Er suchte einen Gegenstand, mit dem er Peter F.
schlagen konnte. Aus dem Einbauschrank in der Diele entnahm er ein Beil mit Holzgriff und einer Metallschneide. Damit ging er ins Wohnzimmer, und stellte sich neben die Schlafcouch, was seine Ehefrau und Peter F. , die dort immer noch aufeinander lagen, nicht bemerkten. Der Angeklagte holte aus, um Peter F. mit voller Wucht mit dem Beil auf den Kopf zu schlagen. Dabei nahm er "auch zumindest billigend in Kauf", seine unter Peter F. liegende Ehefrau am Kopf zu treffen. "Er war auch auf sie wütend, weil sie vor seinen Augen mit seinem besten Freund Geschlechtsverkehr gehabt hatte. Ihm war bewusst, dass ein wuchtiger Schlag mit einem Beil gegen den Kopf geführt, lebensgefährliche Verletzungen verursachen konnte". Der Angeklagte nahm in Kauf, bei dem Angriff auch seine Ehefrau tödlich zu verletzen.
3
Der mit großer Wucht geführte Schlag verfehlte den Kopf Peter F. s knapp und traf den Kopf der Ehefrau des Angeklagten. Die Beilschneide zertrümmerte die Schädelkalotte im Bereich des linken Stirn- und Scheitelbeins und durchtrennte die harte und die weiche Hirnhaut. Die Schneide des Beils brach dabei ab und flog in einem hohen Bogen in Richtung des Wohnzimmerschranks. Peter F. sprang von der Schlafcouch und floh aus der Wohnung. Der Angeklagte, der glaubte, Peter F. am Hinterkopf getroffen zu haben, nicht aber seine Ehefrau, schlug in seiner Wut mit dem Beilstiel auf seine Ehefrau ein. Die Schwere der von dem Beilhieb herrührenden Kopfwunde wurde sowohl vom Angeklagten als auch von seiner Ehefrau verkannt, obwohl die Wunde heftig zu bluten begann. Der Angeklagte glaubte, seine Frau nur leicht mit dem Stiel des Beils verletzt zu haben. Sie erlag der schweren Kopfverletzung in den frühen Morgenstunden des 5. November 2007.

II.


4
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

III.


5
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.
6
1. Der Schuldspruch ist auch unter Berücksichtigung der von der Revision und vom Generalbundesanwalt dagegen erhobenen Einwendungen rechtlich nicht zu beanstanden.
7
Der Verurteilung des Angeklagten steht nicht entgegen, dass er mit dem Beilhieb Peter F. , nicht aber seine Ehefrau töten wollte. Wirkt sich die Tat, wie hier, ohne Verwechslung des Angriffsobjekts an einem anderen Menschen aus (aberratio ictus, Fehlgehen des Angriffs), kann dem Täter, soweit die Wirkung des Angriffs auf das nicht in Aussicht genommene Opfer in Frage steht, der Vorwurf der vorsätzlichen Tatbestandserfüllung allerdings nur dann gemacht werden, wenn er weiß, dass ein solcher Erfolg eintreten kann, und er diese Möglichkeit billigend in Kauf nimmt (h.M.; BGHSt 34, 53, 55 ). Das ist hier nach den Feststellungen der Fall. Die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung weist, auch soweit sie die innere Tatseite und die Schuldfähigkeit des Angeklagten betrifft, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
8
a) Die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte mit der Möglichkeit gerechnet hat, mit dem gegen den Kopf Peter F. s geführten wuchtigen Hieb mit dem Beil auch seine Ehefrau tödlich zu verletzen, ist durch die festgestellten Tatumstände hinreichend belegt. Danach war der wuchtige Hieb mit der Schneide des Beils eine äußerst gefährliche Gewalthandlung, die zu tödlichen Verletzungen führen und sich nicht nur, wie vom Angeklagten gewollt, auf Peter F. , sondern auch auf die unter diesem liegende Ehefrau des Angeklagten auswirken konnte. Der Angeklagte wusste, dass der Kopf seiner Ehefrau sich „direkt“ neben dem Peter F. s bzw. darunter befand, und hatte zudem bemerkt, dass sich seine Ehefrau und Peter F. bewegten. Dass ein Angriff mit dem Beil unter diesen Umständen fehlgehen und sich auf die Person auswirken kann, die nicht (primäres) Ziel des Angriffs ist, liegt auf der Hand, zumal ein wuchtiger Schlag mit einem schweren Gegenstand im Einzelnen nicht mehr kontrollierbar ist (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51).
