Bundesgerichtshof Urteil, 19. Apr. 2018 - 3 StR 286/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:190418U3STR286.17.0
bei uns veröffentlicht am19.04.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 286/17
vom
19. April 2018
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Zur Unterstützung einer terroristischen Vereinigung durch Zusage oder Begehung
einer deren Zwecken dienenden oder deren Tätigkeit entsprechenden Straftat, zu
der Mitglieder der Organisation das Nichtmitglied anstiften oder diesem Hilfe leisten.
BGH, Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17 - OLG Celle
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: versuchten Mordes u.a.
zu 2.: Nichtanzeige geplanter Straftaten
ECLI:DE:BGH:2018:190418U3STR286.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 22. Februar 2018 in der Sitzung am 19. April 2018, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
Richter am Bundesgerichtshof Gericke, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Tiemann, Dr. Berg als beisitzende Richter, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -, Staatsanwältin - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt - in der Verhandlung -, Rechtsanwältin - in der Verhandlung - als Verteidiger der Angeklagten S. , Rechtsanwalt - in der Verhandlung -, Rechtsanwältin - in der Verhandlung - als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Justizamtsinspektor B. - in der Verhandlung -, Justizhauptsekretärin K. - bei der Verkündung - als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 26. Januar 2017 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, die Angeklagte S. außerdem die dem Nebenkläger durch ihre Revision entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat die Angeklagte S. wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und den Angeklagten K. wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen; die Angeklagte S. beanstandet darüber hinaus das Verfahren. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Die jugendliche Angeklagte S. identifizierte sich spätestens seit Herbst 2015 mit den Gewalttaten des sog. Islamischen Staates (IS) und befürwortete Terroranschläge auch außerhalb von dessen Kerngebiet im Irak und Syrien, insbesondere die im November 2015 von IS-Mitgliedern in Paris verübten Terrorakte.
4
Die Begehung solcher Attentate in der westlichen Welt, insbesondere in europäischen Staaten, entsprach den Zielen und der Tätigkeit des IS. Die Organisation hatte ihre Anhänger und Sympathisanten wiederholt im Internet dazu aufgerufen, dort Anschläge gegen "Ungläubige", namentlich Polizisten oder andere Repräsentanten des Staates, zu verüben und sie beispielsweise unter Einsatz von Sprengsätzen, Messern oder Fahrzeugen zu töten.
5
Ende Januar 2016 reiste die Angeklagte S. nach Istanbul, um sich von dort aus in das Gebiet des IS schleusen zu lassen und sich der Organisation anzuschließen. Zu diesem Zweck stand sie sowohl über das Internet als auch persönlich in Kontakt mit verschiedenen Mitgliedern des IS. Nachdem ihre Mutter ihr in die Türkei gefolgt war, um sie zurück nach Deutschland zu holen, erteilten ihr die Mitglieder des IS den Auftrag, nach Deutschland zurückzukehren und hier für die Vereinigung eine "Märtyrertat" zu begehen. Die Angeklagte nahm das Ansinnen an und plante, einen öffentlichkeitswirksamen Terroranschlag zu verüben, bei dem "Ungläubige" mittels einer Sprengstoffexplosion oder auf andere Weise getötet werden sollten.
6
Darüber informierte sie den heranwachsenden Angeklagten K. in H. , mit dem sie während ihres Aufenthalts in der Türkei ebenfalls in Chatkontakt stand. Auch K. befürwortete den Kampf des IS und verherrlichte dessen Anschläge. Er trug sich seinerseits mit dem Gedanken, nach Syrien zu reisen und sich dort der Organisation anzuschließen. Er nahm die Mitteilungen der Angeklagten S. ernst und unterließ es, eine Polizeidienststelle oder eine andere Behörde davon in Kenntnis zu setzen, dass sie Mitgliedern des IS zugesagt hatte, für die Vereinigung in Deutschland einen Anschlag zu begehen.
7
Im Anschluss an ihre Rückkehr nach Deutschland stand die Angeklagte S. weiter in Chatkontakt mit Mitgliedern des IS. In der Zeit vom 23. bis zum 25. Februar 2016 kommunizierte sie insbesondere mit einem männlichen Mitglied, das den Nutzernamen "L. " verwendete und dessen Identität nicht näher festgestellt werden konnte. Im Verlauf des Chatverkehrs entwickelte sie den Plan, anstelle eines Sprengstoffattentats einen Polizeibeamten und damit einen Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland, die sie als ein Gebiet des Unglaubens empfand und deren Bewohner sie als "Feinde des Islam" hasste, durch einen Messerstich in den Hals zu töten, seine Dienstwaffe an sich zu nehmen und damit auf weitere "Ungläubige" zu schießen. Sie ging davon aus, bei ihrer Tat selbst getötet zu werden und so den "Märtyrertod" zu erleiden. Details ihres Vorhabens erörterte sie per Chat mit "L. ", der ihr unter anderem riet, den Polizisten unter einem Vorwand in eine Ecke zu locken und ihm dann seine Waffe wegzunehmen. Er forderte sie zudem auf, ihm ein Foto von einer Polizeipistole zu senden, damit er ihr erläutern könne, wie die Waffe zu bedienen sei. Am 25. Februar 2016 übersandte die Angeklagte "L. " ein Bekennervideo, das sie mit ihrem Mobiltelefon aufgenommen hatte; darin erläuterte sie, warum sie ihre Tat für den IS begehen werde. Außerdem bat sie "L. ", das Attentat am nächsten Tag verüben zu dürfen, weil es sich um einen Freitag handele.
8
Um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, begab sich die Angeklagte S. am 26. Februar 2016 zum Hauptbahnhof H. ; dabei führte sie ein Gemüsemesser mit einer etwa 6 cm langen Klinge bei sich. Sie folgte den Polizeibeamten Ka. und Kü. , die im Bahnhofsgebäude Streife gingen. Als die Beamten sich an einer Balustrade positionierten, blieb sie wenige Meter neben ihnen stehen und starrte sie minutenlang an. Nachdem der Polizeibeamte Ka. dadurch auf sie aufmerksam geworden war, kam er mit seinem Kollegen Kü. überein, sie einer Personenkontrolle zu unterziehen. Beide gingen auf die Angeklagte zu und Ka. fragte sie, ob alles in Ordnung sei und ob sie auf jemanden warte. Außerdem bat er sie um ihren Ausweis, um ihre Personalien feststellen zu können. Die Angeklagte übergab ihm daraufhin mit der linken Hand eine mit einem Lichtbild versehene Schülerfahrkarte; in ihrer rechten Hand hielt sie währenddessen das Gemüsemesser verborgen. Ka. nahm die Schülerfahrkarte entgegen und wandte sich von der Angeklagten ab, um den Ausweis zu kontrollieren. In diesem Augenblick trat die Angeklagte für Ka. völlig überraschend einen Schritt vor, holte mit der rechten Hand aus und stach ihm mit dem Gemüsemesser gezielt oberhalb der Schutzweste, die er deutlich erkennbar über seiner Dienstkleidung trug, in den Hals. Sie nutzte dabei bewusst aus, dass er in diesem Moment mit keinem Angriff rechnete. Ob sie im Moment der Tatausführung noch ihre ursprüngliche Absicht weiterverfolgte , ihm die Dienstwaffe abzunehmen und mit dieser auf weitere Personen zu schießen, hat das Oberlandesgericht nicht feststellen können.
9
Unmittelbar nachdem die Angeklagte S. dem Polizeibeamten Ka. den Stich versetzt hatte, wurde sie von dessen Kollegen Kü. überwältigt , auf dem Boden fixiert und dadurch an der weiteren Verwirklichung ihres Vorhabens gehindert. Die Stichverletzung, die Ka. erlitten hatte, war lebensbedrohlich und musste operativ versorgt werden.
10
II. Die von der Angeklagten S. erhobene Verfahrensrüge, die durch Auswertung ihres Mobiltelefons gewonnenen Beweisergebnisse seien wegen Verstoßes gegen § 94 und § 98 StPO unverwertbar, weil sie sich nicht mit seiner Beschlagnahme durch die Polizeibeamten einverstanden erklärt habe und keine gerichtliche Entscheidung eingeholt worden sei, ist jedenfalls unbegründet.
11
Die Angeklagte war zwar spätestens im Zeitpunkt der Sicherstellung ihres Mobiltelefons gemäß § 94 StPO unmittelbar im Anschluss an ihre Wiedereinreise nach Deutschland - noch deutlich vor dem Attentat - als Beschuldigte anzusehen, weil es sich dabei um eine strafprozessuale Eingriffsmaßnahme handelte, die an einen Tatverdacht anknüpft (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07, BGHSt 51, 367, 370 f.; LR/Menges, StPO, 26. Aufl., § 94 Rn. 20). Unabhängig davon, ob sie sich mit der Sicherstellung ihres Mobiltelefons einverstanden erklärte oder nicht, ergibt sich daraus jedoch kein Verfahrensverstoß , der eine Unverwertbarkeit der durch die Auswertung des Telefons gewonnenen Beweisergebnisse zur Folge haben könnte:
12
Die Polizeibeamten durften die Beschlagnahme anordnen, weil Gefahr im Verzug bestand (§ 98 Abs. 1 Satz 1 StPO). Ein Verdachtsgrad gegen die Angeklagte (etwa hinsichtlich einer Tat nach § 89a Abs. 2a StGB), der die Beamten zu deren weiteren Festhalten berechtigt hätte, lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Wäre ihr das Mobiltelefon belassen worden, hätte sie daher die Mög- lichkeit gehabt, dieses verschwinden zu lassen oder zumindest das sie belastende Datenmaterial zu entfernen bzw. zu löschen. Da die Angeklagte der Sicherstellung - auch nach dem Revisionsvorbringen - nicht explizit widersprochen hatte, war auch eine richterliche Bestätigung der Maßnahme nach § 98 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht erforderlich. Im Übrigen hätte, selbst wenn die Einholung einer richterlichen Entscheidung geboten gewesen wäre, aus deren Fehlen angesichts der Tatsache, dass die Mutter der Angeklagten der Sicherstellung des Mobiltelefons ausdrücklich zugestimmt hatte, und mangels ausdrücklichen Widerspruchs der Angeklagten kein Verwertungsverbot hinsichtlich der aus der Auswertung des Telefons gewonnenen Erkenntnisse resultiert.
13
Dementsprechend greifen auch die an den behaupteten Verstoß gegen die §§ 94, 98 StPO anknüpfenden Verfahrensbeanstandungen bezüglich der Auswertung des Mobiltelefons und daran anschließender weiterer Ermittlungsmaßnahmen nicht durch.
14
III. Die auf die Sachrügen gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der beiden Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf insoweit nur Folgendes:
15
Die Schuldsprüche wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 StGB) betreffend die Angeklagte S. sowie wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten unter diesem Gesichtspunkt (§ 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB) betreffend den Angeklagten K. halten im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand.
16
1. Es gilt:
17
a) Nach ständiger Rechtsprechung ist unter einem Unterstützen im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (vgl. nur BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117; Beschluss vom 19. Oktober 2017 - AK 56/17, juris Rn. 18 mwN). Dies kann zum einen dadurch geschehen , dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Beteiligung (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich gleichermaßen auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 117 f.; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, 350 f.).
18
Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete , aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen oh- ne Belang (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 116; Beschlüsse vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, aaO, S. 348 f.; vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6). In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 116). Die Wirksamkeit der Unterstützungsleistung und deren grundsätzliche Nützlichkeit müssen indes stets anhand belegter Fakten nachgewiesen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2013 - AK 13 u. 14/13, BGHSt 58, 318, 323 f.; vom 19. Oktober 2017 - AK 56/17, juris Rn. 18).
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Fördert der Außenstehende die mitgliedschaftliche Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung, so bedarf es für die Tathandlung des Unterstützens in der Regel nicht der Feststellung eines noch weitergehenden positiven Effekts der Handlungen des Nichtmitglieds für die Organisation. Da als Folge des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt, grundsätzlich bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Organisation zu sehen ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Täter die Erfüllung einer Aufgabe durch ein Mitglied fördert, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist, oder es in dessen Entschluss stärkt, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, aaO; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 117 f.; Beschlüsse vom 11. Juli 2013 - AK 13 u. 14/13, aaO, S. 326 f.; vom 14. Dezember 2017 - StB 18/17, NStZ-RR 2018, 72, 73 f.).
20
b) Für Straftaten, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder deren Tätigkeit entsprechen, sind diese Grundsätze wie folgt zu konkretisieren und fortzuschreiben:
21
aa) Nimmt ein Außenstehender die Aufforderung eines Mitglieds an, zugunsten der Vereinigung eine solche - zum Katalog des § 129a Abs. 1, 2 StGB zählende - Straftat zu begehen, so kann bereits darin eine Unterstützungshandlung gemäß § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB liegen. Freilich stellt nicht jede Zusage eines Nichtmitglieds, einen die Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder fördernden Beitrag zu leisten, ein tatbestandsmäßiges Unterstützen dar (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2005 - StB 3/05, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 1 in Abkehr von BGH, Beschluss vom 5. April 1990 - 1 BGs 112/90, BGHR StGB § 129a Abs. 3 Unterstützen 4). Vielmehr ist, wie dargelegt, stets erforderlich , dass die Zusicherung selbst einen objektiven Nutzen entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 129 Rn. 108).
22
Für die Vereinigung ist die Zusage einer ihren Zwecken dienenden oder ihrer Tätigkeit entsprechenden Straftat tatsächlich objektiv nützlich, wenn der Außenstehende zu der Tat entschlossen ist, diese zumindest in den wesentlichen Grundzügen konkretisiert ist und die Erklärung einem Mitglied oder einer Organisationseinheit zugeht (s. auch BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2017 - AK 56/17, StV 2018, 103, 106). Der unter diesen Voraussetzungen für die Tatbestandsverwirklichung ausreichende Vorteil besteht darin, dass die Aktionsmöglichkeiten der Organisation im Hinblick auf die terroristischen Ziele effektiv erweitert werden; hierdurch wird die ihr eigene Gefährlichkeit gefestigt. Mit der von dem Nichtmitglied erklärten Bereitschaft, diese Ziele in strafbarer Weise zu verwirklichen, eröffnet sich der Vereinigung eine (weitere) reale Handlungsoption, auf die sie nach ihrem Gutdünken zugreifen kann. Darauf, ob sie den Vorteil auch nutzt, kommt es nach den allgemeinen rechtlichen Maßstäben hingegen nicht an.
23
Die Beurteilung einer derartigen Zusage als tatbestandsmäßiges Unterstützen stimmt mit der in § 30 Abs. 2 Variante 1 StGB zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertung überein. Denn das Nichtmitglied, das die Aufforderung zur Begehung einer Straftat gemäß den Zwecken oder der Tätigkeit der Vereinigung annimmt, erklärt sich im Sinne dieser Vorschrift hierzu bereit (zu den Voraussetzungen s. BGH, Beschluss vom 23. März 2017 - 3 StR 260/16, NJW 2017, 2134, 2135 mwN). Handelt es sich bei einer solchen Tat - wie in den allermeisten Fällen - um ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1, 3 StGB), so weist eine solche Zusage bereits unabhängig von §§ 129a, 129b StGB einen eigenen strafrechtlichen Unwert auf. Strafgrund für § 30 StGB ist, dass die (angestrebte) Willensübereinkunft Mehrerer im Vorfeld der Deliktsbegehung deren Wahrscheinlichkeit erhöht (vgl. BGH, Urteile vom 4. Oktober 1957 - 2 StR 366/57, BGHSt 10, 388, 389 f.; vom 29. Oktober 1997 - 2 StR 239/97, NStZ 1998, 347, 348; vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 102 f.). Damit in Einklang steht, dass ein solches Einvernehmen - ungeachtet der Deliktsart - eine hinreichend konkrete Gefahr für das bedrohte Rechtsgut darstellt und damit für die Vereinigung mit Blick auf deren Ziele auch isoliert betrachtet einen objektiven Nutzen entfaltet.
24
bb) Führt ein Außenstehender selbst eine Straftat aus, die mit den Zwecken oder der Tätigkeit der Vereinigung übereinstimmt und an der ein Mitglied als Anstifter (§ 26 StGB) oder Gehilfe (§ 27 StGB) teilnimmt, so ist dies ebenfalls als Unterstützen im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB zu werten. Das Nichtmitglied verwirklicht den Tatbestand zwar nicht durch eine Hilfeleistung zu dem mitgliedschaftlichen Betätigungsakt des Vereinigungsmitglieds, jedoch durch die Förderung der Vereinigung selbst.
25
(1) Die von dem Außenstehenden ausgeführte Straftat stellt keine Unterstützung der von dem Angehörigen der Organisation vorgenommenen mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlung dar, die allein in der Anstiftung oder Beihilfe zu eben dieser Tat besteht.
26
Da es sich bei der Tathandlung des Unterstützens in der Form der Hilfeleistung zu einem Betätigungsakt eines Organisationsmitglieds um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe handelt, hätte eine derartige Konstruktion zur Folge, dass die Ausführung der Haupttat ex post zugleich als Beihilfe zur Anstiftung bzw. als Kettenbeihilfe hierzu bewertet würde. Das stößt insbesondere in zweierlei Hinsicht auf durchgreifende rechtliche Bedenken: Zum einen sind die Teilnahmehandlungen des Mitglieds zum Zeitpunkt der Tatausführung in aller Regel bereits abgeschlossen. Zum anderen ist Bezugspunkt der Beihilfe eine fremde Tat (für die Anstiftung s. BGH, Beschluss vom 23. März 2017 - 3 StR 260/16, NJW 2017, 2134, 2135 mwN), wohingegen der mit Tatherrschaft Handelnde eine eigene Tat begeht; der Gedanke einer - zur Täterschaft verselbständigten - mittelbaren Beihilfe durch Ausführung der Haupttat selbst erweist sich als rekursiv.
27
(2) Mit der Ausführung der den Zwecken der Vereinigung dienenden oder deren Tätigkeit entsprechenden Straftat, an der das Vereinigungsmitglied teilnimmt, fördert der Außenstehende indes die Organisation als solche.
28
(a) Die Teilnahme des Mitglieds an einer derartigen Straftat eröffnet deshalb den Anwendungsbereich des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB, weil die gemeinsame Tatbeteiligung (§ 28 Abs. 2 StGB) die Grundlage dafür bildet, dass die Tat als solche der Vereinigung angesehen werden kann. In dem - straf- rechtlich relevanten - Mitwirken des Mitglieds manifestiert sich der Einfluss des Personenverbands auf das Delikt, das diesem daher zuzurechnen ist; auch die Deliktsbegehung selbst festigt auf diese Weise die der Organisation eigene Gefährlichkeit.
29
Dass der Außenstehende mit der Tatausführung die Vereinigung als solche fördert, bestätigen folgende Erwägungen: Ein Außenstehender unterstützt nach § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB die Vereinigung, wenn er zu einer von ihr geplanten und von einem Mitglied ausgeführten Straftat Hilfe leistet. Dadurch fördert das Nichtmitglied nicht nur die mitgliedschaftliche Betätigung des Vereinigungsmitglieds , sondern auch die aus der Organisation heraus begangene Tat und damit die Vereinigung selbst. Liegt somit - auch - eine Unterstützung der Vereinigung als solcher vor, indem das Nichtmitglied die organisationsbezogene strafbare Handlung des Mitglieds fördert, so gilt dies erst recht, falls der Außenstehende sich nicht nur als Gehilfe, sondern als Täter, mithin in einer intensiveren Form, an einem ihr zuzurechnenden Delikt beteiligt. Durch die gemeinsame Beteiligung fördert er in beiden Fällen die Tat, die mit den Zwecken oder der Tätigkeit der Vereinigung übereinstimmt und unter ihrem Einfluss begangen wird.
30
(b) Das Kriterium der gemeinsamen Tatbeteiligung begrenzt zugleich den Anwendungsbereich des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB. Begeht der Außenstehende die Straftat unabhängig von der Organisation, aus eigenem Antrieb und ohne Beteiligung eines Mitglieds, unterstützt er die Vereinigung auch dann nicht, wenn er in ihrem Interesse handelt. Allein der Umstand, dass die Tat selbst den Zwecken der Vereinigung dient oder deren Tätigkeit entspricht, reicht dafür nicht aus.
31
2. Gemessen an den dargelegten rechtlichen Maßstäben unterstützte die Angeklagte S. - wie vom Oberlandesgericht angenommen - die ausländische terroristische Vereinigung IS in dreifacher Weise; indes liegt nur eine materiellrechtliche Tat im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 StGB vor.
32
a) Die Zusagen der Angeklagten S. gegenüber den IS-Mitgliedern sind als Unterstützungshandlungen zu beurteilen. Das gilt zum einen für die Absprachen während ihres Türkeiaufenthalts und zum anderen für diejenigen in den Tagen vor der Tat, nachdem sie nach Deutschland zurückgekehrt war. Die Angeklagte nahm das Ansinnen der Vereinigung ihr gegenüber an, eine "Märtyrertat" (zunächst einen Sprengstoffanschlag, später ein Attentat auf einen Polizisten mit anschließendem Schusswaffengebrauch gegenüber Dritten) zu begehen , und entwickelte unter Anleitung und Förderung der IS-Mitglieder - zumindest in den wesentlichen Grundzügen - einen ernsthaften Plan hierfür. Das jeweils beabsichtigte Handeln diente den Zwecken des IS und entsprach dessen Tätigkeit, die unter anderem darauf gerichtet ist, Terroranschläge in europäischen Staaten entweder durch Vereinigungsmitglieder selbst zu verüben oder Nichtmitglieder dafür zu gewinnen. Mit den Zusagen erklärte sich die Angeklagte nach §§ 211, 30 Abs. 2 Variante 1 StGB gegenüber Angehörigen der Organisation zum Verbrechen des Mordes bereit.
33
Soweit das Oberlandesgericht ein tatbestandsmäßiges Unterstützen darin erkannt hat, dass die von der Angeklagten S. erklärten Zusagen zur Durchführung eines Attentats in Deutschland "den Zusammenhalt der Mitglieder" des IS gestärkt und diese dazu ermutigt hätten, weitere Unterstützer zu werben, kann ihm dagegen nicht gefolgt werden. Für derartige Annahmen fehlt jeder Beleg. Hierauf kommt es für die Strafbarkeit der Angeklagten indes nach dem zuvor Ausgeführten nicht an.
34
b) Das Attentat auf den Polizeibeamten Ka. stellt eine weitere Unterstützungshandlung dar.
35
Die Angeklagte S. führte diese Straftat im Auftrag und in enger Abstimmung mit dem IS aus. Die Mitglieder, welche sie mit dem Attentat in Deutschland beauftragten, waren daran als Anstifter gemäß § 26 StGB beteiligt; diejenigen, mit denen sie in den Tagen zuvor Einzelheiten ihres Vorhabens abstimmte, namentlich die Person, die unter dem Namen "L. " handelte, leisteten zumindest Hilfe im Sinne von § 27 Abs. 1 StGB. Das Attentat ist daher dem IS zuzurechnen, so dass die Angeklagte diesen dadurch unterstützte, dass sie es verübte.
36
c) Der Senat teilt die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass die Angeklagte S. nur einer einzigen Tat der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig ist. Die in der Türkei und in Deutschland erteilten Zusagen sowie die Tatausführung stellen lediglich rechtlich unselbständige Teilakte eines einheitlichen Förderns der Organisation dar.
37
Zwar stehen mehrere Handlungen, durch die ein Täter eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB unterstützt, grundsätzlich zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit. Anders als bei der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Alternative 2 StGB, bei der wegen ihres Charakters als Organisationsdelikt mehrere Beteiligungshandlungen jedenfalls dann, wenn sie nicht ihrerseits einen weiteren Straftatbestand erfüllen, zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit verknüpft werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 311 f., 319 f.; vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 355/16, BGHR StGB § 129a Konkurrenzen 6), kommt wegen der unterschiedlichen rechtlichen Struktur bei den Tatbestandsvarianten des Unterstützens und Werbens nach § 129a Abs. 5 StGB eine solche normativ vorgegebene pauschale Zusammenfassung mehrerer unterstützender Einzelakte nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. August 2017 - AK 34/17, NStZ-RR 2017, 347, 348; vom 19. Oktober 2017 - AK 56/17, StV 2018, 103, 106).
38
Diese Bewertung steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass sich aus den allgemeinen konkurrenzrechtlichen Regeln nicht etwas anderes ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2017 - AK 56/17, StV 2018, 103, 106). Deren Anwendung führt hier zu der Annahme nur einer Unterstützungstat; denn erklärt sich ein Täter bereit, ein Verbrechen zu begehen, und setzt er seinen Plan anschließend um, so tritt die versuchte Beteiligung (§ 30 Abs. 2 Variante 1 StGB) im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter die Haupttat zurück (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1986 - 2 StR 578/85, NJW 1986, 1820, 1821; Beschlüsse vom 17. November 1999 - 1 StR 290/99, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 31; vom 6. Dezember 2017 - AK 63/17, NStZ-RR 2018, 53, 54; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 114). Für den gegenständlichen Fall bedeutet das zunächst, dass die von der Angeklagten S. in Deutschland erteilte Zusage eines Attentats auf einen Polizisten gegenüber der späteren Tatausführung materiellrechtlich unselbständig ist; insoweit ohne Bedeutung ist, dass die Angeklagte - dem ursprünglichen Plan zuwider - nicht dem Polizeibeamten Ka. die Dienstwaffe entwand und auf weitere Personen schoss. Aber auch die Absprache über den ursprünglich beabsichtigten Terroranschlag mittels einer Sprengstoffexplosion ist nicht als eigenständige Handlung zu bewerten. Die Angeklagte gab ihr Vorhaben, in Deutschland für den IS unter dessen Einfluss Morde an "Ungläubigen" zu begehen, nicht auf, sondern modifizierte mit dem Einverständnis der Organisation lediglich ihren Plan insbesondere im Hinblick auf das einzusetzende Tatmittel.
39
Ohnehin beschwert die Annahme nur einer Unterstützungstat die Angeklagte S. nicht.
Becker Gericke Spaniol RiBGH Dr. Tiemann ist Berg erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Becker

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Strafgesetzbuch - StGB | § 129a Bildung terroristischer Vereinigungen


(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, 1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völ

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafgesetzbuch - StGB | § 129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Einziehung


(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausg

Strafgesetzbuch - StGB | § 30 Versuch der Beteiligung


(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend. (

Strafgesetzbuch - StGB | § 89a Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat


(1) Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 od

Strafprozeßordnung - StPO | § 98 Verfahren bei der Beschlagnahme


(1) Beschlagnahmen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in den Räumen ei

Strafgesetzbuch - StGB | § 28 Besondere persönliche Merkmale


(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. (2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Mer

Strafgesetzbuch - StGB | § 26 Anstiftung


Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

Strafprozeßordnung - StPO | § 94 Sicherstellung und Beschlagnahme von Gegenständen zu Beweiszwecken


(1) Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen. (2) Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwil

Strafgesetzbuch - StGB | § 12 Verbrechen und Vergehen


(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. (2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht si

Strafgesetzbuch - StGB | § 138 Nichtanzeige geplanter Straftaten


(1) Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung 1. (weggefallen)2. eines Hochverrats in den Fällen der §§ 81 bis 83 Abs. 1,3. eines Landesverrats oder einer Gefährdung der äußeren Sicherheit in den Fällen der §§ 94 bis 96, 97a oder 100,4. einer Geld- od

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Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2007 - 1 StR 3/07

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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2018 - AK 37/18

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 46/18 vom 15. November 2018 in dem Strafverfahren gegen wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:151118BAK46.18.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach

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(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen.

(2) Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwillig herausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahme.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Führerscheine, die der Einziehung unterliegen.

(4) Die Herausgabe beweglicher Sachen richtet sich nach den §§ 111n und 111o.

(1) Beschlagnahmen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in den Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt darf nur durch das Gericht angeordnet werden.

(2) Der Beamte, der einen Gegenstand ohne gerichtliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung beantragen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger des Betroffenen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Der Betroffene kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen. Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich nach § 162. Der Betroffene kann den Antrag auch bei dem Amtsgericht einreichen, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat; dieses leitet den Antrag dem zuständigen Gericht zu. Der Betroffene ist über seine Rechte zu belehren.

(3) Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft oder eine ihrer Ermittlungspersonen erfolgt, so ist binnen drei Tagen dem Gericht von der Beschlagnahme Anzeige zu machen; die beschlagnahmten Gegenstände sind ihm zur Verfügung zu stellen.

(4) Wird eine Beschlagnahme in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Beschlagnahme in Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.

(1) Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen.

(2) Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwillig herausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahme.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Führerscheine, die der Einziehung unterliegen.

(4) Die Herausgabe beweglicher Sachen richtet sich nach den §§ 111n und 111o.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 3/07
vom
3. Juli 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nur I und II 1 bis 3)
Veröffentlichung: ja
____________________________________
Zur Begründung der Beschuldigteneigenschaft durch die Art und Weise einer
Vernehmung (im Anschluss an BGHSt 38, 214).
BGH, Urt. vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07 - LG Waldshut-Tiengen
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Juli 2007,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers T. R. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin H. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers S. R. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 10. Mai 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Totschlags an J. H. verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch. 3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Freiburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in zwei Fällen zu lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt; von der Feststellung der besonderen Schuldschwere hat es abgesehen. Opfer der Taten waren seine Ehefrau G. H. und seine Tochter J. H. . Wegen des Totschlags an der Ehefrau hat das Landgericht eine Freiheitsstrafe von elf Jahren verhängt; den Totschlag an der Tochter hat es als besonders schweren Fall bewertet (§ 212 Abs. 2 StGB) und deswegen auf eine lebenslange Freiheitsstrafe erkannt.
2
Der Angeklagte wendet sich mit der auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft greift das Urteil mit der zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten Revision - beschränkt - insoweit an, als der Angeklagte "bezüglich der Tötung seiner Tochter J. H. wegen Totschlags und nicht wegen Mordes verurteilt" und "die besondere Schwere der Schuld nicht festgestellt" worden ist. Beide Rechtsmittel haben Erfolg. Allerdings führt die Revision der Staatsanwaltschaft entgegen ihrem Antrag auch zur Aufhebung der wegen der Tötung von J. H. verhängten Einzelstrafe und damit der Gesamtsstrafe.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Am 9. oder 10. Mai 2002 schlug der Angeklagte im gemeinsamen Wohnanwesen zunächst mehrmals mit großer Kraft einen schweren großflächigen Gegenstand gegen den Kopf seiner Ehefrau G. H. oder stieß - nach Eintritt der Bewusstlosigkeit - ihren Kopf mit großer Kraft gegen einen derartigen Gegenstand. G. H. erlitt drei Schädelbrüche, wobei eine der Frakturen auch durch den ungehemmten Aufprall des Kopfes infolge Bewusstlosigkeit verursacht worden sein kann. Anschließend tötete der Angeklagte in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang seine Tochter J. H. auf eine nicht bekannte Weise. Weitere Einzelheiten des eigentlichen Tathergangs hat das Landgericht nicht feststellen können.
5
Nach den Taten versteckte er die Leichen in einem 30 Kilometer entfernt liegenden Wald, nachdem er ihre Extremitäten mit Paketklebeband fixiert und sie mit Folie und Textilien umwickelt hatte. Mehr als drei Jahre später, am 23. August 2005, wurden die beiden Leichen in skelettiertem Zustand entdeckt.

II.

6
Revision des Angeklagten:
7
Die Revision des Angeklagten hat bereits mit der Verfahrensrüge Erfolg, die Kammer habe bei der Urteilsfindung rechtsfehlerhaft die Zeugenaussagen des Angeklagten am 26. September und 13. November 2002 verwertet, obwohl er als Beschuldigter hätte vernommen und dementsprechend belehrt werden müssen (Verstoß gegen § 136 Abs. 1, § 163a Abs. 4 StPO).
8
1. Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
9
Der Angeklagte zeigte am 13. Mai 2002 das Verschwinden von Ehefrau und Tochter an. Auf Grund dieser Vermisstenanzeige wurde zunächst lediglich bei der Polizei ein "Vermisstenvorgang" geführt. Der Angeklagte wurde am 13. Mai, 16. Mai, 12. August und 26. September 2002 von Polizeibeamten als Zeuge vernommen. Er wurde - nur - vor der Zeugenvernehmung am 26. September darauf hingewiesen, dass er "bei der Polizei … überhaupt nichts sagen" und jedenfalls "keine Angaben machen brauche(…), die … (ihn) belasten könnten". Bei den Vernehmungen äußerte sich der Angeklagte umfassend zur Sache. Am 4. Oktober 2002 legte die Polizei den Vorgang der Staatsanwaltschaft vor, die am 7. Oktober 2002 ein "Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts eines nichtnatürlichen Todesfalls" einleitete. Am 10. Oktober 2002 erfolgte eine Suchaktion mit Leichensuchhunden mit dem Einverständnis des Angeklagten auf seinem Grundstück einschließlich des Wohnhauses. Am 13. November 2002 sagte der Angeklagte bei der Polizei nochmals ergänzend als Zeuge zur Sache aus, ohne belehrt worden zu sein.
10
Als am 8. März 2003 ein Ledermäppchen mit Plastikkarten der Ehefrau in der Nähe des Anwesens des Angeklagten aufgefunden wurde, leitete die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 10. März 2003 gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes in zwei Fällen ein. Am 21. März 2003 wurde er als Beschuldigter vernommen; nach Beschuldigtenbelehrung, allerdings ohne dass auf die Nichtverwertbarkeit früherer Aussagen hingewiesen wurde (sog. qualifizierte Belehrung), machte er ergänzende Angaben zur Sache. Weil weitere Ermittlungen keine hinreichend sicheren Erkenntnisse über den Tod oder den Verbleib der beiden Frauen erbrachten, wurde das Verfahren am 3. Juni 2004 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
11
Nachdem die beiden Leichen - die der Ehefrau eingewickelt in einen aus dem gemeinsamen Haushalt stammenden Teppich - entdeckt worden waren, erging nach Wiederaufnahme der Ermittlungen am 26. August 2005 Haftbefehl gegen den Angeklagten, auf Grund dessen seit demselben Tag Untersuchungshaft gegen ihn vollzogen wird. Bei einer Beschuldigtenvernehmung am 29. August 2005 sagte der Angeklagte nach - nicht qualifizierter - Belehrung erneut ergänzend aus.
12
In der Hauptverhandlung, die am 27. Februar 2006 begann, machte der Angeklagte lediglich Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen und zu seinem Lebenslauf; zur Sache ließ er sich nicht ein. Die Verteidigung widersprach rechtzeitig der Verwertung der Aussagen des Angeklagten unter anderem vom 26. September und 13. November 2002, da der Angeklagte als Beschuldigter hätte belehrt werden müssen. Die Schwurgerichtskammer wies den Widerspruch zurück.
13
2. Die Revision macht geltend, dass der Angeklagte bei den Zeugenaussagen vom 26. September und 13. November 2002 aus Sicht der Vernehmungsbeamten "längst" Beschuldigter gewesen sei. Im Zentrum des Revisionsvorbringens steht dabei die Vernehmung am 26. September 2002; die Beschul- digteneigenschaft ergebe sich hier aus den zuvor bei den Ermittlungen gewonnenen Erkenntnissen sowie aus dieser Vernehmung selbst.
14
Zur Zeit der Vernehmung seien die Ehefrau und die Tochter des Angeklagten schon mehr als viereinhalb Monate lang verschwunden gewesen. Von der Polizei eingeleitete umfangreiche Suchmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Nach den polizeilichen Erkenntnissen hätten die Vermissten keinen Kontakt zu Verwandten oder Freunden aufgenommen; auf dem Giro- und dem Kreditkartenkonto der Ehefrau seien keine Bewegungen zu verzeichnen gewesen.
15
Die Vernehmung sei von Vorhalten und Fragen geprägt, aus denen hervorgehe , dass der Vernehmungsbeamte "nicht nur im Sinne eines subjektiven 'Gefühls'", sondern "auf der Grundlage des aktuellen Ermittlungsstands einerseits davon überzeugt war, dass G. und J. H. tot waren, und andererseits, dass der Angeklagte mit dem Tod der beiden 'in Zusammenhang' stand". Der Vernehmungsbeamte habe auch zum Ausdruck gebracht, dass er die Angaben des Angeklagten insbesondere insoweit für nicht glaubhaft halte, als dieser Erinnerungsdefizite für die Tage nach dem Verschwinden behauptet habe.
16
3. Die Verwertung der Aussagen des Angeklagten vom 26. September und 13. November 2002 durch das Landgericht ist auf Grund der fehlenden Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 StPO rechtsfehlerhaft. Denn der Angeklagte erlangte mit der Vernehmung am 26. September 2002 und mit der anschließenden Suchmaßnahme auf seinem Anwesen den Status eines Beschuldigten.
17
a) Der § 136 StPO zugrunde liegende Beschuldigtenbegriff vereinigt subjektive und objektive Elemente. Die Beschuldigteneigenschaft setzt - subjektiv - den Verfolgungswillen der Strafverfolgungsbehörde voraus, der sich - objektiv - in einem Willensakt manifestiert (vgl. BGHSt 38, 214, 228; BGH NJW 1997, 1591; Rogall in SK-StPO 41. Lfg. vor § 133 Rdn. 33; vgl. auch § 397 Abs. 1 AO). Wird gegen eine Person ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, liegt darin ein solcher Willensakt. Andernfalls beurteilt sich dessen Vorliegen danach, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten nach außen, insbesondere in der Wahrnehmung des davon Betroffenen darstellt (BGHSt aaO). Dabei ist zwischen verschiedenen Ermittlungshandlungen wie folgt zu differenzieren :
18
Strafprozessuale Eingriffsmaßnahmen, die nur gegenüber dem Beschuldigten zulässig sind, sind Handlungen, die ohne weiteres auf den Verfolgungswillen der Strafverfolgungsbehörde schließen lassen (Rogall aaO Rdn. 23). Aber auch Eingriffsmaßnahmen, die an einen Tatverdacht anknüpfen, begründen grundsätzlich die Beschuldigteneigenschaft des von der Maßnahme betroffenen Verdächtigen, weil sie regelmäßig darauf abzielen, gegen diesen wegen einer Straftat strafrechtlich vorzugehen; so liegt die Beschuldigtenstellung des Verdächtigen auf der Hand, wenn eine Durchsuchung nach § 102 StPO dazu dient, für seine Überführung geeignete Beweismittel zu gewinnen (vgl. BGH NJW 1997, 1591, 1592; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 136 Rdn. 4). Anders liegt es bei Vernehmungen. Bereits aus §§ 55, 60 Nr. 2 StPO ergibt sich, dass im Strafverfahren auch ein Verdächtiger im Einzelfall als Zeuge vernommen werden darf, ohne dass er über die Beschuldigtenrechte belehrt werden muss (vgl. BGHSt 10, 8, 10; 17, 128, 133; Hanack aaO; Rogall aaO Rdn. 11; ferner BVerfG [Kammer], Beschl. vom 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1513/05). Der Vernehmende darf dabei auch die Verdachtslage weiter abklären ; da er mithin nicht gehindert ist, den Vernommenen mit dem Tatverdacht zu konfrontieren, sind hierauf zielende Vorhalte und Fragen nicht zwingend ein hinreichender Beleg dafür, dass der Vernehmende dem Vernommenen als Be- schuldigten gegenübertritt. Der Verfolgungswille kann sich jedoch aus dem Ziel, der Gestaltung und den Begleitumständen der Befragung ergeben.
19
Ergibt sich die Beschuldigteneigenschaft nicht aus einem Willensakt der Strafverfolgungsbehörden, kann - abhängig von der objektiven Stärke des Tatverdachts - unter dem Gesichtspunkt der Umgehung der Beschuldigtenrechte gleichwohl ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorliegen. Ob die Strafverfolgungsbehörde einen solchen Grad des Verdachts auf eine strafbare Handlung für gegeben hält, dass sie einen Verdächtigen als Beschuldigten vernimmt, unterliegt ihrer pflichtgemäßen Beurteilung. Im Rahmen der gebotenen sorgfältigen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls kommt es dabei darauf an, inwieweit der Tatverdacht auf hinreichend gesicherten Erkenntnissen hinsichtlich Tat und Täter oder lediglich auf kriminalistischer Erfahrung beruht. Falls jedoch der Tatverdacht so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde andernfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn dennoch nicht zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen wird (vgl. BGHSt 37, 48, 51 f.; 38, 214, 228; BGH NJW 1994, 2904, 2907; 1996, 2663; 1997, 1591; NStZ-RR 2002, 67 [bei Becker]; 2004, 368; Beschl. vom 25. Februar 2004 - 4 StR 475/03).
20
Andererseits kann der Umstand, dass die Strafverfolgungsbehörde - zumal bei Tötungsdelikten - erst bei einem konkreten und ernsthaften Tatverdacht zur Vernehmung des Verdächtigen als Beschuldigten verpflichtet ist, für ihn auch eine schützende Funktion haben. Denn der Vernommene wird hierdurch nicht vorschnell mit einem Ermittlungsverfahren überzogen, das erhebliche nachteilige Konsequenzen für ihn haben kann.
21
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist es zwar nicht zu beanstanden, dass Staatsanwaltschaft und Polizei die Verdachtslage dahingehend beurteil- ten, dass noch keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für einen ernsthaften Tatverdacht auf ein Tötungsdelikt des Angeklagten vorhanden waren (nachfolgend aa). Jedoch zeigten die Ermittlungsbeamten bei der Vernehmung am 26. September 2002 und danach ein Verhalten, aus welchem sich für den Angeklagten ergab, dass sie ihm als Beschuldigten begegneten (nachfolgend bb).
22
aa) Nach der dienstlichen Stellungnahme des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft vom 6. März 2006 gingen Staatsanwaltschaft und Polizei bis zum Auffinden des Kartenmäppchens am 8. März 2003 - also bei sämtlichen Zeugenvernehmungen - davon aus, dass "noch keine Tatsachen vorlagen, die einen konkreten und ernsthaften Verdacht gegen den Angeklagten begründet hätten". Diese Beurteilung entsprach dem Stand der Ermittlungen. Denn die Erkenntnisse in dem Vermisstenfall erschöpften sich weitgehend darin, dass G. und J. H. schon längere Zeit - am 26. September 2002 seit mehr als viereinhalb Monaten - "spurlos" verschwunden waren. Dies gilt namentlich für die erfolglosen Suchaktionen, den ausbleibenden Kontakt zu Verwandten und Freunden sowie die fehlenden Kontenbewegungen. Auf der anderen Seite lagen Hinweise vor, die gegen einen Tatverdacht sprachen; so hatten sich etwa Personen bei der Polizei gemeldet, welche die Vermissten noch nach ihrem Verschwinden gesehen haben wollten.
23
Nach alledem durften die Vernehmungsbeamten zunächst davon ausgehen , dass keine gesicherten Erkenntnisse gegeben waren, die einen derart starken Tatverdacht gegen den Angeklagten begründeten, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens von Rechts wegen geboten war. Den Strafverfolgungsbehörden fehlten hinreichende objektive Anhaltspunkte dafür, dass überhaupt Straftaten vorlagen. Allein die Vorstellung, falls sich entsprechende Tatsachen herausstellen sollten, werde in erster Linie gegen den Angeklagten vor- gegangen, begründete nicht dessen Beschuldigtenstellung (vgl. in diesem Sinne BGHSt 49, 29, 31 f.).
24
bb) Neben der Stärke des Tatverdachts ist jedoch auch von Bedeutung, wie sich das Verhalten des Beamten nach außen, auch in der Wahrnehmung des Vernommenen darstellt. Hier folgt der Verfolgungswille aus dem Ziel, der Gestaltung und den Begleitumständen der Vernehmung am 26. September 2002 und der darauf folgenden Suchmaßnahme auf dem Anwesen des Angeklagten :
25
Eine - aus der Sicht des Angeklagten zu beurteilende - Gesamtschau aller relevanten Umstände ergibt, dass die Vernehmung vornehmlich dazu diente, den Angeklagten, von dessen mutmaßlicher Täterschaft sich der Vernehmungsbeamte überzeugt zeigte, zu überführen. In der lediglich von kurzen Pausen unterbrochenen fast zehnstündigen Vernehmung ging es diesem erkennbar insbesondere darum, den Angeklagten mit Ungereimtheiten seines bisherigen Aussageverhaltens und zuletzt direkt mit dem Vorwurf von Tötungsverbrechen zu konfrontieren. Die Gestaltung der Vernehmung lässt erkennen, dass der Vernehmungsbeamte mittels kriminalistischer Taktik einen Tatnachweis ermöglichen oder einen gegebenenfalls erst später möglichen Tatnachweis erleichtern wollte. Die Vernehmung war von Vorhalten und Fragen geprägt , die erkennbar auf "Schwachstellen" in den bisherigen Aussagen zielten und zuletzt in eindringlicher Form auf ein Geständnis hinwirkten:
26
So äußerte der Vernehmungsbeamte schon zu Beginn der Vernehmung, dass nach seiner Überzeugung G. und J. H. tot seien. Noch in einem frühen Stadium erklärte er weiterhin, dass der Angeklagte bereits aus der Belehrung, sich nicht selbst belasten zu müssen, erkennen könne, dass der Vernehmungsbeamte ihm "im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Frau und Kind … bis zu einem gewissen Grad Misstrauen entgegenbringe". Der Angeklagte bekundete beispielsweise, schon kurz nachdem Ehefrau und Tochter verschwunden gewesen seien, so "von der Rolle" gewesen zu sein, dass er nunmehr Erinnerungslücken habe, obwohl er zuvor ausgesagt hatte, die Ehe sei zerrüttet gewesen und seine Ehefrau habe schon früher unangekündigt auswärts übernachtet. Daraufhin äußerte der Vernehmungsbeamte, dass er dem Angeklagten insoweit nicht glaube ("ich glaube Ihnen kein Wort"); mit der Geltendmachung von Erinnerungslücken wolle der Angeklagte "nur umgehen, dass … (er) sich eventuell in Widersprüche zu(m) … etwaigen Ermittlungsergebnis verstricken" könnte. Sodann stellte der Vernehmungsbeamte zwar ausdrücklich die vergleichsweise schwache Beweislage heraus, indem er sagte: "Gut, Herr H. , ich kann Ihnen natürlich nicht das Gegenteil (davon) beweisen , dass es bei Ihnen so war. Das kann ich natürlich nicht." Als der Angeklagte auf den nochmaligen Vorhalt, seine Angaben seien nicht glaubhaft, so dass sich die Frage stelle, was er "mit dem Verschwinden von der G. und der J. zu tun" habe, auf diesen Angaben beharrte, äußerte der Vernehmungsbeamte jedoch auch, dass der Angeklagte sich durch sein derzeitiges Aussageverhalten "nur noch verdächtiger" mache. Im weiteren Verlauf hielt der Vernehmungsbeamte - vor dem Hintergrund erheblicher Probleme des Angeklagten mit der Zeugungsfähigkeit - ihm vor, er könnte in einem Streitgespräch mit seiner Ehefrau erfahren haben, dass er nicht der Erzeuger seiner Tochter sei. Um diese den Angeklagten belastende Sachverhaltsvariante "in den Griff (zu) bekommen", forderte er die Entbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht, die der Angeklagte auch erteilte. Schließlich wurden die Vorhalte zunehmend eindringlicher (etwa: "Das Gewissen plagt Sie nicht?" oder "Dass Sie uns eventuell sagen, wo die Leichen sind!"). Zuletzt forderte der Vernehmungsbeamte noch die Zustimmung des Angeklagten zu einer Nachschau in seinem Haus und die Abgabe einer Speichelprobe für eine DNA-Analyse; mit beidem erklärte sich dieser einverstanden.
27
Wie bereits ausgeführt (vgl. oben II. 3. a), führen auf den Tatverdacht zielende Vorhalte und Fragen nicht notwendig dazu, dass der Vernommene als Beschuldigter zu belehren ist. Die Vorhalte und Fragen dienten hier jedoch für den Angeklagten erkennbar zum einen dazu, neue Ermittlungsansätze gegen ihn zu gewinnen (Schweigepflichtsentbindung; Nachschau im Haus; DNAAnalyse ) und ein Geständnis von ihm zu erlangen. Zum anderen wollte der Vernehmungsbeamte Widersprüche im Aussageverhalten des Angeklagten aufdecken. So deutet etwa der Vorhalt, der Angeklagte wolle mit der Geltendmachung von Erinnerungslücken "nur umgehen, dass … (er) sich eventuell in Widersprüche zu(m) … etwaigen Ermittlungsergebnis verstricken" könnte, darauf hin, dass es dem Vernehmungsbeamten zu diesem Zeitpunkt, sollte der Angeklagte - wunschgemäß - präzisere Angaben machen, insbesondere auch um die Aufdeckung derartiger Widersprüche zum Zweck eines Tatnachweises ging. Entgegen der bereits erwähnten Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 6. März 2006 erfolgte somit die Befragung erkennbar gerade nicht vor dem Hintergrund , "dass ein Angehöriger bei einem Vermisstenfall zu den Umständen des Verschwindens unwahre oder unvollständige Angaben macht, die nichts mit der Verheimlichung eines von ihm selbst begangenen Tötungsdelikt zu tun haben". Unter Berücksichtigung aller Umstände war dieses Vorgehen daher im vorliegenden Fall mit einer Vernehmung des Angeklagten als Zeugen nicht mehr zu vereinbaren.
28
Der Wille der Strafverfolgungsbehörden, gegen den Angeklagten als Beschuldigten vorzugehen, ergibt sich weiterhin aus der Suchmaßnahme kurze Zeit später, zu der der Angeklagte bei der Vernehmung sein Einverständnis erteilt hatte. Am 10. Oktober 2002, noch vor der Vernehmung am 13. November 2002, suchten Ermittlungsbeamte das Anwesen des Angeklagten einschließlich des Wohnhauses mit Leichensuchhunden ab. Der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zufolge sollte die Maßnahme "der Klärung der Frage (dienen), ob die Vermissten eventuell - auf welche Weise auch immer - in dem Anwesen selbst zu Tode gekommen sein könnten". Diese Maßnahme bezweckte daher die Überführung des Angeklagten. Hätte sie nämlich Erfolg gehabt, wären also auf dem Anwesen Leichen oder Leichenteile oder sonstige Hinweise dafür gefunden worden, dass die Vermissten dort zu Tode gekommen sein könnten, wären alle anderen Möglichkeiten als vom Angeklagten begangene Tötungsdelikte kaum ernsthaft in Betracht gekommen. Dies gilt unabhängig davon, ob und wie viele andere Suchaktionen nach dem Verschwinden von G. und J. H. erfolgten. Die Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft, dass die Suchmaßnahme am 10. Oktober 2002 "im Erfolgsfall (erst) zu einem Anfangsverdacht (hätte) führen können", ist deshalb nicht vertretbar.
29
c) Der Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 StPO wurde nicht dadurch geheilt, dass der Angeklagte am 21. März 2003 und 29. August 2005 nach ordnungsgemäßer Beschuldigtenbelehrung erneut Angaben machte. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob und inwieweit auch ohne Hinweis auf die Nichtverwertbarkeit der früheren Angaben (sog. qualifizierte Belehrung) eine Heilung der vorausgegangenen fehlerhaften Belehrung in Betracht kommt, wenn der Beschuldigte die Angaben - pauschal - bestätigt (insoweit offen gelassen von BGHSt 47, 172, 175). Denn die Aussagen vom 21. März 2003 und 29. August 2005 waren nur ergänzender Natur; der Angeklagte bestätigte seine früheren Angaben indessen nicht.
30
d) Da die Verteidigung der Verwertung der Aussagen des Angeklagten vom 26. September und 13. November 2002 rechtzeitig widersprochen hat, zog der Verstoß gegen die Pflicht zur Beschuldigtenbelehrung das Verbot einer Verwertung dieser Aussagen zu Beweiszwecken nach sich (st. Rspr. seit BGHSt 38, 214). Allein die Belehrung des Angeklagten dahingehend, bei der Polizei überhaupt nichts sagen zu müssen, und gemäß § 55 Abs. 2, § 163a Abs. 5 StPO dahingehend, jedenfalls keine Angaben machen zu müssen, die ihn belasten könnten, kann in aller Regel die gebotene Belehrung über das vollumfängliche Aussageverweigerungsrecht nicht ersetzen. Hinzu kommt, dass diese Belehrungen - anders als die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO - keinen Hinweis auf das Recht zur Verteidigerkonsultation enthielten (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGHSt 47, 172, 174).
31
4. Auf dem Rechtsfehler beruht das angegriffene Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht anders entschieden hätte, wenn es nicht sämtliche Aussagen des Angeklagten in diesem Verfahren für verwertbar gehalten hätte. Soweit das Landgericht seine Überzeugung von der Schuld unter anderem darauf gestützt hat, dass das Verhalten des Angeklagten nach dem Verschwinden der Opfer nicht nachvollziehbar sei und seine Angaben in dem Verfahren vage und widersprüchlich gewesen oder widerlegt worden seien, hat es nämlich maßgebend auf die Vernehmung am 26. September 2002 Bezug genommen.
32
5. Der aufgezeigte Mangel führt zur Aufhebung des Urteils. Die Sachbeschwerde kann daher auf sich beruhen. Der Senat bemerkt jedoch, dass die Möglichkeit einer nur fahrlässigen Tötung von J. H. , deren ausdrückliche Erörterung die Revision des Angeklagten vermisst, nach der Gesamtschau der Urteilsgründe nicht nahe liegend erscheint.

III.

33
Revision der Staatsanwaltschaft:
34
Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass die Schwurgerichtskammer das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht hinsichtlich der Tötung von J. H. verneint hat.
35
1. Dass der Angeklagte seine Tochter nicht in der Absicht tötete, den vorausgegangenen Totschlag an seiner Ehefrau zu verdecken, hat das Landgericht auf zwei - teilweise ineinander greifende - Erwägungen gestützt:
36
a) Zum einen geht es davon aus, die Verdeckungsabsicht hätte hier "zumindest eine gewisse Zeitspanne zwischen der Tötung beider Opfer" vorausgesetzt , "in der sich der Angeklagte unter Abwägung des Für und Wider zur Begehung der weiteren Tat" entschieden hätte. "Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten eine ausreichende Zeitspanne für derartige Überlegungen blieb", bestünden aber nicht. Vielmehr sei möglich, dass er sich "in Bruchteilen einer Sekunde" auch zur Tötung seiner Tochter entschlossen habe.
37
b) Zum anderen könne - unabhängig davon - ein sogenannter "Affektübersprung" nicht ausgeschlossen werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei jedenfalls möglich, dass J. H. während einer heftigen ehelichen Auseinandersetzung anwesend und in diese involviert gewesen sein könnte. Weil sie um die Vorlieben des Angeklagten für pornographische Darstellungen im Internet wusste, sei es dann nahe liegend, dass sie in der für sie extrem belastenden Situation ihre Eltern mit diesem Wissen konfrontiert, sich erstmals in außergewöhnlicher Weise gegen den Vater aufgelehnt und für ihre Mutter Partei ergriffen habe. Möglich sei aber auch, dass sie - mit der Gewalttat des Vaters gegenüber der Mutter konfrontiert - geschrieen und geweint sowie eventuell neben ihrer Angst auch ihre Abscheu gegenüber dessen Verhalten zum Ausdruck gebracht habe. Vor diesem Hintergrund käme ein "Affektübersprung" in Betracht, obwohl der psychiatrische Sachverständige dies unter Hinweis auf den Altersunterschied des Opfers zum Angeklagten für fern liegend erachtet habe. Ein derartiger "Affektübersprung" hätte darauf beruhen können, dass dieser seine Tochter "gleichsam als eine weitere, mit seiner ihn zutiefst kränkenden Ehefrau verbündete ('ebenbürtige') 'Gegnerin' angesehen haben" könnte.
38
2. Schon für sich gesehen hält keine dieser Erwägungen sachlichrechtlicher Überprüfung stand; auf die Frage eines Zusammenspiels der Erwägungen kann es daher nicht ankommen. Die Ausführungen zu den rechtlichen Voraussetzungen der Verdeckungsabsicht zeigen, dass die Kammer insoweit von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist (nachfolgend a). Soweit die Kammer annimmt, ein "Affektübersprung" könne nicht ausgeschlossen werden , ist die Beweiswürdigung nicht frei von Rechtsfehlern (nachfolgend b).
39
a) Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht kann auch bei einem in einer unvorhergesehenen Augenblickssituation spontan gefassten Tötungsentschluss gegeben sein. Die Absicht zur Verdeckung einer anderen Tat erfordert keine Überlegung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele. Vielmehr genügt es, dass er die "Verdeckungslage" gleichsam "auf einen Blick" erfasst (vgl. BGHSt 35, 116; BGH NJW 1999, 1039, 1041; Schneider in MünchKomm § 211 Rdn. 184 ff.; zu dem insoweit gleich zu behandelnden Ausnutzungsbewusstsein beim Mordmerkmal der Heimtücke vgl. Senat NStZ-RR 2005, 264, 265), wobei in der Regel ein vorhandenes gedankliches Mitbewusstsein ausreicht (BGH NJW aaO). Die Auffassung, der Annahme von Verdeckungsabsicht stünde entgegen, dass sich der Angeklagte angesichts der Reaktion seiner Tochter "in Bruchteilen einer Sekunde" auch zu ihrer Tö- tung entschlossen haben könnte, belegt, dass die Kammer von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist.
40
b) Der aufgezeigte Mangel wäre im Ergebnis unerheblich, wenn infolge des - von der Kammer als nicht ausschließbar angenommenen - "Affektübersprungs" dem Angeklagten das (gedankliche Mit-)Bewusstsein gefehlt hätte, dass die Tötung seiner Tochter die Aufklärung der Tötung der Ehefrau erschwert , und er nicht in diesem Sinne zielgerichtet gehandelt hätte. Jedoch hält die dieser Annahme zugrunde liegende Beweiswürdigung rechtlicher Überprüfung nicht stand.
41
Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters. Ein Urteil ist jedoch aufzuheben, wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sie widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt; ferner dann, wenn der Tatrichter an die für die Überzeugungsbildung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. nur Senat NJW 2002, 2188, 2189; 2006, 1297, 1298; NStZ-RR 2003, 371 LS; 2005, 147 f.).
42
Gegen die Feststellungen zur Tötungsreihenfolge und zur affektbedingten Enthemmung des Angeklagten ist - im Ausgangspunkt - revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Basierend auf einer - noch - tragfähigen Tatsachengrundlage hat die Kammer insoweit namentlich aus dem Zustand der Ehe und dem Verhältnis des Angeklagten zu seiner Tochter sowie den Persönlichkeiten der Eheleute unter Berücksichtigung der hinsichtlich G. H. festgestellten Tötungshandlungen mögliche Schlüsse gezogen; zwingend brauchen diese nicht zu sein (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurt. vom 21. Februar 2006 - 1 StR 456/05 m.w.N.).
43
Die Beweiswürdigung zu einem die Verdeckungsabsicht ausschließenden "Affektübersprung" ist jedoch lückenhaft (nachfolgend aa) und lässt besorgen , dass das Landgericht an die für die Überzeugungsbildung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt hat (nachfolgend bb).
44
aa) Im Zusammenhang mit dem "Affektübersprung" ist lediglich angeführt , dass dieser "in Unkenntnis des tatsächlichen Verlaufs und der (etwaigen) Heftigkeit des Ehestreits nicht sicher auszuschließen" sei; auch der "befriedigende" Geschlechtsverkehr, den der Angeklagte erstmals in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai 2002 mit D. hatte, spreche nicht dagegen.
45
Demgegenüber bleiben die gegen eine derart starke affektive Erregung sprechenden Umstände unerörtert. Im Zusammenhang mit der Ablehnung einer erheblich eingeschränkten Schuldfähigkeit ist die Kammer nämlich "zu der Überzeugung gelangt, dass weder die Persönlichkeit des Angeklagten noch die sich aus der Ehesituation möglicherweise ergebenden Konfliktlagen noch besondere tatnahe Umstände und Verhaltensweisen" für eine durch die affektive Belastung hervorgerufenen Bewusstseinsstörung im Sinne von § 21 StGB sprächen. Zudem fehlten sogenannte "konstellative Faktoren" wie etwa der Konsum von Alkohol. Insbesondere sei aber das Nachtatverhalten zu würdigen; neben dem Geschlechtsverkehr führt das Urteil in diesem Zusammenhang die gezielte Beseitigung von Tatspuren, das unauffällige Verhalten bei Kontakt mit Dritten im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den Taten sowie die gekonnte Darstellung eines Vermisstenfalls an. Hieraus schließt die Kammer auf "eine (beim Angeklagten) zum Tatzeitpunkt vollständig vorhandene Einsichts- und Steuerungsfähigkeit".
46
All diese Umstände können jedoch auch für den vom Landgericht als nicht ausschließbar erachteten "Affektübersprung" relevant sein, ohne dass sie in diesem Zusammenhang allerdings erörtert sind. Dies wäre jedoch geboten gewesen, nachdem das Landgericht dem Zustand affektiver Erregung für die Ablehnung des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht entscheidende Bedeutung beimisst.
47
bb) Darüber hinaus lassen die Ausführungen im Urteil auch besorgen, dass die Kammer überspannte Anforderungen an die Feststellung gestellt hat, der Angeklagte habe J. H. mit Verdeckungsabsicht getötet. Insbesondere gebietet der Zweifelssatz nicht, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten - auch hinsichtlich innerer Tatsachen - zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurt. vom 11. Juli 2006 - 1 StR 188/06 m.w.N.). Das Urteil nennt weder im Zusammenhang mit der Verdeckungsabsicht noch an anderer Stelle Anhaltspunkte, die konkret darauf hinweisen könnten, der Zustand affektiver Erregung habe die Vorstellungen des Angeklagten bei der Tötung von J. H. völlig dominieren können. Das Urteil führt sogar an, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen ein "Affektübersprung" auf Grund des Altersunterschieds zwischen dem Angeklagten und seiner Tochter fern liege. Die Kammer hat sich offensichtlich dieser Wertung angeschlossen; jedenfalls ist Gegenteiliges nicht angeführt. Gleichwohl hat sie sich daran gehindert gesehen, einen solchen "Affektübersprung … sicher" auszuschließen. Dies lässt besorgen , dass sie für die Überzeugungsbildung von der Notwendigkeit einer jede denktheoretische Möglichkeit ausschließenden, von niemandem mehr anzweifelbaren Gewissheit ausgegangen ist (vgl. Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 4 m.w.N.).
48
Hinsichtlich der Auswirkung einer affektiven Erregung auf das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht ist - zumal bei uneingeschränkter Schuldfähigkeit - auch zu berücksichtigen, dass eine affektive Erregung ohnehin bei den meisten Tötungsdelikten den Normalfall darstellt (BGH NStZ-RR 2003, 8) und für Verdeckungstötungen sogar typisch ist (vgl. BGH NJW 1999, 1039, 1041). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein solcher Erregungszustand dementsprechend im Regelfall keinen Einfluss auf die Verdeckungsabsicht (vgl. BGH NJW aaO; Urt. vom 15. Januar 2004 - 3 StR 382/03; zusammenfassend Schneider in MünchKomm § 211 Rdn. 187).
49
3. Die Aufhebung der Verurteilung wegen Totschlags an J. H. auf die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung der deswegen verhängten lebenslangen Einzelfreiheitsstrafe sowie der lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe. Mit der Aufhebung des Schuldspruchs entfällt zugleich die Grundlage für den Strafausspruch. Eine Aufrechterhaltung der wegen der Tötung von J. H. von der Schwurgerichtskammer gemäß § 212 Abs. 2 StGB verhängten lebenslangen Einzelfreiheitsstrafe und der dementsprechenden Gesamtfreiheitsstrafe bei gleichzeitiger Aufhebung des zu Grunde liegenden Schuldspruchs ist nicht möglich (in vergleichbarem Sinne BGHR StPO § 267 Abs. 2 Schuldfähigkeit 1). Ist aber die lebenslange (Gesamt-)Freiheitsstrafe aufzuheben, so ist für die Prüfung der Frage, ob die Kammer zu Recht von der Feststellung besonderer Schuldschwere (§ 57a StGB) abgesehen hat, kein Raum mehr.

IV.

50
Der Senat macht - entsprechend auch den übereinstimmenden Anträgen von Verteidigung und Generalbundesanwalt in der Revisionshauptverhandlung - von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen.

V.

51
Die Revision des Angeklagten hat die Frage aufgeworfen, ob für die Aussagen des Angeklagten bei den Beschuldigtenvernehmungen am 21. März 2003 und 29. August 2005 mangels qualifizierter Belehrungen ein Beweisverwertungsverbot besteht. Diese Frage hätte vor allem dann Gewicht, wenn es aus der Sicht des neuen Tatrichters wiederum auf den Inhalt der in Rede stehenden Aussagen ankommen sollte.
52
1. Eine qualifizierte Belehrung dient in erster Linie der Heilung von Verstößen gegen Belehrungspflichten. War nämlich der Vernommene rechtsfehlerhaft nicht als Beschuldigter belehrt worden und erfolgt bei einer späteren Beschuldigtenvernehmung auch ein Hinweis auf die Unverwertbarkeit seiner früheren Aussage, ist diese frühere Aussage gleichwohl verwertbar, soweit er sie nach dem Hinweis - gegebenenfalls pauschal - bestätigt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 136 Rdn. 9).
53
2. Dies beantwortet für sich genommen nicht die Frage, ob die nach - allerdings nicht qualifizierter - Beschuldigtenbelehrung gemachten Aussagen verwertbar sind.
54
a) Ist ein Beschuldigter gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt, nicht jedoch über die Unverwertbarkeit früherer Aussagen, so hat der Verstoß hinsichtlich der anschließenden Aussage jedenfalls kein Gewicht, das dem Gewicht eines Verstoßes gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO entspräche. Wie der Bundesgerichtshof bereits im Zusammenhang mit anderen in ihrem Gewicht hinter einem Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO zurückbleibenden Fehlern der Vernehmenden bei Beschuldigtenvernehmungen entschieden hat, ist dann die Verwertbarkeit der Aussage durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln (vgl. BGHSt 42, 170, 174; NStZ 2006, 236, 237; NStZ-RR 2006, 181, 182 f.). All dies gilt hier entsprechend.
55
b) Bei einer solchen Abwägung wäre insbesondere von Bedeutung, wie gravierend der Verfahrensverstoß war, ob er also in bewusster oder willkürlicher Umgehung der Belehrungspflichten erfolgte, wofür hier nichts spricht (vgl. auch oben II. 3. b. aa). Auf der anderen Seite wäre das Interesse an der Sachaufklärung einzustellen, das von dem - hier massiven - Gewicht der Tat abhängt. Die Annahme eines Verwertungsverbots ist nach alledem - jedenfalls auf der Grundlage der bisher erkennbaren Umstände - fern liegend. VRiBGH Nack ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Wahl Wahl Boetticher Kolz Graf

(1) Beschlagnahmen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in den Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt darf nur durch das Gericht angeordnet werden.

(2) Der Beamte, der einen Gegenstand ohne gerichtliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung beantragen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger des Betroffenen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Der Betroffene kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen. Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich nach § 162. Der Betroffene kann den Antrag auch bei dem Amtsgericht einreichen, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat; dieses leitet den Antrag dem zuständigen Gericht zu. Der Betroffene ist über seine Rechte zu belehren.

(3) Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft oder eine ihrer Ermittlungspersonen erfolgt, so ist binnen drei Tagen dem Gericht von der Beschlagnahme Anzeige zu machen; die beschlagnahmten Gegenstände sind ihm zur Verfügung zu stellen.

(4) Wird eine Beschlagnahme in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Beschlagnahme in Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.

(1) Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.

(2) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er

1.
eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen,
2.
Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überlässt oder
3.
Gegenstände oder Stoffe sich verschafft oder verwahrt, die für die Herstellung von Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art wesentlich sind.

(2a) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er es unternimmt, zum Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Handlungen aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 erfolgen.

(3) Absatz 1 gilt auch, wenn die Vorbereitung im Ausland begangen wird. Wird die Vorbereitung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union begangen, gilt dies nur, wenn sie durch einen Deutschen oder einen Ausländer mit Lebensgrundlage im Inland begangen wird oder die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland oder durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.

(4) In den Fällen des Absatzes 3 Satz 2 bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Wird die Vorbereitung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begangen, bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, wenn die Vorbereitung weder durch einen Deutschen erfolgt noch die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland noch durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.

(5) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Täter freiwillig die weitere Vorbereitung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat aufgibt und eine von ihm verursachte und erkannte Gefahr, dass andere diese Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, abwendet oder wesentlich mindert oder wenn er freiwillig die Vollendung dieser Tat verhindert. Wird ohne Zutun des Täters die bezeichnete Gefahr abgewendet oder wesentlich gemindert oder die Vollendung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat verhindert, genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.

(1) Beschlagnahmen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in den Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt darf nur durch das Gericht angeordnet werden.

(2) Der Beamte, der einen Gegenstand ohne gerichtliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung beantragen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger des Betroffenen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Der Betroffene kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen. Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich nach § 162. Der Betroffene kann den Antrag auch bei dem Amtsgericht einreichen, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat; dieses leitet den Antrag dem zuständigen Gericht zu. Der Betroffene ist über seine Rechte zu belehren.

(3) Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft oder eine ihrer Ermittlungspersonen erfolgt, so ist binnen drei Tagen dem Gericht von der Beschlagnahme Anzeige zu machen; die beschlagnahmten Gegenstände sind ihm zur Verfügung zu stellen.

(4) Wird eine Beschlagnahme in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Beschlagnahme in Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.

(1) Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen.

(2) Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwillig herausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahme.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Führerscheine, die der Einziehung unterliegen.

(4) Die Herausgabe beweglicher Sachen richtet sich nach den §§ 111n und 111o.

(1) Beschlagnahmen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in den Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt darf nur durch das Gericht angeordnet werden.

(2) Der Beamte, der einen Gegenstand ohne gerichtliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung beantragen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger des Betroffenen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Der Betroffene kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen. Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich nach § 162. Der Betroffene kann den Antrag auch bei dem Amtsgericht einreichen, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat; dieses leitet den Antrag dem zuständigen Gericht zu. Der Betroffene ist über seine Rechte zu belehren.

(3) Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft oder eine ihrer Ermittlungspersonen erfolgt, so ist binnen drei Tagen dem Gericht von der Beschlagnahme Anzeige zu machen; die beschlagnahmten Gegenstände sind ihm zur Verfügung zu stellen.

(4) Wird eine Beschlagnahme in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Beschlagnahme in Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung

1.
(weggefallen)
2.
eines Hochverrats in den Fällen der §§ 81 bis 83 Abs. 1,
3.
eines Landesverrats oder einer Gefährdung der äußeren Sicherheit in den Fällen der §§ 94 bis 96, 97a oder 100,
4.
einer Geld- oder Wertpapierfälschung in den Fällen der §§ 146, 151, 152 oder einer Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in den Fällen des § 152b Abs. 1 bis 3,
5.
eines Mordes (§ 211) oder Totschlags (§ 212) oder eines Völkermordes (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Kriegsverbrechens (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Verbrechens der Aggression (§ 13 des Völkerstrafgesetzbuches),
6.
einer Straftat gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 232 Absatz 3 Satz 2, des § 232a Absatz 3, 4 oder 5, des § 232b Absatz 3 oder 4, des § 233a Absatz 3 oder 4, jeweils soweit es sich um Verbrechen handelt, der §§ 234, 234a, 239a oder 239b,
7.
eines Raubes oder einer räuberischen Erpressung (§§ 249 bis 251 oder 255) oder
8.
einer gemeingefährlichen Straftat in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 310, 313, 314 oder 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 oder der §§ 316a oder 316c
zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
von der Ausführung einer Straftat nach § 89a oder
2.
von dem Vorhaben oder der Ausführung einer Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2,
zu einer Zeit, zu der die Ausführung noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterlässt, der Behörde unverzüglich Anzeige zu erstatten. § 129b Abs. 1 Satz 3 bis 5 gilt im Fall der Nummer 2 entsprechend.

(3) Wer die Anzeige leichtfertig unterläßt, obwohl er von dem Vorhaben oder der Ausführung der rechtswidrigen Tat glaubhaft erfahren hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 552/08
vom
14. August 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nicht: B. III., C. V.-VII.)
Veröffentlichung: ja
____________________________________
I. StPO § 100 c Abs. 4, 5, 6, § 100 d Abs. 5 Nr. 3
1. Die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich
voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben
wurden.
2. Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den sog. relativen Beweisverwertungsverboten
, nach denen nicht jeder Verstoß bei der Beweiserhebung
zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse
führt, gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung
eingeführten Verwendungsregelungen bzw. Verwendungsbeschränkungen.
3. Zur Verwendbarkeit von Daten im Strafverfahren, die durch eine akustische
Wohnraumüberwachung auf der Grundlage einer polizeirechtlichen Ermächtigung
zur Gefahrenabwehr gewonnen worden sind, welche noch keine Regelung
zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung enthielt.
4. Der Begriff "verwertbare Daten" in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich auf
die gesetzlichen Beweisverwertungsverbote in § 100 c Abs. 5 und 6 StPO sowie
auf das Beweiserhebungsverbot aus § 100 c Abs. 4 StPO.
5. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines
nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, so richtet
sich die Verwertbarkeit dieser Gesprächsinhalte stets nach der Vorschrift des
§ 100 c Abs. 6 StPO. Für eine isolierte Anwendung des § 52 StPO ist daneben
kein Raum.
II. StGB §§ 129, 129 a, 129 b
1. Zur Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, wenn
sich der Täter ausschließlich im Inland aufgehalten hat.
2. Das Unterstützen einer Vereinigung umfasst regelmäßig auch Sachverhalte
, die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur
mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären.
Mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrags ist der Eingehungsbetrug
vollendet, wenn der Versicherungsnehmer darüber getäuscht hat, dass er
den Versicherungsfall fingieren will, um die Versicherungssumme geltend machen
zu lassen.
BGH, Urt. vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08 - OLG Düsseldorf
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
zu 2. und 3.: Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Mai 2009 in der Sitzung am 14. August 2009, an denen teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten Y. A. ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. A. ,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 28. Mai 2009,
Justizamtsinspektor bei der Verkündung am 14. August 2009
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Dezember 2007
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten wie folgt schuldig sind: aa) der Angeklagte K. der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; bb) der Angeklagte Y. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; cc) der Angeklagte I. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in fünf sowie mit versuchtem Betrug in achtzehn tateinheitlichen Fällen;
b) im Strafausspruch betreffend den Angeklagten Y. A. aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten Y. A. , an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten und die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils werden verworfen.
4. Die Angeklagten K. und I. A. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
A. Prozessgeschichte, Feststellungen und Wertungen des Oberlandesgerichts
2
Das Oberlandesgericht hat die Angeklagten K. und Y. A. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem "bandenmäßigen" Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren (K. ) bzw. sechs Jahren (Y. A. ) und den Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem bandenmäßigen Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die sowohl mehrere Verfahrensrügen erheben als auch mit Einzelbeanstandungen die Verletzung sachlichen Rechts geltend machen. Die beiden Angeklagten A. haben außerdem sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt.
3
Die Revision des Angeklagten Y. A. führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die übrigen Rechtsmittel bleiben im Wesentlichen ohne Erfolg.
4
Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen getroffen und Bewertungen vorgenommen:
5
I. Die Organisation Al Qaida
6
In den Jahren 1996/1997 entstand aus einem Bündnis zwischen Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri die Organisation Al Qaida, die zum Kampf einer "Islamischen Weltfront für den Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" aufrief und es mit dem Ziel, westliche, vor allem amerikanische Truppen aus der arabischen Halbinsel zu vertreiben, als individuelle Glaubenspflicht eines jeden Muslim bezeichnete, die Amerikaner und ihre Verbündeten an jedem möglichen Ort zu töten. Al Qaida war im Kern in Afghanistan angesiedelt. An der Spitze der hierarchisch aufgebauten Organisation standen Bin Laden, Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter der für Militär, Finanzen, religiöse Fragen und Medienarbeit zuständigen Abteilungen. "Jihadwillige" Islamisten, die mittels des von der Organisation verbreiteten Propagandamaterials angeworben worden waren, wurden in Ausbildungslagern in Afghanistan als Kämpfer geschult. Besonders geeignet erscheinenden Kandidaten wurde sodann in speziellen Vertiefungskursen Sonderwissen vermittelt. Wer an einer derartigen - privilegierten - Spezialausbildung in den Jahren vor 2001 teilgenommen hatte, war der Organisation Al Qaida in der Regel im Sinne einer "Mitgliedschaft" unmittelbar zuzuordnen. Nach Abschluss ihrer Ausbildung kehrten die Kämpfer in ihre Herkunftsländer zurück und bildeten dort operative Zellen. Von der Organisation, deren Zweck und Tätigkeit im Wesentlichen in der Tötung von "Feinden des Islams" bestand, wurden in der Folgezeit mehrere Anschläge ausgeführt, die eine erhebliche Zahl von Menschenleben forderten. Zu ihnen gehörten auch die Selbstmordattentate auf das World-Trade-Center und das Pentagon am 11. September 2001.
7
Die dadurch ausgelösten militärischen Reaktionen beeinträchtigten in der Folgezeit die operative Handlungsfähigkeit der Organisation, führten aber nicht zu einer vollständigen Zerschlagung sämtlicher Strukturen von Al Qaida, sondern nur zu deren - dem Verfolgungsdruck vorübergehend angepassten - Modifizierung. Den in großer Zahl aus Afghanistan geflohenen Anhängern wurde durch Audio- und Videobotschaften verdeutlicht, dass die obersten Führungskräfte von Al Qaida dort weiterhin unverändert aktiv waren. Es gelang der Aufbau von regional tätigen Teilstrukturen in Form der "Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel" und einer Gruppe türkischer Islamisten. Außerdem konnte Al Qaida mehrere selbständige islamistische Organisationen ("Al Qaida im Zweistromland" sowie "Al Qaida im islamischen Maghreb") an sich binden. Durch den über Rundfunk und Fernsehen verbreiteten Führungsanspruch von Bin Laden und Al Zawahiri gelang es, auch ohne die Bildung eigenständiger Netzwerke neue Mitglieder der Organisation unter dem "Dach" der Al Qaida zu rekrutieren. An die Stelle des vor 2001 üblichen Gefolgschaftseids traten zur Begründung der Mitgliedschaft in der Organisation mehr und mehr einseitige Loyalitätserklärungen sowie an den Zielvorgaben von Al Qaida orientierte Handlungen.
8
II. Die Tathandlungen der Angeklagten
9
Der Angeklagte K. , der schon 2000 und Anfang 2001 in Trainingslagern der Al Qaida eine terroristische Ausbildung erhalten und seither den gewaltsamen Jihad gegen die "Ungläubigen" als seine außer jeder Diskussion stehende Individualpflicht betrachtet hatte, reiste nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Deutschland im Oktober 2001 erneut nach Afghanistan und nahm dort Ende 2001 / Anfang 2002 an Kampfhandlungen der Al QaidaVerbände teil. Dabei hatte er Kontakt zu Bin Laden und gliederte sich in die Hierarchie der Organisation ein. Im Frühjahr 2002 floh er vor den Amerikanern und deren Verbündeten. Er folgte der von Bin Laden an die im Besitz europäischer Pässe befindlichen "Kämpfer" erteilten Order, sich nach Möglichkeit in ihre Herkunftsländer zu begeben und weiterhin für Al Qaida zu arbeiten. Mitte Juli 2002 kehrte er nach Deutschland zurück und zog nach M. .
10
In M. lernte der Angeklagte K. den Angeklagten Y. A. kennen. Dieser hatte sich schon seit längerem für den gewaltsamen Kampf der Muslime begeistert sowie seine Sympathie zu Al Qaida zum Ausdruck gebracht und war in M. in Kontakt zu weiteren gleichgesinnten Personen gekommen. Die Wohnung des Angeklagten K. in der P. straße wurde zum Treffpunkt dieses Freundeskreises. Der Angeklagte Y. A. besuchte den Angeklagten K. auch in der JVA , nachdem dieser im Januar 2004 in einem Verfahren wegen Betruges verhaftet und für vier Monate in Untersuchungshaft genommen worden war.
11
Der Angeklagte K. , der sich nach wie vor der Al Qaida zugehörig und in der Rolle eines "Murabit" fühlte, der nur zeitweilig den Kampfschauplatz des Jihad hatte verlassen müssen, entfaltete in der Folgezeit umfangreiche Aktivitäten für die Organisation. Er befasste sich zu deren Gunsten in erster Linie mit Rekrutierungs- und Beschaffungsmaßnahmen und warb für die Unterstützung des gewaltsamen Jihad durch einen Märtyrereinsatz oder zumindest durch eine Spende an seine Organisation. Dabei gelang es ihm, den Angeklagten Y. A. zur Mitarbeit zu bewegen. Dieser entschloss sich vor dem Hintergrund seiner eigenen ideologischen Vorprägung, auf die Angebote des Angeklagten K. einzugehen und seine Tätigkeit in Deutschland fortan in den Dienst von Al Qaida zu stellen. Dementsprechend machte er die Planung und Durchführung einer Betrugsserie zum Nachteil von Lebensversicherungsgesellschaften zum "Mittelpunkt seines Lebens", deren erhebliche Beute zum einen Teil Al Qaida und zum anderen seiner Familie zugute kommen und zuletzt ihm ermöglichen sollte, dem Angeklagten K. zur Teilnahme am Jihad in den Irak zu folgen.
12
Der Plan einer Betrugsserie sah vor, dass der Angeklagte Y. A. innerhalb eines auf zwei bis drei Monate angelegten Tatzeitraums zahlreiche Lebensversicherungsverträge abschließen, sodann nach Ägypten verreisen und von dort aus mittels Bestechung von Amtspersonen inhaltlich falsche Urkunden übersenden sollte, um gegenüber den Versicherungsunternehmen einen tödlichen Verkehrsunfall in Ägypten vortäuschen zu können. Der Angeklagte I. A. sollte sodann als Begünstigter mit Unterstützung des Angeklagten K. die Versicherungssummen geltend machen. In Verfolgung dieses zuerst zwischen den Angeklagten K. und Y. A. entwickelten Plans holte letzterer ab Mai 2004 bei Versicherungsunternehmen erste Erkundigungen über die möglichen Vertragsge- staltungen ein und begann am 10. August 2004 mit der Stellung von Versicherungsanträgen. Der Angeklagte K. stellte sicher, dass die ersten Prämien bezahlt werden konnten. Der Angeklagte I. A. , der am 21. September 2004 umfassend in den Tatplan eingeweiht worden war, nahm an zahlreichen Besprechungen des Vorhabens teil, ließ hierbei keine Zweifel an seiner uneingeschränkten Bereitschaft zur Mitwirkung bei der späteren Geltendmachung der Versicherungssummen und deren Verwendung aufkommen und unterstützte ferner die gemeinsame Tatplanung durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Procedere der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass zumindest ein Teil der Beute über den Angeklagten K. der Al Qaida zufließen und auf diese Weise ihren organisatorischen Zusammenhang fördern sowie die Verfolgung ihrer terroristischen Aktivitäten erleichtern werde.
13
Im Einzelnen stellte der Angeklagte Y. A. zwischen dem 10. August 2004 und dem 15. Januar 2005 bei verschiedenen Versicherungsunternehmen insgesamt 28 Anträge auf Abschluss von Lebensversicherungsverträgen. Entsprechend der Tatplanung kam es in neun Fällen zum Abschluss eines Versicherungsvertrages mit einer garantierten Todesfallsumme von 1.264.092 €. In 19 Fällen wurden die Anträge des Beschwerdeführers - teilweise aufgrund der zwischenzeitlichen Warnhinweise der Polizei an die Versicherungsunternehmen, zuletzt auch wegen der Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 - abgelehnt bzw. nicht mehr weiter bearbeitet.
14
III. Beweisgrundlage und rechtliche Würdigung des Oberlandesgerichts
15
Das Oberlandesgericht hat seine Überzeugung im Wesentlichen auf Erkenntnisse gestützt, die durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen in der von den Angeklagten K. und Y. A. bewohnten Wohnung in M. gewonnen worden waren.
16
Nach der rechtlichen Würdigung des Oberlandesgerichts war Al Qaida trotz der strukturellen Veränderungen aufgrund der Verfolgung seit Ende des Jahres 2001 auch im Tatzeitraum eine ausländische terroristische Vereinigung. In dieser haben sich die Angeklagten K. und Y. A. als Mitglieder betätigt, während der Angeklagte I. A. nach Auffassung des Oberlandesgerichts die Vereinigung unterstützt hat. Die Taten der Angeklagten zum Nachteil der Versicherungen stellen sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts in allen Fällen, also auch soweit es zu Vertragsabschlüssen gekommen ist, als täterschaftlich und bandenmäßig begangener versuchter Betrug dar.
17
B. Die Verfahrensrügen
18
I. Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung
19
Die Beschwerdeführer rügen unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten die Verwertung der aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Den Verfahrensbeanstandungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
20
Das Polizeipräsidium M. beantragte am 22. Juni 2004 beim Amtsgericht M. gemäß § 29 Abs. 1 des Rheinland-Pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (im Folgenden: POG RhPf) die richterliche Anordnung der Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln für die Wohnung des Angeklagten K. . Begründet wurde der Antrag u. a. mit der dringenden Gefahr, dass der sich dort regelmäßig treffende Personenkreis die Begehung von terroristischen Anschlägen plane. Nachdem der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht den Antrag zunächst am 28. Juni 2004 abgelehnt hatte, weil bereits der Anfangsverdacht einer Straftat nach §§ 129 a, 129 b StGB gegen die Betroffenen bestehe, genehmigte das Landgericht M. auf die sofortige Beschwerde des Polizeipräsidiums mit Beschluss vom 14. Juli 2004 gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 POG RhPf aF die Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen. Es bejahte entsprechend dem Antrag des Polizeipräsidiums das Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, weil in der Wohnung Anschläge geplant werden könnten. Eine Befristung der Maßnahme enthielt der Beschluss nicht. Vor Ablauf der damaligen Höchstfrist von drei Monaten gemäß § 29 Abs. 4 Satz 2 POG RhPf aF beantragte das Polizeipräsidium am 8. Oktober 2004 die Verlängerung der Maßnahme. Neben einer Verstrickung des Angeklagten K. in die Netzwerke arabischer Mudjahedin habe die Überwachung die Bereitschaft der Angeklagten K. und Y. A. ergeben, den "Märtyrertod" zu sterben, woraus sich wegen zu befürchtender Anschlagsplanungen eine fortdauernde dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergebe. Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts M. verlängerte am 12. Oktober 2004 aus den fortgeltenden Gründen des Anordnungsbeschlusses die Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten. Nach dem Beschluss war die Überwachung sofort abzubrechen, wenn sich der Angeklagte K. oder der Angeklagte Y. A. jeweils allein in der Wohnung aufhalte, wenn Gespräche offensichtlich für die Gefahrenabwehr irrelevant seien oder wenn der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung - auch kurzzeitig - betroffen sei.
21
Am 12. Oktober 2004 leitete der Generalbundesanwalt gegen die Angeklagten K. und Y. A. das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ein. Am 11. November 2004 beantragte er beim Landgericht Ka. die Anordnung der Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e, Abs. 2 und Abs. 3 StPO aF. In dem Antrag wurden Erkenntnisse aus der zuvor auf polizeirechtlicher Grundlage durchgeführten Wohnraumüberwachung zur Begründung des Tatverdachts verwendet. Das Landgericht Ka. ordnete die Maßnahme mit Beschluss vom 24. November 2004 für die Dauer von vier Wochen an. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse ließen den Schluss zu, dass der Angeklagte K. im Auftrag der Al Qaida Mitglieder zur Begehung von Selbstmordattentaten rekrutiere und in dem Angeklagten Y. A. auch bereits einen zum "Märtyrertod" Bereiten gefunden habe, mit dem er an der Umsetzung des Plans arbeite. Beide stünden damit im Verdacht, sich an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglieder zu beteiligen. Ohne die Wohnraumüberwachung werde die Erforschung des Sachverhalts unverhältnismäßig erschwert, weil keine sonstigen Beweismittel ersichtlich seien, mit denen Erkenntnisse über Zielsetzung oder Aktivitäten der Angeklagten gewonnen werden könnten. Eine weitere Aufklärung sei auch erforderlich, weil die bisherigen Erkenntnisse noch keinen hinreichenden Tatverdacht bezüglich der Mitgliedschaft der Angeklagten in der Al Qaida und ihre konkrete Art der Beteiligung ergeben hätten. Eine Ausforschung des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, weil die in der abgehörten Wohnung zusammentreffenden Personen nicht miteinander verwandt seien und nicht in einer Beziehung höchstpersönlichen Vertrauens zueinander stünden. Soweit die Brüder des Angeklagten Y. A. in der Wohnung anwesend seien, müssten die Ermittlungsbehörden dafür Sorge tragen, dass die Überwachung sofort abgebrochen werde, sobald der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung berührt werde. Auf entsprechende Anträge des Generalbundesanwalts, mit denen weitere Erkenntnisse zu dem geplanten Versicherungsbetrug, aber auch zu einem möglichen Handel mit Uran mitgeteilt wurden, verlängerte das Landgericht Ka. mit Beschlüssen vom 22. Dezember 2004 und vom 19. Januar 2005 die Maßnahme um jeweils vier Wochen.
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Obwohl die Wohnraumüberwachung bereits mit Beschluss vom 14. Juli 2004 genehmigt worden war, begann die Ausführung der Maßnahme erst am 24. August 2004. Am 30. August 2004 erließ das Polizeipräsidium Handlungsgrundsätze für die Durchführung der Wohnraumüberwachung, die allen beteiligten Beamten bekannt gemacht wurden. Mit diesen Handlungsanweisungen sollten die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (BVerfGE 109, 279) zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung umgesetzt werden. Insbesondere wurde nicht eine automatische, sondern eine manuelle Gesprächsaufzeichnung angeordnet. Dafür wurden Polizeibeamte und Dolmetscher im Schichtbetrieb eingesetzt, die nur dann Gespräche aufzeichneten, wenn aufgrund einer Einschätzung der aktuellen Situation in der Wohnung relevante Erkenntnisse zu erwarten waren. Die Handlungsanweisungen wurden entsprechend den Beschlüssen des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 und des Landgerichts Ka. vom 24. November 2004 fortgeschrieben und berücksichtigten die dort aufgestellten Vorgaben. Die Wohnraumüberwachung wurde mit der vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 beendet; sie dauerte mithin ca. fünf Monate. In dieser Zeit (insgesamt über 3.620 Stunden) wurden 703 Aufzeichnungen mit einer Gesamtlänge von etwas über 304 Stunden erstellt, was bezogen auf die Gesamtdauer der Maßnahme einem Anteil von 8,4 % entspricht. Von den 703 aufgezeichneten Gesprächen wurden 313 übersetzt, 144 der Anklageschrift zu Grunde gelegt, 142 in die Hauptverhandlung eingeführt und Passagen aus 86 Gesprächsaufzeichnungen im angefochtenen Urteil verwertet. Alle Angeklagten haben in der Hauptverhandlung der Verwertung der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung widersprochen.
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Die Rüge hat keinen Erfolg.
24
1. Ob das Oberlandesgericht die im Rahmen der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Informationen in die Hauptverhandlung einführen und bei seiner Beweiswürdigung verwerten durfte, bestimmt sich zunächst nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl I 3198 ff.). Zwar ist diese Vorschrift erst am 1. Januar 2008 und damit nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getreten. Jedoch ist bei der Änderung strafprozessualer Bestimmungen für das weitere Verfahren grundsätzlich auf die neue Rechtslage abzustellen (BGH NJW 2009, 791, 792 m. w. N.; Knierim StV 2009, 206, 207). Dies gilt auch bei einer Änderung des Rechtszustands zwischen dem tatrichterlichen Urteil und der Revisionsentscheidung (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 354 a Rdn. 4; Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 a Rdn. 5). Nach dem somit maßgeblichen § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO - der im Übrigen dem im Zeitpunkt der Verkündung des oberlandesgerichtlichen Urteils geltenden § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF entspricht - können aus einer polizeilichen akustischen Wohnraumüberwachung erlangte, verwertbare personenbezogene Daten im Strafverfahren ohne Einwilligung der über- wachten Personen unter anderem zur Aufklärung einer Straftat verwendet werden , auf Grund derer die Maßnahme nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt:
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a) Die auf der Grundlage der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse sind zum Nachweis von Straftaten herangezogen worden, zu deren Aufklärung die Wohnraumüberwachung auch nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte (Gedanke des hypothetischen Ersatzeingriffs, vgl. dazu BTDrucks. 16/5846 S. 64; Wolter in SK-StPO § 100 d Rdn. 33). Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Verdacht, dass entsprechende Taten begangen worden sind, bereits im Zeitpunkt der Anordnung bzw. Durchführung der polizeirechtlichen Maßnahme bestanden hatte, denn es handelt sich bei § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO um eine Verwendungsregelung für Erkenntnisse, die zur Gefahrenabwehr , nicht dagegen zur Strafverfolgung erhoben worden waren. Daher ist allein maßgeblich, ob die Daten nunmehr im Strafverfahren zur Klärung des Verdachts einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO verwendet werden sollen.
26
Hier sind die Protokolle der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung zum Nachweis der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB) verwertet worden, mithin von Katalogtaten im Sinne des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO.
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Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer durften sie aber auch zur Beweisführung hinsichtlich der ihnen angelasteten Betrugstaten herangezogen werden. Zwar sind diese nicht im Katalog des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO enthalten. Wie jedoch auch die Revisionen letztlich nicht in Abrede nehmen, liegt zwischen den Betrugshandlungen, die sich als Betätigungsakte der durch § 100 c Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO als Katalogtat erfassten Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung darstellen , Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vor. In einer solchen Konstellation entspricht es bei Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnahmen auch zum Nachweis der mit der Katalogtat in Zusammenhang stehenden Nichtkatalogtat verwertet werden dürfen (BGHSt 28, 122, 127 f.; 30, 317, 320; BGH StV 1998, 247, 248). Diese Grundsätze sind im Schrifttum gebilligt und für die Verwertung von Erkenntnissen aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme übernommen worden (Nack in KK § 100 d Rdn. 33; Wolter aaO § 100 d Rdn. 74; jeweils m. w. N.). Es besteht insoweit kein Anlass, aufgrund der unterschiedlichen betroffenen Grundrechte die Fälle der Wohnraumüberwachung anders als diejenigen der Telekommunikationsüberwachung zu behandeln. Den entsprechenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts tritt der Senat bei.
28
Die den Angeklagten angelasteten Taten nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB wogen auch im konkreten Fall besonders schwer (§ 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO). Zum einen handelt es sich bei der öffentlichen Sicherheit und staatlichen Ordnung (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 129 Rdn. 2 m. w. N.) um hochrangige Rechtsgüter; diese werden von § 129 a StGB geschützt. Zum anderen kam das arbeitsteilige, äußerst konspirative Zusammenwirken mehrerer Täter zur Umsetzung eines komplexen Tatplans hinzu , wodurch zugleich noch weitere Rechtsgüter - das Vermögen der Versicherungsunternehmen - verletzt wurden (zu diesen Anforderungen vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 12).
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Die Aufklärung der den Angeklagten angelasteten Taten wäre ohne die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung unverhältnismäßig erschwert oder unmöglich gemacht worden (§ 100 c Abs. 1 Nr. 4 StPO). Es ist insoweit wiederum nicht auf den Zeitpunkt der Erlangung der Erkenntnisse abzustellen, denn die Regelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich nur auf den erneuten aus der anderweitigen Verwendung der zweckgebundenen Daten folgenden Grundrechtseingriff (vgl. BGH NJW 2009, 791, 792; BVerfGE 100, 313, 391). Zum Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil stellten die Wohnraumüberwachungsprotokolle indes die zentralen Beweismittel dar, ohne die ein Tatnachweis nicht möglich gewesen wäre.
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b) Bei den Erkenntnissen aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung handelt sich um verwertbare Daten im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO.
31
Der Begriff der Verwertbarkeit bezieht sich auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO (Nack aaO § 100 d Rdn. 18; Meyer-Goßner aaO § 100 d Rdn. 6). Dies folgt schon aus dem Vergleich zu § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO, der die Verwendbarkeit "verwertbarer personenbezogener Daten" regelt, die in einem anderen Strafverfahren gewonnen worden sind. Durch die Verwendungsregelungen in § 100 d Abs. 5 StPO (seinerzeit: § 100 d Abs. 6 StPO aF) sollte ein den Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung (BVerfGE 109, 279) entsprechendes Schutzniveau geschaffen werden, um für den Bereich der Strafverfolgung die einfachgesetzlichen Regelungen zur Wohnraumüberwachung und der Verwendung der aus einer solchen Maßnahme - sei es auch auf anderer gesetzlicher Grundlage als derjenigen der StPO - erlangten personenbezogenen Informationen insgesamt verfassungsgemäß auszugestalten (BTDrucks. 15/4533 S. 1). Dies erforderte einen einheitlichen Anknüpfungspunkt , wie ihn die Verwertungsverbote des § 100 c StPO boten. Dementsprechend nimmt die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF durch den Verweis auf § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF auch auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO Bezug, die der Gesetzgeber im Regelungsbereich des § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF beachtet wissen wollte (vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 17 f.). Daraus erhellt, dass diese Verwertungsverbote auch im Rahmen des § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF (jetzt: § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO) Anwendung finden und dies durch die gesetzliche Verwendungsvoraussetzung der "verwertbaren" personenbezogenen Daten zum Ausdruck gebracht werden sollte.
32
Die Gegenauffassung, die auf eine Verwertbarkeit im polizeirechtlichen Ausgangsverfahren abstellen will (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64), könnte demgegenüber dazu führen, dass für die Verwendbarkeit durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen gewonnener Daten nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO andere , gegebenenfalls großzügigere Maßstäbe gelten würden, als für diejenige nach § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Denn im Polizeirecht kommt dem Aspekt der aus Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 1 GG abzuleitenden Schutzpflichten des Staates zur Abwehr von Gefahren insbesondere für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter eine weitaus größere Bedeutung zu als im Strafprozess (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht 4. Aufl. Rdn. 215 f.; Würtenberger /Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg 6. Aufl. Rdn. 659; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht 14. Aufl. § 17 Rdn. 69). Eine nach polizeirechtlichen Grundsätzen durchgeführte Abwägung zwischen den Grundrechten des durch die Maßnahme Betroffenen und den zu schützenden Rechtsgütern der Allgemeinheit oder eines Einzelnen könnte also auch dann noch zur Verwertbarkeit von erlangten Erkenntnissen führen, wenn diese nach strafpro- zessualen Grundsätzen zu verneinen wäre. Selbst wenn man für das Merkmal der Verwertbarkeit in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur auf die polizeirechtlichen Regelungen zum Kernbereichsschutz abstellen wollte, könnte aufgrund der insoweit teilweise unterschiedlichen Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder und des Bundes (vgl. dazu Wolter aaO § 100 c Rdn. 17, 19) die Verwendung im Strafverfahren davon abhängen, in welchem Bundesland bzw. nach welchem Bundesgesetz die Maßnahme angeordnet wurde. Dies wäre in sich nicht stimmig.
33
Unverwertbare Daten im Sinne des § 100 c Abs. 4-6 StPO sind vorliegend nicht verwendet, insbesondere in dem angefochtenen Urteil nicht gegen die Beschwerdeführer verwertet worden (dazu unten 2. d) und e).
34
2. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Verwendung der durch die Wohnraumüberwachung auf polizeirechtlicher Grundlage gewonnenen Daten im Strafverfahren gegen die Angeklagten liegen vor.
35
a) Das zur Erhebung der Daten ermächtigende Gesetz gestattet deren Umwidmung für Zwecke der Strafverfolgung (s. dazu Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 d Rdn. 65; allgemein zu dieser Voraussetzung Singelnstein ZStW 120 (2008), 854, 859 ff.). Die entsprechende Verwendungsbefugnis enthält § 29 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 POG RhPf, der auch bereits im Zeitpunkt der Verwertung der Daten in dem angefochtenen Urteil galt.
36
b) Zutreffend machen die Beschwerdeführer allerdings geltend, dass § 29 POG RhPf aF, auf den die akustische Überwachung der Wohnung des Angeklagten K. gestützt worden war, nicht in vollem Umfang verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprach. Dies führt indes nicht dazu, dass die aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse nicht gemäß § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO im Strafverfahren gegen die Angeklagten verwendet werden durften. Hierzu gilt:
37
§ 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 c Rdn. 32; Eisenberg, Beweisrecht der StPO 6. Aufl. Rdn. 358; s. auch Singelnstein aaO S. 887 f.; Griesbaum in KK § 161 Rdn. 40 - jeweils zur parallelen Problematik bei § 161 Abs. 2 StPO; BGHSt 48, 240, 249; BGHR StPO § 100 a Verwertungsverbot 10; Schäfer in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl. § 100 a Rdn. 87 - jeweils zur Verwendungsregelung des § 100 b Abs. 5 StPO aF).
38
aa) Bedingung dafür ist zunächst eine wirksame Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 13 GG genügt (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64 f.). Ermächtigungsgrundlage war hier § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF, der die Erhebung von Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in der Wohnung des Betroffenen zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit erlaubte. Diese Eingriffsvoraussetzungen stehen im Einklang mit der das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG einschränkenden Vorschrift des Art. 13 Abs. 4 GG, die eine Wohnraumüberwachung zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit , also bei einer konkreten Gefährdung eines wichtigen Rechtsgutes (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG 10. Aufl. Art. 13 Rdn. 30) zulässt. Durch die Aufzählung einer gemeinen Gefahr und der Lebensgefahr in Art. 13 Abs. 4 GG wird die Eingriffsschwelle beispielhaft definiert (Gornig in v. Mangoldt/Klein/Stark, GG 5. Aufl. Art. 13 Rdn. 126), was auch bei der Auslegung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF zu berücksichtigen ist. Bei Beachtung dieser Maßstäbe ergeben sich insoweit keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Eingriffsermächtigung (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577 zum weitgehend inhaltsgleichen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf nF). Diese ist auch einfachrechtlich hinreichend bestimmt: Der unbestimmte Rechtsbegriff der dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist insbesondere durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte konturiert worden und setzt voraus, dass bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Schädigung eines hochrangigen Rechtsguts droht; auf eine zeitliche Komponente, etwa in dem Sinne, dass der Schadenseintritt unmittelbar bevorstehen muss, kommt es hingegen nicht entscheidend an (BVerwGE 47, 31, 40; Jarass aaO Art. 13 Rdn. 37).
39
Die von den Beschwerdeführern zur Begründung ihrer Gegenauffassung herangezogene verfassungsgerichtliche Rechtsprechung (BVerfGE 113, 348; MVVerfG LKV 2000, 345) ist nicht einschlägig. Die in jenen Entscheidungen für nichtig erklärten Vorschriften des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG MV ) bzw. § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 Niedersächsisches Gesetz über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG Nds.) knüpften als Eingriffsvoraussetzung nicht an die Abwehr einer dringenden Gefahr, sondern an die vorsorgende Strafverfolgung und Verhütung von Straftaten an (BVerfGE 113, 348, 350 f., 368 f.; MVVerfG LKV 2000, 345, 349 f.; siehe auch VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577). Die mit § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf vergleichbare Vorschrift des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SOG M-V, der die Wohnraumüberwachung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zulässt, ist nach der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern hingegen verfassungsgemäß (MVVerfG LKV 2000, 345, 349); der unter den gleichen Voraussetzungen die Anordnung der Telefonüberwachung zulassende § 33 a Abs. 1 Nr. 1 SOG Nds. war nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, weil er in jenem Verfahren mit der Verfassungsbeschwerde nicht angefochten worden war. Aus den vorgenannten Entscheidungen lassen sich verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF somit nicht herleiten.
40
Die Ermächtigungsgrundlage genügte auch im Hinblick auf den in der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG geforderten Richtervorbehalt den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. § 29 Abs. 4 Satz 1 POG RhPf aF).
41
bb) Jedoch enthielt der am 3. März 2004 in Kraft getretene § 29 POG RhPf aF keine Vorschriften zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Solche Regelungen hatte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom selben Tag zur Anordnung einer Wohnraumüberwachung nach der Strafprozessordnung gefordert und die §§ 100 c, 100 d, 100 f und 101 StPO aF deshalb teilweise für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Gleichwohl hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zur Neufassung dieser Bestimmungen eingeräumt, in der die bisherigen Regelungen unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten Vorgaben zum Schutz der Menschenwürde und zur Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit fortgalten (BVerfGE 109, 279). Mittlerweile - und auch bereits im Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht - sind solche Regelungen zum Kernbereichsschutz sowohl in § 100 c Abs. 4-6 StPO als auch in § 29 Abs. 3-6 POG RhPf nF enthalten.
42
Das Fehlen von Kernbereichsschutzregelungen in § 29 POG RhPf aF führt nicht zur Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse.
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(1) Nicht zu teilen vermag der Senat allerdings die vom Oberlandesgericht und - ihm folgend - vom Generalbundesanwalt vertretene Auffassung, die Vorschrift sei einer verfassungskonformen Auslegung dahin zugänglich gewesen , dass sie unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben jedenfalls für eine Übergangszeit der Verfassung entsprochen habe und so als rechtmäßige Ermächtigungsgrundlage für Wohnraumüberwachungsmaßnahmen habe dienen können.
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Eine verfassungskonforme Auslegung kommt in Betracht, wenn eine auslegungsfähige Norm nach den üblichen Interpretationsregeln mehrere Auslegungen zulässt, von denen eine oder mehrere mit der Verfassung übereinstimmen , während andere zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen (BVerfGE 19, 1, 5; 32, 373, 383 f.; 48, 40, 45). Die Grenzen einer solchen Auslegung sind indes erreicht, wenn durch sie der wesentliche Inhalt der gesetzlichen Regelung erst geschaffen werden müsste (BVerfGE 8, 71, 78 f.; 45, 393, 400); es steht den Fachgerichten insbesondere in Fällen, in denen der Gesetzgeber unterschiedliche Möglichkeiten zu einer verfassungskonformen Neuregelung hat, nicht zu, die gesetzgeberische Aufgabe der Rechtssetzung zu übernehmen (BVerfGE 72, 51, 62 f.; 100, 313, 396; vgl. auch BVerfGE 8, 71, 79). Hier erweist sich die vom Oberlandesgericht vorgenommene "verfassungskonforme Auslegung" der Sache nach als übergangsweise Regelung zur Fortgeltung eines mit der Verfassung nicht vereinbaren Gesetzes unter Berücksichtigung bestimmter verfassungsrechtlicher Vorgaben; zu solchen Übergangsregelungen sind gemäß § 35 BVerfGG nur das Bundesverfassungsgericht bzw. nach den entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften die Landesverfassungsgerichte befugt (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG § 35 Rdn. 69, 43; Heusch in Mitarbeiterkommentar-BVerfGG 2. Aufl.
§ 31 Rdn. 81 f.; s. etwa § 26 Abs. 3 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz).
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Gegen die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung mit dem vom Oberlandesgericht angenommenen Inhalt spricht zudem, dass sich das Bundesverfassungsgericht selbst - bezogen auf die Vorschriften der Strafprozessordnung - zu einer solchen außer Stande sah und ausdrücklich eine Regelung durch den Gesetzgeber forderte (BVerfGE 109, 279). In Kenntnis der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts hat auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof die die Wohnraumüberwachung zulassenden Vorschriften im Sächsischen Verfassungsschutzgesetz, die ebenfalls keine Regelungen zum Kernbereichsschutz enthielten, nicht aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung unbeanstandet gelassen, sondern sie unter Bestimmung einer Übergangsfrist für mit der Verfassung unvereinbar erklärt (SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
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(2) Obwohl danach wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz von der Unvereinbarkeit des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF mit Art. 13 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und damit von der Rechtswidrigkeit der Wohnraumüberwachung ausgegangen werden muss, lässt dies hier die Verwendbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO unberührt.
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Nach ständiger Rechtsprechung führt nicht jeder Rechtsverstoß bei der strafprozessualen Beweisgewinnung zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Bedeutsam sind dabei insbesondere die Art des etwaigen Beweiserhebungsverbots und das Gewicht des in Rede stehen- den Verfahrensverstoßes, das seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird (vgl. BGHSt 19, 325, 329 ff.; 27, 355, 357; 31, 304, 307 ff.; 35, 32, 34 f.; 37, 30, 31 f.; 38, 214, 219 ff.; 38, 372, 373 f.; 42, 372, 377; 44, 243, 249; BGH NStZ 2007, 601, 602; BVerfG NStZ 2006, 46; NJW 2008, 3053). Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass die Annahme eines Verwertungsverbots ein wesentliches Prinzip des Strafverfahrensrechts - den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind - einschränkt. Aus diesem Grund stellt ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (BGHSt 37, 30, 32 m. w. N.; 44, 243, 249).
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Diese Grundsätze gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung eingeführten Verwendungsregelungen (der Sache nach auch BGHSt 48, 240, 249 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF), zu denen auch § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO zählt.
49
Zwar wird in Teilen der Literatur die Auffassung vertreten, Verwendungsregelungen müssten bei Nichtvorliegen ihrer Voraussetzungen stets wie ein geschriebenes Verwertungsverbot wirken, das keiner Abwägung zugänglich sei, so dass in derartigen Fällen jegliche Verwendung und damit auch jede Verwertung der jeweils in Rede stehenden Daten ausgeschlossen werden müsse (Singelnstein aaO S. 889 m. w. N.). Nach dieser Ansicht sollen sich - mangels einer ausdrücklichen Ermächtigung, auch rechtswidrig erlangte Erkenntnisse für einen anderen Verfahrenszweck umzuwidmen - die Verwendungsregelungen der Strafprozessordnung ausschließlich auf rechtmäßig erhobene Daten beziehen, weil eine rechtswidrige Datenerhebung im Vergleich zu einer rechtmäßigen ei- nen schwereren Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstelle (Singelnstein aaO S. 887 f.).
50
Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Eine solche Beschränkung nur auf rechtmäßig erhobene Daten ergibt sich aus dem Wortlaut der Verwendungsregelungen nicht. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften zur Verwendung von Erkenntnissen aus präventiv-polizeilichen Maßnahmen im Strafverfahren ist allerdings zu entnehmen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von der rechtmäßigen Datenerhebung ausgegangen ist (Wollweber NJW 2000, 3623 unter Hinweis auf die Materialien zum Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, vgl. BRDrucks. 64/00 S. 6 f.). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass auf polizeigesetzlicher Grundlage rechtswidrig erhobene Daten unter keinen Umständen für Zwecke des Strafverfahrens zur Verfügung stehen sollten (Zöller in Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit 2. Aufl. S. 496 f.). Denn es entspricht der üblichen Regelungstechnik der Strafprozessordnung, dass der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen normiert, unter denen zur strafprozessualen Beweisgewinnung durch Ermittlungsmaßnahmen rechtmäßig in (Grund-)Rechte der jeweils Betroffenen eingegriffen werden darf, jedoch - abgesehen von wenigen Ausnahmen (s. etwa § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO) - keine Bestimmungen dazu trifft, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen rechtswidrig erlangte Beweisergebnisse im weiteren Verfahren verwertet werden dürfen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Regelungen zur Verwendung von Daten, die in anderen Verfahren und eventuell auch unter Geltung anderer Rechtsgrundlagen für die Informationsbeschaffung gewonnen worden sind, von diesem Konzept abweichen wollte.
51
Auch von Verfassungs wegen folgt aus der Rechtswidrigkeit einer Datenerhebung nicht zwangsläufig das Verbot einer zweckändernden Verwendung (Wolter aaO vor § 151 Rdn. 167 a; Albers, Die Determination polizeilicher Tätigkeit in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge S. 330 f.; Singelnstein aaO S. 887). Damit entspricht die rechtliche Ausgangslage aber derjenigen bei den sog. relativen Verwertungsverboten. Auch hier besteht ein ausdrückliches gesetzliches Verwertungsverbot nicht; ob die gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise unverwertbar sind, wird auf der Grundlage der oben dargestellten Abwägungskriterien vielmehr nur deshalb geprüft, weil die Ermittlungsbehörden bei der Beweisgewinnung gegen Vorschriften der Strafprozessordnung verstoßen haben, von deren Einhaltung durch die Behörden der Gesetzgeber grundsätzlich ausgeht. Wenn aber in diesen Fällen die Rechtswidrigkeit der Ermittlungshandlung nicht stets zur Unverwertbarkeit der Beweismittel führt, so ist kein Grund dafür ersichtlich, in der vergleichbaren Situation der Verwendungsregelungen jede Verwendung und damit auch die Verwertung von der Rechtmäßigkeit der Datengewinnung abhängig zu machen. Besonders augenfällig wird dies bei der Vorschrift des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO, die die Verwendung von Zufallsfunden regelt: Während die Rechtswidrigkeit der Ermittlungsmaßnahme die Verwertbarkeit der Erkenntnisse zu der Straftat, zu deren Aufklärung sie angeordnet wurde, gegebenenfalls unberührt lassen würde, dürften gleichzeitig gewonnene Beweisergebnisse, die eine andere Tat des selben Täters betreffen, nicht verwertet werden. Diesem unstimmigen Ergebnis kann auch nicht mit dem Hinweis darauf begegnet werden, dass die Zweckänderung einen erneuten Grundrechtseingriff darstellt, der durch die Verwendungsregelung nur gerechtfertigt werden könne, wenn die Datenerhebung selbst rechtmäßig war. Denn auch die Verwertung von rechtswidrig erlangten Erkenntnissen in demselben Verfahren stellt einen erneuten Grundrechtseingriff oder zumindest eine Vertiefung des zuvor erfolgten dar. Dessen Rechtfertigung kann sich bei einem Überwiegen der Belange der Allgemeinheit, insbesondere des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung - einem Prinzip von Verfassungsrang (BVerfGE 44, 353, 374; BVerfG StV 1985, 177) - aus der nach den dargestellten Grundsätzen vorzunehmenden Güterabwägung ergeben.
52
Ob - was allerdings nahe liegen dürfte - von diesem Ergebnis abzuweichen ist, wenn durch die Nutzung der rechtswidrig erhobenen Daten eine in der Verwendungsregelung enthaltene Beschränkung umgangen würde, etwa wenn die Wohnraumüberwachung nicht zur Aufklärung einer Katalogtat oder eines vergleichbaren präventiv-polizeilichen Zwecks angeordnet wurde (vgl. Albers aaO S. 331; Schäfer aaO § 100 a Rdn. 97 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF; Weßlau in SK-StPO § 477 Rdn. 41; in diesem Sinne wohl auch Dencker in FS für Meyer -Goßner S. 237, 249 f.), kann der Senat offen lassen. Zu einer solchen Verletzung der Verwendungsbeschränkung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO ist es nicht gekommen (dazu oben 1. a). Im Übrigen würde in solchen Fällen auch die Auffassung, die ein Verwertungsverbot von einer Güterabwägung abhängig macht, regelmäßig zu dem Ergebnis einer Unverwertbarkeit der Daten gelangen (vgl. BGHSt 31, 304, 309; 41, 30; 47, 362).
53
Für alle anderen Verstöße ist abzuwägen, ob die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung auch die zweckändernde Verwendung und damit hier die Verwertung im Strafverfahren verbietet (vgl. Nack aaO § 100 d Rdn. 31 ff.; Albers aaO S. 331 f.; vgl. auch Wolter aaO § 100 d Rdn. 69, der bei "Minimalverstößen" ebenfalls eine Abwägung für geboten hält, aA wohl Singelnstein aaO).
54
(3) Ist nach alledem eine Verwendung der aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung erlangten Daten wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz in § 29 POG RhPf aF und einer daraus resultierenden Rechtswidrigkeit der Maßnahme nicht von vornherein ausgeschlossen, ergibt die vorzunehmende Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung, was zur Verwertbarkeit der gewonnen Erkenntnisse führt. Im Einzelnen:
55
Der Rechtsverstoß bei der Informationsbeschaffung liegt hier darin, dass die Abhörmaßnahme auf der Grundlage einer mit dem Grundgesetz nicht in vollem Umfang vereinbaren einfachgesetzlichen Ermächtigung durchgeführt worden ist. Der Senat verkennt nicht, dass die Unvereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung mit höherrangigem Recht einen Verstoß von Gewicht begründet, der regelmäßig zur Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen wird. Jedoch sind vorliegend besondere Umstände zu beachten , die zu einer abweichenden Beurteilung führen:
56
Das Bundesverfassungsgericht hatte die entsprechenden strafprozessualen Regelungen trotz ihrer teilweisen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht für nichtig, sondern sie unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Erfordernisse einer funktionierenden Strafrechtspflege für eine Übergangszeit weiterhin für anwendbar erklärt. Dem entnimmt der Senat, dass auch § 29 POG RhPf aF, wäre er zur verfassungsrechtlichen Prüfung durch das Bundes- oder Landesverfassungsgericht gestellt worden, nicht etwa für nichtig, sondern unter entsprechenden Vorgaben ebenfalls für eine Übergangszeit für weiter anwendbar erklärt worden wäre (vgl. SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
57
Die Vorschrift des § 29 POG RhPf aF entsprach in Bezug auf den Überwachungsgrund der Gefahrenabwehr sowie im Hinblick auf die Eingriffsschwelle und den Richtervorbehalt der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG. Sie konnte die Maßgaben des Verfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensführung nicht berücksichtigen, weil für den Gesetzgeber noch keine Möglichkeit bestand, diese in das Gesetz einzuarbeiten; denn zwischen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der Erstanordnung der Maßnahme lagen nur etwas über vier Monate (das Bundesverfassungsgericht hatte dem Bundesgesetzgeber in seinem Urteil vom 3. März 2004 eine Frist von mehr als einem Jahr und drei Monaten zur verfassungskonformen Neufassung der einschlägigen Bestimmungen der Strafprozessordnung zur Wohnraumüberwachung gesetzt, vgl. BVerfGE 109, 279, 381). Gleichwohl waren Betroffene von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen im Hinblick auf ihr Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht schutzlos gestellt; vielmehr ergibt sich bei Fehlen entsprechender Vorschriften in den Polizeigesetzen ein solcher Schutz unmittelbar aus Art. 13 Abs. 4 GG in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aufgestellten Grundsätze (Wolter aaO § 100 c Rdn. 19 m. w. N.).
58
Bei dieser Ausgangslage war die Annahme des Polizeipräsidiums und der die präventiv-polizeiliche Wohnraumüberwachung anordnenden bzw. die Anordnung verlängernden Gerichte nicht unvertretbar, dass die Maßnahme trotz des Fehlens einer gesetzlichen Regelung zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung durchgeführt werden durfte und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durch entsprechende Vorkehrungen im Vollzug der Wohnraumüberwachung Rechnung getragen werden konnte. Jedenfalls stellte sich diese Annahme nicht als eine bewusste Umgehung des Gesetzes oder grundrechtlich geschützter Positionen der Angeklagten dar.
59
Nach alldem wiegt die teilweise Unvereinbarkeit des § 29 POG RhPf aF mit verfassungsrechtlichen Anforderungen hier nicht so schwer, dass sie eine nach den dargelegten Grundsätzen nur ausnahmsweise anzuerkennende Un- verwertbarkeit der bei der Wohnraumüberwachung erlangten Erkenntnisse zur Folge hätte. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass wegen der Respektierung des Kernbereichs der privaten Lebensführung bei Durchführung der Maßnahme (s. unten d) und e) jedenfalls materiell ein ungerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht der Angeklagten K. und Y. A. aus Art. 13 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung ihrer Menschenwürde nicht vorlag. Angesichts dessen kann auch die überragende Bedeutung dieser Grundrechte keine andere Beurteilung rechtfertigen.
60
c) Die Anordnung der Wohnraumüberwachung unterliegt im Übrigen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die entgegenstehende Rüge, mit der die Beschwerdeführer geltend machen, die Voraussetzungen einer Anordnung der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF hätten nicht vorgelegen, ist unbegründet.
61
aa) Die Anordnung wurde nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Anordnungsbeschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit getroffen. Auch in der Sache lag kein Eingriff zur bloßen Gefahrenvorsorge oder zur vorbeugenden Strafverfolgung vor.
62
Die gegenteilige Ansicht der Beschwerdeführer beruht auf einer Verkennung des Begriffs der dringenden Gefahr. Eine solche braucht nicht bereits eingetreten zu sein; es genügt, dass die Beschränkung des Grundrechts dem Zweck dient, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen würde (vgl. BVerfGE 17, 232, 251 f.). Damit liegt eine dringende Gefahr im Sinne des für den vorliegenden Eingriff maßgeblichen § 13 Abs. 4 GG vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein bedeutendes Rechtsgut schädigen wird (vgl. BVerwGE 47, 31, 40). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind zudem an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden wäre (BVerwGE 47, 31, 40; 57, 61, 65; 88, 348, 351; 116, 347, 356; Gusy, Polizeirecht 6. Aufl. Rdn. 119; vgl. BVerfGE 49, 89, 135 ff.). Zuzugeben ist den Beschwerdeführern insoweit allerdings, dass auch angesichts der Größe eines möglichen Schadens bloße Vermutungen oder die Inbezugnahme einer allgemeinen Sicherheitslage nicht zur Begründung einer Gefahr ausreichend sind; erforderlich ist vielmehr eine im konkreten Fall durch hinreichende Tatsachen zu belegende Gefahrenlage (BVerfGE 115, 320, 368 f.).
63
Nach diesen Grundsätzen ist die Anordnung der Wohnraumüberwachung durch das Landgericht M. jedenfalls im Ergebnis insoweit nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen einer dringenden Gefahr auf die konkreten Einwände der Beschwerdeführer gegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme anhand einer eigenständigen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Anordnung (vgl. dazu BGHSt 47, 362, 367) geprüft und - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - im Beschluss vom 21. August 2007 mit plausibler und rechtlich nicht zu beanstandender Begründung bejaht. Dabei hat es insbesondere darauf abgestellt , dass die Ermittlungslage wegen einer zu vorangegangenen Terroranschlägen parallelen Grundkonstellation befürchten ließ, dass in der Wohnung des Angeklagten K. Planungs- oder Vorbereitungshandlungen für Terroranschläge , also schwerste Straftaten gegen Leib und Leben Unbeteiligter durchgeführt würden, und damit eine gemeine Gefahr (vgl. dazu Gornig in v. Mangoldt /Klein/Stark, GG aaO Art. 13 Rdn. 127) vorlag. Diese Einschätzung basierte nicht auf bloßen Vermutungen, sondern auf konkreten Tatsachen, namentlich der extremistischen Grundeinstellung der sich in der Wohnung des Angeklagten K. treffenden Personen, ihren teilweisen Kontakten zu weiteren Personen, gegen die wegen des Verdachts der Einbindung in terroristische Netzwerke ermittelt wurde, dem konkreten Verdacht, dass der Angeklagte K. Kontakt zu terroristischen Strukturen in Afghanistan aufgenommen und sich dort an Kampfhandlungen beteiligt hatte, sowie nicht zuletzt auf dem Umstand, dass die Besucher der Wohnung konspirativ miteinander kommunizierten und sich Observationsmaßnahmen entzogen.
64
Die Einwendungen der Revisionen gehen auf die eine konkrete Gefahrenlage begründenden Umstände nicht ein und beschränken sich auf eine - im Revisionsverfahren unbehelfliche - eigene, abweichende Wertung des Ermittlungsstandes , der - wie vom Generalbundesanwalt aufgezeigt - teilweise auch unzutreffend wiedergegeben wird. Soweit sie darauf abstellen, dass sich im Zeitpunkt der Anordnung vorliegende Verdachtsmomente in der Hauptverhandlung nicht bestätigt hätten (Kodiertabelle), können sie mit diesem Einwand nicht gehört werden: Im Polizeirecht beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle einer Gefahrenprognose auf eine Überprüfung der tatsächlichen Anhaltspunkte und den daraus resultierenden Schluss auf zukünftige Schäden aus einer ex-antePerspektive (Gusy aaO Rdn. 121).
65
bb) Der Rechtmäßigkeit der Anordnung steht - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - nicht entgegen, dass sie sich in Rubrum und Tenor des Beschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 nicht auch gegen den Angeklagten Y. A. als weiteren Bewohner der überwachten Wohnung richtete. Insbesondere ist die Behauptung der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar, die Polizei habe es bewusst unterlassen, eine entsprechende richterliche Anordnung auch gegen ihn einzuholen. Aufgrund der Angaben in dem Antrag des Polizeipräsidiums war dem Landgericht M. ausweislich des Beschlusses bekannt, dass der Angeklagte Y. A. in der Wohnung des Angeklagten K. gemeldet war. Von einer bewussten Umgehung oder Missachtung des Richtervorbehalts kann mithin keine Rede sein. Der Angeklagte wurde vielmehr in ihn nicht beschwerender Weise im Ergebnis wie ein Dritter im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 POG RhPf aF behandelt; auch insoweit war die Aufzeichnung des von ihm gesprochenen Wortes zulässig.
66
Die Anordnung hätte nach den obigen Darlegungen zudem auch gegen den Angeklagten Y. A. jederzeit erwirkt werden können. Dieser Umstand führt dazu, dass auch dann nicht von einer Unverwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse auszugehen wäre, wenn man insoweit von einer Fehlerhaftigkeit der Anordnung ausgehen wollte. Vielmehr ist nach den oben dargelegten Grundsätzen in Fällen der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme im Wege einer Abwägung zu ermitteln, ob die so gewonnenen Daten verwendet werden dürfen (dazu oben b) bb) (2)). Eine solche Abwägung würde hier wegen der unproblematisch möglichen Anordnung der Maßnahme auch gegenüber dem Angeklagten Y. A. zur Verwendbarkeit und damit auch zur Verwertbarkeit der Ergebnisse der Wohnraumüberwachung führen. Denn angesichts der daraus resultierenden Geringfügigkeit eines etwaigen Verstoßes würden die öffentlichen Belange, namentlich die gerichtliche Aufklärungspflicht und das öffentliche Strafverfolgungsinteresse vorgehen.
67
cc) Die Einwendungen der Revisionen gegen den Verlängerungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 greifen ebenfalls nicht durch. Soweit damit nicht die Beanstandungen gegenüber der Erstanordnung wiederholt werden, beschränken sich die Beschwerdeführer darauf, dass die durchgeführte Überwachung eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit , insbesondere wegen konkreter Anschlagsplanungen, nicht ergeben habe.
68
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, hat sich das Oberlandesgericht mit diesem Argument bereits eingehend auseinandergesetzt und anhand einer freibeweislichen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Verlängerung das weitere Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit nach eingehender Prüfung anhand konkreter Tatsachen gleichwohl bejaht. Rechtsfehler zeigen die Revisionen auch insoweit nicht auf. Hinweise auf eine Rechtswidrigkeit der Verlängerung der Wohnraumüberwachung , die zu einer Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen könnten, ergeben sich damit nicht.
69
d) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung seien insgesamt "wegen Verletzung des Schutzes des Kernbereichs der Persönlichkeit" unverwertbar. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
70
Im Ausgangspunkt zutreffend ist die Annahme, dass nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur solche Daten verwendet werden dürfen, die nicht unter ein Verwertungsverbot aus § 100 c StPO fallen (dazu oben 1. b). Die Vorschrift des § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO normiert ein Verwertungsverbot für Erkenntnisse aus Äußerungen, die dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Daraus ergibt sich indes kein umfassendes Verwertungsverbot für alle aus einer Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse, sondern nur für diejenigen, die durch eine Kernbereichsverletzung erzielt wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 29; Wolter aaO § 100 c Rdn. 71). Dass kernbereichsrelevante Gesprächsteile in dem Urteil gegen sie verwertet worden seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht. Dies ergibt sich auch nicht aus dem angefochtenen Urteil, das die verwerteten Passagen zitiert; diese lassen Kernbereichsverletzungen nicht erkennen.
71
aa) Nach der hier über § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO heranzuziehenden gesetzlichen Regelung in § 100 c StPO kommt eine Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme nur in Betracht, wenn gegen das Beweiserhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO verstoßen wurde (Nack aaO § 100 d Rdn. 28; Wolter aaO § 100 c Rdn. 73; vgl. auch BVerfGE 109, 279, 331). Ob ein solches Verwertungsverbot vorliegt, hat das erkennende Gericht zu prüfen, dessen Entscheidung wiederum der revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt (Nack aaO § 100 c Rdn. 41).
72
Das Erhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO (und des inhaltsgleichen § 29 Abs. 3 POG RhPf nF) knüpft an die Anordnung der Maßnahme an. Diese darf nur ergehen, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. Sie erfordert somit eine negative Kernbereichsprognose durch das anordnende Gericht, für die - wie bei anderen Prognoseentscheidungen auch - ein Beurteilungsspielraum besteht (Nack aaO § 100 c Rdn. 25). Ein Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen das Erhebungsverbot besteht demnach nur dann, wenn das Gericht diesen Beurteilungsspielraum klar erkennbar und damit rechtsfehlerhaft überschritten hat (Wolter aaO § 100 c Rdn. 73).
73
Eine in diesem Sinne rechtsfehlerhafte Anordnung der Wohnraumüberwachung zeigen die Beschwerdeführer weder auf, noch ist sie ersichtlich. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der Aufzählung von Gesprächen, hinsichtlich derer eine Kernbereichsrelevanz lediglich pauschal durch schlagwortartige Bezeichnungen ("Beten", "Heirat", "Tod des Vaters" etc.) behauptet wird. Das Oberlandesgericht hat zudem auch insoweit auf der Grundlage einer Rekonstruktion der tatsächlichen Verhältnisse zum Anordnungszeitpunkt das Vorliegen einer negativen Kernbereichsprognose geprüft und bejaht. Die Beschwerdeführer legen erneut nicht dar, dass diese Entscheidung Rechtsfehler enthält. Es haben sich auch nach revisionsrechtlicher Prüfung keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Sachlage anders als vom Oberlandesgericht angenommen dargestellt hat, so dass eine vertiefte freibeweisliche Prüfung (vgl. BGHSt 16, 164, 166 f.) nicht veranlasst war. Der Senat neigt ohnehin der Ansicht zu, dass in Abkehr von bisheriger Rechtsprechung tatsächliche Feststellungen , die der Tatrichter freibeweislich trifft, in der Revisionsinstanz ebenso wie seine Überzeugungsbildung auf strengbeweislicher Grundlage nur auf Rechtsfehler in der Beweiswürdigung zu überprüfen sind; dies bedarf hier aus den dargelegten Gründen aber keiner näheren Erörterung.
74
bb) Die Rüge wendet sich der Sache nach gegen den Vollzug der Maßnahme. Durch die unzureichenden Handlungsanweisungen des Polizeipräsidiums sei es zu einer Vielzahl von Kernbereichsverletzungen gekommen, so dass die Maßnahme insgesamt unzulässig gewesen sei. Auch insoweit hat die Verfahrensbeanstandung keinen Erfolg.
75
Im Ansatz ist allerdings zutreffend, dass das Bundesverfassungsgericht nicht allein auf die richterliche Anordnung abgestellt, sondern ein umfassendes Verwertungsverbot für den Fall als erforderlich angesehen hat, dass die Behörden in Überschreitung der Ermächtigung die Wohnraumüberwachung durchführen , obwohl eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass mit ihr absolut geschützte , dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnende Gespräche erfasst werden (BVerfGE 109, 279, 331). Dementsprechend ist auch das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass ein nicht am Kernbereichs- schutz ausgerichteter Vollzug zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse aus der gesamten Maßnahme führen könnte.
76
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer genügte die tatsächliche Durchführung der Wohnraumüberwachung jedoch grundsätzlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift: In technischer und personeller Hinsicht war ein möglichst schonender Maßnahmevollzug bereits dadurch gewährleistet, dass in jedem Einzelfall durch den diensthabenden Polizeibeamten unter Zuhilfenahme des stets anwesenden Dolmetschers entschieden wurde, ob die Aufzeichnung gestartet wurde und wie lange sie andauerte. Soweit die generellen Handlungsanweisungen nach Ansicht des Oberlandesgerichts rechtlich bedenklich waren, hat es die Erkenntnisse entweder nicht verwertet (Selbstgespräche des Angeklagten K. ) oder - im Hinblick auf die den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügende Handlungsanweisung, dass eine Abschaltung nur bei "wesentlicher" Verletzung des Kernbereichs über "zweifelsfrei längere Zeit" zu erfolgen habe - die Gespräche einer eingehenden Prüfung unterzogen, die eine Erfassung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte nicht ergab. Diese Handlungsanweisung galt entgegen der insoweit zumindest missverständlichen Darstellung der Beschwerdeführer ohnehin nur für den ersten Abschnitt der Maßnahme bis zum 4. November 2004. Ab diesem Zeitpunkt wurde sie durch eine den Kernbereichsschutz noch verstärkende Anordnung ersetzt. Eine bewusste oder planmäßige Überschreitung der Ermächtigung zur Wohnraumüberwachung durch die Polizeibehörden ergibt sich danach nicht. Diese waren vielmehr mit hohem personellem und technischem Aufwand bemüht, die verfassungsgerichtlichen Vorgaben umzusetzen.
77
Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, es sei ein zu enger Maßstab an den Kernbereich privater Lebensgestaltung angelegt worden, verschweigen sie in diesem Zusammenhang, dass sich das Oberlandesgericht bereits in der Hauptverhandlung auf den Vortrag einer Vielzahl von angeblichen Kernbereichsverletzungen damit auseinandergesetzt hat, dass die aufgenommenen Gebete in gefahrrelevante Gespräche über die Rechtfertigung von terroristischen Anschlägen oder die Verherrlichung des "Märtyrertods" eingebettet waren und deshalb nicht höchstpersönliche Gefühle oder Gedanken und damit den Kernbereich berührten. Auch die weiteren von den Revisionen schlagwortartig genannten Themen "Heirat" und "Familie" betrafen nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts Gespräche, die sich vorrangig auf die Erlangung eines gesicherten Aufenthaltsstatus in Europa bezogen oder im Zusammenhang mit dem geplanten Versicherungsbetrug standen, der wegen der dadurch möglichen finanziellen Versorgung der Familie eine Voraussetzung für den von dem Angeklagten Y. A. angestrebten "Märtyrertod" war. Die Beurteilung, dass mit der Aufzeichnung solcher Gespräche nicht in den Kernbereich eingegriffen wurde, ist - wie bereits vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt - rechtsfehlerfrei.
78
Nach alledem ist für einen den Kernbereichsschutz von vornherein außer Acht lassenden Maßnahmevollzug, der allein zur Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung führen könnte, nichts ersichtlich. Vielmehr verbleibt es - soweit es zu Kernbereichsverletzungen gekommen sein sollte - bei dem aus § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO resultierenden Verwertungsverbot in Bezug auf solche einzelnen Gespräche.
79
Angesichts dessen kann offen bleiben, ob der Vortrag der Revisionen zu einzelnen Kernbereichsverletzungen den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Da eine Verwertung der entsprechenden Gesprächspassagen nicht konkret behauptet wird und sich aus dem angefochtenen Urteil auch nicht ergibt, ist die Rüge insoweit jedenfalls unbegründet.
80
e) Auch soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus in Bezug auf die Gespräche, an denen die Angeklagten Y. und I. A. bzw. ihr Bruder A. A. beteiligt waren, ein Verwertungsverbot nach § 52 StPO bzw. gemäß § 100 c Abs. 6, § 52 StPO geltend machen, bleiben ihre Beanstandungen ohne Erfolg.
81
Rechtlich verfehlt ist die Auffassung der Revisionen, § 100 c Abs. 6 StPO komme jedenfalls für die aufgrund der präventiv-polizeilichen Ermächtigungsgrundlage des § 29 Abs. 1 POG RhPf aF gewonnenen Erkenntnisse nicht zur Anwendung, weil sich die Vorschrift nur auf strafprozessuale Wohnraumüberwachungsmaßnahmen beziehe. Wie bereits dargelegt (dazu 1. b) sind mit der Formulierung in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO, dass nur "verwertbare" Daten aus einer nach anderen Gesetzen durchgeführten Maßnahme im Strafverfahren verwendet werden dürfen, die Verwertungsverbote des § 100 c StPO angesprochen. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, der infolgedessen die Entscheidung, ob er von seinem Recht Gebrauch machen möchte, nicht mehr treffen kann, richtet sich die Verwertbarkeit daher stets nach der Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO. Dies folgt bei Erkenntnissen aus einer polizeilichen Maßnahme aus der Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO; bei solchen aus einer strafprozessualen Maßnahme gilt § 100 c Abs. 6 StPO entweder unmittelbar oder - wenn wie hier mit dem Angeklagten I. A. ein zunächst Unverdächtiger betroffen ist - über die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Für eine isolierte Anwen- dung des § 52 StPO ist daneben kein Raum (vgl. BGHSt 40, 211; BGH NStZ 1999, 416).
82
Danach gilt für die Angeklagten Y. und I. A. § 100 c Abs. 6 Satz 3 StPO mit der Folge, dass ihre im Rahmen der aufgezeichneten Gespräche abgegebenen Äußerungen unbeschränkt verwertbar sind (vgl. § 160 a Abs. 4 StPO). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kommt es für die Frage der Verwertbarkeit nicht darauf an, ob bereits im Zeitpunkt der Gesprächsaufzeichnungen ein Tatverdacht bezüglich einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 2 StPO gegen den Angeklagten I. A. bestand. Denn es handelt sich bei der verfassungskonformen Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO (vgl. BVerfG NJW 2007, 2753) um eine Verwertungsregelung , so dass allein auf den Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil abzustellen ist, in welchem angesichts der Anklageerhebung und des Eröffnungsbeschlusses des Oberlandesgerichts jedenfalls ein hinreichender Tatverdacht gegeben war, dass der Angeklagte I. A. sich der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht hatte. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn für Gespräche mit Zeugnisverweigerungsberechtigten ein Beweiserhebungsverbot gälte; ein solches hat indes auch das Bundesverfassungsgericht nicht gefordert (vgl. BVerfGE 109, 279, 331 ff.).
83
Der Verwertung steht auch die von den Beschwerdeführern zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unverwertbarkeit von Erkenntnissen aus beschlagnahmefreien Urkunden im Sinne des § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO (BGH NStZ 2001, 604, 606) nicht entgegen. Dort resultierte die Unverwertbarkeit der Erkenntnisse, die erst einen Tatverdacht hätten begründen können, aus dem Umstand, dass bereits die Beweiserhebung unzulässig war (BGH aaO). Die Regelungen des § 100 c Abs. 6 StPO haben indes lediglich ein Ver- wertungsverbot im Hinblick auf im Übrigen - so auch hier - zulässig erlangte Beweismittel zum Gegenstand.
84
Auch die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführer, die von dem Oberlandesgericht vorgenommene Abwägung zur Verwertung der Äußerungen des nicht tatverdächtigen Bruders der Angeklagten, A. A. , nach § 100 c Abs. 6 Satz 2 StPO sei rechtsfehlerhaft, greifen nicht durch. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts.
85
3. Die Beschwerdeführer rügen weiter die Verwertung der Erkenntnisse aus den auf strafprozessualer Grundlage ergangenen Anordnungen der Wohnraumüberwachung. Diese hätten nicht ergehen dürfen, weil sie sich auf unverwertbare Erkenntnisse aus der zuvor angeordneten Maßnahme nach § 29 POG RhPf aF gestützt hätten.
86
Da die Erkenntnisse aus der polizeilichen Wohnraumüberwachung indes verwendbar waren (vgl. oben 2. b) bb), konnten sie auch im Zeitpunkt der ersten strafprozessualen Anordnung zur Begründung des Tatverdachts verwendet werden (vgl. § 100 f Abs. 2 StPO aF).
87
Hinsichtlich der Verwertbarkeit der Erkenntnisse gelten die Ausführungen zu 1. d) und e) entsprechend, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
88
II. Rundumüberwachung
89
Die Beschwerdeführer rügen die Verwertung von Erkenntnissen aus weiteren geheimen Ermittlungsmaßnahmen und machen in diesem Zusammen- hang geltend, dass diese - kumulativ zu der angeordneten Wohnraumüberwachung - zu einer unzulässigen Rundumüberwachung geführt hätten, aus der sich wiederum die Unverwertbarkeit auch der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung ergebe.
90
Den Revisionsbegründungen sowie der Gegenerklärung des Generalbundesanwalts vom 15. Oktober 2008, der die Beschwerdeführer insoweit zugestimmt haben, lässt sich folgender Verfahrenssachverhalt entnehmen:
91
Die Wohnraumüberwachung dauerte - wie dargelegt - vom 24. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 und damit über einen Zeitraum von etwa fünf Monaten. Die Dauer der aufgezeichneten Gespräche betrug hingegen nur einen Bruchteil; sie machte im Verhältnis zur Gesamtdauer der Maßnahme lediglich 8,4 % aus. Die Zeiten, in denen die Polizeibehörden das gesprochene Wort in der Wohnung des Angeklagten K. nicht nur nicht aufzeichneten sondern auch nicht abhörten, sind nicht dokumentiert. Aus technischen Gründen war es nicht möglich, bei abgeschalteter Aufzeichnung auch das Mithören nachweisbar zu unterbrechen, was zunächst nur durch ein Abdrehen der Lautstärke, später auch durch ein Betätigen der "Stopp-Taste" an den eingesetzten Rekordern zu erreichen war.
92
Darüber hinaus wurden folgende Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt:
93
Vom 9. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 wurde auf Anordnung des Landgerichts (Beschluss vom 14. Juli 2004) beziehungsweise des Amtsgerichts M. (Beschluss vom 12. Oktober 2004) der Eingang des Hauses videoüberwacht , in dem sich die Wohnung des Angeklagten K. befand. Mit Beschluss vom 21. September 2004 genehmigte das Amtsgericht M. darüber hinaus die Videoüberwachung eines Telefonladens, den die Angeklagten K. und Y. A. gelegentlich aufsuchten. Die Maßnahme war auf die Dauer von zwei Monaten befristet. Für das Wochenende vom 22. bis 24. Oktober 2004 ordnete das Polizeipräsidium zudem die Anbringung eines GPSSenders an zwei von dem Angeklagten Y. A. genutzten Fahrzeugen an. Diese Maßnahmen beruhten auf polizeirechtlicher Grundlage (§ 28 POG RhPf).
94
Am 8. November 2004 ordnete der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof auf Antrag des Generalbundesanwalts die Herausgabe der Verbindungsdaten von insgesamt sechs am 9. Oktober 2004 aus fünf verschiedenen öffentlichen Telefonzellen in Mü. geführten Gesprächen an. Der Generalbundesanwalt verfügte am 10. November 2004 die Anordnung einer planmäßig angelegten Beobachtung des Angeklagten Y. A. für die Dauer von einem Monat. Mit Beschluss des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 9. Dezember 2004 wurde diese Observation um drei Monate verlängert ; sie dauerte bis zur vorläufigen Festnahme des Angeklagten fort. Mit Beschlüssen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 12. November 2004 wurde sodann die Telefonüberwachung der von den Angeklagten K. und Y. A. genutzten Mobiltelefone, die Beschlagnahme aller an sie gerichteten Postsendungen und die langfristige Observation des Angeklagten K. angeordnet. Diese Maßnahmen dauerten jeweils bis zur vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. an. Mit Beschlüssen vom 12. November 2004 wurde bezüglich dieser beiden Angeklagten auch der Einsatz eines sogenannten IMSI-Catchers verfügt, zu dem es im Ermittlungsverfahren indes nicht kam.
95
Die Beschwerdeführer haben in der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht der Verwertung der Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnah- men widersprochen, mit Ausnahme der Erkenntnisse aus der GPSÜberwachung , der Videoüberwachung des Telefonladens und der Observation des Angeklagten Y. A. . In diesen Widersprüchen haben sie nicht geltend gemacht, dass es sich wegen der Kumulation der Maßnahmen um eine unzulässige Rundumüberwachung gehandelt habe.
96
1. Soweit die Beschwerdeführer meinen, die Erkenntnisse aus den strafprozessualen Maßnahmen hätten nicht verwertet werden dürfen, weil deren Anordnung auf den unverwertbaren Erkenntnissen aus der Wohnraumüberwachung beruhe, ist die Rüge unbegründet. Wie dargelegt konnten die aus der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 POG RhPf aF resultierenden Gesprächsaufzeichnungen im Zeitpunkt der Anordnung der strafprozessualen Maßnahmen gemäß § 100 f Abs. 2 StPO aF verwendet werden (dazu oben I. 3.).
97
2. Die Rüge, es habe eine unzulässige Rundumüberwachung vorgelegen , ist ungeachtet der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Bedenken gegen ihre Zulässigkeit jedenfalls unbegründet.
98
Es ist vorliegend durch die zeitgleiche Durchführung mehrerer Überwachungsmaßnahmen nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen, zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung (vgl. BVerfGE 65, 1, 42 f.; 109, 279, 323) gekommen. Bezüglich des Angeklagten I. A. liegt dies bereits deshalb auf der Hand, weil gegen ihn keinerlei Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden sind. Er war von solchen nur reflexartig betroffen, etwa wenn er sich in der überwachten Wohnung des Angeklagten K. aufhielt. In den Zeiträumen, in denen er keinen Kontakt zu den Angeklagten K. und Y. A. hatte, fand eine Überwachung seiner Person nicht statt.
99
Aber auch gegenüber den Angeklagten K. und Y. A. liegt eine derart intensive Überwachung, die im Hinblick auf den daraus resultierenden sog. additiven Grundrechtseingriff (vgl. BVerfGE 112, 304, 320) Bedenken an ihrer verfassungsmäßigen Rechtmäßigkeit aufkommen lassen könnte, nicht vor.
100
Die Wohnraumüberwachung wurde zwar über einen längeren Zeitraum durchgeführt und war engmaschig strukturiert. Dies war indes - wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat - zunächst im Hinblick auf die komplexe präventiv-polizeiliche Gefahrenlage und im weiteren Verlauf zur Aufklärung der Vereinigungsdelikte nach §§ 129 a, 129 b StGB, dabei insbesondere zur Aufdeckung von Planungs- und Verbindungsstrukturen erforderlich. Bei der konkreten Durchführung der Wohnraumüberwachung achteten die durchführenden Beamten zudem auf einen möglichst schonenden Maßnahmevollzug (dazu oben I. 2. d), was sich nicht zuletzt auch an der im Verhältnis zum Zeitraum der Gesamtmaßnahme geringen Dauer der Gesprächsaufzeichnungen zeigt. Dass die Überwachung in Form jedenfalls des Mithörens über die gesamten Monate "rund um die Uhr" erfolgt sei, ist eine nicht belegte Mutmaßung der Revisionen. Aus den vom Oberlandesgericht erlangten Erkenntnissen über die Durchführung der Maßnahme ergibt sich vielmehr, dass der diensthabende Beamte bei der Wahrnehmung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte die "Stopp-Taste" zu drücken hatte - mithin auch das Mithören beendete - und nur bei veränderter Personenkonstellation in der Wohnung durch gelegentliches "Hereinhören" überprüfte, ob die Gespräche sich verfahrensrelevanten, nicht dem Kernbereich zugehörenden Materien zuwandten. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere der Videoüberwachung des Hauseingangs keine die Eingriffsintensität steigernde Wirkung zu. Sie diente im Gegenteil vorrangig dazu , den in der Wohnung verkehrenden Personenkreis zu überprüfen. Dadurch wurde überhaupt erst eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf mögliche Kernbereichsverletzungen ermöglicht, und es konnte so im Ergebnis die Intensität der - wesentlich grundrechtsrelevanteren - Abhörmaßnahme verringert werden.
101
Die daneben auf polizeirechtlicher Grundlage angeordnete Überwachung eines Telefonladens dauerte entgegen dem von den Beschwerdeführern erweckten Eindruck nicht die gesamte Zeit an, sie lief vielmehr aus, als im November 2004 mehrere Maßnahmen auf strafprozessualer Basis angeordnet wurden. Die Überwachung von Fahrzeugen des Angeklagten Y. A. mittels eines GPS-Senders dauerte nur drei Tage und war im Zeitpunkt der strafprozessualen Maßnahmen bereits beendet. Auch insoweit kann also keine Rede von einer Rundumüberwachung sein.
102
Im Ergebnis traten zu der Wohnraumüberwachung also kumulativ die im Wesentlichen durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordneten Maßnahmen der Telefonüberwachung von zwei Mobilfunkanschlüssen der Angeklagten K. und Y. A. , ihre längerfristige Observation und die Beschlagnahme der an sie gerichteten Postsendungen hinzu. Auch bei einer Gesamtschau dieser Überwachungsmaßnahmen ergibt sich eine unzulässige Rundumüberwachung, mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Betroffenen erstellt werden könnte, nicht. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bei einer Bündelung mehrerer heimlicher Überwachungsmaßnahmen durch die vorhandenen verfahrensrechtlichen Sicherungen, an die mit Rücksicht auf das der Kumulation der Grundrechtseingriffe innewohnende Gefährdungspotential allerdings besondere Anforderungen zu stellen sind, grundsätzlich ausgeschlossen (BVerfGE 112, 304, 319 f.; aA Puschke, Die kumulative Anordnung von Informationsbeschaffungs- maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung S. 79 ff., der eine kumulative Überwachung als andersartigen Eingriff begreift, für den es einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage bedürfe).
103
Die genannten verfahrensrechtlichen Sicherungen bestehen namentlich in dem Richtervorbehalt, aber auch in Eingriffsschwellen, die besonders schwerwiegend beeinträchtigende Überwachungsmaßnahmen vom Vorliegen besonders schwerer Straftaten oder bestimmten qualifizierten Verdachtsgraden abhängig machen, sowie in sog. Subsidiaritätsklauseln, die den Eingriff nur dann erlauben, wenn anderweitig die Aufklärung erheblich erschwert würde. Sie stellen letztlich Ausprägungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar. Bei der gleichwohl noch erforderlichen Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne beurteilt sich die Frage der Zulässigkeit einer Überwachungsmaßnahme auch danach, ob gegebenenfalls mehrere, in die Grundrechte des Betroffenen eingreifende Maßnahmen durchgeführt werden (vgl. BVerfGE aaO S. 321; BGHSt 46, 266, 277). Die besonderen vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Anforderungen an das Verfahren sind - soweit vorliegend maßgeblich - erfüllt, wenn sichergestellt ist, dass die für die Beantragung oder Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen primär zuständige Staatsanwaltschaft über alle den Grundrechtsträger betreffenden Ermittlungseingriffe informiert ist (vgl. BVerfGE aaO S. 320).
104
So verhält es sich hier. Der Generalbundesanwalt war - ebenso wie der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof - über sämtliche Überwachungsmaßnahmen informiert. Dies gilt auch für die - nicht vom Ermittlungsrichter angeordnete - Wohnraumüberwachung und die sie begleitende Videoüberwachung des Hauseingangs. In sämtlichen Anordnungsbeschlüssen wurde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insbesondere dadurch Genüge getan, dass der Richtervorbehalt gewahrt blieb, die an die Schwere der Straftat anknüpfenden Eingriffsvoraussetzungen sowie die Subsidiaritätsklauseln in den die Maßnahmen rechtfertigenden Vorschriften (§ 100 a Satz 1, § 100 c Abs. 1 Satz 1, § 163 f Abs. 2 Satz 1 StPO aF) beachtet wurden. Dass die Entscheidungen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof oder des Landgerichts Ka. insoweit rechtsfehlerhaft gewesen seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht; dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Anordnung der Ermittlungsmaßnahmen stand auch darüber hinaus zur Schwere des Tatvorwurfs und zum Grad des sich aus den vorangegangenen Ermittlungen ergebenden Verdachts nicht außer Verhältnis. Dies belegen neben den in diesem Verfahren ausgeurteilten Taten insbesondere die im November 2004 gewonnenen Verdachtsmomente , nach denen sich der Angeklagte K. zu dieser Zeit zumindest mit der Vermittlung von 48 Gramm hochangereichertem Uran befasste, das - wie er den Angeklagten Y. und I. A. in einem Gespräch erläuterte - für den Bau einer Bombe verwendet werden konnte.
105
Soweit die Beschwerdeführer schließlich zum Beleg ihrer Gegenauffassung eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zitieren (JZ 2000, 993, 994), befasst sich diese mit einem Fall der sog. Rundumüberwachung nicht.
106
III. Weitere Verfahrensrügen
107
Daneben rügen die Revisionen die Verfahrensweise, in der das Oberlandesgericht 141 der überwachten und aufgezeichneten Wohnraumgespräche in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Das angeordnete Selbstleseverfahren beschränke die Öffentlichkeit unzulässig und verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Beanstandet wird weiterhin, das Oberlandesgericht habe die Inhalte der Wohnraumüberwachung im Urteil lückenhaft und selektiv darge- stellt und insoweit den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht erschöpfend seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt. Gerügt wird ferner die Ablehnung einer Reihe von Beweisanträgen, mit denen die Ladung und Vernehmung syrischer Zeugen beantragt worden war. Die Zeugen - neben Bekannten des Angeklagten K. auch dessen Eltern, Schwester und Bruder - waren im Wesentlichen dazu benannt, den Aufenthalt des Angeklagten K. in seinem Heimatort D. in Syrien in der Zeit von Mitte Oktober 2001 bis Ende April/Anfang Mai 2002 zu bestätigen und so dessen durch die Wohnraumüberwachung ermittelte Darstellung zu erschüttern, er habe sich in diesem Zeitraum als Kämpfer der Al Qaida in Pakistan und Afghanistan aufgehalten. Das Oberlandesgericht hat die Vernehmung der Zeugen unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht für erforderlich gehalten und deshalb diese Anträge jeweils nach § 244 Abs. 5 StPO abgelehnt. In gleicher Weise ist das Gericht mit Anträgen verfahren, in denen die Zeugenvernehmung des in US-Gewahrsam im Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba befindlichen Ramzi Binalshibh sowie die des ebenfalls in amerikanischem Gewahrsam befindlichen Zayn Husayn alias "Abu Zubaydah" begehrt worden war.
108
Diese Rügen bleiben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen sämtlich ohne Erfolg.