9
Zwar kann es je nach den Umständen des Einzelfalles auch bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen fraglich sein, ob der Täter das erforderliche Wissen um die mögliche Todesgefahr hat (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz , bedingter 26, 37). Das Landgericht hat sich aber mit nachvollziehbarer Begründung die Überzeugung verschafft, dass der Angeklagte trotz seines Zustands die Gefährlichkeit seines Tuns auch in Bezug auf seine Ehefrau erkannt hat.
10
b) Schließlich ist die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte die Möglichkeit, seine Ehefrau tödlich zu verletzen, billigend in Kauf genommen hat, rechtsfehlerfrei belegt.
11
Auch für das Willenselement stellt die Lebensbedrohlichkeit gefährlicher Gewalthandlungen ein gewichtiges Beweisanzeichen dar, jedoch ist angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sorgfältig zu prüfen, ob der Täter, der sein gefährliches Handeln durchführt, obwohl er mit der Möglichkeit tödlicher Verletzungen rechnet, den Tod des Opfers billigend in Kauf nimmt (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3, 5, 33, 35 und 38 jeweils m.w.N.). In diese Prüfung sind vor allem die konkrete Angriffsweise, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation mit einzubeziehen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 39). Dies hat das Landgericht aber auch bei seinen Erwägungen, mit denen es das Willenselement des bedingten Vorsatzes bejaht hat, beachtet. Insbesondere hat es dabei entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts das Nachtatverhalten des Angeklagten nicht außer acht gelassen. Daraus, dass der Angeklagte nach dem Abspringen der Beilklinge sein aggressives Verhalten nunmehr durch Schläge mit dem Beilstiel gegen seine Ehefrau richtete, durfte das Landgericht den Schluss ziehen, dass der Angeklagte schon beim ersten Beilhieb (zumindest) mit bedingtem Tötungsvorsatz auch in Bezug auf seine Ehefrau handelte.
12
Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte, dass der Angeklagte trotz der erkannten Lebensgefährlichkeit des Schlages mit dem Beil auch für seine Ehefrau ernsthaft und nicht nur vage (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51) darauf vertraut haben könne, es würde seine Ehefrau nicht zu Tode kommen , sind nicht festgestellt und liegen bei dem Tatgeschehen auch fern.
13
2. Auch die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens und die Bemessung der Strafe halten rechtlicher Prüfung stand.
14
Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 3, 179; 24, 268). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGH StV 2002, 20; BGH, Urt. vom 20. April 2004 - 5 StR 87/04). Das ist hier nicht der Fall.
15
a) Das Landgericht hat einen minder schweren Fall im Sinne der zweiten Alternative des § 213 StGB nur unter Heranziehung auch des vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB bejaht. Es hat deshalb unter Hinweis auf § 50 StGB von einer Milderung des Strafrahmens des § 213 StGB gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgesehen (vgl. BGHR StGB § 50 Mehrfachmilderung 1; BGH StV 1992, 371).
16
Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht ohne Rechtsfehler die vorliegenden unbenannten Strafmilderungsgründe für sich genommen als nicht ausreichend erachtet, einen minder schweren Fall zu bejahen. Eines Eingehens auf das Verhalten des Tatopfers nach der Tat bedurfte es dabei nicht. Dass die Ehefrau des Angeklagten keine ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat, sondern weiter Alkohohl getrunken hat, vermag die Schuld des Angeklagten nicht zu mindern. Nach den Feststellungen hat sie, ebenso wie der Angeklagte, die Schwere ihrer Verletzung verkannt. Die Revision lässt zudem außer acht, dass die Zeugin S. am Abend des Tattages dem Angeklagten anbot, einen Krankenwagen zu rufen, was dieser ablehnte. Die strafschärfende Erwägung, dass sich die Tatbegehung „sehr dicht an der Grenze des Mordmerkmals der Heimtücke“ bewege, begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Zwar hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten die subjektive Tatseite dieses Mordmerkmals verneint. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Art des Angriffs gänzlich als Belastungsfaktor ausscheiden muss (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 294). Wie sich den Urteilsausführungen entnehmen lässt, war sich die Kammer bewusst, dass dieser Tatumstand dem Angeklagten nur eingeschränkt anzulasten ist.