109
C. Die Sachrügen
110
I. Beweiswürdigung
111
Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts hält den Maßstäben revisionsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. BGH NJW 2005, 2322, 2326) stand. Die Rechtsmittel zeigen auch mit ihren Einzelausführungen insoweit keinen Rechtsfehler auf, sondern legen - teilweise unter Mitteilung aus dem Urteil nicht ersichtlicher Tatsachen - allein ihre eigene Beweiswürdigung dar.
112
II. § 129 b StGB
113
1. Revision des Angeklagten K.
114
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten K. rechtsfehlerfrei wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) verurteilt.
115
a) Die Wertung des Oberlandesgerichts, die Organisation Al Qaida sei als ausländische terroristische Vereinigung im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen, hält auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand.
116
aa) Als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist nach bisher in der Rechtsprechung gebräuchlicher Definition der auf eine gewisse Dauer angelegte , freiwillige organisatorische Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147; 31, 202, 204 f.; 31, 239 f.; 45, 26, 35; BGH NJW 2005, 1668; 2006, 1603; BGHR StGB § 129 Vereinigung 3 m. w. N.). Diese Kriterien liegen nach den Feststellungen für die Al Qaida im Tatzeitraum insbesondere auch mit Blick auf die erforderliche Struktur und Art der Willensbildung der Organisation vor. Hierzu gilt:
117
(1) Für eine Vereinigung in diesem Sinne konstitutiv ist das Bestehen eines Mindestmaßes an fester Organisation mit einer gegenseitigen Verpflichtung der Mitglieder (BGHSt 31, 202, 205; BGH NStZ 1982, 68). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts lagen diese Voraussetzungen für die Zeit bis Herbst 2001 zweifelsfrei vor; denn die Al Qaida war durch eine gefestigte Organisation geprägt, in deren Rahmen die Mitglieder mit verteilten Rollen und im Wege einer koordinierten Aufgabenverteilung zu einem gemeinsamen Zweck zusammenwirkten. Die strukturellen Voraussetzungen einer Vereinigung sind jedoch auch für den Tatzeitraum zu bejahen. Die Feststellungen belegen, dass der seit Herbst 2001 anhaltende Verfolgungsdruck weder auf der Führungsebene noch in den nachgeordneten Bereichen zu einer Zerschlagung der Organisation , sondern lediglich zu einer entsprechenden Anpassung der Strukturen geführt und die hierarchisch gegliederte Kernorganisation der Al Qaida in kommunikativer und operativer Hinsicht einen bedeutenden Rest an Handlungsfähigkeit bewahrt hat, der den erneuten Aufbau festerer Strukturen erlaubt und hierauf auch angelegt ist. Eine solche - möglicherweise nur vorübergehende und taktisch bedingte - Lockerung der Organisationsstruktur führt indes nicht dazu, dass die Gruppierung für diese Phase ihrer Existenz die Eigenschaft als Vereinigung verliert. Insoweit gilt Ähnliches wie für das Fortbestehen der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, das grundsätzlich auch für solche (Zwischen-)Phasen in Betracht kommt, in denen das Mitglied - gegebenenfalls bedingt durch die äußeren Umstände - keine aktiven Tätigkeiten entfaltet (vgl. BGHSt 29, 288, 294; 46, 349, 355 ff.). Hier kommt hinzu, dass nach wie vor ein nach Art, Inhalt und Intensität enges Beziehungsgeflecht der Mitglieder bestand , das auch in der Zeit nach Herbst 2001 die Planung und Ausführung zentral gesteuerter Attentate ermöglichte.
118
(2) Voraussetzung für eine Vereinigung ist daneben die subjektive Einbindung der Beteiligten in die Ziele der Organisation und in deren Willensbildung unter Zurückstellung individueller Einzelmeinungen. Dabei ist die Art und Weise der Willensbildung gleichgültig, solange sie ihrerseits von dem Willen der Mitglieder der Vereinigung getragen wird. Die für alle Mitglieder verbindlichen Regeln über die Willensbildung können etwa dem Demokratieprinzip entsprechen oder auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut sein (BGHSt 31, 239, 240; 45, 26, 35). Die Annahme einer Vereinigung scheidet indes aus, wenn die Mitglieder einer Gruppierung sich nur jeweils für sich der autoritären Führung einer Person unterwerfen, ohne dass diese vom Gruppenwillen abgeleitet wird (BGH NJW 1992, 1518; StV 1999, 424, 425).
119
Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist auch dieses voluntative Element der Vereinigung hinreichend belegt. Nach der ursprünglichen Struktur der Al Qaida in Afghanistan stand an der Spitze der Organisation ein Führungskreis , dem Usama Bin Laden, Aiman Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter verschiedener "Fachausschüsse" angehörten. Die Willensbildung war demnach hierarchisch strukturiert, ohne dass sich allerdings die Mitglieder der Organisation einseitig einer nicht vom Gruppenwillen getragenen Führungsperson unterwarfen. Im Tatzeitraum teilten die Mitglieder der Al Qaida weiterhin die gemeinsame politisch-ideologische Grundhaltung des gewaltbereiten extremistischen Islamismus. Die Gruppierung verfügte nach wie vor mit dem "Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" bis zur Zerstörung der USA und ihrer Verbündeten über eine über den bloßen Zweckzusammenhang der Vereinigung hinausreichende , von allen Mitgliedern getragene Zielsetzung. Der fortwährende, vom Willen der Mitglieder der Al Qaida getragene Führungsanspruch von Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri wird etwa durch deren per Internet oder Massenmedien veröffentlichte Video- und Audiobotschaften manifestiert.
120
bb) Der Senat ist aus diesen Gründen nicht gehalten zu entscheiden, ob dem Oberlandesgericht darin zugestimmt werden kann, dass im Hinblick auf die Gemeinsame Maßnahme des Rates der Europäischen Union vom 21. Dezember 1998 (ABl. EG 1998 Nr. L 351 S. 1) und den Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. EG 2002 Nr. L 164 S. 3) der bisher gebräuchliche Vereinigungsbegriff zu modifizieren ist und die Anforderungen insbesondere an die organisatorischen und voluntativen Voraussetzungen herabzusetzen sind. In der Literatur wird eine derartige "europarechtsfreundliche" Interpretation des Vereinigungsbegriffs teilweise vertreten (Krauß in LK 12. Aufl. § 129 a Rdn. 26; Kress JA 2005, 220, 223 ff.; v. Heintschel-Heinegg in FS für Schroeder S. 799; krit. Rudolphi/Stein in SKStGB § 129 Rdn. 6 b). Auch der Senat hat eine derartige Neubestimmung zunächst grundsätzlich in den Blick genommen, ohne sich indes im Einzelnen hierzu zu verhalten (BGH NJW 2006, 1603); zuletzt hat er jedoch insbesondere für die kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB vor dem Hintergrund des abgestuften Systems der Strafbarkeit von Tatvollendung, Versuch und Vorbereitungshandlung , der erforderlichen Abgrenzbarkeit der Vereinigung von einer Bande oder nur mittäterschaftlichen Zusammenschlüssen sowie der prozessualen Folgewirkungen Bedenken geäußert (BGHR StGB § 129 Vereinigung 3). Diese Vorbehalte gegen eine erweiternde Auslegung des Vereinigungsbegriffs werden bei Berücksichtigung des Strafzwecks der Vereinigungsdelikte noch verstärkt: Die §§ 129 ff. StGB sollen die erhöhte kriminelle Intensität erfassen, die in der Gründung oder Fortführung einer fest gefügten, auf die Begehung von Straftaten angelegten Organisation ihren Ausdruck findet und die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte Gefährlichkeit in sich birgt. Diese Eigendynamik führt typischerweise dazu, dass dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten erleichtert und bei ihm das Gefühl der persönlichen Verantwortlichkeit zurückgedrängt wird. Der Strafgrund der in diesem Sinne verstandenen spezifischen vereinigungsbezogenen Gefährlichkeit der Organisation geriete jedoch aus dem Blick, wenn Abstriche an den bisherigen Voraussetzungen hinsichtlich der Struktur der Vereinigung sowie der Willensbildung und -unterordnung ihrer Mitglieder zugelassen würden; denn nur eine ausreichend enge Verbindung der Mitglieder sowie ein entsprechender Gruppenwille schaffen die spezifischen Gefahren einer für die Vereinigung typischen, vom Willen des Einzelnen losgelösten Eigendynamik. All diese Gesichtspunkte sind gleichermaßen bei der Auslegung des Begriffs der terroristischen Vereinigung nach §§ 129 a, 129 b StGB von Bedeutung; im Übrigen spricht auch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit dagegen, ein wortgleiches Tatbestandsmerkmal in einem Qualifikationstatbestand anders auszulegen als in der Grundnorm (aA Krauß aaO § 129 a Rdn. 26 aE).
121
Der Senat hält deshalb an seinen Bedenken gegen die vom Oberlandesgericht vorgenommene Begriffsbestimmung fest. Er ist entgegen der Auffassung der Revision allerdings nicht gehindert, auf der Basis der Feststellungen des Oberlandesgerichts eine von dessen Rechtsansicht abweichende Auffassung zu vertreten und seiner rechtlichen Bewertung den herkömmlichen Vereinigungsbegriff zugrunde zu legen.
122
b) Der Angeklagte K. hat sich an der Al Qaida als Mitglied beteiligt.
123
Die mitgliedschaftliche Beteiligung erfordert, dass der Täter sich unter Eingliederung in die Organisation deren Willen unterordnet und eine Tätigkeit zur Förderung der Ziele der Organisation entfaltet. Notwendig ist eine auf Dauer oder zumindest längere Zeit angelegte Teilnahme am "Verbandsleben" (BGHSt 18, 296, 299 f.; BGH NStZ 1993, 37, 38).
124
Nach den Feststellungen schloss der Angeklagte K. sich der Al Qaida während eines Aufenthalts in einem von dieser betriebenem Ausbildungslager in Afghanistan an. Er begab sich aufgrund des Verfolgungsdrucks nach dem Herbst 2001 absprachegemäß zurück nach Deutschland und nahm hier Rekrutierungs - und Beschaffungsmaßnahmen für die Vereinigung vor. Dass das Oberlandesgericht während dieser Zeit keinen Kontakt des Angeklagten zur Führungsebene der Al Qaida festgestellt hat, steht vor dem Hintergrund dieser gewichtigen, fortdauernden, im Einverständnis mit der Führungsebene entfalteten und auf eine aktive Beteiligung an der Organisation gerichteten Tätigkeiten der Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht entgegen (vgl. BGHSt 46, 349, 356 f.). Hinzu kommt, dass der Aufenthalt des Angeklagten in Deutschland nicht auf Dauer angelegt war. Vielmehr wollte er sich zurück in ein "Jihadland" begeben und sich dort erneut den kämpfenden Verbänden der Al Qaida anschließen. Aus alldem ergibt sich, dass die Mitgliedschaft des Angeklagten in der Al Qaida zu keinem Zeitpunkt beendet war; vielmehr bestand sie während des Tatzeitraums unvermindert fort. Die Leistung des Treueids auf Usama Bin Laden durch den Angeklagten war entgegen dem Vorbringen der Revision zum Erwerb der Mitgliedschaft nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht konstitutiv.
125
2. Revision des Angeklagten Y. A.
126
a) Für den Angeklagten Y. A. belegen die Feststellungen des Urteils dagegen nicht, dass dieser sich an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida als Mitglied beteiligt hat; denn es fehlt an einer ausreichenden, von einem übereinstimmenden Willen der Organisation und des Angeklagten getragenen Eingliederung in die Vereinigung.
127
Das Oberlandesgericht hat im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung die mitgliedschaftliche Beteiligung dieses Angeklagten an Al Qaida zum einen daran angeknüpft, dass er sich mit hohem Zeitaufwand und als Hauptakteur der Umsetzung der Versicherungsbetrügereien gewidmet habe. Zum anderen habe er finanzielle Mittel beschaffen wollen, die seine eigene Teilnahme und diejenige des Angeklagten K. am bewaffneten Jihad auf Seiten der Al Qaida ermöglichen sollten. Damit hat das Oberlandesgericht bei seiner Beurteilung wesentliche Kriterien, die für die Mitgliedschaft in einer Vereinigung maßgeblich sind, außer Acht gelassen. Im Einzelnen:
128
Die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, bedarf regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem Ort befunden hat, an dem Vereinigungsstrukturen bestehen, und seine Verbindung zu der Vereinigung ausschließlich in dem Kontakt zu einem in Deutschland befindlichen Mitglied der Organisation besteht. Denn die Beteiligung als Mitglied setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Die Begehungsform der mitgliedschaftlichen Beteiligung kommt im Unterschied zu den Tathandlungen des Werbens für die oder des Unterstützens der Vereinigung nur in Betracht , wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert (Krauß aaO § 129 Rdn. 110). Zwar ist hierfür eine organisierte Teilnahme am Leben der Vereinigung nicht erforderlich, weshalb es etwa einer förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft mit etwa listenmäßiger Erfassung, Zahlung von Mitgliedsbeiträgen oder gar Ausstellung eines Mitgliedsausweises nicht bedarf (BGHSt 18, 296, 299 f.; 29, 114, 121; Rebmann NStZ 1989, 97, 100 Fn. 27). Notwendig ist allerdings, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied (BGHSt 18, 296, 300; 29, 114, 123; BGH NStZ 1993, 37, 38; Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 129 Rdn. 13). Auch ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern (Krauß aaO § 129 Rdn. 105). Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH NStZ 1993, 37, 38).
129
Danach liegen die Voraussetzungen für eine Beteiligung des Angeklagten Y. A. als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida nicht vor. Der Angeklagte war nicht in der erforderlichen Weise in die Organisationsstrukturen der Al Qaida eingebunden. Er war zu keinem Zeitpunkt etwa in Afghanistan, Pakistan oder dem Irak und hatte keine Verbindung zu den Führungspersonen oder den sich dort aufhaltenden Mitgliedern der Organisation. Es ist nicht festgestellt, dass außer seiner einzigen Kontaktperson , dem sich mit ihm in Deutschland befindenden Angeklagten K. , irgendein sonstiges Mitglied der Al Qaida überhaupt Kenntnis von ihm hatte. Unter diesen Umständen kann bereits von einer mit einer Teilnahme am Verbandsleben verbundenen Stellung des Angeklagten Y. A.
innerhalb der Vereinigung, wie sie für eine Beteiligung als Mitglied konstitutiv ist, keine Rede sein.
130
Eine willentliche Übereinstimmung zwischen der Vereinigung und dem Angeklagten bezüglich seiner Einbindung in die Organisation ist aus den dargelegten Gründen ebenfalls nicht feststellbar. Die Mitgliedschaft des Angeklagten lässt sich insoweit auch nicht mit der festgestellten Übung der Al Qaida begründen , im Tatzeitraum Mitglieder u. a. in europäische Länder mit dem Auftrag zu senden, dort für die Vereinigung rekrutierend tätig zu werden und den zuvor zum Erwerb der Mitgliedschaft üblichen Treueid auf Usama Bin Laden durch eine einseitige Erklärung der Loyalität durch die rekrutierte Person sowie deren Tätigkeit für die Organisation zu ersetzen. Die auf diese Weise angeworbenen Anhänger mögen zwar durch ihr - wie auch immer im Einzelfall geartetes - Eintreten für die Ziele der Al Qaida dieser als Unterstützer im untechnischen Sinne nützlich und willkommen sein; sie sind indes nicht ohne Weiteres, sondern nur dann als Mitglieder der Organisation im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen , wenn die oben dargelegten Voraussetzungen gegeben sind. Der Angeklagte konnte deshalb nicht allein dadurch zum Mitglied der Al Qaida werden, dass er einen besonderen Einsatz zeigte sowie seinen Willen zu einer dauerhaften Beteiligung an der Organisation durch den Wunsch manifestierte, nach Erlangung der zur Versorgung seiner Familie erforderlichen wirtschaftlichen Mittel am Jihad im Irak teilzunehmen, selbst wenn dies das Einverständnis seiner einzigen Kontaktperson der Al Qaida, des Angeklagten K. , fand.
131
Ob dies möglicherweise anders zu beurteilen wäre, wenn der Angeklagte K. von der Al Qaida den Auftrag und gleichsam die Vollmacht erhalten hätte , allein und ohne Rücksprache mit der Organisation neue Mitglieder im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in die Vereinigung aufzunehmen, hat der Senat nicht zu entscheiden. Denn weder ein derartiger Auftrag durch die Al Qaida noch eine solch weitgehende Befugnis des Angeklagten K. ist durch die Feststellungen belegt. Der Senat kann den - freilich nicht an allen Stellen vollständig übereinstimmenden - Feststellungen im Ergebnis lediglich entnehmen, dass K. sich nach Deutschland begab, um hier für die Al Qaida "autonom terroristische Operationen zu planen und hierfür geeignetes Personal heranzuziehen" (UA S. 22) bzw. "zu arbeiten" (UA S. 27, 221). Aus diesen Formulierungen kann die spezielle Beauftragung zur Rekrutierung und Aufnahme echter Vereinigungsmitglieder nicht abgeleitet werden. Zudem lassen die Feststellungen zur Stellung des Angeklagten K. innerhalb der Al Qaida lediglich erkennen, dass er in der Hierarchie noch unterhalb der "Emire" stand. Hieraus ist zu schließen, dass es sich bei ihm trotz seiner persönlichen Bekanntschaft mit Usama Bin Laden lediglich um ein gewöhnliches Mitglied der Organisation handelte, das nicht in herausgehobener Position tätig war. Die Annahme, dass ein derartiges "normales" Mitglied die weitreichende Befugnis hatte, aufgrund eigener Entscheidung neue Mitglieder in die Organisation aufzunehmen, wird von den Feststellungen auch bei Berücksichtigung von deren Gesamtzusammenhang nicht getragen. Diese belegen vielmehr lediglich, dass der Angeklagte K. vorgab, die Möglichkeit zu haben, Interessenten durch die Abgabe einer Empfehlung den Zugang zu einer kämpfenden Organisation an einem "Jihadschauplatz" im Ausland zu erleichtern (UA S. 42, 294).
132
Gegen eine darüber hinausgehende Bevollmächtigung des Angeklagten K. spricht im Übrigen auch der Vergleich zur festgestellten Praxis der Gewinnung von Vereinigungsmitgliedern in der Zeit vor Herbst 2001. Damals reichte noch nicht einmal das Durchlaufen einer "normalen" Ausbildung in einem Lager in Afghanistan aus. Die Mitglieder der Al Qaida wurden vielmehr unter denjenigen Personen ausgesucht, die sich als besonders qualifiziert erwiesen und deshalb eine Spezialausbildung erhalten hatten. Hieraus folgt, dass die Al Qaida ihrerseits an die "Kandidaten" gewisse Anforderungen stellte, die diese erfüllen mussten, um Mitglied der Vereinigung werden zu können. Nach den Feststellungen ist nicht zu erkennen, dass diese Anforderungen aufgegeben wurden, als aufgrund des Verfolgungsdrucks eine "Reorganisation durch Dezentralisierung" erfolgte. In dieser Phase sollten zwar u. a. in Europa neue Kämpfer für den Jihad angeworben werden; es ist jedoch nichts dafür ersichtlich , dass die Al Qaida zu dieser Zeit jeden in einem europäischen Land befindlichen Interessenten ohne weitere Überprüfung wahllos als Mitglied im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in ihre Organisation aufnehmen wollte.
133
b) Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte Y. A. allerdings wegen Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB).
134
Nach ständiger Rechtsprechung unterstützt eine terroristische Vereinigung , wer, ohne selbst Mitglied der Organisation zu sein, deren Tätigkeit und terroristische Bestrebungen direkt oder über eines ihrer Mitglieder fördert. Dabei kann sich die Förderung richten auf die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt, auf die Erleichterung einzelner von ihr geplanter Straftaten, aber auch allgemein auf die Erhöhung ihrer Aktionsmöglichkeiten oder die Stärkung ihrer kriminellen Zielsetzung. Nicht erforderlich ist, dass der Organisation durch die Tathandlung ein messbarer Nutzen entsteht. Vielmehr genügt es, wenn die Förderungshandlung an sich wirksam ist und der Organisation irgendeinen Vorteil bringt; ob dieser Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ih rer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (BGHSt 51, 345, 348 f.).
135
Ein tatbestandliches Unterstützen liegt demgegenüber nicht vor, wenn die Handlung der Vereinigung von vornherein nicht nützlich war und sein konnte (vgl. BGH bei Schmidt MDR 1981, 91; Krauß aaO § 129 Rdn. 133). Es scheidet darüber hinaus auch dann aus, wenn die unterstützende Handlung sich der Sache nach als Werben für die Vereinigung darstellt. Wirbt der Täter um Mitglieder oder Unterstützer der terroristischen Vereinigung, kommt seine Strafbarkeit - nur - nach § 129 a Abs. 5 Satz 2 StGB in Betracht; wirbt er lediglich für die Ideologie oder Ziele der Vereinigung, bleibt er grundsätzlich straflos (BGHSt 51, 345). Die hieraus folgende Privilegierung des Werbens für eine Vereinigung ist durch die entsprechende Änderung der §§ 129, 129 a StGB durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002 (BGBl I 3390) sowie das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) bedingt und auf diese Tathandlung beschränkt ; sie führt insbesondere nicht dazu, dass für die sonstigen Erscheinungsformen möglicher Unterstützungshandlungen vergleichbare Einschränkungen gelten etwa mit der Folge, dass die Anforderungen an den notwendigen Vorteil der Unterstützungshandlung für die Vereinigung generell zu erhöhen wären.
136
Nach alldem ist als tatbestandliche Unterstützung jedes Tätigwerden anzusehen , das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung unmittelbar fördert, die Realisierung der von der Vereinigung geplanten Straftaten - wenn auch nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung der Vereinigung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr wesenseigene Gefährlichkeit festigt (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 139; Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB § 129 Rdn. 83), solange diese Tätigkeit sich nicht als Werben für eine Vereinigung darstellt. Aufgrund des aus der besonderen Tatbestandsstruktur der Vereinigungsdelikte folgenden Verhältnisses der einzelnen Tathandlungen zueinander umfasst das Unterstützen einer Vereinigung daher auch Sachverhaltsgestaltungen , die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären (BGHSt 51, 345, 350 f.). Da als Effekt des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt , regelmäßig bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Vereinigung zu sehen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Täter ein Mitglied der Vereinigung bei der Erfüllung einer Aufgabe unterstützt, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist. Denn die Mitwirkung an der Erfüllung eines Auftrags, den die Vereinigung selbst einem Mitglied erteilt hat, erweist sich nicht nur allein für das betroffene Mitglied als im hier relevanten Sinne vorteilhaft; der ausreichende , nicht notwendigerweise spezifizierte Nutzen wirkt sich in einem solchen Fall vielmehr auch auf die Organisation als solche in vergleichbarer Weise aus wie in den Fällen, in denen die Mitglieder in ihrem Entschluss gestärkt werden, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (BGHSt 32, 243, 244). Eines noch weiter gehenden Vorteils für die Vereinigung bedarf es deshalb in diesen Fallgestaltungen nicht.
137
In derartigen Fällen wird die gleichzeitig verwirklichte Beihilfe des Täters zur mitgliedschaftlichen Beteiligung des Dritten an der Vereinigung durch das täterschaftliche Unterstützen der Vereinigung verdrängt. Ob daneben Fallge- staltungen denkbar sind, in denen sich die Tathandlung lediglich als Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, nicht aber als Unterstützen der Vereinigung darstellt, kann hier offen bleiben.
138
Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte Y. A. die terroristische Vereinigung Al Qaida unterstützt. Der Angeklagte hat sich in maßgebender Funktion an den Versicherungsbetrügereien beteiligt, die u. a. dazu dienten, finanzielle Mittel für die Al Qaida zu erschließen. Durch diese Tätigkeit hat er die entsprechenden Bemühungen des Al Qaida-Mitglieds K. unterstützt, die für diesen wiederum Teil seiner mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Organisation waren. Die Förderung der Betätigungen des Angeklagten K. wirkte sich für diesen auch vorteilhaft aus; denn er wurde zum einen in dem Entschluss gestärkt, Straftaten zu begehen, die dem Fortbestand der terroristischen Vereinigung dienten und musste zum anderen darüber hinaus die Tätigkeiten, die der Angeklagte Y. A. entfaltete, nicht selbst vornehmen oder eine andere Person hierfür gewinnen. Die Beschaffungsbemühungen des Angeklagten K. dienten gerade der Erfüllung der allgemeinen Order, mit der er von der Al Qaida für seine in Deutschland zu verbringende Zeit betraut worden war. Damit wurden auch die Bestrebungen der Vereinigung insgesamt ausreichend gefördert. Der Vollendung der Tat steht nach alldem insbesondere nicht entgegen, dass es hier letztlich in keinem Fall zu einer Auszahlung der Versicherungssumme an die Beteiligten und demnach auch nicht zu einer Weiterleitung eines Teils des Erlöses an die Organisation kam.
139
3. Revision des Angeklagten I. A.
140
Die Verurteilung des Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
141
Die Tatbeiträge des Angeklagten I. A. stellen inhaltlich ebenso wie diejenigen des Angeklagten Y. A. eine Beihilfe zur Beteiligung des Angeklagten K. als Mitglied an der Al Qaida dar; denn mit ihnen förderte der Angeklagte I. A. die Bemühungen des Angeklagten K. , seinen ihm von der Al Qaida erteilten Auftrag zu erfüllen. Sie bewirkten somit im Ergebnis ebenfalls für die Vereinigung als solche einen ausreichenden Effekt.
142
Soweit der Senat in seiner Haftprüfungsentscheidung vom 19. Mai 2005 (BGHR StGB § 129 a Abs. 5 Unterstützen 1) Bedenken dagegen geäußert hat, dass die Tatbeiträge des Angeklagten als vollendetes Unterstützen zu werten seien, beruhte dies auf der dem damaligen Ermittlungsstand, wonach sich die Tätigkeit des Angeklagten auf die Zusage beschränkte, von der in der Zukunft zu erwartenden Beute einen Teil an die Vereinigung abzugeben. Der Senat ist im Revisionsverfahren auf der Basis der Feststellungen des tatgerichtlichen Urteils nicht gehalten zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen für ein Unterstützen der Vereinigung allein die Zusage eines Nichtmitglieds ausreicht, eine Handlung vorzunehmen, die sich auf die Organisation irgendwie vorteilhaft auswirken kann (vgl. hierzu auch BGHR StGB § 129 a Abs. 3 Unterstützen 4); denn nach diesen Feststellungen war die Tätigkeit des Angeklagten nicht auf die Abgabe einer derartigen Zusage beschränkt. Der Angeklagte wirkte vielmehr an den Versicherungsbetrügereien insgesamt mit, indem er selbstständig recherchierte und an Besprechungen in allgemein beratender Funktion teilnahm. Zudem war er damit einverstanden, als Bezugsberechtigter für die Versicherungssummen aufzutreten. Mit seiner diesbezüglichen Zusage leistete er somit einen erheblichen Beitrag für die Durchführung der einzelnen Betrugsstraftaten. Die Tätigkeiten des Angeklagten begründeten deshalb - wenn sie auch hinter denjenigen des Angeklagten Y. A. zurückblieben - jedenfalls bei einer Gesamtschau einen hinreichenden Vorteil für die Vereinigung im oben näher dargestellten Sinn.
143
144
Die Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten "bandenmäßigen" Betrugs in 28 Fällen hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis nicht in vollem Umfang stand und bedarf hinsichtlich aller Angeklagter teilweise der Abänderung. Entgegen der Würdigung des Oberlandesgerichts tritt in den hier vorliegenden Fällen betrügerischer Eingehung von Lebensversicherungsverträgen der Schaden bei den getäuschten Versicherungsunternehmen nicht erst mit Auszahlung der jeweiligen Versicherungsleistung, sondern bereits mit Abschluss der Versicherungsverträge ein. Damit ist der Betrug in neun Fällen vollendet , in den übrigen Fällen jeweils durch die Beantragung von Versicherungsverträgen versucht worden. Die Beanstandung der Revisionen, es habe sich wegen der geplanten, in ferner Zukunft liegenden Vortäuschung des Todes bei den Anträgen auf Vertragsabschluss jeweils nur um straflose Vorbereitungshandlungen gehandelt, geht daher fehl.
145
An den Betrugstaten der Angeklagten Y. A. und K. beteiligte sich der Angeklagte I. A. erst nach dem 21. September 2004. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts können ihm die vorher begangenen Betrugshandlungen der beiden Mitangeklagten nicht über die Rechtsfigur der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Damit erfüllen auch erst die nach diesem Zeitpunkt verwirklichten Taten das Regelbeispiel des bandenmäßigen Betrugs.
146
Dazu im Einzelnen:
147
1. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts gelang es dem Angeklagten Y. A. in neun Fällen (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30 und 33), Versicherungsunternehmen durch falsche Angaben jeweils zum Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zu veranlassen und damit die Deckung des Todesfallrisikos zu übernehmen. Bereits mit dem Vertragsschluss war unter den gegebenen - in der Praxis selten vorkommenden, zumindest selten nachweisbaren, hier allerdings ausdrücklich festgestellten - Umständen der Vermögensbestand der Versicherungsunternehmen gemindert und damit der Versicherungsbetrug vollendet.
148
a) Der Angeklagte täuschte bei der Antragstellung jeweils in mehrfacher Hinsicht über innere und äußere Tatsachen. So verneinte er ab Fall 3 stets wahrheitswidrig eine Vorerkrankung und in den meisten Fällen (mit Ausnahme der Fälle 1, 2, 13, 18, 19, 25 und 26) die Fragen nach anderen bestehenden oder beantragten Lebensversicherungsverträgen.
149
Insbesondere täuschte der Angeklagte in allen Fällen konkludent darüber , einerseits zukünftig dauerhaft nach den Vertragsbedingungen die Versicherungsprämien zahlen zu wollen und zu können sowie andererseits bereit zu sein, den beantragten Versicherungsschutz seinem Zweck entsprechend allein zur Abdeckung des zukünftigen Risikos eines ungewissen Schadenseintritts zu nutzen (zur Absicht der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen als tauglicher Gegenstand einer Täuschung vgl. Lindenau, Die Betrugsstrafbarkeit des Versicherungsnehmers aus strafrechtlicher und kriminologischer Sicht S. 164).
150
Über die innere Tatsache, sich nicht vertragstreu verhalten zu wollen, ist eine konkludente Täuschung möglich. Die Vertragspartner dürfen ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr, das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen (vgl. Cramer/Perron in Schönke/Schröder aaO § 263 Rdn. 14/15). Deshalb ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Willensbekundungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird (BGHSt 51, 165, 171).
151
Da die Manipulation des Vertragsgegenstandes eines Lebensversicherungsvertrags in der Form der Vortäuschung des Versicherungsfalles - ähnlich wie diejenige einer Sportwette (vgl. dazu BGHSt aaO S. 172) - zwangsläufig erst nach Vertragsschluss stattfinden kann, bezieht sich die konkludente Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits durchgeführte, sondern auf eine beabsichtigte Manipulation. Für die Täuschung kommt es dabei nicht darauf an, inwieweit die geplanten Beeinflussungen bereits ins Werk gesetzt sind.
152
Diese Täuschung ist tatbestandsmäßig im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB. Sie war unentbehrlich, um zu dem nach dem Tatplan notwendigen Zwischenziel , dem Abschluss des Versicherungsvertrags, zu gelangen. Dass es danach noch einer weiteren Täuschung (über den Eintritt des Versicherungsfalls) bedurfte , um das eigentliche Endziel der Auszahlung der Versicherungssumme zu erreichen, ist demgegenüber für die Täuschungshandlung rechtlich ohne Belang.
153
b) Den Vorstellungen des Angeklagten entsprechend ist bei den Versicherungsunternehmen aufgrund der Täuschung jeweils eine entsprechende Fehlvorstellung über die Leistungsbereitschaft sowie die Vertragstreue des Angeklagten und damit über den Umfang des zu übernehmenden Risikos eingetreten. Dieser Irrtum war (mit)ursächlich für den jeweiligen Vertragsabschluss durch den Versicherer.
154
c) Mit dem Vertragsabschluss ist bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen ein Vermögensschaden eingetreten.
155
aa) Der Vermögensschaden beim Betrug ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch einen Vermögensvergleich mit wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln (BGHSt 45, 1, 4; BGH NStZ 1996, 191; 1997, 32, 33).
156
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug), wie er hier in Rede steht, ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen. Ob ein Vermögensschaden eingetreten ist, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Vermögenslage vor und nach diesem Zeitpunkt. Zu vergleichen sind demnach die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen (BGHSt 16, 220, 221; 45, 1, 4). Bleibt der Anspruch auf die Leistung des Täuschenden in seinem Wert hinter der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurück, so ist dieser geschädigt (BGHSt 16 aaO).
157
Für die Beurteilung des Vermögenswertes von Leistung und Gegenleistung kommt es weder auf den von den Vertragsparteien vereinbarten Preis an (BGHSt 16, 220, 224) noch darauf, wie hoch der Verfügende subjektiv ihren Wert taxiert (BGHSt 16, 321, 325). Entscheidend für den Vermögenswert von Leistung und Gegenleistung ist vielmehr das vernünftige Urteil eines objektiven Dritten (BGHSt 16, 220, 222; 16, 321, 326; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 70 m. w. N.).
158
bb) Daran gemessen ist ein solcher Schaden bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen hier zu bejahen. Mit dem Vertragsabschluss war es mit der Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme im Todesfall belastet. Dem stand die Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber, an den Versicherer bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit die Prämien zu zahlen. Die Prämie ist der Preis, den der Versicherungsnehmer dafür zu entrichten hat, dass der Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherungssumme leistet. Sie muss in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem Versicherungsschutz stehen (vgl. hierzu Lindenau aaO S. 217 f.). Der Versicherer kalkuliert die Versicherungsprämien unter Berücksichtigung seiner allgemeinen Kosten (u. a. Abschlussprovision, Betriebskosten) auf der Basis von sog. Sterbetafeln, die eine aus der Erfahrung der Vergangenheit gewonnene wahrscheinliche Lebenszeit des Versicherten ausdrücken. Hinzu kommen ggf. Zuschläge für besondere Risiken. In die Prämienkalkulation geht die voraussichtliche Lebensdauer des Versicherten ebenso ein wie die Anzahl der Prämien, die - vorbehaltlich eines vorzeitigen Todes - bis zum Ablauf der Versicherungszeit zu zahlen sind. Im Normalfall besteht zwischen Leistung und Gegenleistung ein Äquivalent.
159
Hier stellte die Prämie indessen keinen entsprechenden Ausgleich für die mit dem Vertrag eingegangenen Verpflichtungen dar; denn der Angeklagte war von vornherein entschlossen, den Versicherungsfall zu fingieren, und hatte in Form der Verabredungen zuerst mit dem Mitangeklagten K. , später auch mit dem Mitangeklagten I. A. , bereits mit konkreten Vorbereitungen begonnen. Der jeweilige Versicherer war daher mit Abschluss des Vertra- ges rein wirtschaftlich gesehen nicht - wie von ihm angenommen - nur mit einer aufschiebend bedingten Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme für den Fall belastet, dass sich das - nach allgemeinen Maßstäben bewertete - Risiko des Todeseintritts während der Vertragslaufzeit verwirklichen sollte. Vielmehr war seine Inanspruchnahme aufgrund der von den Angeklagten beabsichtigten Manipulation des Vertragsgegenstandes sicher zu erwarten. Der entsprechenden Forderung hätte er sich nur durch den Beleg der Unredlichkeit des Versicherungsnehmers, etwa durch den Nachweis der Unrichtigkeit der ägyptischen Todesbescheinigung, entziehen können. Damit war die Leistungswahrscheinlichkeit gegenüber dem vertraglich vereinbarten Einstandsrisiko signifikant erhöht.
160
Bei dem Vergleich der wechselseitigen Ansprüche von Versicherer und Versicherungsnehmer bleibt außer Betracht, dass der Versicherer, sofern er Kenntnis von den tatsächlichen Hintergründen des Vertragsschlusses erlangen würde, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 BGB; vgl. § 22 VVG) oder sich in anderen Konstellationen, etwa gemäß § 74 Abs. 2 VVG, auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen könnte; denn diese Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, soll dem getäuschten Versicherer gerade verborgen bleiben (vgl. RGSt 48, 186, 189; BGH StV 1985, 368 m. w. N.; Fischer aaO § 263 Rdn. 103 m. w. N.).
161
Dafür, dass bereits mit dem Vertragsabschluss beim Versicherer ein Vermögensschaden eingetreten ist, spricht nicht zuletzt auch die zivilrechtliche Betrachtung. Insoweit ist anerkannt, dass der Versicherer gegenüber dem täuschenden Versicherungsnehmer nicht nur die Möglichkeit der Anfechtung des Vertrages hat. Daneben kommt vielmehr auch eine Schadensersatzhaftung des Versicherungsnehmers aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB) in Betracht mit der Folge, dass der getäuschte Versicherer gemäß § 249 BGB die Rückgängigmachung des Vertrages verlangen kann (vgl. BGH NJW 1998, 302, 303). Insoweit besteht die Möglichkeit, dass allein durch die mit dem Vertragsabschluss eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen ein Vermögensschaden begründet wird, wenn der Wert der Gegenleistung hinter dem Wert der Verpflichtungen zurückbleibt (vgl. BGH aaO S. 304).
162
Nach alldem ist in den Fällen, in denen es zum Abschluss des Lebensversicherungsvertrags kam, beim Versicherer ein Schaden entstanden, so dass insoweit jeweils ein vollendeter Eingehungsbetrug vorliegt. Die dem Tatplan entsprechende spätere Auszahlung der Versicherungssummen hätte lediglich zu einer Schadensvertiefung geführt und den Eingehungs- zum Erfüllungsbetrug werden lassen. Auch insoweit ist es für die rechtliche Bewertung ohne Belang , dass hierzu und damit zum Eintritt des endgültigen Verlustes des Versicherers noch eine weitere erfolgreiche Täuschung über den Eintritt des Versicherungsfalls erforderlich gewesen wäre.
163
Zweifel daran, dass der jeweilige Versicherer bereits mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages in seinem Vermögen geschädigt war, bestehen auch nicht deswegen, weil sich die Bestimmung der Schadenshöhe als problematisch erweist. Insoweit könnte sich eine Berechnung nach bilanziellen Maßstäben (so BGH StV 2009, 242) etwa deswegen als schwierig darstellen, weil es für die Bewertung der Verpflichtung aus einem täuschungsbedingt abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag keine anerkannten Richtgrößen gibt. Diese Schwierigkeiten lassen indes den Schaden nicht entfallen. Sie führen lediglich dazu, dass der Tatrichter grundsätzlich unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege der Schätzung Mindestfeststellungen zu treffen hat (vgl.
BGH aaO S. 243). Hierzu wird er sich erforderlichenfalls der Hilfe von Sachverständigen aus den Gebieten der Versicherungsmathematik bzw. der Versicherungsökonomie und/oder des Bilanzwesens bedienen. Unter den hier gegebenen Umständen (vgl. unten VI.) war dies indes nicht geboten.
164
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit bisheriger Rechtsprechung zum Eingehungsbetrug.
165
So hat bereits das Reichsgericht (RGSt 48, 186) einen Vermögensschaden des Feuerversicherers in dem bloßen Abschluss eines Versicherungsvertrages gesehen, auf den die Versicherungsnehmer unter Angabe eines unzutreffend hohen Versicherungswerts in der Absicht angetragen hatten, die versicherten Sachen alsbald in Brand zu setzen und dadurch in den Besitz der Versicherungssumme u. a. auch für Gegenstände zu kommen, die gar nicht vorhanden waren. Es hat dabei ausgeführt, dass der Prämienanspruch, den die Gesellschaft erhielt, nur den Ausgleich bildete "für die gegenüber einem vertragstreuen Vertragsgegner übernommene Verpflichtung zur Gefahrtragung. Dieser Anspruch verlor an Wert und büßte ihn im wesentlichen ein bei den Angeklagten , die überhaupt nicht die Absicht hatten, ihr Verhalten dem Vertrage gemäß einzurichten, … sondern im Gegenteil entschlossen waren, mit Hilfe des Scheines eines Vertrags die Gesellschaft zu einer vermögensrechtlichen Aufwendung , der Zahlung der Brandentschädigung, zu veranlassen." Die Vermögensminderung (damals bezeichnet als Vermögensgefährdung) sah das Reichsgericht darin, dass sich die Versicherungsgesellschaft täuschungsbedingt vertraglich verpflichtete, "eine weit größere Gefahr (vermögensrechtlichen Inhalts) zu tragen, als sie dem in der Prämie ausgedrückten, demgemäß auch vereinbarten gewöhnlichen Verlaufe der Dinge entsprach, und die Möglichkeit einer die Gesellschaft treffenden tatsächlichen Einbuße an ihrem Vermögen war bei der von den Angeklagten in Aussicht genommenen alsbaldigen Brandstiftung unmittelbar gegeben" (RGSt 48, 186, 190).
166
Auch der Bundesgerichtshof hat den Betrug schon als vollendet angesehen mit dem Vertragsschluss über die Lieferung von Feinkohle, bei dem der Angeklagte von Anfang an beabsichtigt hatte, lediglich minderwertigen Kohlenschlamm zu liefern (BGH NJW 1953, 836). Er hat ausgeführt, dass beim Eingehungsbetrug eine "Vermögensgefährdung" schon darin bestehen kann, dass der Geschädigte überhaupt in vertragliche Beziehungen zu einem böswilligen Vertragspartner getreten ist, der von vornherein darauf ausging, den Vertragspartner unter planmäßiger Ausnutzung eines beim Vertragsschluss durch Vorspiegelung von Tatsachen erregten Irrtums zur späteren Entgegennahme einer vertragswidrigen Leistung zu veranlassen.
167
Einen vollendeten Eingehungsbetrug hat der Bundesgerichtshof zuletzt auch in dem betrügerisch veranlassten Eingehen eines Risikogeschäfts gesehen , das mit einer nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr verbunden ist (BGH NJW 2009, 2390). Er hat dabei ausgeführt, der mit der Vermögensverfügung unmittelbar eingetretene Vermögensschaden sei durch das Verlustrisiko im Zeitpunkt der Vermögensverfügung bestimmt.
168
d) Entgegen der Ansicht der Revisionen steht auch das Erfordernis der Stoffgleichheit einer Strafbarkeit des Angeklagten nicht entgegen. Der rechtswidrige Vermögensvorteil, den der Täter für sich oder einen Dritten erlangen will, muss die Kehrseite des Schadens sein. Unmittelbare Folge des Vertragsabschlusses war für den Angeklagten die Verbesserung seiner Vermögenssituation. Diese bestand darin, dass der getäuschte Lebensversicherer die Deckung des Risikos zu nicht äquivalenten Konditionen übernahm und dem Ange- klagten die Möglichkeit eröffnete, diese Risikodeckung zur Fingierung des Todesfalles auszunutzen.
169
2. Dementsprechend setzte der Angeklagte Y. A. in 19 weiteren Fällen (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) zur Begehung eines Eingehungsbetrugs unmittelbar an, indem er mit täuschenden Angaben in den Anträgen die Versicherungsunternehmen jeweils zum Abschluss entsprechender Verträge zu veranlassen suchte. Mit der Einreichung des Antrags nahm er diejenige Täuschungshandlung vor, die nach seiner Vorstellung dazu ausreichte, denjenigen Irrtum hervorzurufen, der den Getäuschten zu der schädigenden Vermögensverfügung bestimmen und damit den Schaden herbeiführen sollte (vgl. BGHSt 37, 294, 296).
170
Die Einwände der Revisionen, die Angeklagten hätten noch nicht unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt, sondern seien lediglich im Stadium der straflosen Vorbereitungshandlungen verblieben, haben deshalb im Ergebnis keinen Erfolg. Sie sind lediglich im Ausgangspunkt insoweit berechtigt, als die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts, in allen Fällen habe ein versuchter Erfüllungsbetrug vorgelegen, rechtlich nicht haltbar ist.
171
Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Auch eine frühere, vorgelagerte Handlung kann bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmündet oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang steht. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Hierbei können etwa die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen (BGHR StGB § 22 Ansetzen 30 m. w. N.).
172
Hier fehlt es für den vom Oberlandesgericht angenommenen Erfüllungsbetrug an einem unmittelbaren Ansetzen zur Tat im Sinne des § 22 StGB, da zunächst noch wesentliche Zwischenschritte erfolgreich hätten zurückgelegt werden müssen, bevor es möglich gewesen wäre, die Versicherungen zur Leistung auf den Todesfall in Anspruch zu nehmen. Denn bevor nicht der Tod des Angeklagten Y. A. in Ägypten fingiert und die entsprechend gefälschten Unterlagen beschafft waren, wäre es nicht möglich gewesen, die Versicherer durch deren Vorlage auf Auszahlung der Versicherungssummen in Anspruch zu nehmen.
173
3. An den 28 Taten des vollendeten bzw. versuchten Betrugs des Angeklagten Y. A. beteiligte sich der Angeklagte K. als Mittäter.
174
Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen; es kann auch eine solche im Vorbereitungsstadium des unmittelbar tatbestandsmäßigen Handelns genügen. Der Mittäter muss nur einen Beitrag leisten, der die Tat fördert und er muss die Tat als eigene wollen. Die Annahme von Mittäterschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in wertender Betrachtung der festgestellten Tatsachen zu prüfen. Dafür sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr maßgeb- lich (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26 m. w. N.). Danach hat das Oberlandesgericht den Angeklagten K. zutreffend als Mittäter angesehen. Er nahm zwar selbst keine Täuschungshandlung vor, war aber der Ideengeber und beteiligte sich intensiv an der Planung der Taten, sorgte nach den Vertragsabschlüssen für die Bezahlung der Prämien und sollte nach dem Tatplan bei der Geltendmachung der Versicherungsleistungen mitwirken. An der Tat hatte er selbst ein großes Interesse.
175
4. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts beteiligte sich der Angeklagte I. A. , nachdem er am 21. September 2004 von den beiden Mitangeklagten in das Betrugsvorhaben eingeweiht worden war, an den nach diesem Tag begangenen Taten (fünf Fälle des vollendeten und 18 Fälle des versuchten Betrugs). Die Würdigung des Oberlandesgerichts, der Angeklagte sei dabei Mittäter gewesen, hält rechtlicher Überprüfung nach den oben dargelegten Grundsätzen noch stand. Zwar nahm auch er nicht selbst Täuschungshandlungen vor, zudem sollte er persönlich von der erwarteten Beute nicht profitieren. Gleichwohl hatte er insoweit ein eigenes Interesse an der Tat, als er wusste, dass mit einem Teil der Beute seine Familie (Mutter und Geschwister ) unterstützt werden sollten. Hinzu kommt, dass er im Endstadium des Betrugsvorhabens als Begünstigter der Lebensversicherungsverträge die entscheidende Tatherrschaft haben sollte und seine Mitwirkung deshalb notwendige Bedingung für das Tatvorhaben war.
176
Für die vor dem 21. September 2004 begangenen Taten ist indes ein strafbares Handeln des Angeklagten I. A. nicht belegt. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts und des Generalbundesanwalts können ihm die Tatbeiträge der Mitangeklagten auch nicht nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Eine solche liegt bei demjenigen vor, der in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen tatbestandsmäßigen Handelns in das tatbestandliche Geschehen eingreift. Die Zurechnung bereits verwirklichter Tatumstände ist aber nur dann möglich, wenn der Hinzutretende selbst einen für die Tatbestandsverwirklichung ursächlichen Beitrag leistet. Kann der Hinzutretende die weitere Tatausführung dagegen nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs schon alles getan ist und das Tun des Eintretenden auf den weiteren Ablauf des Geschehens ohne jeden Einfluss bleibt, kommt mittäterschaftliche Mitwirkung trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH NStZ 1984, 548; 1998, 565). So liegt es hier. Der Angeklagte billigte nach seinem Hinzukommen zwar die Tatausführung durch die Mitangeklagten, erklärte sich bereit, in einem späteren Stadium der Tat durch eigene Tatbeiträge zur endgültigen Beutesicherung beizutragen , und beteiligte sich mit Vorschlägen an der weiteren Tatausführung. Er leistete aber für diese ersten fünf Taten selbst keinen Tatbeitrag mehr. Bei zwei Fällen (Fälle 1 und 4) waren die Versicherungsverträge schon abgeschlossen, in zwei Fällen (Fälle 2 und 3) sind die Versicherungsverträge später abgeschlossen worden, im Fall 4 hat die Versicherung den Vertragsabschluss am 4. Oktober 2004 abgelehnt. In keinem Fall ist ein Tätigwerden des Angeklagten, das auf den weiteren Ablauf Einfluss gehabt hätte, festgestellt. Insoweit ist ohne Bedeutung, dass auf alle vier abgeschlossenen Versicherungsverträge Prämienzahlungen auch nach dem 21. September 2004 erfolgten. Dies entsprach zwar dem inzwischen von allen drei Angeklagten gefassten Tatplan, indes lag darin nur ein Aufrechterhalten der durch die frühere Täuschung erreichten Fehlvorstellung des jeweiligen Versicherers über eine korrekte Vertragsabwicklung und keine weitere tatbestandsrelevante Täuschungshandlung.
177
Der Senat kann daher offenlassen, ob angesichts der Fallbesonderheiten - zur Vertiefung des Schadens durch Inanspruchnahme der Lebensversicherungen nach einem fingierten Todesfall sollte der Angeklagte ganz erhebliche Tatbeiträge leisten - eine sukzessive Mittäterschaft im Rahmen des Betrugstatbestands zwischen Vollendung und Beendigung hier in Frage kommen könnte (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 5; BGH, Beschl. vom 2. Juli 2009 - 3 StR 131/09).
178
5. Mit der Zustimmung des Angeklagten I. A. zu dem Tatplan und mit dessen erklärter Bereitschaft, sich im weiteren Verlauf der Tat an der Geltendmachung der Ansprüche auf Auszahlung der Versicherungssummen zu beteiligen und die Beute auszukehren, haben sich die Angeklagten zu einer Bande verbunden, um in der Folgezeit - jedenfalls in der in Aussicht genommenen kurzen, im einzelnen aber noch nicht genau bestimmten Zeitspanne - weitere Betrugstaten zu begehen. Damit liegt bei den nach dem 21. September 2004 begangenen Taten (ab Fall 6) jeweils das Regelbeispiel bandenmäßiger Begehung für die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB vor.
179
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts fehlt dieses Merkmal bei den ersten fünf Taten. Der Angeklagte I. A. war an diesen Taten nicht beteiligt, die für eine Bande erforderliche Bandenabrede zum Tatzeitpunkt noch nicht getroffen. Die Mitangeklagten handelten deshalb lediglich als Mittäter (vgl. BGH, Beschl. vom 17. März 2009 - 4 StR 607/08).
180
IV. Konkurrenzen
181
Das Verhältnis zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung und den Betrugstaten hat das Oberlandesgericht im Grundsatz zutreffend beurteilt.
182
1. Der Angeklagte K. hat die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) jeweils in Verfolgung der Ziele der Al Qaida begangen. Sie stehen deshalb mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an der ausländischen terroristischen Vereinigung jeweils in Tateinheit. Zugleich werden sie, da das Verbrechen nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB gegenüber den Betrugstaten das schwerere Delikt ist, von diesem zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verklammert (vgl. BGHSt 29, 288, 291; BGHR StGB § 129 Konkurrenzen 1; § 129 a Konkurrenzen

4).


183
2. Bei dem Angeklagten Y. A. stellen sich die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
184
Im Ausgangspunkt besteht allerdings bei einer Mehrzahl von Unterstützungshandlungen zwischen diesen jeweils Tatmehrheit. Hierin liegt der Unterschied zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, bei der mehrere Einzelakte zu einem tatbestandlichen Verhaltenstypus im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 193). Eine tatbestandliche Handlungseinheit zwischen mehreren Unterstützungshandlun- gen kommt nur in Betracht, wenn es um ein und denselben Unterstützungserfolg geht und die einzelnen Akte einen engen räumlichen, zeitlichen und bezugmäßigen Handlungszusammenhang aufweisen (vgl. Krauß aaO m. w. N.). So liegt es hier. Sämtliche Handlungen bezogen sich auf das einheitliche, übergeordnete Ziel der Unterstützung. Die Bemühungen dienten stets nach demselben Tatschema dem Zweck, aus der gesamten erstrebten Betrugsbeute die ausländische terroristische Vereinigung Al Qaida in Form einer Geldzuwendung zu stärken. Die Handlungen standen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang. Zum Teil beantragte der Angeklagte an einem Tag bei demselben Versicherer den Abschluss mehrerer Versicherungsverträge oder stellte Anträge bei mehreren Versicherern.
185
Die somit einheitliche Unterstützungshandlung verbindet nach den unter vorstehend 1. für die mitgliedschaftliche Beteiligung dargestellten Grundsätzen, die im Hinblick auf den am jeweiligen Strafrahmen zu messenden Unrechtsgehalt des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB einerseits und des § 263 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 StGB andererseits für diese Konstellation entsprechend gelten , die einzelnen vollendeten bzw. versuchten Betrugstaten ebenfalls zur Tateinheit.
186
3. Bei dem Angeklagten I. A. stellen sich die fünf Taten des Betrugs (Fälle 6, 16, 22, 30, 33) und die 18 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis ebenfalls als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
187
Als Mittäter muss sich der Angeklagte die im Rahmen des gemeinsamen Tatplans mit seiner Billigung erbrachten Tathandlungen seiner Mittäter - und damit alle 23 vom Mitangeklagten Y. A. seit seinem Hinzutre- ten und der Bildung der Bande begangenen Täuschungshandlungen - zurechnen lassen. Die Frage des rechtlichen Zusammentreffens ist jedoch bei einer Tatserie für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des Tatbeitrags jedes Tatbeteiligten (BGH StV 2002, 73). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts hat der Angeklagte seinen Tatbeitrag insgesamt durch die Bereitschaft zur Geltendmachung der Versicherungsleistungen sowie durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Verfahrensablauf der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art erbracht. Beiträge , die auf einzelne Betrugstaten konkretisiert waren, sind nicht festgestellt. In diesem Fall werden ihm die Einzeltaten des Mitangeklagten als in gleichartiger Tateinheit begangen zugerechnet (vgl. Fischer aaO § 25 Rdn. 23 m. w. N.). Diese Tatbeiträge zum Betrug stellen gleichzeitig die Unterstützungshandlung des Angeklagten dar. Dementsprechend liegt - wie das Oberlandesgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - auch nur eine Tat des Unterstützens einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor.
188
V. Schuldspruchänderung
189
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch weitergehende Feststellungen zur Beteiligung des Angeklagten Y. A. an der Al Qaida getroffen werden können. Er hat deshalb den Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig ist. Außerdem hat er die durch die abweichende rechtliche Beurteilung der Betrugstaten notwendigen Änderungen der Schuldsprüche vorgenommen. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn die Angeklagten hätten sich dagegen hier nicht anders als geschehen verteidigen können.
190
VI. Strafausspruch
191
1. Bei dem Angeklagten K. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe aus dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 1 StGB (ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe ) entnommen. Der Senat schließt aus, dass es bei zutreffender rechtlicher Beurteilung der Betrugstaten auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Zwar können die Fälle 1 bis 5 nicht mehr als bandenmäßig begangen und damit regelmäßig als besonders schwere Fälle des Betrugs bzw. des versuchten Betrugs beurteilt werden. Indes sind neun der Taten als vollendet anzusehen, was deren Gewicht für die Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten erhöht. Der Bestand der Strafe ist auch nicht deshalb gefährdet, weil die (potentiellen) Vermögensschäden der Versicherer durch die (versuchten) Eingehungsbetrugstaten , die der Schuldspruchänderung durch den Senat zugrunde liegen, wesentlich hinter den Beträgen zurückbleiben, die der Angeklagte letztlich nach gelungener Vortäuschung des Versicherungsfalles für sich und die Mittäter erlangen wollte. Das Oberlandesgericht ist insgesamt nur von Versuchsfällen ausgegangen und hat demgemäß einen Schadenseintritt verneint. Dass es die Höhe der beabsichtigten Bereicherung durch Zahlung der Versicherungssummen im Sinne einer Beuteerwartung strafschärfend berücksichtigt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden und stellt auch auf der Grundlage der vom Senat ausgeurteilten (versuchten) Eingehungsbetrugstaten einen maßgeblichen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar. Demgegenüber hat aber auch bereits das Oberlandesgericht ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass der Eintritt dieses letztendlich ins Auge gefassten Schadens noch sehr weit entfernt war und noch weiterer Zwischenschritte bedurft hätte.
192
2. Die Strafe für den Angeklagten Y. A. kann hingegen nicht bestehen bleiben. Durch die Änderung des Schuldspruchs hat sich der die Strafe bestimmende Strafrahmen in seiner Untergrenze von einem Jahr auf sechs Monate Freiheitsstrafe abgesenkt. Zwar hat sich das Oberlandesgericht daran nicht orientiert; auch ist die Obergrenze des Strafrahmens mit zehn Jahren gleichgeblieben. Dennoch kann der Senat - schon wegen der Nähe der verhängten Strafe zu derjenigen für den wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung verurteilten Mitangeklagten K. - nicht ausschließen, dass die Strafe milder ausgefallen wäre, wenn das Oberlandesgericht den Angeklagten zutreffend nur wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen hätte.
193
Über den Strafausspruch muss deshalb erneut durch den Tatrichter entschieden werden. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der rechtsfehlerhaften Einordnung des Tatbeitrags des Angeklagten nicht berührt sind. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen dürfen.
194
Damit wird die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung gegenstandslos (Meyer-Goßner aaO § 464 Rdn. 20).
195
3. Bei dem Angeklagten I. A. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) entnommen. Der Senat kann auch hier ausschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Beurteilung auf eine geringere Strafe erkannt hätte. Zwar sind die ersten fünf Betrugstaten im Schuldspruch entfallen; indes wird der Schuldumfang davon bestimmt, dass der Angeklagte bereit war, auch hinsichtlich der ohne seine Mitwirkung begangenen Betrugstaten die letztendlich erwartete Beute durch die Geltendmachung und Vereinnahmung der Versicherungsleistungen zu sichern.
196
VII. Kostenbeschwerde
197
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung wird als unbegründet verworfen, da diese dem Gesetz entspricht.
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer
18
aa) Unter einem Unterstützen im Sinne dieser Vorschriften ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und - wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt - sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 117 f.; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, 350 f.). Auch muss das Wirken des Nichtmitglieds nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen; es genügt, wenn sein Tun für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass der Nutzen messbar sein muss (vgl. BGH, Urteile vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 116). Erforderlich ist aber immer, dass das Nichtmitglied eine konkret wirksame Unterstützungsleistung für die Vereinigung erbringt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, aaO, S. 349; vom 17. August 2017 - AK 34/17, juris Rn. 6), die einen objektiven Nutzen entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6). Dies muss anhand belegter Fakten nachgewie- sen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 - AK 13-14/13, BGHSt 58, 318, 323 f.).

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 552/08
vom
14. August 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nicht: B. III., C. V.-VII.)
Veröffentlichung: ja
____________________________________
I. StPO § 100 c Abs. 4, 5, 6, § 100 d Abs. 5 Nr. 3
1. Die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich
voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben
wurden.
2. Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den sog. relativen Beweisverwertungsverboten
, nach denen nicht jeder Verstoß bei der Beweiserhebung
zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse
führt, gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung
eingeführten Verwendungsregelungen bzw. Verwendungsbeschränkungen.
3. Zur Verwendbarkeit von Daten im Strafverfahren, die durch eine akustische
Wohnraumüberwachung auf der Grundlage einer polizeirechtlichen Ermächtigung
zur Gefahrenabwehr gewonnen worden sind, welche noch keine Regelung
zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung enthielt.
4. Der Begriff "verwertbare Daten" in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich auf
die gesetzlichen Beweisverwertungsverbote in § 100 c Abs. 5 und 6 StPO sowie
auf das Beweiserhebungsverbot aus § 100 c Abs. 4 StPO.
5. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines
nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, so richtet
sich die Verwertbarkeit dieser Gesprächsinhalte stets nach der Vorschrift des
§ 100 c Abs. 6 StPO. Für eine isolierte Anwendung des § 52 StPO ist daneben
kein Raum.
II. StGB §§ 129, 129 a, 129 b
1. Zur Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, wenn
sich der Täter ausschließlich im Inland aufgehalten hat.
2. Das Unterstützen einer Vereinigung umfasst regelmäßig auch Sachverhalte
, die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur
mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären.
Mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrags ist der Eingehungsbetrug
vollendet, wenn der Versicherungsnehmer darüber getäuscht hat, dass er
den Versicherungsfall fingieren will, um die Versicherungssumme geltend machen
zu lassen.
BGH, Urt. vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08 - OLG Düsseldorf
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
zu 2. und 3.: Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Mai 2009 in der Sitzung am 14. August 2009, an denen teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten Y. A. ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. A. ,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 28. Mai 2009,
Justizamtsinspektor bei der Verkündung am 14. August 2009
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Dezember 2007
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten wie folgt schuldig sind: aa) der Angeklagte K. der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; bb) der Angeklagte Y. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; cc) der Angeklagte I. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in fünf sowie mit versuchtem Betrug in achtzehn tateinheitlichen Fällen;
b) im Strafausspruch betreffend den Angeklagten Y. A. aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten Y. A. , an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten und die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils werden verworfen.
4. Die Angeklagten K. und I. A. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
A. Prozessgeschichte, Feststellungen und Wertungen des Oberlandesgerichts
2
Das Oberlandesgericht hat die Angeklagten K. und Y. A. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem "bandenmäßigen" Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren (K. ) bzw. sechs Jahren (Y. A. ) und den Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem bandenmäßigen Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die sowohl mehrere Verfahrensrügen erheben als auch mit Einzelbeanstandungen die Verletzung sachlichen Rechts geltend machen. Die beiden Angeklagten A. haben außerdem sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt.
3
Die Revision des Angeklagten Y. A. führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die übrigen Rechtsmittel bleiben im Wesentlichen ohne Erfolg.
4
Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen getroffen und Bewertungen vorgenommen:
5
I. Die Organisation Al Qaida
6
In den Jahren 1996/1997 entstand aus einem Bündnis zwischen Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri die Organisation Al Qaida, die zum Kampf einer "Islamischen Weltfront für den Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" aufrief und es mit dem Ziel, westliche, vor allem amerikanische Truppen aus der arabischen Halbinsel zu vertreiben, als individuelle Glaubenspflicht eines jeden Muslim bezeichnete, die Amerikaner und ihre Verbündeten an jedem möglichen Ort zu töten. Al Qaida war im Kern in Afghanistan angesiedelt. An der Spitze der hierarchisch aufgebauten Organisation standen Bin Laden, Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter der für Militär, Finanzen, religiöse Fragen und Medienarbeit zuständigen Abteilungen. "Jihadwillige" Islamisten, die mittels des von der Organisation verbreiteten Propagandamaterials angeworben worden waren, wurden in Ausbildungslagern in Afghanistan als Kämpfer geschult. Besonders geeignet erscheinenden Kandidaten wurde sodann in speziellen Vertiefungskursen Sonderwissen vermittelt. Wer an einer derartigen - privilegierten - Spezialausbildung in den Jahren vor 2001 teilgenommen hatte, war der Organisation Al Qaida in der Regel im Sinne einer "Mitgliedschaft" unmittelbar zuzuordnen. Nach Abschluss ihrer Ausbildung kehrten die Kämpfer in ihre Herkunftsländer zurück und bildeten dort operative Zellen. Von der Organisation, deren Zweck und Tätigkeit im Wesentlichen in der Tötung von "Feinden des Islams" bestand, wurden in der Folgezeit mehrere Anschläge ausgeführt, die eine erhebliche Zahl von Menschenleben forderten. Zu ihnen gehörten auch die Selbstmordattentate auf das World-Trade-Center und das Pentagon am 11. September 2001.
7
Die dadurch ausgelösten militärischen Reaktionen beeinträchtigten in der Folgezeit die operative Handlungsfähigkeit der Organisation, führten aber nicht zu einer vollständigen Zerschlagung sämtlicher Strukturen von Al Qaida, sondern nur zu deren - dem Verfolgungsdruck vorübergehend angepassten - Modifizierung. Den in großer Zahl aus Afghanistan geflohenen Anhängern wurde durch Audio- und Videobotschaften verdeutlicht, dass die obersten Führungskräfte von Al Qaida dort weiterhin unverändert aktiv waren. Es gelang der Aufbau von regional tätigen Teilstrukturen in Form der "Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel" und einer Gruppe türkischer Islamisten. Außerdem konnte Al Qaida mehrere selbständige islamistische Organisationen ("Al Qaida im Zweistromland" sowie "Al Qaida im islamischen Maghreb") an sich binden. Durch den über Rundfunk und Fernsehen verbreiteten Führungsanspruch von Bin Laden und Al Zawahiri gelang es, auch ohne die Bildung eigenständiger Netzwerke neue Mitglieder der Organisation unter dem "Dach" der Al Qaida zu rekrutieren. An die Stelle des vor 2001 üblichen Gefolgschaftseids traten zur Begründung der Mitgliedschaft in der Organisation mehr und mehr einseitige Loyalitätserklärungen sowie an den Zielvorgaben von Al Qaida orientierte Handlungen.
8
II. Die Tathandlungen der Angeklagten
9
Der Angeklagte K. , der schon 2000 und Anfang 2001 in Trainingslagern der Al Qaida eine terroristische Ausbildung erhalten und seither den gewaltsamen Jihad gegen die "Ungläubigen" als seine außer jeder Diskussion stehende Individualpflicht betrachtet hatte, reiste nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Deutschland im Oktober 2001 erneut nach Afghanistan und nahm dort Ende 2001 / Anfang 2002 an Kampfhandlungen der Al QaidaVerbände teil. Dabei hatte er Kontakt zu Bin Laden und gliederte sich in die Hierarchie der Organisation ein. Im Frühjahr 2002 floh er vor den Amerikanern und deren Verbündeten. Er folgte der von Bin Laden an die im Besitz europäischer Pässe befindlichen "Kämpfer" erteilten Order, sich nach Möglichkeit in ihre Herkunftsländer zu begeben und weiterhin für Al Qaida zu arbeiten. Mitte Juli 2002 kehrte er nach Deutschland zurück und zog nach M. .
10
In M. lernte der Angeklagte K. den Angeklagten Y. A. kennen. Dieser hatte sich schon seit längerem für den gewaltsamen Kampf der Muslime begeistert sowie seine Sympathie zu Al Qaida zum Ausdruck gebracht und war in M. in Kontakt zu weiteren gleichgesinnten Personen gekommen. Die Wohnung des Angeklagten K. in der P. straße wurde zum Treffpunkt dieses Freundeskreises. Der Angeklagte Y. A. besuchte den Angeklagten K. auch in der JVA , nachdem dieser im Januar 2004 in einem Verfahren wegen Betruges verhaftet und für vier Monate in Untersuchungshaft genommen worden war.
11
Der Angeklagte K. , der sich nach wie vor der Al Qaida zugehörig und in der Rolle eines "Murabit" fühlte, der nur zeitweilig den Kampfschauplatz des Jihad hatte verlassen müssen, entfaltete in der Folgezeit umfangreiche Aktivitäten für die Organisation. Er befasste sich zu deren Gunsten in erster Linie mit Rekrutierungs- und Beschaffungsmaßnahmen und warb für die Unterstützung des gewaltsamen Jihad durch einen Märtyrereinsatz oder zumindest durch eine Spende an seine Organisation. Dabei gelang es ihm, den Angeklagten Y. A. zur Mitarbeit zu bewegen. Dieser entschloss sich vor dem Hintergrund seiner eigenen ideologischen Vorprägung, auf die Angebote des Angeklagten K. einzugehen und seine Tätigkeit in Deutschland fortan in den Dienst von Al Qaida zu stellen. Dementsprechend machte er die Planung und Durchführung einer Betrugsserie zum Nachteil von Lebensversicherungsgesellschaften zum "Mittelpunkt seines Lebens", deren erhebliche Beute zum einen Teil Al Qaida und zum anderen seiner Familie zugute kommen und zuletzt ihm ermöglichen sollte, dem Angeklagten K. zur Teilnahme am Jihad in den Irak zu folgen.
12
Der Plan einer Betrugsserie sah vor, dass der Angeklagte Y. A. innerhalb eines auf zwei bis drei Monate angelegten Tatzeitraums zahlreiche Lebensversicherungsverträge abschließen, sodann nach Ägypten verreisen und von dort aus mittels Bestechung von Amtspersonen inhaltlich falsche Urkunden übersenden sollte, um gegenüber den Versicherungsunternehmen einen tödlichen Verkehrsunfall in Ägypten vortäuschen zu können. Der Angeklagte I. A. sollte sodann als Begünstigter mit Unterstützung des Angeklagten K. die Versicherungssummen geltend machen. In Verfolgung dieses zuerst zwischen den Angeklagten K. und Y. A. entwickelten Plans holte letzterer ab Mai 2004 bei Versicherungsunternehmen erste Erkundigungen über die möglichen Vertragsge- staltungen ein und begann am 10. August 2004 mit der Stellung von Versicherungsanträgen. Der Angeklagte K. stellte sicher, dass die ersten Prämien bezahlt werden konnten. Der Angeklagte I. A. , der am 21. September 2004 umfassend in den Tatplan eingeweiht worden war, nahm an zahlreichen Besprechungen des Vorhabens teil, ließ hierbei keine Zweifel an seiner uneingeschränkten Bereitschaft zur Mitwirkung bei der späteren Geltendmachung der Versicherungssummen und deren Verwendung aufkommen und unterstützte ferner die gemeinsame Tatplanung durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Procedere der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass zumindest ein Teil der Beute über den Angeklagten K. der Al Qaida zufließen und auf diese Weise ihren organisatorischen Zusammenhang fördern sowie die Verfolgung ihrer terroristischen Aktivitäten erleichtern werde.
13
Im Einzelnen stellte der Angeklagte Y. A. zwischen dem 10. August 2004 und dem 15. Januar 2005 bei verschiedenen Versicherungsunternehmen insgesamt 28 Anträge auf Abschluss von Lebensversicherungsverträgen. Entsprechend der Tatplanung kam es in neun Fällen zum Abschluss eines Versicherungsvertrages mit einer garantierten Todesfallsumme von 1.264.092 €. In 19 Fällen wurden die Anträge des Beschwerdeführers - teilweise aufgrund der zwischenzeitlichen Warnhinweise der Polizei an die Versicherungsunternehmen, zuletzt auch wegen der Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 - abgelehnt bzw. nicht mehr weiter bearbeitet.
14
III. Beweisgrundlage und rechtliche Würdigung des Oberlandesgerichts
15
Das Oberlandesgericht hat seine Überzeugung im Wesentlichen auf Erkenntnisse gestützt, die durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen in der von den Angeklagten K. und Y. A. bewohnten Wohnung in M. gewonnen worden waren.
16
Nach der rechtlichen Würdigung des Oberlandesgerichts war Al Qaida trotz der strukturellen Veränderungen aufgrund der Verfolgung seit Ende des Jahres 2001 auch im Tatzeitraum eine ausländische terroristische Vereinigung. In dieser haben sich die Angeklagten K. und Y. A. als Mitglieder betätigt, während der Angeklagte I. A. nach Auffassung des Oberlandesgerichts die Vereinigung unterstützt hat. Die Taten der Angeklagten zum Nachteil der Versicherungen stellen sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts in allen Fällen, also auch soweit es zu Vertragsabschlüssen gekommen ist, als täterschaftlich und bandenmäßig begangener versuchter Betrug dar.
17
B. Die Verfahrensrügen
18
I. Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung
19
Die Beschwerdeführer rügen unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten die Verwertung der aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Den Verfahrensbeanstandungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
20
Das Polizeipräsidium M. beantragte am 22. Juni 2004 beim Amtsgericht M. gemäß § 29 Abs. 1 des Rheinland-Pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (im Folgenden: POG RhPf) die richterliche Anordnung der Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln für die Wohnung des Angeklagten K. . Begründet wurde der Antrag u. a. mit der dringenden Gefahr, dass der sich dort regelmäßig treffende Personenkreis die Begehung von terroristischen Anschlägen plane. Nachdem der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht den Antrag zunächst am 28. Juni 2004 abgelehnt hatte, weil bereits der Anfangsverdacht einer Straftat nach §§ 129 a, 129 b StGB gegen die Betroffenen bestehe, genehmigte das Landgericht M. auf die sofortige Beschwerde des Polizeipräsidiums mit Beschluss vom 14. Juli 2004 gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 POG RhPf aF die Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen. Es bejahte entsprechend dem Antrag des Polizeipräsidiums das Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, weil in der Wohnung Anschläge geplant werden könnten. Eine Befristung der Maßnahme enthielt der Beschluss nicht. Vor Ablauf der damaligen Höchstfrist von drei Monaten gemäß § 29 Abs. 4 Satz 2 POG RhPf aF beantragte das Polizeipräsidium am 8. Oktober 2004 die Verlängerung der Maßnahme. Neben einer Verstrickung des Angeklagten K. in die Netzwerke arabischer Mudjahedin habe die Überwachung die Bereitschaft der Angeklagten K. und Y. A. ergeben, den "Märtyrertod" zu sterben, woraus sich wegen zu befürchtender Anschlagsplanungen eine fortdauernde dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergebe. Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts M. verlängerte am 12. Oktober 2004 aus den fortgeltenden Gründen des Anordnungsbeschlusses die Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten. Nach dem Beschluss war die Überwachung sofort abzubrechen, wenn sich der Angeklagte K. oder der Angeklagte Y. A. jeweils allein in der Wohnung aufhalte, wenn Gespräche offensichtlich für die Gefahrenabwehr irrelevant seien oder wenn der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung - auch kurzzeitig - betroffen sei.
21
Am 12. Oktober 2004 leitete der Generalbundesanwalt gegen die Angeklagten K. und Y. A. das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ein. Am 11. November 2004 beantragte er beim Landgericht Ka. die Anordnung der Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e, Abs. 2 und Abs. 3 StPO aF. In dem Antrag wurden Erkenntnisse aus der zuvor auf polizeirechtlicher Grundlage durchgeführten Wohnraumüberwachung zur Begründung des Tatverdachts verwendet. Das Landgericht Ka. ordnete die Maßnahme mit Beschluss vom 24. November 2004 für die Dauer von vier Wochen an. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse ließen den Schluss zu, dass der Angeklagte K. im Auftrag der Al Qaida Mitglieder zur Begehung von Selbstmordattentaten rekrutiere und in dem Angeklagten Y. A. auch bereits einen zum "Märtyrertod" Bereiten gefunden habe, mit dem er an der Umsetzung des Plans arbeite. Beide stünden damit im Verdacht, sich an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglieder zu beteiligen. Ohne die Wohnraumüberwachung werde die Erforschung des Sachverhalts unverhältnismäßig erschwert, weil keine sonstigen Beweismittel ersichtlich seien, mit denen Erkenntnisse über Zielsetzung oder Aktivitäten der Angeklagten gewonnen werden könnten. Eine weitere Aufklärung sei auch erforderlich, weil die bisherigen Erkenntnisse noch keinen hinreichenden Tatverdacht bezüglich der Mitgliedschaft der Angeklagten in der Al Qaida und ihre konkrete Art der Beteiligung ergeben hätten. Eine Ausforschung des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, weil die in der abgehörten Wohnung zusammentreffenden Personen nicht miteinander verwandt seien und nicht in einer Beziehung höchstpersönlichen Vertrauens zueinander stünden. Soweit die Brüder des Angeklagten Y. A. in der Wohnung anwesend seien, müssten die Ermittlungsbehörden dafür Sorge tragen, dass die Überwachung sofort abgebrochen werde, sobald der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung berührt werde. Auf entsprechende Anträge des Generalbundesanwalts, mit denen weitere Erkenntnisse zu dem geplanten Versicherungsbetrug, aber auch zu einem möglichen Handel mit Uran mitgeteilt wurden, verlängerte das Landgericht Ka. mit Beschlüssen vom 22. Dezember 2004 und vom 19. Januar 2005 die Maßnahme um jeweils vier Wochen.
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Obwohl die Wohnraumüberwachung bereits mit Beschluss vom 14. Juli 2004 genehmigt worden war, begann die Ausführung der Maßnahme erst am 24. August 2004. Am 30. August 2004 erließ das Polizeipräsidium Handlungsgrundsätze für die Durchführung der Wohnraumüberwachung, die allen beteiligten Beamten bekannt gemacht wurden. Mit diesen Handlungsanweisungen sollten die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (BVerfGE 109, 279) zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung umgesetzt werden. Insbesondere wurde nicht eine automatische, sondern eine manuelle Gesprächsaufzeichnung angeordnet. Dafür wurden Polizeibeamte und Dolmetscher im Schichtbetrieb eingesetzt, die nur dann Gespräche aufzeichneten, wenn aufgrund einer Einschätzung der aktuellen Situation in der Wohnung relevante Erkenntnisse zu erwarten waren. Die Handlungsanweisungen wurden entsprechend den Beschlüssen des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 und des Landgerichts Ka. vom 24. November 2004 fortgeschrieben und berücksichtigten die dort aufgestellten Vorgaben. Die Wohnraumüberwachung wurde mit der vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 beendet; sie dauerte mithin ca. fünf Monate. In dieser Zeit (insgesamt über 3.620 Stunden) wurden 703 Aufzeichnungen mit einer Gesamtlänge von etwas über 304 Stunden erstellt, was bezogen auf die Gesamtdauer der Maßnahme einem Anteil von 8,4 % entspricht. Von den 703 aufgezeichneten Gesprächen wurden 313 übersetzt, 144 der Anklageschrift zu Grunde gelegt, 142 in die Hauptverhandlung eingeführt und Passagen aus 86 Gesprächsaufzeichnungen im angefochtenen Urteil verwertet. Alle Angeklagten haben in der Hauptverhandlung der Verwertung der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung widersprochen.
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Die Rüge hat keinen Erfolg.
24
1. Ob das Oberlandesgericht die im Rahmen der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Informationen in die Hauptverhandlung einführen und bei seiner Beweiswürdigung verwerten durfte, bestimmt sich zunächst nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl I 3198 ff.). Zwar ist diese Vorschrift erst am 1. Januar 2008 und damit nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getreten. Jedoch ist bei der Änderung strafprozessualer Bestimmungen für das weitere Verfahren grundsätzlich auf die neue Rechtslage abzustellen (BGH NJW 2009, 791, 792 m. w. N.; Knierim StV 2009, 206, 207). Dies gilt auch bei einer Änderung des Rechtszustands zwischen dem tatrichterlichen Urteil und der Revisionsentscheidung (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 354 a Rdn. 4; Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 a Rdn. 5). Nach dem somit maßgeblichen § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO - der im Übrigen dem im Zeitpunkt der Verkündung des oberlandesgerichtlichen Urteils geltenden § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF entspricht - können aus einer polizeilichen akustischen Wohnraumüberwachung erlangte, verwertbare personenbezogene Daten im Strafverfahren ohne Einwilligung der über- wachten Personen unter anderem zur Aufklärung einer Straftat verwendet werden , auf Grund derer die Maßnahme nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt:
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a) Die auf der Grundlage der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse sind zum Nachweis von Straftaten herangezogen worden, zu deren Aufklärung die Wohnraumüberwachung auch nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte (Gedanke des hypothetischen Ersatzeingriffs, vgl. dazu BTDrucks. 16/5846 S. 64; Wolter in SK-StPO § 100 d Rdn. 33). Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Verdacht, dass entsprechende Taten begangen worden sind, bereits im Zeitpunkt der Anordnung bzw. Durchführung der polizeirechtlichen Maßnahme bestanden hatte, denn es handelt sich bei § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO um eine Verwendungsregelung für Erkenntnisse, die zur Gefahrenabwehr , nicht dagegen zur Strafverfolgung erhoben worden waren. Daher ist allein maßgeblich, ob die Daten nunmehr im Strafverfahren zur Klärung des Verdachts einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO verwendet werden sollen.
26
Hier sind die Protokolle der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung zum Nachweis der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB) verwertet worden, mithin von Katalogtaten im Sinne des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO.
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Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer durften sie aber auch zur Beweisführung hinsichtlich der ihnen angelasteten Betrugstaten herangezogen werden. Zwar sind diese nicht im Katalog des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO enthalten. Wie jedoch auch die Revisionen letztlich nicht in Abrede nehmen, liegt zwischen den Betrugshandlungen, die sich als Betätigungsakte der durch § 100 c Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO als Katalogtat erfassten Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung darstellen , Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vor. In einer solchen Konstellation entspricht es bei Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnahmen auch zum Nachweis der mit der Katalogtat in Zusammenhang stehenden Nichtkatalogtat verwertet werden dürfen (BGHSt 28, 122, 127 f.; 30, 317, 320; BGH StV 1998, 247, 248). Diese Grundsätze sind im Schrifttum gebilligt und für die Verwertung von Erkenntnissen aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme übernommen worden (Nack in KK § 100 d Rdn. 33; Wolter aaO § 100 d Rdn. 74; jeweils m. w. N.). Es besteht insoweit kein Anlass, aufgrund der unterschiedlichen betroffenen Grundrechte die Fälle der Wohnraumüberwachung anders als diejenigen der Telekommunikationsüberwachung zu behandeln. Den entsprechenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts tritt der Senat bei.
28
Die den Angeklagten angelasteten Taten nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB wogen auch im konkreten Fall besonders schwer (§ 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO). Zum einen handelt es sich bei der öffentlichen Sicherheit und staatlichen Ordnung (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 129 Rdn. 2 m. w. N.) um hochrangige Rechtsgüter; diese werden von § 129 a StGB geschützt. Zum anderen kam das arbeitsteilige, äußerst konspirative Zusammenwirken mehrerer Täter zur Umsetzung eines komplexen Tatplans hinzu , wodurch zugleich noch weitere Rechtsgüter - das Vermögen der Versicherungsunternehmen - verletzt wurden (zu diesen Anforderungen vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 12).
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Die Aufklärung der den Angeklagten angelasteten Taten wäre ohne die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung unverhältnismäßig erschwert oder unmöglich gemacht worden (§ 100 c Abs. 1 Nr. 4 StPO). Es ist insoweit wiederum nicht auf den Zeitpunkt der Erlangung der Erkenntnisse abzustellen, denn die Regelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich nur auf den erneuten aus der anderweitigen Verwendung der zweckgebundenen Daten folgenden Grundrechtseingriff (vgl. BGH NJW 2009, 791, 792; BVerfGE 100, 313, 391). Zum Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil stellten die Wohnraumüberwachungsprotokolle indes die zentralen Beweismittel dar, ohne die ein Tatnachweis nicht möglich gewesen wäre.
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b) Bei den Erkenntnissen aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung handelt sich um verwertbare Daten im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO.
31
Der Begriff der Verwertbarkeit bezieht sich auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO (Nack aaO § 100 d Rdn. 18; Meyer-Goßner aaO § 100 d Rdn. 6). Dies folgt schon aus dem Vergleich zu § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO, der die Verwendbarkeit "verwertbarer personenbezogener Daten" regelt, die in einem anderen Strafverfahren gewonnen worden sind. Durch die Verwendungsregelungen in § 100 d Abs. 5 StPO (seinerzeit: § 100 d Abs. 6 StPO aF) sollte ein den Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung (BVerfGE 109, 279) entsprechendes Schutzniveau geschaffen werden, um für den Bereich der Strafverfolgung die einfachgesetzlichen Regelungen zur Wohnraumüberwachung und der Verwendung der aus einer solchen Maßnahme - sei es auch auf anderer gesetzlicher Grundlage als derjenigen der StPO - erlangten personenbezogenen Informationen insgesamt verfassungsgemäß auszugestalten (BTDrucks. 15/4533 S. 1). Dies erforderte einen einheitlichen Anknüpfungspunkt , wie ihn die Verwertungsverbote des § 100 c StPO boten. Dementsprechend nimmt die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF durch den Verweis auf § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF auch auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO Bezug, die der Gesetzgeber im Regelungsbereich des § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF beachtet wissen wollte (vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 17 f.). Daraus erhellt, dass diese Verwertungsverbote auch im Rahmen des § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF (jetzt: § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO) Anwendung finden und dies durch die gesetzliche Verwendungsvoraussetzung der "verwertbaren" personenbezogenen Daten zum Ausdruck gebracht werden sollte.
32
Die Gegenauffassung, die auf eine Verwertbarkeit im polizeirechtlichen Ausgangsverfahren abstellen will (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64), könnte demgegenüber dazu führen, dass für die Verwendbarkeit durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen gewonnener Daten nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO andere , gegebenenfalls großzügigere Maßstäbe gelten würden, als für diejenige nach § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Denn im Polizeirecht kommt dem Aspekt der aus Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 1 GG abzuleitenden Schutzpflichten des Staates zur Abwehr von Gefahren insbesondere für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter eine weitaus größere Bedeutung zu als im Strafprozess (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht 4. Aufl. Rdn. 215 f.; Würtenberger /Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg 6. Aufl. Rdn. 659; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht 14. Aufl. § 17 Rdn. 69). Eine nach polizeirechtlichen Grundsätzen durchgeführte Abwägung zwischen den Grundrechten des durch die Maßnahme Betroffenen und den zu schützenden Rechtsgütern der Allgemeinheit oder eines Einzelnen könnte also auch dann noch zur Verwertbarkeit von erlangten Erkenntnissen führen, wenn diese nach strafpro- zessualen Grundsätzen zu verneinen wäre. Selbst wenn man für das Merkmal der Verwertbarkeit in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur auf die polizeirechtlichen Regelungen zum Kernbereichsschutz abstellen wollte, könnte aufgrund der insoweit teilweise unterschiedlichen Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder und des Bundes (vgl. dazu Wolter aaO § 100 c Rdn. 17, 19) die Verwendung im Strafverfahren davon abhängen, in welchem Bundesland bzw. nach welchem Bundesgesetz die Maßnahme angeordnet wurde. Dies wäre in sich nicht stimmig.
33
Unverwertbare Daten im Sinne des § 100 c Abs. 4-6 StPO sind vorliegend nicht verwendet, insbesondere in dem angefochtenen Urteil nicht gegen die Beschwerdeführer verwertet worden (dazu unten 2. d) und e).
34
2. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Verwendung der durch die Wohnraumüberwachung auf polizeirechtlicher Grundlage gewonnenen Daten im Strafverfahren gegen die Angeklagten liegen vor.
35
a) Das zur Erhebung der Daten ermächtigende Gesetz gestattet deren Umwidmung für Zwecke der Strafverfolgung (s. dazu Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 d Rdn. 65; allgemein zu dieser Voraussetzung Singelnstein ZStW 120 (2008), 854, 859 ff.). Die entsprechende Verwendungsbefugnis enthält § 29 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 POG RhPf, der auch bereits im Zeitpunkt der Verwertung der Daten in dem angefochtenen Urteil galt.
36
b) Zutreffend machen die Beschwerdeführer allerdings geltend, dass § 29 POG RhPf aF, auf den die akustische Überwachung der Wohnung des Angeklagten K. gestützt worden war, nicht in vollem Umfang verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprach. Dies führt indes nicht dazu, dass die aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse nicht gemäß § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO im Strafverfahren gegen die Angeklagten verwendet werden durften. Hierzu gilt:
37
§ 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 c Rdn. 32; Eisenberg, Beweisrecht der StPO 6. Aufl. Rdn. 358; s. auch Singelnstein aaO S. 887 f.; Griesbaum in KK § 161 Rdn. 40 - jeweils zur parallelen Problematik bei § 161 Abs. 2 StPO; BGHSt 48, 240, 249; BGHR StPO § 100 a Verwertungsverbot 10; Schäfer in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl. § 100 a Rdn. 87 - jeweils zur Verwendungsregelung des § 100 b Abs. 5 StPO aF).
38
aa) Bedingung dafür ist zunächst eine wirksame Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 13 GG genügt (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64 f.). Ermächtigungsgrundlage war hier § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF, der die Erhebung von Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in der Wohnung des Betroffenen zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit erlaubte. Diese Eingriffsvoraussetzungen stehen im Einklang mit der das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG einschränkenden Vorschrift des Art. 13 Abs. 4 GG, die eine Wohnraumüberwachung zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit , also bei einer konkreten Gefährdung eines wichtigen Rechtsgutes (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG 10. Aufl. Art. 13 Rdn. 30) zulässt. Durch die Aufzählung einer gemeinen Gefahr und der Lebensgefahr in Art. 13 Abs. 4 GG wird die Eingriffsschwelle beispielhaft definiert (Gornig in v. Mangoldt/Klein/Stark, GG 5. Aufl. Art. 13 Rdn. 126), was auch bei der Auslegung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF zu berücksichtigen ist. Bei Beachtung dieser Maßstäbe ergeben sich insoweit keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Eingriffsermächtigung (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577 zum weitgehend inhaltsgleichen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf nF). Diese ist auch einfachrechtlich hinreichend bestimmt: Der unbestimmte Rechtsbegriff der dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist insbesondere durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte konturiert worden und setzt voraus, dass bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Schädigung eines hochrangigen Rechtsguts droht; auf eine zeitliche Komponente, etwa in dem Sinne, dass der Schadenseintritt unmittelbar bevorstehen muss, kommt es hingegen nicht entscheidend an (BVerwGE 47, 31, 40; Jarass aaO Art. 13 Rdn. 37).
39
Die von den Beschwerdeführern zur Begründung ihrer Gegenauffassung herangezogene verfassungsgerichtliche Rechtsprechung (BVerfGE 113, 348; MVVerfG LKV 2000, 345) ist nicht einschlägig. Die in jenen Entscheidungen für nichtig erklärten Vorschriften des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG MV ) bzw. § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 Niedersächsisches Gesetz über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG Nds.) knüpften als Eingriffsvoraussetzung nicht an die Abwehr einer dringenden Gefahr, sondern an die vorsorgende Strafverfolgung und Verhütung von Straftaten an (BVerfGE 113, 348, 350 f., 368 f.; MVVerfG LKV 2000, 345, 349 f.; siehe auch VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577). Die mit § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf vergleichbare Vorschrift des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SOG M-V, der die Wohnraumüberwachung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zulässt, ist nach der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern hingegen verfassungsgemäß (MVVerfG LKV 2000, 345, 349); der unter den gleichen Voraussetzungen die Anordnung der Telefonüberwachung zulassende § 33 a Abs. 1 Nr. 1 SOG Nds. war nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, weil er in jenem Verfahren mit der Verfassungsbeschwerde nicht angefochten worden war. Aus den vorgenannten Entscheidungen lassen sich verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF somit nicht herleiten.
40
Die Ermächtigungsgrundlage genügte auch im Hinblick auf den in der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG geforderten Richtervorbehalt den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. § 29 Abs. 4 Satz 1 POG RhPf aF).
41
bb) Jedoch enthielt der am 3. März 2004 in Kraft getretene § 29 POG RhPf aF keine Vorschriften zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Solche Regelungen hatte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom selben Tag zur Anordnung einer Wohnraumüberwachung nach der Strafprozessordnung gefordert und die §§ 100 c, 100 d, 100 f und 101 StPO aF deshalb teilweise für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Gleichwohl hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zur Neufassung dieser Bestimmungen eingeräumt, in der die bisherigen Regelungen unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten Vorgaben zum Schutz der Menschenwürde und zur Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit fortgalten (BVerfGE 109, 279). Mittlerweile - und auch bereits im Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht - sind solche Regelungen zum Kernbereichsschutz sowohl in § 100 c Abs. 4-6 StPO als auch in § 29 Abs. 3-6 POG RhPf nF enthalten.
42
Das Fehlen von Kernbereichsschutzregelungen in § 29 POG RhPf aF führt nicht zur Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse.
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(1) Nicht zu teilen vermag der Senat allerdings die vom Oberlandesgericht und - ihm folgend - vom Generalbundesanwalt vertretene Auffassung, die Vorschrift sei einer verfassungskonformen Auslegung dahin zugänglich gewesen , dass sie unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben jedenfalls für eine Übergangszeit der Verfassung entsprochen habe und so als rechtmäßige Ermächtigungsgrundlage für Wohnraumüberwachungsmaßnahmen habe dienen können.
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Eine verfassungskonforme Auslegung kommt in Betracht, wenn eine auslegungsfähige Norm nach den üblichen Interpretationsregeln mehrere Auslegungen zulässt, von denen eine oder mehrere mit der Verfassung übereinstimmen , während andere zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen (BVerfGE 19, 1, 5; 32, 373, 383 f.; 48, 40, 45). Die Grenzen einer solchen Auslegung sind indes erreicht, wenn durch sie der wesentliche Inhalt der gesetzlichen Regelung erst geschaffen werden müsste (BVerfGE 8, 71, 78 f.; 45, 393, 400); es steht den Fachgerichten insbesondere in Fällen, in denen der Gesetzgeber unterschiedliche Möglichkeiten zu einer verfassungskonformen Neuregelung hat, nicht zu, die gesetzgeberische Aufgabe der Rechtssetzung zu übernehmen (BVerfGE 72, 51, 62 f.; 100, 313, 396; vgl. auch BVerfGE 8, 71, 79). Hier erweist sich die vom Oberlandesgericht vorgenommene "verfassungskonforme Auslegung" der Sache nach als übergangsweise Regelung zur Fortgeltung eines mit der Verfassung nicht vereinbaren Gesetzes unter Berücksichtigung bestimmter verfassungsrechtlicher Vorgaben; zu solchen Übergangsregelungen sind gemäß § 35 BVerfGG nur das Bundesverfassungsgericht bzw. nach den entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften die Landesverfassungsgerichte befugt (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG § 35 Rdn. 69, 43; Heusch in Mitarbeiterkommentar-BVerfGG 2. Aufl.
§ 31 Rdn. 81 f.; s. etwa § 26 Abs. 3 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz).
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Gegen die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung mit dem vom Oberlandesgericht angenommenen Inhalt spricht zudem, dass sich das Bundesverfassungsgericht selbst - bezogen auf die Vorschriften der Strafprozessordnung - zu einer solchen außer Stande sah und ausdrücklich eine Regelung durch den Gesetzgeber forderte (BVerfGE 109, 279). In Kenntnis der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts hat auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof die die Wohnraumüberwachung zulassenden Vorschriften im Sächsischen Verfassungsschutzgesetz, die ebenfalls keine Regelungen zum Kernbereichsschutz enthielten, nicht aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung unbeanstandet gelassen, sondern sie unter Bestimmung einer Übergangsfrist für mit der Verfassung unvereinbar erklärt (SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
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(2) Obwohl danach wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz von der Unvereinbarkeit des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF mit Art. 13 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und damit von der Rechtswidrigkeit der Wohnraumüberwachung ausgegangen werden muss, lässt dies hier die Verwendbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO unberührt.
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Nach ständiger Rechtsprechung führt nicht jeder Rechtsverstoß bei der strafprozessualen Beweisgewinnung zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Bedeutsam sind dabei insbesondere die Art des etwaigen Beweiserhebungsverbots und das Gewicht des in Rede stehen- den Verfahrensverstoßes, das seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird (vgl. BGHSt 19, 325, 329 ff.; 27, 355, 357; 31, 304, 307 ff.; 35, 32, 34 f.; 37, 30, 31 f.; 38, 214, 219 ff.; 38, 372, 373 f.; 42, 372, 377; 44, 243, 249; BGH NStZ 2007, 601, 602; BVerfG NStZ 2006, 46; NJW 2008, 3053). Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass die Annahme eines Verwertungsverbots ein wesentliches Prinzip des Strafverfahrensrechts - den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind - einschränkt. Aus diesem Grund stellt ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (BGHSt 37, 30, 32 m. w. N.; 44, 243, 249).
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Diese Grundsätze gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung eingeführten Verwendungsregelungen (der Sache nach auch BGHSt 48, 240, 249 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF), zu denen auch § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO zählt.
49
Zwar wird in Teilen der Literatur die Auffassung vertreten, Verwendungsregelungen müssten bei Nichtvorliegen ihrer Voraussetzungen stets wie ein geschriebenes Verwertungsverbot wirken, das keiner Abwägung zugänglich sei, so dass in derartigen Fällen jegliche Verwendung und damit auch jede Verwertung der jeweils in Rede stehenden Daten ausgeschlossen werden müsse (Singelnstein aaO S. 889 m. w. N.). Nach dieser Ansicht sollen sich - mangels einer ausdrücklichen Ermächtigung, auch rechtswidrig erlangte Erkenntnisse für einen anderen Verfahrenszweck umzuwidmen - die Verwendungsregelungen der Strafprozessordnung ausschließlich auf rechtmäßig erhobene Daten beziehen, weil eine rechtswidrige Datenerhebung im Vergleich zu einer rechtmäßigen ei- nen schwereren Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstelle (Singelnstein aaO S. 887 f.).
50
Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Eine solche Beschränkung nur auf rechtmäßig erhobene Daten ergibt sich aus dem Wortlaut der Verwendungsregelungen nicht. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften zur Verwendung von Erkenntnissen aus präventiv-polizeilichen Maßnahmen im Strafverfahren ist allerdings zu entnehmen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von der rechtmäßigen Datenerhebung ausgegangen ist (Wollweber NJW 2000, 3623 unter Hinweis auf die Materialien zum Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, vgl. BRDrucks. 64/00 S. 6 f.). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass auf polizeigesetzlicher Grundlage rechtswidrig erhobene Daten unter keinen Umständen für Zwecke des Strafverfahrens zur Verfügung stehen sollten (Zöller in Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit 2. Aufl. S. 496 f.). Denn es entspricht der üblichen Regelungstechnik der Strafprozessordnung, dass der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen normiert, unter denen zur strafprozessualen Beweisgewinnung durch Ermittlungsmaßnahmen rechtmäßig in (Grund-)Rechte der jeweils Betroffenen eingegriffen werden darf, jedoch - abgesehen von wenigen Ausnahmen (s. etwa § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO) - keine Bestimmungen dazu trifft, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen rechtswidrig erlangte Beweisergebnisse im weiteren Verfahren verwertet werden dürfen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Regelungen zur Verwendung von Daten, die in anderen Verfahren und eventuell auch unter Geltung anderer Rechtsgrundlagen für die Informationsbeschaffung gewonnen worden sind, von diesem Konzept abweichen wollte.
51
Auch von Verfassungs wegen folgt aus der Rechtswidrigkeit einer Datenerhebung nicht zwangsläufig das Verbot einer zweckändernden Verwendung (Wolter aaO vor § 151 Rdn. 167 a; Albers, Die Determination polizeilicher Tätigkeit in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge S. 330 f.; Singelnstein aaO S. 887). Damit entspricht die rechtliche Ausgangslage aber derjenigen bei den sog. relativen Verwertungsverboten. Auch hier besteht ein ausdrückliches gesetzliches Verwertungsverbot nicht; ob die gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise unverwertbar sind, wird auf der Grundlage der oben dargestellten Abwägungskriterien vielmehr nur deshalb geprüft, weil die Ermittlungsbehörden bei der Beweisgewinnung gegen Vorschriften der Strafprozessordnung verstoßen haben, von deren Einhaltung durch die Behörden der Gesetzgeber grundsätzlich ausgeht. Wenn aber in diesen Fällen die Rechtswidrigkeit der Ermittlungshandlung nicht stets zur Unverwertbarkeit der Beweismittel führt, so ist kein Grund dafür ersichtlich, in der vergleichbaren Situation der Verwendungsregelungen jede Verwendung und damit auch die Verwertung von der Rechtmäßigkeit der Datengewinnung abhängig zu machen. Besonders augenfällig wird dies bei der Vorschrift des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO, die die Verwendung von Zufallsfunden regelt: Während die Rechtswidrigkeit der Ermittlungsmaßnahme die Verwertbarkeit der Erkenntnisse zu der Straftat, zu deren Aufklärung sie angeordnet wurde, gegebenenfalls unberührt lassen würde, dürften gleichzeitig gewonnene Beweisergebnisse, die eine andere Tat des selben Täters betreffen, nicht verwertet werden. Diesem unstimmigen Ergebnis kann auch nicht mit dem Hinweis darauf begegnet werden, dass die Zweckänderung einen erneuten Grundrechtseingriff darstellt, der durch die Verwendungsregelung nur gerechtfertigt werden könne, wenn die Datenerhebung selbst rechtmäßig war. Denn auch die Verwertung von rechtswidrig erlangten Erkenntnissen in demselben Verfahren stellt einen erneuten Grundrechtseingriff oder zumindest eine Vertiefung des zuvor erfolgten dar. Dessen Rechtfertigung kann sich bei einem Überwiegen der Belange der Allgemeinheit, insbesondere des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung - einem Prinzip von Verfassungsrang (BVerfGE 44, 353, 374; BVerfG StV 1985, 177) - aus der nach den dargestellten Grundsätzen vorzunehmenden Güterabwägung ergeben.
52
Ob - was allerdings nahe liegen dürfte - von diesem Ergebnis abzuweichen ist, wenn durch die Nutzung der rechtswidrig erhobenen Daten eine in der Verwendungsregelung enthaltene Beschränkung umgangen würde, etwa wenn die Wohnraumüberwachung nicht zur Aufklärung einer Katalogtat oder eines vergleichbaren präventiv-polizeilichen Zwecks angeordnet wurde (vgl. Albers aaO S. 331; Schäfer aaO § 100 a Rdn. 97 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF; Weßlau in SK-StPO § 477 Rdn. 41; in diesem Sinne wohl auch Dencker in FS für Meyer -Goßner S. 237, 249 f.), kann der Senat offen lassen. Zu einer solchen Verletzung der Verwendungsbeschränkung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO ist es nicht gekommen (dazu oben 1. a). Im Übrigen würde in solchen Fällen auch die Auffassung, die ein Verwertungsverbot von einer Güterabwägung abhängig macht, regelmäßig zu dem Ergebnis einer Unverwertbarkeit der Daten gelangen (vgl. BGHSt 31, 304, 309; 41, 30; 47, 362).
53
Für alle anderen Verstöße ist abzuwägen, ob die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung auch die zweckändernde Verwendung und damit hier die Verwertung im Strafverfahren verbietet (vgl. Nack aaO § 100 d Rdn. 31 ff.; Albers aaO S. 331 f.; vgl. auch Wolter aaO § 100 d Rdn. 69, der bei "Minimalverstößen" ebenfalls eine Abwägung für geboten hält, aA wohl Singelnstein aaO).
54
(3) Ist nach alledem eine Verwendung der aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung erlangten Daten wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz in § 29 POG RhPf aF und einer daraus resultierenden Rechtswidrigkeit der Maßnahme nicht von vornherein ausgeschlossen, ergibt die vorzunehmende Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung, was zur Verwertbarkeit der gewonnen Erkenntnisse führt. Im Einzelnen:
55
Der Rechtsverstoß bei der Informationsbeschaffung liegt hier darin, dass die Abhörmaßnahme auf der Grundlage einer mit dem Grundgesetz nicht in vollem Umfang vereinbaren einfachgesetzlichen Ermächtigung durchgeführt worden ist. Der Senat verkennt nicht, dass die Unvereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung mit höherrangigem Recht einen Verstoß von Gewicht begründet, der regelmäßig zur Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen wird. Jedoch sind vorliegend besondere Umstände zu beachten , die zu einer abweichenden Beurteilung führen:
56
Das Bundesverfassungsgericht hatte die entsprechenden strafprozessualen Regelungen trotz ihrer teilweisen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht für nichtig, sondern sie unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Erfordernisse einer funktionierenden Strafrechtspflege für eine Übergangszeit weiterhin für anwendbar erklärt. Dem entnimmt der Senat, dass auch § 29 POG RhPf aF, wäre er zur verfassungsrechtlichen Prüfung durch das Bundes- oder Landesverfassungsgericht gestellt worden, nicht etwa für nichtig, sondern unter entsprechenden Vorgaben ebenfalls für eine Übergangszeit für weiter anwendbar erklärt worden wäre (vgl. SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
57
Die Vorschrift des § 29 POG RhPf aF entsprach in Bezug auf den Überwachungsgrund der Gefahrenabwehr sowie im Hinblick auf die Eingriffsschwelle und den Richtervorbehalt der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG. Sie konnte die Maßgaben des Verfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensführung nicht berücksichtigen, weil für den Gesetzgeber noch keine Möglichkeit bestand, diese in das Gesetz einzuarbeiten; denn zwischen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der Erstanordnung der Maßnahme lagen nur etwas über vier Monate (das Bundesverfassungsgericht hatte dem Bundesgesetzgeber in seinem Urteil vom 3. März 2004 eine Frist von mehr als einem Jahr und drei Monaten zur verfassungskonformen Neufassung der einschlägigen Bestimmungen der Strafprozessordnung zur Wohnraumüberwachung gesetzt, vgl. BVerfGE 109, 279, 381). Gleichwohl waren Betroffene von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen im Hinblick auf ihr Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht schutzlos gestellt; vielmehr ergibt sich bei Fehlen entsprechender Vorschriften in den Polizeigesetzen ein solcher Schutz unmittelbar aus Art. 13 Abs. 4 GG in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aufgestellten Grundsätze (Wolter aaO § 100 c Rdn. 19 m. w. N.).
58
Bei dieser Ausgangslage war die Annahme des Polizeipräsidiums und der die präventiv-polizeiliche Wohnraumüberwachung anordnenden bzw. die Anordnung verlängernden Gerichte nicht unvertretbar, dass die Maßnahme trotz des Fehlens einer gesetzlichen Regelung zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung durchgeführt werden durfte und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durch entsprechende Vorkehrungen im Vollzug der Wohnraumüberwachung Rechnung getragen werden konnte. Jedenfalls stellte sich diese Annahme nicht als eine bewusste Umgehung des Gesetzes oder grundrechtlich geschützter Positionen der Angeklagten dar.
59
Nach alldem wiegt die teilweise Unvereinbarkeit des § 29 POG RhPf aF mit verfassungsrechtlichen Anforderungen hier nicht so schwer, dass sie eine nach den dargelegten Grundsätzen nur ausnahmsweise anzuerkennende Un- verwertbarkeit der bei der Wohnraumüberwachung erlangten Erkenntnisse zur Folge hätte. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass wegen der Respektierung des Kernbereichs der privaten Lebensführung bei Durchführung der Maßnahme (s. unten d) und e) jedenfalls materiell ein ungerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht der Angeklagten K. und Y. A. aus Art. 13 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung ihrer Menschenwürde nicht vorlag. Angesichts dessen kann auch die überragende Bedeutung dieser Grundrechte keine andere Beurteilung rechtfertigen.
60
c) Die Anordnung der Wohnraumüberwachung unterliegt im Übrigen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die entgegenstehende Rüge, mit der die Beschwerdeführer geltend machen, die Voraussetzungen einer Anordnung der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF hätten nicht vorgelegen, ist unbegründet.
61
aa) Die Anordnung wurde nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Anordnungsbeschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit getroffen. Auch in der Sache lag kein Eingriff zur bloßen Gefahrenvorsorge oder zur vorbeugenden Strafverfolgung vor.
62
Die gegenteilige Ansicht der Beschwerdeführer beruht auf einer Verkennung des Begriffs der dringenden Gefahr. Eine solche braucht nicht bereits eingetreten zu sein; es genügt, dass die Beschränkung des Grundrechts dem Zweck dient, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen würde (vgl. BVerfGE 17, 232, 251 f.). Damit liegt eine dringende Gefahr im Sinne des für den vorliegenden Eingriff maßgeblichen § 13 Abs. 4 GG vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein bedeutendes Rechtsgut schädigen wird (vgl. BVerwGE 47, 31, 40). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind zudem an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden wäre (BVerwGE 47, 31, 40; 57, 61, 65; 88, 348, 351; 116, 347, 356; Gusy, Polizeirecht 6. Aufl. Rdn. 119; vgl. BVerfGE 49, 89, 135 ff.). Zuzugeben ist den Beschwerdeführern insoweit allerdings, dass auch angesichts der Größe eines möglichen Schadens bloße Vermutungen oder die Inbezugnahme einer allgemeinen Sicherheitslage nicht zur Begründung einer Gefahr ausreichend sind; erforderlich ist vielmehr eine im konkreten Fall durch hinreichende Tatsachen zu belegende Gefahrenlage (BVerfGE 115, 320, 368 f.).
63
Nach diesen Grundsätzen ist die Anordnung der Wohnraumüberwachung durch das Landgericht M. jedenfalls im Ergebnis insoweit nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen einer dringenden Gefahr auf die konkreten Einwände der Beschwerdeführer gegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme anhand einer eigenständigen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Anordnung (vgl. dazu BGHSt 47, 362, 367) geprüft und - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - im Beschluss vom 21. August 2007 mit plausibler und rechtlich nicht zu beanstandender Begründung bejaht. Dabei hat es insbesondere darauf abgestellt , dass die Ermittlungslage wegen einer zu vorangegangenen Terroranschlägen parallelen Grundkonstellation befürchten ließ, dass in der Wohnung des Angeklagten K. Planungs- oder Vorbereitungshandlungen für Terroranschläge , also schwerste Straftaten gegen Leib und Leben Unbeteiligter durchgeführt würden, und damit eine gemeine Gefahr (vgl. dazu Gornig in v. Mangoldt /Klein/Stark, GG aaO Art. 13 Rdn. 127) vorlag. Diese Einschätzung basierte nicht auf bloßen Vermutungen, sondern auf konkreten Tatsachen, namentlich der extremistischen Grundeinstellung der sich in der Wohnung des Angeklagten K. treffenden Personen, ihren teilweisen Kontakten zu weiteren Personen, gegen die wegen des Verdachts der Einbindung in terroristische Netzwerke ermittelt wurde, dem konkreten Verdacht, dass der Angeklagte K. Kontakt zu terroristischen Strukturen in Afghanistan aufgenommen und sich dort an Kampfhandlungen beteiligt hatte, sowie nicht zuletzt auf dem Umstand, dass die Besucher der Wohnung konspirativ miteinander kommunizierten und sich Observationsmaßnahmen entzogen.
64
Die Einwendungen der Revisionen gehen auf die eine konkrete Gefahrenlage begründenden Umstände nicht ein und beschränken sich auf eine - im Revisionsverfahren unbehelfliche - eigene, abweichende Wertung des Ermittlungsstandes , der - wie vom Generalbundesanwalt aufgezeigt - teilweise auch unzutreffend wiedergegeben wird. Soweit sie darauf abstellen, dass sich im Zeitpunkt der Anordnung vorliegende Verdachtsmomente in der Hauptverhandlung nicht bestätigt hätten (Kodiertabelle), können sie mit diesem Einwand nicht gehört werden: Im Polizeirecht beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle einer Gefahrenprognose auf eine Überprüfung der tatsächlichen Anhaltspunkte und den daraus resultierenden Schluss auf zukünftige Schäden aus einer ex-antePerspektive (Gusy aaO Rdn. 121).
65
bb) Der Rechtmäßigkeit der Anordnung steht - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - nicht entgegen, dass sie sich in Rubrum und Tenor des Beschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 nicht auch gegen den Angeklagten Y. A. als weiteren Bewohner der überwachten Wohnung richtete. Insbesondere ist die Behauptung der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar, die Polizei habe es bewusst unterlassen, eine entsprechende richterliche Anordnung auch gegen ihn einzuholen. Aufgrund der Angaben in dem Antrag des Polizeipräsidiums war dem Landgericht M. ausweislich des Beschlusses bekannt, dass der Angeklagte Y. A. in der Wohnung des Angeklagten K. gemeldet war. Von einer bewussten Umgehung oder Missachtung des Richtervorbehalts kann mithin keine Rede sein. Der Angeklagte wurde vielmehr in ihn nicht beschwerender Weise im Ergebnis wie ein Dritter im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 POG RhPf aF behandelt; auch insoweit war die Aufzeichnung des von ihm gesprochenen Wortes zulässig.
66
Die Anordnung hätte nach den obigen Darlegungen zudem auch gegen den Angeklagten Y. A. jederzeit erwirkt werden können. Dieser Umstand führt dazu, dass auch dann nicht von einer Unverwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse auszugehen wäre, wenn man insoweit von einer Fehlerhaftigkeit der Anordnung ausgehen wollte. Vielmehr ist nach den oben dargelegten Grundsätzen in Fällen der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme im Wege einer Abwägung zu ermitteln, ob die so gewonnenen Daten verwendet werden dürfen (dazu oben b) bb) (2)). Eine solche Abwägung würde hier wegen der unproblematisch möglichen Anordnung der Maßnahme auch gegenüber dem Angeklagten Y. A. zur Verwendbarkeit und damit auch zur Verwertbarkeit der Ergebnisse der Wohnraumüberwachung führen. Denn angesichts der daraus resultierenden Geringfügigkeit eines etwaigen Verstoßes würden die öffentlichen Belange, namentlich die gerichtliche Aufklärungspflicht und das öffentliche Strafverfolgungsinteresse vorgehen.
67
cc) Die Einwendungen der Revisionen gegen den Verlängerungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 greifen ebenfalls nicht durch. Soweit damit nicht die Beanstandungen gegenüber der Erstanordnung wiederholt werden, beschränken sich die Beschwerdeführer darauf, dass die durchgeführte Überwachung eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit , insbesondere wegen konkreter Anschlagsplanungen, nicht ergeben habe.
68
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, hat sich das Oberlandesgericht mit diesem Argument bereits eingehend auseinandergesetzt und anhand einer freibeweislichen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Verlängerung das weitere Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit nach eingehender Prüfung anhand konkreter Tatsachen gleichwohl bejaht. Rechtsfehler zeigen die Revisionen auch insoweit nicht auf. Hinweise auf eine Rechtswidrigkeit der Verlängerung der Wohnraumüberwachung , die zu einer Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen könnten, ergeben sich damit nicht.
69
d) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung seien insgesamt "wegen Verletzung des Schutzes des Kernbereichs der Persönlichkeit" unverwertbar. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
70
Im Ausgangspunkt zutreffend ist die Annahme, dass nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur solche Daten verwendet werden dürfen, die nicht unter ein Verwertungsverbot aus § 100 c StPO fallen (dazu oben 1. b). Die Vorschrift des § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO normiert ein Verwertungsverbot für Erkenntnisse aus Äußerungen, die dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Daraus ergibt sich indes kein umfassendes Verwertungsverbot für alle aus einer Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse, sondern nur für diejenigen, die durch eine Kernbereichsverletzung erzielt wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 29; Wolter aaO § 100 c Rdn. 71). Dass kernbereichsrelevante Gesprächsteile in dem Urteil gegen sie verwertet worden seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht. Dies ergibt sich auch nicht aus dem angefochtenen Urteil, das die verwerteten Passagen zitiert; diese lassen Kernbereichsverletzungen nicht erkennen.
71
aa) Nach der hier über § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO heranzuziehenden gesetzlichen Regelung in § 100 c StPO kommt eine Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme nur in Betracht, wenn gegen das Beweiserhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO verstoßen wurde (Nack aaO § 100 d Rdn. 28; Wolter aaO § 100 c Rdn. 73; vgl. auch BVerfGE 109, 279, 331). Ob ein solches Verwertungsverbot vorliegt, hat das erkennende Gericht zu prüfen, dessen Entscheidung wiederum der revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt (Nack aaO § 100 c Rdn. 41).
72
Das Erhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO (und des inhaltsgleichen § 29 Abs. 3 POG RhPf nF) knüpft an die Anordnung der Maßnahme an. Diese darf nur ergehen, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. Sie erfordert somit eine negative Kernbereichsprognose durch das anordnende Gericht, für die - wie bei anderen Prognoseentscheidungen auch - ein Beurteilungsspielraum besteht (Nack aaO § 100 c Rdn. 25). Ein Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen das Erhebungsverbot besteht demnach nur dann, wenn das Gericht diesen Beurteilungsspielraum klar erkennbar und damit rechtsfehlerhaft überschritten hat (Wolter aaO § 100 c Rdn. 73).
73
Eine in diesem Sinne rechtsfehlerhafte Anordnung der Wohnraumüberwachung zeigen die Beschwerdeführer weder auf, noch ist sie ersichtlich. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der Aufzählung von Gesprächen, hinsichtlich derer eine Kernbereichsrelevanz lediglich pauschal durch schlagwortartige Bezeichnungen ("Beten", "Heirat", "Tod des Vaters" etc.) behauptet wird. Das Oberlandesgericht hat zudem auch insoweit auf der Grundlage einer Rekonstruktion der tatsächlichen Verhältnisse zum Anordnungszeitpunkt das Vorliegen einer negativen Kernbereichsprognose geprüft und bejaht. Die Beschwerdeführer legen erneut nicht dar, dass diese Entscheidung Rechtsfehler enthält. Es haben sich auch nach revisionsrechtlicher Prüfung keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Sachlage anders als vom Oberlandesgericht angenommen dargestellt hat, so dass eine vertiefte freibeweisliche Prüfung (vgl. BGHSt 16, 164, 166 f.) nicht veranlasst war. Der Senat neigt ohnehin der Ansicht zu, dass in Abkehr von bisheriger Rechtsprechung tatsächliche Feststellungen , die der Tatrichter freibeweislich trifft, in der Revisionsinstanz ebenso wie seine Überzeugungsbildung auf strengbeweislicher Grundlage nur auf Rechtsfehler in der Beweiswürdigung zu überprüfen sind; dies bedarf hier aus den dargelegten Gründen aber keiner näheren Erörterung.
74
bb) Die Rüge wendet sich der Sache nach gegen den Vollzug der Maßnahme. Durch die unzureichenden Handlungsanweisungen des Polizeipräsidiums sei es zu einer Vielzahl von Kernbereichsverletzungen gekommen, so dass die Maßnahme insgesamt unzulässig gewesen sei. Auch insoweit hat die Verfahrensbeanstandung keinen Erfolg.
75
Im Ansatz ist allerdings zutreffend, dass das Bundesverfassungsgericht nicht allein auf die richterliche Anordnung abgestellt, sondern ein umfassendes Verwertungsverbot für den Fall als erforderlich angesehen hat, dass die Behörden in Überschreitung der Ermächtigung die Wohnraumüberwachung durchführen , obwohl eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass mit ihr absolut geschützte , dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnende Gespräche erfasst werden (BVerfGE 109, 279, 331). Dementsprechend ist auch das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass ein nicht am Kernbereichs- schutz ausgerichteter Vollzug zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse aus der gesamten Maßnahme führen könnte.
76
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer genügte die tatsächliche Durchführung der Wohnraumüberwachung jedoch grundsätzlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift: In technischer und personeller Hinsicht war ein möglichst schonender Maßnahmevollzug bereits dadurch gewährleistet, dass in jedem Einzelfall durch den diensthabenden Polizeibeamten unter Zuhilfenahme des stets anwesenden Dolmetschers entschieden wurde, ob die Aufzeichnung gestartet wurde und wie lange sie andauerte. Soweit die generellen Handlungsanweisungen nach Ansicht des Oberlandesgerichts rechtlich bedenklich waren, hat es die Erkenntnisse entweder nicht verwertet (Selbstgespräche des Angeklagten K. ) oder - im Hinblick auf die den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügende Handlungsanweisung, dass eine Abschaltung nur bei "wesentlicher" Verletzung des Kernbereichs über "zweifelsfrei längere Zeit" zu erfolgen habe - die Gespräche einer eingehenden Prüfung unterzogen, die eine Erfassung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte nicht ergab. Diese Handlungsanweisung galt entgegen der insoweit zumindest missverständlichen Darstellung der Beschwerdeführer ohnehin nur für den ersten Abschnitt der Maßnahme bis zum 4. November 2004. Ab diesem Zeitpunkt wurde sie durch eine den Kernbereichsschutz noch verstärkende Anordnung ersetzt. Eine bewusste oder planmäßige Überschreitung der Ermächtigung zur Wohnraumüberwachung durch die Polizeibehörden ergibt sich danach nicht. Diese waren vielmehr mit hohem personellem und technischem Aufwand bemüht, die verfassungsgerichtlichen Vorgaben umzusetzen.
77
Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, es sei ein zu enger Maßstab an den Kernbereich privater Lebensgestaltung angelegt worden, verschweigen sie in diesem Zusammenhang, dass sich das Oberlandesgericht bereits in der Hauptverhandlung auf den Vortrag einer Vielzahl von angeblichen Kernbereichsverletzungen damit auseinandergesetzt hat, dass die aufgenommenen Gebete in gefahrrelevante Gespräche über die Rechtfertigung von terroristischen Anschlägen oder die Verherrlichung des "Märtyrertods" eingebettet waren und deshalb nicht höchstpersönliche Gefühle oder Gedanken und damit den Kernbereich berührten. Auch die weiteren von den Revisionen schlagwortartig genannten Themen "Heirat" und "Familie" betrafen nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts Gespräche, die sich vorrangig auf die Erlangung eines gesicherten Aufenthaltsstatus in Europa bezogen oder im Zusammenhang mit dem geplanten Versicherungsbetrug standen, der wegen der dadurch möglichen finanziellen Versorgung der Familie eine Voraussetzung für den von dem Angeklagten Y. A. angestrebten "Märtyrertod" war. Die Beurteilung, dass mit der Aufzeichnung solcher Gespräche nicht in den Kernbereich eingegriffen wurde, ist - wie bereits vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt - rechtsfehlerfrei.
78
Nach alledem ist für einen den Kernbereichsschutz von vornherein außer Acht lassenden Maßnahmevollzug, der allein zur Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung führen könnte, nichts ersichtlich. Vielmehr verbleibt es - soweit es zu Kernbereichsverletzungen gekommen sein sollte - bei dem aus § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO resultierenden Verwertungsverbot in Bezug auf solche einzelnen Gespräche.
79
Angesichts dessen kann offen bleiben, ob der Vortrag der Revisionen zu einzelnen Kernbereichsverletzungen den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Da eine Verwertung der entsprechenden Gesprächspassagen nicht konkret behauptet wird und sich aus dem angefochtenen Urteil auch nicht ergibt, ist die Rüge insoweit jedenfalls unbegründet.
80
e) Auch soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus in Bezug auf die Gespräche, an denen die Angeklagten Y. und I. A. bzw. ihr Bruder A. A. beteiligt waren, ein Verwertungsverbot nach § 52 StPO bzw. gemäß § 100 c Abs. 6, § 52 StPO geltend machen, bleiben ihre Beanstandungen ohne Erfolg.
81
Rechtlich verfehlt ist die Auffassung der Revisionen, § 100 c Abs. 6 StPO komme jedenfalls für die aufgrund der präventiv-polizeilichen Ermächtigungsgrundlage des § 29 Abs. 1 POG RhPf aF gewonnenen Erkenntnisse nicht zur Anwendung, weil sich die Vorschrift nur auf strafprozessuale Wohnraumüberwachungsmaßnahmen beziehe. Wie bereits dargelegt (dazu 1. b) sind mit der Formulierung in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO, dass nur "verwertbare" Daten aus einer nach anderen Gesetzen durchgeführten Maßnahme im Strafverfahren verwendet werden dürfen, die Verwertungsverbote des § 100 c StPO angesprochen. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, der infolgedessen die Entscheidung, ob er von seinem Recht Gebrauch machen möchte, nicht mehr treffen kann, richtet sich die Verwertbarkeit daher stets nach der Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO. Dies folgt bei Erkenntnissen aus einer polizeilichen Maßnahme aus der Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO; bei solchen aus einer strafprozessualen Maßnahme gilt § 100 c Abs. 6 StPO entweder unmittelbar oder - wenn wie hier mit dem Angeklagten I. A. ein zunächst Unverdächtiger betroffen ist - über die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Für eine isolierte Anwen- dung des § 52 StPO ist daneben kein Raum (vgl. BGHSt 40, 211; BGH NStZ 1999, 416).
82
Danach gilt für die Angeklagten Y. und I. A. § 100 c Abs. 6 Satz 3 StPO mit der Folge, dass ihre im Rahmen der aufgezeichneten Gespräche abgegebenen Äußerungen unbeschränkt verwertbar sind (vgl. § 160 a Abs. 4 StPO). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kommt es für die Frage der Verwertbarkeit nicht darauf an, ob bereits im Zeitpunkt der Gesprächsaufzeichnungen ein Tatverdacht bezüglich einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 2 StPO gegen den Angeklagten I. A. bestand. Denn es handelt sich bei der verfassungskonformen Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO (vgl. BVerfG NJW 2007, 2753) um eine Verwertungsregelung , so dass allein auf den Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil abzustellen ist, in welchem angesichts der Anklageerhebung und des Eröffnungsbeschlusses des Oberlandesgerichts jedenfalls ein hinreichender Tatverdacht gegeben war, dass der Angeklagte I. A. sich der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht hatte. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn für Gespräche mit Zeugnisverweigerungsberechtigten ein Beweiserhebungsverbot gälte; ein solches hat indes auch das Bundesverfassungsgericht nicht gefordert (vgl. BVerfGE 109, 279, 331 ff.).
83
Der Verwertung steht auch die von den Beschwerdeführern zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unverwertbarkeit von Erkenntnissen aus beschlagnahmefreien Urkunden im Sinne des § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO (BGH NStZ 2001, 604, 606) nicht entgegen. Dort resultierte die Unverwertbarkeit der Erkenntnisse, die erst einen Tatverdacht hätten begründen können, aus dem Umstand, dass bereits die Beweiserhebung unzulässig war (BGH aaO). Die Regelungen des § 100 c Abs. 6 StPO haben indes lediglich ein Ver- wertungsverbot im Hinblick auf im Übrigen - so auch hier - zulässig erlangte Beweismittel zum Gegenstand.
84
Auch die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführer, die von dem Oberlandesgericht vorgenommene Abwägung zur Verwertung der Äußerungen des nicht tatverdächtigen Bruders der Angeklagten, A. A. , nach § 100 c Abs. 6 Satz 2 StPO sei rechtsfehlerhaft, greifen nicht durch. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts.
85
3. Die Beschwerdeführer rügen weiter die Verwertung der Erkenntnisse aus den auf strafprozessualer Grundlage ergangenen Anordnungen der Wohnraumüberwachung. Diese hätten nicht ergehen dürfen, weil sie sich auf unverwertbare Erkenntnisse aus der zuvor angeordneten Maßnahme nach § 29 POG RhPf aF gestützt hätten.
86
Da die Erkenntnisse aus der polizeilichen Wohnraumüberwachung indes verwendbar waren (vgl. oben 2. b) bb), konnten sie auch im Zeitpunkt der ersten strafprozessualen Anordnung zur Begründung des Tatverdachts verwendet werden (vgl. § 100 f Abs. 2 StPO aF).
87
Hinsichtlich der Verwertbarkeit der Erkenntnisse gelten die Ausführungen zu 1. d) und e) entsprechend, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
88
II. Rundumüberwachung
89
Die Beschwerdeführer rügen die Verwertung von Erkenntnissen aus weiteren geheimen Ermittlungsmaßnahmen und machen in diesem Zusammen- hang geltend, dass diese - kumulativ zu der angeordneten Wohnraumüberwachung - zu einer unzulässigen Rundumüberwachung geführt hätten, aus der sich wiederum die Unverwertbarkeit auch der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung ergebe.
90
Den Revisionsbegründungen sowie der Gegenerklärung des Generalbundesanwalts vom 15. Oktober 2008, der die Beschwerdeführer insoweit zugestimmt haben, lässt sich folgender Verfahrenssachverhalt entnehmen:
91
Die Wohnraumüberwachung dauerte - wie dargelegt - vom 24. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 und damit über einen Zeitraum von etwa fünf Monaten. Die Dauer der aufgezeichneten Gespräche betrug hingegen nur einen Bruchteil; sie machte im Verhältnis zur Gesamtdauer der Maßnahme lediglich 8,4 % aus. Die Zeiten, in denen die Polizeibehörden das gesprochene Wort in der Wohnung des Angeklagten K. nicht nur nicht aufzeichneten sondern auch nicht abhörten, sind nicht dokumentiert. Aus technischen Gründen war es nicht möglich, bei abgeschalteter Aufzeichnung auch das Mithören nachweisbar zu unterbrechen, was zunächst nur durch ein Abdrehen der Lautstärke, später auch durch ein Betätigen der "Stopp-Taste" an den eingesetzten Rekordern zu erreichen war.
92
Darüber hinaus wurden folgende Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt:
93
Vom 9. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 wurde auf Anordnung des Landgerichts (Beschluss vom 14. Juli 2004) beziehungsweise des Amtsgerichts M. (Beschluss vom 12. Oktober 2004) der Eingang des Hauses videoüberwacht , in dem sich die Wohnung des Angeklagten K. befand. Mit Beschluss vom 21. September 2004 genehmigte das Amtsgericht M. darüber hinaus die Videoüberwachung eines Telefonladens, den die Angeklagten K. und Y. A. gelegentlich aufsuchten. Die Maßnahme war auf die Dauer von zwei Monaten befristet. Für das Wochenende vom 22. bis 24. Oktober 2004 ordnete das Polizeipräsidium zudem die Anbringung eines GPSSenders an zwei von dem Angeklagten Y. A. genutzten Fahrzeugen an. Diese Maßnahmen beruhten auf polizeirechtlicher Grundlage (§ 28 POG RhPf).
94
Am 8. November 2004 ordnete der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof auf Antrag des Generalbundesanwalts die Herausgabe der Verbindungsdaten von insgesamt sechs am 9. Oktober 2004 aus fünf verschiedenen öffentlichen Telefonzellen in Mü. geführten Gesprächen an. Der Generalbundesanwalt verfügte am 10. November 2004 die Anordnung einer planmäßig angelegten Beobachtung des Angeklagten Y. A. für die Dauer von einem Monat. Mit Beschluss des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 9. Dezember 2004 wurde diese Observation um drei Monate verlängert ; sie dauerte bis zur vorläufigen Festnahme des Angeklagten fort. Mit Beschlüssen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 12. November 2004 wurde sodann die Telefonüberwachung der von den Angeklagten K. und Y. A. genutzten Mobiltelefone, die Beschlagnahme aller an sie gerichteten Postsendungen und die langfristige Observation des Angeklagten K. angeordnet. Diese Maßnahmen dauerten jeweils bis zur vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. an. Mit Beschlüssen vom 12. November 2004 wurde bezüglich dieser beiden Angeklagten auch der Einsatz eines sogenannten IMSI-Catchers verfügt, zu dem es im Ermittlungsverfahren indes nicht kam.
95
Die Beschwerdeführer haben in der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht der Verwertung der Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnah- men widersprochen, mit Ausnahme der Erkenntnisse aus der GPSÜberwachung , der Videoüberwachung des Telefonladens und der Observation des Angeklagten Y. A. . In diesen Widersprüchen haben sie nicht geltend gemacht, dass es sich wegen der Kumulation der Maßnahmen um eine unzulässige Rundumüberwachung gehandelt habe.
96
1. Soweit die Beschwerdeführer meinen, die Erkenntnisse aus den strafprozessualen Maßnahmen hätten nicht verwertet werden dürfen, weil deren Anordnung auf den unverwertbaren Erkenntnissen aus der Wohnraumüberwachung beruhe, ist die Rüge unbegründet. Wie dargelegt konnten die aus der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 POG RhPf aF resultierenden Gesprächsaufzeichnungen im Zeitpunkt der Anordnung der strafprozessualen Maßnahmen gemäß § 100 f Abs. 2 StPO aF verwendet werden (dazu oben I. 3.).
97
2. Die Rüge, es habe eine unzulässige Rundumüberwachung vorgelegen , ist ungeachtet der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Bedenken gegen ihre Zulässigkeit jedenfalls unbegründet.
98
Es ist vorliegend durch die zeitgleiche Durchführung mehrerer Überwachungsmaßnahmen nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen, zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung (vgl. BVerfGE 65, 1, 42 f.; 109, 279, 323) gekommen. Bezüglich des Angeklagten I. A. liegt dies bereits deshalb auf der Hand, weil gegen ihn keinerlei Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden sind. Er war von solchen nur reflexartig betroffen, etwa wenn er sich in der überwachten Wohnung des Angeklagten K. aufhielt. In den Zeiträumen, in denen er keinen Kontakt zu den Angeklagten K. und Y. A. hatte, fand eine Überwachung seiner Person nicht statt.
99
Aber auch gegenüber den Angeklagten K. und Y. A. liegt eine derart intensive Überwachung, die im Hinblick auf den daraus resultierenden sog. additiven Grundrechtseingriff (vgl. BVerfGE 112, 304, 320) Bedenken an ihrer verfassungsmäßigen Rechtmäßigkeit aufkommen lassen könnte, nicht vor.
100
Die Wohnraumüberwachung wurde zwar über einen längeren Zeitraum durchgeführt und war engmaschig strukturiert. Dies war indes - wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat - zunächst im Hinblick auf die komplexe präventiv-polizeiliche Gefahrenlage und im weiteren Verlauf zur Aufklärung der Vereinigungsdelikte nach §§ 129 a, 129 b StGB, dabei insbesondere zur Aufdeckung von Planungs- und Verbindungsstrukturen erforderlich. Bei der konkreten Durchführung der Wohnraumüberwachung achteten die durchführenden Beamten zudem auf einen möglichst schonenden Maßnahmevollzug (dazu oben I. 2. d), was sich nicht zuletzt auch an der im Verhältnis zum Zeitraum der Gesamtmaßnahme geringen Dauer der Gesprächsaufzeichnungen zeigt. Dass die Überwachung in Form jedenfalls des Mithörens über die gesamten Monate "rund um die Uhr" erfolgt sei, ist eine nicht belegte Mutmaßung der Revisionen. Aus den vom Oberlandesgericht erlangten Erkenntnissen über die Durchführung der Maßnahme ergibt sich vielmehr, dass der diensthabende Beamte bei der Wahrnehmung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte die "Stopp-Taste" zu drücken hatte - mithin auch das Mithören beendete - und nur bei veränderter Personenkonstellation in der Wohnung durch gelegentliches "Hereinhören" überprüfte, ob die Gespräche sich verfahrensrelevanten, nicht dem Kernbereich zugehörenden Materien zuwandten. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere der Videoüberwachung des Hauseingangs keine die Eingriffsintensität steigernde Wirkung zu. Sie diente im Gegenteil vorrangig dazu , den in der Wohnung verkehrenden Personenkreis zu überprüfen. Dadurch wurde überhaupt erst eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf mögliche Kernbereichsverletzungen ermöglicht, und es konnte so im Ergebnis die Intensität der - wesentlich grundrechtsrelevanteren - Abhörmaßnahme verringert werden.
101
Die daneben auf polizeirechtlicher Grundlage angeordnete Überwachung eines Telefonladens dauerte entgegen dem von den Beschwerdeführern erweckten Eindruck nicht die gesamte Zeit an, sie lief vielmehr aus, als im November 2004 mehrere Maßnahmen auf strafprozessualer Basis angeordnet wurden. Die Überwachung von Fahrzeugen des Angeklagten Y. A. mittels eines GPS-Senders dauerte nur drei Tage und war im Zeitpunkt der strafprozessualen Maßnahmen bereits beendet. Auch insoweit kann also keine Rede von einer Rundumüberwachung sein.
102
Im Ergebnis traten zu der Wohnraumüberwachung also kumulativ die im Wesentlichen durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordneten Maßnahmen der Telefonüberwachung von zwei Mobilfunkanschlüssen der Angeklagten K. und Y. A. , ihre längerfristige Observation und die Beschlagnahme der an sie gerichteten Postsendungen hinzu. Auch bei einer Gesamtschau dieser Überwachungsmaßnahmen ergibt sich eine unzulässige Rundumüberwachung, mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Betroffenen erstellt werden könnte, nicht. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bei einer Bündelung mehrerer heimlicher Überwachungsmaßnahmen durch die vorhandenen verfahrensrechtlichen Sicherungen, an die mit Rücksicht auf das der Kumulation der Grundrechtseingriffe innewohnende Gefährdungspotential allerdings besondere Anforderungen zu stellen sind, grundsätzlich ausgeschlossen (BVerfGE 112, 304, 319 f.; aA Puschke, Die kumulative Anordnung von Informationsbeschaffungs- maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung S. 79 ff., der eine kumulative Überwachung als andersartigen Eingriff begreift, für den es einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage bedürfe).
103
Die genannten verfahrensrechtlichen Sicherungen bestehen namentlich in dem Richtervorbehalt, aber auch in Eingriffsschwellen, die besonders schwerwiegend beeinträchtigende Überwachungsmaßnahmen vom Vorliegen besonders schwerer Straftaten oder bestimmten qualifizierten Verdachtsgraden abhängig machen, sowie in sog. Subsidiaritätsklauseln, die den Eingriff nur dann erlauben, wenn anderweitig die Aufklärung erheblich erschwert würde. Sie stellen letztlich Ausprägungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar. Bei der gleichwohl noch erforderlichen Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne beurteilt sich die Frage der Zulässigkeit einer Überwachungsmaßnahme auch danach, ob gegebenenfalls mehrere, in die Grundrechte des Betroffenen eingreifende Maßnahmen durchgeführt werden (vgl. BVerfGE aaO S. 321; BGHSt 46, 266, 277). Die besonderen vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Anforderungen an das Verfahren sind - soweit vorliegend maßgeblich - erfüllt, wenn sichergestellt ist, dass die für die Beantragung oder Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen primär zuständige Staatsanwaltschaft über alle den Grundrechtsträger betreffenden Ermittlungseingriffe informiert ist (vgl. BVerfGE aaO S. 320).
104
So verhält es sich hier. Der Generalbundesanwalt war - ebenso wie der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof - über sämtliche Überwachungsmaßnahmen informiert. Dies gilt auch für die - nicht vom Ermittlungsrichter angeordnete - Wohnraumüberwachung und die sie begleitende Videoüberwachung des Hauseingangs. In sämtlichen Anordnungsbeschlüssen wurde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insbesondere dadurch Genüge getan, dass der Richtervorbehalt gewahrt blieb, die an die Schwere der Straftat anknüpfenden Eingriffsvoraussetzungen sowie die Subsidiaritätsklauseln in den die Maßnahmen rechtfertigenden Vorschriften (§ 100 a Satz 1, § 100 c Abs. 1 Satz 1, § 163 f Abs. 2 Satz 1 StPO aF) beachtet wurden. Dass die Entscheidungen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof oder des Landgerichts Ka. insoweit rechtsfehlerhaft gewesen seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht; dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Anordnung der Ermittlungsmaßnahmen stand auch darüber hinaus zur Schwere des Tatvorwurfs und zum Grad des sich aus den vorangegangenen Ermittlungen ergebenden Verdachts nicht außer Verhältnis. Dies belegen neben den in diesem Verfahren ausgeurteilten Taten insbesondere die im November 2004 gewonnenen Verdachtsmomente , nach denen sich der Angeklagte K. zu dieser Zeit zumindest mit der Vermittlung von 48 Gramm hochangereichertem Uran befasste, das - wie er den Angeklagten Y. und I. A. in einem Gespräch erläuterte - für den Bau einer Bombe verwendet werden konnte.
105
Soweit die Beschwerdeführer schließlich zum Beleg ihrer Gegenauffassung eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zitieren (JZ 2000, 993, 994), befasst sich diese mit einem Fall der sog. Rundumüberwachung nicht.
106
III. Weitere Verfahrensrügen
107
Daneben rügen die Revisionen die Verfahrensweise, in der das Oberlandesgericht 141 der überwachten und aufgezeichneten Wohnraumgespräche in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Das angeordnete Selbstleseverfahren beschränke die Öffentlichkeit unzulässig und verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Beanstandet wird weiterhin, das Oberlandesgericht habe die Inhalte der Wohnraumüberwachung im Urteil lückenhaft und selektiv darge- stellt und insoweit den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht erschöpfend seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt. Gerügt wird ferner die Ablehnung einer Reihe von Beweisanträgen, mit denen die Ladung und Vernehmung syrischer Zeugen beantragt worden war. Die Zeugen - neben Bekannten des Angeklagten K. auch dessen Eltern, Schwester und Bruder - waren im Wesentlichen dazu benannt, den Aufenthalt des Angeklagten K. in seinem Heimatort D. in Syrien in der Zeit von Mitte Oktober 2001 bis Ende April/Anfang Mai 2002 zu bestätigen und so dessen durch die Wohnraumüberwachung ermittelte Darstellung zu erschüttern, er habe sich in diesem Zeitraum als Kämpfer der Al Qaida in Pakistan und Afghanistan aufgehalten. Das Oberlandesgericht hat die Vernehmung der Zeugen unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht für erforderlich gehalten und deshalb diese Anträge jeweils nach § 244 Abs. 5 StPO abgelehnt. In gleicher Weise ist das Gericht mit Anträgen verfahren, in denen die Zeugenvernehmung des in US-Gewahrsam im Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba befindlichen Ramzi Binalshibh sowie die des ebenfalls in amerikanischem Gewahrsam befindlichen Zayn Husayn alias "Abu Zubaydah" begehrt worden war.
108
Diese Rügen bleiben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen sämtlich ohne Erfolg.

109
C. Die Sachrügen
110
I. Beweiswürdigung
111
Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts hält den Maßstäben revisionsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. BGH NJW 2005, 2322, 2326) stand. Die Rechtsmittel zeigen auch mit ihren Einzelausführungen insoweit keinen Rechtsfehler auf, sondern legen - teilweise unter Mitteilung aus dem Urteil nicht ersichtlicher Tatsachen - allein ihre eigene Beweiswürdigung dar.
112
II. § 129 b StGB
113
1. Revision des Angeklagten K.
114
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten K. rechtsfehlerfrei wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) verurteilt.
115
a) Die Wertung des Oberlandesgerichts, die Organisation Al Qaida sei als ausländische terroristische Vereinigung im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen, hält auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand.
116
aa) Als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist nach bisher in der Rechtsprechung gebräuchlicher Definition der auf eine gewisse Dauer angelegte , freiwillige organisatorische Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147; 31, 202, 204 f.; 31, 239 f.; 45, 26, 35; BGH NJW 2005, 1668; 2006, 1603; BGHR StGB § 129 Vereinigung 3 m. w. N.). Diese Kriterien liegen nach den Feststellungen für die Al Qaida im Tatzeitraum insbesondere auch mit Blick auf die erforderliche Struktur und Art der Willensbildung der Organisation vor. Hierzu gilt:
117
(1) Für eine Vereinigung in diesem Sinne konstitutiv ist das Bestehen eines Mindestmaßes an fester Organisation mit einer gegenseitigen Verpflichtung der Mitglieder (BGHSt 31, 202, 205; BGH NStZ 1982, 68). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts lagen diese Voraussetzungen für die Zeit bis Herbst 2001 zweifelsfrei vor; denn die Al Qaida war durch eine gefestigte Organisation geprägt, in deren Rahmen die Mitglieder mit verteilten Rollen und im Wege einer koordinierten Aufgabenverteilung zu einem gemeinsamen Zweck zusammenwirkten. Die strukturellen Voraussetzungen einer Vereinigung sind jedoch auch für den Tatzeitraum zu bejahen. Die Feststellungen belegen, dass der seit Herbst 2001 anhaltende Verfolgungsdruck weder auf der Führungsebene noch in den nachgeordneten Bereichen zu einer Zerschlagung der Organisation , sondern lediglich zu einer entsprechenden Anpassung der Strukturen geführt und die hierarchisch gegliederte Kernorganisation der Al Qaida in kommunikativer und operativer Hinsicht einen bedeutenden Rest an Handlungsfähigkeit bewahrt hat, der den erneuten Aufbau festerer Strukturen erlaubt und hierauf auch angelegt ist. Eine solche - möglicherweise nur vorübergehende und taktisch bedingte - Lockerung der Organisationsstruktur führt indes nicht dazu, dass die Gruppierung für diese Phase ihrer Existenz die Eigenschaft als Vereinigung verliert. Insoweit gilt Ähnliches wie für das Fortbestehen der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, das grundsätzlich auch für solche (Zwischen-)Phasen in Betracht kommt, in denen das Mitglied - gegebenenfalls bedingt durch die äußeren Umstände - keine aktiven Tätigkeiten entfaltet (vgl. BGHSt 29, 288, 294; 46, 349, 355 ff.). Hier kommt hinzu, dass nach wie vor ein nach Art, Inhalt und Intensität enges Beziehungsgeflecht der Mitglieder bestand , das auch in der Zeit nach Herbst 2001 die Planung und Ausführung zentral gesteuerter Attentate ermöglichte.
118
(2) Voraussetzung für eine Vereinigung ist daneben die subjektive Einbindung der Beteiligten in die Ziele der Organisation und in deren Willensbildung unter Zurückstellung individueller Einzelmeinungen. Dabei ist die Art und Weise der Willensbildung gleichgültig, solange sie ihrerseits von dem Willen der Mitglieder der Vereinigung getragen wird. Die für alle Mitglieder verbindlichen Regeln über die Willensbildung können etwa dem Demokratieprinzip entsprechen oder auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut sein (BGHSt 31, 239, 240; 45, 26, 35). Die Annahme einer Vereinigung scheidet indes aus, wenn die Mitglieder einer Gruppierung sich nur jeweils für sich der autoritären Führung einer Person unterwerfen, ohne dass diese vom Gruppenwillen abgeleitet wird (BGH NJW 1992, 1518; StV 1999, 424, 425).
119
Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist auch dieses voluntative Element der Vereinigung hinreichend belegt. Nach der ursprünglichen Struktur der Al Qaida in Afghanistan stand an der Spitze der Organisation ein Führungskreis , dem Usama Bin Laden, Aiman Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter verschiedener "Fachausschüsse" angehörten. Die Willensbildung war demnach hierarchisch strukturiert, ohne dass sich allerdings die Mitglieder der Organisation einseitig einer nicht vom Gruppenwillen getragenen Führungsperson unterwarfen. Im Tatzeitraum teilten die Mitglieder der Al Qaida weiterhin die gemeinsame politisch-ideologische Grundhaltung des gewaltbereiten extremistischen Islamismus. Die Gruppierung verfügte nach wie vor mit dem "Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" bis zur Zerstörung der USA und ihrer Verbündeten über eine über den bloßen Zweckzusammenhang der Vereinigung hinausreichende , von allen Mitgliedern getragene Zielsetzung. Der fortwährende, vom Willen der Mitglieder der Al Qaida getragene Führungsanspruch von Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri wird etwa durch deren per Internet oder Massenmedien veröffentlichte Video- und Audiobotschaften manifestiert.
120
bb) Der Senat ist aus diesen Gründen nicht gehalten zu entscheiden, ob dem Oberlandesgericht darin zugestimmt werden kann, dass im Hinblick auf die Gemeinsame Maßnahme des Rates der Europäischen Union vom 21. Dezember 1998 (ABl. EG 1998 Nr. L 351 S. 1) und den Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. EG 2002 Nr. L 164 S. 3) der bisher gebräuchliche Vereinigungsbegriff zu modifizieren ist und die Anforderungen insbesondere an die organisatorischen und voluntativen Voraussetzungen herabzusetzen sind. In der Literatur wird eine derartige "europarechtsfreundliche" Interpretation des Vereinigungsbegriffs teilweise vertreten (Krauß in LK 12. Aufl. § 129 a Rdn. 26; Kress JA 2005, 220, 223 ff.; v. Heintschel-Heinegg in FS für Schroeder S. 799; krit. Rudolphi/Stein in SKStGB § 129 Rdn. 6 b). Auch der Senat hat eine derartige Neubestimmung zunächst grundsätzlich in den Blick genommen, ohne sich indes im Einzelnen hierzu zu verhalten (BGH NJW 2006, 1603); zuletzt hat er jedoch insbesondere für die kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB vor dem Hintergrund des abgestuften Systems der Strafbarkeit von Tatvollendung, Versuch und Vorbereitungshandlung , der erforderlichen Abgrenzbarkeit der Vereinigung von einer Bande oder nur mittäterschaftlichen Zusammenschlüssen sowie der prozessualen Folgewirkungen Bedenken geäußert (BGHR StGB § 129 Vereinigung 3). Diese Vorbehalte gegen eine erweiternde Auslegung des Vereinigungsbegriffs werden bei Berücksichtigung des Strafzwecks der Vereinigungsdelikte noch verstärkt: Die §§ 129 ff. StGB sollen die erhöhte kriminelle Intensität erfassen, die in der Gründung oder Fortführung einer fest gefügten, auf die Begehung von Straftaten angelegten Organisation ihren Ausdruck findet und die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte Gefährlichkeit in sich birgt. Diese Eigendynamik führt typischerweise dazu, dass dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten erleichtert und bei ihm das Gefühl der persönlichen Verantwortlichkeit zurückgedrängt wird. Der Strafgrund der in diesem Sinne verstandenen spezifischen vereinigungsbezogenen Gefährlichkeit der Organisation geriete jedoch aus dem Blick, wenn Abstriche an den bisherigen Voraussetzungen hinsichtlich der Struktur der Vereinigung sowie der Willensbildung und -unterordnung ihrer Mitglieder zugelassen würden; denn nur eine ausreichend enge Verbindung der Mitglieder sowie ein entsprechender Gruppenwille schaffen die spezifischen Gefahren einer für die Vereinigung typischen, vom Willen des Einzelnen losgelösten Eigendynamik. All diese Gesichtspunkte sind gleichermaßen bei der Auslegung des Begriffs der terroristischen Vereinigung nach §§ 129 a, 129 b StGB von Bedeutung; im Übrigen spricht auch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit dagegen, ein wortgleiches Tatbestandsmerkmal in einem Qualifikationstatbestand anders auszulegen als in der Grundnorm (aA Krauß aaO § 129 a Rdn. 26 aE).
121
Der Senat hält deshalb an seinen Bedenken gegen die vom Oberlandesgericht vorgenommene Begriffsbestimmung fest. Er ist entgegen der Auffassung der Revision allerdings nicht gehindert, auf der Basis der Feststellungen des Oberlandesgerichts eine von dessen Rechtsansicht abweichende Auffassung zu vertreten und seiner rechtlichen Bewertung den herkömmlichen Vereinigungsbegriff zugrunde zu legen.
122
b) Der Angeklagte K. hat sich an der Al Qaida als Mitglied beteiligt.
123
Die mitgliedschaftliche Beteiligung erfordert, dass der Täter sich unter Eingliederung in die Organisation deren Willen unterordnet und eine Tätigkeit zur Förderung der Ziele der Organisation entfaltet. Notwendig ist eine auf Dauer oder zumindest längere Zeit angelegte Teilnahme am "Verbandsleben" (BGHSt 18, 296, 299 f.; BGH NStZ 1993, 37, 38).
124
Nach den Feststellungen schloss der Angeklagte K. sich der Al Qaida während eines Aufenthalts in einem von dieser betriebenem Ausbildungslager in Afghanistan an. Er begab sich aufgrund des Verfolgungsdrucks nach dem Herbst 2001 absprachegemäß zurück nach Deutschland und nahm hier Rekrutierungs - und Beschaffungsmaßnahmen für die Vereinigung vor. Dass das Oberlandesgericht während dieser Zeit keinen Kontakt des Angeklagten zur Führungsebene der Al Qaida festgestellt hat, steht vor dem Hintergrund dieser gewichtigen, fortdauernden, im Einverständnis mit der Führungsebene entfalteten und auf eine aktive Beteiligung an der Organisation gerichteten Tätigkeiten der Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht entgegen (vgl. BGHSt 46, 349, 356 f.). Hinzu kommt, dass der Aufenthalt des Angeklagten in Deutschland nicht auf Dauer angelegt war. Vielmehr wollte er sich zurück in ein "Jihadland" begeben und sich dort erneut den kämpfenden Verbänden der Al Qaida anschließen. Aus alldem ergibt sich, dass die Mitgliedschaft des Angeklagten in der Al Qaida zu keinem Zeitpunkt beendet war; vielmehr bestand sie während des Tatzeitraums unvermindert fort. Die Leistung des Treueids auf Usama Bin Laden durch den Angeklagten war entgegen dem Vorbringen der Revision zum Erwerb der Mitgliedschaft nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht konstitutiv.
125
2. Revision des Angeklagten Y. A.
126
a) Für den Angeklagten Y. A. belegen die Feststellungen des Urteils dagegen nicht, dass dieser sich an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida als Mitglied beteiligt hat; denn es fehlt an einer ausreichenden, von einem übereinstimmenden Willen der Organisation und des Angeklagten getragenen Eingliederung in die Vereinigung.
127
Das Oberlandesgericht hat im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung die mitgliedschaftliche Beteiligung dieses Angeklagten an Al Qaida zum einen daran angeknüpft, dass er sich mit hohem Zeitaufwand und als Hauptakteur der Umsetzung der Versicherungsbetrügereien gewidmet habe. Zum anderen habe er finanzielle Mittel beschaffen wollen, die seine eigene Teilnahme und diejenige des Angeklagten K. am bewaffneten Jihad auf Seiten der Al Qaida ermöglichen sollten. Damit hat das Oberlandesgericht bei seiner Beurteilung wesentliche Kriterien, die für die Mitgliedschaft in einer Vereinigung maßgeblich sind, außer Acht gelassen. Im Einzelnen:
128
Die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, bedarf regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem Ort befunden hat, an dem Vereinigungsstrukturen bestehen, und seine Verbindung zu der Vereinigung ausschließlich in dem Kontakt zu einem in Deutschland befindlichen Mitglied der Organisation besteht. Denn die Beteiligung als Mitglied setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Die Begehungsform der mitgliedschaftlichen Beteiligung kommt im Unterschied zu den Tathandlungen des Werbens für die oder des Unterstützens der Vereinigung nur in Betracht , wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert (Krauß aaO § 129 Rdn. 110). Zwar ist hierfür eine organisierte Teilnahme am Leben der Vereinigung nicht erforderlich, weshalb es etwa einer förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft mit etwa listenmäßiger Erfassung, Zahlung von Mitgliedsbeiträgen oder gar Ausstellung eines Mitgliedsausweises nicht bedarf (BGHSt 18, 296, 299 f.; 29, 114, 121; Rebmann NStZ 1989, 97, 100 Fn. 27). Notwendig ist allerdings, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied (BGHSt 18, 296, 300; 29, 114, 123; BGH NStZ 1993, 37, 38; Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 129 Rdn. 13). Auch ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern (Krauß aaO § 129 Rdn. 105). Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH NStZ 1993, 37, 38).
129
Danach liegen die Voraussetzungen für eine Beteiligung des Angeklagten Y. A. als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida nicht vor. Der Angeklagte war nicht in der erforderlichen Weise in die Organisationsstrukturen der Al Qaida eingebunden. Er war zu keinem Zeitpunkt etwa in Afghanistan, Pakistan oder dem Irak und hatte keine Verbindung zu den Führungspersonen oder den sich dort aufhaltenden Mitgliedern der Organisation. Es ist nicht festgestellt, dass außer seiner einzigen Kontaktperson , dem sich mit ihm in Deutschland befindenden Angeklagten K. , irgendein sonstiges Mitglied der Al Qaida überhaupt Kenntnis von ihm hatte. Unter diesen Umständen kann bereits von einer mit einer Teilnahme am Verbandsleben verbundenen Stellung des Angeklagten Y. A.
innerhalb der Vereinigung, wie sie für eine Beteiligung als Mitglied konstitutiv ist, keine Rede sein.
130
Eine willentliche Übereinstimmung zwischen der Vereinigung und dem Angeklagten bezüglich seiner Einbindung in die Organisation ist aus den dargelegten Gründen ebenfalls nicht feststellbar. Die Mitgliedschaft des Angeklagten lässt sich insoweit auch nicht mit der festgestellten Übung der Al Qaida begründen , im Tatzeitraum Mitglieder u. a. in europäische Länder mit dem Auftrag zu senden, dort für die Vereinigung rekrutierend tätig zu werden und den zuvor zum Erwerb der Mitgliedschaft üblichen Treueid auf Usama Bin Laden durch eine einseitige Erklärung der Loyalität durch die rekrutierte Person sowie deren Tätigkeit für die Organisation zu ersetzen. Die auf diese Weise angeworbenen Anhänger mögen zwar durch ihr - wie auch immer im Einzelfall geartetes - Eintreten für die Ziele der Al Qaida dieser als Unterstützer im untechnischen Sinne nützlich und willkommen sein; sie sind indes nicht ohne Weiteres, sondern nur dann als Mitglieder der Organisation im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen , wenn die oben dargelegten Voraussetzungen gegeben sind. Der Angeklagte konnte deshalb nicht allein dadurch zum Mitglied der Al Qaida werden, dass er einen besonderen Einsatz zeigte sowie seinen Willen zu einer dauerhaften Beteiligung an der Organisation durch den Wunsch manifestierte, nach Erlangung der zur Versorgung seiner Familie erforderlichen wirtschaftlichen Mittel am Jihad im Irak teilzunehmen, selbst wenn dies das Einverständnis seiner einzigen Kontaktperson der Al Qaida, des Angeklagten K. , fand.
131
Ob dies möglicherweise anders zu beurteilen wäre, wenn der Angeklagte K. von der Al Qaida den Auftrag und gleichsam die Vollmacht erhalten hätte , allein und ohne Rücksprache mit der Organisation neue Mitglieder im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in die Vereinigung aufzunehmen, hat der Senat nicht zu entscheiden. Denn weder ein derartiger Auftrag durch die Al Qaida noch eine solch weitgehende Befugnis des Angeklagten K. ist durch die Feststellungen belegt. Der Senat kann den - freilich nicht an allen Stellen vollständig übereinstimmenden - Feststellungen im Ergebnis lediglich entnehmen, dass K. sich nach Deutschland begab, um hier für die Al Qaida "autonom terroristische Operationen zu planen und hierfür geeignetes Personal heranzuziehen" (UA S. 22) bzw. "zu arbeiten" (UA S. 27, 221). Aus diesen Formulierungen kann die spezielle Beauftragung zur Rekrutierung und Aufnahme echter Vereinigungsmitglieder nicht abgeleitet werden. Zudem lassen die Feststellungen zur Stellung des Angeklagten K. innerhalb der Al Qaida lediglich erkennen, dass er in der Hierarchie noch unterhalb der "Emire" stand. Hieraus ist zu schließen, dass es sich bei ihm trotz seiner persönlichen Bekanntschaft mit Usama Bin Laden lediglich um ein gewöhnliches Mitglied der Organisation handelte, das nicht in herausgehobener Position tätig war. Die Annahme, dass ein derartiges "normales" Mitglied die weitreichende Befugnis hatte, aufgrund eigener Entscheidung neue Mitglieder in die Organisation aufzunehmen, wird von den Feststellungen auch bei Berücksichtigung von deren Gesamtzusammenhang nicht getragen. Diese belegen vielmehr lediglich, dass der Angeklagte K. vorgab, die Möglichkeit zu haben, Interessenten durch die Abgabe einer Empfehlung den Zugang zu einer kämpfenden Organisation an einem "Jihadschauplatz" im Ausland zu erleichtern (UA S. 42, 294).
132
Gegen eine darüber hinausgehende Bevollmächtigung des Angeklagten K. spricht im Übrigen auch der Vergleich zur festgestellten Praxis der Gewinnung von Vereinigungsmitgliedern in der Zeit vor Herbst 2001. Damals reichte noch nicht einmal das Durchlaufen einer "normalen" Ausbildung in einem Lager in Afghanistan aus. Die Mitglieder der Al Qaida wurden vielmehr unter denjenigen Personen ausgesucht, die sich als besonders qualifiziert erwiesen und deshalb eine Spezialausbildung erhalten hatten. Hieraus folgt, dass die Al Qaida ihrerseits an die "Kandidaten" gewisse Anforderungen stellte, die diese erfüllen mussten, um Mitglied der Vereinigung werden zu können. Nach den Feststellungen ist nicht zu erkennen, dass diese Anforderungen aufgegeben wurden, als aufgrund des Verfolgungsdrucks eine "Reorganisation durch Dezentralisierung" erfolgte. In dieser Phase sollten zwar u. a. in Europa neue Kämpfer für den Jihad angeworben werden; es ist jedoch nichts dafür ersichtlich , dass die Al Qaida zu dieser Zeit jeden in einem europäischen Land befindlichen Interessenten ohne weitere Überprüfung wahllos als Mitglied im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in ihre Organisation aufnehmen wollte.
133
b) Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte Y. A. allerdings wegen Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB).
134
Nach ständiger Rechtsprechung unterstützt eine terroristische Vereinigung , wer, ohne selbst Mitglied der Organisation zu sein, deren Tätigkeit und terroristische Bestrebungen direkt oder über eines ihrer Mitglieder fördert. Dabei kann sich die Förderung richten auf die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt, auf die Erleichterung einzelner von ihr geplanter Straftaten, aber auch allgemein auf die Erhöhung ihrer Aktionsmöglichkeiten oder die Stärkung ihrer kriminellen Zielsetzung. Nicht erforderlich ist, dass der Organisation durch die Tathandlung ein messbarer Nutzen entsteht. Vielmehr genügt es, wenn die Förderungshandlung an sich wirksam ist und der Organisation irgendeinen Vorteil bringt; ob dieser Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ih rer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (BGHSt 51, 345, 348 f.).
135
Ein tatbestandliches Unterstützen liegt demgegenüber nicht vor, wenn die Handlung der Vereinigung von vornherein nicht nützlich war und sein konnte (vgl. BGH bei Schmidt MDR 1981, 91; Krauß aaO § 129 Rdn. 133). Es scheidet darüber hinaus auch dann aus, wenn die unterstützende Handlung sich der Sache nach als Werben für die Vereinigung darstellt. Wirbt der Täter um Mitglieder oder Unterstützer der terroristischen Vereinigung, kommt seine Strafbarkeit - nur - nach § 129 a Abs. 5 Satz 2 StGB in Betracht; wirbt er lediglich für die Ideologie oder Ziele der Vereinigung, bleibt er grundsätzlich straflos (BGHSt 51, 345). Die hieraus folgende Privilegierung des Werbens für eine Vereinigung ist durch die entsprechende Änderung der §§ 129, 129 a StGB durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002 (BGBl I 3390) sowie das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) bedingt und auf diese Tathandlung beschränkt ; sie führt insbesondere nicht dazu, dass für die sonstigen Erscheinungsformen möglicher Unterstützungshandlungen vergleichbare Einschränkungen gelten etwa mit der Folge, dass die Anforderungen an den notwendigen Vorteil der Unterstützungshandlung für die Vereinigung generell zu erhöhen wären.
136
Nach alldem ist als tatbestandliche Unterstützung jedes Tätigwerden anzusehen , das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung unmittelbar fördert, die Realisierung der von der Vereinigung geplanten Straftaten - wenn auch nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung der Vereinigung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr wesenseigene Gefährlichkeit festigt (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 139; Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB § 129 Rdn. 83), solange diese Tätigkeit sich nicht als Werben für eine Vereinigung darstellt. Aufgrund des aus der besonderen Tatbestandsstruktur der Vereinigungsdelikte folgenden Verhältnisses der einzelnen Tathandlungen zueinander umfasst das Unterstützen einer Vereinigung daher auch Sachverhaltsgestaltungen , die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären (BGHSt 51, 345, 350 f.). Da als Effekt des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt , regelmäßig bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Vereinigung zu sehen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Täter ein Mitglied der Vereinigung bei der Erfüllung einer Aufgabe unterstützt, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist. Denn die Mitwirkung an der Erfüllung eines Auftrags, den die Vereinigung selbst einem Mitglied erteilt hat, erweist sich nicht nur allein für das betroffene Mitglied als im hier relevanten Sinne vorteilhaft; der ausreichende , nicht notwendigerweise spezifizierte Nutzen wirkt sich in einem solchen Fall vielmehr auch auf die Organisation als solche in vergleichbarer Weise aus wie in den Fällen, in denen die Mitglieder in ihrem Entschluss gestärkt werden, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (BGHSt 32, 243, 244). Eines noch weiter gehenden Vorteils für die Vereinigung bedarf es deshalb in diesen Fallgestaltungen nicht.
137
In derartigen Fällen wird die gleichzeitig verwirklichte Beihilfe des Täters zur mitgliedschaftlichen Beteiligung des Dritten an der Vereinigung durch das täterschaftliche Unterstützen der Vereinigung verdrängt. Ob daneben Fallge- staltungen denkbar sind, in denen sich die Tathandlung lediglich als Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, nicht aber als Unterstützen der Vereinigung darstellt, kann hier offen bleiben.
138
Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte Y. A. die terroristische Vereinigung Al Qaida unterstützt. Der Angeklagte hat sich in maßgebender Funktion an den Versicherungsbetrügereien beteiligt, die u. a. dazu dienten, finanzielle Mittel für die Al Qaida zu erschließen. Durch diese Tätigkeit hat er die entsprechenden Bemühungen des Al Qaida-Mitglieds K. unterstützt, die für diesen wiederum Teil seiner mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Organisation waren. Die Förderung der Betätigungen des Angeklagten K. wirkte sich für diesen auch vorteilhaft aus; denn er wurde zum einen in dem Entschluss gestärkt, Straftaten zu begehen, die dem Fortbestand der terroristischen Vereinigung dienten und musste zum anderen darüber hinaus die Tätigkeiten, die der Angeklagte Y. A. entfaltete, nicht selbst vornehmen oder eine andere Person hierfür gewinnen. Die Beschaffungsbemühungen des Angeklagten K. dienten gerade der Erfüllung der allgemeinen Order, mit der er von der Al Qaida für seine in Deutschland zu verbringende Zeit betraut worden war. Damit wurden auch die Bestrebungen der Vereinigung insgesamt ausreichend gefördert. Der Vollendung der Tat steht nach alldem insbesondere nicht entgegen, dass es hier letztlich in keinem Fall zu einer Auszahlung der Versicherungssumme an die Beteiligten und demnach auch nicht zu einer Weiterleitung eines Teils des Erlöses an die Organisation kam.
139
3. Revision des Angeklagten I. A.
140
Die Verurteilung des Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
141
Die Tatbeiträge des Angeklagten I. A. stellen inhaltlich ebenso wie diejenigen des Angeklagten Y. A. eine Beihilfe zur Beteiligung des Angeklagten K. als Mitglied an der Al Qaida dar; denn mit ihnen förderte der Angeklagte I. A. die Bemühungen des Angeklagten K. , seinen ihm von der Al Qaida erteilten Auftrag zu erfüllen. Sie bewirkten somit im Ergebnis ebenfalls für die Vereinigung als solche einen ausreichenden Effekt.
142
Soweit der Senat in seiner Haftprüfungsentscheidung vom 19. Mai 2005 (BGHR StGB § 129 a Abs. 5 Unterstützen 1) Bedenken dagegen geäußert hat, dass die Tatbeiträge des Angeklagten als vollendetes Unterstützen zu werten seien, beruhte dies auf der dem damaligen Ermittlungsstand, wonach sich die Tätigkeit des Angeklagten auf die Zusage beschränkte, von der in der Zukunft zu erwartenden Beute einen Teil an die Vereinigung abzugeben. Der Senat ist im Revisionsverfahren auf der Basis der Feststellungen des tatgerichtlichen Urteils nicht gehalten zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen für ein Unterstützen der Vereinigung allein die Zusage eines Nichtmitglieds ausreicht, eine Handlung vorzunehmen, die sich auf die Organisation irgendwie vorteilhaft auswirken kann (vgl. hierzu auch BGHR StGB § 129 a Abs. 3 Unterstützen 4); denn nach diesen Feststellungen war die Tätigkeit des Angeklagten nicht auf die Abgabe einer derartigen Zusage beschränkt. Der Angeklagte wirkte vielmehr an den Versicherungsbetrügereien insgesamt mit, indem er selbstständig recherchierte und an Besprechungen in allgemein beratender Funktion teilnahm. Zudem war er damit einverstanden, als Bezugsberechtigter für die Versicherungssummen aufzutreten. Mit seiner diesbezüglichen Zusage leistete er somit einen erheblichen Beitrag für die Durchführung der einzelnen Betrugsstraftaten. Die Tätigkeiten des Angeklagten begründeten deshalb - wenn sie auch hinter denjenigen des Angeklagten Y. A. zurückblieben - jedenfalls bei einer Gesamtschau einen hinreichenden Vorteil für die Vereinigung im oben näher dargestellten Sinn.
143
144
Die Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten "bandenmäßigen" Betrugs in 28 Fällen hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis nicht in vollem Umfang stand und bedarf hinsichtlich aller Angeklagter teilweise der Abänderung. Entgegen der Würdigung des Oberlandesgerichts tritt in den hier vorliegenden Fällen betrügerischer Eingehung von Lebensversicherungsverträgen der Schaden bei den getäuschten Versicherungsunternehmen nicht erst mit Auszahlung der jeweiligen Versicherungsleistung, sondern bereits mit Abschluss der Versicherungsverträge ein. Damit ist der Betrug in neun Fällen vollendet , in den übrigen Fällen jeweils durch die Beantragung von Versicherungsverträgen versucht worden. Die Beanstandung der Revisionen, es habe sich wegen der geplanten, in ferner Zukunft liegenden Vortäuschung des Todes bei den Anträgen auf Vertragsabschluss jeweils nur um straflose Vorbereitungshandlungen gehandelt, geht daher fehl.
145
An den Betrugstaten der Angeklagten Y. A. und K. beteiligte sich der Angeklagte I. A. erst nach dem 21. September 2004. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts können ihm die vorher begangenen Betrugshandlungen der beiden Mitangeklagten nicht über die Rechtsfigur der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Damit erfüllen auch erst die nach diesem Zeitpunkt verwirklichten Taten das Regelbeispiel des bandenmäßigen Betrugs.
146
Dazu im Einzelnen:
147
1. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts gelang es dem Angeklagten Y. A. in neun Fällen (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30 und 33), Versicherungsunternehmen durch falsche Angaben jeweils zum Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zu veranlassen und damit die Deckung des Todesfallrisikos zu übernehmen. Bereits mit dem Vertragsschluss war unter den gegebenen - in der Praxis selten vorkommenden, zumindest selten nachweisbaren, hier allerdings ausdrücklich festgestellten - Umständen der Vermögensbestand der Versicherungsunternehmen gemindert und damit der Versicherungsbetrug vollendet.
148
a) Der Angeklagte täuschte bei der Antragstellung jeweils in mehrfacher Hinsicht über innere und äußere Tatsachen. So verneinte er ab Fall 3 stets wahrheitswidrig eine Vorerkrankung und in den meisten Fällen (mit Ausnahme der Fälle 1, 2, 13, 18, 19, 25 und 26) die Fragen nach anderen bestehenden oder beantragten Lebensversicherungsverträgen.
149
Insbesondere täuschte der Angeklagte in allen Fällen konkludent darüber , einerseits zukünftig dauerhaft nach den Vertragsbedingungen die Versicherungsprämien zahlen zu wollen und zu können sowie andererseits bereit zu sein, den beantragten Versicherungsschutz seinem Zweck entsprechend allein zur Abdeckung des zukünftigen Risikos eines ungewissen Schadenseintritts zu nutzen (zur Absicht der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen als tauglicher Gegenstand einer Täuschung vgl. Lindenau, Die Betrugsstrafbarkeit des Versicherungsnehmers aus strafrechtlicher und kriminologischer Sicht S. 164).
150
Über die innere Tatsache, sich nicht vertragstreu verhalten zu wollen, ist eine konkludente Täuschung möglich. Die Vertragspartner dürfen ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr, das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen (vgl. Cramer/Perron in Schönke/Schröder aaO § 263 Rdn. 14/15). Deshalb ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Willensbekundungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird (BGHSt 51, 165, 171).
151
Da die Manipulation des Vertragsgegenstandes eines Lebensversicherungsvertrags in der Form der Vortäuschung des Versicherungsfalles - ähnlich wie diejenige einer Sportwette (vgl. dazu BGHSt aaO S. 172) - zwangsläufig erst nach Vertragsschluss stattfinden kann, bezieht sich die konkludente Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits durchgeführte, sondern auf eine beabsichtigte Manipulation. Für die Täuschung kommt es dabei nicht darauf an, inwieweit die geplanten Beeinflussungen bereits ins Werk gesetzt sind.
152
Diese Täuschung ist tatbestandsmäßig im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB. Sie war unentbehrlich, um zu dem nach dem Tatplan notwendigen Zwischenziel , dem Abschluss des Versicherungsvertrags, zu gelangen. Dass es danach noch einer weiteren Täuschung (über den Eintritt des Versicherungsfalls) bedurfte , um das eigentliche Endziel der Auszahlung der Versicherungssumme zu erreichen, ist demgegenüber für die Täuschungshandlung rechtlich ohne Belang.
153
b) Den Vorstellungen des Angeklagten entsprechend ist bei den Versicherungsunternehmen aufgrund der Täuschung jeweils eine entsprechende Fehlvorstellung über die Leistungsbereitschaft sowie die Vertragstreue des Angeklagten und damit über den Umfang des zu übernehmenden Risikos eingetreten. Dieser Irrtum war (mit)ursächlich für den jeweiligen Vertragsabschluss durch den Versicherer.
154
c) Mit dem Vertragsabschluss ist bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen ein Vermögensschaden eingetreten.
155
aa) Der Vermögensschaden beim Betrug ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch einen Vermögensvergleich mit wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln (BGHSt 45, 1, 4; BGH NStZ 1996, 191; 1997, 32, 33).
156
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug), wie er hier in Rede steht, ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen. Ob ein Vermögensschaden eingetreten ist, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Vermögenslage vor und nach diesem Zeitpunkt. Zu vergleichen sind demnach die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen (BGHSt 16, 220, 221; 45, 1, 4). Bleibt der Anspruch auf die Leistung des Täuschenden in seinem Wert hinter der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurück, so ist dieser geschädigt (BGHSt 16 aaO).
157
Für die Beurteilung des Vermögenswertes von Leistung und Gegenleistung kommt es weder auf den von den Vertragsparteien vereinbarten Preis an (BGHSt 16, 220, 224) noch darauf, wie hoch der Verfügende subjektiv ihren Wert taxiert (BGHSt 16, 321, 325). Entscheidend für den Vermögenswert von Leistung und Gegenleistung ist vielmehr das vernünftige Urteil eines objektiven Dritten (BGHSt 16, 220, 222; 16, 321, 326; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 70 m. w. N.).
158
bb) Daran gemessen ist ein solcher Schaden bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen hier zu bejahen. Mit dem Vertragsabschluss war es mit der Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme im Todesfall belastet. Dem stand die Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber, an den Versicherer bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit die Prämien zu zahlen. Die Prämie ist der Preis, den der Versicherungsnehmer dafür zu entrichten hat, dass der Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherungssumme leistet. Sie muss in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem Versicherungsschutz stehen (vgl. hierzu Lindenau aaO S. 217 f.). Der Versicherer kalkuliert die Versicherungsprämien unter Berücksichtigung seiner allgemeinen Kosten (u. a. Abschlussprovision, Betriebskosten) auf der Basis von sog. Sterbetafeln, die eine aus der Erfahrung der Vergangenheit gewonnene wahrscheinliche Lebenszeit des Versicherten ausdrücken. Hinzu kommen ggf. Zuschläge für besondere Risiken. In die Prämienkalkulation geht die voraussichtliche Lebensdauer des Versicherten ebenso ein wie die Anzahl der Prämien, die - vorbehaltlich eines vorzeitigen Todes - bis zum Ablauf der Versicherungszeit zu zahlen sind. Im Normalfall besteht zwischen Leistung und Gegenleistung ein Äquivalent.
159
Hier stellte die Prämie indessen keinen entsprechenden Ausgleich für die mit dem Vertrag eingegangenen Verpflichtungen dar; denn der Angeklagte war von vornherein entschlossen, den Versicherungsfall zu fingieren, und hatte in Form der Verabredungen zuerst mit dem Mitangeklagten K. , später auch mit dem Mitangeklagten I. A. , bereits mit konkreten Vorbereitungen begonnen. Der jeweilige Versicherer war daher mit Abschluss des Vertra- ges rein wirtschaftlich gesehen nicht - wie von ihm angenommen - nur mit einer aufschiebend bedingten Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme für den Fall belastet, dass sich das - nach allgemeinen Maßstäben bewertete - Risiko des Todeseintritts während der Vertragslaufzeit verwirklichen sollte. Vielmehr war seine Inanspruchnahme aufgrund der von den Angeklagten beabsichtigten Manipulation des Vertragsgegenstandes sicher zu erwarten. Der entsprechenden Forderung hätte er sich nur durch den Beleg der Unredlichkeit des Versicherungsnehmers, etwa durch den Nachweis der Unrichtigkeit der ägyptischen Todesbescheinigung, entziehen können. Damit war die Leistungswahrscheinlichkeit gegenüber dem vertraglich vereinbarten Einstandsrisiko signifikant erhöht.
160
Bei dem Vergleich der wechselseitigen Ansprüche von Versicherer und Versicherungsnehmer bleibt außer Betracht, dass der Versicherer, sofern er Kenntnis von den tatsächlichen Hintergründen des Vertragsschlusses erlangen würde, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 BGB; vgl. § 22 VVG) oder sich in anderen Konstellationen, etwa gemäß § 74 Abs. 2 VVG, auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen könnte; denn diese Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, soll dem getäuschten Versicherer gerade verborgen bleiben (vgl. RGSt 48, 186, 189; BGH StV 1985, 368 m. w. N.; Fischer aaO § 263 Rdn. 103 m. w. N.).
161
Dafür, dass bereits mit dem Vertragsabschluss beim Versicherer ein Vermögensschaden eingetreten ist, spricht nicht zuletzt auch die zivilrechtliche Betrachtung. Insoweit ist anerkannt, dass der Versicherer gegenüber dem täuschenden Versicherungsnehmer nicht nur die Möglichkeit der Anfechtung des Vertrages hat. Daneben kommt vielmehr auch eine Schadensersatzhaftung des Versicherungsnehmers aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB) in Betracht mit der Folge, dass der getäuschte Versicherer gemäß § 249 BGB die Rückgängigmachung des Vertrages verlangen kann (vgl. BGH NJW 1998, 302, 303). Insoweit besteht die Möglichkeit, dass allein durch die mit dem Vertragsabschluss eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen ein Vermögensschaden begründet wird, wenn der Wert der Gegenleistung hinter dem Wert der Verpflichtungen zurückbleibt (vgl. BGH aaO S. 304).
162
Nach alldem ist in den Fällen, in denen es zum Abschluss des Lebensversicherungsvertrags kam, beim Versicherer ein Schaden entstanden, so dass insoweit jeweils ein vollendeter Eingehungsbetrug vorliegt. Die dem Tatplan entsprechende spätere Auszahlung der Versicherungssummen hätte lediglich zu einer Schadensvertiefung geführt und den Eingehungs- zum Erfüllungsbetrug werden lassen. Auch insoweit ist es für die rechtliche Bewertung ohne Belang , dass hierzu und damit zum Eintritt des endgültigen Verlustes des Versicherers noch eine weitere erfolgreiche Täuschung über den Eintritt des Versicherungsfalls erforderlich gewesen wäre.
163
Zweifel daran, dass der jeweilige Versicherer bereits mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages in seinem Vermögen geschädigt war, bestehen auch nicht deswegen, weil sich die Bestimmung der Schadenshöhe als problematisch erweist. Insoweit könnte sich eine Berechnung nach bilanziellen Maßstäben (so BGH StV 2009, 242) etwa deswegen als schwierig darstellen, weil es für die Bewertung der Verpflichtung aus einem täuschungsbedingt abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag keine anerkannten Richtgrößen gibt. Diese Schwierigkeiten lassen indes den Schaden nicht entfallen. Sie führen lediglich dazu, dass der Tatrichter grundsätzlich unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege der Schätzung Mindestfeststellungen zu treffen hat (vgl.
BGH aaO S. 243). Hierzu wird er sich erforderlichenfalls der Hilfe von Sachverständigen aus den Gebieten der Versicherungsmathematik bzw. der Versicherungsökonomie und/oder des Bilanzwesens bedienen. Unter den hier gegebenen Umständen (vgl. unten VI.) war dies indes nicht geboten.
164
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit bisheriger Rechtsprechung zum Eingehungsbetrug.
165
So hat bereits das Reichsgericht (RGSt 48, 186) einen Vermögensschaden des Feuerversicherers in dem bloßen Abschluss eines Versicherungsvertrages gesehen, auf den die Versicherungsnehmer unter Angabe eines unzutreffend hohen Versicherungswerts in der Absicht angetragen hatten, die versicherten Sachen alsbald in Brand zu setzen und dadurch in den Besitz der Versicherungssumme u. a. auch für Gegenstände zu kommen, die gar nicht vorhanden waren. Es hat dabei ausgeführt, dass der Prämienanspruch, den die Gesellschaft erhielt, nur den Ausgleich bildete "für die gegenüber einem vertragstreuen Vertragsgegner übernommene Verpflichtung zur Gefahrtragung. Dieser Anspruch verlor an Wert und büßte ihn im wesentlichen ein bei den Angeklagten , die überhaupt nicht die Absicht hatten, ihr Verhalten dem Vertrage gemäß einzurichten, … sondern im Gegenteil entschlossen waren, mit Hilfe des Scheines eines Vertrags die Gesellschaft zu einer vermögensrechtlichen Aufwendung , der Zahlung der Brandentschädigung, zu veranlassen." Die Vermögensminderung (damals bezeichnet als Vermögensgefährdung) sah das Reichsgericht darin, dass sich die Versicherungsgesellschaft täuschungsbedingt vertraglich verpflichtete, "eine weit größere Gefahr (vermögensrechtlichen Inhalts) zu tragen, als sie dem in der Prämie ausgedrückten, demgemäß auch vereinbarten gewöhnlichen Verlaufe der Dinge entsprach, und die Möglichkeit einer die Gesellschaft treffenden tatsächlichen Einbuße an ihrem Vermögen war bei der von den Angeklagten in Aussicht genommenen alsbaldigen Brandstiftung unmittelbar gegeben" (RGSt 48, 186, 190).
166
Auch der Bundesgerichtshof hat den Betrug schon als vollendet angesehen mit dem Vertragsschluss über die Lieferung von Feinkohle, bei dem der Angeklagte von Anfang an beabsichtigt hatte, lediglich minderwertigen Kohlenschlamm zu liefern (BGH NJW 1953, 836). Er hat ausgeführt, dass beim Eingehungsbetrug eine "Vermögensgefährdung" schon darin bestehen kann, dass der Geschädigte überhaupt in vertragliche Beziehungen zu einem böswilligen Vertragspartner getreten ist, der von vornherein darauf ausging, den Vertragspartner unter planmäßiger Ausnutzung eines beim Vertragsschluss durch Vorspiegelung von Tatsachen erregten Irrtums zur späteren Entgegennahme einer vertragswidrigen Leistung zu veranlassen.
167
Einen vollendeten Eingehungsbetrug hat der Bundesgerichtshof zuletzt auch in dem betrügerisch veranlassten Eingehen eines Risikogeschäfts gesehen , das mit einer nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr verbunden ist (BGH NJW 2009, 2390). Er hat dabei ausgeführt, der mit der Vermögensverfügung unmittelbar eingetretene Vermögensschaden sei durch das Verlustrisiko im Zeitpunkt der Vermögensverfügung bestimmt.
168
d) Entgegen der Ansicht der Revisionen steht auch das Erfordernis der Stoffgleichheit einer Strafbarkeit des Angeklagten nicht entgegen. Der rechtswidrige Vermögensvorteil, den der Täter für sich oder einen Dritten erlangen will, muss die Kehrseite des Schadens sein. Unmittelbare Folge des Vertragsabschlusses war für den Angeklagten die Verbesserung seiner Vermögenssituation. Diese bestand darin, dass der getäuschte Lebensversicherer die Deckung des Risikos zu nicht äquivalenten Konditionen übernahm und dem Ange- klagten die Möglichkeit eröffnete, diese Risikodeckung zur Fingierung des Todesfalles auszunutzen.
169
2. Dementsprechend setzte der Angeklagte Y. A. in 19 weiteren Fällen (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) zur Begehung eines Eingehungsbetrugs unmittelbar an, indem er mit täuschenden Angaben in den Anträgen die Versicherungsunternehmen jeweils zum Abschluss entsprechender Verträge zu veranlassen suchte. Mit der Einreichung des Antrags nahm er diejenige Täuschungshandlung vor, die nach seiner Vorstellung dazu ausreichte, denjenigen Irrtum hervorzurufen, der den Getäuschten zu der schädigenden Vermögensverfügung bestimmen und damit den Schaden herbeiführen sollte (vgl. BGHSt 37, 294, 296).
170
Die Einwände der Revisionen, die Angeklagten hätten noch nicht unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt, sondern seien lediglich im Stadium der straflosen Vorbereitungshandlungen verblieben, haben deshalb im Ergebnis keinen Erfolg. Sie sind lediglich im Ausgangspunkt insoweit berechtigt, als die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts, in allen Fällen habe ein versuchter Erfüllungsbetrug vorgelegen, rechtlich nicht haltbar ist.
171
Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Auch eine frühere, vorgelagerte Handlung kann bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmündet oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang steht. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Hierbei können etwa die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen (BGHR StGB § 22 Ansetzen 30 m. w. N.).
172
Hier fehlt es für den vom Oberlandesgericht angenommenen Erfüllungsbetrug an einem unmittelbaren Ansetzen zur Tat im Sinne des § 22 StGB, da zunächst noch wesentliche Zwischenschritte erfolgreich hätten zurückgelegt werden müssen, bevor es möglich gewesen wäre, die Versicherungen zur Leistung auf den Todesfall in Anspruch zu nehmen. Denn bevor nicht der Tod des Angeklagten Y. A. in Ägypten fingiert und die entsprechend gefälschten Unterlagen beschafft waren, wäre es nicht möglich gewesen, die Versicherer durch deren Vorlage auf Auszahlung der Versicherungssummen in Anspruch zu nehmen.
173
3. An den 28 Taten des vollendeten bzw. versuchten Betrugs des Angeklagten Y. A. beteiligte sich der Angeklagte K. als Mittäter.
174
Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen; es kann auch eine solche im Vorbereitungsstadium des unmittelbar tatbestandsmäßigen Handelns genügen. Der Mittäter muss nur einen Beitrag leisten, der die Tat fördert und er muss die Tat als eigene wollen. Die Annahme von Mittäterschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in wertender Betrachtung der festgestellten Tatsachen zu prüfen. Dafür sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr maßgeb- lich (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26 m. w. N.). Danach hat das Oberlandesgericht den Angeklagten K. zutreffend als Mittäter angesehen. Er nahm zwar selbst keine Täuschungshandlung vor, war aber der Ideengeber und beteiligte sich intensiv an der Planung der Taten, sorgte nach den Vertragsabschlüssen für die Bezahlung der Prämien und sollte nach dem Tatplan bei der Geltendmachung der Versicherungsleistungen mitwirken. An der Tat hatte er selbst ein großes Interesse.
175
4. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts beteiligte sich der Angeklagte I. A. , nachdem er am 21. September 2004 von den beiden Mitangeklagten in das Betrugsvorhaben eingeweiht worden war, an den nach diesem Tag begangenen Taten (fünf Fälle des vollendeten und 18 Fälle des versuchten Betrugs). Die Würdigung des Oberlandesgerichts, der Angeklagte sei dabei Mittäter gewesen, hält rechtlicher Überprüfung nach den oben dargelegten Grundsätzen noch stand. Zwar nahm auch er nicht selbst Täuschungshandlungen vor, zudem sollte er persönlich von der erwarteten Beute nicht profitieren. Gleichwohl hatte er insoweit ein eigenes Interesse an der Tat, als er wusste, dass mit einem Teil der Beute seine Familie (Mutter und Geschwister ) unterstützt werden sollten. Hinzu kommt, dass er im Endstadium des Betrugsvorhabens als Begünstigter der Lebensversicherungsverträge die entscheidende Tatherrschaft haben sollte und seine Mitwirkung deshalb notwendige Bedingung für das Tatvorhaben war.
176
Für die vor dem 21. September 2004 begangenen Taten ist indes ein strafbares Handeln des Angeklagten I. A. nicht belegt. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts und des Generalbundesanwalts können ihm die Tatbeiträge der Mitangeklagten auch nicht nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Eine solche liegt bei demjenigen vor, der in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen tatbestandsmäßigen Handelns in das tatbestandliche Geschehen eingreift. Die Zurechnung bereits verwirklichter Tatumstände ist aber nur dann möglich, wenn der Hinzutretende selbst einen für die Tatbestandsverwirklichung ursächlichen Beitrag leistet. Kann der Hinzutretende die weitere Tatausführung dagegen nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs schon alles getan ist und das Tun des Eintretenden auf den weiteren Ablauf des Geschehens ohne jeden Einfluss bleibt, kommt mittäterschaftliche Mitwirkung trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH NStZ 1984, 548; 1998, 565). So liegt es hier. Der Angeklagte billigte nach seinem Hinzukommen zwar die Tatausführung durch die Mitangeklagten, erklärte sich bereit, in einem späteren Stadium der Tat durch eigene Tatbeiträge zur endgültigen Beutesicherung beizutragen , und beteiligte sich mit Vorschlägen an der weiteren Tatausführung. Er leistete aber für diese ersten fünf Taten selbst keinen Tatbeitrag mehr. Bei zwei Fällen (Fälle 1 und 4) waren die Versicherungsverträge schon abgeschlossen, in zwei Fällen (Fälle 2 und 3) sind die Versicherungsverträge später abgeschlossen worden, im Fall 4 hat die Versicherung den Vertragsabschluss am 4. Oktober 2004 abgelehnt. In keinem Fall ist ein Tätigwerden des Angeklagten, das auf den weiteren Ablauf Einfluss gehabt hätte, festgestellt. Insoweit ist ohne Bedeutung, dass auf alle vier abgeschlossenen Versicherungsverträge Prämienzahlungen auch nach dem 21. September 2004 erfolgten. Dies entsprach zwar dem inzwischen von allen drei Angeklagten gefassten Tatplan, indes lag darin nur ein Aufrechterhalten der durch die frühere Täuschung erreichten Fehlvorstellung des jeweiligen Versicherers über eine korrekte Vertragsabwicklung und keine weitere tatbestandsrelevante Täuschungshandlung.
177
Der Senat kann daher offenlassen, ob angesichts der Fallbesonderheiten - zur Vertiefung des Schadens durch Inanspruchnahme der Lebensversicherungen nach einem fingierten Todesfall sollte der Angeklagte ganz erhebliche Tatbeiträge leisten - eine sukzessive Mittäterschaft im Rahmen des Betrugstatbestands zwischen Vollendung und Beendigung hier in Frage kommen könnte (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 5; BGH, Beschl. vom 2. Juli 2009 - 3 StR 131/09).
178
5. Mit der Zustimmung des Angeklagten I. A. zu dem Tatplan und mit dessen erklärter Bereitschaft, sich im weiteren Verlauf der Tat an der Geltendmachung der Ansprüche auf Auszahlung der Versicherungssummen zu beteiligen und die Beute auszukehren, haben sich die Angeklagten zu einer Bande verbunden, um in der Folgezeit - jedenfalls in der in Aussicht genommenen kurzen, im einzelnen aber noch nicht genau bestimmten Zeitspanne - weitere Betrugstaten zu begehen. Damit liegt bei den nach dem 21. September 2004 begangenen Taten (ab Fall 6) jeweils das Regelbeispiel bandenmäßiger Begehung für die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB vor.
179
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts fehlt dieses Merkmal bei den ersten fünf Taten. Der Angeklagte I. A. war an diesen Taten nicht beteiligt, die für eine Bande erforderliche Bandenabrede zum Tatzeitpunkt noch nicht getroffen. Die Mitangeklagten handelten deshalb lediglich als Mittäter (vgl. BGH, Beschl. vom 17. März 2009 - 4 StR 607/08).
180
IV. Konkurrenzen
181
Das Verhältnis zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung und den Betrugstaten hat das Oberlandesgericht im Grundsatz zutreffend beurteilt.
182
1. Der Angeklagte K. hat die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) jeweils in Verfolgung der Ziele der Al Qaida begangen. Sie stehen deshalb mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an der ausländischen terroristischen Vereinigung jeweils in Tateinheit. Zugleich werden sie, da das Verbrechen nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB gegenüber den Betrugstaten das schwerere Delikt ist, von diesem zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verklammert (vgl. BGHSt 29, 288, 291; BGHR StGB § 129 Konkurrenzen 1; § 129 a Konkurrenzen

4).