17
b) Die Bemessung der Strafhöhe lässt auch im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Insbesondere war es dem Landgericht hier nicht verwehrt, auf die Umstände, die schon zur Bestimmung des Strafrahmens gedient haben, Bezug zu nehmen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 21). Die erkannte Strafe löst sich entgegen der Auffassung der Revision nicht nach oben von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein. Sie liegt vielmehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsrahmens und ist daher vom Revisionsgericht hinzunehmen.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 75/17
vom
27. März 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Beihilfe zum Erschleichen einer Aufenthaltskarte u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:270318B4STR75.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 27. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten S. und A. wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 14. September 2016 im Schuldspruch wie folgt geändert,
a) der Angeklagte S. ist der Beihilfe zum Erschleichen einer Aufenthaltskarte in sieben Fällen, davon in drei Fällen in zwei tateinheitlichen Fällen und in einem Fall in Tateinheit mit Anstiftung zur Urkundenfälschung schuldig ; im Übrigen ist er freigesprochen,
b) der Angeklagte A. ist der Beihilfe zum Erschleichen einer Aufenthaltskarte in sechs Fällen, davon in drei Fällen in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig; im Übrigen ist er freigesprochen.
Die gegen die Angeklagten in den Fällen II. B. 3, II. B. 6 und II. B. 8 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen entfallen.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
3. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe zum Erschleichen einer Aufenthaltskarte in zehn Fällen, davon einem Fall in Tateinheit mit Anstiftung zur Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten A. unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe zum Erschleichen einer Aufenthaltskarte in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Die gegen den Angeklagten A. erkannte Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Die gegen ihre Verurteilung gerichteten Revisionen der Angeklagten führen zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderung. Im Übrigen sind sie aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts angeführten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Annahme rechtlich selbstständiger Taten in den Fällen II. B. 3 und 4, II. B. 5 und 6 sowie II. B. 7 und 8 der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sich die Beihilfehandlungen der Angeklagten teilweise überschneiden und deshalb Tateinheit (§ 52 StGB) anzunehmen ist.
3
a) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter , Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Erbringt der Beteiligte im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tat- einheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2017 – 4 StR 566/16, NStZ-RR 2017, 306, 307; Beschluss vom 3. Juli 2014 – 4 StR 191/14, NStZ 2014, 702 mwN).
4
b) Danach haben die Angeklagten in den Fällen II. B. 3 und 4, II. B. 5 und 6 sowie II. B. 7 und 8 im Vorfeld jeweils Beihilfehandlungen erbracht, die die Haupttaten der Antragsteller gleichzeitig gefördert haben, indem sie die Doppelhochzeiten in Dänemark vorbereiteten und die Antragsteller in den Fällen II. B. 3 und 4, II. B. 5 und 6 sowie II. B. 7 und 8 (insoweit nur der Angeklagte S. ) dorthin begleiteten. In den Fällen II. B. 7 und 8 hat der Angeklagte A. beide Antragsteller gleichzeitig dadurch unterstützt, dass er Bilder der beiden heiratswilligen Frauen dem Angeklagten S. übermittelte (UA 20).
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2. Der Senat hat die Schuldsprüche entsprechend berichtigt. Dies führt zum Wegfall der in der Beschlussformel angeführten Einzelstrafen. Einer Aufhebung der Gesamtstrafen bedarf es nicht. Denn die bloße Korrektur des Konkurrenzverhältnisses hat hier bei beiden Angeklagten keine Verringerung des Tatunrechts und des Schuldgehalts in seiner Gesamtheit zur Folge (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2017 – 4 StR 566/16, NStZ-RR 2017, 306, 307; Urteil vom 20. Februar 2014 – 3 StR 178/13, StraFo 2014, 298, 299; Urteil vom 5. Juni 2013 – 2 StR 537/12, Rn. 12; Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641; Beschluss vom 22. Dezember 2011 – 4 StR 514/11, wistra 2012, 146, 147; Beschluss vom 7. Januar 2011 – 4 StR 409/10, NJW 2011, 2149, 2151, jeweils mwN). Der Senat schließt deshalb aus, dass das Landgericht vor dem Hintergrund der verbleibenden Einzelstrafen auf niedrigere Gesamtfreiheitsstrafen erkannt hätte. Im Falle einer Zusammenfassung aller Einzeltaten zu einer Tat im Sinne des § 52 StGB wäre sogar eine Aufrechterhal- tung der Gesamtstrafen als (verbleibende) Einzelstrafen möglich gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2017 – 4 StR 438/17, Rn. 4).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.