183
2. Bei dem Angeklagten Y. A. stellen sich die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
184
Im Ausgangspunkt besteht allerdings bei einer Mehrzahl von Unterstützungshandlungen zwischen diesen jeweils Tatmehrheit. Hierin liegt der Unterschied zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, bei der mehrere Einzelakte zu einem tatbestandlichen Verhaltenstypus im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 193). Eine tatbestandliche Handlungseinheit zwischen mehreren Unterstützungshandlun- gen kommt nur in Betracht, wenn es um ein und denselben Unterstützungserfolg geht und die einzelnen Akte einen engen räumlichen, zeitlichen und bezugmäßigen Handlungszusammenhang aufweisen (vgl. Krauß aaO m. w. N.). So liegt es hier. Sämtliche Handlungen bezogen sich auf das einheitliche, übergeordnete Ziel der Unterstützung. Die Bemühungen dienten stets nach demselben Tatschema dem Zweck, aus der gesamten erstrebten Betrugsbeute die ausländische terroristische Vereinigung Al Qaida in Form einer Geldzuwendung zu stärken. Die Handlungen standen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang. Zum Teil beantragte der Angeklagte an einem Tag bei demselben Versicherer den Abschluss mehrerer Versicherungsverträge oder stellte Anträge bei mehreren Versicherern.
185
Die somit einheitliche Unterstützungshandlung verbindet nach den unter vorstehend 1. für die mitgliedschaftliche Beteiligung dargestellten Grundsätzen, die im Hinblick auf den am jeweiligen Strafrahmen zu messenden Unrechtsgehalt des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB einerseits und des § 263 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 StGB andererseits für diese Konstellation entsprechend gelten , die einzelnen vollendeten bzw. versuchten Betrugstaten ebenfalls zur Tateinheit.
186
3. Bei dem Angeklagten I. A. stellen sich die fünf Taten des Betrugs (Fälle 6, 16, 22, 30, 33) und die 18 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis ebenfalls als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
187
Als Mittäter muss sich der Angeklagte die im Rahmen des gemeinsamen Tatplans mit seiner Billigung erbrachten Tathandlungen seiner Mittäter - und damit alle 23 vom Mitangeklagten Y. A. seit seinem Hinzutre- ten und der Bildung der Bande begangenen Täuschungshandlungen - zurechnen lassen. Die Frage des rechtlichen Zusammentreffens ist jedoch bei einer Tatserie für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des Tatbeitrags jedes Tatbeteiligten (BGH StV 2002, 73). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts hat der Angeklagte seinen Tatbeitrag insgesamt durch die Bereitschaft zur Geltendmachung der Versicherungsleistungen sowie durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Verfahrensablauf der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art erbracht. Beiträge , die auf einzelne Betrugstaten konkretisiert waren, sind nicht festgestellt. In diesem Fall werden ihm die Einzeltaten des Mitangeklagten als in gleichartiger Tateinheit begangen zugerechnet (vgl. Fischer aaO § 25 Rdn. 23 m. w. N.). Diese Tatbeiträge zum Betrug stellen gleichzeitig die Unterstützungshandlung des Angeklagten dar. Dementsprechend liegt - wie das Oberlandesgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - auch nur eine Tat des Unterstützens einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor.
188
V. Schuldspruchänderung
189
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch weitergehende Feststellungen zur Beteiligung des Angeklagten Y. A. an der Al Qaida getroffen werden können. Er hat deshalb den Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig ist. Außerdem hat er die durch die abweichende rechtliche Beurteilung der Betrugstaten notwendigen Änderungen der Schuldsprüche vorgenommen. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn die Angeklagten hätten sich dagegen hier nicht anders als geschehen verteidigen können.
190
VI. Strafausspruch
191
1. Bei dem Angeklagten K. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe aus dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 1 StGB (ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe ) entnommen. Der Senat schließt aus, dass es bei zutreffender rechtlicher Beurteilung der Betrugstaten auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Zwar können die Fälle 1 bis 5 nicht mehr als bandenmäßig begangen und damit regelmäßig als besonders schwere Fälle des Betrugs bzw. des versuchten Betrugs beurteilt werden. Indes sind neun der Taten als vollendet anzusehen, was deren Gewicht für die Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten erhöht. Der Bestand der Strafe ist auch nicht deshalb gefährdet, weil die (potentiellen) Vermögensschäden der Versicherer durch die (versuchten) Eingehungsbetrugstaten , die der Schuldspruchänderung durch den Senat zugrunde liegen, wesentlich hinter den Beträgen zurückbleiben, die der Angeklagte letztlich nach gelungener Vortäuschung des Versicherungsfalles für sich und die Mittäter erlangen wollte. Das Oberlandesgericht ist insgesamt nur von Versuchsfällen ausgegangen und hat demgemäß einen Schadenseintritt verneint. Dass es die Höhe der beabsichtigten Bereicherung durch Zahlung der Versicherungssummen im Sinne einer Beuteerwartung strafschärfend berücksichtigt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden und stellt auch auf der Grundlage der vom Senat ausgeurteilten (versuchten) Eingehungsbetrugstaten einen maßgeblichen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar. Demgegenüber hat aber auch bereits das Oberlandesgericht ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass der Eintritt dieses letztendlich ins Auge gefassten Schadens noch sehr weit entfernt war und noch weiterer Zwischenschritte bedurft hätte.
192
2. Die Strafe für den Angeklagten Y. A. kann hingegen nicht bestehen bleiben. Durch die Änderung des Schuldspruchs hat sich der die Strafe bestimmende Strafrahmen in seiner Untergrenze von einem Jahr auf sechs Monate Freiheitsstrafe abgesenkt. Zwar hat sich das Oberlandesgericht daran nicht orientiert; auch ist die Obergrenze des Strafrahmens mit zehn Jahren gleichgeblieben. Dennoch kann der Senat - schon wegen der Nähe der verhängten Strafe zu derjenigen für den wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung verurteilten Mitangeklagten K. - nicht ausschließen, dass die Strafe milder ausgefallen wäre, wenn das Oberlandesgericht den Angeklagten zutreffend nur wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen hätte.
193
Über den Strafausspruch muss deshalb erneut durch den Tatrichter entschieden werden. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der rechtsfehlerhaften Einordnung des Tatbeitrags des Angeklagten nicht berührt sind. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen dürfen.
194
Damit wird die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung gegenstandslos (Meyer-Goßner aaO § 464 Rdn. 20).
195
3. Bei dem Angeklagten I. A. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) entnommen. Der Senat kann auch hier ausschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Beurteilung auf eine geringere Strafe erkannt hätte. Zwar sind die ersten fünf Betrugstaten im Schuldspruch entfallen; indes wird der Schuldumfang davon bestimmt, dass der Angeklagte bereit war, auch hinsichtlich der ohne seine Mitwirkung begangenen Betrugstaten die letztendlich erwartete Beute durch die Geltendmachung und Vereinnahmung der Versicherungsleistungen zu sichern.
196
VII. Kostenbeschwerde
197
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung wird als unbegründet verworfen, da diese dem Gesetz entspricht.
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 552/08
vom
14. August 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nicht: B. III., C. V.-VII.)
Veröffentlichung: ja
____________________________________
I. StPO § 100 c Abs. 4, 5, 6, § 100 d Abs. 5 Nr. 3
1. Die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich
voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben
wurden.
2. Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den sog. relativen Beweisverwertungsverboten
, nach denen nicht jeder Verstoß bei der Beweiserhebung
zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse
führt, gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung
eingeführten Verwendungsregelungen bzw. Verwendungsbeschränkungen.
3. Zur Verwendbarkeit von Daten im Strafverfahren, die durch eine akustische
Wohnraumüberwachung auf der Grundlage einer polizeirechtlichen Ermächtigung
zur Gefahrenabwehr gewonnen worden sind, welche noch keine Regelung
zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung enthielt.
4. Der Begriff "verwertbare Daten" in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich auf
die gesetzlichen Beweisverwertungsverbote in § 100 c Abs. 5 und 6 StPO sowie
auf das Beweiserhebungsverbot aus § 100 c Abs. 4 StPO.
5. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines
nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, so richtet
sich die Verwertbarkeit dieser Gesprächsinhalte stets nach der Vorschrift des
§ 100 c Abs. 6 StPO. Für eine isolierte Anwendung des § 52 StPO ist daneben
kein Raum.
II. StGB §§ 129, 129 a, 129 b
1. Zur Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, wenn
sich der Täter ausschließlich im Inland aufgehalten hat.
2. Das Unterstützen einer Vereinigung umfasst regelmäßig auch Sachverhalte
, die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur
mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären.
Mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrags ist der Eingehungsbetrug
vollendet, wenn der Versicherungsnehmer darüber getäuscht hat, dass er
den Versicherungsfall fingieren will, um die Versicherungssumme geltend machen
zu lassen.
BGH, Urt. vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08 - OLG Düsseldorf
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
zu 2. und 3.: Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Mai 2009 in der Sitzung am 14. August 2009, an denen teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten Y. A. ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. A. ,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 28. Mai 2009,
Justizamtsinspektor bei der Verkündung am 14. August 2009
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Dezember 2007
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten wie folgt schuldig sind: aa) der Angeklagte K. der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; bb) der Angeklagte Y. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; cc) der Angeklagte I. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in fünf sowie mit versuchtem Betrug in achtzehn tateinheitlichen Fällen;
b) im Strafausspruch betreffend den Angeklagten Y. A. aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten Y. A. , an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten und die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils werden verworfen.
4. Die Angeklagten K. und I. A. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
A. Prozessgeschichte, Feststellungen und Wertungen des Oberlandesgerichts
2
Das Oberlandesgericht hat die Angeklagten K. und Y. A. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem "bandenmäßigen" Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren (K. ) bzw. sechs Jahren (Y. A. ) und den Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem bandenmäßigen Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die sowohl mehrere Verfahrensrügen erheben als auch mit Einzelbeanstandungen die Verletzung sachlichen Rechts geltend machen. Die beiden Angeklagten A. haben außerdem sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt.
3
Die Revision des Angeklagten Y. A. führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die übrigen Rechtsmittel bleiben im Wesentlichen ohne Erfolg.
4
Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen getroffen und Bewertungen vorgenommen:
5
I. Die Organisation Al Qaida
6
In den Jahren 1996/1997 entstand aus einem Bündnis zwischen Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri die Organisation Al Qaida, die zum Kampf einer "Islamischen Weltfront für den Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" aufrief und es mit dem Ziel, westliche, vor allem amerikanische Truppen aus der arabischen Halbinsel zu vertreiben, als individuelle Glaubenspflicht eines jeden Muslim bezeichnete, die Amerikaner und ihre Verbündeten an jedem möglichen Ort zu töten. Al Qaida war im Kern in Afghanistan angesiedelt. An der Spitze der hierarchisch aufgebauten Organisation standen Bin Laden, Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter der für Militär, Finanzen, religiöse Fragen und Medienarbeit zuständigen Abteilungen. "Jihadwillige" Islamisten, die mittels des von der Organisation verbreiteten Propagandamaterials angeworben worden waren, wurden in Ausbildungslagern in Afghanistan als Kämpfer geschult. Besonders geeignet erscheinenden Kandidaten wurde sodann in speziellen Vertiefungskursen Sonderwissen vermittelt. Wer an einer derartigen - privilegierten - Spezialausbildung in den Jahren vor 2001 teilgenommen hatte, war der Organisation Al Qaida in der Regel im Sinne einer "Mitgliedschaft" unmittelbar zuzuordnen. Nach Abschluss ihrer Ausbildung kehrten die Kämpfer in ihre Herkunftsländer zurück und bildeten dort operative Zellen. Von der Organisation, deren Zweck und Tätigkeit im Wesentlichen in der Tötung von "Feinden des Islams" bestand, wurden in der Folgezeit mehrere Anschläge ausgeführt, die eine erhebliche Zahl von Menschenleben forderten. Zu ihnen gehörten auch die Selbstmordattentate auf das World-Trade-Center und das Pentagon am 11. September 2001.
7
Die dadurch ausgelösten militärischen Reaktionen beeinträchtigten in der Folgezeit die operative Handlungsfähigkeit der Organisation, führten aber nicht zu einer vollständigen Zerschlagung sämtlicher Strukturen von Al Qaida, sondern nur zu deren - dem Verfolgungsdruck vorübergehend angepassten - Modifizierung. Den in großer Zahl aus Afghanistan geflohenen Anhängern wurde durch Audio- und Videobotschaften verdeutlicht, dass die obersten Führungskräfte von Al Qaida dort weiterhin unverändert aktiv waren. Es gelang der Aufbau von regional tätigen Teilstrukturen in Form der "Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel" und einer Gruppe türkischer Islamisten. Außerdem konnte Al Qaida mehrere selbständige islamistische Organisationen ("Al Qaida im Zweistromland" sowie "Al Qaida im islamischen Maghreb") an sich binden. Durch den über Rundfunk und Fernsehen verbreiteten Führungsanspruch von Bin Laden und Al Zawahiri gelang es, auch ohne die Bildung eigenständiger Netzwerke neue Mitglieder der Organisation unter dem "Dach" der Al Qaida zu rekrutieren. An die Stelle des vor 2001 üblichen Gefolgschaftseids traten zur Begründung der Mitgliedschaft in der Organisation mehr und mehr einseitige Loyalitätserklärungen sowie an den Zielvorgaben von Al Qaida orientierte Handlungen.
8
II. Die Tathandlungen der Angeklagten
9
Der Angeklagte K. , der schon 2000 und Anfang 2001 in Trainingslagern der Al Qaida eine terroristische Ausbildung erhalten und seither den gewaltsamen Jihad gegen die "Ungläubigen" als seine außer jeder Diskussion stehende Individualpflicht betrachtet hatte, reiste nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Deutschland im Oktober 2001 erneut nach Afghanistan und nahm dort Ende 2001 / Anfang 2002 an Kampfhandlungen der Al QaidaVerbände teil. Dabei hatte er Kontakt zu Bin Laden und gliederte sich in die Hierarchie der Organisation ein. Im Frühjahr 2002 floh er vor den Amerikanern und deren Verbündeten. Er folgte der von Bin Laden an die im Besitz europäischer Pässe befindlichen "Kämpfer" erteilten Order, sich nach Möglichkeit in ihre Herkunftsländer zu begeben und weiterhin für Al Qaida zu arbeiten. Mitte Juli 2002 kehrte er nach Deutschland zurück und zog nach M. .
10
In M. lernte der Angeklagte K. den Angeklagten Y. A. kennen. Dieser hatte sich schon seit längerem für den gewaltsamen Kampf der Muslime begeistert sowie seine Sympathie zu Al Qaida zum Ausdruck gebracht und war in M. in Kontakt zu weiteren gleichgesinnten Personen gekommen. Die Wohnung des Angeklagten K. in der P. straße wurde zum Treffpunkt dieses Freundeskreises. Der Angeklagte Y. A. besuchte den Angeklagten K. auch in der JVA , nachdem dieser im Januar 2004 in einem Verfahren wegen Betruges verhaftet und für vier Monate in Untersuchungshaft genommen worden war.
11
Der Angeklagte K. , der sich nach wie vor der Al Qaida zugehörig und in der Rolle eines "Murabit" fühlte, der nur zeitweilig den Kampfschauplatz des Jihad hatte verlassen müssen, entfaltete in der Folgezeit umfangreiche Aktivitäten für die Organisation. Er befasste sich zu deren Gunsten in erster Linie mit Rekrutierungs- und Beschaffungsmaßnahmen und warb für die Unterstützung des gewaltsamen Jihad durch einen Märtyrereinsatz oder zumindest durch eine Spende an seine Organisation. Dabei gelang es ihm, den Angeklagten Y. A. zur Mitarbeit zu bewegen. Dieser entschloss sich vor dem Hintergrund seiner eigenen ideologischen Vorprägung, auf die Angebote des Angeklagten K. einzugehen und seine Tätigkeit in Deutschland fortan in den Dienst von Al Qaida zu stellen. Dementsprechend machte er die Planung und Durchführung einer Betrugsserie zum Nachteil von Lebensversicherungsgesellschaften zum "Mittelpunkt seines Lebens", deren erhebliche Beute zum einen Teil Al Qaida und zum anderen seiner Familie zugute kommen und zuletzt ihm ermöglichen sollte, dem Angeklagten K. zur Teilnahme am Jihad in den Irak zu folgen.
12
Der Plan einer Betrugsserie sah vor, dass der Angeklagte Y. A. innerhalb eines auf zwei bis drei Monate angelegten Tatzeitraums zahlreiche Lebensversicherungsverträge abschließen, sodann nach Ägypten verreisen und von dort aus mittels Bestechung von Amtspersonen inhaltlich falsche Urkunden übersenden sollte, um gegenüber den Versicherungsunternehmen einen tödlichen Verkehrsunfall in Ägypten vortäuschen zu können. Der Angeklagte I. A. sollte sodann als Begünstigter mit Unterstützung des Angeklagten K. die Versicherungssummen geltend machen. In Verfolgung dieses zuerst zwischen den Angeklagten K. und Y. A. entwickelten Plans holte letzterer ab Mai 2004 bei Versicherungsunternehmen erste Erkundigungen über die möglichen Vertragsge- staltungen ein und begann am 10. August 2004 mit der Stellung von Versicherungsanträgen. Der Angeklagte K. stellte sicher, dass die ersten Prämien bezahlt werden konnten. Der Angeklagte I. A. , der am 21. September 2004 umfassend in den Tatplan eingeweiht worden war, nahm an zahlreichen Besprechungen des Vorhabens teil, ließ hierbei keine Zweifel an seiner uneingeschränkten Bereitschaft zur Mitwirkung bei der späteren Geltendmachung der Versicherungssummen und deren Verwendung aufkommen und unterstützte ferner die gemeinsame Tatplanung durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Procedere der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass zumindest ein Teil der Beute über den Angeklagten K. der Al Qaida zufließen und auf diese Weise ihren organisatorischen Zusammenhang fördern sowie die Verfolgung ihrer terroristischen Aktivitäten erleichtern werde.
13
Im Einzelnen stellte der Angeklagte Y. A. zwischen dem 10. August 2004 und dem 15. Januar 2005 bei verschiedenen Versicherungsunternehmen insgesamt 28 Anträge auf Abschluss von Lebensversicherungsverträgen. Entsprechend der Tatplanung kam es in neun Fällen zum Abschluss eines Versicherungsvertrages mit einer garantierten Todesfallsumme von 1.264.092 €. In 19 Fällen wurden die Anträge des Beschwerdeführers - teilweise aufgrund der zwischenzeitlichen Warnhinweise der Polizei an die Versicherungsunternehmen, zuletzt auch wegen der Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 - abgelehnt bzw. nicht mehr weiter bearbeitet.
14
III. Beweisgrundlage und rechtliche Würdigung des Oberlandesgerichts
15
Das Oberlandesgericht hat seine Überzeugung im Wesentlichen auf Erkenntnisse gestützt, die durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen in der von den Angeklagten K. und Y. A. bewohnten Wohnung in M. gewonnen worden waren.
16
Nach der rechtlichen Würdigung des Oberlandesgerichts war Al Qaida trotz der strukturellen Veränderungen aufgrund der Verfolgung seit Ende des Jahres 2001 auch im Tatzeitraum eine ausländische terroristische Vereinigung. In dieser haben sich die Angeklagten K. und Y. A. als Mitglieder betätigt, während der Angeklagte I. A. nach Auffassung des Oberlandesgerichts die Vereinigung unterstützt hat. Die Taten der Angeklagten zum Nachteil der Versicherungen stellen sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts in allen Fällen, also auch soweit es zu Vertragsabschlüssen gekommen ist, als täterschaftlich und bandenmäßig begangener versuchter Betrug dar.
17
B. Die Verfahrensrügen
18
I. Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung
19
Die Beschwerdeführer rügen unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten die Verwertung der aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Den Verfahrensbeanstandungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
20
Das Polizeipräsidium M. beantragte am 22. Juni 2004 beim Amtsgericht M. gemäß § 29 Abs. 1 des Rheinland-Pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (im Folgenden: POG RhPf) die richterliche Anordnung der Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln für die Wohnung des Angeklagten K. . Begründet wurde der Antrag u. a. mit der dringenden Gefahr, dass der sich dort regelmäßig treffende Personenkreis die Begehung von terroristischen Anschlägen plane. Nachdem der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht den Antrag zunächst am 28. Juni 2004 abgelehnt hatte, weil bereits der Anfangsverdacht einer Straftat nach §§ 129 a, 129 b StGB gegen die Betroffenen bestehe, genehmigte das Landgericht M. auf die sofortige Beschwerde des Polizeipräsidiums mit Beschluss vom 14. Juli 2004 gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 POG RhPf aF die Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen. Es bejahte entsprechend dem Antrag des Polizeipräsidiums das Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, weil in der Wohnung Anschläge geplant werden könnten. Eine Befristung der Maßnahme enthielt der Beschluss nicht. Vor Ablauf der damaligen Höchstfrist von drei Monaten gemäß § 29 Abs. 4 Satz 2 POG RhPf aF beantragte das Polizeipräsidium am 8. Oktober 2004 die Verlängerung der Maßnahme. Neben einer Verstrickung des Angeklagten K. in die Netzwerke arabischer Mudjahedin habe die Überwachung die Bereitschaft der Angeklagten K. und Y. A. ergeben, den "Märtyrertod" zu sterben, woraus sich wegen zu befürchtender Anschlagsplanungen eine fortdauernde dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergebe. Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts M. verlängerte am 12. Oktober 2004 aus den fortgeltenden Gründen des Anordnungsbeschlusses die Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten. Nach dem Beschluss war die Überwachung sofort abzubrechen, wenn sich der Angeklagte K. oder der Angeklagte Y. A. jeweils allein in der Wohnung aufhalte, wenn Gespräche offensichtlich für die Gefahrenabwehr irrelevant seien oder wenn der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung - auch kurzzeitig - betroffen sei.
21
Am 12. Oktober 2004 leitete der Generalbundesanwalt gegen die Angeklagten K. und Y. A. das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ein. Am 11. November 2004 beantragte er beim Landgericht Ka. die Anordnung der Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e, Abs. 2 und Abs. 3 StPO aF. In dem Antrag wurden Erkenntnisse aus der zuvor auf polizeirechtlicher Grundlage durchgeführten Wohnraumüberwachung zur Begründung des Tatverdachts verwendet. Das Landgericht Ka. ordnete die Maßnahme mit Beschluss vom 24. November 2004 für die Dauer von vier Wochen an. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse ließen den Schluss zu, dass der Angeklagte K. im Auftrag der Al Qaida Mitglieder zur Begehung von Selbstmordattentaten rekrutiere und in dem Angeklagten Y. A. auch bereits einen zum "Märtyrertod" Bereiten gefunden habe, mit dem er an der Umsetzung des Plans arbeite. Beide stünden damit im Verdacht, sich an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglieder zu beteiligen. Ohne die Wohnraumüberwachung werde die Erforschung des Sachverhalts unverhältnismäßig erschwert, weil keine sonstigen Beweismittel ersichtlich seien, mit denen Erkenntnisse über Zielsetzung oder Aktivitäten der Angeklagten gewonnen werden könnten. Eine weitere Aufklärung sei auch erforderlich, weil die bisherigen Erkenntnisse noch keinen hinreichenden Tatverdacht bezüglich der Mitgliedschaft der Angeklagten in der Al Qaida und ihre konkrete Art der Beteiligung ergeben hätten. Eine Ausforschung des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, weil die in der abgehörten Wohnung zusammentreffenden Personen nicht miteinander verwandt seien und nicht in einer Beziehung höchstpersönlichen Vertrauens zueinander stünden. Soweit die Brüder des Angeklagten Y. A. in der Wohnung anwesend seien, müssten die Ermittlungsbehörden dafür Sorge tragen, dass die Überwachung sofort abgebrochen werde, sobald der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung berührt werde. Auf entsprechende Anträge des Generalbundesanwalts, mit denen weitere Erkenntnisse zu dem geplanten Versicherungsbetrug, aber auch zu einem möglichen Handel mit Uran mitgeteilt wurden, verlängerte das Landgericht Ka. mit Beschlüssen vom 22. Dezember 2004 und vom 19. Januar 2005 die Maßnahme um jeweils vier Wochen.
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Obwohl die Wohnraumüberwachung bereits mit Beschluss vom 14. Juli 2004 genehmigt worden war, begann die Ausführung der Maßnahme erst am 24. August 2004. Am 30. August 2004 erließ das Polizeipräsidium Handlungsgrundsätze für die Durchführung der Wohnraumüberwachung, die allen beteiligten Beamten bekannt gemacht wurden. Mit diesen Handlungsanweisungen sollten die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (BVerfGE 109, 279) zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung umgesetzt werden. Insbesondere wurde nicht eine automatische, sondern eine manuelle Gesprächsaufzeichnung angeordnet. Dafür wurden Polizeibeamte und Dolmetscher im Schichtbetrieb eingesetzt, die nur dann Gespräche aufzeichneten, wenn aufgrund einer Einschätzung der aktuellen Situation in der Wohnung relevante Erkenntnisse zu erwarten waren. Die Handlungsanweisungen wurden entsprechend den Beschlüssen des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 und des Landgerichts Ka. vom 24. November 2004 fortgeschrieben und berücksichtigten die dort aufgestellten Vorgaben. Die Wohnraumüberwachung wurde mit der vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 beendet; sie dauerte mithin ca. fünf Monate. In dieser Zeit (insgesamt über 3.620 Stunden) wurden 703 Aufzeichnungen mit einer Gesamtlänge von etwas über 304 Stunden erstellt, was bezogen auf die Gesamtdauer der Maßnahme einem Anteil von 8,4 % entspricht. Von den 703 aufgezeichneten Gesprächen wurden 313 übersetzt, 144 der Anklageschrift zu Grunde gelegt, 142 in die Hauptverhandlung eingeführt und Passagen aus 86 Gesprächsaufzeichnungen im angefochtenen Urteil verwertet. Alle Angeklagten haben in der Hauptverhandlung der Verwertung der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung widersprochen.
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Die Rüge hat keinen Erfolg.
24
1. Ob das Oberlandesgericht die im Rahmen der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Informationen in die Hauptverhandlung einführen und bei seiner Beweiswürdigung verwerten durfte, bestimmt sich zunächst nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl I 3198 ff.). Zwar ist diese Vorschrift erst am 1. Januar 2008 und damit nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getreten. Jedoch ist bei der Änderung strafprozessualer Bestimmungen für das weitere Verfahren grundsätzlich auf die neue Rechtslage abzustellen (BGH NJW 2009, 791, 792 m. w. N.; Knierim StV 2009, 206, 207). Dies gilt auch bei einer Änderung des Rechtszustands zwischen dem tatrichterlichen Urteil und der Revisionsentscheidung (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 354 a Rdn. 4; Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 a Rdn. 5). Nach dem somit maßgeblichen § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO - der im Übrigen dem im Zeitpunkt der Verkündung des oberlandesgerichtlichen Urteils geltenden § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF entspricht - können aus einer polizeilichen akustischen Wohnraumüberwachung erlangte, verwertbare personenbezogene Daten im Strafverfahren ohne Einwilligung der über- wachten Personen unter anderem zur Aufklärung einer Straftat verwendet werden , auf Grund derer die Maßnahme nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt:
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a) Die auf der Grundlage der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse sind zum Nachweis von Straftaten herangezogen worden, zu deren Aufklärung die Wohnraumüberwachung auch nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte (Gedanke des hypothetischen Ersatzeingriffs, vgl. dazu BTDrucks. 16/5846 S. 64; Wolter in SK-StPO § 100 d Rdn. 33). Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Verdacht, dass entsprechende Taten begangen worden sind, bereits im Zeitpunkt der Anordnung bzw. Durchführung der polizeirechtlichen Maßnahme bestanden hatte, denn es handelt sich bei § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO um eine Verwendungsregelung für Erkenntnisse, die zur Gefahrenabwehr , nicht dagegen zur Strafverfolgung erhoben worden waren. Daher ist allein maßgeblich, ob die Daten nunmehr im Strafverfahren zur Klärung des Verdachts einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO verwendet werden sollen.
26
Hier sind die Protokolle der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung zum Nachweis der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB) verwertet worden, mithin von Katalogtaten im Sinne des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO.
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Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer durften sie aber auch zur Beweisführung hinsichtlich der ihnen angelasteten Betrugstaten herangezogen werden. Zwar sind diese nicht im Katalog des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO enthalten. Wie jedoch auch die Revisionen letztlich nicht in Abrede nehmen, liegt zwischen den Betrugshandlungen, die sich als Betätigungsakte der durch § 100 c Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO als Katalogtat erfassten Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung darstellen , Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vor. In einer solchen Konstellation entspricht es bei Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnahmen auch zum Nachweis der mit der Katalogtat in Zusammenhang stehenden Nichtkatalogtat verwertet werden dürfen (BGHSt 28, 122, 127 f.; 30, 317, 320; BGH StV 1998, 247, 248). Diese Grundsätze sind im Schrifttum gebilligt und für die Verwertung von Erkenntnissen aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme übernommen worden (Nack in KK § 100 d Rdn. 33; Wolter aaO § 100 d Rdn. 74; jeweils m. w. N.). Es besteht insoweit kein Anlass, aufgrund der unterschiedlichen betroffenen Grundrechte die Fälle der Wohnraumüberwachung anders als diejenigen der Telekommunikationsüberwachung zu behandeln. Den entsprechenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts tritt der Senat bei.
28
Die den Angeklagten angelasteten Taten nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB wogen auch im konkreten Fall besonders schwer (§ 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO). Zum einen handelt es sich bei der öffentlichen Sicherheit und staatlichen Ordnung (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 129 Rdn. 2 m. w. N.) um hochrangige Rechtsgüter; diese werden von § 129 a StGB geschützt. Zum anderen kam das arbeitsteilige, äußerst konspirative Zusammenwirken mehrerer Täter zur Umsetzung eines komplexen Tatplans hinzu , wodurch zugleich noch weitere Rechtsgüter - das Vermögen der Versicherungsunternehmen - verletzt wurden (zu diesen Anforderungen vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 12).
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Die Aufklärung der den Angeklagten angelasteten Taten wäre ohne die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung unverhältnismäßig erschwert oder unmöglich gemacht worden (§ 100 c Abs. 1 Nr. 4 StPO). Es ist insoweit wiederum nicht auf den Zeitpunkt der Erlangung der Erkenntnisse abzustellen, denn die Regelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich nur auf den erneuten aus der anderweitigen Verwendung der zweckgebundenen Daten folgenden Grundrechtseingriff (vgl. BGH NJW 2009, 791, 792; BVerfGE 100, 313, 391). Zum Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil stellten die Wohnraumüberwachungsprotokolle indes die zentralen Beweismittel dar, ohne die ein Tatnachweis nicht möglich gewesen wäre.
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b) Bei den Erkenntnissen aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung handelt sich um verwertbare Daten im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO.
31
Der Begriff der Verwertbarkeit bezieht sich auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO (Nack aaO § 100 d Rdn. 18; Meyer-Goßner aaO § 100 d Rdn. 6). Dies folgt schon aus dem Vergleich zu § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO, der die Verwendbarkeit "verwertbarer personenbezogener Daten" regelt, die in einem anderen Strafverfahren gewonnen worden sind. Durch die Verwendungsregelungen in § 100 d Abs. 5 StPO (seinerzeit: § 100 d Abs. 6 StPO aF) sollte ein den Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung (BVerfGE 109, 279) entsprechendes Schutzniveau geschaffen werden, um für den Bereich der Strafverfolgung die einfachgesetzlichen Regelungen zur Wohnraumüberwachung und der Verwendung der aus einer solchen Maßnahme - sei es auch auf anderer gesetzlicher Grundlage als derjenigen der StPO - erlangten personenbezogenen Informationen insgesamt verfassungsgemäß auszugestalten (BTDrucks. 15/4533 S. 1). Dies erforderte einen einheitlichen Anknüpfungspunkt , wie ihn die Verwertungsverbote des § 100 c StPO boten. Dementsprechend nimmt die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF durch den Verweis auf § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF auch auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO Bezug, die der Gesetzgeber im Regelungsbereich des § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF beachtet wissen wollte (vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 17 f.). Daraus erhellt, dass diese Verwertungsverbote auch im Rahmen des § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF (jetzt: § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO) Anwendung finden und dies durch die gesetzliche Verwendungsvoraussetzung der "verwertbaren" personenbezogenen Daten zum Ausdruck gebracht werden sollte.
32
Die Gegenauffassung, die auf eine Verwertbarkeit im polizeirechtlichen Ausgangsverfahren abstellen will (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64), könnte demgegenüber dazu führen, dass für die Verwendbarkeit durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen gewonnener Daten nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO andere , gegebenenfalls großzügigere Maßstäbe gelten würden, als für diejenige nach § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Denn im Polizeirecht kommt dem Aspekt der aus Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 1 GG abzuleitenden Schutzpflichten des Staates zur Abwehr von Gefahren insbesondere für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter eine weitaus größere Bedeutung zu als im Strafprozess (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht 4. Aufl. Rdn. 215 f.; Würtenberger /Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg 6. Aufl. Rdn. 659; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht 14. Aufl. § 17 Rdn. 69). Eine nach polizeirechtlichen Grundsätzen durchgeführte Abwägung zwischen den Grundrechten des durch die Maßnahme Betroffenen und den zu schützenden Rechtsgütern der Allgemeinheit oder eines Einzelnen könnte also auch dann noch zur Verwertbarkeit von erlangten Erkenntnissen führen, wenn diese nach strafpro- zessualen Grundsätzen zu verneinen wäre. Selbst wenn man für das Merkmal der Verwertbarkeit in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur auf die polizeirechtlichen Regelungen zum Kernbereichsschutz abstellen wollte, könnte aufgrund der insoweit teilweise unterschiedlichen Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder und des Bundes (vgl. dazu Wolter aaO § 100 c Rdn. 17, 19) die Verwendung im Strafverfahren davon abhängen, in welchem Bundesland bzw. nach welchem Bundesgesetz die Maßnahme angeordnet wurde. Dies wäre in sich nicht stimmig.
33
Unverwertbare Daten im Sinne des § 100 c Abs. 4-6 StPO sind vorliegend nicht verwendet, insbesondere in dem angefochtenen Urteil nicht gegen die Beschwerdeführer verwertet worden (dazu unten 2. d) und e).
34
2. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Verwendung der durch die Wohnraumüberwachung auf polizeirechtlicher Grundlage gewonnenen Daten im Strafverfahren gegen die Angeklagten liegen vor.
35
a) Das zur Erhebung der Daten ermächtigende Gesetz gestattet deren Umwidmung für Zwecke der Strafverfolgung (s. dazu Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 d Rdn. 65; allgemein zu dieser Voraussetzung Singelnstein ZStW 120 (2008), 854, 859 ff.). Die entsprechende Verwendungsbefugnis enthält § 29 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 POG RhPf, der auch bereits im Zeitpunkt der Verwertung der Daten in dem angefochtenen Urteil galt.
36
b) Zutreffend machen die Beschwerdeführer allerdings geltend, dass § 29 POG RhPf aF, auf den die akustische Überwachung der Wohnung des Angeklagten K. gestützt worden war, nicht in vollem Umfang verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprach. Dies führt indes nicht dazu, dass die aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse nicht gemäß § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO im Strafverfahren gegen die Angeklagten verwendet werden durften. Hierzu gilt:
37
§ 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 c Rdn. 32; Eisenberg, Beweisrecht der StPO 6. Aufl. Rdn. 358; s. auch Singelnstein aaO S. 887 f.; Griesbaum in KK § 161 Rdn. 40 - jeweils zur parallelen Problematik bei § 161 Abs. 2 StPO; BGHSt 48, 240, 249; BGHR StPO § 100 a Verwertungsverbot 10; Schäfer in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl. § 100 a Rdn. 87 - jeweils zur Verwendungsregelung des § 100 b Abs. 5 StPO aF).
38
aa) Bedingung dafür ist zunächst eine wirksame Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 13 GG genügt (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64 f.). Ermächtigungsgrundlage war hier § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF, der die Erhebung von Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in der Wohnung des Betroffenen zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit erlaubte. Diese Eingriffsvoraussetzungen stehen im Einklang mit der das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG einschränkenden Vorschrift des Art. 13 Abs. 4 GG, die eine Wohnraumüberwachung zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit , also bei einer konkreten Gefährdung eines wichtigen Rechtsgutes (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG 10. Aufl. Art. 13 Rdn. 30) zulässt. Durch die Aufzählung einer gemeinen Gefahr und der Lebensgefahr in Art. 13 Abs. 4 GG wird die Eingriffsschwelle beispielhaft definiert (Gornig in v. Mangoldt/Klein/Stark, GG 5. Aufl. Art. 13 Rdn. 126), was auch bei der Auslegung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF zu berücksichtigen ist. Bei Beachtung dieser Maßstäbe ergeben sich insoweit keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Eingriffsermächtigung (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577 zum weitgehend inhaltsgleichen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf nF). Diese ist auch einfachrechtlich hinreichend bestimmt: Der unbestimmte Rechtsbegriff der dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist insbesondere durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte konturiert worden und setzt voraus, dass bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Schädigung eines hochrangigen Rechtsguts droht; auf eine zeitliche Komponente, etwa in dem Sinne, dass der Schadenseintritt unmittelbar bevorstehen muss, kommt es hingegen nicht entscheidend an (BVerwGE 47, 31, 40; Jarass aaO Art. 13 Rdn. 37).
39
Die von den Beschwerdeführern zur Begründung ihrer Gegenauffassung herangezogene verfassungsgerichtliche Rechtsprechung (BVerfGE 113, 348; MVVerfG LKV 2000, 345) ist nicht einschlägig. Die in jenen Entscheidungen für nichtig erklärten Vorschriften des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG MV ) bzw. § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 Niedersächsisches Gesetz über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG Nds.) knüpften als Eingriffsvoraussetzung nicht an die Abwehr einer dringenden Gefahr, sondern an die vorsorgende Strafverfolgung und Verhütung von Straftaten an (BVerfGE 113, 348, 350 f., 368 f.; MVVerfG LKV 2000, 345, 349 f.; siehe auch VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577). Die mit § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf vergleichbare Vorschrift des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SOG M-V, der die Wohnraumüberwachung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zulässt, ist nach der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern hingegen verfassungsgemäß (MVVerfG LKV 2000, 345, 349); der unter den gleichen Voraussetzungen die Anordnung der Telefonüberwachung zulassende § 33 a Abs. 1 Nr. 1 SOG Nds. war nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, weil er in jenem Verfahren mit der Verfassungsbeschwerde nicht angefochten worden war. Aus den vorgenannten Entscheidungen lassen sich verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF somit nicht herleiten.
40
Die Ermächtigungsgrundlage genügte auch im Hinblick auf den in der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG geforderten Richtervorbehalt den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. § 29 Abs. 4 Satz 1 POG RhPf aF).
41
bb) Jedoch enthielt der am 3. März 2004 in Kraft getretene § 29 POG RhPf aF keine Vorschriften zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Solche Regelungen hatte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom selben Tag zur Anordnung einer Wohnraumüberwachung nach der Strafprozessordnung gefordert und die §§ 100 c, 100 d, 100 f und 101 StPO aF deshalb teilweise für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Gleichwohl hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zur Neufassung dieser Bestimmungen eingeräumt, in der die bisherigen Regelungen unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten Vorgaben zum Schutz der Menschenwürde und zur Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit fortgalten (BVerfGE 109, 279). Mittlerweile - und auch bereits im Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht - sind solche Regelungen zum Kernbereichsschutz sowohl in § 100 c Abs. 4-6 StPO als auch in § 29 Abs. 3-6 POG RhPf nF enthalten.
42
Das Fehlen von Kernbereichsschutzregelungen in § 29 POG RhPf aF führt nicht zur Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse.
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(1) Nicht zu teilen vermag der Senat allerdings die vom Oberlandesgericht und - ihm folgend - vom Generalbundesanwalt vertretene Auffassung, die Vorschrift sei einer verfassungskonformen Auslegung dahin zugänglich gewesen , dass sie unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben jedenfalls für eine Übergangszeit der Verfassung entsprochen habe und so als rechtmäßige Ermächtigungsgrundlage für Wohnraumüberwachungsmaßnahmen habe dienen können.
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Eine verfassungskonforme Auslegung kommt in Betracht, wenn eine auslegungsfähige Norm nach den üblichen Interpretationsregeln mehrere Auslegungen zulässt, von denen eine oder mehrere mit der Verfassung übereinstimmen , während andere zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen (BVerfGE 19, 1, 5; 32, 373, 383 f.; 48, 40, 45). Die Grenzen einer solchen Auslegung sind indes erreicht, wenn durch sie der wesentliche Inhalt der gesetzlichen Regelung erst geschaffen werden müsste (BVerfGE 8, 71, 78 f.; 45, 393, 400); es steht den Fachgerichten insbesondere in Fällen, in denen der Gesetzgeber unterschiedliche Möglichkeiten zu einer verfassungskonformen Neuregelung hat, nicht zu, die gesetzgeberische Aufgabe der Rechtssetzung zu übernehmen (BVerfGE 72, 51, 62 f.; 100, 313, 396; vgl. auch BVerfGE 8, 71, 79). Hier erweist sich die vom Oberlandesgericht vorgenommene "verfassungskonforme Auslegung" der Sache nach als übergangsweise Regelung zur Fortgeltung eines mit der Verfassung nicht vereinbaren Gesetzes unter Berücksichtigung bestimmter verfassungsrechtlicher Vorgaben; zu solchen Übergangsregelungen sind gemäß § 35 BVerfGG nur das Bundesverfassungsgericht bzw. nach den entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften die Landesverfassungsgerichte befugt (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG § 35 Rdn. 69, 43; Heusch in Mitarbeiterkommentar-BVerfGG 2. Aufl.
§ 31 Rdn. 81 f.; s. etwa § 26 Abs. 3 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz).
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Gegen die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung mit dem vom Oberlandesgericht angenommenen Inhalt spricht zudem, dass sich das Bundesverfassungsgericht selbst - bezogen auf die Vorschriften der Strafprozessordnung - zu einer solchen außer Stande sah und ausdrücklich eine Regelung durch den Gesetzgeber forderte (BVerfGE 109, 279). In Kenntnis der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts hat auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof die die Wohnraumüberwachung zulassenden Vorschriften im Sächsischen Verfassungsschutzgesetz, die ebenfalls keine Regelungen zum Kernbereichsschutz enthielten, nicht aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung unbeanstandet gelassen, sondern sie unter Bestimmung einer Übergangsfrist für mit der Verfassung unvereinbar erklärt (SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
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(2) Obwohl danach wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz von der Unvereinbarkeit des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF mit Art. 13 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und damit von der Rechtswidrigkeit der Wohnraumüberwachung ausgegangen werden muss, lässt dies hier die Verwendbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO unberührt.
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Nach ständiger Rechtsprechung führt nicht jeder Rechtsverstoß bei der strafprozessualen Beweisgewinnung zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Bedeutsam sind dabei insbesondere die Art des etwaigen Beweiserhebungsverbots und das Gewicht des in Rede stehen- den Verfahrensverstoßes, das seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird (vgl. BGHSt 19, 325, 329 ff.; 27, 355, 357; 31, 304, 307 ff.; 35, 32, 34 f.; 37, 30, 31 f.; 38, 214, 219 ff.; 38, 372, 373 f.; 42, 372, 377; 44, 243, 249; BGH NStZ 2007, 601, 602; BVerfG NStZ 2006, 46; NJW 2008, 3053). Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass die Annahme eines Verwertungsverbots ein wesentliches Prinzip des Strafverfahrensrechts - den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind - einschränkt. Aus diesem Grund stellt ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (BGHSt 37, 30, 32 m. w. N.; 44, 243, 249).
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Diese Grundsätze gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung eingeführten Verwendungsregelungen (der Sache nach auch BGHSt 48, 240, 249 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF), zu denen auch § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO zählt.
49
Zwar wird in Teilen der Literatur die Auffassung vertreten, Verwendungsregelungen müssten bei Nichtvorliegen ihrer Voraussetzungen stets wie ein geschriebenes Verwertungsverbot wirken, das keiner Abwägung zugänglich sei, so dass in derartigen Fällen jegliche Verwendung und damit auch jede Verwertung der jeweils in Rede stehenden Daten ausgeschlossen werden müsse (Singelnstein aaO S. 889 m. w. N.). Nach dieser Ansicht sollen sich - mangels einer ausdrücklichen Ermächtigung, auch rechtswidrig erlangte Erkenntnisse für einen anderen Verfahrenszweck umzuwidmen - die Verwendungsregelungen der Strafprozessordnung ausschließlich auf rechtmäßig erhobene Daten beziehen, weil eine rechtswidrige Datenerhebung im Vergleich zu einer rechtmäßigen ei- nen schwereren Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstelle (Singelnstein aaO S. 887 f.).
50
Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Eine solche Beschränkung nur auf rechtmäßig erhobene Daten ergibt sich aus dem Wortlaut der Verwendungsregelungen nicht. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften zur Verwendung von Erkenntnissen aus präventiv-polizeilichen Maßnahmen im Strafverfahren ist allerdings zu entnehmen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von der rechtmäßigen Datenerhebung ausgegangen ist (Wollweber NJW 2000, 3623 unter Hinweis auf die Materialien zum Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, vgl. BRDrucks. 64/00 S. 6 f.). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass auf polizeigesetzlicher Grundlage rechtswidrig erhobene Daten unter keinen Umständen für Zwecke des Strafverfahrens zur Verfügung stehen sollten (Zöller in Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit 2. Aufl. S. 496 f.). Denn es entspricht der üblichen Regelungstechnik der Strafprozessordnung, dass der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen normiert, unter denen zur strafprozessualen Beweisgewinnung durch Ermittlungsmaßnahmen rechtmäßig in (Grund-)Rechte der jeweils Betroffenen eingegriffen werden darf, jedoch - abgesehen von wenigen Ausnahmen (s. etwa § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO) - keine Bestimmungen dazu trifft, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen rechtswidrig erlangte Beweisergebnisse im weiteren Verfahren verwertet werden dürfen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Regelungen zur Verwendung von Daten, die in anderen Verfahren und eventuell auch unter Geltung anderer Rechtsgrundlagen für die Informationsbeschaffung gewonnen worden sind, von diesem Konzept abweichen wollte.
51
Auch von Verfassungs wegen folgt aus der Rechtswidrigkeit einer Datenerhebung nicht zwangsläufig das Verbot einer zweckändernden Verwendung (Wolter aaO vor § 151 Rdn. 167 a; Albers, Die Determination polizeilicher Tätigkeit in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge S. 330 f.; Singelnstein aaO S. 887). Damit entspricht die rechtliche Ausgangslage aber derjenigen bei den sog. relativen Verwertungsverboten. Auch hier besteht ein ausdrückliches gesetzliches Verwertungsverbot nicht; ob die gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise unverwertbar sind, wird auf der Grundlage der oben dargestellten Abwägungskriterien vielmehr nur deshalb geprüft, weil die Ermittlungsbehörden bei der Beweisgewinnung gegen Vorschriften der Strafprozessordnung verstoßen haben, von deren Einhaltung durch die Behörden der Gesetzgeber grundsätzlich ausgeht. Wenn aber in diesen Fällen die Rechtswidrigkeit der Ermittlungshandlung nicht stets zur Unverwertbarkeit der Beweismittel führt, so ist kein Grund dafür ersichtlich, in der vergleichbaren Situation der Verwendungsregelungen jede Verwendung und damit auch die Verwertung von der Rechtmäßigkeit der Datengewinnung abhängig zu machen. Besonders augenfällig wird dies bei der Vorschrift des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO, die die Verwendung von Zufallsfunden regelt: Während die Rechtswidrigkeit der Ermittlungsmaßnahme die Verwertbarkeit der Erkenntnisse zu der Straftat, zu deren Aufklärung sie angeordnet wurde, gegebenenfalls unberührt lassen würde, dürften gleichzeitig gewonnene Beweisergebnisse, die eine andere Tat des selben Täters betreffen, nicht verwertet werden. Diesem unstimmigen Ergebnis kann auch nicht mit dem Hinweis darauf begegnet werden, dass die Zweckänderung einen erneuten Grundrechtseingriff darstellt, der durch die Verwendungsregelung nur gerechtfertigt werden könne, wenn die Datenerhebung selbst rechtmäßig war. Denn auch die Verwertung von rechtswidrig erlangten Erkenntnissen in demselben Verfahren stellt einen erneuten Grundrechtseingriff oder zumindest eine Vertiefung des zuvor erfolgten dar. Dessen Rechtfertigung kann sich bei einem Überwiegen der Belange der Allgemeinheit, insbesondere des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung - einem Prinzip von Verfassungsrang (BVerfGE 44, 353, 374; BVerfG StV 1985, 177) - aus der nach den dargestellten Grundsätzen vorzunehmenden Güterabwägung ergeben.
52
Ob - was allerdings nahe liegen dürfte - von diesem Ergebnis abzuweichen ist, wenn durch die Nutzung der rechtswidrig erhobenen Daten eine in der Verwendungsregelung enthaltene Beschränkung umgangen würde, etwa wenn die Wohnraumüberwachung nicht zur Aufklärung einer Katalogtat oder eines vergleichbaren präventiv-polizeilichen Zwecks angeordnet wurde (vgl. Albers aaO S. 331; Schäfer aaO § 100 a Rdn. 97 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF; Weßlau in SK-StPO § 477 Rdn. 41; in diesem Sinne wohl auch Dencker in FS für Meyer -Goßner S. 237, 249 f.), kann der Senat offen lassen. Zu einer solchen Verletzung der Verwendungsbeschränkung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO ist es nicht gekommen (dazu oben 1. a). Im Übrigen würde in solchen Fällen auch die Auffassung, die ein Verwertungsverbot von einer Güterabwägung abhängig macht, regelmäßig zu dem Ergebnis einer Unverwertbarkeit der Daten gelangen (vgl. BGHSt 31, 304, 309; 41, 30; 47, 362).
53
Für alle anderen Verstöße ist abzuwägen, ob die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung auch die zweckändernde Verwendung und damit hier die Verwertung im Strafverfahren verbietet (vgl. Nack aaO § 100 d Rdn. 31 ff.; Albers aaO S. 331 f.; vgl. auch Wolter aaO § 100 d Rdn. 69, der bei "Minimalverstößen" ebenfalls eine Abwägung für geboten hält, aA wohl Singelnstein aaO).
54
(3) Ist nach alledem eine Verwendung der aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung erlangten Daten wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz in § 29 POG RhPf aF und einer daraus resultierenden Rechtswidrigkeit der Maßnahme nicht von vornherein ausgeschlossen, ergibt die vorzunehmende Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung, was zur Verwertbarkeit der gewonnen Erkenntnisse führt. Im Einzelnen:
55
Der Rechtsverstoß bei der Informationsbeschaffung liegt hier darin, dass die Abhörmaßnahme auf der Grundlage einer mit dem Grundgesetz nicht in vollem Umfang vereinbaren einfachgesetzlichen Ermächtigung durchgeführt worden ist. Der Senat verkennt nicht, dass die Unvereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung mit höherrangigem Recht einen Verstoß von Gewicht begründet, der regelmäßig zur Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen wird. Jedoch sind vorliegend besondere Umstände zu beachten , die zu einer abweichenden Beurteilung führen:
56
Das Bundesverfassungsgericht hatte die entsprechenden strafprozessualen Regelungen trotz ihrer teilweisen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht für nichtig, sondern sie unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Erfordernisse einer funktionierenden Strafrechtspflege für eine Übergangszeit weiterhin für anwendbar erklärt. Dem entnimmt der Senat, dass auch § 29 POG RhPf aF, wäre er zur verfassungsrechtlichen Prüfung durch das Bundes- oder Landesverfassungsgericht gestellt worden, nicht etwa für nichtig, sondern unter entsprechenden Vorgaben ebenfalls für eine Übergangszeit für weiter anwendbar erklärt worden wäre (vgl. SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
57
Die Vorschrift des § 29 POG RhPf aF entsprach in Bezug auf den Überwachungsgrund der Gefahrenabwehr sowie im Hinblick auf die Eingriffsschwelle und den Richtervorbehalt der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG. Sie konnte die Maßgaben des Verfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensführung nicht berücksichtigen, weil für den Gesetzgeber noch keine Möglichkeit bestand, diese in das Gesetz einzuarbeiten; denn zwischen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der Erstanordnung der Maßnahme lagen nur etwas über vier Monate (das Bundesverfassungsgericht hatte dem Bundesgesetzgeber in seinem Urteil vom 3. März 2004 eine Frist von mehr als einem Jahr und drei Monaten zur verfassungskonformen Neufassung der einschlägigen Bestimmungen der Strafprozessordnung zur Wohnraumüberwachung gesetzt, vgl. BVerfGE 109, 279, 381). Gleichwohl waren Betroffene von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen im Hinblick auf ihr Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht schutzlos gestellt; vielmehr ergibt sich bei Fehlen entsprechender Vorschriften in den Polizeigesetzen ein solcher Schutz unmittelbar aus Art. 13 Abs. 4 GG in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aufgestellten Grundsätze (Wolter aaO § 100 c Rdn. 19 m. w. N.).
58
Bei dieser Ausgangslage war die Annahme des Polizeipräsidiums und der die präventiv-polizeiliche Wohnraumüberwachung anordnenden bzw. die Anordnung verlängernden Gerichte nicht unvertretbar, dass die Maßnahme trotz des Fehlens einer gesetzlichen Regelung zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung durchgeführt werden durfte und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durch entsprechende Vorkehrungen im Vollzug der Wohnraumüberwachung Rechnung getragen werden konnte. Jedenfalls stellte sich diese Annahme nicht als eine bewusste Umgehung des Gesetzes oder grundrechtlich geschützter Positionen der Angeklagten dar.
59
Nach alldem wiegt die teilweise Unvereinbarkeit des § 29 POG RhPf aF mit verfassungsrechtlichen Anforderungen hier nicht so schwer, dass sie eine nach den dargelegten Grundsätzen nur ausnahmsweise anzuerkennende Un- verwertbarkeit der bei der Wohnraumüberwachung erlangten Erkenntnisse zur Folge hätte. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass wegen der Respektierung des Kernbereichs der privaten Lebensführung bei Durchführung der Maßnahme (s. unten d) und e) jedenfalls materiell ein ungerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht der Angeklagten K. und Y. A. aus Art. 13 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung ihrer Menschenwürde nicht vorlag. Angesichts dessen kann auch die überragende Bedeutung dieser Grundrechte keine andere Beurteilung rechtfertigen.
60
c) Die Anordnung der Wohnraumüberwachung unterliegt im Übrigen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die entgegenstehende Rüge, mit der die Beschwerdeführer geltend machen, die Voraussetzungen einer Anordnung der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF hätten nicht vorgelegen, ist unbegründet.
61
aa) Die Anordnung wurde nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Anordnungsbeschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit getroffen. Auch in der Sache lag kein Eingriff zur bloßen Gefahrenvorsorge oder zur vorbeugenden Strafverfolgung vor.
62
Die gegenteilige Ansicht der Beschwerdeführer beruht auf einer Verkennung des Begriffs der dringenden Gefahr. Eine solche braucht nicht bereits eingetreten zu sein; es genügt, dass die Beschränkung des Grundrechts dem Zweck dient, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen würde (vgl. BVerfGE 17, 232, 251 f.). Damit liegt eine dringende Gefahr im Sinne des für den vorliegenden Eingriff maßgeblichen § 13 Abs. 4 GG vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein bedeutendes Rechtsgut schädigen wird (vgl. BVerwGE 47, 31, 40). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind zudem an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden wäre (BVerwGE 47, 31, 40; 57, 61, 65; 88, 348, 351; 116, 347, 356; Gusy, Polizeirecht 6. Aufl. Rdn. 119; vgl. BVerfGE 49, 89, 135 ff.). Zuzugeben ist den Beschwerdeführern insoweit allerdings, dass auch angesichts der Größe eines möglichen Schadens bloße Vermutungen oder die Inbezugnahme einer allgemeinen Sicherheitslage nicht zur Begründung einer Gefahr ausreichend sind; erforderlich ist vielmehr eine im konkreten Fall durch hinreichende Tatsachen zu belegende Gefahrenlage (BVerfGE 115, 320, 368 f.).
63
Nach diesen Grundsätzen ist die Anordnung der Wohnraumüberwachung durch das Landgericht M. jedenfalls im Ergebnis insoweit nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen einer dringenden Gefahr auf die konkreten Einwände der Beschwerdeführer gegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme anhand einer eigenständigen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Anordnung (vgl. dazu BGHSt 47, 362, 367) geprüft und - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - im Beschluss vom 21. August 2007 mit plausibler und rechtlich nicht zu beanstandender Begründung bejaht. Dabei hat es insbesondere darauf abgestellt , dass die Ermittlungslage wegen einer zu vorangegangenen Terroranschlägen parallelen Grundkonstellation befürchten ließ, dass in der Wohnung des Angeklagten K. Planungs- oder Vorbereitungshandlungen für Terroranschläge , also schwerste Straftaten gegen Leib und Leben Unbeteiligter durchgeführt würden, und damit eine gemeine Gefahr (vgl. dazu Gornig in v. Mangoldt /Klein/Stark, GG aaO Art. 13 Rdn. 127) vorlag. Diese Einschätzung basierte nicht auf bloßen Vermutungen, sondern auf konkreten Tatsachen, namentlich der extremistischen Grundeinstellung der sich in der Wohnung des Angeklagten K. treffenden Personen, ihren teilweisen Kontakten zu weiteren Personen, gegen die wegen des Verdachts der Einbindung in terroristische Netzwerke ermittelt wurde, dem konkreten Verdacht, dass der Angeklagte K. Kontakt zu terroristischen Strukturen in Afghanistan aufgenommen und sich dort an Kampfhandlungen beteiligt hatte, sowie nicht zuletzt auf dem Umstand, dass die Besucher der Wohnung konspirativ miteinander kommunizierten und sich Observationsmaßnahmen entzogen.
64
Die Einwendungen der Revisionen gehen auf die eine konkrete Gefahrenlage begründenden Umstände nicht ein und beschränken sich auf eine - im Revisionsverfahren unbehelfliche - eigene, abweichende Wertung des Ermittlungsstandes , der - wie vom Generalbundesanwalt aufgezeigt - teilweise auch unzutreffend wiedergegeben wird. Soweit sie darauf abstellen, dass sich im Zeitpunkt der Anordnung vorliegende Verdachtsmomente in der Hauptverhandlung nicht bestätigt hätten (Kodiertabelle), können sie mit diesem Einwand nicht gehört werden: Im Polizeirecht beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle einer Gefahrenprognose auf eine Überprüfung der tatsächlichen Anhaltspunkte und den daraus resultierenden Schluss auf zukünftige Schäden aus einer ex-antePerspektive (Gusy aaO Rdn. 121).
65
bb) Der Rechtmäßigkeit der Anordnung steht - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - nicht entgegen, dass sie sich in Rubrum und Tenor des Beschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 nicht auch gegen den Angeklagten Y. A. als weiteren Bewohner der überwachten Wohnung richtete. Insbesondere ist die Behauptung der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar, die Polizei habe es bewusst unterlassen, eine entsprechende richterliche Anordnung auch gegen ihn einzuholen. Aufgrund der Angaben in dem Antrag des Polizeipräsidiums war dem Landgericht M. ausweislich des Beschlusses bekannt, dass der Angeklagte Y. A. in der Wohnung des Angeklagten K. gemeldet war. Von einer bewussten Umgehung oder Missachtung des Richtervorbehalts kann mithin keine Rede sein. Der Angeklagte wurde vielmehr in ihn nicht beschwerender Weise im Ergebnis wie ein Dritter im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 POG RhPf aF behandelt; auch insoweit war die Aufzeichnung des von ihm gesprochenen Wortes zulässig.
66
Die Anordnung hätte nach den obigen Darlegungen zudem auch gegen den Angeklagten Y. A. jederzeit erwirkt werden können. Dieser Umstand führt dazu, dass auch dann nicht von einer Unverwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse auszugehen wäre, wenn man insoweit von einer Fehlerhaftigkeit der Anordnung ausgehen wollte. Vielmehr ist nach den oben dargelegten Grundsätzen in Fällen der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme im Wege einer Abwägung zu ermitteln, ob die so gewonnenen Daten verwendet werden dürfen (dazu oben b) bb) (2)). Eine solche Abwägung würde hier wegen der unproblematisch möglichen Anordnung der Maßnahme auch gegenüber dem Angeklagten Y. A. zur Verwendbarkeit und damit auch zur Verwertbarkeit der Ergebnisse der Wohnraumüberwachung führen. Denn angesichts der daraus resultierenden Geringfügigkeit eines etwaigen Verstoßes würden die öffentlichen Belange, namentlich die gerichtliche Aufklärungspflicht und das öffentliche Strafverfolgungsinteresse vorgehen.
67
cc) Die Einwendungen der Revisionen gegen den Verlängerungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 greifen ebenfalls nicht durch. Soweit damit nicht die Beanstandungen gegenüber der Erstanordnung wiederholt werden, beschränken sich die Beschwerdeführer darauf, dass die durchgeführte Überwachung eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit , insbesondere wegen konkreter Anschlagsplanungen, nicht ergeben habe.
68
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, hat sich das Oberlandesgericht mit diesem Argument bereits eingehend auseinandergesetzt und anhand einer freibeweislichen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Verlängerung das weitere Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit nach eingehender Prüfung anhand konkreter Tatsachen gleichwohl bejaht. Rechtsfehler zeigen die Revisionen auch insoweit nicht auf. Hinweise auf eine Rechtswidrigkeit der Verlängerung der Wohnraumüberwachung , die zu einer Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen könnten, ergeben sich damit nicht.
69
d) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung seien insgesamt "wegen Verletzung des Schutzes des Kernbereichs der Persönlichkeit" unverwertbar. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
70
Im Ausgangspunkt zutreffend ist die Annahme, dass nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur solche Daten verwendet werden dürfen, die nicht unter ein Verwertungsverbot aus § 100 c StPO fallen (dazu oben 1. b). Die Vorschrift des § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO normiert ein Verwertungsverbot für Erkenntnisse aus Äußerungen, die dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Daraus ergibt sich indes kein umfassendes Verwertungsverbot für alle aus einer Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse, sondern nur für diejenigen, die durch eine Kernbereichsverletzung erzielt wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 29; Wolter aaO § 100 c Rdn. 71). Dass kernbereichsrelevante Gesprächsteile in dem Urteil gegen sie verwertet worden seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht. Dies ergibt sich auch nicht aus dem angefochtenen Urteil, das die verwerteten Passagen zitiert; diese lassen Kernbereichsverletzungen nicht erkennen.
71
aa) Nach der hier über § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO heranzuziehenden gesetzlichen Regelung in § 100 c StPO kommt eine Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme nur in Betracht, wenn gegen das Beweiserhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO verstoßen wurde (Nack aaO § 100 d Rdn. 28; Wolter aaO § 100 c Rdn. 73; vgl. auch BVerfGE 109, 279, 331). Ob ein solches Verwertungsverbot vorliegt, hat das erkennende Gericht zu prüfen, dessen Entscheidung wiederum der revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt (Nack aaO § 100 c Rdn. 41).
72
Das Erhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO (und des inhaltsgleichen § 29 Abs. 3 POG RhPf nF) knüpft an die Anordnung der Maßnahme an. Diese darf nur ergehen, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. Sie erfordert somit eine negative Kernbereichsprognose durch das anordnende Gericht, für die - wie bei anderen Prognoseentscheidungen auch - ein Beurteilungsspielraum besteht (Nack aaO § 100 c Rdn. 25). Ein Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen das Erhebungsverbot besteht demnach nur dann, wenn das Gericht diesen Beurteilungsspielraum klar erkennbar und damit rechtsfehlerhaft überschritten hat (Wolter aaO § 100 c Rdn. 73).
73
Eine in diesem Sinne rechtsfehlerhafte Anordnung der Wohnraumüberwachung zeigen die Beschwerdeführer weder auf, noch ist sie ersichtlich. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der Aufzählung von Gesprächen, hinsichtlich derer eine Kernbereichsrelevanz lediglich pauschal durch schlagwortartige Bezeichnungen ("Beten", "Heirat", "Tod des Vaters" etc.) behauptet wird. Das Oberlandesgericht hat zudem auch insoweit auf der Grundlage einer Rekonstruktion der tatsächlichen Verhältnisse zum Anordnungszeitpunkt das Vorliegen einer negativen Kernbereichsprognose geprüft und bejaht. Die Beschwerdeführer legen erneut nicht dar, dass diese Entscheidung Rechtsfehler enthält. Es haben sich auch nach revisionsrechtlicher Prüfung keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Sachlage anders als vom Oberlandesgericht angenommen dargestellt hat, so dass eine vertiefte freibeweisliche Prüfung (vgl. BGHSt 16, 164, 166 f.) nicht veranlasst war. Der Senat neigt ohnehin der Ansicht zu, dass in Abkehr von bisheriger Rechtsprechung tatsächliche Feststellungen , die der Tatrichter freibeweislich trifft, in der Revisionsinstanz ebenso wie seine Überzeugungsbildung auf strengbeweislicher Grundlage nur auf Rechtsfehler in der Beweiswürdigung zu überprüfen sind; dies bedarf hier aus den dargelegten Gründen aber keiner näheren Erörterung.
74
bb) Die Rüge wendet sich der Sache nach gegen den Vollzug der Maßnahme. Durch die unzureichenden Handlungsanweisungen des Polizeipräsidiums sei es zu einer Vielzahl von Kernbereichsverletzungen gekommen, so dass die Maßnahme insgesamt unzulässig gewesen sei. Auch insoweit hat die Verfahrensbeanstandung keinen Erfolg.
75
Im Ansatz ist allerdings zutreffend, dass das Bundesverfassungsgericht nicht allein auf die richterliche Anordnung abgestellt, sondern ein umfassendes Verwertungsverbot für den Fall als erforderlich angesehen hat, dass die Behörden in Überschreitung der Ermächtigung die Wohnraumüberwachung durchführen , obwohl eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass mit ihr absolut geschützte , dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnende Gespräche erfasst werden (BVerfGE 109, 279, 331). Dementsprechend ist auch das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass ein nicht am Kernbereichs- schutz ausgerichteter Vollzug zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse aus der gesamten Maßnahme führen könnte.
76
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer genügte die tatsächliche Durchführung der Wohnraumüberwachung jedoch grundsätzlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift: In technischer und personeller Hinsicht war ein möglichst schonender Maßnahmevollzug bereits dadurch gewährleistet, dass in jedem Einzelfall durch den diensthabenden Polizeibeamten unter Zuhilfenahme des stets anwesenden Dolmetschers entschieden wurde, ob die Aufzeichnung gestartet wurde und wie lange sie andauerte. Soweit die generellen Handlungsanweisungen nach Ansicht des Oberlandesgerichts rechtlich bedenklich waren, hat es die Erkenntnisse entweder nicht verwertet (Selbstgespräche des Angeklagten K. ) oder - im Hinblick auf die den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügende Handlungsanweisung, dass eine Abschaltung nur bei "wesentlicher" Verletzung des Kernbereichs über "zweifelsfrei längere Zeit" zu erfolgen habe - die Gespräche einer eingehenden Prüfung unterzogen, die eine Erfassung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte nicht ergab. Diese Handlungsanweisung galt entgegen der insoweit zumindest missverständlichen Darstellung der Beschwerdeführer ohnehin nur für den ersten Abschnitt der Maßnahme bis zum 4. November 2004. Ab diesem Zeitpunkt wurde sie durch eine den Kernbereichsschutz noch verstärkende Anordnung ersetzt. Eine bewusste oder planmäßige Überschreitung der Ermächtigung zur Wohnraumüberwachung durch die Polizeibehörden ergibt sich danach nicht. Diese waren vielmehr mit hohem personellem und technischem Aufwand bemüht, die verfassungsgerichtlichen Vorgaben umzusetzen.
77
Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, es sei ein zu enger Maßstab an den Kernbereich privater Lebensgestaltung angelegt worden, verschweigen sie in diesem Zusammenhang, dass sich das Oberlandesgericht bereits in der Hauptverhandlung auf den Vortrag einer Vielzahl von angeblichen Kernbereichsverletzungen damit auseinandergesetzt hat, dass die aufgenommenen Gebete in gefahrrelevante Gespräche über die Rechtfertigung von terroristischen Anschlägen oder die Verherrlichung des "Märtyrertods" eingebettet waren und deshalb nicht höchstpersönliche Gefühle oder Gedanken und damit den Kernbereich berührten. Auch die weiteren von den Revisionen schlagwortartig genannten Themen "Heirat" und "Familie" betrafen nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts Gespräche, die sich vorrangig auf die Erlangung eines gesicherten Aufenthaltsstatus in Europa bezogen oder im Zusammenhang mit dem geplanten Versicherungsbetrug standen, der wegen der dadurch möglichen finanziellen Versorgung der Familie eine Voraussetzung für den von dem Angeklagten Y. A. angestrebten "Märtyrertod" war. Die Beurteilung, dass mit der Aufzeichnung solcher Gespräche nicht in den Kernbereich eingegriffen wurde, ist - wie bereits vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt - rechtsfehlerfrei.
78
Nach alledem ist für einen den Kernbereichsschutz von vornherein außer Acht lassenden Maßnahmevollzug, der allein zur Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung führen könnte, nichts ersichtlich. Vielmehr verbleibt es - soweit es zu Kernbereichsverletzungen gekommen sein sollte - bei dem aus § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO resultierenden Verwertungsverbot in Bezug auf solche einzelnen Gespräche.
79
Angesichts dessen kann offen bleiben, ob der Vortrag der Revisionen zu einzelnen Kernbereichsverletzungen den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Da eine Verwertung der entsprechenden Gesprächspassagen nicht konkret behauptet wird und sich aus dem angefochtenen Urteil auch nicht ergibt, ist die Rüge insoweit jedenfalls unbegründet.
80
e) Auch soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus in Bezug auf die Gespräche, an denen die Angeklagten Y. und I. A. bzw. ihr Bruder A. A. beteiligt waren, ein Verwertungsverbot nach § 52 StPO bzw. gemäß § 100 c Abs. 6, § 52 StPO geltend machen, bleiben ihre Beanstandungen ohne Erfolg.
81
Rechtlich verfehlt ist die Auffassung der Revisionen, § 100 c Abs. 6 StPO komme jedenfalls für die aufgrund der präventiv-polizeilichen Ermächtigungsgrundlage des § 29 Abs. 1 POG RhPf aF gewonnenen Erkenntnisse nicht zur Anwendung, weil sich die Vorschrift nur auf strafprozessuale Wohnraumüberwachungsmaßnahmen beziehe. Wie bereits dargelegt (dazu 1. b) sind mit der Formulierung in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO, dass nur "verwertbare" Daten aus einer nach anderen Gesetzen durchgeführten Maßnahme im Strafverfahren verwendet werden dürfen, die Verwertungsverbote des § 100 c StPO angesprochen. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, der infolgedessen die Entscheidung, ob er von seinem Recht Gebrauch machen möchte, nicht mehr treffen kann, richtet sich die Verwertbarkeit daher stets nach der Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO. Dies folgt bei Erkenntnissen aus einer polizeilichen Maßnahme aus der Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO; bei solchen aus einer strafprozessualen Maßnahme gilt § 100 c Abs. 6 StPO entweder unmittelbar oder - wenn wie hier mit dem Angeklagten I. A. ein zunächst Unverdächtiger betroffen ist - über die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Für eine isolierte Anwen- dung des § 52 StPO ist daneben kein Raum (vgl. BGHSt 40, 211; BGH NStZ 1999, 416).
82
Danach gilt für die Angeklagten Y. und I. A. § 100 c Abs. 6 Satz 3 StPO mit der Folge, dass ihre im Rahmen der aufgezeichneten Gespräche abgegebenen Äußerungen unbeschränkt verwertbar sind (vgl. § 160 a Abs. 4 StPO). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kommt es für die Frage der Verwertbarkeit nicht darauf an, ob bereits im Zeitpunkt der Gesprächsaufzeichnungen ein Tatverdacht bezüglich einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 2 StPO gegen den Angeklagten I. A. bestand. Denn es handelt sich bei der verfassungskonformen Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO (vgl. BVerfG NJW 2007, 2753) um eine Verwertungsregelung , so dass allein auf den Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil abzustellen ist, in welchem angesichts der Anklageerhebung und des Eröffnungsbeschlusses des Oberlandesgerichts jedenfalls ein hinreichender Tatverdacht gegeben war, dass der Angeklagte I. A. sich der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht hatte. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn für Gespräche mit Zeugnisverweigerungsberechtigten ein Beweiserhebungsverbot gälte; ein solches hat indes auch das Bundesverfassungsgericht nicht gefordert (vgl. BVerfGE 109, 279, 331 ff.).
83
Der Verwertung steht auch die von den Beschwerdeführern zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unverwertbarkeit von Erkenntnissen aus beschlagnahmefreien Urkunden im Sinne des § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO (BGH NStZ 2001, 604, 606) nicht entgegen. Dort resultierte die Unverwertbarkeit der Erkenntnisse, die erst einen Tatverdacht hätten begründen können, aus dem Umstand, dass bereits die Beweiserhebung unzulässig war (BGH aaO). Die Regelungen des § 100 c Abs. 6 StPO haben indes lediglich ein Ver- wertungsverbot im Hinblick auf im Übrigen - so auch hier - zulässig erlangte Beweismittel zum Gegenstand.
84
Auch die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführer, die von dem Oberlandesgericht vorgenommene Abwägung zur Verwertung der Äußerungen des nicht tatverdächtigen Bruders der Angeklagten, A. A. , nach § 100 c Abs. 6 Satz 2 StPO sei rechtsfehlerhaft, greifen nicht durch. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts.
85
3. Die Beschwerdeführer rügen weiter die Verwertung der Erkenntnisse aus den auf strafprozessualer Grundlage ergangenen Anordnungen der Wohnraumüberwachung. Diese hätten nicht ergehen dürfen, weil sie sich auf unverwertbare Erkenntnisse aus der zuvor angeordneten Maßnahme nach § 29 POG RhPf aF gestützt hätten.
86
Da die Erkenntnisse aus der polizeilichen Wohnraumüberwachung indes verwendbar waren (vgl. oben 2. b) bb), konnten sie auch im Zeitpunkt der ersten strafprozessualen Anordnung zur Begründung des Tatverdachts verwendet werden (vgl. § 100 f Abs. 2 StPO aF).
87
Hinsichtlich der Verwertbarkeit der Erkenntnisse gelten die Ausführungen zu 1. d) und e) entsprechend, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
88
II. Rundumüberwachung
89
Die Beschwerdeführer rügen die Verwertung von Erkenntnissen aus weiteren geheimen Ermittlungsmaßnahmen und machen in diesem Zusammen- hang geltend, dass diese - kumulativ zu der angeordneten Wohnraumüberwachung - zu einer unzulässigen Rundumüberwachung geführt hätten, aus der sich wiederum die Unverwertbarkeit auch der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung ergebe.
90
Den Revisionsbegründungen sowie der Gegenerklärung des Generalbundesanwalts vom 15. Oktober 2008, der die Beschwerdeführer insoweit zugestimmt haben, lässt sich folgender Verfahrenssachverhalt entnehmen:
91
Die Wohnraumüberwachung dauerte - wie dargelegt - vom 24. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 und damit über einen Zeitraum von etwa fünf Monaten. Die Dauer der aufgezeichneten Gespräche betrug hingegen nur einen Bruchteil; sie machte im Verhältnis zur Gesamtdauer der Maßnahme lediglich 8,4 % aus. Die Zeiten, in denen die Polizeibehörden das gesprochene Wort in der Wohnung des Angeklagten K. nicht nur nicht aufzeichneten sondern auch nicht abhörten, sind nicht dokumentiert. Aus technischen Gründen war es nicht möglich, bei abgeschalteter Aufzeichnung auch das Mithören nachweisbar zu unterbrechen, was zunächst nur durch ein Abdrehen der Lautstärke, später auch durch ein Betätigen der "Stopp-Taste" an den eingesetzten Rekordern zu erreichen war.
92
Darüber hinaus wurden folgende Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt:
93
Vom 9. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 wurde auf Anordnung des Landgerichts (Beschluss vom 14. Juli 2004) beziehungsweise des Amtsgerichts M. (Beschluss vom 12. Oktober 2004) der Eingang des Hauses videoüberwacht , in dem sich die Wohnung des Angeklagten K. befand. Mit Beschluss vom 21. September 2004 genehmigte das Amtsgericht M. darüber hinaus die Videoüberwachung eines Telefonladens, den die Angeklagten K. und Y. A. gelegentlich aufsuchten. Die Maßnahme war auf die Dauer von zwei Monaten befristet. Für das Wochenende vom 22. bis 24. Oktober 2004 ordnete das Polizeipräsidium zudem die Anbringung eines GPSSenders an zwei von dem Angeklagten Y. A. genutzten Fahrzeugen an. Diese Maßnahmen beruhten auf polizeirechtlicher Grundlage (§ 28 POG RhPf).
94
Am 8. November 2004 ordnete der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof auf Antrag des Generalbundesanwalts die Herausgabe der Verbindungsdaten von insgesamt sechs am 9. Oktober 2004 aus fünf verschiedenen öffentlichen Telefonzellen in Mü. geführten Gesprächen an. Der Generalbundesanwalt verfügte am 10. November 2004 die Anordnung einer planmäßig angelegten Beobachtung des Angeklagten Y. A. für die Dauer von einem Monat. Mit Beschluss des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 9. Dezember 2004 wurde diese Observation um drei Monate verlängert ; sie dauerte bis zur vorläufigen Festnahme des Angeklagten fort. Mit Beschlüssen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 12. November 2004 wurde sodann die Telefonüberwachung der von den Angeklagten K. und Y. A. genutzten Mobiltelefone, die Beschlagnahme aller an sie gerichteten Postsendungen und die langfristige Observation des Angeklagten K. angeordnet. Diese Maßnahmen dauerten jeweils bis zur vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. an. Mit Beschlüssen vom 12. November 2004 wurde bezüglich dieser beiden Angeklagten auch der Einsatz eines sogenannten IMSI-Catchers verfügt, zu dem es im Ermittlungsverfahren indes nicht kam.
95
Die Beschwerdeführer haben in der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht der Verwertung der Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnah- men widersprochen, mit Ausnahme der Erkenntnisse aus der GPSÜberwachung , der Videoüberwachung des Telefonladens und der Observation des Angeklagten Y. A. . In diesen Widersprüchen haben sie nicht geltend gemacht, dass es sich wegen der Kumulation der Maßnahmen um eine unzulässige Rundumüberwachung gehandelt habe.
96
1. Soweit die Beschwerdeführer meinen, die Erkenntnisse aus den strafprozessualen Maßnahmen hätten nicht verwertet werden dürfen, weil deren Anordnung auf den unverwertbaren Erkenntnissen aus der Wohnraumüberwachung beruhe, ist die Rüge unbegründet. Wie dargelegt konnten die aus der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 POG RhPf aF resultierenden Gesprächsaufzeichnungen im Zeitpunkt der Anordnung der strafprozessualen Maßnahmen gemäß § 100 f Abs. 2 StPO aF verwendet werden (dazu oben I. 3.).
97
2. Die Rüge, es habe eine unzulässige Rundumüberwachung vorgelegen , ist ungeachtet der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Bedenken gegen ihre Zulässigkeit jedenfalls unbegründet.
98
Es ist vorliegend durch die zeitgleiche Durchführung mehrerer Überwachungsmaßnahmen nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen, zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung (vgl. BVerfGE 65, 1, 42 f.; 109, 279, 323) gekommen. Bezüglich des Angeklagten I. A. liegt dies bereits deshalb auf der Hand, weil gegen ihn keinerlei Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden sind. Er war von solchen nur reflexartig betroffen, etwa wenn er sich in der überwachten Wohnung des Angeklagten K. aufhielt. In den Zeiträumen, in denen er keinen Kontakt zu den Angeklagten K. und Y. A. hatte, fand eine Überwachung seiner Person nicht statt.
99
Aber auch gegenüber den Angeklagten K. und Y. A. liegt eine derart intensive Überwachung, die im Hinblick auf den daraus resultierenden sog. additiven Grundrechtseingriff (vgl. BVerfGE 112, 304, 320) Bedenken an ihrer verfassungsmäßigen Rechtmäßigkeit aufkommen lassen könnte, nicht vor.
100
Die Wohnraumüberwachung wurde zwar über einen längeren Zeitraum durchgeführt und war engmaschig strukturiert. Dies war indes - wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat - zunächst im Hinblick auf die komplexe präventiv-polizeiliche Gefahrenlage und im weiteren Verlauf zur Aufklärung der Vereinigungsdelikte nach §§ 129 a, 129 b StGB, dabei insbesondere zur Aufdeckung von Planungs- und Verbindungsstrukturen erforderlich. Bei der konkreten Durchführung der Wohnraumüberwachung achteten die durchführenden Beamten zudem auf einen möglichst schonenden Maßnahmevollzug (dazu oben I. 2. d), was sich nicht zuletzt auch an der im Verhältnis zum Zeitraum der Gesamtmaßnahme geringen Dauer der Gesprächsaufzeichnungen zeigt. Dass die Überwachung in Form jedenfalls des Mithörens über die gesamten Monate "rund um die Uhr" erfolgt sei, ist eine nicht belegte Mutmaßung der Revisionen. Aus den vom Oberlandesgericht erlangten Erkenntnissen über die Durchführung der Maßnahme ergibt sich vielmehr, dass der diensthabende Beamte bei der Wahrnehmung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte die "Stopp-Taste" zu drücken hatte - mithin auch das Mithören beendete - und nur bei veränderter Personenkonstellation in der Wohnung durch gelegentliches "Hereinhören" überprüfte, ob die Gespräche sich verfahrensrelevanten, nicht dem Kernbereich zugehörenden Materien zuwandten. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere der Videoüberwachung des Hauseingangs keine die Eingriffsintensität steigernde Wirkung zu. Sie diente im Gegenteil vorrangig dazu , den in der Wohnung verkehrenden Personenkreis zu überprüfen. Dadurch wurde überhaupt erst eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf mögliche Kernbereichsverletzungen ermöglicht, und es konnte so im Ergebnis die Intensität der - wesentlich grundrechtsrelevanteren - Abhörmaßnahme verringert werden.
101
Die daneben auf polizeirechtlicher Grundlage angeordnete Überwachung eines Telefonladens dauerte entgegen dem von den Beschwerdeführern erweckten Eindruck nicht die gesamte Zeit an, sie lief vielmehr aus, als im November 2004 mehrere Maßnahmen auf strafprozessualer Basis angeordnet wurden. Die Überwachung von Fahrzeugen des Angeklagten Y. A. mittels eines GPS-Senders dauerte nur drei Tage und war im Zeitpunkt der strafprozessualen Maßnahmen bereits beendet. Auch insoweit kann also keine Rede von einer Rundumüberwachung sein.
102
Im Ergebnis traten zu der Wohnraumüberwachung also kumulativ die im Wesentlichen durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordneten Maßnahmen der Telefonüberwachung von zwei Mobilfunkanschlüssen der Angeklagten K. und Y. A. , ihre längerfristige Observation und die Beschlagnahme der an sie gerichteten Postsendungen hinzu. Auch bei einer Gesamtschau dieser Überwachungsmaßnahmen ergibt sich eine unzulässige Rundumüberwachung, mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Betroffenen erstellt werden könnte, nicht. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bei einer Bündelung mehrerer heimlicher Überwachungsmaßnahmen durch die vorhandenen verfahrensrechtlichen Sicherungen, an die mit Rücksicht auf das der Kumulation der Grundrechtseingriffe innewohnende Gefährdungspotential allerdings besondere Anforderungen zu stellen sind, grundsätzlich ausgeschlossen (BVerfGE 112, 304, 319 f.; aA Puschke, Die kumulative Anordnung von Informationsbeschaffungs- maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung S. 79 ff., der eine kumulative Überwachung als andersartigen Eingriff begreift, für den es einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage bedürfe).
103
Die genannten verfahrensrechtlichen Sicherungen bestehen namentlich in dem Richtervorbehalt, aber auch in Eingriffsschwellen, die besonders schwerwiegend beeinträchtigende Überwachungsmaßnahmen vom Vorliegen besonders schwerer Straftaten oder bestimmten qualifizierten Verdachtsgraden abhängig machen, sowie in sog. Subsidiaritätsklauseln, die den Eingriff nur dann erlauben, wenn anderweitig die Aufklärung erheblich erschwert würde. Sie stellen letztlich Ausprägungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar. Bei der gleichwohl noch erforderlichen Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne beurteilt sich die Frage der Zulässigkeit einer Überwachungsmaßnahme auch danach, ob gegebenenfalls mehrere, in die Grundrechte des Betroffenen eingreifende Maßnahmen durchgeführt werden (vgl. BVerfGE aaO S. 321; BGHSt 46, 266, 277). Die besonderen vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Anforderungen an das Verfahren sind - soweit vorliegend maßgeblich - erfüllt, wenn sichergestellt ist, dass die für die Beantragung oder Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen primär zuständige Staatsanwaltschaft über alle den Grundrechtsträger betreffenden Ermittlungseingriffe informiert ist (vgl. BVerfGE aaO S. 320).
104
So verhält es sich hier. Der Generalbundesanwalt war - ebenso wie der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof - über sämtliche Überwachungsmaßnahmen informiert. Dies gilt auch für die - nicht vom Ermittlungsrichter angeordnete - Wohnraumüberwachung und die sie begleitende Videoüberwachung des Hauseingangs. In sämtlichen Anordnungsbeschlüssen wurde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insbesondere dadurch Genüge getan, dass der Richtervorbehalt gewahrt blieb, die an die Schwere der Straftat anknüpfenden Eingriffsvoraussetzungen sowie die Subsidiaritätsklauseln in den die Maßnahmen rechtfertigenden Vorschriften (§ 100 a Satz 1, § 100 c Abs. 1 Satz 1, § 163 f Abs. 2 Satz 1 StPO aF) beachtet wurden. Dass die Entscheidungen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof oder des Landgerichts Ka. insoweit rechtsfehlerhaft gewesen seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht; dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Anordnung der Ermittlungsmaßnahmen stand auch darüber hinaus zur Schwere des Tatvorwurfs und zum Grad des sich aus den vorangegangenen Ermittlungen ergebenden Verdachts nicht außer Verhältnis. Dies belegen neben den in diesem Verfahren ausgeurteilten Taten insbesondere die im November 2004 gewonnenen Verdachtsmomente , nach denen sich der Angeklagte K. zu dieser Zeit zumindest mit der Vermittlung von 48 Gramm hochangereichertem Uran befasste, das - wie er den Angeklagten Y. und I. A. in einem Gespräch erläuterte - für den Bau einer Bombe verwendet werden konnte.
105
Soweit die Beschwerdeführer schließlich zum Beleg ihrer Gegenauffassung eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zitieren (JZ 2000, 993, 994), befasst sich diese mit einem Fall der sog. Rundumüberwachung nicht.
106
III. Weitere Verfahrensrügen
107
Daneben rügen die Revisionen die Verfahrensweise, in der das Oberlandesgericht 141 der überwachten und aufgezeichneten Wohnraumgespräche in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Das angeordnete Selbstleseverfahren beschränke die Öffentlichkeit unzulässig und verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Beanstandet wird weiterhin, das Oberlandesgericht habe die Inhalte der Wohnraumüberwachung im Urteil lückenhaft und selektiv darge- stellt und insoweit den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht erschöpfend seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt. Gerügt wird ferner die Ablehnung einer Reihe von Beweisanträgen, mit denen die Ladung und Vernehmung syrischer Zeugen beantragt worden war. Die Zeugen - neben Bekannten des Angeklagten K. auch dessen Eltern, Schwester und Bruder - waren im Wesentlichen dazu benannt, den Aufenthalt des Angeklagten K. in seinem Heimatort D. in Syrien in der Zeit von Mitte Oktober 2001 bis Ende April/Anfang Mai 2002 zu bestätigen und so dessen durch die Wohnraumüberwachung ermittelte Darstellung zu erschüttern, er habe sich in diesem Zeitraum als Kämpfer der Al Qaida in Pakistan und Afghanistan aufgehalten. Das Oberlandesgericht hat die Vernehmung der Zeugen unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht für erforderlich gehalten und deshalb diese Anträge jeweils nach § 244 Abs. 5 StPO abgelehnt. In gleicher Weise ist das Gericht mit Anträgen verfahren, in denen die Zeugenvernehmung des in US-Gewahrsam im Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba befindlichen Ramzi Binalshibh sowie die des ebenfalls in amerikanischem Gewahrsam befindlichen Zayn Husayn alias "Abu Zubaydah" begehrt worden war.
108
Diese Rügen bleiben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen sämtlich ohne Erfolg.

109
C. Die Sachrügen
110
I. Beweiswürdigung
111
Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts hält den Maßstäben revisionsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. BGH NJW 2005, 2322, 2326) stand. Die Rechtsmittel zeigen auch mit ihren Einzelausführungen insoweit keinen Rechtsfehler auf, sondern legen - teilweise unter Mitteilung aus dem Urteil nicht ersichtlicher Tatsachen - allein ihre eigene Beweiswürdigung dar.
112
II. § 129 b StGB
113
1. Revision des Angeklagten K.
114
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten K. rechtsfehlerfrei wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) verurteilt.
115
a) Die Wertung des Oberlandesgerichts, die Organisation Al Qaida sei als ausländische terroristische Vereinigung im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen, hält auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand.
116
aa) Als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist nach bisher in der Rechtsprechung gebräuchlicher Definition der auf eine gewisse Dauer angelegte , freiwillige organisatorische Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147; 31, 202, 204 f.; 31, 239 f.; 45, 26, 35; BGH NJW 2005, 1668; 2006, 1603; BGHR StGB § 129 Vereinigung 3 m. w. N.). Diese Kriterien liegen nach den Feststellungen für die Al Qaida im Tatzeitraum insbesondere auch mit Blick auf die erforderliche Struktur und Art der Willensbildung der Organisation vor. Hierzu gilt:
117
(1) Für eine Vereinigung in diesem Sinne konstitutiv ist das Bestehen eines Mindestmaßes an fester Organisation mit einer gegenseitigen Verpflichtung der Mitglieder (BGHSt 31, 202, 205; BGH NStZ 1982, 68). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts lagen diese Voraussetzungen für die Zeit bis Herbst 2001 zweifelsfrei vor; denn die Al Qaida war durch eine gefestigte Organisation geprägt, in deren Rahmen die Mitglieder mit verteilten Rollen und im Wege einer koordinierten Aufgabenverteilung zu einem gemeinsamen Zweck zusammenwirkten. Die strukturellen Voraussetzungen einer Vereinigung sind jedoch auch für den Tatzeitraum zu bejahen. Die Feststellungen belegen, dass der seit Herbst 2001 anhaltende Verfolgungsdruck weder auf der Führungsebene noch in den nachgeordneten Bereichen zu einer Zerschlagung der Organisation , sondern lediglich zu einer entsprechenden Anpassung der Strukturen geführt und die hierarchisch gegliederte Kernorganisation der Al Qaida in kommunikativer und operativer Hinsicht einen bedeutenden Rest an Handlungsfähigkeit bewahrt hat, der den erneuten Aufbau festerer Strukturen erlaubt und hierauf auch angelegt ist. Eine solche - möglicherweise nur vorübergehende und taktisch bedingte - Lockerung der Organisationsstruktur führt indes nicht dazu, dass die Gruppierung für diese Phase ihrer Existenz die Eigenschaft als Vereinigung verliert. Insoweit gilt Ähnliches wie für das Fortbestehen der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, das grundsätzlich auch für solche (Zwischen-)Phasen in Betracht kommt, in denen das Mitglied - gegebenenfalls bedingt durch die äußeren Umstände - keine aktiven Tätigkeiten entfaltet (vgl. BGHSt 29, 288, 294; 46, 349, 355 ff.). Hier kommt hinzu, dass nach wie vor ein nach Art, Inhalt und Intensität enges Beziehungsgeflecht der Mitglieder bestand , das auch in der Zeit nach Herbst 2001 die Planung und Ausführung zentral gesteuerter Attentate ermöglichte.
118
(2) Voraussetzung für eine Vereinigung ist daneben die subjektive Einbindung der Beteiligten in die Ziele der Organisation und in deren Willensbildung unter Zurückstellung individueller Einzelmeinungen. Dabei ist die Art und Weise der Willensbildung gleichgültig, solange sie ihrerseits von dem Willen der Mitglieder der Vereinigung getragen wird. Die für alle Mitglieder verbindlichen Regeln über die Willensbildung können etwa dem Demokratieprinzip entsprechen oder auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut sein (BGHSt 31, 239, 240; 45, 26, 35). Die Annahme einer Vereinigung scheidet indes aus, wenn die Mitglieder einer Gruppierung sich nur jeweils für sich der autoritären Führung einer Person unterwerfen, ohne dass diese vom Gruppenwillen abgeleitet wird (BGH NJW 1992, 1518; StV 1999, 424, 425).
119
Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist auch dieses voluntative Element der Vereinigung hinreichend belegt. Nach der ursprünglichen Struktur der Al Qaida in Afghanistan stand an der Spitze der Organisation ein Führungskreis , dem Usama Bin Laden, Aiman Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter verschiedener "Fachausschüsse" angehörten. Die Willensbildung war demnach hierarchisch strukturiert, ohne dass sich allerdings die Mitglieder der Organisation einseitig einer nicht vom Gruppenwillen getragenen Führungsperson unterwarfen. Im Tatzeitraum teilten die Mitglieder der Al Qaida weiterhin die gemeinsame politisch-ideologische Grundhaltung des gewaltbereiten extremistischen Islamismus. Die Gruppierung verfügte nach wie vor mit dem "Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" bis zur Zerstörung der USA und ihrer Verbündeten über eine über den bloßen Zweckzusammenhang der Vereinigung hinausreichende , von allen Mitgliedern getragene Zielsetzung. Der fortwährende, vom Willen der Mitglieder der Al Qaida getragene Führungsanspruch von Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri wird etwa durch deren per Internet oder Massenmedien veröffentlichte Video- und Audiobotschaften manifestiert.
120
bb) Der Senat ist aus diesen Gründen nicht gehalten zu entscheiden, ob dem Oberlandesgericht darin zugestimmt werden kann, dass im Hinblick auf die Gemeinsame Maßnahme des Rates der Europäischen Union vom 21. Dezember 1998 (ABl. EG 1998 Nr. L 351 S. 1) und den Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. EG 2002 Nr. L 164 S. 3) der bisher gebräuchliche Vereinigungsbegriff zu modifizieren ist und die Anforderungen insbesondere an die organisatorischen und voluntativen Voraussetzungen herabzusetzen sind. In der Literatur wird eine derartige "europarechtsfreundliche" Interpretation des Vereinigungsbegriffs teilweise vertreten (Krauß in LK 12. Aufl. § 129 a Rdn. 26; Kress JA 2005, 220, 223 ff.; v. Heintschel-Heinegg in FS für Schroeder S. 799; krit. Rudolphi/Stein in SKStGB § 129 Rdn. 6 b). Auch der Senat hat eine derartige Neubestimmung zunächst grundsätzlich in den Blick genommen, ohne sich indes im Einzelnen hierzu zu verhalten (BGH NJW 2006, 1603); zuletzt hat er jedoch insbesondere für die kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB vor dem Hintergrund des abgestuften Systems der Strafbarkeit von Tatvollendung, Versuch und Vorbereitungshandlung , der erforderlichen Abgrenzbarkeit der Vereinigung von einer Bande oder nur mittäterschaftlichen Zusammenschlüssen sowie der prozessualen Folgewirkungen Bedenken geäußert (BGHR StGB § 129 Vereinigung 3). Diese Vorbehalte gegen eine erweiternde Auslegung des Vereinigungsbegriffs werden bei Berücksichtigung des Strafzwecks der Vereinigungsdelikte noch verstärkt: Die §§ 129 ff. StGB sollen die erhöhte kriminelle Intensität erfassen, die in der Gründung oder Fortführung einer fest gefügten, auf die Begehung von Straftaten angelegten Organisation ihren Ausdruck findet und die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte Gefährlichkeit in sich birgt. Diese Eigendynamik führt typischerweise dazu, dass dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten erleichtert und bei ihm das Gefühl der persönlichen Verantwortlichkeit zurückgedrängt wird. Der Strafgrund der in diesem Sinne verstandenen spezifischen vereinigungsbezogenen Gefährlichkeit der Organisation geriete jedoch aus dem Blick, wenn Abstriche an den bisherigen Voraussetzungen hinsichtlich der Struktur der Vereinigung sowie der Willensbildung und -unterordnung ihrer Mitglieder zugelassen würden; denn nur eine ausreichend enge Verbindung der Mitglieder sowie ein entsprechender Gruppenwille schaffen die spezifischen Gefahren einer für die Vereinigung typischen, vom Willen des Einzelnen losgelösten Eigendynamik. All diese Gesichtspunkte sind gleichermaßen bei der Auslegung des Begriffs der terroristischen Vereinigung nach §§ 129 a, 129 b StGB von Bedeutung; im Übrigen spricht auch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit dagegen, ein wortgleiches Tatbestandsmerkmal in einem Qualifikationstatbestand anders auszulegen als in der Grundnorm (aA Krauß aaO § 129 a Rdn. 26 aE).
121
Der Senat hält deshalb an seinen Bedenken gegen die vom Oberlandesgericht vorgenommene Begriffsbestimmung fest. Er ist entgegen der Auffassung der Revision allerdings nicht gehindert, auf der Basis der Feststellungen des Oberlandesgerichts eine von dessen Rechtsansicht abweichende Auffassung zu vertreten und seiner rechtlichen Bewertung den herkömmlichen Vereinigungsbegriff zugrunde zu legen.
122
b) Der Angeklagte K. hat sich an der Al Qaida als Mitglied beteiligt.
123
Die mitgliedschaftliche Beteiligung erfordert, dass der Täter sich unter Eingliederung in die Organisation deren Willen unterordnet und eine Tätigkeit zur Förderung der Ziele der Organisation entfaltet. Notwendig ist eine auf Dauer oder zumindest längere Zeit angelegte Teilnahme am "Verbandsleben" (BGHSt 18, 296, 299 f.; BGH NStZ 1993, 37, 38).
124
Nach den Feststellungen schloss der Angeklagte K. sich der Al Qaida während eines Aufenthalts in einem von dieser betriebenem Ausbildungslager in Afghanistan an. Er begab sich aufgrund des Verfolgungsdrucks nach dem Herbst 2001 absprachegemäß zurück nach Deutschland und nahm hier Rekrutierungs - und Beschaffungsmaßnahmen für die Vereinigung vor. Dass das Oberlandesgericht während dieser Zeit keinen Kontakt des Angeklagten zur Führungsebene der Al Qaida festgestellt hat, steht vor dem Hintergrund dieser gewichtigen, fortdauernden, im Einverständnis mit der Führungsebene entfalteten und auf eine aktive Beteiligung an der Organisation gerichteten Tätigkeiten der Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht entgegen (vgl. BGHSt 46, 349, 356 f.). Hinzu kommt, dass der Aufenthalt des Angeklagten in Deutschland nicht auf Dauer angelegt war. Vielmehr wollte er sich zurück in ein "Jihadland" begeben und sich dort erneut den kämpfenden Verbänden der Al Qaida anschließen. Aus alldem ergibt sich, dass die Mitgliedschaft des Angeklagten in der Al Qaida zu keinem Zeitpunkt beendet war; vielmehr bestand sie während des Tatzeitraums unvermindert fort. Die Leistung des Treueids auf Usama Bin Laden durch den Angeklagten war entgegen dem Vorbringen der Revision zum Erwerb der Mitgliedschaft nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht konstitutiv.
125
2. Revision des Angeklagten Y. A.
126
a) Für den Angeklagten Y. A. belegen die Feststellungen des Urteils dagegen nicht, dass dieser sich an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida als Mitglied beteiligt hat; denn es fehlt an einer ausreichenden, von einem übereinstimmenden Willen der Organisation und des Angeklagten getragenen Eingliederung in die Vereinigung.
127
Das Oberlandesgericht hat im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung die mitgliedschaftliche Beteiligung dieses Angeklagten an Al Qaida zum einen daran angeknüpft, dass er sich mit hohem Zeitaufwand und als Hauptakteur der Umsetzung der Versicherungsbetrügereien gewidmet habe. Zum anderen habe er finanzielle Mittel beschaffen wollen, die seine eigene Teilnahme und diejenige des Angeklagten K. am bewaffneten Jihad auf Seiten der Al Qaida ermöglichen sollten. Damit hat das Oberlandesgericht bei seiner Beurteilung wesentliche Kriterien, die für die Mitgliedschaft in einer Vereinigung maßgeblich sind, außer Acht gelassen. Im Einzelnen:
128
Die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, bedarf regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem Ort befunden hat, an dem Vereinigungsstrukturen bestehen, und seine Verbindung zu der Vereinigung ausschließlich in dem Kontakt zu einem in Deutschland befindlichen Mitglied der Organisation besteht. Denn die Beteiligung als Mitglied setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Die Begehungsform der mitgliedschaftlichen Beteiligung kommt im Unterschied zu den Tathandlungen des Werbens für die oder des Unterstützens der Vereinigung nur in Betracht , wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert (Krauß aaO § 129 Rdn. 110). Zwar ist hierfür eine organisierte Teilnahme am Leben der Vereinigung nicht erforderlich, weshalb es etwa einer förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft mit etwa listenmäßiger Erfassung, Zahlung von Mitgliedsbeiträgen oder gar Ausstellung eines Mitgliedsausweises nicht bedarf (BGHSt 18, 296, 299 f.; 29, 114, 121; Rebmann NStZ 1989, 97, 100 Fn. 27). Notwendig ist allerdings, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied (BGHSt 18, 296, 300; 29, 114, 123; BGH NStZ 1993, 37, 38; Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 129 Rdn. 13). Auch ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern (Krauß aaO § 129 Rdn. 105). Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH NStZ 1993, 37, 38).
129
Danach liegen die Voraussetzungen für eine Beteiligung des Angeklagten Y. A. als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida nicht vor. Der Angeklagte war nicht in der erforderlichen Weise in die Organisationsstrukturen der Al Qaida eingebunden. Er war zu keinem Zeitpunkt etwa in Afghanistan, Pakistan oder dem Irak und hatte keine Verbindung zu den Führungspersonen oder den sich dort aufhaltenden Mitgliedern der Organisation. Es ist nicht festgestellt, dass außer seiner einzigen Kontaktperson , dem sich mit ihm in Deutschland befindenden Angeklagten K. , irgendein sonstiges Mitglied der Al Qaida überhaupt Kenntnis von ihm hatte. Unter diesen Umständen kann bereits von einer mit einer Teilnahme am Verbandsleben verbundenen Stellung des Angeklagten Y. A.
innerhalb der Vereinigung, wie sie für eine Beteiligung als Mitglied konstitutiv ist, keine Rede sein.
130
Eine willentliche Übereinstimmung zwischen der Vereinigung und dem Angeklagten bezüglich seiner Einbindung in die Organisation ist aus den dargelegten Gründen ebenfalls nicht feststellbar. Die Mitgliedschaft des Angeklagten lässt sich insoweit auch nicht mit der festgestellten Übung der Al Qaida begründen , im Tatzeitraum Mitglieder u. a. in europäische Länder mit dem Auftrag zu senden, dort für die Vereinigung rekrutierend tätig zu werden und den zuvor zum Erwerb der Mitgliedschaft üblichen Treueid auf Usama Bin Laden durch eine einseitige Erklärung der Loyalität durch die rekrutierte Person sowie deren Tätigkeit für die Organisation zu ersetzen. Die auf diese Weise angeworbenen Anhänger mögen zwar durch ihr - wie auch immer im Einzelfall geartetes - Eintreten für die Ziele der Al Qaida dieser als Unterstützer im untechnischen Sinne nützlich und willkommen sein; sie sind indes nicht ohne Weiteres, sondern nur dann als Mitglieder der Organisation im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen , wenn die oben dargelegten Voraussetzungen gegeben sind. Der Angeklagte konnte deshalb nicht allein dadurch zum Mitglied der Al Qaida werden, dass er einen besonderen Einsatz zeigte sowie seinen Willen zu einer dauerhaften Beteiligung an der Organisation durch den Wunsch manifestierte, nach Erlangung der zur Versorgung seiner Familie erforderlichen wirtschaftlichen Mittel am Jihad im Irak teilzunehmen, selbst wenn dies das Einverständnis seiner einzigen Kontaktperson der Al Qaida, des Angeklagten K. , fand.
131
Ob dies möglicherweise anders zu beurteilen wäre, wenn der Angeklagte K. von der Al Qaida den Auftrag und gleichsam die Vollmacht erhalten hätte , allein und ohne Rücksprache mit der Organisation neue Mitglieder im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in die Vereinigung aufzunehmen, hat der Senat nicht zu entscheiden. Denn weder ein derartiger Auftrag durch die Al Qaida noch eine solch weitgehende Befugnis des Angeklagten K. ist durch die Feststellungen belegt. Der Senat kann den - freilich nicht an allen Stellen vollständig übereinstimmenden - Feststellungen im Ergebnis lediglich entnehmen, dass K. sich nach Deutschland begab, um hier für die Al Qaida "autonom terroristische Operationen zu planen und hierfür geeignetes Personal heranzuziehen" (UA S. 22) bzw. "zu arbeiten" (UA S. 27, 221). Aus diesen Formulierungen kann die spezielle Beauftragung zur Rekrutierung und Aufnahme echter Vereinigungsmitglieder nicht abgeleitet werden. Zudem lassen die Feststellungen zur Stellung des Angeklagten K. innerhalb der Al Qaida lediglich erkennen, dass er in der Hierarchie noch unterhalb der "Emire" stand. Hieraus ist zu schließen, dass es sich bei ihm trotz seiner persönlichen Bekanntschaft mit Usama Bin Laden lediglich um ein gewöhnliches Mitglied der Organisation handelte, das nicht in herausgehobener Position tätig war. Die Annahme, dass ein derartiges "normales" Mitglied die weitreichende Befugnis hatte, aufgrund eigener Entscheidung neue Mitglieder in die Organisation aufzunehmen, wird von den Feststellungen auch bei Berücksichtigung von deren Gesamtzusammenhang nicht getragen. Diese belegen vielmehr lediglich, dass der Angeklagte K. vorgab, die Möglichkeit zu haben, Interessenten durch die Abgabe einer Empfehlung den Zugang zu einer kämpfenden Organisation an einem "Jihadschauplatz" im Ausland zu erleichtern (UA S. 42, 294).
132
Gegen eine darüber hinausgehende Bevollmächtigung des Angeklagten K. spricht im Übrigen auch der Vergleich zur festgestellten Praxis der Gewinnung von Vereinigungsmitgliedern in der Zeit vor Herbst 2001. Damals reichte noch nicht einmal das Durchlaufen einer "normalen" Ausbildung in einem Lager in Afghanistan aus. Die Mitglieder der Al Qaida wurden vielmehr unter denjenigen Personen ausgesucht, die sich als besonders qualifiziert erwiesen und deshalb eine Spezialausbildung erhalten hatten. Hieraus folgt, dass die Al Qaida ihrerseits an die "Kandidaten" gewisse Anforderungen stellte, die diese erfüllen mussten, um Mitglied der Vereinigung werden zu können. Nach den Feststellungen ist nicht zu erkennen, dass diese Anforderungen aufgegeben wurden, als aufgrund des Verfolgungsdrucks eine "Reorganisation durch Dezentralisierung" erfolgte. In dieser Phase sollten zwar u. a. in Europa neue Kämpfer für den Jihad angeworben werden; es ist jedoch nichts dafür ersichtlich , dass die Al Qaida zu dieser Zeit jeden in einem europäischen Land befindlichen Interessenten ohne weitere Überprüfung wahllos als Mitglied im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in ihre Organisation aufnehmen wollte.
133
b) Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte Y. A. allerdings wegen Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB).
134
Nach ständiger Rechtsprechung unterstützt eine terroristische Vereinigung , wer, ohne selbst Mitglied der Organisation zu sein, deren Tätigkeit und terroristische Bestrebungen direkt oder über eines ihrer Mitglieder fördert. Dabei kann sich die Förderung richten auf die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt, auf die Erleichterung einzelner von ihr geplanter Straftaten, aber auch allgemein auf die Erhöhung ihrer Aktionsmöglichkeiten oder die Stärkung ihrer kriminellen Zielsetzung. Nicht erforderlich ist, dass der Organisation durch die Tathandlung ein messbarer Nutzen entsteht. Vielmehr genügt es, wenn die Förderungshandlung an sich wirksam ist und der Organisation irgendeinen Vorteil bringt; ob dieser Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ih rer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (BGHSt 51, 345, 348 f.).
135
Ein tatbestandliches Unterstützen liegt demgegenüber nicht vor, wenn die Handlung der Vereinigung von vornherein nicht nützlich war und sein konnte (vgl. BGH bei Schmidt MDR 1981, 91; Krauß aaO § 129 Rdn. 133). Es scheidet darüber hinaus auch dann aus, wenn die unterstützende Handlung sich der Sache nach als Werben für die Vereinigung darstellt. Wirbt der Täter um Mitglieder oder Unterstützer der terroristischen Vereinigung, kommt seine Strafbarkeit - nur - nach § 129 a Abs. 5 Satz 2 StGB in Betracht; wirbt er lediglich für die Ideologie oder Ziele der Vereinigung, bleibt er grundsätzlich straflos (BGHSt 51, 345). Die hieraus folgende Privilegierung des Werbens für eine Vereinigung ist durch die entsprechende Änderung der §§ 129, 129 a StGB durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002 (BGBl I 3390) sowie das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) bedingt und auf diese Tathandlung beschränkt ; sie führt insbesondere nicht dazu, dass für die sonstigen Erscheinungsformen möglicher Unterstützungshandlungen vergleichbare Einschränkungen gelten etwa mit der Folge, dass die Anforderungen an den notwendigen Vorteil der Unterstützungshandlung für die Vereinigung generell zu erhöhen wären.
136
Nach alldem ist als tatbestandliche Unterstützung jedes Tätigwerden anzusehen , das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung unmittelbar fördert, die Realisierung der von der Vereinigung geplanten Straftaten - wenn auch nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung der Vereinigung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr wesenseigene Gefährlichkeit festigt (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 139; Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB § 129 Rdn. 83), solange diese Tätigkeit sich nicht als Werben für eine Vereinigung darstellt. Aufgrund des aus der besonderen Tatbestandsstruktur der Vereinigungsdelikte folgenden Verhältnisses der einzelnen Tathandlungen zueinander umfasst das Unterstützen einer Vereinigung daher auch Sachverhaltsgestaltungen , die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären (BGHSt 51, 345, 350 f.). Da als Effekt des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt , regelmäßig bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Vereinigung zu sehen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Täter ein Mitglied der Vereinigung bei der Erfüllung einer Aufgabe unterstützt, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist. Denn die Mitwirkung an der Erfüllung eines Auftrags, den die Vereinigung selbst einem Mitglied erteilt hat, erweist sich nicht nur allein für das betroffene Mitglied als im hier relevanten Sinne vorteilhaft; der ausreichende , nicht notwendigerweise spezifizierte Nutzen wirkt sich in einem solchen Fall vielmehr auch auf die Organisation als solche in vergleichbarer Weise aus wie in den Fällen, in denen die Mitglieder in ihrem Entschluss gestärkt werden, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (BGHSt 32, 243, 244). Eines noch weiter gehenden Vorteils für die Vereinigung bedarf es deshalb in diesen Fallgestaltungen nicht.
137
In derartigen Fällen wird die gleichzeitig verwirklichte Beihilfe des Täters zur mitgliedschaftlichen Beteiligung des Dritten an der Vereinigung durch das täterschaftliche Unterstützen der Vereinigung verdrängt. Ob daneben Fallge- staltungen denkbar sind, in denen sich die Tathandlung lediglich als Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, nicht aber als Unterstützen der Vereinigung darstellt, kann hier offen bleiben.
138
Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte Y. A. die terroristische Vereinigung Al Qaida unterstützt. Der Angeklagte hat sich in maßgebender Funktion an den Versicherungsbetrügereien beteiligt, die u. a. dazu dienten, finanzielle Mittel für die Al Qaida zu erschließen. Durch diese Tätigkeit hat er die entsprechenden Bemühungen des Al Qaida-Mitglieds K. unterstützt, die für diesen wiederum Teil seiner mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Organisation waren. Die Förderung der Betätigungen des Angeklagten K. wirkte sich für diesen auch vorteilhaft aus; denn er wurde zum einen in dem Entschluss gestärkt, Straftaten zu begehen, die dem Fortbestand der terroristischen Vereinigung dienten und musste zum anderen darüber hinaus die Tätigkeiten, die der Angeklagte Y. A. entfaltete, nicht selbst vornehmen oder eine andere Person hierfür gewinnen. Die Beschaffungsbemühungen des Angeklagten K. dienten gerade der Erfüllung der allgemeinen Order, mit der er von der Al Qaida für seine in Deutschland zu verbringende Zeit betraut worden war. Damit wurden auch die Bestrebungen der Vereinigung insgesamt ausreichend gefördert. Der Vollendung der Tat steht nach alldem insbesondere nicht entgegen, dass es hier letztlich in keinem Fall zu einer Auszahlung der Versicherungssumme an die Beteiligten und demnach auch nicht zu einer Weiterleitung eines Teils des Erlöses an die Organisation kam.
139
3. Revision des Angeklagten I. A.
140
Die Verurteilung des Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
141
Die Tatbeiträge des Angeklagten I. A. stellen inhaltlich ebenso wie diejenigen des Angeklagten Y. A. eine Beihilfe zur Beteiligung des Angeklagten K. als Mitglied an der Al Qaida dar; denn mit ihnen förderte der Angeklagte I. A. die Bemühungen des Angeklagten K. , seinen ihm von der Al Qaida erteilten Auftrag zu erfüllen. Sie bewirkten somit im Ergebnis ebenfalls für die Vereinigung als solche einen ausreichenden Effekt.
142
Soweit der Senat in seiner Haftprüfungsentscheidung vom 19. Mai 2005 (BGHR StGB § 129 a Abs. 5 Unterstützen 1) Bedenken dagegen geäußert hat, dass die Tatbeiträge des Angeklagten als vollendetes Unterstützen zu werten seien, beruhte dies auf der dem damaligen Ermittlungsstand, wonach sich die Tätigkeit des Angeklagten auf die Zusage beschränkte, von der in der Zukunft zu erwartenden Beute einen Teil an die Vereinigung abzugeben. Der Senat ist im Revisionsverfahren auf der Basis der Feststellungen des tatgerichtlichen Urteils nicht gehalten zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen für ein Unterstützen der Vereinigung allein die Zusage eines Nichtmitglieds ausreicht, eine Handlung vorzunehmen, die sich auf die Organisation irgendwie vorteilhaft auswirken kann (vgl. hierzu auch BGHR StGB § 129 a Abs. 3 Unterstützen 4); denn nach diesen Feststellungen war die Tätigkeit des Angeklagten nicht auf die Abgabe einer derartigen Zusage beschränkt. Der Angeklagte wirkte vielmehr an den Versicherungsbetrügereien insgesamt mit, indem er selbstständig recherchierte und an Besprechungen in allgemein beratender Funktion teilnahm. Zudem war er damit einverstanden, als Bezugsberechtigter für die Versicherungssummen aufzutreten. Mit seiner diesbezüglichen Zusage leistete er somit einen erheblichen Beitrag für die Durchführung der einzelnen Betrugsstraftaten. Die Tätigkeiten des Angeklagten begründeten deshalb - wenn sie auch hinter denjenigen des Angeklagten Y. A. zurückblieben - jedenfalls bei einer Gesamtschau einen hinreichenden Vorteil für die Vereinigung im oben näher dargestellten Sinn.
143
144
Die Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten "bandenmäßigen" Betrugs in 28 Fällen hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis nicht in vollem Umfang stand und bedarf hinsichtlich aller Angeklagter teilweise der Abänderung. Entgegen der Würdigung des Oberlandesgerichts tritt in den hier vorliegenden Fällen betrügerischer Eingehung von Lebensversicherungsverträgen der Schaden bei den getäuschten Versicherungsunternehmen nicht erst mit Auszahlung der jeweiligen Versicherungsleistung, sondern bereits mit Abschluss der Versicherungsverträge ein. Damit ist der Betrug in neun Fällen vollendet , in den übrigen Fällen jeweils durch die Beantragung von Versicherungsverträgen versucht worden. Die Beanstandung der Revisionen, es habe sich wegen der geplanten, in ferner Zukunft liegenden Vortäuschung des Todes bei den Anträgen auf Vertragsabschluss jeweils nur um straflose Vorbereitungshandlungen gehandelt, geht daher fehl.
145
An den Betrugstaten der Angeklagten Y. A. und K. beteiligte sich der Angeklagte I. A. erst nach dem 21. September 2004. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts können ihm die vorher begangenen Betrugshandlungen der beiden Mitangeklagten nicht über die Rechtsfigur der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Damit erfüllen auch erst die nach diesem Zeitpunkt verwirklichten Taten das Regelbeispiel des bandenmäßigen Betrugs.
146
Dazu im Einzelnen:
147
1. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts gelang es dem Angeklagten Y. A. in neun Fällen (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30 und 33), Versicherungsunternehmen durch falsche Angaben jeweils zum Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zu veranlassen und damit die Deckung des Todesfallrisikos zu übernehmen. Bereits mit dem Vertragsschluss war unter den gegebenen - in der Praxis selten vorkommenden, zumindest selten nachweisbaren, hier allerdings ausdrücklich festgestellten - Umständen der Vermögensbestand der Versicherungsunternehmen gemindert und damit der Versicherungsbetrug vollendet.
148
a) Der Angeklagte täuschte bei der Antragstellung jeweils in mehrfacher Hinsicht über innere und äußere Tatsachen. So verneinte er ab Fall 3 stets wahrheitswidrig eine Vorerkrankung und in den meisten Fällen (mit Ausnahme der Fälle 1, 2, 13, 18, 19, 25 und 26) die Fragen nach anderen bestehenden oder beantragten Lebensversicherungsverträgen.
149
Insbesondere täuschte der Angeklagte in allen Fällen konkludent darüber , einerseits zukünftig dauerhaft nach den Vertragsbedingungen die Versicherungsprämien zahlen zu wollen und zu können sowie andererseits bereit zu sein, den beantragten Versicherungsschutz seinem Zweck entsprechend allein zur Abdeckung des zukünftigen Risikos eines ungewissen Schadenseintritts zu nutzen (zur Absicht der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen als tauglicher Gegenstand einer Täuschung vgl. Lindenau, Die Betrugsstrafbarkeit des Versicherungsnehmers aus strafrechtlicher und kriminologischer Sicht S. 164).
150
Über die innere Tatsache, sich nicht vertragstreu verhalten zu wollen, ist eine konkludente Täuschung möglich. Die Vertragspartner dürfen ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr, das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen (vgl. Cramer/Perron in Schönke/Schröder aaO § 263 Rdn. 14/15). Deshalb ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Willensbekundungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird (BGHSt 51, 165, 171).
151
Da die Manipulation des Vertragsgegenstandes eines Lebensversicherungsvertrags in der Form der Vortäuschung des Versicherungsfalles - ähnlich wie diejenige einer Sportwette (vgl. dazu BGHSt aaO S. 172) - zwangsläufig erst nach Vertragsschluss stattfinden kann, bezieht sich die konkludente Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits durchgeführte, sondern auf eine beabsichtigte Manipulation. Für die Täuschung kommt es dabei nicht darauf an, inwieweit die geplanten Beeinflussungen bereits ins Werk gesetzt sind.
152
Diese Täuschung ist tatbestandsmäßig im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB. Sie war unentbehrlich, um zu dem nach dem Tatplan notwendigen Zwischenziel , dem Abschluss des Versicherungsvertrags, zu gelangen. Dass es danach noch einer weiteren Täuschung (über den Eintritt des Versicherungsfalls) bedurfte , um das eigentliche Endziel der Auszahlung der Versicherungssumme zu erreichen, ist demgegenüber für die Täuschungshandlung rechtlich ohne Belang.
153
b) Den Vorstellungen des Angeklagten entsprechend ist bei den Versicherungsunternehmen aufgrund der Täuschung jeweils eine entsprechende Fehlvorstellung über die Leistungsbereitschaft sowie die Vertragstreue des Angeklagten und damit über den Umfang des zu übernehmenden Risikos eingetreten. Dieser Irrtum war (mit)ursächlich für den jeweiligen Vertragsabschluss durch den Versicherer.
154
c) Mit dem Vertragsabschluss ist bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen ein Vermögensschaden eingetreten.
155
aa) Der Vermögensschaden beim Betrug ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch einen Vermögensvergleich mit wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln (BGHSt 45, 1, 4; BGH NStZ 1996, 191; 1997, 32, 33).
156
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug), wie er hier in Rede steht, ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen. Ob ein Vermögensschaden eingetreten ist, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Vermögenslage vor und nach diesem Zeitpunkt. Zu vergleichen sind demnach die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen (BGHSt 16, 220, 221; 45, 1, 4). Bleibt der Anspruch auf die Leistung des Täuschenden in seinem Wert hinter der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurück, so ist dieser geschädigt (BGHSt 16 aaO).
157
Für die Beurteilung des Vermögenswertes von Leistung und Gegenleistung kommt es weder auf den von den Vertragsparteien vereinbarten Preis an (BGHSt 16, 220, 224) noch darauf, wie hoch der Verfügende subjektiv ihren Wert taxiert (BGHSt 16, 321, 325). Entscheidend für den Vermögenswert von Leistung und Gegenleistung ist vielmehr das vernünftige Urteil eines objektiven Dritten (BGHSt 16, 220, 222; 16, 321, 326; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 70 m. w. N.).
158
bb) Daran gemessen ist ein solcher Schaden bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen hier zu bejahen. Mit dem Vertragsabschluss war es mit der Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme im Todesfall belastet. Dem stand die Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber, an den Versicherer bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit die Prämien zu zahlen. Die Prämie ist der Preis, den der Versicherungsnehmer dafür zu entrichten hat, dass der Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherungssumme leistet. Sie muss in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem Versicherungsschutz stehen (vgl. hierzu Lindenau aaO S. 217 f.). Der Versicherer kalkuliert die Versicherungsprämien unter Berücksichtigung seiner allgemeinen Kosten (u. a. Abschlussprovision, Betriebskosten) auf der Basis von sog. Sterbetafeln, die eine aus der Erfahrung der Vergangenheit gewonnene wahrscheinliche Lebenszeit des Versicherten ausdrücken. Hinzu kommen ggf. Zuschläge für besondere Risiken. In die Prämienkalkulation geht die voraussichtliche Lebensdauer des Versicherten ebenso ein wie die Anzahl der Prämien, die - vorbehaltlich eines vorzeitigen Todes - bis zum Ablauf der Versicherungszeit zu zahlen sind. Im Normalfall besteht zwischen Leistung und Gegenleistung ein Äquivalent.
159
Hier stellte die Prämie indessen keinen entsprechenden Ausgleich für die mit dem Vertrag eingegangenen Verpflichtungen dar; denn der Angeklagte war von vornherein entschlossen, den Versicherungsfall zu fingieren, und hatte in Form der Verabredungen zuerst mit dem Mitangeklagten K. , später auch mit dem Mitangeklagten I. A. , bereits mit konkreten Vorbereitungen begonnen. Der jeweilige Versicherer war daher mit Abschluss des Vertra- ges rein wirtschaftlich gesehen nicht - wie von ihm angenommen - nur mit einer aufschiebend bedingten Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme für den Fall belastet, dass sich das - nach allgemeinen Maßstäben bewertete - Risiko des Todeseintritts während der Vertragslaufzeit verwirklichen sollte. Vielmehr war seine Inanspruchnahme aufgrund der von den Angeklagten beabsichtigten Manipulation des Vertragsgegenstandes sicher zu erwarten. Der entsprechenden Forderung hätte er sich nur durch den Beleg der Unredlichkeit des Versicherungsnehmers, etwa durch den Nachweis der Unrichtigkeit der ägyptischen Todesbescheinigung, entziehen können. Damit war die Leistungswahrscheinlichkeit gegenüber dem vertraglich vereinbarten Einstandsrisiko signifikant erhöht.
160
Bei dem Vergleich der wechselseitigen Ansprüche von Versicherer und Versicherungsnehmer bleibt außer Betracht, dass der Versicherer, sofern er Kenntnis von den tatsächlichen Hintergründen des Vertragsschlusses erlangen würde, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 BGB; vgl. § 22 VVG) oder sich in anderen Konstellationen, etwa gemäß § 74 Abs. 2 VVG, auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen könnte; denn diese Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, soll dem getäuschten Versicherer gerade verborgen bleiben (vgl. RGSt 48, 186, 189; BGH StV 1985, 368 m. w. N.; Fischer aaO § 263 Rdn. 103 m. w. N.).
161
Dafür, dass bereits mit dem Vertragsabschluss beim Versicherer ein Vermögensschaden eingetreten ist, spricht nicht zuletzt auch die zivilrechtliche Betrachtung. Insoweit ist anerkannt, dass der Versicherer gegenüber dem täuschenden Versicherungsnehmer nicht nur die Möglichkeit der Anfechtung des Vertrages hat. Daneben kommt vielmehr auch eine Schadensersatzhaftung des Versicherungsnehmers aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB) in Betracht mit der Folge, dass der getäuschte Versicherer gemäß § 249 BGB die Rückgängigmachung des Vertrages verlangen kann (vgl. BGH NJW 1998, 302, 303). Insoweit besteht die Möglichkeit, dass allein durch die mit dem Vertragsabschluss eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen ein Vermögensschaden begründet wird, wenn der Wert der Gegenleistung hinter dem Wert der Verpflichtungen zurückbleibt (vgl. BGH aaO S. 304).
162
Nach alldem ist in den Fällen, in denen es zum Abschluss des Lebensversicherungsvertrags kam, beim Versicherer ein Schaden entstanden, so dass insoweit jeweils ein vollendeter Eingehungsbetrug vorliegt. Die dem Tatplan entsprechende spätere Auszahlung der Versicherungssummen hätte lediglich zu einer Schadensvertiefung geführt und den Eingehungs- zum Erfüllungsbetrug werden lassen. Auch insoweit ist es für die rechtliche Bewertung ohne Belang , dass hierzu und damit zum Eintritt des endgültigen Verlustes des Versicherers noch eine weitere erfolgreiche Täuschung über den Eintritt des Versicherungsfalls erforderlich gewesen wäre.
163
Zweifel daran, dass der jeweilige Versicherer bereits mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages in seinem Vermögen geschädigt war, bestehen auch nicht deswegen, weil sich die Bestimmung der Schadenshöhe als problematisch erweist. Insoweit könnte sich eine Berechnung nach bilanziellen Maßstäben (so BGH StV 2009, 242) etwa deswegen als schwierig darstellen, weil es für die Bewertung der Verpflichtung aus einem täuschungsbedingt abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag keine anerkannten Richtgrößen gibt. Diese Schwierigkeiten lassen indes den Schaden nicht entfallen. Sie führen lediglich dazu, dass der Tatrichter grundsätzlich unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege der Schätzung Mindestfeststellungen zu treffen hat (vgl.
BGH aaO S. 243). Hierzu wird er sich erforderlichenfalls der Hilfe von Sachverständigen aus den Gebieten der Versicherungsmathematik bzw. der Versicherungsökonomie und/oder des Bilanzwesens bedienen. Unter den hier gegebenen Umständen (vgl. unten VI.) war dies indes nicht geboten.
164
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit bisheriger Rechtsprechung zum Eingehungsbetrug.
165
So hat bereits das Reichsgericht (RGSt 48, 186) einen Vermögensschaden des Feuerversicherers in dem bloßen Abschluss eines Versicherungsvertrages gesehen, auf den die Versicherungsnehmer unter Angabe eines unzutreffend hohen Versicherungswerts in der Absicht angetragen hatten, die versicherten Sachen alsbald in Brand zu setzen und dadurch in den Besitz der Versicherungssumme u. a. auch für Gegenstände zu kommen, die gar nicht vorhanden waren. Es hat dabei ausgeführt, dass der Prämienanspruch, den die Gesellschaft erhielt, nur den Ausgleich bildete "für die gegenüber einem vertragstreuen Vertragsgegner übernommene Verpflichtung zur Gefahrtragung. Dieser Anspruch verlor an Wert und büßte ihn im wesentlichen ein bei den Angeklagten , die überhaupt nicht die Absicht hatten, ihr Verhalten dem Vertrage gemäß einzurichten, … sondern im Gegenteil entschlossen waren, mit Hilfe des Scheines eines Vertrags die Gesellschaft zu einer vermögensrechtlichen Aufwendung , der Zahlung der Brandentschädigung, zu veranlassen." Die Vermögensminderung (damals bezeichnet als Vermögensgefährdung) sah das Reichsgericht darin, dass sich die Versicherungsgesellschaft täuschungsbedingt vertraglich verpflichtete, "eine weit größere Gefahr (vermögensrechtlichen Inhalts) zu tragen, als sie dem in der Prämie ausgedrückten, demgemäß auch vereinbarten gewöhnlichen Verlaufe der Dinge entsprach, und die Möglichkeit einer die Gesellschaft treffenden tatsächlichen Einbuße an ihrem Vermögen war bei der von den Angeklagten in Aussicht genommenen alsbaldigen Brandstiftung unmittelbar gegeben" (RGSt 48, 186, 190).
166
Auch der Bundesgerichtshof hat den Betrug schon als vollendet angesehen mit dem Vertragsschluss über die Lieferung von Feinkohle, bei dem der Angeklagte von Anfang an beabsichtigt hatte, lediglich minderwertigen Kohlenschlamm zu liefern (BGH NJW 1953, 836). Er hat ausgeführt, dass beim Eingehungsbetrug eine "Vermögensgefährdung" schon darin bestehen kann, dass der Geschädigte überhaupt in vertragliche Beziehungen zu einem böswilligen Vertragspartner getreten ist, der von vornherein darauf ausging, den Vertragspartner unter planmäßiger Ausnutzung eines beim Vertragsschluss durch Vorspiegelung von Tatsachen erregten Irrtums zur späteren Entgegennahme einer vertragswidrigen Leistung zu veranlassen.
167
Einen vollendeten Eingehungsbetrug hat der Bundesgerichtshof zuletzt auch in dem betrügerisch veranlassten Eingehen eines Risikogeschäfts gesehen , das mit einer nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr verbunden ist (BGH NJW 2009, 2390). Er hat dabei ausgeführt, der mit der Vermögensverfügung unmittelbar eingetretene Vermögensschaden sei durch das Verlustrisiko im Zeitpunkt der Vermögensverfügung bestimmt.
168
d) Entgegen der Ansicht der Revisionen steht auch das Erfordernis der Stoffgleichheit einer Strafbarkeit des Angeklagten nicht entgegen. Der rechtswidrige Vermögensvorteil, den der Täter für sich oder einen Dritten erlangen will, muss die Kehrseite des Schadens sein. Unmittelbare Folge des Vertragsabschlusses war für den Angeklagten die Verbesserung seiner Vermögenssituation. Diese bestand darin, dass der getäuschte Lebensversicherer die Deckung des Risikos zu nicht äquivalenten Konditionen übernahm und dem Ange- klagten die Möglichkeit eröffnete, diese Risikodeckung zur Fingierung des Todesfalles auszunutzen.
169
2. Dementsprechend setzte der Angeklagte Y. A. in 19 weiteren Fällen (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) zur Begehung eines Eingehungsbetrugs unmittelbar an, indem er mit täuschenden Angaben in den Anträgen die Versicherungsunternehmen jeweils zum Abschluss entsprechender Verträge zu veranlassen suchte. Mit der Einreichung des Antrags nahm er diejenige Täuschungshandlung vor, die nach seiner Vorstellung dazu ausreichte, denjenigen Irrtum hervorzurufen, der den Getäuschten zu der schädigenden Vermögensverfügung bestimmen und damit den Schaden herbeiführen sollte (vgl. BGHSt 37, 294, 296).
170
Die Einwände der Revisionen, die Angeklagten hätten noch nicht unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt, sondern seien lediglich im Stadium der straflosen Vorbereitungshandlungen verblieben, haben deshalb im Ergebnis keinen Erfolg. Sie sind lediglich im Ausgangspunkt insoweit berechtigt, als die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts, in allen Fällen habe ein versuchter Erfüllungsbetrug vorgelegen, rechtlich nicht haltbar ist.
171
Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Auch eine frühere, vorgelagerte Handlung kann bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmündet oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang steht. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Hierbei können etwa die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen (BGHR StGB § 22 Ansetzen 30 m. w. N.).
172
Hier fehlt es für den vom Oberlandesgericht angenommenen Erfüllungsbetrug an einem unmittelbaren Ansetzen zur Tat im Sinne des § 22 StGB, da zunächst noch wesentliche Zwischenschritte erfolgreich hätten zurückgelegt werden müssen, bevor es möglich gewesen wäre, die Versicherungen zur Leistung auf den Todesfall in Anspruch zu nehmen. Denn bevor nicht der Tod des Angeklagten Y. A. in Ägypten fingiert und die entsprechend gefälschten Unterlagen beschafft waren, wäre es nicht möglich gewesen, die Versicherer durch deren Vorlage auf Auszahlung der Versicherungssummen in Anspruch zu nehmen.
173
3. An den 28 Taten des vollendeten bzw. versuchten Betrugs des Angeklagten Y. A. beteiligte sich der Angeklagte K. als Mittäter.
174
Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen; es kann auch eine solche im Vorbereitungsstadium des unmittelbar tatbestandsmäßigen Handelns genügen. Der Mittäter muss nur einen Beitrag leisten, der die Tat fördert und er muss die Tat als eigene wollen. Die Annahme von Mittäterschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in wertender Betrachtung der festgestellten Tatsachen zu prüfen. Dafür sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr maßgeb- lich (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26 m. w. N.). Danach hat das Oberlandesgericht den Angeklagten K. zutreffend als Mittäter angesehen. Er nahm zwar selbst keine Täuschungshandlung vor, war aber der Ideengeber und beteiligte sich intensiv an der Planung der Taten, sorgte nach den Vertragsabschlüssen für die Bezahlung der Prämien und sollte nach dem Tatplan bei der Geltendmachung der Versicherungsleistungen mitwirken. An der Tat hatte er selbst ein großes Interesse.
175
4. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts beteiligte sich der Angeklagte I. A. , nachdem er am 21. September 2004 von den beiden Mitangeklagten in das Betrugsvorhaben eingeweiht worden war, an den nach diesem Tag begangenen Taten (fünf Fälle des vollendeten und 18 Fälle des versuchten Betrugs). Die Würdigung des Oberlandesgerichts, der Angeklagte sei dabei Mittäter gewesen, hält rechtlicher Überprüfung nach den oben dargelegten Grundsätzen noch stand. Zwar nahm auch er nicht selbst Täuschungshandlungen vor, zudem sollte er persönlich von der erwarteten Beute nicht profitieren. Gleichwohl hatte er insoweit ein eigenes Interesse an der Tat, als er wusste, dass mit einem Teil der Beute seine Familie (Mutter und Geschwister ) unterstützt werden sollten. Hinzu kommt, dass er im Endstadium des Betrugsvorhabens als Begünstigter der Lebensversicherungsverträge die entscheidende Tatherrschaft haben sollte und seine Mitwirkung deshalb notwendige Bedingung für das Tatvorhaben war.
176
Für die vor dem 21. September 2004 begangenen Taten ist indes ein strafbares Handeln des Angeklagten I. A. nicht belegt. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts und des Generalbundesanwalts können ihm die Tatbeiträge der Mitangeklagten auch nicht nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Eine solche liegt bei demjenigen vor, der in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen tatbestandsmäßigen Handelns in das tatbestandliche Geschehen eingreift. Die Zurechnung bereits verwirklichter Tatumstände ist aber nur dann möglich, wenn der Hinzutretende selbst einen für die Tatbestandsverwirklichung ursächlichen Beitrag leistet. Kann der Hinzutretende die weitere Tatausführung dagegen nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs schon alles getan ist und das Tun des Eintretenden auf den weiteren Ablauf des Geschehens ohne jeden Einfluss bleibt, kommt mittäterschaftliche Mitwirkung trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH NStZ 1984, 548; 1998, 565). So liegt es hier. Der Angeklagte billigte nach seinem Hinzukommen zwar die Tatausführung durch die Mitangeklagten, erklärte sich bereit, in einem späteren Stadium der Tat durch eigene Tatbeiträge zur endgültigen Beutesicherung beizutragen , und beteiligte sich mit Vorschlägen an der weiteren Tatausführung. Er leistete aber für diese ersten fünf Taten selbst keinen Tatbeitrag mehr. Bei zwei Fällen (Fälle 1 und 4) waren die Versicherungsverträge schon abgeschlossen, in zwei Fällen (Fälle 2 und 3) sind die Versicherungsverträge später abgeschlossen worden, im Fall 4 hat die Versicherung den Vertragsabschluss am 4. Oktober 2004 abgelehnt. In keinem Fall ist ein Tätigwerden des Angeklagten, das auf den weiteren Ablauf Einfluss gehabt hätte, festgestellt. Insoweit ist ohne Bedeutung, dass auf alle vier abgeschlossenen Versicherungsverträge Prämienzahlungen auch nach dem 21. September 2004 erfolgten. Dies entsprach zwar dem inzwischen von allen drei Angeklagten gefassten Tatplan, indes lag darin nur ein Aufrechterhalten der durch die frühere Täuschung erreichten Fehlvorstellung des jeweiligen Versicherers über eine korrekte Vertragsabwicklung und keine weitere tatbestandsrelevante Täuschungshandlung.
177
Der Senat kann daher offenlassen, ob angesichts der Fallbesonderheiten - zur Vertiefung des Schadens durch Inanspruchnahme der Lebensversicherungen nach einem fingierten Todesfall sollte der Angeklagte ganz erhebliche Tatbeiträge leisten - eine sukzessive Mittäterschaft im Rahmen des Betrugstatbestands zwischen Vollendung und Beendigung hier in Frage kommen könnte (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 5; BGH, Beschl. vom 2. Juli 2009 - 3 StR 131/09).
178
5. Mit der Zustimmung des Angeklagten I. A. zu dem Tatplan und mit dessen erklärter Bereitschaft, sich im weiteren Verlauf der Tat an der Geltendmachung der Ansprüche auf Auszahlung der Versicherungssummen zu beteiligen und die Beute auszukehren, haben sich die Angeklagten zu einer Bande verbunden, um in der Folgezeit - jedenfalls in der in Aussicht genommenen kurzen, im einzelnen aber noch nicht genau bestimmten Zeitspanne - weitere Betrugstaten zu begehen. Damit liegt bei den nach dem 21. September 2004 begangenen Taten (ab Fall 6) jeweils das Regelbeispiel bandenmäßiger Begehung für die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB vor.
179
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts fehlt dieses Merkmal bei den ersten fünf Taten. Der Angeklagte I. A. war an diesen Taten nicht beteiligt, die für eine Bande erforderliche Bandenabrede zum Tatzeitpunkt noch nicht getroffen. Die Mitangeklagten handelten deshalb lediglich als Mittäter (vgl. BGH, Beschl. vom 17. März 2009 - 4 StR 607/08).
180
IV. Konkurrenzen
181
Das Verhältnis zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung und den Betrugstaten hat das Oberlandesgericht im Grundsatz zutreffend beurteilt.
182
1. Der Angeklagte K. hat die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) jeweils in Verfolgung der Ziele der Al Qaida begangen. Sie stehen deshalb mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an der ausländischen terroristischen Vereinigung jeweils in Tateinheit. Zugleich werden sie, da das Verbrechen nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB gegenüber den Betrugstaten das schwerere Delikt ist, von diesem zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verklammert (vgl. BGHSt 29, 288, 291; BGHR StGB § 129 Konkurrenzen 1; § 129 a Konkurrenzen

4).


183
2. Bei dem Angeklagten Y. A. stellen sich die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
184
Im Ausgangspunkt besteht allerdings bei einer Mehrzahl von Unterstützungshandlungen zwischen diesen jeweils Tatmehrheit. Hierin liegt der Unterschied zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, bei der mehrere Einzelakte zu einem tatbestandlichen Verhaltenstypus im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 193). Eine tatbestandliche Handlungseinheit zwischen mehreren Unterstützungshandlun- gen kommt nur in Betracht, wenn es um ein und denselben Unterstützungserfolg geht und die einzelnen Akte einen engen räumlichen, zeitlichen und bezugmäßigen Handlungszusammenhang aufweisen (vgl. Krauß aaO m. w. N.). So liegt es hier. Sämtliche Handlungen bezogen sich auf das einheitliche, übergeordnete Ziel der Unterstützung. Die Bemühungen dienten stets nach demselben Tatschema dem Zweck, aus der gesamten erstrebten Betrugsbeute die ausländische terroristische Vereinigung Al Qaida in Form einer Geldzuwendung zu stärken. Die Handlungen standen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang. Zum Teil beantragte der Angeklagte an einem Tag bei demselben Versicherer den Abschluss mehrerer Versicherungsverträge oder stellte Anträge bei mehreren Versicherern.
185
Die somit einheitliche Unterstützungshandlung verbindet nach den unter vorstehend 1. für die mitgliedschaftliche Beteiligung dargestellten Grundsätzen, die im Hinblick auf den am jeweiligen Strafrahmen zu messenden Unrechtsgehalt des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB einerseits und des § 263 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 StGB andererseits für diese Konstellation entsprechend gelten , die einzelnen vollendeten bzw. versuchten Betrugstaten ebenfalls zur Tateinheit.
186
3. Bei dem Angeklagten I. A. stellen sich die fünf Taten des Betrugs (Fälle 6, 16, 22, 30, 33) und die 18 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis ebenfalls als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
187
Als Mittäter muss sich der Angeklagte die im Rahmen des gemeinsamen Tatplans mit seiner Billigung erbrachten Tathandlungen seiner Mittäter - und damit alle 23 vom Mitangeklagten Y. A. seit seinem Hinzutre- ten und der Bildung der Bande begangenen Täuschungshandlungen - zurechnen lassen. Die Frage des rechtlichen Zusammentreffens ist jedoch bei einer Tatserie für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des Tatbeitrags jedes Tatbeteiligten (BGH StV 2002, 73). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts hat der Angeklagte seinen Tatbeitrag insgesamt durch die Bereitschaft zur Geltendmachung der Versicherungsleistungen sowie durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Verfahrensablauf der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art erbracht. Beiträge , die auf einzelne Betrugstaten konkretisiert waren, sind nicht festgestellt. In diesem Fall werden ihm die Einzeltaten des Mitangeklagten als in gleichartiger Tateinheit begangen zugerechnet (vgl. Fischer aaO § 25 Rdn. 23 m. w. N.). Diese Tatbeiträge zum Betrug stellen gleichzeitig die Unterstützungshandlung des Angeklagten dar. Dementsprechend liegt - wie das Oberlandesgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - auch nur eine Tat des Unterstützens einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor.
188
V. Schuldspruchänderung
189
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch weitergehende Feststellungen zur Beteiligung des Angeklagten Y. A. an der Al Qaida getroffen werden können. Er hat deshalb den Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig ist. Außerdem hat er die durch die abweichende rechtliche Beurteilung der Betrugstaten notwendigen Änderungen der Schuldsprüche vorgenommen. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn die Angeklagten hätten sich dagegen hier nicht anders als geschehen verteidigen können.
190
VI. Strafausspruch
191
1. Bei dem Angeklagten K. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe aus dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 1 StGB (ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe ) entnommen. Der Senat schließt aus, dass es bei zutreffender rechtlicher Beurteilung der Betrugstaten auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Zwar können die Fälle 1 bis 5 nicht mehr als bandenmäßig begangen und damit regelmäßig als besonders schwere Fälle des Betrugs bzw. des versuchten Betrugs beurteilt werden. Indes sind neun der Taten als vollendet anzusehen, was deren Gewicht für die Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten erhöht. Der Bestand der Strafe ist auch nicht deshalb gefährdet, weil die (potentiellen) Vermögensschäden der Versicherer durch die (versuchten) Eingehungsbetrugstaten , die der Schuldspruchänderung durch den Senat zugrunde liegen, wesentlich hinter den Beträgen zurückbleiben, die der Angeklagte letztlich nach gelungener Vortäuschung des Versicherungsfalles für sich und die Mittäter erlangen wollte. Das Oberlandesgericht ist insgesamt nur von Versuchsfällen ausgegangen und hat demgemäß einen Schadenseintritt verneint. Dass es die Höhe der beabsichtigten Bereicherung durch Zahlung der Versicherungssummen im Sinne einer Beuteerwartung strafschärfend berücksichtigt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden und stellt auch auf der Grundlage der vom Senat ausgeurteilten (versuchten) Eingehungsbetrugstaten einen maßgeblichen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar. Demgegenüber hat aber auch bereits das Oberlandesgericht ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass der Eintritt dieses letztendlich ins Auge gefassten Schadens noch sehr weit entfernt war und noch weiterer Zwischenschritte bedurft hätte.
192
2. Die Strafe für den Angeklagten Y. A. kann hingegen nicht bestehen bleiben. Durch die Änderung des Schuldspruchs hat sich der die Strafe bestimmende Strafrahmen in seiner Untergrenze von einem Jahr auf sechs Monate Freiheitsstrafe abgesenkt. Zwar hat sich das Oberlandesgericht daran nicht orientiert; auch ist die Obergrenze des Strafrahmens mit zehn Jahren gleichgeblieben. Dennoch kann der Senat - schon wegen der Nähe der verhängten Strafe zu derjenigen für den wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung verurteilten Mitangeklagten K. - nicht ausschließen, dass die Strafe milder ausgefallen wäre, wenn das Oberlandesgericht den Angeklagten zutreffend nur wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen hätte.
193
Über den Strafausspruch muss deshalb erneut durch den Tatrichter entschieden werden. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der rechtsfehlerhaften Einordnung des Tatbeitrags des Angeklagten nicht berührt sind. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen dürfen.
194
Damit wird die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung gegenstandslos (Meyer-Goßner aaO § 464 Rdn. 20).
195
3. Bei dem Angeklagten I. A. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) entnommen. Der Senat kann auch hier ausschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Beurteilung auf eine geringere Strafe erkannt hätte. Zwar sind die ersten fünf Betrugstaten im Schuldspruch entfallen; indes wird der Schuldumfang davon bestimmt, dass der Angeklagte bereit war, auch hinsichtlich der ohne seine Mitwirkung begangenen Betrugstaten die letztendlich erwartete Beute durch die Geltendmachung und Vereinnahmung der Versicherungsleistungen zu sichern.
196
VII. Kostenbeschwerde
197
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung wird als unbegründet verworfen, da diese dem Gesetz entspricht.
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer
18
aa) Unter einem Unterstützen im Sinne dieser Vorschriften ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und - wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt - sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 117 f.; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, 350 f.). Auch muss das Wirken des Nichtmitglieds nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen; es genügt, wenn sein Tun für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass der Nutzen messbar sein muss (vgl. BGH, Urteile vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 116). Erforderlich ist aber immer, dass das Nichtmitglied eine konkret wirksame Unterstützungsleistung für die Vereinigung erbringt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, aaO, S. 349; vom 17. August 2017 - AK 34/17, juris Rn. 6), die einen objektiven Nutzen entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6). Dies muss anhand belegter Fakten nachgewie- sen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 - AK 13-14/13, BGHSt 58, 318, 323 f.).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 552/08
vom
14. August 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nicht: B. III., C. V.-VII.)
Veröffentlichung: ja
____________________________________
I. StPO § 100 c Abs. 4, 5, 6, § 100 d Abs. 5 Nr. 3
1. Die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich
voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben
wurden.
2. Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den sog. relativen Beweisverwertungsverboten
, nach denen nicht jeder Verstoß bei der Beweiserhebung
zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse
führt, gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung
eingeführten Verwendungsregelungen bzw. Verwendungsbeschränkungen.
3. Zur Verwendbarkeit von Daten im Strafverfahren, die durch eine akustische
Wohnraumüberwachung auf der Grundlage einer polizeirechtlichen Ermächtigung
zur Gefahrenabwehr gewonnen worden sind, welche noch keine Regelung
zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung enthielt.
4. Der Begriff "verwertbare Daten" in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich auf
die gesetzlichen Beweisverwertungsverbote in § 100 c Abs. 5 und 6 StPO sowie
auf das Beweiserhebungsverbot aus § 100 c Abs. 4 StPO.
5. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines
nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, so richtet
sich die Verwertbarkeit dieser Gesprächsinhalte stets nach der Vorschrift des
§ 100 c Abs. 6 StPO. Für eine isolierte Anwendung des § 52 StPO ist daneben
kein Raum.
II. StGB §§ 129, 129 a, 129 b
1. Zur Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, wenn
sich der Täter ausschließlich im Inland aufgehalten hat.
2. Das Unterstützen einer Vereinigung umfasst regelmäßig auch Sachverhalte
, die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur
mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären.
Mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrags ist der Eingehungsbetrug
vollendet, wenn der Versicherungsnehmer darüber getäuscht hat, dass er
den Versicherungsfall fingieren will, um die Versicherungssumme geltend machen
zu lassen.
BGH, Urt. vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08 - OLG Düsseldorf
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
zu 2. und 3.: Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Mai 2009 in der Sitzung am 14. August 2009, an denen teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten Y. A. ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. A. ,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 28. Mai 2009,
Justizamtsinspektor bei der Verkündung am 14. August 2009
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Dezember 2007
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten wie folgt schuldig sind: aa) der Angeklagte K. der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; bb) der Angeklagte Y. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; cc) der Angeklagte I. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in fünf sowie mit versuchtem Betrug in achtzehn tateinheitlichen Fällen;
b) im Strafausspruch betreffend den Angeklagten Y. A. aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten Y. A. , an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten und die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils werden verworfen.
4. Die Angeklagten K. und I. A. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
A. Prozessgeschichte, Feststellungen und Wertungen des Oberlandesgerichts
2
Das Oberlandesgericht hat die Angeklagten K. und Y. A. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem "bandenmäßigen" Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren (K. ) bzw. sechs Jahren (Y. A. ) und den Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem bandenmäßigen Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die sowohl mehrere Verfahrensrügen erheben als auch mit Einzelbeanstandungen die Verletzung sachlichen Rechts geltend machen. Die beiden Angeklagten A. haben außerdem sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt.
3
Die Revision des Angeklagten Y. A. führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die übrigen Rechtsmittel bleiben im Wesentlichen ohne Erfolg.
4
Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen getroffen und Bewertungen vorgenommen:
5
I. Die Organisation Al Qaida
6
In den Jahren 1996/1997 entstand aus einem Bündnis zwischen Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri die Organisation Al Qaida, die zum Kampf einer "Islamischen Weltfront für den Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" aufrief und es mit dem Ziel, westliche, vor allem amerikanische Truppen aus der arabischen Halbinsel zu vertreiben, als individuelle Glaubenspflicht eines jeden Muslim bezeichnete, die Amerikaner und ihre Verbündeten an jedem möglichen Ort zu töten. Al Qaida war im Kern in Afghanistan angesiedelt. An der Spitze der hierarchisch aufgebauten Organisation standen Bin Laden, Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter der für Militär, Finanzen, religiöse Fragen und Medienarbeit zuständigen Abteilungen. "Jihadwillige" Islamisten, die mittels des von der Organisation verbreiteten Propagandamaterials angeworben worden waren, wurden in Ausbildungslagern in Afghanistan als Kämpfer geschult. Besonders geeignet erscheinenden Kandidaten wurde sodann in speziellen Vertiefungskursen Sonderwissen vermittelt. Wer an einer derartigen - privilegierten - Spezialausbildung in den Jahren vor 2001 teilgenommen hatte, war der Organisation Al Qaida in der Regel im Sinne einer "Mitgliedschaft" unmittelbar zuzuordnen. Nach Abschluss ihrer Ausbildung kehrten die Kämpfer in ihre Herkunftsländer zurück und bildeten dort operative Zellen. Von der Organisation, deren Zweck und Tätigkeit im Wesentlichen in der Tötung von "Feinden des Islams" bestand, wurden in der Folgezeit mehrere Anschläge ausgeführt, die eine erhebliche Zahl von Menschenleben forderten. Zu ihnen gehörten auch die Selbstmordattentate auf das World-Trade-Center und das Pentagon am 11. September 2001.
7
Die dadurch ausgelösten militärischen Reaktionen beeinträchtigten in der Folgezeit die operative Handlungsfähigkeit der Organisation, führten aber nicht zu einer vollständigen Zerschlagung sämtlicher Strukturen von Al Qaida, sondern nur zu deren - dem Verfolgungsdruck vorübergehend angepassten - Modifizierung. Den in großer Zahl aus Afghanistan geflohenen Anhängern wurde durch Audio- und Videobotschaften verdeutlicht, dass die obersten Führungskräfte von Al Qaida dort weiterhin unverändert aktiv waren. Es gelang der Aufbau von regional tätigen Teilstrukturen in Form der "Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel" und einer Gruppe türkischer Islamisten. Außerdem konnte Al Qaida mehrere selbständige islamistische Organisationen ("Al Qaida im Zweistromland" sowie "Al Qaida im islamischen Maghreb") an sich binden. Durch den über Rundfunk und Fernsehen verbreiteten Führungsanspruch von Bin Laden und Al Zawahiri gelang es, auch ohne die Bildung eigenständiger Netzwerke neue Mitglieder der Organisation unter dem "Dach" der Al Qaida zu rekrutieren. An die Stelle des vor 2001 üblichen Gefolgschaftseids traten zur Begründung der Mitgliedschaft in der Organisation mehr und mehr einseitige Loyalitätserklärungen sowie an den Zielvorgaben von Al Qaida orientierte Handlungen.
8
II. Die Tathandlungen der Angeklagten
9
Der Angeklagte K. , der schon 2000 und Anfang 2001 in Trainingslagern der Al Qaida eine terroristische Ausbildung erhalten und seither den gewaltsamen Jihad gegen die "Ungläubigen" als seine außer jeder Diskussion stehende Individualpflicht betrachtet hatte, reiste nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Deutschland im Oktober 2001 erneut nach Afghanistan und nahm dort Ende 2001 / Anfang 2002 an Kampfhandlungen der Al QaidaVerbände teil. Dabei hatte er Kontakt zu Bin Laden und gliederte sich in die Hierarchie der Organisation ein. Im Frühjahr 2002 floh er vor den Amerikanern und deren Verbündeten. Er folgte der von Bin Laden an die im Besitz europäischer Pässe befindlichen "Kämpfer" erteilten Order, sich nach Möglichkeit in ihre Herkunftsländer zu begeben und weiterhin für Al Qaida zu arbeiten. Mitte Juli 2002 kehrte er nach Deutschland zurück und zog nach M. .
10
In M. lernte der Angeklagte K. den Angeklagten Y. A. kennen. Dieser hatte sich schon seit längerem für den gewaltsamen Kampf der Muslime begeistert sowie seine Sympathie zu Al Qaida zum Ausdruck gebracht und war in M. in Kontakt zu weiteren gleichgesinnten Personen gekommen. Die Wohnung des Angeklagten K. in der P. straße wurde zum Treffpunkt dieses Freundeskreises. Der Angeklagte Y. A. besuchte den Angeklagten K. auch in der JVA , nachdem dieser im Januar 2004 in einem Verfahren wegen Betruges verhaftet und für vier Monate in Untersuchungshaft genommen worden war.
11
Der Angeklagte K. , der sich nach wie vor der Al Qaida zugehörig und in der Rolle eines "Murabit" fühlte, der nur zeitweilig den Kampfschauplatz des Jihad hatte verlassen müssen, entfaltete in der Folgezeit umfangreiche Aktivitäten für die Organisation. Er befasste sich zu deren Gunsten in erster Linie mit Rekrutierungs- und Beschaffungsmaßnahmen und warb für die Unterstützung des gewaltsamen Jihad durch einen Märtyrereinsatz oder zumindest durch eine Spende an seine Organisation. Dabei gelang es ihm, den Angeklagten Y. A. zur Mitarbeit zu bewegen. Dieser entschloss sich vor dem Hintergrund seiner eigenen ideologischen Vorprägung, auf die Angebote des Angeklagten K. einzugehen und seine Tätigkeit in Deutschland fortan in den Dienst von Al Qaida zu stellen. Dementsprechend machte er die Planung und Durchführung einer Betrugsserie zum Nachteil von Lebensversicherungsgesellschaften zum "Mittelpunkt seines Lebens", deren erhebliche Beute zum einen Teil Al Qaida und zum anderen seiner Familie zugute kommen und zuletzt ihm ermöglichen sollte, dem Angeklagten K. zur Teilnahme am Jihad in den Irak zu folgen.
12
Der Plan einer Betrugsserie sah vor, dass der Angeklagte Y. A. innerhalb eines auf zwei bis drei Monate angelegten Tatzeitraums zahlreiche Lebensversicherungsverträge abschließen, sodann nach Ägypten verreisen und von dort aus mittels Bestechung von Amtspersonen inhaltlich falsche Urkunden übersenden sollte, um gegenüber den Versicherungsunternehmen einen tödlichen Verkehrsunfall in Ägypten vortäuschen zu können. Der Angeklagte I. A. sollte sodann als Begünstigter mit Unterstützung des Angeklagten K. die Versicherungssummen geltend machen. In Verfolgung dieses zuerst zwischen den Angeklagten K. und Y. A. entwickelten Plans holte letzterer ab Mai 2004 bei Versicherungsunternehmen erste Erkundigungen über die möglichen Vertragsge- staltungen ein und begann am 10. August 2004 mit der Stellung von Versicherungsanträgen. Der Angeklagte K. stellte sicher, dass die ersten Prämien bezahlt werden konnten. Der Angeklagte I. A. , der am 21. September 2004 umfassend in den Tatplan eingeweiht worden war, nahm an zahlreichen Besprechungen des Vorhabens teil, ließ hierbei keine Zweifel an seiner uneingeschränkten Bereitschaft zur Mitwirkung bei der späteren Geltendmachung der Versicherungssummen und deren Verwendung aufkommen und unterstützte ferner die gemeinsame Tatplanung durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Procedere der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass zumindest ein Teil der Beute über den Angeklagten K. der Al Qaida zufließen und auf diese Weise ihren organisatorischen Zusammenhang fördern sowie die Verfolgung ihrer terroristischen Aktivitäten erleichtern werde.
13
Im Einzelnen stellte der Angeklagte Y. A. zwischen dem 10. August 2004 und dem 15. Januar 2005 bei verschiedenen Versicherungsunternehmen insgesamt 28 Anträge auf Abschluss von Lebensversicherungsverträgen. Entsprechend der Tatplanung kam es in neun Fällen zum Abschluss eines Versicherungsvertrages mit einer garantierten Todesfallsumme von 1.264.092 €. In 19 Fällen wurden die Anträge des Beschwerdeführers - teilweise aufgrund der zwischenzeitlichen Warnhinweise der Polizei an die Versicherungsunternehmen, zuletzt auch wegen der Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 - abgelehnt bzw. nicht mehr weiter bearbeitet.
14
III. Beweisgrundlage und rechtliche Würdigung des Oberlandesgerichts
15
Das Oberlandesgericht hat seine Überzeugung im Wesentlichen auf Erkenntnisse gestützt, die durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen in der von den Angeklagten K. und Y. A. bewohnten Wohnung in M. gewonnen worden waren.
16
Nach der rechtlichen Würdigung des Oberlandesgerichts war Al Qaida trotz der strukturellen Veränderungen aufgrund der Verfolgung seit Ende des Jahres 2001 auch im Tatzeitraum eine ausländische terroristische Vereinigung. In dieser haben sich die Angeklagten K. und Y. A. als Mitglieder betätigt, während der Angeklagte I. A. nach Auffassung des Oberlandesgerichts die Vereinigung unterstützt hat. Die Taten der Angeklagten zum Nachteil der Versicherungen stellen sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts in allen Fällen, also auch soweit es zu Vertragsabschlüssen gekommen ist, als täterschaftlich und bandenmäßig begangener versuchter Betrug dar.
17
B. Die Verfahrensrügen
18
I. Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung
19
Die Beschwerdeführer rügen unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten die Verwertung der aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Den Verfahrensbeanstandungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
20
Das Polizeipräsidium M. beantragte am 22. Juni 2004 beim Amtsgericht M. gemäß § 29 Abs. 1 des Rheinland-Pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (im Folgenden: POG RhPf) die richterliche Anordnung der Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln für die Wohnung des Angeklagten K. . Begründet wurde der Antrag u. a. mit der dringenden Gefahr, dass der sich dort regelmäßig treffende Personenkreis die Begehung von terroristischen Anschlägen plane. Nachdem der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht den Antrag zunächst am 28. Juni 2004 abgelehnt hatte, weil bereits der Anfangsverdacht einer Straftat nach §§ 129 a, 129 b StGB gegen die Betroffenen bestehe, genehmigte das Landgericht M. auf die sofortige Beschwerde des Polizeipräsidiums mit Beschluss vom 14. Juli 2004 gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 POG RhPf aF die Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen. Es bejahte entsprechend dem Antrag des Polizeipräsidiums das Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, weil in der Wohnung Anschläge geplant werden könnten. Eine Befristung der Maßnahme enthielt der Beschluss nicht. Vor Ablauf der damaligen Höchstfrist von drei Monaten gemäß § 29 Abs. 4 Satz 2 POG RhPf aF beantragte das Polizeipräsidium am 8. Oktober 2004 die Verlängerung der Maßnahme. Neben einer Verstrickung des Angeklagten K. in die Netzwerke arabischer Mudjahedin habe die Überwachung die Bereitschaft der Angeklagten K. und Y. A. ergeben, den "Märtyrertod" zu sterben, woraus sich wegen zu befürchtender Anschlagsplanungen eine fortdauernde dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergebe. Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts M. verlängerte am 12. Oktober 2004 aus den fortgeltenden Gründen des Anordnungsbeschlusses die Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten. Nach dem Beschluss war die Überwachung sofort abzubrechen, wenn sich der Angeklagte K. oder der Angeklagte Y. A. jeweils allein in der Wohnung aufhalte, wenn Gespräche offensichtlich für die Gefahrenabwehr irrelevant seien oder wenn der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung - auch kurzzeitig - betroffen sei.
21
Am 12. Oktober 2004 leitete der Generalbundesanwalt gegen die Angeklagten K. und Y. A. das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ein. Am 11. November 2004 beantragte er beim Landgericht Ka. die Anordnung der Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e, Abs. 2 und Abs. 3 StPO aF. In dem Antrag wurden Erkenntnisse aus der zuvor auf polizeirechtlicher Grundlage durchgeführten Wohnraumüberwachung zur Begründung des Tatverdachts verwendet. Das Landgericht Ka. ordnete die Maßnahme mit Beschluss vom 24. November 2004 für die Dauer von vier Wochen an. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse ließen den Schluss zu, dass der Angeklagte K. im Auftrag der Al Qaida Mitglieder zur Begehung von Selbstmordattentaten rekrutiere und in dem Angeklagten Y. A. auch bereits einen zum "Märtyrertod" Bereiten gefunden habe, mit dem er an der Umsetzung des Plans arbeite. Beide stünden damit im Verdacht, sich an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglieder zu beteiligen. Ohne die Wohnraumüberwachung werde die Erforschung des Sachverhalts unverhältnismäßig erschwert, weil keine sonstigen Beweismittel ersichtlich seien, mit denen Erkenntnisse über Zielsetzung oder Aktivitäten der Angeklagten gewonnen werden könnten. Eine weitere Aufklärung sei auch erforderlich, weil die bisherigen Erkenntnisse noch keinen hinreichenden Tatverdacht bezüglich der Mitgliedschaft der Angeklagten in der Al Qaida und ihre konkrete Art der Beteiligung ergeben hätten. Eine Ausforschung des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, weil die in der abgehörten Wohnung zusammentreffenden Personen nicht miteinander verwandt seien und nicht in einer Beziehung höchstpersönlichen Vertrauens zueinander stünden. Soweit die Brüder des Angeklagten Y. A. in der Wohnung anwesend seien, müssten die Ermittlungsbehörden dafür Sorge tragen, dass die Überwachung sofort abgebrochen werde, sobald der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung berührt werde. Auf entsprechende Anträge des Generalbundesanwalts, mit denen weitere Erkenntnisse zu dem geplanten Versicherungsbetrug, aber auch zu einem möglichen Handel mit Uran mitgeteilt wurden, verlängerte das Landgericht Ka. mit Beschlüssen vom 22. Dezember 2004 und vom 19. Januar 2005 die Maßnahme um jeweils vier Wochen.
22
Obwohl die Wohnraumüberwachung bereits mit Beschluss vom 14. Juli 2004 genehmigt worden war, begann die Ausführung der Maßnahme erst am 24. August 2004. Am 30. August 2004 erließ das Polizeipräsidium Handlungsgrundsätze für die Durchführung der Wohnraumüberwachung, die allen beteiligten Beamten bekannt gemacht wurden. Mit diesen Handlungsanweisungen sollten die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (BVerfGE 109, 279) zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung umgesetzt werden. Insbesondere wurde nicht eine automatische, sondern eine manuelle Gesprächsaufzeichnung angeordnet. Dafür wurden Polizeibeamte und Dolmetscher im Schichtbetrieb eingesetzt, die nur dann Gespräche aufzeichneten, wenn aufgrund einer Einschätzung der aktuellen Situation in der Wohnung relevante Erkenntnisse zu erwarten waren. Die Handlungsanweisungen wurden entsprechend den Beschlüssen des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 und des Landgerichts Ka. vom 24. November 2004 fortgeschrieben und berücksichtigten die dort aufgestellten Vorgaben. Die Wohnraumüberwachung wurde mit der vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 beendet; sie dauerte mithin ca. fünf Monate. In dieser Zeit (insgesamt über 3.620 Stunden) wurden 703 Aufzeichnungen mit einer Gesamtlänge von etwas über 304 Stunden erstellt, was bezogen auf die Gesamtdauer der Maßnahme einem Anteil von 8,4 % entspricht. Von den 703 aufgezeichneten Gesprächen wurden 313 übersetzt, 144 der Anklageschrift zu Grunde gelegt, 142 in die Hauptverhandlung eingeführt und Passagen aus 86 Gesprächsaufzeichnungen im angefochtenen Urteil verwertet. Alle Angeklagten haben in der Hauptverhandlung der Verwertung der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung widersprochen.
23
Die Rüge hat keinen Erfolg.
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1. Ob das Oberlandesgericht die im Rahmen der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Informationen in die Hauptverhandlung einführen und bei seiner Beweiswürdigung verwerten durfte, bestimmt sich zunächst nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl I 3198 ff.). Zwar ist diese Vorschrift erst am 1. Januar 2008 und damit nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getreten. Jedoch ist bei der Änderung strafprozessualer Bestimmungen für das weitere Verfahren grundsätzlich auf die neue Rechtslage abzustellen (BGH NJW 2009, 791, 792 m. w. N.; Knierim StV 2009, 206, 207). Dies gilt auch bei einer Änderung des Rechtszustands zwischen dem tatrichterlichen Urteil und der Revisionsentscheidung (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 354 a Rdn. 4; Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 a Rdn. 5). Nach dem somit maßgeblichen § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO - der im Übrigen dem im Zeitpunkt der Verkündung des oberlandesgerichtlichen Urteils geltenden § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF entspricht - können aus einer polizeilichen akustischen Wohnraumüberwachung erlangte, verwertbare personenbezogene Daten im Strafverfahren ohne Einwilligung der über- wachten Personen unter anderem zur Aufklärung einer Straftat verwendet werden , auf Grund derer die Maßnahme nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt:
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a) Die auf der Grundlage der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse sind zum Nachweis von Straftaten herangezogen worden, zu deren Aufklärung die Wohnraumüberwachung auch nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte (Gedanke des hypothetischen Ersatzeingriffs, vgl. dazu BTDrucks. 16/5846 S. 64; Wolter in SK-StPO § 100 d Rdn. 33). Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Verdacht, dass entsprechende Taten begangen worden sind, bereits im Zeitpunkt der Anordnung bzw. Durchführung der polizeirechtlichen Maßnahme bestanden hatte, denn es handelt sich bei § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO um eine Verwendungsregelung für Erkenntnisse, die zur Gefahrenabwehr , nicht dagegen zur Strafverfolgung erhoben worden waren. Daher ist allein maßgeblich, ob die Daten nunmehr im Strafverfahren zur Klärung des Verdachts einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO verwendet werden sollen.
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Hier sind die Protokolle der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung zum Nachweis der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB) verwertet worden, mithin von Katalogtaten im Sinne des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO.
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Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer durften sie aber auch zur Beweisführung hinsichtlich der ihnen angelasteten Betrugstaten herangezogen werden. Zwar sind diese nicht im Katalog des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO enthalten. Wie jedoch auch die Revisionen letztlich nicht in Abrede nehmen, liegt zwischen den Betrugshandlungen, die sich als Betätigungsakte der durch § 100 c Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO als Katalogtat erfassten Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung darstellen , Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vor. In einer solchen Konstellation entspricht es bei Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnahmen auch zum Nachweis der mit der Katalogtat in Zusammenhang stehenden Nichtkatalogtat verwertet werden dürfen (BGHSt 28, 122, 127 f.; 30, 317, 320; BGH StV 1998, 247, 248). Diese Grundsätze sind im Schrifttum gebilligt und für die Verwertung von Erkenntnissen aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme übernommen worden (Nack in KK § 100 d Rdn. 33; Wolter aaO § 100 d Rdn. 74; jeweils m. w. N.). Es besteht insoweit kein Anlass, aufgrund der unterschiedlichen betroffenen Grundrechte die Fälle der Wohnraumüberwachung anders als diejenigen der Telekommunikationsüberwachung zu behandeln. Den entsprechenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts tritt der Senat bei.
28
Die den Angeklagten angelasteten Taten nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB wogen auch im konkreten Fall besonders schwer (§ 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO). Zum einen handelt es sich bei der öffentlichen Sicherheit und staatlichen Ordnung (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 129 Rdn. 2 m. w. N.) um hochrangige Rechtsgüter; diese werden von § 129 a StGB geschützt. Zum anderen kam das arbeitsteilige, äußerst konspirative Zusammenwirken mehrerer Täter zur Umsetzung eines komplexen Tatplans hinzu , wodurch zugleich noch weitere Rechtsgüter - das Vermögen der Versicherungsunternehmen - verletzt wurden (zu diesen Anforderungen vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 12).
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Die Aufklärung der den Angeklagten angelasteten Taten wäre ohne die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung unverhältnismäßig erschwert oder unmöglich gemacht worden (§ 100 c Abs. 1 Nr. 4 StPO). Es ist insoweit wiederum nicht auf den Zeitpunkt der Erlangung der Erkenntnisse abzustellen, denn die Regelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich nur auf den erneuten aus der anderweitigen Verwendung der zweckgebundenen Daten folgenden Grundrechtseingriff (vgl. BGH NJW 2009, 791, 792; BVerfGE 100, 313, 391). Zum Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil stellten die Wohnraumüberwachungsprotokolle indes die zentralen Beweismittel dar, ohne die ein Tatnachweis nicht möglich gewesen wäre.
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b) Bei den Erkenntnissen aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung handelt sich um verwertbare Daten im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO.
31
Der Begriff der Verwertbarkeit bezieht sich auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO (Nack aaO § 100 d Rdn. 18; Meyer-Goßner aaO § 100 d Rdn. 6). Dies folgt schon aus dem Vergleich zu § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO, der die Verwendbarkeit "verwertbarer personenbezogener Daten" regelt, die in einem anderen Strafverfahren gewonnen worden sind. Durch die Verwendungsregelungen in § 100 d Abs. 5 StPO (seinerzeit: § 100 d Abs. 6 StPO aF) sollte ein den Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung (BVerfGE 109, 279) entsprechendes Schutzniveau geschaffen werden, um für den Bereich der Strafverfolgung die einfachgesetzlichen Regelungen zur Wohnraumüberwachung und der Verwendung der aus einer solchen Maßnahme - sei es auch auf anderer gesetzlicher Grundlage als derjenigen der StPO - erlangten personenbezogenen Informationen insgesamt verfassungsgemäß auszugestalten (BTDrucks. 15/4533 S. 1). Dies erforderte einen einheitlichen Anknüpfungspunkt , wie ihn die Verwertungsverbote des § 100 c StPO boten. Dementsprechend nimmt die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF durch den Verweis auf § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF auch auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO Bezug, die der Gesetzgeber im Regelungsbereich des § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF beachtet wissen wollte (vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 17 f.). Daraus erhellt, dass diese Verwertungsverbote auch im Rahmen des § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF (jetzt: § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO) Anwendung finden und dies durch die gesetzliche Verwendungsvoraussetzung der "verwertbaren" personenbezogenen Daten zum Ausdruck gebracht werden sollte.
32
Die Gegenauffassung, die auf eine Verwertbarkeit im polizeirechtlichen Ausgangsverfahren abstellen will (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64), könnte demgegenüber dazu führen, dass für die Verwendbarkeit durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen gewonnener Daten nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO andere , gegebenenfalls großzügigere Maßstäbe gelten würden, als für diejenige nach § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Denn im Polizeirecht kommt dem Aspekt der aus Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 1 GG abzuleitenden Schutzpflichten des Staates zur Abwehr von Gefahren insbesondere für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter eine weitaus größere Bedeutung zu als im Strafprozess (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht 4. Aufl. Rdn. 215 f.; Würtenberger /Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg 6. Aufl. Rdn. 659; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht 14. Aufl. § 17 Rdn. 69). Eine nach polizeirechtlichen Grundsätzen durchgeführte Abwägung zwischen den Grundrechten des durch die Maßnahme Betroffenen und den zu schützenden Rechtsgütern der Allgemeinheit oder eines Einzelnen könnte also auch dann noch zur Verwertbarkeit von erlangten Erkenntnissen führen, wenn diese nach strafpro- zessualen Grundsätzen zu verneinen wäre. Selbst wenn man für das Merkmal der Verwertbarkeit in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur auf die polizeirechtlichen Regelungen zum Kernbereichsschutz abstellen wollte, könnte aufgrund der insoweit teilweise unterschiedlichen Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder und des Bundes (vgl. dazu Wolter aaO § 100 c Rdn. 17, 19) die Verwendung im Strafverfahren davon abhängen, in welchem Bundesland bzw. nach welchem Bundesgesetz die Maßnahme angeordnet wurde. Dies wäre in sich nicht stimmig.
33
Unverwertbare Daten im Sinne des § 100 c Abs. 4-6 StPO sind vorliegend nicht verwendet, insbesondere in dem angefochtenen Urteil nicht gegen die Beschwerdeführer verwertet worden (dazu unten 2. d) und e).
34
2. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Verwendung der durch die Wohnraumüberwachung auf polizeirechtlicher Grundlage gewonnenen Daten im Strafverfahren gegen die Angeklagten liegen vor.
35
a) Das zur Erhebung der Daten ermächtigende Gesetz gestattet deren Umwidmung für Zwecke der Strafverfolgung (s. dazu Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 d Rdn. 65; allgemein zu dieser Voraussetzung Singelnstein ZStW 120 (2008), 854, 859 ff.). Die entsprechende Verwendungsbefugnis enthält § 29 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 POG RhPf, der auch bereits im Zeitpunkt der Verwertung der Daten in dem angefochtenen Urteil galt.
36
b) Zutreffend machen die Beschwerdeführer allerdings geltend, dass § 29 POG RhPf aF, auf den die akustische Überwachung der Wohnung des Angeklagten K. gestützt worden war, nicht in vollem Umfang verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprach. Dies führt indes nicht dazu, dass die aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse nicht gemäß § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO im Strafverfahren gegen die Angeklagten verwendet werden durften. Hierzu gilt:
37
§ 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 c Rdn. 32; Eisenberg, Beweisrecht der StPO 6. Aufl. Rdn. 358; s. auch Singelnstein aaO S. 887 f.; Griesbaum in KK § 161 Rdn. 40 - jeweils zur parallelen Problematik bei § 161 Abs. 2 StPO; BGHSt 48, 240, 249; BGHR StPO § 100 a Verwertungsverbot 10; Schäfer in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl. § 100 a Rdn. 87 - jeweils zur Verwendungsregelung des § 100 b Abs. 5 StPO aF).
38
aa) Bedingung dafür ist zunächst eine wirksame Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 13 GG genügt (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64 f.). Ermächtigungsgrundlage war hier § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF, der die Erhebung von Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in der Wohnung des Betroffenen zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit erlaubte. Diese Eingriffsvoraussetzungen stehen im Einklang mit der das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG einschränkenden Vorschrift des Art. 13 Abs. 4 GG, die eine Wohnraumüberwachung zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit , also bei einer konkreten Gefährdung eines wichtigen Rechtsgutes (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG 10. Aufl. Art. 13 Rdn. 30) zulässt. Durch die Aufzählung einer gemeinen Gefahr und der Lebensgefahr in Art. 13 Abs. 4 GG wird die Eingriffsschwelle beispielhaft definiert (Gornig in v. Mangoldt/Klein/Stark, GG 5. Aufl. Art. 13 Rdn. 126), was auch bei der Auslegung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF zu berücksichtigen ist. Bei Beachtung dieser Maßstäbe ergeben sich insoweit keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Eingriffsermächtigung (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577 zum weitgehend inhaltsgleichen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf nF). Diese ist auch einfachrechtlich hinreichend bestimmt: Der unbestimmte Rechtsbegriff der dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist insbesondere durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte konturiert worden und setzt voraus, dass bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Schädigung eines hochrangigen Rechtsguts droht; auf eine zeitliche Komponente, etwa in dem Sinne, dass der Schadenseintritt unmittelbar bevorstehen muss, kommt es hingegen nicht entscheidend an (BVerwGE 47, 31, 40; Jarass aaO Art. 13 Rdn. 37).
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Die von den Beschwerdeführern zur Begründung ihrer Gegenauffassung herangezogene verfassungsgerichtliche Rechtsprechung (BVerfGE 113, 348; MVVerfG LKV 2000, 345) ist nicht einschlägig. Die in jenen Entscheidungen für nichtig erklärten Vorschriften des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG MV ) bzw. § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 Niedersächsisches Gesetz über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG Nds.) knüpften als Eingriffsvoraussetzung nicht an die Abwehr einer dringenden Gefahr, sondern an die vorsorgende Strafverfolgung und Verhütung von Straftaten an (BVerfGE 113, 348, 350 f., 368 f.; MVVerfG LKV 2000, 345, 349 f.; siehe auch VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577). Die mit § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf vergleichbare Vorschrift des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SOG M-V, der die Wohnraumüberwachung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zulässt, ist nach der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern hingegen verfassungsgemäß (MVVerfG LKV 2000, 345, 349); der unter den gleichen Voraussetzungen die Anordnung der Telefonüberwachung zulassende § 33 a Abs. 1 Nr. 1 SOG Nds. war nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, weil er in jenem Verfahren mit der Verfassungsbeschwerde nicht angefochten worden war. Aus den vorgenannten Entscheidungen lassen sich verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF somit nicht herleiten.
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Die Ermächtigungsgrundlage genügte auch im Hinblick auf den in der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG geforderten Richtervorbehalt den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. § 29 Abs. 4 Satz 1 POG RhPf aF).
41
bb) Jedoch enthielt der am 3. März 2004 in Kraft getretene § 29 POG RhPf aF keine Vorschriften zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Solche Regelungen hatte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom selben Tag zur Anordnung einer Wohnraumüberwachung nach der Strafprozessordnung gefordert und die §§ 100 c, 100 d, 100 f und 101 StPO aF deshalb teilweise für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Gleichwohl hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zur Neufassung dieser Bestimmungen eingeräumt, in der die bisherigen Regelungen unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten Vorgaben zum Schutz der Menschenwürde und zur Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit fortgalten (BVerfGE 109, 279). Mittlerweile - und auch bereits im Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht - sind solche Regelungen zum Kernbereichsschutz sowohl in § 100 c Abs. 4-6 StPO als auch in § 29 Abs. 3-6 POG RhPf nF enthalten.
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Das Fehlen von Kernbereichsschutzregelungen in § 29 POG RhPf aF führt nicht zur Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse.
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(1) Nicht zu teilen vermag der Senat allerdings die vom Oberlandesgericht und - ihm folgend - vom Generalbundesanwalt vertretene Auffassung, die Vorschrift sei einer verfassungskonformen Auslegung dahin zugänglich gewesen , dass sie unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben jedenfalls für eine Übergangszeit der Verfassung entsprochen habe und so als rechtmäßige Ermächtigungsgrundlage für Wohnraumüberwachungsmaßnahmen habe dienen können.
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Eine verfassungskonforme Auslegung kommt in Betracht, wenn eine auslegungsfähige Norm nach den üblichen Interpretationsregeln mehrere Auslegungen zulässt, von denen eine oder mehrere mit der Verfassung übereinstimmen , während andere zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen (BVerfGE 19, 1, 5; 32, 373, 383 f.; 48, 40, 45). Die Grenzen einer solchen Auslegung sind indes erreicht, wenn durch sie der wesentliche Inhalt der gesetzlichen Regelung erst geschaffen werden müsste (BVerfGE 8, 71, 78 f.; 45, 393, 400); es steht den Fachgerichten insbesondere in Fällen, in denen der Gesetzgeber unterschiedliche Möglichkeiten zu einer verfassungskonformen Neuregelung hat, nicht zu, die gesetzgeberische Aufgabe der Rechtssetzung zu übernehmen (BVerfGE 72, 51, 62 f.; 100, 313, 396; vgl. auch BVerfGE 8, 71, 79). Hier erweist sich die vom Oberlandesgericht vorgenommene "verfassungskonforme Auslegung" der Sache nach als übergangsweise Regelung zur Fortgeltung eines mit der Verfassung nicht vereinbaren Gesetzes unter Berücksichtigung bestimmter verfassungsrechtlicher Vorgaben; zu solchen Übergangsregelungen sind gemäß § 35 BVerfGG nur das Bundesverfassungsgericht bzw. nach den entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften die Landesverfassungsgerichte befugt (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG § 35 Rdn. 69, 43; Heusch in Mitarbeiterkommentar-BVerfGG 2. Aufl.
§ 31 Rdn. 81 f.; s. etwa § 26 Abs. 3 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz).
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Gegen die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung mit dem vom Oberlandesgericht angenommenen Inhalt spricht zudem, dass sich das Bundesverfassungsgericht selbst - bezogen auf die Vorschriften der Strafprozessordnung - zu einer solchen außer Stande sah und ausdrücklich eine Regelung durch den Gesetzgeber forderte (BVerfGE 109, 279). In Kenntnis der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts hat auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof die die Wohnraumüberwachung zulassenden Vorschriften im Sächsischen Verfassungsschutzgesetz, die ebenfalls keine Regelungen zum Kernbereichsschutz enthielten, nicht aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung unbeanstandet gelassen, sondern sie unter Bestimmung einer Übergangsfrist für mit der Verfassung unvereinbar erklärt (SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
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(2) Obwohl danach wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz von der Unvereinbarkeit des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF mit Art. 13 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und damit von der Rechtswidrigkeit der Wohnraumüberwachung ausgegangen werden muss, lässt dies hier die Verwendbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO unberührt.
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Nach ständiger Rechtsprechung führt nicht jeder Rechtsverstoß bei der strafprozessualen Beweisgewinnung zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Bedeutsam sind dabei insbesondere die Art des etwaigen Beweiserhebungsverbots und das Gewicht des in Rede stehen- den Verfahrensverstoßes, das seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird (vgl. BGHSt 19, 325, 329 ff.; 27, 355, 357; 31, 304, 307 ff.; 35, 32, 34 f.; 37, 30, 31 f.; 38, 214, 219 ff.; 38, 372, 373 f.; 42, 372, 377; 44, 243, 249; BGH NStZ 2007, 601, 602; BVerfG NStZ 2006, 46; NJW 2008, 3053). Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass die Annahme eines Verwertungsverbots ein wesentliches Prinzip des Strafverfahrensrechts - den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind - einschränkt. Aus diesem Grund stellt ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (BGHSt 37, 30, 32 m. w. N.; 44, 243, 249).
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Diese Grundsätze gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung eingeführten Verwendungsregelungen (der Sache nach auch BGHSt 48, 240, 249 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF), zu denen auch § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO zählt.
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Zwar wird in Teilen der Literatur die Auffassung vertreten, Verwendungsregelungen müssten bei Nichtvorliegen ihrer Voraussetzungen stets wie ein geschriebenes Verwertungsverbot wirken, das keiner Abwägung zugänglich sei, so dass in derartigen Fällen jegliche Verwendung und damit auch jede Verwertung der jeweils in Rede stehenden Daten ausgeschlossen werden müsse (Singelnstein aaO S. 889 m. w. N.). Nach dieser Ansicht sollen sich - mangels einer ausdrücklichen Ermächtigung, auch rechtswidrig erlangte Erkenntnisse für einen anderen Verfahrenszweck umzuwidmen - die Verwendungsregelungen der Strafprozessordnung ausschließlich auf rechtmäßig erhobene Daten beziehen, weil eine rechtswidrige Datenerhebung im Vergleich zu einer rechtmäßigen ei- nen schwereren Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstelle (Singelnstein aaO S. 887 f.).
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Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Eine solche Beschränkung nur auf rechtmäßig erhobene Daten ergibt sich aus dem Wortlaut der Verwendungsregelungen nicht. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften zur Verwendung von Erkenntnissen aus präventiv-polizeilichen Maßnahmen im Strafverfahren ist allerdings zu entnehmen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von der rechtmäßigen Datenerhebung ausgegangen ist (Wollweber NJW 2000, 3623 unter Hinweis auf die Materialien zum Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, vgl. BRDrucks. 64/00 S. 6 f.). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass auf polizeigesetzlicher Grundlage rechtswidrig erhobene Daten unter keinen Umständen für Zwecke des Strafverfahrens zur Verfügung stehen sollten (Zöller in Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit 2. Aufl. S. 496 f.). Denn es entspricht der üblichen Regelungstechnik der Strafprozessordnung, dass der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen normiert, unter denen zur strafprozessualen Beweisgewinnung durch Ermittlungsmaßnahmen rechtmäßig in (Grund-)Rechte der jeweils Betroffenen eingegriffen werden darf, jedoch - abgesehen von wenigen Ausnahmen (s. etwa § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO) - keine Bestimmungen dazu trifft, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen rechtswidrig erlangte Beweisergebnisse im weiteren Verfahren verwertet werden dürfen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Regelungen zur Verwendung von Daten, die in anderen Verfahren und eventuell auch unter Geltung anderer Rechtsgrundlagen für die Informationsbeschaffung gewonnen worden sind, von diesem Konzept abweichen wollte.
51
Auch von Verfassungs wegen folgt aus der Rechtswidrigkeit einer Datenerhebung nicht zwangsläufig das Verbot einer zweckändernden Verwendung (Wolter aaO vor § 151 Rdn. 167 a; Albers, Die Determination polizeilicher Tätigkeit in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge S. 330 f.; Singelnstein aaO S. 887). Damit entspricht die rechtliche Ausgangslage aber derjenigen bei den sog. relativen Verwertungsverboten. Auch hier besteht ein ausdrückliches gesetzliches Verwertungsverbot nicht; ob die gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise unverwertbar sind, wird auf der Grundlage der oben dargestellten Abwägungskriterien vielmehr nur deshalb geprüft, weil die Ermittlungsbehörden bei der Beweisgewinnung gegen Vorschriften der Strafprozessordnung verstoßen haben, von deren Einhaltung durch die Behörden der Gesetzgeber grundsätzlich ausgeht. Wenn aber in diesen Fällen die Rechtswidrigkeit der Ermittlungshandlung nicht stets zur Unverwertbarkeit der Beweismittel führt, so ist kein Grund dafür ersichtlich, in der vergleichbaren Situation der Verwendungsregelungen jede Verwendung und damit auch die Verwertung von der Rechtmäßigkeit der Datengewinnung abhängig zu machen. Besonders augenfällig wird dies bei der Vorschrift des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO, die die Verwendung von Zufallsfunden regelt: Während die Rechtswidrigkeit der Ermittlungsmaßnahme die Verwertbarkeit der Erkenntnisse zu der Straftat, zu deren Aufklärung sie angeordnet wurde, gegebenenfalls unberührt lassen würde, dürften gleichzeitig gewonnene Beweisergebnisse, die eine andere Tat des selben Täters betreffen, nicht verwertet werden. Diesem unstimmigen Ergebnis kann auch nicht mit dem Hinweis darauf begegnet werden, dass die Zweckänderung einen erneuten Grundrechtseingriff darstellt, der durch die Verwendungsregelung nur gerechtfertigt werden könne, wenn die Datenerhebung selbst rechtmäßig war. Denn auch die Verwertung von rechtswidrig erlangten Erkenntnissen in demselben Verfahren stellt einen erneuten Grundrechtseingriff oder zumindest eine Vertiefung des zuvor erfolgten dar. Dessen Rechtfertigung kann sich bei einem Überwiegen der Belange der Allgemeinheit, insbesondere des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung - einem Prinzip von Verfassungsrang (BVerfGE 44, 353, 374; BVerfG StV 1985, 177) - aus der nach den dargestellten Grundsätzen vorzunehmenden Güterabwägung ergeben.
52
Ob - was allerdings nahe liegen dürfte - von diesem Ergebnis abzuweichen ist, wenn durch die Nutzung der rechtswidrig erhobenen Daten eine in der Verwendungsregelung enthaltene Beschränkung umgangen würde, etwa wenn die Wohnraumüberwachung nicht zur Aufklärung einer Katalogtat oder eines vergleichbaren präventiv-polizeilichen Zwecks angeordnet wurde (vgl. Albers aaO S. 331; Schäfer aaO § 100 a Rdn. 97 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF; Weßlau in SK-StPO § 477 Rdn. 41; in diesem Sinne wohl auch Dencker in FS für Meyer -Goßner S. 237, 249 f.), kann der Senat offen lassen. Zu einer solchen Verletzung der Verwendungsbeschränkung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO ist es nicht gekommen (dazu oben 1. a). Im Übrigen würde in solchen Fällen auch die Auffassung, die ein Verwertungsverbot von einer Güterabwägung abhängig macht, regelmäßig zu dem Ergebnis einer Unverwertbarkeit der Daten gelangen (vgl. BGHSt 31, 304, 309; 41, 30; 47, 362).
53
Für alle anderen Verstöße ist abzuwägen, ob die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung auch die zweckändernde Verwendung und damit hier die Verwertung im Strafverfahren verbietet (vgl. Nack aaO § 100 d Rdn. 31 ff.; Albers aaO S. 331 f.; vgl. auch Wolter aaO § 100 d Rdn. 69, der bei "Minimalverstößen" ebenfalls eine Abwägung für geboten hält, aA wohl Singelnstein aaO).
54
(3) Ist nach alledem eine Verwendung der aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung erlangten Daten wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz in § 29 POG RhPf aF und einer daraus resultierenden Rechtswidrigkeit der Maßnahme nicht von vornherein ausgeschlossen, ergibt die vorzunehmende Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung, was zur Verwertbarkeit der gewonnen Erkenntnisse führt. Im Einzelnen:
55
Der Rechtsverstoß bei der Informationsbeschaffung liegt hier darin, dass die Abhörmaßnahme auf der Grundlage einer mit dem Grundgesetz nicht in vollem Umfang vereinbaren einfachgesetzlichen Ermächtigung durchgeführt worden ist. Der Senat verkennt nicht, dass die Unvereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung mit höherrangigem Recht einen Verstoß von Gewicht begründet, der regelmäßig zur Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen wird. Jedoch sind vorliegend besondere Umstände zu beachten , die zu einer abweichenden Beurteilung führen:
56
Das Bundesverfassungsgericht hatte die entsprechenden strafprozessualen Regelungen trotz ihrer teilweisen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht für nichtig, sondern sie unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Erfordernisse einer funktionierenden Strafrechtspflege für eine Übergangszeit weiterhin für anwendbar erklärt. Dem entnimmt der Senat, dass auch § 29 POG RhPf aF, wäre er zur verfassungsrechtlichen Prüfung durch das Bundes- oder Landesverfassungsgericht gestellt worden, nicht etwa für nichtig, sondern unter entsprechenden Vorgaben ebenfalls für eine Übergangszeit für weiter anwendbar erklärt worden wäre (vgl. SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
57
Die Vorschrift des § 29 POG RhPf aF entsprach in Bezug auf den Überwachungsgrund der Gefahrenabwehr sowie im Hinblick auf die Eingriffsschwelle und den Richtervorbehalt der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG. Sie konnte die Maßgaben des Verfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensführung nicht berücksichtigen, weil für den Gesetzgeber noch keine Möglichkeit bestand, diese in das Gesetz einzuarbeiten; denn zwischen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der Erstanordnung der Maßnahme lagen nur etwas über vier Monate (das Bundesverfassungsgericht hatte dem Bundesgesetzgeber in seinem Urteil vom 3. März 2004 eine Frist von mehr als einem Jahr und drei Monaten zur verfassungskonformen Neufassung der einschlägigen Bestimmungen der Strafprozessordnung zur Wohnraumüberwachung gesetzt, vgl. BVerfGE 109, 279, 381). Gleichwohl waren Betroffene von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen im Hinblick auf ihr Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht schutzlos gestellt; vielmehr ergibt sich bei Fehlen entsprechender Vorschriften in den Polizeigesetzen ein solcher Schutz unmittelbar aus Art. 13 Abs. 4 GG in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aufgestellten Grundsätze (Wolter aaO § 100 c Rdn. 19 m. w. N.).
58
Bei dieser Ausgangslage war die Annahme des Polizeipräsidiums und der die präventiv-polizeiliche Wohnraumüberwachung anordnenden bzw. die Anordnung verlängernden Gerichte nicht unvertretbar, dass die Maßnahme trotz des Fehlens einer gesetzlichen Regelung zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung durchgeführt werden durfte und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durch entsprechende Vorkehrungen im Vollzug der Wohnraumüberwachung Rechnung getragen werden konnte. Jedenfalls stellte sich diese Annahme nicht als eine bewusste Umgehung des Gesetzes oder grundrechtlich geschützter Positionen der Angeklagten dar.
59
Nach alldem wiegt die teilweise Unvereinbarkeit des § 29 POG RhPf aF mit verfassungsrechtlichen Anforderungen hier nicht so schwer, dass sie eine nach den dargelegten Grundsätzen nur ausnahmsweise anzuerkennende Un- verwertbarkeit der bei der Wohnraumüberwachung erlangten Erkenntnisse zur Folge hätte. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass wegen der Respektierung des Kernbereichs der privaten Lebensführung bei Durchführung der Maßnahme (s. unten d) und e) jedenfalls materiell ein ungerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht der Angeklagten K. und Y. A. aus Art. 13 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung ihrer Menschenwürde nicht vorlag. Angesichts dessen kann auch die überragende Bedeutung dieser Grundrechte keine andere Beurteilung rechtfertigen.
60
c) Die Anordnung der Wohnraumüberwachung unterliegt im Übrigen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die entgegenstehende Rüge, mit der die Beschwerdeführer geltend machen, die Voraussetzungen einer Anordnung der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF hätten nicht vorgelegen, ist unbegründet.
61
aa) Die Anordnung wurde nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Anordnungsbeschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit getroffen. Auch in der Sache lag kein Eingriff zur bloßen Gefahrenvorsorge oder zur vorbeugenden Strafverfolgung vor.
62
Die gegenteilige Ansicht der Beschwerdeführer beruht auf einer Verkennung des Begriffs der dringenden Gefahr. Eine solche braucht nicht bereits eingetreten zu sein; es genügt, dass die Beschränkung des Grundrechts dem Zweck dient, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen würde (vgl. BVerfGE 17, 232, 251 f.). Damit liegt eine dringende Gefahr im Sinne des für den vorliegenden Eingriff maßgeblichen § 13 Abs. 4 GG vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein bedeutendes Rechtsgut schädigen wird (vgl. BVerwGE 47, 31, 40). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind zudem an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden wäre (BVerwGE 47, 31, 40; 57, 61, 65; 88, 348, 351; 116, 347, 356; Gusy, Polizeirecht 6. Aufl. Rdn. 119; vgl. BVerfGE 49, 89, 135 ff.). Zuzugeben ist den Beschwerdeführern insoweit allerdings, dass auch angesichts der Größe eines möglichen Schadens bloße Vermutungen oder die Inbezugnahme einer allgemeinen Sicherheitslage nicht zur Begründung einer Gefahr ausreichend sind; erforderlich ist vielmehr eine im konkreten Fall durch hinreichende Tatsachen zu belegende Gefahrenlage (BVerfGE 115, 320, 368 f.).
63
Nach diesen Grundsätzen ist die Anordnung der Wohnraumüberwachung durch das Landgericht M. jedenfalls im Ergebnis insoweit nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen einer dringenden Gefahr auf die konkreten Einwände der Beschwerdeführer gegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme anhand einer eigenständigen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Anordnung (vgl. dazu BGHSt 47, 362, 367) geprüft und - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - im Beschluss vom 21. August 2007 mit plausibler und rechtlich nicht zu beanstandender Begründung bejaht. Dabei hat es insbesondere darauf abgestellt , dass die Ermittlungslage wegen einer zu vorangegangenen Terroranschlägen parallelen Grundkonstellation befürchten ließ, dass in der Wohnung des Angeklagten K. Planungs- oder Vorbereitungshandlungen für Terroranschläge , also schwerste Straftaten gegen Leib und Leben Unbeteiligter durchgeführt würden, und damit eine gemeine Gefahr (vgl. dazu Gornig in v. Mangoldt /Klein/Stark, GG aaO Art. 13 Rdn. 127) vorlag. Diese Einschätzung basierte nicht auf bloßen Vermutungen, sondern auf konkreten Tatsachen, namentlich der extremistischen Grundeinstellung der sich in der Wohnung des Angeklagten K. treffenden Personen, ihren teilweisen Kontakten zu weiteren Personen, gegen die wegen des Verdachts der Einbindung in terroristische Netzwerke ermittelt wurde, dem konkreten Verdacht, dass der Angeklagte K. Kontakt zu terroristischen Strukturen in Afghanistan aufgenommen und sich dort an Kampfhandlungen beteiligt hatte, sowie nicht zuletzt auf dem Umstand, dass die Besucher der Wohnung konspirativ miteinander kommunizierten und sich Observationsmaßnahmen entzogen.
64
Die Einwendungen der Revisionen gehen auf die eine konkrete Gefahrenlage begründenden Umstände nicht ein und beschränken sich auf eine - im Revisionsverfahren unbehelfliche - eigene, abweichende Wertung des Ermittlungsstandes , der - wie vom Generalbundesanwalt aufgezeigt - teilweise auch unzutreffend wiedergegeben wird. Soweit sie darauf abstellen, dass sich im Zeitpunkt der Anordnung vorliegende Verdachtsmomente in der Hauptverhandlung nicht bestätigt hätten (Kodiertabelle), können sie mit diesem Einwand nicht gehört werden: Im Polizeirecht beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle einer Gefahrenprognose auf eine Überprüfung der tatsächlichen Anhaltspunkte und den daraus resultierenden Schluss auf zukünftige Schäden aus einer ex-antePerspektive (Gusy aaO Rdn. 121).
65
bb) Der Rechtmäßigkeit der Anordnung steht - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - nicht entgegen, dass sie sich in Rubrum und Tenor des Beschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 nicht auch gegen den Angeklagten Y. A. als weiteren Bewohner der überwachten Wohnung richtete. Insbesondere ist die Behauptung der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar, die Polizei habe es bewusst unterlassen, eine entsprechende richterliche Anordnung auch gegen ihn einzuholen. Aufgrund der Angaben in dem Antrag des Polizeipräsidiums war dem Landgericht M. ausweislich des Beschlusses bekannt, dass der Angeklagte Y. A. in der Wohnung des Angeklagten K. gemeldet war. Von einer bewussten Umgehung oder Missachtung des Richtervorbehalts kann mithin keine Rede sein. Der Angeklagte wurde vielmehr in ihn nicht beschwerender Weise im Ergebnis wie ein Dritter im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 POG RhPf aF behandelt; auch insoweit war die Aufzeichnung des von ihm gesprochenen Wortes zulässig.
66
Die Anordnung hätte nach den obigen Darlegungen zudem auch gegen den Angeklagten Y. A. jederzeit erwirkt werden können. Dieser Umstand führt dazu, dass auch dann nicht von einer Unverwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse auszugehen wäre, wenn man insoweit von einer Fehlerhaftigkeit der Anordnung ausgehen wollte. Vielmehr ist nach den oben dargelegten Grundsätzen in Fällen der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme im Wege einer Abwägung zu ermitteln, ob die so gewonnenen Daten verwendet werden dürfen (dazu oben b) bb) (2)). Eine solche Abwägung würde hier wegen der unproblematisch möglichen Anordnung der Maßnahme auch gegenüber dem Angeklagten Y. A. zur Verwendbarkeit und damit auch zur Verwertbarkeit der Ergebnisse der Wohnraumüberwachung führen. Denn angesichts der daraus resultierenden Geringfügigkeit eines etwaigen Verstoßes würden die öffentlichen Belange, namentlich die gerichtliche Aufklärungspflicht und das öffentliche Strafverfolgungsinteresse vorgehen.
67
cc) Die Einwendungen der Revisionen gegen den Verlängerungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 greifen ebenfalls nicht durch. Soweit damit nicht die Beanstandungen gegenüber der Erstanordnung wiederholt werden, beschränken sich die Beschwerdeführer darauf, dass die durchgeführte Überwachung eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit , insbesondere wegen konkreter Anschlagsplanungen, nicht ergeben habe.
68
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, hat sich das Oberlandesgericht mit diesem Argument bereits eingehend auseinandergesetzt und anhand einer freibeweislichen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Verlängerung das weitere Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit nach eingehender Prüfung anhand konkreter Tatsachen gleichwohl bejaht. Rechtsfehler zeigen die Revisionen auch insoweit nicht auf. Hinweise auf eine Rechtswidrigkeit der Verlängerung der Wohnraumüberwachung , die zu einer Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen könnten, ergeben sich damit nicht.
69
d) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung seien insgesamt "wegen Verletzung des Schutzes des Kernbereichs der Persönlichkeit" unverwertbar. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
70
Im Ausgangspunkt zutreffend ist die Annahme, dass nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur solche Daten verwendet werden dürfen, die nicht unter ein Verwertungsverbot aus § 100 c StPO fallen (dazu oben 1. b). Die Vorschrift des § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO normiert ein Verwertungsverbot für Erkenntnisse aus Äußerungen, die dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Daraus ergibt sich indes kein umfassendes Verwertungsverbot für alle aus einer Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse, sondern nur für diejenigen, die durch eine Kernbereichsverletzung erzielt wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 29; Wolter aaO § 100 c Rdn. 71). Dass kernbereichsrelevante Gesprächsteile in dem Urteil gegen sie verwertet worden seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht. Dies ergibt sich auch nicht aus dem angefochtenen Urteil, das die verwerteten Passagen zitiert; diese lassen Kernbereichsverletzungen nicht erkennen.
71
aa) Nach der hier über § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO heranzuziehenden gesetzlichen Regelung in § 100 c StPO kommt eine Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme nur in Betracht, wenn gegen das Beweiserhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO verstoßen wurde (Nack aaO § 100 d Rdn. 28; Wolter aaO § 100 c Rdn. 73; vgl. auch BVerfGE 109, 279, 331). Ob ein solches Verwertungsverbot vorliegt, hat das erkennende Gericht zu prüfen, dessen Entscheidung wiederum der revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt (Nack aaO § 100 c Rdn. 41).
72
Das Erhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO (und des inhaltsgleichen § 29 Abs. 3 POG RhPf nF) knüpft an die Anordnung der Maßnahme an. Diese darf nur ergehen, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. Sie erfordert somit eine negative Kernbereichsprognose durch das anordnende Gericht, für die - wie bei anderen Prognoseentscheidungen auch - ein Beurteilungsspielraum besteht (Nack aaO § 100 c Rdn. 25). Ein Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen das Erhebungsverbot besteht demnach nur dann, wenn das Gericht diesen Beurteilungsspielraum klar erkennbar und damit rechtsfehlerhaft überschritten hat (Wolter aaO § 100 c Rdn. 73).
73
Eine in diesem Sinne rechtsfehlerhafte Anordnung der Wohnraumüberwachung zeigen die Beschwerdeführer weder auf, noch ist sie ersichtlich. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der Aufzählung von Gesprächen, hinsichtlich derer eine Kernbereichsrelevanz lediglich pauschal durch schlagwortartige Bezeichnungen ("Beten", "Heirat", "Tod des Vaters" etc.) behauptet wird. Das Oberlandesgericht hat zudem auch insoweit auf der Grundlage einer Rekonstruktion der tatsächlichen Verhältnisse zum Anordnungszeitpunkt das Vorliegen einer negativen Kernbereichsprognose geprüft und bejaht. Die Beschwerdeführer legen erneut nicht dar, dass diese Entscheidung Rechtsfehler enthält. Es haben sich auch nach revisionsrechtlicher Prüfung keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Sachlage anders als vom Oberlandesgericht angenommen dargestellt hat, so dass eine vertiefte freibeweisliche Prüfung (vgl. BGHSt 16, 164, 166 f.) nicht veranlasst war. Der Senat neigt ohnehin der Ansicht zu, dass in Abkehr von bisheriger Rechtsprechung tatsächliche Feststellungen , die der Tatrichter freibeweislich trifft, in der Revisionsinstanz ebenso wie seine Überzeugungsbildung auf strengbeweislicher Grundlage nur auf Rechtsfehler in der Beweiswürdigung zu überprüfen sind; dies bedarf hier aus den dargelegten Gründen aber keiner näheren Erörterung.
74
bb) Die Rüge wendet sich der Sache nach gegen den Vollzug der Maßnahme. Durch die unzureichenden Handlungsanweisungen des Polizeipräsidiums sei es zu einer Vielzahl von Kernbereichsverletzungen gekommen, so dass die Maßnahme insgesamt unzulässig gewesen sei. Auch insoweit hat die Verfahrensbeanstandung keinen Erfolg.
75
Im Ansatz ist allerdings zutreffend, dass das Bundesverfassungsgericht nicht allein auf die richterliche Anordnung abgestellt, sondern ein umfassendes Verwertungsverbot für den Fall als erforderlich angesehen hat, dass die Behörden in Überschreitung der Ermächtigung die Wohnraumüberwachung durchführen , obwohl eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass mit ihr absolut geschützte , dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnende Gespräche erfasst werden (BVerfGE 109, 279, 331). Dementsprechend ist auch das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass ein nicht am Kernbereichs- schutz ausgerichteter Vollzug zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse aus der gesamten Maßnahme führen könnte.
76
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer genügte die tatsächliche Durchführung der Wohnraumüberwachung jedoch grundsätzlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift: In technischer und personeller Hinsicht war ein möglichst schonender Maßnahmevollzug bereits dadurch gewährleistet, dass in jedem Einzelfall durch den diensthabenden Polizeibeamten unter Zuhilfenahme des stets anwesenden Dolmetschers entschieden wurde, ob die Aufzeichnung gestartet wurde und wie lange sie andauerte. Soweit die generellen Handlungsanweisungen nach Ansicht des Oberlandesgerichts rechtlich bedenklich waren, hat es die Erkenntnisse entweder nicht verwertet (Selbstgespräche des Angeklagten K. ) oder - im Hinblick auf die den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügende Handlungsanweisung, dass eine Abschaltung nur bei "wesentlicher" Verletzung des Kernbereichs über "zweifelsfrei längere Zeit" zu erfolgen habe - die Gespräche einer eingehenden Prüfung unterzogen, die eine Erfassung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte nicht ergab. Diese Handlungsanweisung galt entgegen der insoweit zumindest missverständlichen Darstellung der Beschwerdeführer ohnehin nur für den ersten Abschnitt der Maßnahme bis zum 4. November 2004. Ab diesem Zeitpunkt wurde sie durch eine den Kernbereichsschutz noch verstärkende Anordnung ersetzt. Eine bewusste oder planmäßige Überschreitung der Ermächtigung zur Wohnraumüberwachung durch die Polizeibehörden ergibt sich danach nicht. Diese waren vielmehr mit hohem personellem und technischem Aufwand bemüht, die verfassungsgerichtlichen Vorgaben umzusetzen.
77
Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, es sei ein zu enger Maßstab an den Kernbereich privater Lebensgestaltung angelegt worden, verschweigen sie in diesem Zusammenhang, dass sich das Oberlandesgericht bereits in der Hauptverhandlung auf den Vortrag einer Vielzahl von angeblichen Kernbereichsverletzungen damit auseinandergesetzt hat, dass die aufgenommenen Gebete in gefahrrelevante Gespräche über die Rechtfertigung von terroristischen Anschlägen oder die Verherrlichung des "Märtyrertods" eingebettet waren und deshalb nicht höchstpersönliche Gefühle oder Gedanken und damit den Kernbereich berührten. Auch die weiteren von den Revisionen schlagwortartig genannten Themen "Heirat" und "Familie" betrafen nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts Gespräche, die sich vorrangig auf die Erlangung eines gesicherten Aufenthaltsstatus in Europa bezogen oder im Zusammenhang mit dem geplanten Versicherungsbetrug standen, der wegen der dadurch möglichen finanziellen Versorgung der Familie eine Voraussetzung für den von dem Angeklagten Y. A. angestrebten "Märtyrertod" war. Die Beurteilung, dass mit der Aufzeichnung solcher Gespräche nicht in den Kernbereich eingegriffen wurde, ist - wie bereits vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt - rechtsfehlerfrei.
78
Nach alledem ist für einen den Kernbereichsschutz von vornherein außer Acht lassenden Maßnahmevollzug, der allein zur Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung führen könnte, nichts ersichtlich. Vielmehr verbleibt es - soweit es zu Kernbereichsverletzungen gekommen sein sollte - bei dem aus § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO resultierenden Verwertungsverbot in Bezug auf solche einzelnen Gespräche.
79
Angesichts dessen kann offen bleiben, ob der Vortrag der Revisionen zu einzelnen Kernbereichsverletzungen den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Da eine Verwertung der entsprechenden Gesprächspassagen nicht konkret behauptet wird und sich aus dem angefochtenen Urteil auch nicht ergibt, ist die Rüge insoweit jedenfalls unbegründet.
80
e) Auch soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus in Bezug auf die Gespräche, an denen die Angeklagten Y. und I. A. bzw. ihr Bruder A. A. beteiligt waren, ein Verwertungsverbot nach § 52 StPO bzw. gemäß § 100 c Abs. 6, § 52 StPO geltend machen, bleiben ihre Beanstandungen ohne Erfolg.
81
Rechtlich verfehlt ist die Auffassung der Revisionen, § 100 c Abs. 6 StPO komme jedenfalls für die aufgrund der präventiv-polizeilichen Ermächtigungsgrundlage des § 29 Abs. 1 POG RhPf aF gewonnenen Erkenntnisse nicht zur Anwendung, weil sich die Vorschrift nur auf strafprozessuale Wohnraumüberwachungsmaßnahmen beziehe. Wie bereits dargelegt (dazu 1. b) sind mit der Formulierung in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO, dass nur "verwertbare" Daten aus einer nach anderen Gesetzen durchgeführten Maßnahme im Strafverfahren verwendet werden dürfen, die Verwertungsverbote des § 100 c StPO angesprochen. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, der infolgedessen die Entscheidung, ob er von seinem Recht Gebrauch machen möchte, nicht mehr treffen kann, richtet sich die Verwertbarkeit daher stets nach der Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO. Dies folgt bei Erkenntnissen aus einer polizeilichen Maßnahme aus der Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO; bei solchen aus einer strafprozessualen Maßnahme gilt § 100 c Abs. 6 StPO entweder unmittelbar oder - wenn wie hier mit dem Angeklagten I. A. ein zunächst Unverdächtiger betroffen ist - über die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Für eine isolierte Anwen- dung des § 52 StPO ist daneben kein Raum (vgl. BGHSt 40, 211; BGH NStZ 1999, 416).
82
Danach gilt für die Angeklagten Y. und I. A. § 100 c Abs. 6 Satz 3 StPO mit der Folge, dass ihre im Rahmen der aufgezeichneten Gespräche abgegebenen Äußerungen unbeschränkt verwertbar sind (vgl. § 160 a Abs. 4 StPO). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kommt es für die Frage der Verwertbarkeit nicht darauf an, ob bereits im Zeitpunkt der Gesprächsaufzeichnungen ein Tatverdacht bezüglich einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 2 StPO gegen den Angeklagten I. A. bestand. Denn es handelt sich bei der verfassungskonformen Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO (vgl. BVerfG NJW 2007, 2753) um eine Verwertungsregelung , so dass allein auf den Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil abzustellen ist, in welchem angesichts der Anklageerhebung und des Eröffnungsbeschlusses des Oberlandesgerichts jedenfalls ein hinreichender Tatverdacht gegeben war, dass der Angeklagte I. A. sich der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht hatte. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn für Gespräche mit Zeugnisverweigerungsberechtigten ein Beweiserhebungsverbot gälte; ein solches hat indes auch das Bundesverfassungsgericht nicht gefordert (vgl. BVerfGE 109, 279, 331 ff.).
83
Der Verwertung steht auch die von den Beschwerdeführern zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unverwertbarkeit von Erkenntnissen aus beschlagnahmefreien Urkunden im Sinne des § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO (BGH NStZ 2001, 604, 606) nicht entgegen. Dort resultierte die Unverwertbarkeit der Erkenntnisse, die erst einen Tatverdacht hätten begründen können, aus dem Umstand, dass bereits die Beweiserhebung unzulässig war (BGH aaO). Die Regelungen des § 100 c Abs. 6 StPO haben indes lediglich ein Ver- wertungsverbot im Hinblick auf im Übrigen - so auch hier - zulässig erlangte Beweismittel zum Gegenstand.
84
Auch die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführer, die von dem Oberlandesgericht vorgenommene Abwägung zur Verwertung der Äußerungen des nicht tatverdächtigen Bruders der Angeklagten, A. A. , nach § 100 c Abs. 6 Satz 2 StPO sei rechtsfehlerhaft, greifen nicht durch. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts.
85
3. Die Beschwerdeführer rügen weiter die Verwertung der Erkenntnisse aus den auf strafprozessualer Grundlage ergangenen Anordnungen der Wohnraumüberwachung. Diese hätten nicht ergehen dürfen, weil sie sich auf unverwertbare Erkenntnisse aus der zuvor angeordneten Maßnahme nach § 29 POG RhPf aF gestützt hätten.
86
Da die Erkenntnisse aus der polizeilichen Wohnraumüberwachung indes verwendbar waren (vgl. oben 2. b) bb), konnten sie auch im Zeitpunkt der ersten strafprozessualen Anordnung zur Begründung des Tatverdachts verwendet werden (vgl. § 100 f Abs. 2 StPO aF).
87
Hinsichtlich der Verwertbarkeit der Erkenntnisse gelten die Ausführungen zu 1. d) und e) entsprechend, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
88
II. Rundumüberwachung
89
Die Beschwerdeführer rügen die Verwertung von Erkenntnissen aus weiteren geheimen Ermittlungsmaßnahmen und machen in diesem Zusammen- hang geltend, dass diese - kumulativ zu der angeordneten Wohnraumüberwachung - zu einer unzulässigen Rundumüberwachung geführt hätten, aus der sich wiederum die Unverwertbarkeit auch der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung ergebe.
90
Den Revisionsbegründungen sowie der Gegenerklärung des Generalbundesanwalts vom 15. Oktober 2008, der die Beschwerdeführer insoweit zugestimmt haben, lässt sich folgender Verfahrenssachverhalt entnehmen:
91
Die Wohnraumüberwachung dauerte - wie dargelegt - vom 24. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 und damit über einen Zeitraum von etwa fünf Monaten. Die Dauer der aufgezeichneten Gespräche betrug hingegen nur einen Bruchteil; sie machte im Verhältnis zur Gesamtdauer der Maßnahme lediglich 8,4 % aus. Die Zeiten, in denen die Polizeibehörden das gesprochene Wort in der Wohnung des Angeklagten K. nicht nur nicht aufzeichneten sondern auch nicht abhörten, sind nicht dokumentiert. Aus technischen Gründen war es nicht möglich, bei abgeschalteter Aufzeichnung auch das Mithören nachweisbar zu unterbrechen, was zunächst nur durch ein Abdrehen der Lautstärke, später auch durch ein Betätigen der "Stopp-Taste" an den eingesetzten Rekordern zu erreichen war.
92
Darüber hinaus wurden folgende Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt:
93
Vom 9. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 wurde auf Anordnung des Landgerichts (Beschluss vom 14. Juli 2004) beziehungsweise des Amtsgerichts M. (Beschluss vom 12. Oktober 2004) der Eingang des Hauses videoüberwacht , in dem sich die Wohnung des Angeklagten K. befand. Mit Beschluss vom 21. September 2004 genehmigte das Amtsgericht M. darüber hinaus die Videoüberwachung eines Telefonladens, den die Angeklagten K. und Y. A. gelegentlich aufsuchten. Die Maßnahme war auf die Dauer von zwei Monaten befristet. Für das Wochenende vom 22. bis 24. Oktober 2004 ordnete das Polizeipräsidium zudem die Anbringung eines GPSSenders an zwei von dem Angeklagten Y. A. genutzten Fahrzeugen an. Diese Maßnahmen beruhten auf polizeirechtlicher Grundlage (§ 28 POG RhPf).
94
Am 8. November 2004 ordnete der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof auf Antrag des Generalbundesanwalts die Herausgabe der Verbindungsdaten von insgesamt sechs am 9. Oktober 2004 aus fünf verschiedenen öffentlichen Telefonzellen in Mü. geführten Gesprächen an. Der Generalbundesanwalt verfügte am 10. November 2004 die Anordnung einer planmäßig angelegten Beobachtung des Angeklagten Y. A. für die Dauer von einem Monat. Mit Beschluss des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 9. Dezember 2004 wurde diese Observation um drei Monate verlängert ; sie dauerte bis zur vorläufigen Festnahme des Angeklagten fort. Mit Beschlüssen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 12. November 2004 wurde sodann die Telefonüberwachung der von den Angeklagten K. und Y. A. genutzten Mobiltelefone, die Beschlagnahme aller an sie gerichteten Postsendungen und die langfristige Observation des Angeklagten K. angeordnet. Diese Maßnahmen dauerten jeweils bis zur vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. an. Mit Beschlüssen vom 12. November 2004 wurde bezüglich dieser beiden Angeklagten auch der Einsatz eines sogenannten IMSI-Catchers verfügt, zu dem es im Ermittlungsverfahren indes nicht kam.
95
Die Beschwerdeführer haben in der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht der Verwertung der Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnah- men widersprochen, mit Ausnahme der Erkenntnisse aus der GPSÜberwachung , der Videoüberwachung des Telefonladens und der Observation des Angeklagten Y. A. . In diesen Widersprüchen haben sie nicht geltend gemacht, dass es sich wegen der Kumulation der Maßnahmen um eine unzulässige Rundumüberwachung gehandelt habe.
96
1. Soweit die Beschwerdeführer meinen, die Erkenntnisse aus den strafprozessualen Maßnahmen hätten nicht verwertet werden dürfen, weil deren Anordnung auf den unverwertbaren Erkenntnissen aus der Wohnraumüberwachung beruhe, ist die Rüge unbegründet. Wie dargelegt konnten die aus der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 POG RhPf aF resultierenden Gesprächsaufzeichnungen im Zeitpunkt der Anordnung der strafprozessualen Maßnahmen gemäß § 100 f Abs. 2 StPO aF verwendet werden (dazu oben I. 3.).
97
2. Die Rüge, es habe eine unzulässige Rundumüberwachung vorgelegen , ist ungeachtet der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Bedenken gegen ihre Zulässigkeit jedenfalls unbegründet.
98
Es ist vorliegend durch die zeitgleiche Durchführung mehrerer Überwachungsmaßnahmen nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen, zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung (vgl. BVerfGE 65, 1, 42 f.; 109, 279, 323) gekommen. Bezüglich des Angeklagten I. A. liegt dies bereits deshalb auf der Hand, weil gegen ihn keinerlei Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden sind. Er war von solchen nur reflexartig betroffen, etwa wenn er sich in der überwachten Wohnung des Angeklagten K. aufhielt. In den Zeiträumen, in denen er keinen Kontakt zu den Angeklagten K. und Y. A. hatte, fand eine Überwachung seiner Person nicht statt.
99
Aber auch gegenüber den Angeklagten K. und Y. A. liegt eine derart intensive Überwachung, die im Hinblick auf den daraus resultierenden sog. additiven Grundrechtseingriff (vgl. BVerfGE 112, 304, 320) Bedenken an ihrer verfassungsmäßigen Rechtmäßigkeit aufkommen lassen könnte, nicht vor.
100
Die Wohnraumüberwachung wurde zwar über einen längeren Zeitraum durchgeführt und war engmaschig strukturiert. Dies war indes - wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat - zunächst im Hinblick auf die komplexe präventiv-polizeiliche Gefahrenlage und im weiteren Verlauf zur Aufklärung der Vereinigungsdelikte nach §§ 129 a, 129 b StGB, dabei insbesondere zur Aufdeckung von Planungs- und Verbindungsstrukturen erforderlich. Bei der konkreten Durchführung der Wohnraumüberwachung achteten die durchführenden Beamten zudem auf einen möglichst schonenden Maßnahmevollzug (dazu oben I. 2. d), was sich nicht zuletzt auch an der im Verhältnis zum Zeitraum der Gesamtmaßnahme geringen Dauer der Gesprächsaufzeichnungen zeigt. Dass die Überwachung in Form jedenfalls des Mithörens über die gesamten Monate "rund um die Uhr" erfolgt sei, ist eine nicht belegte Mutmaßung der Revisionen. Aus den vom Oberlandesgericht erlangten Erkenntnissen über die Durchführung der Maßnahme ergibt sich vielmehr, dass der diensthabende Beamte bei der Wahrnehmung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte die "Stopp-Taste" zu drücken hatte - mithin auch das Mithören beendete - und nur bei veränderter Personenkonstellation in der Wohnung durch gelegentliches "Hereinhören" überprüfte, ob die Gespräche sich verfahrensrelevanten, nicht dem Kernbereich zugehörenden Materien zuwandten. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere der Videoüberwachung des Hauseingangs keine die Eingriffsintensität steigernde Wirkung zu. Sie diente im Gegenteil vorrangig dazu , den in der Wohnung verkehrenden Personenkreis zu überprüfen. Dadurch wurde überhaupt erst eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf mögliche Kernbereichsverletzungen ermöglicht, und es konnte so im Ergebnis die Intensität der - wesentlich grundrechtsrelevanteren - Abhörmaßnahme verringert werden.
101
Die daneben auf polizeirechtlicher Grundlage angeordnete Überwachung eines Telefonladens dauerte entgegen dem von den Beschwerdeführern erweckten Eindruck nicht die gesamte Zeit an, sie lief vielmehr aus, als im November 2004 mehrere Maßnahmen auf strafprozessualer Basis angeordnet wurden. Die Überwachung von Fahrzeugen des Angeklagten Y. A. mittels eines GPS-Senders dauerte nur drei Tage und war im Zeitpunkt der strafprozessualen Maßnahmen bereits beendet. Auch insoweit kann also keine Rede von einer Rundumüberwachung sein.
102
Im Ergebnis traten zu der Wohnraumüberwachung also kumulativ die im Wesentlichen durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordneten Maßnahmen der Telefonüberwachung von zwei Mobilfunkanschlüssen der Angeklagten K. und Y. A. , ihre längerfristige Observation und die Beschlagnahme der an sie gerichteten Postsendungen hinzu. Auch bei einer Gesamtschau dieser Überwachungsmaßnahmen ergibt sich eine unzulässige Rundumüberwachung, mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Betroffenen erstellt werden könnte, nicht. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bei einer Bündelung mehrerer heimlicher Überwachungsmaßnahmen durch die vorhandenen verfahrensrechtlichen Sicherungen, an die mit Rücksicht auf das der Kumulation der Grundrechtseingriffe innewohnende Gefährdungspotential allerdings besondere Anforderungen zu stellen sind, grundsätzlich ausgeschlossen (BVerfGE 112, 304, 319 f.; aA Puschke, Die kumulative Anordnung von Informationsbeschaffungs- maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung S. 79 ff., der eine kumulative Überwachung als andersartigen Eingriff begreift, für den es einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage bedürfe).
103
Die genannten verfahrensrechtlichen Sicherungen bestehen namentlich in dem Richtervorbehalt, aber auch in Eingriffsschwellen, die besonders schwerwiegend beeinträchtigende Überwachungsmaßnahmen vom Vorliegen besonders schwerer Straftaten oder bestimmten qualifizierten Verdachtsgraden abhängig machen, sowie in sog. Subsidiaritätsklauseln, die den Eingriff nur dann erlauben, wenn anderweitig die Aufklärung erheblich erschwert würde. Sie stellen letztlich Ausprägungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar. Bei der gleichwohl noch erforderlichen Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne beurteilt sich die Frage der Zulässigkeit einer Überwachungsmaßnahme auch danach, ob gegebenenfalls mehrere, in die Grundrechte des Betroffenen eingreifende Maßnahmen durchgeführt werden (vgl. BVerfGE aaO S. 321; BGHSt 46, 266, 277). Die besonderen vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Anforderungen an das Verfahren sind - soweit vorliegend maßgeblich - erfüllt, wenn sichergestellt ist, dass die für die Beantragung oder Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen primär zuständige Staatsanwaltschaft über alle den Grundrechtsträger betreffenden Ermittlungseingriffe informiert ist (vgl. BVerfGE aaO S. 320).
104
So verhält es sich hier. Der Generalbundesanwalt war - ebenso wie der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof - über sämtliche Überwachungsmaßnahmen informiert. Dies gilt auch für die - nicht vom Ermittlungsrichter angeordnete - Wohnraumüberwachung und die sie begleitende Videoüberwachung des Hauseingangs. In sämtlichen Anordnungsbeschlüssen wurde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insbesondere dadurch Genüge getan, dass der Richtervorbehalt gewahrt blieb, die an die Schwere der Straftat anknüpfenden Eingriffsvoraussetzungen sowie die Subsidiaritätsklauseln in den die Maßnahmen rechtfertigenden Vorschriften (§ 100 a Satz 1, § 100 c Abs. 1 Satz 1, § 163 f Abs. 2 Satz 1 StPO aF) beachtet wurden. Dass die Entscheidungen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof oder des Landgerichts Ka. insoweit rechtsfehlerhaft gewesen seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht; dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Anordnung der Ermittlungsmaßnahmen stand auch darüber hinaus zur Schwere des Tatvorwurfs und zum Grad des sich aus den vorangegangenen Ermittlungen ergebenden Verdachts nicht außer Verhältnis. Dies belegen neben den in diesem Verfahren ausgeurteilten Taten insbesondere die im November 2004 gewonnenen Verdachtsmomente , nach denen sich der Angeklagte K. zu dieser Zeit zumindest mit der Vermittlung von 48 Gramm hochangereichertem Uran befasste, das - wie er den Angeklagten Y. und I. A. in einem Gespräch erläuterte - für den Bau einer Bombe verwendet werden konnte.
105
Soweit die Beschwerdeführer schließlich zum Beleg ihrer Gegenauffassung eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zitieren (JZ 2000, 993, 994), befasst sich diese mit einem Fall der sog. Rundumüberwachung nicht.
106
III. Weitere Verfahrensrügen
107
Daneben rügen die Revisionen die Verfahrensweise, in der das Oberlandesgericht 141 der überwachten und aufgezeichneten Wohnraumgespräche in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Das angeordnete Selbstleseverfahren beschränke die Öffentlichkeit unzulässig und verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Beanstandet wird weiterhin, das Oberlandesgericht habe die Inhalte der Wohnraumüberwachung im Urteil lückenhaft und selektiv darge- stellt und insoweit den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht erschöpfend seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt. Gerügt wird ferner die Ablehnung einer Reihe von Beweisanträgen, mit denen die Ladung und Vernehmung syrischer Zeugen beantragt worden war. Die Zeugen - neben Bekannten des Angeklagten K. auch dessen Eltern, Schwester und Bruder - waren im Wesentlichen dazu benannt, den Aufenthalt des Angeklagten K. in seinem Heimatort D. in Syrien in der Zeit von Mitte Oktober 2001 bis Ende April/Anfang Mai 2002 zu bestätigen und so dessen durch die Wohnraumüberwachung ermittelte Darstellung zu erschüttern, er habe sich in diesem Zeitraum als Kämpfer der Al Qaida in Pakistan und Afghanistan aufgehalten. Das Oberlandesgericht hat die Vernehmung der Zeugen unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht für erforderlich gehalten und deshalb diese Anträge jeweils nach § 244 Abs. 5 StPO abgelehnt. In gleicher Weise ist das Gericht mit Anträgen verfahren, in denen die Zeugenvernehmung des in US-Gewahrsam im Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba befindlichen Ramzi Binalshibh sowie die des ebenfalls in amerikanischem Gewahrsam befindlichen Zayn Husayn alias "Abu Zubaydah" begehrt worden war.
108
Diese Rügen bleiben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen sämtlich ohne Erfolg.

109
C. Die Sachrügen
110
I. Beweiswürdigung
111
Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts hält den Maßstäben revisionsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. BGH NJW 2005, 2322, 2326) stand. Die Rechtsmittel zeigen auch mit ihren Einzelausführungen insoweit keinen Rechtsfehler auf, sondern legen - teilweise unter Mitteilung aus dem Urteil nicht ersichtlicher Tatsachen - allein ihre eigene Beweiswürdigung dar.
112
II. § 129 b StGB
113
1. Revision des Angeklagten K.
114
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten K. rechtsfehlerfrei wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) verurteilt.
115
a) Die Wertung des Oberlandesgerichts, die Organisation Al Qaida sei als ausländische terroristische Vereinigung im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen, hält auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand.
116
aa) Als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist nach bisher in der Rechtsprechung gebräuchlicher Definition der auf eine gewisse Dauer angelegte , freiwillige organisatorische Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147; 31, 202, 204 f.; 31, 239 f.; 45, 26, 35; BGH NJW 2005, 1668; 2006, 1603; BGHR StGB § 129 Vereinigung 3 m. w. N.). Diese Kriterien liegen nach den Feststellungen für die Al Qaida im Tatzeitraum insbesondere auch mit Blick auf die erforderliche Struktur und Art der Willensbildung der Organisation vor. Hierzu gilt:
117
(1) Für eine Vereinigung in diesem Sinne konstitutiv ist das Bestehen eines Mindestmaßes an fester Organisation mit einer gegenseitigen Verpflichtung der Mitglieder (BGHSt 31, 202, 205; BGH NStZ 1982, 68). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts lagen diese Voraussetzungen für die Zeit bis Herbst 2001 zweifelsfrei vor; denn die Al Qaida war durch eine gefestigte Organisation geprägt, in deren Rahmen die Mitglieder mit verteilten Rollen und im Wege einer koordinierten Aufgabenverteilung zu einem gemeinsamen Zweck zusammenwirkten. Die strukturellen Voraussetzungen einer Vereinigung sind jedoch auch für den Tatzeitraum zu bejahen. Die Feststellungen belegen, dass der seit Herbst 2001 anhaltende Verfolgungsdruck weder auf der Führungsebene noch in den nachgeordneten Bereichen zu einer Zerschlagung der Organisation , sondern lediglich zu einer entsprechenden Anpassung der Strukturen geführt und die hierarchisch gegliederte Kernorganisation der Al Qaida in kommunikativer und operativer Hinsicht einen bedeutenden Rest an Handlungsfähigkeit bewahrt hat, der den erneuten Aufbau festerer Strukturen erlaubt und hierauf auch angelegt ist. Eine solche - möglicherweise nur vorübergehende und taktisch bedingte - Lockerung der Organisationsstruktur führt indes nicht dazu, dass die Gruppierung für diese Phase ihrer Existenz die Eigenschaft als Vereinigung verliert. Insoweit gilt Ähnliches wie für das Fortbestehen der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, das grundsätzlich auch für solche (Zwischen-)Phasen in Betracht kommt, in denen das Mitglied - gegebenenfalls bedingt durch die äußeren Umstände - keine aktiven Tätigkeiten entfaltet (vgl. BGHSt 29, 288, 294; 46, 349, 355 ff.). Hier kommt hinzu, dass nach wie vor ein nach Art, Inhalt und Intensität enges Beziehungsgeflecht der Mitglieder bestand , das auch in der Zeit nach Herbst 2001 die Planung und Ausführung zentral gesteuerter Attentate ermöglichte.
118
(2) Voraussetzung für eine Vereinigung ist daneben die subjektive Einbindung der Beteiligten in die Ziele der Organisation und in deren Willensbildung unter Zurückstellung individueller Einzelmeinungen. Dabei ist die Art und Weise der Willensbildung gleichgültig, solange sie ihrerseits von dem Willen der Mitglieder der Vereinigung getragen wird. Die für alle Mitglieder verbindlichen Regeln über die Willensbildung können etwa dem Demokratieprinzip entsprechen oder auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut sein (BGHSt 31, 239, 240; 45, 26, 35). Die Annahme einer Vereinigung scheidet indes aus, wenn die Mitglieder einer Gruppierung sich nur jeweils für sich der autoritären Führung einer Person unterwerfen, ohne dass diese vom Gruppenwillen abgeleitet wird (BGH NJW 1992, 1518; StV 1999, 424, 425).
119
Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist auch dieses voluntative Element der Vereinigung hinreichend belegt. Nach der ursprünglichen Struktur der Al Qaida in Afghanistan stand an der Spitze der Organisation ein Führungskreis , dem Usama Bin Laden, Aiman Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter verschiedener "Fachausschüsse" angehörten. Die Willensbildung war demnach hierarchisch strukturiert, ohne dass sich allerdings die Mitglieder der Organisation einseitig einer nicht vom Gruppenwillen getragenen Führungsperson unterwarfen. Im Tatzeitraum teilten die Mitglieder der Al Qaida weiterhin die gemeinsame politisch-ideologische Grundhaltung des gewaltbereiten extremistischen Islamismus. Die Gruppierung verfügte nach wie vor mit dem "Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" bis zur Zerstörung der USA und ihrer Verbündeten über eine über den bloßen Zweckzusammenhang der Vereinigung hinausreichende , von allen Mitgliedern getragene Zielsetzung. Der fortwährende, vom Willen der Mitglieder der Al Qaida getragene Führungsanspruch von Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri wird etwa durch deren per Internet oder Massenmedien veröffentlichte Video- und Audiobotschaften manifestiert.
120
bb) Der Senat ist aus diesen Gründen nicht gehalten zu entscheiden, ob dem Oberlandesgericht darin zugestimmt werden kann, dass im Hinblick auf die Gemeinsame Maßnahme des Rates der Europäischen Union vom 21. Dezember 1998 (ABl. EG 1998 Nr. L 351 S. 1) und den Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. EG 2002 Nr. L 164 S. 3) der bisher gebräuchliche Vereinigungsbegriff zu modifizieren ist und die Anforderungen insbesondere an die organisatorischen und voluntativen Voraussetzungen herabzusetzen sind. In der Literatur wird eine derartige "europarechtsfreundliche" Interpretation des Vereinigungsbegriffs teilweise vertreten (Krauß in LK 12. Aufl. § 129 a Rdn. 26; Kress JA 2005, 220, 223 ff.; v. Heintschel-Heinegg in FS für Schroeder S. 799; krit. Rudolphi/Stein in SKStGB § 129 Rdn. 6 b). Auch der Senat hat eine derartige Neubestimmung zunächst grundsätzlich in den Blick genommen, ohne sich indes im Einzelnen hierzu zu verhalten (BGH NJW 2006, 1603); zuletzt hat er jedoch insbesondere für die kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB vor dem Hintergrund des abgestuften Systems der Strafbarkeit von Tatvollendung, Versuch und Vorbereitungshandlung , der erforderlichen Abgrenzbarkeit der Vereinigung von einer Bande oder nur mittäterschaftlichen Zusammenschlüssen sowie der prozessualen Folgewirkungen Bedenken geäußert (BGHR StGB § 129 Vereinigung 3). Diese Vorbehalte gegen eine erweiternde Auslegung des Vereinigungsbegriffs werden bei Berücksichtigung des Strafzwecks der Vereinigungsdelikte noch verstärkt: Die §§ 129 ff. StGB sollen die erhöhte kriminelle Intensität erfassen, die in der Gründung oder Fortführung einer fest gefügten, auf die Begehung von Straftaten angelegten Organisation ihren Ausdruck findet und die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte Gefährlichkeit in sich birgt. Diese Eigendynamik führt typischerweise dazu, dass dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten erleichtert und bei ihm das Gefühl der persönlichen Verantwortlichkeit zurückgedrängt wird. Der Strafgrund der in diesem Sinne verstandenen spezifischen vereinigungsbezogenen Gefährlichkeit der Organisation geriete jedoch aus dem Blick, wenn Abstriche an den bisherigen Voraussetzungen hinsichtlich der Struktur der Vereinigung sowie der Willensbildung und -unterordnung ihrer Mitglieder zugelassen würden; denn nur eine ausreichend enge Verbindung der Mitglieder sowie ein entsprechender Gruppenwille schaffen die spezifischen Gefahren einer für die Vereinigung typischen, vom Willen des Einzelnen losgelösten Eigendynamik. All diese Gesichtspunkte sind gleichermaßen bei der Auslegung des Begriffs der terroristischen Vereinigung nach §§ 129 a, 129 b StGB von Bedeutung; im Übrigen spricht auch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit dagegen, ein wortgleiches Tatbestandsmerkmal in einem Qualifikationstatbestand anders auszulegen als in der Grundnorm (aA Krauß aaO § 129 a Rdn. 26 aE).
121
Der Senat hält deshalb an seinen Bedenken gegen die vom Oberlandesgericht vorgenommene Begriffsbestimmung fest. Er ist entgegen der Auffassung der Revision allerdings nicht gehindert, auf der Basis der Feststellungen des Oberlandesgerichts eine von dessen Rechtsansicht abweichende Auffassung zu vertreten und seiner rechtlichen Bewertung den herkömmlichen Vereinigungsbegriff zugrunde zu legen.
122
b) Der Angeklagte K. hat sich an der Al Qaida als Mitglied beteiligt.
123
Die mitgliedschaftliche Beteiligung erfordert, dass der Täter sich unter Eingliederung in die Organisation deren Willen unterordnet und eine Tätigkeit zur Förderung der Ziele der Organisation entfaltet. Notwendig ist eine auf Dauer oder zumindest längere Zeit angelegte Teilnahme am "Verbandsleben" (BGHSt 18, 296, 299 f.; BGH NStZ 1993, 37, 38).
124
Nach den Feststellungen schloss der Angeklagte K. sich der Al Qaida während eines Aufenthalts in einem von dieser betriebenem Ausbildungslager in Afghanistan an. Er begab sich aufgrund des Verfolgungsdrucks nach dem Herbst 2001 absprachegemäß zurück nach Deutschland und nahm hier Rekrutierungs - und Beschaffungsmaßnahmen für die Vereinigung vor. Dass das Oberlandesgericht während dieser Zeit keinen Kontakt des Angeklagten zur Führungsebene der Al Qaida festgestellt hat, steht vor dem Hintergrund dieser gewichtigen, fortdauernden, im Einverständnis mit der Führungsebene entfalteten und auf eine aktive Beteiligung an der Organisation gerichteten Tätigkeiten der Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht entgegen (vgl. BGHSt 46, 349, 356 f.). Hinzu kommt, dass der Aufenthalt des Angeklagten in Deutschland nicht auf Dauer angelegt war. Vielmehr wollte er sich zurück in ein "Jihadland" begeben und sich dort erneut den kämpfenden Verbänden der Al Qaida anschließen. Aus alldem ergibt sich, dass die Mitgliedschaft des Angeklagten in der Al Qaida zu keinem Zeitpunkt beendet war; vielmehr bestand sie während des Tatzeitraums unvermindert fort. Die Leistung des Treueids auf Usama Bin Laden durch den Angeklagten war entgegen dem Vorbringen der Revision zum Erwerb der Mitgliedschaft nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht konstitutiv.
125
2. Revision des Angeklagten Y. A.
126
a) Für den Angeklagten Y. A. belegen die Feststellungen des Urteils dagegen nicht, dass dieser sich an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida als Mitglied beteiligt hat; denn es fehlt an einer ausreichenden, von einem übereinstimmenden Willen der Organisation und des Angeklagten getragenen Eingliederung in die Vereinigung.
127
Das Oberlandesgericht hat im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung die mitgliedschaftliche Beteiligung dieses Angeklagten an Al Qaida zum einen daran angeknüpft, dass er sich mit hohem Zeitaufwand und als Hauptakteur der Umsetzung der Versicherungsbetrügereien gewidmet habe. Zum anderen habe er finanzielle Mittel beschaffen wollen, die seine eigene Teilnahme und diejenige des Angeklagten K. am bewaffneten Jihad auf Seiten der Al Qaida ermöglichen sollten. Damit hat das Oberlandesgericht bei seiner Beurteilung wesentliche Kriterien, die für die Mitgliedschaft in einer Vereinigung maßgeblich sind, außer Acht gelassen. Im Einzelnen:
128
Die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, bedarf regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem Ort befunden hat, an dem Vereinigungsstrukturen bestehen, und seine Verbindung zu der Vereinigung ausschließlich in dem Kontakt zu einem in Deutschland befindlichen Mitglied der Organisation besteht. Denn die Beteiligung als Mitglied setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Die Begehungsform der mitgliedschaftlichen Beteiligung kommt im Unterschied zu den Tathandlungen des Werbens für die oder des Unterstützens der Vereinigung nur in Betracht , wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert (Krauß aaO § 129 Rdn. 110). Zwar ist hierfür eine organisierte Teilnahme am Leben der Vereinigung nicht erforderlich, weshalb es etwa einer förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft mit etwa listenmäßiger Erfassung, Zahlung von Mitgliedsbeiträgen oder gar Ausstellung eines Mitgliedsausweises nicht bedarf (BGHSt 18, 296, 299 f.; 29, 114, 121; Rebmann NStZ 1989, 97, 100 Fn. 27). Notwendig ist allerdings, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied (BGHSt 18, 296, 300; 29, 114, 123; BGH NStZ 1993, 37, 38; Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 129 Rdn. 13). Auch ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern (Krauß aaO § 129 Rdn. 105). Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH NStZ 1993, 37, 38).
129
Danach liegen die Voraussetzungen für eine Beteiligung des Angeklagten Y. A. als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida nicht vor. Der Angeklagte war nicht in der erforderlichen Weise in die Organisationsstrukturen der Al Qaida eingebunden. Er war zu keinem Zeitpunkt etwa in Afghanistan, Pakistan oder dem Irak und hatte keine Verbindung zu den Führungspersonen oder den sich dort aufhaltenden Mitgliedern der Organisation. Es ist nicht festgestellt, dass außer seiner einzigen Kontaktperson , dem sich mit ihm in Deutschland befindenden Angeklagten K. , irgendein sonstiges Mitglied der Al Qaida überhaupt Kenntnis von ihm hatte. Unter diesen Umständen kann bereits von einer mit einer Teilnahme am Verbandsleben verbundenen Stellung des Angeklagten Y. A.
innerhalb der Vereinigung, wie sie für eine Beteiligung als Mitglied konstitutiv ist, keine Rede sein.
130
Eine willentliche Übereinstimmung zwischen der Vereinigung und dem Angeklagten bezüglich seiner Einbindung in die Organisation ist aus den dargelegten Gründen ebenfalls nicht feststellbar. Die Mitgliedschaft des Angeklagten lässt sich insoweit auch nicht mit der festgestellten Übung der Al Qaida begründen , im Tatzeitraum Mitglieder u. a. in europäische Länder mit dem Auftrag zu senden, dort für die Vereinigung rekrutierend tätig zu werden und den zuvor zum Erwerb der Mitgliedschaft üblichen Treueid auf Usama Bin Laden durch eine einseitige Erklärung der Loyalität durch die rekrutierte Person sowie deren Tätigkeit für die Organisation zu ersetzen. Die auf diese Weise angeworbenen Anhänger mögen zwar durch ihr - wie auch immer im Einzelfall geartetes - Eintreten für die Ziele der Al Qaida dieser als Unterstützer im untechnischen Sinne nützlich und willkommen sein; sie sind indes nicht ohne Weiteres, sondern nur dann als Mitglieder der Organisation im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen , wenn die oben dargelegten Voraussetzungen gegeben sind. Der Angeklagte konnte deshalb nicht allein dadurch zum Mitglied der Al Qaida werden, dass er einen besonderen Einsatz zeigte sowie seinen Willen zu einer dauerhaften Beteiligung an der Organisation durch den Wunsch manifestierte, nach Erlangung der zur Versorgung seiner Familie erforderlichen wirtschaftlichen Mittel am Jihad im Irak teilzunehmen, selbst wenn dies das Einverständnis seiner einzigen Kontaktperson der Al Qaida, des Angeklagten K. , fand.
131
Ob dies möglicherweise anders zu beurteilen wäre, wenn der Angeklagte K. von der Al Qaida den Auftrag und gleichsam die Vollmacht erhalten hätte , allein und ohne Rücksprache mit der Organisation neue Mitglieder im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in die Vereinigung aufzunehmen, hat der Senat nicht zu entscheiden. Denn weder ein derartiger Auftrag durch die Al Qaida noch eine solch weitgehende Befugnis des Angeklagten K. ist durch die Feststellungen belegt. Der Senat kann den - freilich nicht an allen Stellen vollständig übereinstimmenden - Feststellungen im Ergebnis lediglich entnehmen, dass K. sich nach Deutschland begab, um hier für die Al Qaida "autonom terroristische Operationen zu planen und hierfür geeignetes Personal heranzuziehen" (UA S. 22) bzw. "zu arbeiten" (UA S. 27, 221). Aus diesen Formulierungen kann die spezielle Beauftragung zur Rekrutierung und Aufnahme echter Vereinigungsmitglieder nicht abgeleitet werden. Zudem lassen die Feststellungen zur Stellung des Angeklagten K. innerhalb der Al Qaida lediglich erkennen, dass er in der Hierarchie noch unterhalb der "Emire" stand. Hieraus ist zu schließen, dass es sich bei ihm trotz seiner persönlichen Bekanntschaft mit Usama Bin Laden lediglich um ein gewöhnliches Mitglied der Organisation handelte, das nicht in herausgehobener Position tätig war. Die Annahme, dass ein derartiges "normales" Mitglied die weitreichende Befugnis hatte, aufgrund eigener Entscheidung neue Mitglieder in die Organisation aufzunehmen, wird von den Feststellungen auch bei Berücksichtigung von deren Gesamtzusammenhang nicht getragen. Diese belegen vielmehr lediglich, dass der Angeklagte K. vorgab, die Möglichkeit zu haben, Interessenten durch die Abgabe einer Empfehlung den Zugang zu einer kämpfenden Organisation an einem "Jihadschauplatz" im Ausland zu erleichtern (UA S. 42, 294).
132
Gegen eine darüber hinausgehende Bevollmächtigung des Angeklagten K. spricht im Übrigen auch der Vergleich zur festgestellten Praxis der Gewinnung von Vereinigungsmitgliedern in der Zeit vor Herbst 2001. Damals reichte noch nicht einmal das Durchlaufen einer "normalen" Ausbildung in einem Lager in Afghanistan aus. Die Mitglieder der Al Qaida wurden vielmehr unter denjenigen Personen ausgesucht, die sich als besonders qualifiziert erwiesen und deshalb eine Spezialausbildung erhalten hatten. Hieraus folgt, dass die Al Qaida ihrerseits an die "Kandidaten" gewisse Anforderungen stellte, die diese erfüllen mussten, um Mitglied der Vereinigung werden zu können. Nach den Feststellungen ist nicht zu erkennen, dass diese Anforderungen aufgegeben wurden, als aufgrund des Verfolgungsdrucks eine "Reorganisation durch Dezentralisierung" erfolgte. In dieser Phase sollten zwar u. a. in Europa neue Kämpfer für den Jihad angeworben werden; es ist jedoch nichts dafür ersichtlich , dass die Al Qaida zu dieser Zeit jeden in einem europäischen Land befindlichen Interessenten ohne weitere Überprüfung wahllos als Mitglied im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in ihre Organisation aufnehmen wollte.
133
b) Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte Y. A. allerdings wegen Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB).
134
Nach ständiger Rechtsprechung unterstützt eine terroristische Vereinigung , wer, ohne selbst Mitglied der Organisation zu sein, deren Tätigkeit und terroristische Bestrebungen direkt oder über eines ihrer Mitglieder fördert. Dabei kann sich die Förderung richten auf die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt, auf die Erleichterung einzelner von ihr geplanter Straftaten, aber auch allgemein auf die Erhöhung ihrer Aktionsmöglichkeiten oder die Stärkung ihrer kriminellen Zielsetzung. Nicht erforderlich ist, dass der Organisation durch die Tathandlung ein messbarer Nutzen entsteht. Vielmehr genügt es, wenn die Förderungshandlung an sich wirksam ist und der Organisation irgendeinen Vorteil bringt; ob dieser Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ih rer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (BGHSt 51, 345, 348 f.).
135
Ein tatbestandliches Unterstützen liegt demgegenüber nicht vor, wenn die Handlung der Vereinigung von vornherein nicht nützlich war und sein konnte (vgl. BGH bei Schmidt MDR 1981, 91; Krauß aaO § 129 Rdn. 133). Es scheidet darüber hinaus auch dann aus, wenn die unterstützende Handlung sich der Sache nach als Werben für die Vereinigung darstellt. Wirbt der Täter um Mitglieder oder Unterstützer der terroristischen Vereinigung, kommt seine Strafbarkeit - nur - nach § 129 a Abs. 5 Satz 2 StGB in Betracht; wirbt er lediglich für die Ideologie oder Ziele der Vereinigung, bleibt er grundsätzlich straflos (BGHSt 51, 345). Die hieraus folgende Privilegierung des Werbens für eine Vereinigung ist durch die entsprechende Änderung der §§ 129, 129 a StGB durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002 (BGBl I 3390) sowie das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) bedingt und auf diese Tathandlung beschränkt ; sie führt insbesondere nicht dazu, dass für die sonstigen Erscheinungsformen möglicher Unterstützungshandlungen vergleichbare Einschränkungen gelten etwa mit der Folge, dass die Anforderungen an den notwendigen Vorteil der Unterstützungshandlung für die Vereinigung generell zu erhöhen wären.
136
Nach alldem ist als tatbestandliche Unterstützung jedes Tätigwerden anzusehen , das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung unmittelbar fördert, die Realisierung der von der Vereinigung geplanten Straftaten - wenn auch nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung der Vereinigung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr wesenseigene Gefährlichkeit festigt (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 139; Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB § 129 Rdn. 83), solange diese Tätigkeit sich nicht als Werben für eine Vereinigung darstellt. Aufgrund des aus der besonderen Tatbestandsstruktur der Vereinigungsdelikte folgenden Verhältnisses der einzelnen Tathandlungen zueinander umfasst das Unterstützen einer Vereinigung daher auch Sachverhaltsgestaltungen , die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären (BGHSt 51, 345, 350 f.). Da als Effekt des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt , regelmäßig bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Vereinigung zu sehen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Täter ein Mitglied der Vereinigung bei der Erfüllung einer Aufgabe unterstützt, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist. Denn die Mitwirkung an der Erfüllung eines Auftrags, den die Vereinigung selbst einem Mitglied erteilt hat, erweist sich nicht nur allein für das betroffene Mitglied als im hier relevanten Sinne vorteilhaft; der ausreichende , nicht notwendigerweise spezifizierte Nutzen wirkt sich in einem solchen Fall vielmehr auch auf die Organisation als solche in vergleichbarer Weise aus wie in den Fällen, in denen die Mitglieder in ihrem Entschluss gestärkt werden, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (BGHSt 32, 243, 244). Eines noch weiter gehenden Vorteils für die Vereinigung bedarf es deshalb in diesen Fallgestaltungen nicht.
137
In derartigen Fällen wird die gleichzeitig verwirklichte Beihilfe des Täters zur mitgliedschaftlichen Beteiligung des Dritten an der Vereinigung durch das täterschaftliche Unterstützen der Vereinigung verdrängt. Ob daneben Fallge- staltungen denkbar sind, in denen sich die Tathandlung lediglich als Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, nicht aber als Unterstützen der Vereinigung darstellt, kann hier offen bleiben.
138
Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte Y. A. die terroristische Vereinigung Al Qaida unterstützt. Der Angeklagte hat sich in maßgebender Funktion an den Versicherungsbetrügereien beteiligt, die u. a. dazu dienten, finanzielle Mittel für die Al Qaida zu erschließen. Durch diese Tätigkeit hat er die entsprechenden Bemühungen des Al Qaida-Mitglieds K. unterstützt, die für diesen wiederum Teil seiner mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Organisation waren. Die Förderung der Betätigungen des Angeklagten K. wirkte sich für diesen auch vorteilhaft aus; denn er wurde zum einen in dem Entschluss gestärkt, Straftaten zu begehen, die dem Fortbestand der terroristischen Vereinigung dienten und musste zum anderen darüber hinaus die Tätigkeiten, die der Angeklagte Y. A. entfaltete, nicht selbst vornehmen oder eine andere Person hierfür gewinnen. Die Beschaffungsbemühungen des Angeklagten K. dienten gerade der Erfüllung der allgemeinen Order, mit der er von der Al Qaida für seine in Deutschland zu verbringende Zeit betraut worden war. Damit wurden auch die Bestrebungen der Vereinigung insgesamt ausreichend gefördert. Der Vollendung der Tat steht nach alldem insbesondere nicht entgegen, dass es hier letztlich in keinem Fall zu einer Auszahlung der Versicherungssumme an die Beteiligten und demnach auch nicht zu einer Weiterleitung eines Teils des Erlöses an die Organisation kam.
139
3. Revision des Angeklagten I. A.
140
Die Verurteilung des Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
141
Die Tatbeiträge des Angeklagten I. A. stellen inhaltlich ebenso wie diejenigen des Angeklagten Y. A. eine Beihilfe zur Beteiligung des Angeklagten K. als Mitglied an der Al Qaida dar; denn mit ihnen förderte der Angeklagte I. A. die Bemühungen des Angeklagten K. , seinen ihm von der Al Qaida erteilten Auftrag zu erfüllen. Sie bewirkten somit im Ergebnis ebenfalls für die Vereinigung als solche einen ausreichenden Effekt.
142
Soweit der Senat in seiner Haftprüfungsentscheidung vom 19. Mai 2005 (BGHR StGB § 129 a Abs. 5 Unterstützen 1) Bedenken dagegen geäußert hat, dass die Tatbeiträge des Angeklagten als vollendetes Unterstützen zu werten seien, beruhte dies auf der dem damaligen Ermittlungsstand, wonach sich die Tätigkeit des Angeklagten auf die Zusage beschränkte, von der in der Zukunft zu erwartenden Beute einen Teil an die Vereinigung abzugeben. Der Senat ist im Revisionsverfahren auf der Basis der Feststellungen des tatgerichtlichen Urteils nicht gehalten zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen für ein Unterstützen der Vereinigung allein die Zusage eines Nichtmitglieds ausreicht, eine Handlung vorzunehmen, die sich auf die Organisation irgendwie vorteilhaft auswirken kann (vgl. hierzu auch BGHR StGB § 129 a Abs. 3 Unterstützen 4); denn nach diesen Feststellungen war die Tätigkeit des Angeklagten nicht auf die Abgabe einer derartigen Zusage beschränkt. Der Angeklagte wirkte vielmehr an den Versicherungsbetrügereien insgesamt mit, indem er selbstständig recherchierte und an Besprechungen in allgemein beratender Funktion teilnahm. Zudem war er damit einverstanden, als Bezugsberechtigter für die Versicherungssummen aufzutreten. Mit seiner diesbezüglichen Zusage leistete er somit einen erheblichen Beitrag für die Durchführung der einzelnen Betrugsstraftaten. Die Tätigkeiten des Angeklagten begründeten deshalb - wenn sie auch hinter denjenigen des Angeklagten Y. A. zurückblieben - jedenfalls bei einer Gesamtschau einen hinreichenden Vorteil für die Vereinigung im oben näher dargestellten Sinn.
143
144
Die Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten "bandenmäßigen" Betrugs in 28 Fällen hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis nicht in vollem Umfang stand und bedarf hinsichtlich aller Angeklagter teilweise der Abänderung. Entgegen der Würdigung des Oberlandesgerichts tritt in den hier vorliegenden Fällen betrügerischer Eingehung von Lebensversicherungsverträgen der Schaden bei den getäuschten Versicherungsunternehmen nicht erst mit Auszahlung der jeweiligen Versicherungsleistung, sondern bereits mit Abschluss der Versicherungsverträge ein. Damit ist der Betrug in neun Fällen vollendet , in den übrigen Fällen jeweils durch die Beantragung von Versicherungsverträgen versucht worden. Die Beanstandung der Revisionen, es habe sich wegen der geplanten, in ferner Zukunft liegenden Vortäuschung des Todes bei den Anträgen auf Vertragsabschluss jeweils nur um straflose Vorbereitungshandlungen gehandelt, geht daher fehl.
145
An den Betrugstaten der Angeklagten Y. A. und K. beteiligte sich der Angeklagte I. A. erst nach dem 21. September 2004. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts können ihm die vorher begangenen Betrugshandlungen der beiden Mitangeklagten nicht über die Rechtsfigur der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Damit erfüllen auch erst die nach diesem Zeitpunkt verwirklichten Taten das Regelbeispiel des bandenmäßigen Betrugs.
146
Dazu im Einzelnen:
147
1. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts gelang es dem Angeklagten Y. A. in neun Fällen (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30 und 33), Versicherungsunternehmen durch falsche Angaben jeweils zum Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zu veranlassen und damit die Deckung des Todesfallrisikos zu übernehmen. Bereits mit dem Vertragsschluss war unter den gegebenen - in der Praxis selten vorkommenden, zumindest selten nachweisbaren, hier allerdings ausdrücklich festgestellten - Umständen der Vermögensbestand der Versicherungsunternehmen gemindert und damit der Versicherungsbetrug vollendet.
148
a) Der Angeklagte täuschte bei der Antragstellung jeweils in mehrfacher Hinsicht über innere und äußere Tatsachen. So verneinte er ab Fall 3 stets wahrheitswidrig eine Vorerkrankung und in den meisten Fällen (mit Ausnahme der Fälle 1, 2, 13, 18, 19, 25 und 26) die Fragen nach anderen bestehenden oder beantragten Lebensversicherungsverträgen.
149
Insbesondere täuschte der Angeklagte in allen Fällen konkludent darüber , einerseits zukünftig dauerhaft nach den Vertragsbedingungen die Versicherungsprämien zahlen zu wollen und zu können sowie andererseits bereit zu sein, den beantragten Versicherungsschutz seinem Zweck entsprechend allein zur Abdeckung des zukünftigen Risikos eines ungewissen Schadenseintritts zu nutzen (zur Absicht der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen als tauglicher Gegenstand einer Täuschung vgl. Lindenau, Die Betrugsstrafbarkeit des Versicherungsnehmers aus strafrechtlicher und kriminologischer Sicht S. 164).
150
Über die innere Tatsache, sich nicht vertragstreu verhalten zu wollen, ist eine konkludente Täuschung möglich. Die Vertragspartner dürfen ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr, das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen (vgl. Cramer/Perron in Schönke/Schröder aaO § 263 Rdn. 14/15). Deshalb ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Willensbekundungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird (BGHSt 51, 165, 171).
151
Da die Manipulation des Vertragsgegenstandes eines Lebensversicherungsvertrags in der Form der Vortäuschung des Versicherungsfalles - ähnlich wie diejenige einer Sportwette (vgl. dazu BGHSt aaO S. 172) - zwangsläufig erst nach Vertragsschluss stattfinden kann, bezieht sich die konkludente Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits durchgeführte, sondern auf eine beabsichtigte Manipulation. Für die Täuschung kommt es dabei nicht darauf an, inwieweit die geplanten Beeinflussungen bereits ins Werk gesetzt sind.
152
Diese Täuschung ist tatbestandsmäßig im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB. Sie war unentbehrlich, um zu dem nach dem Tatplan notwendigen Zwischenziel , dem Abschluss des Versicherungsvertrags, zu gelangen. Dass es danach noch einer weiteren Täuschung (über den Eintritt des Versicherungsfalls) bedurfte , um das eigentliche Endziel der Auszahlung der Versicherungssumme zu erreichen, ist demgegenüber für die Täuschungshandlung rechtlich ohne Belang.
153
b) Den Vorstellungen des Angeklagten entsprechend ist bei den Versicherungsunternehmen aufgrund der Täuschung jeweils eine entsprechende Fehlvorstellung über die Leistungsbereitschaft sowie die Vertragstreue des Angeklagten und damit über den Umfang des zu übernehmenden Risikos eingetreten. Dieser Irrtum war (mit)ursächlich für den jeweiligen Vertragsabschluss durch den Versicherer.
154
c) Mit dem Vertragsabschluss ist bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen ein Vermögensschaden eingetreten.
155
aa) Der Vermögensschaden beim Betrug ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch einen Vermögensvergleich mit wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln (BGHSt 45, 1, 4; BGH NStZ 1996, 191; 1997, 32, 33).
156
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug), wie er hier in Rede steht, ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen. Ob ein Vermögensschaden eingetreten ist, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Vermögenslage vor und nach diesem Zeitpunkt. Zu vergleichen sind demnach die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen (BGHSt 16, 220, 221; 45, 1, 4). Bleibt der Anspruch auf die Leistung des Täuschenden in seinem Wert hinter der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurück, so ist dieser geschädigt (BGHSt 16 aaO).
157
Für die Beurteilung des Vermögenswertes von Leistung und Gegenleistung kommt es weder auf den von den Vertragsparteien vereinbarten Preis an (BGHSt 16, 220, 224) noch darauf, wie hoch der Verfügende subjektiv ihren Wert taxiert (BGHSt 16, 321, 325). Entscheidend für den Vermögenswert von Leistung und Gegenleistung ist vielmehr das vernünftige Urteil eines objektiven Dritten (BGHSt 16, 220, 222; 16, 321, 326; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 70 m. w. N.).
158
bb) Daran gemessen ist ein solcher Schaden bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen hier zu bejahen. Mit dem Vertragsabschluss war es mit der Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme im Todesfall belastet. Dem stand die Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber, an den Versicherer bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit die Prämien zu zahlen. Die Prämie ist der Preis, den der Versicherungsnehmer dafür zu entrichten hat, dass der Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherungssumme leistet. Sie muss in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem Versicherungsschutz stehen (vgl. hierzu Lindenau aaO S. 217 f.). Der Versicherer kalkuliert die Versicherungsprämien unter Berücksichtigung seiner allgemeinen Kosten (u. a. Abschlussprovision, Betriebskosten) auf der Basis von sog. Sterbetafeln, die eine aus der Erfahrung der Vergangenheit gewonnene wahrscheinliche Lebenszeit des Versicherten ausdrücken. Hinzu kommen ggf. Zuschläge für besondere Risiken. In die Prämienkalkulation geht die voraussichtliche Lebensdauer des Versicherten ebenso ein wie die Anzahl der Prämien, die - vorbehaltlich eines vorzeitigen Todes - bis zum Ablauf der Versicherungszeit zu zahlen sind. Im Normalfall besteht zwischen Leistung und Gegenleistung ein Äquivalent.
159
Hier stellte die Prämie indessen keinen entsprechenden Ausgleich für die mit dem Vertrag eingegangenen Verpflichtungen dar; denn der Angeklagte war von vornherein entschlossen, den Versicherungsfall zu fingieren, und hatte in Form der Verabredungen zuerst mit dem Mitangeklagten K. , später auch mit dem Mitangeklagten I. A. , bereits mit konkreten Vorbereitungen begonnen. Der jeweilige Versicherer war daher mit Abschluss des Vertra- ges rein wirtschaftlich gesehen nicht - wie von ihm angenommen - nur mit einer aufschiebend bedingten Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme für den Fall belastet, dass sich das - nach allgemeinen Maßstäben bewertete - Risiko des Todeseintritts während der Vertragslaufzeit verwirklichen sollte. Vielmehr war seine Inanspruchnahme aufgrund der von den Angeklagten beabsichtigten Manipulation des Vertragsgegenstandes sicher zu erwarten. Der entsprechenden Forderung hätte er sich nur durch den Beleg der Unredlichkeit des Versicherungsnehmers, etwa durch den Nachweis der Unrichtigkeit der ägyptischen Todesbescheinigung, entziehen können. Damit war die Leistungswahrscheinlichkeit gegenüber dem vertraglich vereinbarten Einstandsrisiko signifikant erhöht.
160
Bei dem Vergleich der wechselseitigen Ansprüche von Versicherer und Versicherungsnehmer bleibt außer Betracht, dass der Versicherer, sofern er Kenntnis von den tatsächlichen Hintergründen des Vertragsschlusses erlangen würde, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 BGB; vgl. § 22 VVG) oder sich in anderen Konstellationen, etwa gemäß § 74 Abs. 2 VVG, auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen könnte; denn diese Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, soll dem getäuschten Versicherer gerade verborgen bleiben (vgl. RGSt 48, 186, 189; BGH StV 1985, 368 m. w. N.; Fischer aaO § 263 Rdn. 103 m. w. N.).
161
Dafür, dass bereits mit dem Vertragsabschluss beim Versicherer ein Vermögensschaden eingetreten ist, spricht nicht zuletzt auch die zivilrechtliche Betrachtung. Insoweit ist anerkannt, dass der Versicherer gegenüber dem täuschenden Versicherungsnehmer nicht nur die Möglichkeit der Anfechtung des Vertrages hat. Daneben kommt vielmehr auch eine Schadensersatzhaftung des Versicherungsnehmers aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB) in Betracht mit der Folge, dass der getäuschte Versicherer gemäß § 249 BGB die Rückgängigmachung des Vertrages verlangen kann (vgl. BGH NJW 1998, 302, 303). Insoweit besteht die Möglichkeit, dass allein durch die mit dem Vertragsabschluss eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen ein Vermögensschaden begründet wird, wenn der Wert der Gegenleistung hinter dem Wert der Verpflichtungen zurückbleibt (vgl. BGH aaO S. 304).
162
Nach alldem ist in den Fällen, in denen es zum Abschluss des Lebensversicherungsvertrags kam, beim Versicherer ein Schaden entstanden, so dass insoweit jeweils ein vollendeter Eingehungsbetrug vorliegt. Die dem Tatplan entsprechende spätere Auszahlung der Versicherungssummen hätte lediglich zu einer Schadensvertiefung geführt und den Eingehungs- zum Erfüllungsbetrug werden lassen. Auch insoweit ist es für die rechtliche Bewertung ohne Belang , dass hierzu und damit zum Eintritt des endgültigen Verlustes des Versicherers noch eine weitere erfolgreiche Täuschung über den Eintritt des Versicherungsfalls erforderlich gewesen wäre.
163
Zweifel daran, dass der jeweilige Versicherer bereits mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages in seinem Vermögen geschädigt war, bestehen auch nicht deswegen, weil sich die Bestimmung der Schadenshöhe als problematisch erweist. Insoweit könnte sich eine Berechnung nach bilanziellen Maßstäben (so BGH StV 2009, 242) etwa deswegen als schwierig darstellen, weil es für die Bewertung der Verpflichtung aus einem täuschungsbedingt abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag keine anerkannten Richtgrößen gibt. Diese Schwierigkeiten lassen indes den Schaden nicht entfallen. Sie führen lediglich dazu, dass der Tatrichter grundsätzlich unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege der Schätzung Mindestfeststellungen zu treffen hat (vgl.
BGH aaO S. 243). Hierzu wird er sich erforderlichenfalls der Hilfe von Sachverständigen aus den Gebieten der Versicherungsmathematik bzw. der Versicherungsökonomie und/oder des Bilanzwesens bedienen. Unter den hier gegebenen Umständen (vgl. unten VI.) war dies indes nicht geboten.
164
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit bisheriger Rechtsprechung zum Eingehungsbetrug.
165
So hat bereits das Reichsgericht (RGSt 48, 186) einen Vermögensschaden des Feuerversicherers in dem bloßen Abschluss eines Versicherungsvertrages gesehen, auf den die Versicherungsnehmer unter Angabe eines unzutreffend hohen Versicherungswerts in der Absicht angetragen hatten, die versicherten Sachen alsbald in Brand zu setzen und dadurch in den Besitz der Versicherungssumme u. a. auch für Gegenstände zu kommen, die gar nicht vorhanden waren. Es hat dabei ausgeführt, dass der Prämienanspruch, den die Gesellschaft erhielt, nur den Ausgleich bildete "für die gegenüber einem vertragstreuen Vertragsgegner übernommene Verpflichtung zur Gefahrtragung. Dieser Anspruch verlor an Wert und büßte ihn im wesentlichen ein bei den Angeklagten , die überhaupt nicht die Absicht hatten, ihr Verhalten dem Vertrage gemäß einzurichten, … sondern im Gegenteil entschlossen waren, mit Hilfe des Scheines eines Vertrags die Gesellschaft zu einer vermögensrechtlichen Aufwendung , der Zahlung der Brandentschädigung, zu veranlassen." Die Vermögensminderung (damals bezeichnet als Vermögensgefährdung) sah das Reichsgericht darin, dass sich die Versicherungsgesellschaft täuschungsbedingt vertraglich verpflichtete, "eine weit größere Gefahr (vermögensrechtlichen Inhalts) zu tragen, als sie dem in der Prämie ausgedrückten, demgemäß auch vereinbarten gewöhnlichen Verlaufe der Dinge entsprach, und die Möglichkeit einer die Gesellschaft treffenden tatsächlichen Einbuße an ihrem Vermögen war bei der von den Angeklagten in Aussicht genommenen alsbaldigen Brandstiftung unmittelbar gegeben" (RGSt 48, 186, 190).
166
Auch der Bundesgerichtshof hat den Betrug schon als vollendet angesehen mit dem Vertragsschluss über die Lieferung von Feinkohle, bei dem der Angeklagte von Anfang an beabsichtigt hatte, lediglich minderwertigen Kohlenschlamm zu liefern (BGH NJW 1953, 836). Er hat ausgeführt, dass beim Eingehungsbetrug eine "Vermögensgefährdung" schon darin bestehen kann, dass der Geschädigte überhaupt in vertragliche Beziehungen zu einem böswilligen Vertragspartner getreten ist, der von vornherein darauf ausging, den Vertragspartner unter planmäßiger Ausnutzung eines beim Vertragsschluss durch Vorspiegelung von Tatsachen erregten Irrtums zur späteren Entgegennahme einer vertragswidrigen Leistung zu veranlassen.
167
Einen vollendeten Eingehungsbetrug hat der Bundesgerichtshof zuletzt auch in dem betrügerisch veranlassten Eingehen eines Risikogeschäfts gesehen , das mit einer nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr verbunden ist (BGH NJW 2009, 2390). Er hat dabei ausgeführt, der mit der Vermögensverfügung unmittelbar eingetretene Vermögensschaden sei durch das Verlustrisiko im Zeitpunkt der Vermögensverfügung bestimmt.
168
d) Entgegen der Ansicht der Revisionen steht auch das Erfordernis der Stoffgleichheit einer Strafbarkeit des Angeklagten nicht entgegen. Der rechtswidrige Vermögensvorteil, den der Täter für sich oder einen Dritten erlangen will, muss die Kehrseite des Schadens sein. Unmittelbare Folge des Vertragsabschlusses war für den Angeklagten die Verbesserung seiner Vermögenssituation. Diese bestand darin, dass der getäuschte Lebensversicherer die Deckung des Risikos zu nicht äquivalenten Konditionen übernahm und dem Ange- klagten die Möglichkeit eröffnete, diese Risikodeckung zur Fingierung des Todesfalles auszunutzen.
169
2. Dementsprechend setzte der Angeklagte Y. A. in 19 weiteren Fällen (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) zur Begehung eines Eingehungsbetrugs unmittelbar an, indem er mit täuschenden Angaben in den Anträgen die Versicherungsunternehmen jeweils zum Abschluss entsprechender Verträge zu veranlassen suchte. Mit der Einreichung des Antrags nahm er diejenige Täuschungshandlung vor, die nach seiner Vorstellung dazu ausreichte, denjenigen Irrtum hervorzurufen, der den Getäuschten zu der schädigenden Vermögensverfügung bestimmen und damit den Schaden herbeiführen sollte (vgl. BGHSt 37, 294, 296).
170
Die Einwände der Revisionen, die Angeklagten hätten noch nicht unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt, sondern seien lediglich im Stadium der straflosen Vorbereitungshandlungen verblieben, haben deshalb im Ergebnis keinen Erfolg. Sie sind lediglich im Ausgangspunkt insoweit berechtigt, als die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts, in allen Fällen habe ein versuchter Erfüllungsbetrug vorgelegen, rechtlich nicht haltbar ist.
171
Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Auch eine frühere, vorgelagerte Handlung kann bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmündet oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang steht. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Hierbei können etwa die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen (BGHR StGB § 22 Ansetzen 30 m. w. N.).
172
Hier fehlt es für den vom Oberlandesgericht angenommenen Erfüllungsbetrug an einem unmittelbaren Ansetzen zur Tat im Sinne des § 22 StGB, da zunächst noch wesentliche Zwischenschritte erfolgreich hätten zurückgelegt werden müssen, bevor es möglich gewesen wäre, die Versicherungen zur Leistung auf den Todesfall in Anspruch zu nehmen. Denn bevor nicht der Tod des Angeklagten Y. A. in Ägypten fingiert und die entsprechend gefälschten Unterlagen beschafft waren, wäre es nicht möglich gewesen, die Versicherer durch deren Vorlage auf Auszahlung der Versicherungssummen in Anspruch zu nehmen.
173
3. An den 28 Taten des vollendeten bzw. versuchten Betrugs des Angeklagten Y. A. beteiligte sich der Angeklagte K. als Mittäter.
174
Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen; es kann auch eine solche im Vorbereitungsstadium des unmittelbar tatbestandsmäßigen Handelns genügen. Der Mittäter muss nur einen Beitrag leisten, der die Tat fördert und er muss die Tat als eigene wollen. Die Annahme von Mittäterschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in wertender Betrachtung der festgestellten Tatsachen zu prüfen. Dafür sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr maßgeb- lich (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26 m. w. N.). Danach hat das Oberlandesgericht den Angeklagten K. zutreffend als Mittäter angesehen. Er nahm zwar selbst keine Täuschungshandlung vor, war aber der Ideengeber und beteiligte sich intensiv an der Planung der Taten, sorgte nach den Vertragsabschlüssen für die Bezahlung der Prämien und sollte nach dem Tatplan bei der Geltendmachung der Versicherungsleistungen mitwirken. An der Tat hatte er selbst ein großes Interesse.
175
4. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts beteiligte sich der Angeklagte I. A. , nachdem er am 21. September 2004 von den beiden Mitangeklagten in das Betrugsvorhaben eingeweiht worden war, an den nach diesem Tag begangenen Taten (fünf Fälle des vollendeten und 18 Fälle des versuchten Betrugs). Die Würdigung des Oberlandesgerichts, der Angeklagte sei dabei Mittäter gewesen, hält rechtlicher Überprüfung nach den oben dargelegten Grundsätzen noch stand. Zwar nahm auch er nicht selbst Täuschungshandlungen vor, zudem sollte er persönlich von der erwarteten Beute nicht profitieren. Gleichwohl hatte er insoweit ein eigenes Interesse an der Tat, als er wusste, dass mit einem Teil der Beute seine Familie (Mutter und Geschwister ) unterstützt werden sollten. Hinzu kommt, dass er im Endstadium des Betrugsvorhabens als Begünstigter der Lebensversicherungsverträge die entscheidende Tatherrschaft haben sollte und seine Mitwirkung deshalb notwendige Bedingung für das Tatvorhaben war.
176
Für die vor dem 21. September 2004 begangenen Taten ist indes ein strafbares Handeln des Angeklagten I. A. nicht belegt. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts und des Generalbundesanwalts können ihm die Tatbeiträge der Mitangeklagten auch nicht nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Eine solche liegt bei demjenigen vor, der in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen tatbestandsmäßigen Handelns in das tatbestandliche Geschehen eingreift. Die Zurechnung bereits verwirklichter Tatumstände ist aber nur dann möglich, wenn der Hinzutretende selbst einen für die Tatbestandsverwirklichung ursächlichen Beitrag leistet. Kann der Hinzutretende die weitere Tatausführung dagegen nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs schon alles getan ist und das Tun des Eintretenden auf den weiteren Ablauf des Geschehens ohne jeden Einfluss bleibt, kommt mittäterschaftliche Mitwirkung trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH NStZ 1984, 548; 1998, 565). So liegt es hier. Der Angeklagte billigte nach seinem Hinzukommen zwar die Tatausführung durch die Mitangeklagten, erklärte sich bereit, in einem späteren Stadium der Tat durch eigene Tatbeiträge zur endgültigen Beutesicherung beizutragen , und beteiligte sich mit Vorschlägen an der weiteren Tatausführung. Er leistete aber für diese ersten fünf Taten selbst keinen Tatbeitrag mehr. Bei zwei Fällen (Fälle 1 und 4) waren die Versicherungsverträge schon abgeschlossen, in zwei Fällen (Fälle 2 und 3) sind die Versicherungsverträge später abgeschlossen worden, im Fall 4 hat die Versicherung den Vertragsabschluss am 4. Oktober 2004 abgelehnt. In keinem Fall ist ein Tätigwerden des Angeklagten, das auf den weiteren Ablauf Einfluss gehabt hätte, festgestellt. Insoweit ist ohne Bedeutung, dass auf alle vier abgeschlossenen Versicherungsverträge Prämienzahlungen auch nach dem 21. September 2004 erfolgten. Dies entsprach zwar dem inzwischen von allen drei Angeklagten gefassten Tatplan, indes lag darin nur ein Aufrechterhalten der durch die frühere Täuschung erreichten Fehlvorstellung des jeweiligen Versicherers über eine korrekte Vertragsabwicklung und keine weitere tatbestandsrelevante Täuschungshandlung.
177
Der Senat kann daher offenlassen, ob angesichts der Fallbesonderheiten - zur Vertiefung des Schadens durch Inanspruchnahme der Lebensversicherungen nach einem fingierten Todesfall sollte der Angeklagte ganz erhebliche Tatbeiträge leisten - eine sukzessive Mittäterschaft im Rahmen des Betrugstatbestands zwischen Vollendung und Beendigung hier in Frage kommen könnte (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 5; BGH, Beschl. vom 2. Juli 2009 - 3 StR 131/09).
178
5. Mit der Zustimmung des Angeklagten I. A. zu dem Tatplan und mit dessen erklärter Bereitschaft, sich im weiteren Verlauf der Tat an der Geltendmachung der Ansprüche auf Auszahlung der Versicherungssummen zu beteiligen und die Beute auszukehren, haben sich die Angeklagten zu einer Bande verbunden, um in der Folgezeit - jedenfalls in der in Aussicht genommenen kurzen, im einzelnen aber noch nicht genau bestimmten Zeitspanne - weitere Betrugstaten zu begehen. Damit liegt bei den nach dem 21. September 2004 begangenen Taten (ab Fall 6) jeweils das Regelbeispiel bandenmäßiger Begehung für die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB vor.
179
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts fehlt dieses Merkmal bei den ersten fünf Taten. Der Angeklagte I. A. war an diesen Taten nicht beteiligt, die für eine Bande erforderliche Bandenabrede zum Tatzeitpunkt noch nicht getroffen. Die Mitangeklagten handelten deshalb lediglich als Mittäter (vgl. BGH, Beschl. vom 17. März 2009 - 4 StR 607/08).
180
IV. Konkurrenzen
181
Das Verhältnis zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung und den Betrugstaten hat das Oberlandesgericht im Grundsatz zutreffend beurteilt.
182
1. Der Angeklagte K. hat die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) jeweils in Verfolgung der Ziele der Al Qaida begangen. Sie stehen deshalb mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an der ausländischen terroristischen Vereinigung jeweils in Tateinheit. Zugleich werden sie, da das Verbrechen nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB gegenüber den Betrugstaten das schwerere Delikt ist, von diesem zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verklammert (vgl. BGHSt 29, 288, 291; BGHR StGB § 129 Konkurrenzen 1; § 129 a Konkurrenzen

4).


183
2. Bei dem Angeklagten Y. A. stellen sich die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
184
Im Ausgangspunkt besteht allerdings bei einer Mehrzahl von Unterstützungshandlungen zwischen diesen jeweils Tatmehrheit. Hierin liegt der Unterschied zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, bei der mehrere Einzelakte zu einem tatbestandlichen Verhaltenstypus im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 193). Eine tatbestandliche Handlungseinheit zwischen mehreren Unterstützungshandlun- gen kommt nur in Betracht, wenn es um ein und denselben Unterstützungserfolg geht und die einzelnen Akte einen engen räumlichen, zeitlichen und bezugmäßigen Handlungszusammenhang aufweisen (vgl. Krauß aaO m. w. N.). So liegt es hier. Sämtliche Handlungen bezogen sich auf das einheitliche, übergeordnete Ziel der Unterstützung. Die Bemühungen dienten stets nach demselben Tatschema dem Zweck, aus der gesamten erstrebten Betrugsbeute die ausländische terroristische Vereinigung Al Qaida in Form einer Geldzuwendung zu stärken. Die Handlungen standen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang. Zum Teil beantragte der Angeklagte an einem Tag bei demselben Versicherer den Abschluss mehrerer Versicherungsverträge oder stellte Anträge bei mehreren Versicherern.
185
Die somit einheitliche Unterstützungshandlung verbindet nach den unter vorstehend 1. für die mitgliedschaftliche Beteiligung dargestellten Grundsätzen, die im Hinblick auf den am jeweiligen Strafrahmen zu messenden Unrechtsgehalt des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB einerseits und des § 263 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 StGB andererseits für diese Konstellation entsprechend gelten , die einzelnen vollendeten bzw. versuchten Betrugstaten ebenfalls zur Tateinheit.
186
3. Bei dem Angeklagten I. A. stellen sich die fünf Taten des Betrugs (Fälle 6, 16, 22, 30, 33) und die 18 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis ebenfalls als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
187
Als Mittäter muss sich der Angeklagte die im Rahmen des gemeinsamen Tatplans mit seiner Billigung erbrachten Tathandlungen seiner Mittäter - und damit alle 23 vom Mitangeklagten Y. A. seit seinem Hinzutre- ten und der Bildung der Bande begangenen Täuschungshandlungen - zurechnen lassen. Die Frage des rechtlichen Zusammentreffens ist jedoch bei einer Tatserie für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des Tatbeitrags jedes Tatbeteiligten (BGH StV 2002, 73). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts hat der Angeklagte seinen Tatbeitrag insgesamt durch die Bereitschaft zur Geltendmachung der Versicherungsleistungen sowie durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Verfahrensablauf der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art erbracht. Beiträge , die auf einzelne Betrugstaten konkretisiert waren, sind nicht festgestellt. In diesem Fall werden ihm die Einzeltaten des Mitangeklagten als in gleichartiger Tateinheit begangen zugerechnet (vgl. Fischer aaO § 25 Rdn. 23 m. w. N.). Diese Tatbeiträge zum Betrug stellen gleichzeitig die Unterstützungshandlung des Angeklagten dar. Dementsprechend liegt - wie das Oberlandesgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - auch nur eine Tat des Unterstützens einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor.
188
V. Schuldspruchänderung
189
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch weitergehende Feststellungen zur Beteiligung des Angeklagten Y. A. an der Al Qaida getroffen werden können. Er hat deshalb den Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig ist. Außerdem hat er die durch die abweichende rechtliche Beurteilung der Betrugstaten notwendigen Änderungen der Schuldsprüche vorgenommen. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn die Angeklagten hätten sich dagegen hier nicht anders als geschehen verteidigen können.
190
VI. Strafausspruch
191
1. Bei dem Angeklagten K. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe aus dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 1 StGB (ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe ) entnommen. Der Senat schließt aus, dass es bei zutreffender rechtlicher Beurteilung der Betrugstaten auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Zwar können die Fälle 1 bis 5 nicht mehr als bandenmäßig begangen und damit regelmäßig als besonders schwere Fälle des Betrugs bzw. des versuchten Betrugs beurteilt werden. Indes sind neun der Taten als vollendet anzusehen, was deren Gewicht für die Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten erhöht. Der Bestand der Strafe ist auch nicht deshalb gefährdet, weil die (potentiellen) Vermögensschäden der Versicherer durch die (versuchten) Eingehungsbetrugstaten , die der Schuldspruchänderung durch den Senat zugrunde liegen, wesentlich hinter den Beträgen zurückbleiben, die der Angeklagte letztlich nach gelungener Vortäuschung des Versicherungsfalles für sich und die Mittäter erlangen wollte. Das Oberlandesgericht ist insgesamt nur von Versuchsfällen ausgegangen und hat demgemäß einen Schadenseintritt verneint. Dass es die Höhe der beabsichtigten Bereicherung durch Zahlung der Versicherungssummen im Sinne einer Beuteerwartung strafschärfend berücksichtigt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden und stellt auch auf der Grundlage der vom Senat ausgeurteilten (versuchten) Eingehungsbetrugstaten einen maßgeblichen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar. Demgegenüber hat aber auch bereits das Oberlandesgericht ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass der Eintritt dieses letztendlich ins Auge gefassten Schadens noch sehr weit entfernt war und noch weiterer Zwischenschritte bedurft hätte.
192
2. Die Strafe für den Angeklagten Y. A. kann hingegen nicht bestehen bleiben. Durch die Änderung des Schuldspruchs hat sich der die Strafe bestimmende Strafrahmen in seiner Untergrenze von einem Jahr auf sechs Monate Freiheitsstrafe abgesenkt. Zwar hat sich das Oberlandesgericht daran nicht orientiert; auch ist die Obergrenze des Strafrahmens mit zehn Jahren gleichgeblieben. Dennoch kann der Senat - schon wegen der Nähe der verhängten Strafe zu derjenigen für den wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung verurteilten Mitangeklagten K. - nicht ausschließen, dass die Strafe milder ausgefallen wäre, wenn das Oberlandesgericht den Angeklagten zutreffend nur wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen hätte.
193
Über den Strafausspruch muss deshalb erneut durch den Tatrichter entschieden werden. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der rechtsfehlerhaften Einordnung des Tatbeitrags des Angeklagten nicht berührt sind. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen dürfen.
194
Damit wird die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung gegenstandslos (Meyer-Goßner aaO § 464 Rdn. 20).
195
3. Bei dem Angeklagten I. A. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) entnommen. Der Senat kann auch hier ausschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Beurteilung auf eine geringere Strafe erkannt hätte. Zwar sind die ersten fünf Betrugstaten im Schuldspruch entfallen; indes wird der Schuldumfang davon bestimmt, dass der Angeklagte bereit war, auch hinsichtlich der ohne seine Mitwirkung begangenen Betrugstaten die letztendlich erwartete Beute durch die Geltendmachung und Vereinnahmung der Versicherungsleistungen zu sichern.
196
VII. Kostenbeschwerde
197
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung wird als unbegründet verworfen, da diese dem Gesetz entspricht.
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 18/17
vom
14. Dezember 2017
in dem Strafverfahren
gegen
1.
2.
wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung
ECLI:DE:BGH:2017:141217BSTB18.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Angeschuldigten sowie ihrer Verteidiger am 14. Dezember 2017 gemäß § 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 2 StPO beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft München gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 19. Juli 2017 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse

Gründe:


1
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat den beiden Angeschuldigten mit der zum Oberlandesgericht München erhobenen Anklage vorgeworfen, gemeinschaftlich handelnd die außereuropäische terroristische Vereinigung "Junud al-Sham" unterstützt zu haben, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 bis 3, § 25 Abs. 2 StGB. Das Oberlandesgericht hat die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen abgelehnt. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Generalstaatsanwaltschaft mit der sofortigen Beschwerde. Das Rechtsmittel ist unbegründet.

I.


2
1. Mit der Anklageschrift ist den Angeschuldigten folgende Tat zur Last gelegt worden:
3
Der rechtskräftig verurteilte P. hielt sich von Anfang Oktober 2013 bis Anfang März 2014 - unterbrochen durch einen kurzen Aufenthalt in der Türkei von Mitte November bis Anfang Dezember 2013 - in Syrien auf und beteiligte sich als Mitglied an der terroristischen Vereinigung Junud al-Sham. Spätestens ab dem 12. Dezember 2013 war er dort im sogenannten "Deutschen Haus" einquartiert, wo er an einem paramilitärischen Training teilnahm, um sich zum Kämpfer für die Organisation ausbilden zu lassen. Er erhielt eine Kalaschnikow sowie eine Schrotflinte und eine Handgranate. Außerdem leistete er regelmäßig Wachdienste.
4
Nachdem sich die Angeschuldigte S. am 17. November 2013 mit P. telefonisch über eine von ihr und der Angeschuldigten O. für ihn durchzuführenden "Spendensammlung" unterhalten hatte, beschaffte die Angeschuldigte S. in der Folgezeit einen Bargeldbetrag in Höhe von 275 €, den sie Ende Dezember 2013 der Angeschuldigten O. zur Weitergabe an P. überreichte. Diese reiste am 1. Januar 2014 mit dem Geld sowie von ihr gestellten Kleidungsstücken ihres Bruders, Nahrungsmitteln und Deodorant von Deutschland nach Syrien. Zwischen dem 2. und 9. Januar 2014 übergab sie dort P. die Geld- und Sachmittel.
5
Beiden Angeschuldigten war bekannt, dass sich P. der Junud alSham als noch auszubildender Kämpfer angeschlossen hatte. Sie teilten selbst die Ideologie des Dschihad, den sie durch ihr Tun - zumindest mittelbar durch Unterstützung eines Mitglieds der Vereinigung - fördern wollten.
6
2. In dem die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnenden Beschluss hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen ausgeführt:
7
a) Die im Anklagesatz beschriebene Übergabe der Geld- und Sachmittel an P. sei - wenn nicht noch weitere Umstände hinzuträten - aus Rechtsgründen nicht als ein Unterstützen im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB zu beurteilen. Nach der Anklageschrift (einschließlich dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen) sei davon auszugehen, dass die Zuwendung allein P. zugutegekommen sei, während ein positiver Effekt für die Junud al-Sham nicht erkennbar sei. Hiernach fehle es am erforderlichen Organisationsbezug, nämlich an einer irgendwie gearteten Förderung der Gefährlichkeit der Vereinigung. Der Anklageschrift lasse sich nicht entnehmen, inwiefern die Organisation von den Geld- und Sachmitteln profitiert haben könnte. Wozu P. diese Gegenstände verwendet habe, sei nicht mitgeteilt. Eine positive Wirkung der Zuwendung auf die Organisation verstehe sich hier auch nicht von selbst. Es handele sich um eine sozialübliche Hilfeleistung für den allgemeinen Lebensunterhalt eines Mitglieds ohne Einfluss auf dessen mitgliedschaftliche Beteiligung. Der Geldbetrag sei "überschaubar"; bei Kleidung, Nahrungsmitteln und Deodorant handele es sich um Gegenstände des täglichen Lebensbedarfs.
8
Zwar erscheine es denkbar, dass eine durch eine Zuwendung zum Lebensunterhalt bewirkte bloße Steigerung des Wohlbefindens bei einem einzelnen Mitglied eine Unterstützung der Organisation darstellen könne, wenn damit zugleich dessen Fähigkeit und Bereitschaft zum Einsatz für deren Ziele erhöht werde. Wirksam werden könnten dabei auch die Mechanismen der psychischen Förderung. Jedoch "dürfte sich der erforderliche Organisationsbezug in einem solchen atypischen Fall nur bei einer objektivierbaren Verbesserung des 'Nutzens' des Mitglieds dieser Vereinigung begründen lassen, z.B. bei einer in zeitlichem Zusammenhang mit der Zuwendung stehenden Intensivierung seiner für die Organisation entfalteten Tätigkeiten". Ein solcher Vorteil für die Junud alSham sei hier nicht ersichtlich.
9
b) Ein positiver Effekt werde nicht nur in der Anklageschrift nicht dargetan , sondern sei nach dem Ermittlungsergebnis auch tatsächlich nicht nachweisbar. Den Sachakten seien keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Geld- und Sachmittel von P. für Zwecke der Organisation verwendet oder dieser zur Verfügung gestellt worden seien. Da es somit objektiv an einer ausreichenden Unterstützungswirkung fehle, komme es auf die "Motivationslage" der Angeschuldigten nicht an.

II.


10
Die gemäß § 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 2 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (vgl. § 306 Abs. 1, § 311 Abs. 2 StPO) sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft hat in der Sache keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat zu Recht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt.
11
Die gebotene vollumfängliche Prüfung der Voraussetzungen für die Eröffnung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. März 2009 - StB 20/08, BGHSt 53, 238, 243; vom 15. Oktober 2013 - StB 16/13, juris Rn. 16) hat ergeben, dass die Angeschuldigten der ihnen vorgeworfenen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1, 2, § 25 Abs. 2 StGB nicht im Sinne des § 203 StPO hinreichend verdächtig sind. Denn bei vorläufiger Tatbewertung auf der Grundlage des Ergebnisses der Ermittlungen ist ihre Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln nicht wahrscheinlich (zum Prüfungsmaßstab s. BGH, Beschlüsse vom 22. April 2003 - StB 3/03, BGHR StPO § 210 Abs. 2 Prüfungsmaßstab 2; vom 15. Oktober 2013 - StB 16/13, aaO).
12
Im Ergebnis zutreffend hat das Oberlandesgericht darauf erkannt, dass nach Aktenlage den Angeschuldigten die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung voraussichtlich nicht wird nachgewiesen werden können. Der im Anklagesatz beschriebene Sachverhalt ist nicht als ein gemäß § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB tatbestandliches Unterstützen zu werten; nach dem Ergebnis der Ermittlungen sind auch nicht - darüber hinausgehend - tatsächliche Umstände beweisbar, auf Grund derer der Straftatbestand erfüllt wäre.
13
1. Für die Strafbarkeit wegen Unterstützung einer terroristischen (bzw. kriminellen) Vereinigung gilt:
14
Unter einem Unterstützen im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB (wie des § 129 Abs. 1 Satz 2 Variante 1 StGB nF) ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehöri- gen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich gleichermaßen auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 117 f.; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, 350 f.).
15
Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 116; Beschlüsse vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, aaO, S. 348 f.; vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6). In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; Beschluss vom 17. August 2017 - AK 34/17, juris Rn. 6). Die Wirksamkeit der Unterstützungsleistung und deren Nützlichkeit müssen indes stets anhand belegter Fakten nachgewiesen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2013 - AK 13 u. 14/13, BGHSt 58, 318, 323 f.; vom 19. Oktober 2017 - AK 56/17, juris Rn. 18).
16
Fördert der Außenstehende die mitgliedschaftliche Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung, so bedarf es für die Tathandlung des Unterstützens in der Regel nicht der Feststellung eines noch weitergehenden positiven Effekts der Handlungen des Nichtmitglieds für die Organisation. Da als Folge des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt, grundsätzlich bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Organisation zu sehen ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Täter die Erfüllung einer Aufgabe durch ein Mitglied fördert, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist, oder es in dessen Entschluss stärkt, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, aaO; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 117 f.; Beschluss vom 11. Juli 2013 - AK 13 u. 14/13, aaO, S. 326 f.).
17
2. Unter Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe haben die Angeschuldigten nach dem sich aus den Sachakten ergebenden Ermittlungsergebnis nicht die Junud al-Sham unterstützt, weder durch die Förderung der Tätigkeit und der terroristischen Bestrebungen der Organisation als solcher noch durch Beihilfehandlungen zu Betätigungsakten des Mitglieds P. .
18
a) Im Hinblick auf eine direkte Unterstützung der Junud al-Sham mangelt es nach der maßgebenden Verdachtslage an einem vereinigungsbezogenen Vorteil als Folge der Übergabe der Geld- und Sachmittel an P. . Die Zuwendung der Angeschuldigten ist als Förderungsleistung für die Organisation nicht wirksam geworden.
19
Der Anklagesatz verhält sich nicht dazu, wofür P. die Gegenstände nutzte, ob er sie etwa innerhalb der Vereinigung weitergab oder unmittelbar für ihre Zwecke verwendete. Beweismittel, mittels derer sich ein entsprechender Nachweis führen ließe, liegen nicht vor. Als einzige Erkenntnisquelle käme P. selbst in Betracht. Dieser hat angegeben, er habe das - in Deutschland "gesammelte" (EA II Bl. 199) - Geld "als persönliches Geschenk" und "nicht als für die Gruppe bestimmt" angesehen; er habe es für sich behalten und für seinen persönlichen Bedarf, im Wesentlichen zum Aufladen des Mobiltelefons sowie für Zigaretten und Schokolade, ausgegeben (EA I Bl. 86 f.). Zur Verwendung der Sachmittel hat P. keine Angaben gemacht: Bezüglich der Kleidung des Bruders der Angeschuldigten O. hat er sich lediglich insoweit erklärt, als diese zwar "warme Kleidung" mitgebracht (EA II Bl. 199), er die "Klamotten" aber nicht bestellt oder angefordert habe (EA I Bl. 86). Ein sonderliches Interesse hatte er hieran offenkundig nicht. Zu den Nahrungsmitteln und dem Deodorant hat er sich überhaupt nicht geäußert. Naheliegend hat er entweder der Zuwendung insoweit keine Bedeutung beigemessen oder sich diesbezüglich nicht mehr konkret erinnert.
20
Infolgedessen muss davon ausgegangen werden, dass der zugewendete Vorteil ausschließlich bei P. verblieb und nicht der Vereinigung als überindividuellem Personenverband zugutekam. Dass womöglich - ausweislich des Mitschnitts eines zwischen der Angeschuldigten S. und P. am 23. Januar 2014 geführten Telefongesprächs (Sonderband TKÜ II Bl. 43 f.) - die Angeschuldigten ihrerseits in Übereinstimmung mit ihrer dschihadistischen Gesinnung andere Vorstellungen hatten, mit einer Weitergabe der Gegenstände durch P. innerhalb der Junud al-Sham rechneten und dies billigten, berührt die objektiv fehlende Wirksamkeit der Unterstützungshandlung nicht. Nach allgemeinen Grundsätzen könnte dies lediglich einen - nach geltendem Recht straflosen (vgl. §§ 12, 23 Abs. 1 StGB) - Unterstützungsversuch begründen.
21
b) Im Hinblick auf eine indirekte Unterstützung der Junud al-Sham durch Förderung der mitgliedschaftlichen Beteiligung des P. sind nach Aktenlage taugliche Förderungshandlungen ebenfalls nicht nachweisbar.
22
aa) Nach dem oben Ausgeführten liegt auch dann eine tatbestandliche Unterstützung der terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB vor, wenn der Täter die mitgliedschaftlichen Betätigungsakte eines ihrer Mitglieder fördert, jedenfalls dann, wenn das Mitglied die Handlungen auftragsgemäß vornimmt. Solche von P. im Auftrag der Junud al-Sham ausgeführten Betätigungsakte sind hier die Teilnahme am paramilitärischen Training in Vorbereitung einer Tätigkeit als Kämpfer sowie das Ableisten der Wachdienste. Hätten die Angeschuldigten diese Beteiligungshandlungen physisch oder psychisch gefördert, so wäre schon deshalb ein tatbestandliches Unterstützen gegeben. Allein darin wäre ein hinreichender Nutzen für die Junud al-Sham zu sehen, ohne dass in einer Hauptverhandlung weitergehende Feststellungen zu einem Organisationsbezug zu treffen wären.
23
bb) Die Angeschuldigten sind indes nicht hinreichend verdächtig, die mitgliedschaftlichen Betätigungsakte durch die Zuwendung der Geld- und Sachmittel gefördert zu haben. Diesbezüglich kann auf die Grundsätze der Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zurückgegriffen werden. Im Einzelnen:
24
(1) Eine physische Förderung dieser Beteiligungshandlungen durch die Zuwendung ist nach Aktenlage nicht ersichtlich. Weder zum Training noch zu den Wachdiensten besteht ein sachlicher Zusammenhang. Es sind keine An- haltspunkte dafür gegeben, dass die Geld- und Sachmittel hierfür verwendet wurden, etwa indem P. von dem Geld Munition für ein Schießtraining erwarb oder die Kleidung speziell bei Wachdiensten trug.
25
Wenngleich die beiden Angeschuldigten zuzurechnenden Handlungen als solche - die Fahrt nach Syrien sowie die dort getätigte unentgeltliche Übergabe von Bargeld und anderen Gegenständen an einen in einem Ausbildungslager aufhältigen Kampfrekruten - nicht als sozialüblich zu bewerten sind, liegt den entsprechenden Erwägungen des Oberlandesgerichts der zutreffende Gedanke zugrunde, dass die Zuwendung nach Art und Umfang keinen spezifischen Bezug zur Tätigkeit und den Zwecken der Junud al-Sham aufweist und sich insoweit als für sich gesehen "neutral" darstellt; vielmehr trugen die übergebenen Geld- und Sachmittel in relativ geringem Umfang - nicht widerlegbar - allein zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs des P. bei.
26
(2) Auch eine von den Angeschuldigten bewirkte psychische Förderung der Beteiligungshandlungen ist nicht wahrscheinlich. Hierfür ist erforderlich, entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts aber auch ausreichend, dass - analog zur psychischen Beihilfe - die Zuwendung P. in seinem Entschluss bestärkte, sich dem paramilitärischen Training zu unterziehen und die Wachdienste zu leisten. Eine im Nichteröffnungsbeschluss verlangte "objektivierbare Verbesserung des 'Nutzens' des Mitglieds für die Vereinigung" ist hingegen nicht notwendig.
27
Eine psychische Förderung der mitgliedschaftlichen Betätigung P. s setzt dabei einerseits voraus, dass die Angeschuldigten mit der Willensrichtung handelten, ihn in seinem Tatentschluss zu bestärken, andererseits aber auch, dass die Zuwendung tatsächlich eine P. s Tatenschluss för- dernde Funktion hatte. Wenngleich die Zuwendung nicht - im Sinne einer conditio sine qua non - kausal für seine (weiteren) Betätigungsakte gewesen zu sein braucht, so muss er sie zumindest als Billigung seines Tuns verstanden und ihr Relevanz für seinen Tatentschluss beigemessen haben (zur psychischen Beihilfe s. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2011 - 3 StR 206/11, NStZ 2012, 316 f.; vom 24. März 2014 - 5 StR 2/14, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 33; vom 13. September 2017 - 2 StR 161/17, juris Rn. 10; MüKoStGB/ Joecks, 3. Aufl., § 27 Rn. 9 ff., 42 f.; S/S-Heine/Weißer, StGB, 29. Aufl., § 27 Rn. 15).
28
Dass der Beweis einer tatsächlichen psychischen Beeinflussung des P. geführt werden kann, ist unwahrscheinlich. Gegen die Relevanz der Zuwendung für seinen Tatentschluss spricht hier, dass der Geldbetrag mit 275 € relativ gering war und P. ihn offensichtlich nicht benötigte. Nach seinen Angaben hatte er 2.000 € aus Deutschland nach Syrien mitgenommen und von seinem Bruder weitere 500 € erhalten; 1.500 € habe er später wieder nach Deutschland zurückgebracht (EA I Bl. 87). Die Finanzermittlungen haben ergeben, dass er sogar 1.200 € von seinem Bruder erhalten hatte (EA I Bl. 13). Im Übrigen liegen von seinen Angaben abweichende Erkenntnisse nicht vor. Bei den Sachmitteln handelte es sich um offensichtlich wenig werthaltige Gegenstände des täglichen Bedarfs; namentlich in Anbetracht der Bekundungen des P. besteht kein hinreichender Anhalt, dass ihr Besitz für ihn von Bedeutung war. Hiernach liegt es vorliegend genauso nahe, dass er die Zuwendung als eine Form der Sympathiebekundung verstand, die er bloß - ob ihres Umfangs - mehr oder minder innerlich befriedigt entgegennahm. Unter diesen Umständen lässt sich - entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft München sowie des Generalbundesanwalts - eine über P. vermittelte Unterstützung der Junud al-Sham nicht darauf stützen, dass er sich zum Zweck der Vorbereitung der Teilnahme am bewaffneten Kampf dieser Vereinigung in deren Ausbildungslager aufhielt und er - eigenen Angaben zufolge (EA I Bl. 86) - glaubte, ihm sei das Bargeld mit Blick auf seine Zugehörigkeit zu der Organisation zugewendet worden.
29
Nach alledem ließe sich in einer Hauptverhandlung wahrscheinlich der Nachweis nicht führen, dass die Angeschuldigten P. in seinem Tatentschluss zu den Betätigungsakten oder gar in demjenigen zu einer späteren Teilnahme an Kampfhandlungen (s. hierzu oben II. 1. aE) bestärkt hätten. Dass dort überlegene Erkenntnismittel zur Verfügung stünden, die eine abweichende Beurteilung ermöglichen könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2010 - StB 27/09, BGHSt 54, 275, 289; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 203 Rn. 13), ist nicht ersichtlich.
Becker Schäfer Spaniol
Berg Hoch

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 334/15
vom
27. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am
27. Oktober 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 27. März 2015 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Falle C. III. 2. a. aa. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe; die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten. 2. Im Falle C. III. 2. a. aa. der Urteilsgründe wird der Angeklagte freigesprochen; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. Im Umfang der Aufhebung im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten im Falle C. III. 2. a. aa. der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
3
a) Nach den Feststellungen hatte sich der Bruder des Angeklagten in Syrien der dort bestehenden terroristischen Vereinigung "Jaish al-muhajirin wa-l-ansar" angeschlossen. Auf dessen Bitte veranlasste der Angeklagte die Überweisung von 1.000 USD an einen Mittelsmann in der Türkei, die zur Förderung der Zwecke der Vereinigung bestimmt waren. Da die Auszahlung des überwiesenen Betrags an den Mittelsmann scheiterte, kam der Angeklagte mit seinem Bruder überein, die Summe zurückzubuchen. Sie sollte stattdessen vom Angeklagten anlässlich eines ins Auge gefassten Besuchs in Syrien bar übergeben werden. Auch dazu kam es indes nicht.
4
b) Dies trägt entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts nicht den Schuldspruch wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (§ 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 StGB).
5
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 11. Juli 2013 - AK 13 und 14/13, BGHSt 58, 318; vom 20. September 2012 - 3 StR 314/12, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 4) ist unter einem Unterstützen im Sinne von § 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich jedes Tätigwerden zu verstehen, durch das ein Nichtmitglied der Vereinigung deren innere Organisation und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenn auch nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (s. etwa auch BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteile vom 30. Oktober 1964 - 3 StR 45/64, BGHSt 20, 89; vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und - wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt - sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, 350 f.; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117 f.). Auch muss das Wirken des Nichtmitgliedes nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen, es genügt, wenn sein Tun für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass ein messbarer Nutzen für diese eintritt (BGH, Urteile vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 116; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243,

244).


6
bb) Die dargestellten Maßstäbe schließen es zwar nicht von vornherein aus, dass im Einzelfall allein schon die Zusage eines Außenstehenden, zugunsten der Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder Geld- oder Sachleistungen zu erbringen oder sich sonst in bestimmter Weise zu verhalten, als Unterstützungshandlung im Sinne von § 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB zu bewerten ist, auch wenn es letztlich nicht zur Erfüllung der Zusage kommt oder der zugesagte Erfolg aus anderen Gründen ausbleibt. In Abgrenzung zum bloßen straflosen Versuch der Unterstützung ist jedoch stets an dem Erfordernis festzuhalten, dass das Tun des Nichtmitglieds für die Vereinigung objektiven Nutzen entfaltet. Erschöpft es sich - wie hier - in der Zusage einer Unterstützungshandlung bzw. in nachfolgendem erfolglosem Bemühen, muss sich somit bereits dies für sich allein auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder in irgendeiner Weise positiv auswirken.
7
Solche Auswirkungen hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt.
8
c) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen zum objektiven Nutzen der Zusage des Angeklagten für die Vereinigung oder für mitgliedschaftliche Betätigungshandlungen des Bruders getroffen werden können. Er spricht den Angeklagten deshalb insoweit mit der entsprechenden Kostenfolge frei (§ 354 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO).
9
2. Der Wegfall der Einzelstrafe im Falle C. III. 2. a. aa. der Urteilsgründe führt zur Aufhebung des Urteils auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Die zugehörigen Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch treten.
Becker Pfister Schäfer
Mayer Gericke

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

18
aa) Unter einem Unterstützen im Sinne dieser Vorschriften ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und - wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt - sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 117 f.; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, 350 f.). Auch muss das Wirken des Nichtmitglieds nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen; es genügt, wenn sein Tun für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass der Nutzen messbar sein muss (vgl. BGH, Urteile vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 116). Erforderlich ist aber immer, dass das Nichtmitglied eine konkret wirksame Unterstützungsleistung für die Vereinigung erbringt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, aaO, S. 349; vom 17. August 2017 - AK 34/17, juris Rn. 6), die einen objektiven Nutzen entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6). Dies muss anhand belegter Fakten nachgewie- sen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 - AK 13-14/13, BGHSt 58, 318, 323 f.).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 260/16
vom
23. März 2017
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
1. Die Verabredung eines Verbrechens (§ 30 Abs. 2 Variante 3 StGB) setzt die
Willenseinigung von mindestens zwei tatsächlich zur Tatbegehung Entschlossenen
voraus, an der Verwirklichung eines hinreichend konkretisierten
Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken. Auch der selbst fest Entschlossene
ist daher nicht der Verbrechensverabredung schuldig, wenn der
oder die anderen den inneren Vorbehalt haben, sich tatsächlich nicht als
Mittäter an der vereinbarten Tat beteiligen zu wollen.
2. Das Sichbereiterklären zu einem Verbrechen (§ 30 Abs. 2 Variante 1 StGB)
ist hingegen unabhängig von der subjektiven Einstellung des Erklärungsempfängers
, so dass dessen innerer Vorbehalt, die Tat nicht zu wollen, eine
Strafbarkeit nach dieser Tatbestandsvariante nicht hindert.
3. Neben dem Sichbereiterklären zu einem Verbrechen in der Form des Erbietens
ist für eine Verurteilung wegen versuchter Anstiftung zur mittäterschaftlichen
Begehung der nämlichen Tat (§ 30 Abs. 1 Alternative 1 StGB) kein
Raum.
ECLI:DE:BGH:2017:230317B3STR260.16.0

4. Der Annahme des Erbietens zu einem Verbrechen (§ 30 Abs. 2 Variante 2 StGB) steht nicht entgegen, dass das Erbieten des anderen nur zum Schein angenommen wird.
BGH, Beschluss vom 23. März 2017 - 3 StR 260/16 - LG Mönchengladbach

in der Strafsache gegen

1.


2.

3.



wegen zu 1.: Verabredung zu einem Verbrechen des Mordes zu 2. und 3.: Annahme eines Erbietens zu einem Verbrechen des Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 23. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog, Abs. 1b StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 30. November 2015, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung nach den §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten seines Rechtsmittels, zu treffen ist. 2. Die Revisionen der Angeklagten T. und H. sowie die weitergehende Revision des Angeklagten S. gegen das vorbenannte Urteil werden verworfen; jedoch wird der Schuldspruch betreffend den Angeklagten T. dahin geändert, dass er "des Sichbereiterklärens zu einem Verbrechen des Mordes" anstelle "der Verabredung zu einem Verbrechen des Mordes" schuldig ist. 3. Die Angeklagten T. und H. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen Verabredung zu einem Verbrechen des Mordes, die Angeklagten H. und S. wegen Annahme eines Anerbietens zum Verbrechen des Mordes verurteilt. Gegen den Angeklagten T. hat es auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren, gegen die Angeklagten H. und S. jeweils unter Einbeziehung früher verhängter Einzelstrafen auf Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren und neun Monaten (H. ) sowie von fünf Jahren und drei Monaten (S. ) erkannt. Hiergegen richten sich die jeweils auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten T. und S. sowie die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten H. . Nur das Rechtsmittel des Angeklagten S. hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4, § 354 Abs. 1b StPO). Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, wobei das Rechtsmittel des Angeklagten T. die vom Generalbundesanwalt beantragte, aus der Entscheidungsformel ersichtliche Schuldspruchänderung zur Folge hat (§ 354 Abs. 1 analog StPO).

I.

2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen forderte der Angeklagte T. die mit ihm in einem Haftraum untergebrachten Angeklagten H. und S. auf, an dem von ihm geplanten Ausbruch aus der Justizvollzugsanstalt mitzuwirken. Der Plan sah zur Ermöglichung der gemeinsamen Flucht vor, zunächst einen Vollzugsbeamten bei der abendlichen Essens- oder Medikamentenausgabe mit einem noch herzustellenden Werkzeug niederzuschlagen. T. nahm billigend in Kauf, dass der Beamte sterben könnte, und machte das H. und S. gegenüber deutlich. Diese erklärten sich T. gegenüber zur Mitwirkung bereit, hatten dabei jedoch den inneren Vorbehalt, sich tatsächlich nicht an dem Vorhaben beteiligen zu wollen. Sie rechneten damit und nahmen in Kauf, dass T. ihr jeweiliges Einverständnis ernst nehmen und deshalb die Tat verwirklichen werde. Durch ihre (scheinbaren) Zustimmungen war T. nunmehr zur Tatausführung fest entschlossen.
3
In Ausführung des Plans zerlegten die drei Angeklagten einen Stuhl und legten die vier massiven vierkantigen Stuhlbeine aus Eisen als potentielle Schlagwerkzeuge in dem Haftraum bereit. Die Umsetzung des Vorhabens scheiterte daran, dass S. kurz danach in eine andere Haftanstalt verlegt wurde, der neue Mitinsasse des Haftraums eine Beteiligung ablehnte und stattdessen einen Beamten der Justizvollzugsanstalt von dem Plan unterrichtete.

II.

4
1. Revision des Angeklagten T.
5
a) Die Verfahrensrüge des Angeklagten T. ist nicht ausgeführt und bereits aus diesem Grund unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
6
b) Die auf Grund der allgemeinen Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten T. ergeben. Näher einzugehen ist lediglich auf die vom Senat vorgenommene Schuldspruchberichtigung:
7
aa) Die Feststellungen tragen nicht den Schuldspruch der Verabredung zu einem Verbrechen des Mordes (nachfolgend (1)); vielmehr ist der Angeklagte T. des Sichbereiterklärens zu einem Verbrechen des Mordes schuldig (unten (2)). Daneben scheidet eine Verurteilung wegen versuchter Anstiftung zum Verbrechen des Mordes aus (unten (3)).
8
(1) Der Senat vermag dem Landgericht nicht darin zu folgen, dass H. s und S. s innerer Vorbehalt im Hinblick auf die Strafbarkeit des Angeklagten T. wegen Verbrechensverabredung nach § 30 Abs. 2 Variante 3 StGB irrelevant sei, weil - so das Landgericht - jedenfalls objektiv eine solche Verabredung vorliege und T. seinerseits die subjektiven Tatbestandsmerkmale erfülle, da er selbst zur Tatausführung entschlossen war (in diesem Sinne aber auch S/S-Heine/Weißer, StGB, 29. Aufl., § 30 Rn. 29).
9
Strafgrund der Verbrechensverabredung ist die durch eine Willensbindung mehrerer Personen gesteigerte Gefahr für das bedrohte Rechtsgut. Die Gefährlichkeit konspirativen Zusammenwirkens Mehrerer liegt darin, dass es Gruppendynamik entfalten, die Beteiligten psychisch binden und so die spätere Ausführung der Tat wahrscheinlicher machen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. März 2011 - 5 StR 581/10, NStZ 2011, 570, 571; vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 438/15, BGHSt 61, 84, 92; MüKoStGB/Joecks, 3. Aufl., § 30 Rn. 53; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 30 Rn. 11). Die Verbrechensverabredung ist Vorstufe der Mittäterschaft (vgl. LK/Schünemann, aaO Rn. 72 mwN). Voraussetzung für die Strafbarkeit wegen Verabredung eines Verbrechens nach § 30 Abs. 2 Variante 3 StGB ist daher, dass eine Willenseinigung von jedenfalls zwei tatsächlich zur Tatbegehung entschlossenen Personen zustande gekommen ist, an der Verwirklichung eines hinreichend konkretisierten Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken (vgl. bereits RG, Urteil vom 27. November 1924 - II 754/24, RGSt 58, 392, 393; ferner BGH, Urteile vom 3. Dezember 1958 - 2 StR 500/58, BGHSt 12, 306, 309; vom 29. Juli 1980 - 1 StR 326/80, Umdr. S. 4 [unveröffentl.]; vom 7. April 1998 - 1 StR 801/97, NStZ 1998, 403, 404; vom 28. Juni 2007 - 3 StR 140/07, NStZ 2007, 697; vom 13. November 2008 - 3 StR 403/08, NStZ 2009, 497 f.; Beschluss vom 11. August 1999 - 5 StR 217/99, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 5; SK-StGB/Hoyer, 35. Lfg., § 30 Rn. 48; Maurach, JZ 1961, 137, 139; Roxin AT II § 28 Rn. 47 ff.; LK/Schünemann, aaO Rn. 63; NK-StGB-Zaczyk, 4. Aufl., § 30 Rn. 50).
10
Das ist hier nicht der Fall. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass sich H. und S. schon an dem körperlichen Angriff auf den Justizvollzugsbediensteten nicht beteiligen wollten. Ihr innerer Vorbehalt bezog sich mithin auf die gesamte von T. geplante Tat und nicht lediglich darauf, im Anschluss an das Niederschlagen des Beamten den Haftraum nicht zusammen mit T. verlassen zu wollen.
11
(2) Der Angeklagte T. hat sich jedoch nach § 30 Abs. 2 Variante 1 StGB wegen Sichbereiterklärens in der Form des Erbietens strafbar gemacht. Voraussetzung hierfür ist die ernstgemeinte, mit Bindungswillen gegenüber dem Adressaten abgegebene Kundgabe der eigenen Bereitschaft zur täterschaftlichen Verwirklichung eines Verbrechens. Dies kann entweder in der Form der Annahme einer Aufforderung oder - wie hier - als aktives Erbieten geschehen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - StB 10/14, NJW 2015, 1032, 1033 mwN). Der Senat braucht dabei nicht zu entscheiden, ob diese zweite Alternative voraussetzt, dass der Erbietende als präsumtiver Täter seinen Tatentschluss unter die Bedingung der Annahme des Erbietens stellt (sogenanntes "echtes" Erbieten, vgl. Rogall in Festschrift Puppe, 2011, S. 859, 869 Fn. 94; Roxin, AT II, § 28 Rn. 79; LK/Schünemann, aaO Rn. 90), oder ob auch der bei Kundgabe seiner Bereitschaft bereits fest zur Tat Entschlossene erfasst ist (so MüKoStGB/Joecks, aaO Rn. 44). Denn das Landgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass T. nicht von vornherein, sondern erst durch die (scheinbare) Zustimmung H. s und S. s endgültig zur Tat entschlossen war (UA S. 32), und dies durch eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung belegt (UA S. 44).
12
Das Erbieten des Angeklagten T. war ernst gemeint (zu diesem Erfordernis vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1954 - StE 125/52, BGHSt 6, 346, 347; Beschluss vom 7. Juli 1993 - 3 StR 275/93, BGHR StGB § 30 Beteiligung 1; ebenso bereits RG, Urteile vom 7. Juni 1929 - I 3/29, RGSt 63, 197, 199; vom 10. Dezember 1925 - II 368/25, RGSt 60, 23, 25; ferner S/S-Heine /Weißer, aaO Rn. 27; SK-StGB/Hoyer, aaO Rn. 38; MüKoStGB/Joecks, aaO Rn. 46; Roxin, JA 1979, 169, 172; Schröder, JuS 1967, 289, 294; LK/Schünemann, aaO Rn. 92; NK-StGB-Zaczyk, aaO Rn. 37) und auf eine Bindung gegenüber den beiden anderen Angeklagten gerichtet (zu diesem Erfordernis vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2014 - StB 10/14, NJW 2015, 1032, 1033; vom 18. Februar 2016 - AK 3/16, juris Rn. 13). T. erstrebte nicht nur S. s und H. s Zustimmung zur Tatbegehung, sondern sogar ihre Mitwirkung daran. Auf ihren inneren Vorbehalt kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weil das Sichbereiterklären unabhängig von der subjektiven Einstellung des Erklärungsempfängers ist (BGH, Beschluss vom 11. August 1999 - 5 StR 217/99, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 5).
13
(3) Der Angeklagte T. ist indes nicht wegen - tateinheitlich begangener - versuchter Anstiftung zum Verbrechen des Mordes zu verurteilen.
14
Zwar versuchte T. H. und S. zu bestimmen, ein Verbrechen des Mordes zu begehen, so dass eine Strafbarkeit nach § 30 Abs. 1 Alternative 1 StGB in Betracht käme. Durch seine Aufforderung zur Mitwirkung an dem von ihm geplanten Vorhaben nahm er objektiv eine Bestimmungshandlung vor, die bei H. und S. einen Tatentschluss hervorrufen sollte (vgl. auch BGH, Urteile vom 29. Oktober 1997 - 2 StR 239/97, NStZ 1998, 347, 348; vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 101; vom 14. Juni 2005 - 1 StR 503/04, BGHSt 50, 142, 145). Er handelte subjektiv mit sogenanntem "doppelten Anstiftervorsatz", der sich einerseits auf das Hervorrufen des Tatentschlusses bei beiden und andererseits auf die Vollendung der Haupttat bezog (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 17. November 1955 - 3 StR 358/55, BGHSt 8, 261, 263; vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 101; vom 27. Juli 2000 - 4 StR 185/00, juris Rn. 8; vom 5. Februar 2013 - 1 StR 405/12, NJW 2013, 1106 f.; Schröder, JuS 1967, 289, 290, 294).
15
Neben dem Sichbereiterklären zum Verbrechen des Mordes ist jedoch für eine Verurteilung wegen versuchter Anstiftung zur mittäterschaftlichen Begehung der nämlichen Tat kein Raum. Insoweit ist für die Taten im Vorbereitungsstadium auf die für das Ausführungsstadium geltenden Grundsätze zurückzugreifen , die für das Verhältnis der Anstiftung (§ 26 StGB) zur Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) maßgebend sind:
16
Bestimmt ein Tatbeteiligter einen anderen zu einer rechtswidrigen Tat, die er selbst (als Mittäter mit-)begeht, so ist er allein wegen der (mit-)täterschaftlichen Tatbegehung zu belangen. Dies kann aus dem Wortlaut des § 26 StGB hergeleitet werden, nach dem Bezugspunkt des Bestimmens eine fremde Tat ist ("... einen anderen zu dessen ... Tat bestimmt ...", vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 26 Rn. 1; NK-StGB-Schild, 4. Aufl., § 26 Rn. 1), so dass eine Anstiftung zu einer von dem Bestimmenden als Mittäter begangenen Tat bereits tatbestandlich ausgeschlossen wäre. Jedenfalls auf der Ebene der Konkurrenzen ist die Anstiftung gegenüber der schwereren Beteiligungsform der Mittäterschaft subsidiär (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1993 - 1 StR 325/93, NStZ 1994, 29, 30; S/S-Heine/Weißer, StGB, 29. Aufl., Vor §§ 25 ff. Rn. 47; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 137; LK/Schünemann, aaO § 26 Rn. 106).
17
Übertragen auf die entsprechenden Beteiligungsformen im Vorbereitungsstadium nach § 30 StGB bedeutet dies, dass derjenige, der sich selbst zu einem Verbrechen bereiterklärt, nicht auch wegen versuchter Anstiftung eines anderen zu derselben Tat zu verurteilen ist. Der Senat kann dabei offen lassen, ob die versuchte Anstiftung schon auf der Tatbestandsebene ausscheidet oder erst auf der Konkurrenzebene verdrängt wird (zum Zurücktreten hinter die tatnähere oder schwerwiegendere Beteiligungsform des § 30 StGB s. BGH, Beschluss vom 22. Dezember 1993 - 5 StR 705/93, BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Konkurrenzen 4; Urteil vom 19. März 1996 - 1 StR 497/95, NJW 1996, 2239, 2242 [insoweit in BGHSt 42, 86 nicht abgedr.]; SK-StGB/Hoyer, 35. Lfg., § 30 Rn. 58; LK/Schünemann, aaO § 30 Rn. 79).
18
bb) Der Senat ändert infolgedessen den den Angeklagten T. betreffenden Schuldspruch in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO in das Sichbereiterklären zu einem Verbrechen des Mordes ab (zur Tenorierung im Rahmen des § 30 StGB s. BGH, Urteile vom 10. September 1986 - 3 StR 287/86, BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Tatbezeichnung 1; vom 19. März 1996 - 1 StR 497/95, NJW 1996, 2239, 2241). § 265 StPO steht dem nicht entgegen , weil es sich lediglich um eine andere Tatbestandsvariante des § 30 Abs. 2 StGB handelt und sich der Angeklagte T. , der von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat, hiergegen nicht anders hätte verteidigen können.
19
Der Strafausspruch ist unter den gegebenen Umständen von der Schuldspruchänderung nicht betroffen. Die Strafe für das Sichbereiterklären zu einem Verbrechen des Mordes ist demselben Strafrahmen zu entnehmen wie für die Verabredung hierzu (§ 30 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 i.V.m. § 211 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
20
2. Revision des Angeklagten H.
21
Die auf Grund der allgemeinen Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten H. ergeben.
22
a) Entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts erweist sich die Verurteilung nach § 30 Abs. 2 Variante 2 StGB wegen Annahme eines Anerbietens zum Verbrechen des Mordes auf der Grundlage der Feststellungen als zutreffend.
23
Diese Variante des § 30 Abs. 2 StGB setzt - als ein Sonderfall der versuchten Anstiftung - voraus, dass der Täter objektiv das Erbieten eines anderen zur Begehung eines Verbrechens annimmt und subjektiv mit doppeltem Anstiftervorsatz , jedenfalls in Form des dolus eventualis, handelt. Für den Vorsatz genügt, dass der Annehmende damit rechnet, der präsumtive Täter werde seine Erklärung ernst nehmen und ihr entsprechend handeln, und dies billigt (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 1998 - 1 StR 801/97, NStZ 1998, 403, 404). Hat der Annehmende diese Vorstellung, entfällt sein Vorsatz nicht dadurch, dass er die Annahme des Erbietens des anderen nur zum Schein erklärt (vgl. - für die versuchte Anstiftung - BGH, Urteil vom 27. Juli 2000 - 4 StR 185/00, juris Rn. 8; ebenso BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 101 ff.).
24
Durch die Vorspiegelung seiner Bereitschaft zur Mitwirkung an dem Fluchtvorhaben nahm H. T. s Erbieten zur Begehung eines Mordes objektiv an. Aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch mit ausreichender Klarheit entnehmen, dass er dabei die Möglichkeit erkannte und billigte, auf Grund seiner Zustimmung werde T. den endgültigen Entschluss zur Durchführung der Tat fassen und diese dem Plan ent- sprechend ausführen. Der Vorsatz des H. umfasste dabei auch diejenigen Umstände, die im Fall des Todeseintritts - von welchem er wusste, dass er T. gleichgültig war - die Bewertung der Tat als heimtückisch begangener Mord getragen hätten (zur Zurechnung des Mordmerkmals der Heimtücke in einem solchen Fall vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2005 - 4 StR 243/05, NStZ 2006, 288, 289). Dem Vorsatz des H. steht nicht entgegen, dass er etwa davon ausgegangen wäre, falls er nicht mitwirke, hindere dies das Niederschlagen eines Vollzugsbeamten (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 4. Dezember 1962 - 5 StR 529/62, BGHSt 18, 160 f.; vom 7. April 1998 - 1 StR 801/97, NStZ 1998, 403, 404; ferner Roxin, NStZ 1998, 616, 617). Vielmehr nahm er an, der Plan könne auch ohne sein Zutun verwirklicht werden. Das gilt umso mehr, als auch S. , dessen innerer Vorbehalt H. nicht bekannt war, die eigene Mitwirkungsbereitschaft vorspiegelte.
25
Die vom Generalbundesanwalt beantragte Schuldspruchberichtigung in ein Sichbereiterklären zu einem Verbrechen des Mordes hindert den Senat nicht an der uneingeschränkten Verwerfung des Rechtsmittels gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Die Änderung wäre nicht zu Gunsten des Angeklagten H. vorzunehmen gewesen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Januar 1993 - 3 StR 575/92, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 4; vom 23. Juli 1993 - 2 StR 346/93, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Antrag 1; vom 3. Mai 2011 - 5 StR 111/11, juris).
26
b) Durch die zu Unrecht vorgenommene nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist der Angeklagte H. , wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, nicht beschwert.
27
3. Revision des Angeklagten S.
28
a) Die Verfahrensrüge des Angeklagten S. ist ebenfalls nicht ausgeführt und schon aus diesem Grund unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
29
b) Seine Sachrüge ist insoweit unbegründet, als es den Schuldspruch und die wegen der abgeurteilten Tat verhängte Freiheitsstrafe betrifft. Hinsichtlich der - zutreffenden - Verurteilung wegen Annahme eines Anerbietens zu einem Verbrechen des Mordes gilt das für den Angeklagten H. Ausgeführte entsprechend. Soweit der Angeklagte S. im Einzelnen die Zumessung der Einzelstrafe beanstandet, dringt die Sachrüge aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.
30
Das Rechtsmittel hat lediglich zum Ausspruch über die nachträgliche Gesamtstrafe Erfolg. Diesbezüglich hat der Generalbundesanwalt ausgeführt: "Der Ausspruch über die Gesamtstrafe kann indes keinen Bestand haben, weil entgegen § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Mönchengladbach vom 27. November 2014 nicht festgestellt ist oder sich sonst aus den Urteilsgründen erschließt und es sich auch nicht von selbst versteht, dass dieses Urteil bereits in Rechtskraft erwachsen ist. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind."
31
Der Senat schließt sich dem an und macht von der durch § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch, die Entscheidung dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuzuweisen.
Becker RiBGH Gericke befindet sich Tiemann im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Berg Hoch

(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.

(2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.

(3) Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften.

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 260/16
vom
23. März 2017
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
1. Die Verabredung eines Verbrechens (§ 30 Abs. 2 Variante 3 StGB) setzt die
Willenseinigung von mindestens zwei tatsächlich zur Tatbegehung Entschlossenen
voraus, an der Verwirklichung eines hinreichend konkretisierten
Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken. Auch der selbst fest Entschlossene
ist daher nicht der Verbrechensverabredung schuldig, wenn der
oder die anderen den inneren Vorbehalt haben, sich tatsächlich nicht als
Mittäter an der vereinbarten Tat beteiligen zu wollen.
2. Das Sichbereiterklären zu einem Verbrechen (§ 30 Abs. 2 Variante 1 StGB)
ist hingegen unabhängig von der subjektiven Einstellung des Erklärungsempfängers
, so dass dessen innerer Vorbehalt, die Tat nicht zu wollen, eine
Strafbarkeit nach dieser Tatbestandsvariante nicht hindert.
3. Neben dem Sichbereiterklären zu einem Verbrechen in der Form des Erbietens
ist für eine Verurteilung wegen versuchter Anstiftung zur mittäterschaftlichen
Begehung der nämlichen Tat (§ 30 Abs. 1 Alternative 1 StGB) kein
Raum.
ECLI:DE:BGH:2017:230317B3STR260.16.0

4. Der Annahme des Erbietens zu einem Verbrechen (§ 30 Abs. 2 Variante 2 StGB) steht nicht entgegen, dass das Erbieten des anderen nur zum Schein angenommen wird.
BGH, Beschluss vom 23. März 2017 - 3 StR 260/16 - LG Mönchengladbach

in der Strafsache gegen

1.


2.

3.



wegen zu 1.: Verabredung zu einem Verbrechen des Mordes zu 2. und 3.: Annahme eines Erbietens zu einem Verbrechen des Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 23. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog, Abs. 1b StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 30. November 2015, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung nach den §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten seines Rechtsmittels, zu treffen ist. 2. Die Revisionen der Angeklagten T. und H. sowie die weitergehende Revision des Angeklagten S. gegen das vorbenannte Urteil werden verworfen; jedoch wird der Schuldspruch betreffend den Angeklagten T. dahin geändert, dass er "des Sichbereiterklärens zu einem Verbrechen des Mordes" anstelle "der Verabredung zu einem Verbrechen des Mordes" schuldig ist. 3. Die Angeklagten T. und H. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen Verabredung zu einem Verbrechen des Mordes, die Angeklagten H. und S. wegen Annahme eines Anerbietens zum Verbrechen des Mordes verurteilt. Gegen den Angeklagten T. hat es auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren, gegen die Angeklagten H. und S. jeweils unter Einbeziehung früher verhängter Einzelstrafen auf Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren und neun Monaten (H. ) sowie von fünf Jahren und drei Monaten (S. ) erkannt. Hiergegen richten sich die jeweils auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten T. und S. sowie die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten H. . Nur das Rechtsmittel des Angeklagten S. hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4, § 354 Abs. 1b StPO). Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, wobei das Rechtsmittel des Angeklagten T. die vom Generalbundesanwalt beantragte, aus der Entscheidungsformel ersichtliche Schuldspruchänderung zur Folge hat (§ 354 Abs. 1 analog StPO).

I.

2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen forderte der Angeklagte T. die mit ihm in einem Haftraum untergebrachten Angeklagten H. und S. auf, an dem von ihm geplanten Ausbruch aus der Justizvollzugsanstalt mitzuwirken. Der Plan sah zur Ermöglichung der gemeinsamen Flucht vor, zunächst einen Vollzugsbeamten bei der abendlichen Essens- oder Medikamentenausgabe mit einem noch herzustellenden Werkzeug niederzuschlagen. T. nahm billigend in Kauf, dass der Beamte sterben könnte, und machte das H. und S. gegenüber deutlich. Diese erklärten sich T. gegenüber zur Mitwirkung bereit, hatten dabei jedoch den inneren Vorbehalt, sich tatsächlich nicht an dem Vorhaben beteiligen zu wollen. Sie rechneten damit und nahmen in Kauf, dass T. ihr jeweiliges Einverständnis ernst nehmen und deshalb die Tat verwirklichen werde. Durch ihre (scheinbaren) Zustimmungen war T. nunmehr zur Tatausführung fest entschlossen.
3
In Ausführung des Plans zerlegten die drei Angeklagten einen Stuhl und legten die vier massiven vierkantigen Stuhlbeine aus Eisen als potentielle Schlagwerkzeuge in dem Haftraum bereit. Die Umsetzung des Vorhabens scheiterte daran, dass S. kurz danach in eine andere Haftanstalt verlegt wurde, der neue Mitinsasse des Haftraums eine Beteiligung ablehnte und stattdessen einen Beamten der Justizvollzugsanstalt von dem Plan unterrichtete.

II.

4
1. Revision des Angeklagten T.
5
a) Die Verfahrensrüge des Angeklagten T. ist nicht ausgeführt und bereits aus diesem Grund unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
6
b) Die auf Grund der allgemeinen Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten T. ergeben. Näher einzugehen ist lediglich auf die vom Senat vorgenommene Schuldspruchberichtigung:
7
aa) Die Feststellungen tragen nicht den Schuldspruch der Verabredung zu einem Verbrechen des Mordes (nachfolgend (1)); vielmehr ist der Angeklagte T. des Sichbereiterklärens zu einem Verbrechen des Mordes schuldig (unten (2)). Daneben scheidet eine Verurteilung wegen versuchter Anstiftung zum Verbrechen des Mordes aus (unten (3)).
8
(1) Der Senat vermag dem Landgericht nicht darin zu folgen, dass H. s und S. s innerer Vorbehalt im Hinblick auf die Strafbarkeit des Angeklagten T. wegen Verbrechensverabredung nach § 30 Abs. 2 Variante 3 StGB irrelevant sei, weil - so das Landgericht - jedenfalls objektiv eine solche Verabredung vorliege und T. seinerseits die subjektiven Tatbestandsmerkmale erfülle, da er selbst zur Tatausführung entschlossen war (in diesem Sinne aber auch S/S-Heine/Weißer, StGB, 29. Aufl., § 30 Rn. 29).
9
Strafgrund der Verbrechensverabredung ist die durch eine Willensbindung mehrerer Personen gesteigerte Gefahr für das bedrohte Rechtsgut. Die Gefährlichkeit konspirativen Zusammenwirkens Mehrerer liegt darin, dass es Gruppendynamik entfalten, die Beteiligten psychisch binden und so die spätere Ausführung der Tat wahrscheinlicher machen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. März 2011 - 5 StR 581/10, NStZ 2011, 570, 571; vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 438/15, BGHSt 61, 84, 92; MüKoStGB/Joecks, 3. Aufl., § 30 Rn. 53; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 30 Rn. 11). Die Verbrechensverabredung ist Vorstufe der Mittäterschaft (vgl. LK/Schünemann, aaO Rn. 72 mwN). Voraussetzung für die Strafbarkeit wegen Verabredung eines Verbrechens nach § 30 Abs. 2 Variante 3 StGB ist daher, dass eine Willenseinigung von jedenfalls zwei tatsächlich zur Tatbegehung entschlossenen Personen zustande gekommen ist, an der Verwirklichung eines hinreichend konkretisierten Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken (vgl. bereits RG, Urteil vom 27. November 1924 - II 754/24, RGSt 58, 392, 393; ferner BGH, Urteile vom 3. Dezember 1958 - 2 StR 500/58, BGHSt 12, 306, 309; vom 29. Juli 1980 - 1 StR 326/80, Umdr. S. 4 [unveröffentl.]; vom 7. April 1998 - 1 StR 801/97, NStZ 1998, 403, 404; vom 28. Juni 2007 - 3 StR 140/07, NStZ 2007, 697; vom 13. November 2008 - 3 StR 403/08, NStZ 2009, 497 f.; Beschluss vom 11. August 1999 - 5 StR 217/99, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 5; SK-StGB/Hoyer, 35. Lfg., § 30 Rn. 48; Maurach, JZ 1961, 137, 139; Roxin AT II § 28 Rn. 47 ff.; LK/Schünemann, aaO Rn. 63; NK-StGB-Zaczyk, 4. Aufl., § 30 Rn. 50).
10
Das ist hier nicht der Fall. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass sich H. und S. schon an dem körperlichen Angriff auf den Justizvollzugsbediensteten nicht beteiligen wollten. Ihr innerer Vorbehalt bezog sich mithin auf die gesamte von T. geplante Tat und nicht lediglich darauf, im Anschluss an das Niederschlagen des Beamten den Haftraum nicht zusammen mit T. verlassen zu wollen.
11
(2) Der Angeklagte T. hat sich jedoch nach § 30 Abs. 2 Variante 1 StGB wegen Sichbereiterklärens in der Form des Erbietens strafbar gemacht. Voraussetzung hierfür ist die ernstgemeinte, mit Bindungswillen gegenüber dem Adressaten abgegebene Kundgabe der eigenen Bereitschaft zur täterschaftlichen Verwirklichung eines Verbrechens. Dies kann entweder in der Form der Annahme einer Aufforderung oder - wie hier - als aktives Erbieten geschehen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - StB 10/14, NJW 2015, 1032, 1033 mwN). Der Senat braucht dabei nicht zu entscheiden, ob diese zweite Alternative voraussetzt, dass der Erbietende als präsumtiver Täter seinen Tatentschluss unter die Bedingung der Annahme des Erbietens stellt (sogenanntes "echtes" Erbieten, vgl. Rogall in Festschrift Puppe, 2011, S. 859, 869 Fn. 94; Roxin, AT II, § 28 Rn. 79; LK/Schünemann, aaO Rn. 90), oder ob auch der bei Kundgabe seiner Bereitschaft bereits fest zur Tat Entschlossene erfasst ist (so MüKoStGB/Joecks, aaO Rn. 44). Denn das Landgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass T. nicht von vornherein, sondern erst durch die (scheinbare) Zustimmung H. s und S. s endgültig zur Tat entschlossen war (UA S. 32), und dies durch eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung belegt (UA S. 44).
12
Das Erbieten des Angeklagten T. war ernst gemeint (zu diesem Erfordernis vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1954 - StE 125/52, BGHSt 6, 346, 347; Beschluss vom 7. Juli 1993 - 3 StR 275/93, BGHR StGB § 30 Beteiligung 1; ebenso bereits RG, Urteile vom 7. Juni 1929 - I 3/29, RGSt 63, 197, 199; vom 10. Dezember 1925 - II 368/25, RGSt 60, 23, 25; ferner S/S-Heine /Weißer, aaO Rn. 27; SK-StGB/Hoyer, aaO Rn. 38; MüKoStGB/Joecks, aaO Rn. 46; Roxin, JA 1979, 169, 172; Schröder, JuS 1967, 289, 294; LK/Schünemann, aaO Rn. 92; NK-StGB-Zaczyk, aaO Rn. 37) und auf eine Bindung gegenüber den beiden anderen Angeklagten gerichtet (zu diesem Erfordernis vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2014 - StB 10/14, NJW 2015, 1032, 1033; vom 18. Februar 2016 - AK 3/16, juris Rn. 13). T. erstrebte nicht nur S. s und H. s Zustimmung zur Tatbegehung, sondern sogar ihre Mitwirkung daran. Auf ihren inneren Vorbehalt kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weil das Sichbereiterklären unabhängig von der subjektiven Einstellung des Erklärungsempfängers ist (BGH, Beschluss vom 11. August 1999 - 5 StR 217/99, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 5).
13
(3) Der Angeklagte T. ist indes nicht wegen - tateinheitlich begangener - versuchter Anstiftung zum Verbrechen des Mordes zu verurteilen.
14
Zwar versuchte T. H. und S. zu bestimmen, ein Verbrechen des Mordes zu begehen, so dass eine Strafbarkeit nach § 30 Abs. 1 Alternative 1 StGB in Betracht käme. Durch seine Aufforderung zur Mitwirkung an dem von ihm geplanten Vorhaben nahm er objektiv eine Bestimmungshandlung vor, die bei H. und S. einen Tatentschluss hervorrufen sollte (vgl. auch BGH, Urteile vom 29. Oktober 1997 - 2 StR 239/97, NStZ 1998, 347, 348; vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 101; vom 14. Juni 2005 - 1 StR 503/04, BGHSt 50, 142, 145). Er handelte subjektiv mit sogenanntem "doppelten Anstiftervorsatz", der sich einerseits auf das Hervorrufen des Tatentschlusses bei beiden und andererseits auf die Vollendung der Haupttat bezog (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 17. November 1955 - 3 StR 358/55, BGHSt 8, 261, 263; vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 101; vom 27. Juli 2000 - 4 StR 185/00, juris Rn. 8; vom 5. Februar 2013 - 1 StR 405/12, NJW 2013, 1106 f.; Schröder, JuS 1967, 289, 290, 294).
15
Neben dem Sichbereiterklären zum Verbrechen des Mordes ist jedoch für eine Verurteilung wegen versuchter Anstiftung zur mittäterschaftlichen Begehung der nämlichen Tat kein Raum. Insoweit ist für die Taten im Vorbereitungsstadium auf die für das Ausführungsstadium geltenden Grundsätze zurückzugreifen , die für das Verhältnis der Anstiftung (§ 26 StGB) zur Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) maßgebend sind:
16
Bestimmt ein Tatbeteiligter einen anderen zu einer rechtswidrigen Tat, die er selbst (als Mittäter mit-)begeht, so ist er allein wegen der (mit-)täterschaftlichen Tatbegehung zu belangen. Dies kann aus dem Wortlaut des § 26 StGB hergeleitet werden, nach dem Bezugspunkt des Bestimmens eine fremde Tat ist ("... einen anderen zu dessen ... Tat bestimmt ...", vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 26 Rn. 1; NK-StGB-Schild, 4. Aufl., § 26 Rn. 1), so dass eine Anstiftung zu einer von dem Bestimmenden als Mittäter begangenen Tat bereits tatbestandlich ausgeschlossen wäre. Jedenfalls auf der Ebene der Konkurrenzen ist die Anstiftung gegenüber der schwereren Beteiligungsform der Mittäterschaft subsidiär (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1993 - 1 StR 325/93, NStZ 1994, 29, 30; S/S-Heine/Weißer, StGB, 29. Aufl., Vor §§ 25 ff. Rn. 47; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 137; LK/Schünemann, aaO § 26 Rn. 106).
17
Übertragen auf die entsprechenden Beteiligungsformen im Vorbereitungsstadium nach § 30 StGB bedeutet dies, dass derjenige, der sich selbst zu einem Verbrechen bereiterklärt, nicht auch wegen versuchter Anstiftung eines anderen zu derselben Tat zu verurteilen ist. Der Senat kann dabei offen lassen, ob die versuchte Anstiftung schon auf der Tatbestandsebene ausscheidet oder erst auf der Konkurrenzebene verdrängt wird (zum Zurücktreten hinter die tatnähere oder schwerwiegendere Beteiligungsform des § 30 StGB s. BGH, Beschluss vom 22. Dezember 1993 - 5 StR 705/93, BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Konkurrenzen 4; Urteil vom 19. März 1996 - 1 StR 497/95, NJW 1996, 2239, 2242 [insoweit in BGHSt 42, 86 nicht abgedr.]; SK-StGB/Hoyer, 35. Lfg., § 30 Rn. 58; LK/Schünemann, aaO § 30 Rn. 79).
18
bb) Der Senat ändert infolgedessen den den Angeklagten T. betreffenden Schuldspruch in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO in das Sichbereiterklären zu einem Verbrechen des Mordes ab (zur Tenorierung im Rahmen des § 30 StGB s. BGH, Urteile vom 10. September 1986 - 3 StR 287/86, BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Tatbezeichnung 1; vom 19. März 1996 - 1 StR 497/95, NJW 1996, 2239, 2241). § 265 StPO steht dem nicht entgegen , weil es sich lediglich um eine andere Tatbestandsvariante des § 30 Abs. 2 StGB handelt und sich der Angeklagte T. , der von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat, hiergegen nicht anders hätte verteidigen können.
19
Der Strafausspruch ist unter den gegebenen Umständen von der Schuldspruchänderung nicht betroffen. Die Strafe für das Sichbereiterklären zu einem Verbrechen des Mordes ist demselben Strafrahmen zu entnehmen wie für die Verabredung hierzu (§ 30 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 i.V.m. § 211 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
20
2. Revision des Angeklagten H.
21
Die auf Grund der allgemeinen Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten H. ergeben.
22
a) Entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts erweist sich die Verurteilung nach § 30 Abs. 2 Variante 2 StGB wegen Annahme eines Anerbietens zum Verbrechen des Mordes auf der Grundlage der Feststellungen als zutreffend.
23
Diese Variante des § 30 Abs. 2 StGB setzt - als ein Sonderfall der versuchten Anstiftung - voraus, dass der Täter objektiv das Erbieten eines anderen zur Begehung eines Verbrechens annimmt und subjektiv mit doppeltem Anstiftervorsatz , jedenfalls in Form des dolus eventualis, handelt. Für den Vorsatz genügt, dass der Annehmende damit rechnet, der präsumtive Täter werde seine Erklärung ernst nehmen und ihr entsprechend handeln, und dies billigt (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 1998 - 1 StR 801/97, NStZ 1998, 403, 404). Hat der Annehmende diese Vorstellung, entfällt sein Vorsatz nicht dadurch, dass er die Annahme des Erbietens des anderen nur zum Schein erklärt (vgl. - für die versuchte Anstiftung - BGH, Urteil vom 27. Juli 2000 - 4 StR 185/00, juris Rn. 8; ebenso BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 101 ff.).
24
Durch die Vorspiegelung seiner Bereitschaft zur Mitwirkung an dem Fluchtvorhaben nahm H. T. s Erbieten zur Begehung eines Mordes objektiv an. Aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch mit ausreichender Klarheit entnehmen, dass er dabei die Möglichkeit erkannte und billigte, auf Grund seiner Zustimmung werde T. den endgültigen Entschluss zur Durchführung der Tat fassen und diese dem Plan ent- sprechend ausführen. Der Vorsatz des H. umfasste dabei auch diejenigen Umstände, die im Fall des Todeseintritts - von welchem er wusste, dass er T. gleichgültig war - die Bewertung der Tat als heimtückisch begangener Mord getragen hätten (zur Zurechnung des Mordmerkmals der Heimtücke in einem solchen Fall vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2005 - 4 StR 243/05, NStZ 2006, 288, 289). Dem Vorsatz des H. steht nicht entgegen, dass er etwa davon ausgegangen wäre, falls er nicht mitwirke, hindere dies das Niederschlagen eines Vollzugsbeamten (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 4. Dezember 1962 - 5 StR 529/62, BGHSt 18, 160 f.; vom 7. April 1998 - 1 StR 801/97, NStZ 1998, 403, 404; ferner Roxin, NStZ 1998, 616, 617). Vielmehr nahm er an, der Plan könne auch ohne sein Zutun verwirklicht werden. Das gilt umso mehr, als auch S. , dessen innerer Vorbehalt H. nicht bekannt war, die eigene Mitwirkungsbereitschaft vorspiegelte.
25
Die vom Generalbundesanwalt beantragte Schuldspruchberichtigung in ein Sichbereiterklären zu einem Verbrechen des Mordes hindert den Senat nicht an der uneingeschränkten Verwerfung des Rechtsmittels gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Die Änderung wäre nicht zu Gunsten des Angeklagten H. vorzunehmen gewesen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Januar 1993 - 3 StR 575/92, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 4; vom 23. Juli 1993 - 2 StR 346/93, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Antrag 1; vom 3. Mai 2011 - 5 StR 111/11, juris).
26
b) Durch die zu Unrecht vorgenommene nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist der Angeklagte H. , wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, nicht beschwert.
27
3. Revision des Angeklagten S.
28
a) Die Verfahrensrüge des Angeklagten S. ist ebenfalls nicht ausgeführt und schon aus diesem Grund unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
29
b) Seine Sachrüge ist insoweit unbegründet, als es den Schuldspruch und die wegen der abgeurteilten Tat verhängte Freiheitsstrafe betrifft. Hinsichtlich der - zutreffenden - Verurteilung wegen Annahme eines Anerbietens zu einem Verbrechen des Mordes gilt das für den Angeklagten H. Ausgeführte entsprechend. Soweit der Angeklagte S. im Einzelnen die Zumessung der Einzelstrafe beanstandet, dringt die Sachrüge aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.
30
Das Rechtsmittel hat lediglich zum Ausspruch über die nachträgliche Gesamtstrafe Erfolg. Diesbezüglich hat der Generalbundesanwalt ausgeführt: "Der Ausspruch über die Gesamtstrafe kann indes keinen Bestand haben, weil entgegen § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Mönchengladbach vom 27. November 2014 nicht festgestellt ist oder sich sonst aus den Urteilsgründen erschließt und es sich auch nicht von selbst versteht, dass dieses Urteil bereits in Rechtskraft erwachsen ist. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind."
31
Der Senat schließt sich dem an und macht von der durch § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch, die Entscheidung dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuzuweisen.
Becker RiBGH Gericke befindet sich Tiemann im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Berg Hoch

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 537/14
vom
9. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:090715B3STR537.14.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 9. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Januar 2014, soweit es ihn betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall B.VIII. der Urteilsgründe sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Wipperfürth - Strafrichter - zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen - wegen Körperverletzung (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Fall B.VIII. der Urteilsgründe) zu der Gesamt- geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Die auf die Rüge der Ver- letzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts rief der Angeklagte am 1. Mai 2011 zwischen 3.00 und 4.00 Uhr auf einer Maifeier in R. lauthals "Sieg Heil". Als ihn ein Besucher deswegen zur Rede stellen wollte, wiederholte er den Ausruf und "schlug dem Zeugen mit der flachen Hand die Brille aus dem Gesicht, ohne ihm dabei Schmerzen zuzufügen oder die Brille zu beschädigen". Anschließend entfernte sich der Angeklagte (Fall B.VIII. der Urteilsgründe).
3
Am 25. November 2011 kam es in W. außerhalb eines Schnellrestaurants zu einer Schlägerei, weswegen der Filialleiter die Polizei informierte. Als er bemerkte, dass die Kämpfenden den Ort des Geschehens verließen, hielt er den sich ebenfalls entfernenden Angeklagten, der in die Filiale gekommen war und zu einer der Gruppe der Kämpfenden gehörte, am Arm fest, um einen Zeugen vor Ort zu haben. Der Angeklagte riss sich los und rannte zur Tür. Als der Filialleiter ihm folgte, drehte sich der Angeklagte um, versetzte ihm einen Schlag mit der Faust ins Gesicht und floh anschließend vom Tatort (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe).
4
2. Die Verurteilung wegen Körperverletzung hinsichtlich des unter B.VII. 10. der Urteilsgründe geschilderten Sachverhalts hat Bestand. Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht hätte eine Rechtfertigung des Angeklagten durch Notwehr erörtern müssen, ergeben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen , dass der Faustschlag des sich ohnehin im Gehen befindlichen Angeklagten jedenfalls nicht erforderlich im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB war.
5
3. Demgegenüber wird der Schuldspruch wegen versuchter Körperverletzung hinsichtlich des Geschehens vom 1. Mai 2011 von den Feststellungen nicht getragen. Insofern fehlt es an Ausführungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten. Es mag zwar naheliegen, dass dessen Angriff nicht ausschließlich der Brille, sondern auch der körperlichen Integrität des Geschädigten galt oder dass der Angeklagte jedenfalls die Möglichkeit erkannte, diesen durch sein Vorgehen zu verletzen und dies billigend in Kauf nahm. Dies festzustellen ist indes Sache des Tatrichters. Darüber hinaus verhält sich das Urteil nicht zum Vorstellungsbild des Angeklagten unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung, welches für die Beurteilung maßgeblich ist, ob der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB von einem etwaigen Versuch strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. zum Rücktrittshorizont BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 305 f.).
6
Die deshalb gebotene Aufhebung des Urteils umfasst auch das in Tateinheit zur versuchten Körperverletzung stehende, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
7
Nach Ausscheiden des die Zuständigkeit des Landgerichts begründenden Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB verweist der Senat das Verfahren im Umfang der Aufhebung an das für das Geschehen in R. örtlich zuständige Amtsgerichts Wipperfürth - Strafrichter - zurück (§ 354 Abs. 3 StPO).
8
4. Darüber hinaus stellt der Senat klar, dass entgegen den Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen des Landgerichts für einen Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Nr. 1 (12) der Anklage) kein Raum war, und sich dementsprechend der ausgeurteilte Teilfreispruch hierauf nicht erstreckt.
9
Allerdings war die Anklage mit Blick auf das Geschehen vom 1. Mai 2011 von zwei Taten (§ 53 StGB) - dem ersten Ruf "Sieg Heil" auf der einen, dem zweiten Ruf sowie dem Schlag gegen die Brille auf der anderen Seite - ausgegangen. In diesen Fällen ist ein Freispruch auch dann angezeigt, wenn das tatmehrheitlich angeklagte, indes nicht als erwiesen angesehene Geschehen mit dem abgeurteilten Teil eine natürliche Handlungseinheit bilden würde (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 13 mwN). Dies gilt jedoch nicht, wenn - wie vorliegend - das gesamte angeklagte Geschehen abgeurteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 220/12, NStZ-RR 2013, 6, 7). Denn in diesen Fällen ist für eine weitere materiellrechtliche Tat, die Gegenstand eines Freispruchs sein könnte, kein Raum mehr.
10
Ein Freispruch unterbleibt des Weiteren, wenn nicht wegen aller Taten verurteilt wird, die nach dem Eröffnungsbeschluss in Tateinheit zueinander stehen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 - 5 StR 270/84, NStZ 1985, 13, 15 f. bei Pfeiffer/Miebach). Deswegen kam ein Freispruch vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der als in Tateinheit zu der Körperverletzung vom 25. November 2011 stehend angeklagt worden war, nicht in Betracht.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 355/16
vom
20. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im
Ausland
ECLI:DE:BGH:2016:201216B3STR355.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. April 2016 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der näheren Erläuterung bedarf nur Folgendes:
3
Das Oberlandesgericht hat angenommen, eine "mehrfache Tatbestandsverwirklichung des § 129a StGB" komme auch nach der neueren Rechtsprechung des Senats (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308) zur konkurrenzrechtlichen Beurteilung von Handlungen, die mitgliedschaftliche Beteiligungsakte an einer kriminellen oder terroristischen Vereini- gung darstellen und zugleich den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift erfüllen , nicht in Betracht. Wenn und soweit der Angeklagte durch seine Beteiligungshandlungen zugleich gegen § 89a Abs. 1 und 2 StGB, gegen das Waffengesetz oder das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen hätte und diese Gesetzesverletzungen gegebenenfalls tateinheitlich zu der mitgliedschaftlichen Beteiligung hinzuträten, würde dies einer "tatbestandlichen Handlungseinheit im Rahmen des § 129a Abs. 1 StGB unter Wertungsgesichtspunkten nicht entgegen" stehen, weil es sich bei § 89a Abs. 1, 2 StGB um ein "gleichgelagertes Gefährdungsdelikt" handele; nichts anderes gelte "für (kriegs-)waffenrechtliche Gesetzesverstöße".
4
Dies ist rechtsfehlerhaft.
5
Nach der zitierten Rechtsprechung des Senats werden mitgliedschaftliche Beteiligungsakte an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung, die auch den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift erfüllen und der Zwecksetzung der Vereinigung oder sonst deren Interessen dienen, nicht (mehr) zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst. Solche Handlungen stehen zwar gemäß § 52 Abs. 1 Alternative 1 StGB in Tateinheit mit der jeweils gleichzeitig verwirklichten mitgliedschaftlichen Beteiligung, jedoch - soweit sich nach allgemeinen Grundsätzen nichts anderes ergibt - sowohl untereinander als auch zu der Gesamtheit der sonstigen mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte in Tatmehrheit (BGH aaO, S. 311 f.). Dies gilt auch für Akte, die sowohl eine mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung als auch die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat darstellen: Der Anwendungsbereich und der Strafgrund von § 89a Abs. 1, 2 StGB einerseits und §§ 129a, 129b StGB andererseits sind nicht deckungsgleich; Verstöße gegen diese Vorschriften stehen deshalb - was das Oberlandesgericht nicht in Zweifel gezogen hat - zueinander in Idealkonkurrenz (BGH, Beschluss vom 9. August 2016 - 3 StR 466/15, juris Rn. 3 f.). Da Handlungen, wie sie hier in Rede stehen (der Angeklagte absolvierte eine mehrwöchige Kampf- und Waffenausbildung, er leistete mit einem Sturmgewehr bewaffnet Wachdienste), in aller Regel jedenfalls die Schlagkraft der Organisation erhöhen, weisen sie als Beteiligungsakte, die zugleich den Tatbestand des § 89a Abs. 1, 2 Nr. 1 und 2 StGB (und etwa den des § 22a Abs. 1 Nr. 2, 6 KWKG) erfüllen, nach der Rechtsprechung des Senats einen deutlich erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt auf und unterfallen deshalb nicht der tatbestandlichen Handlungseinheit. Vielmehr treten sie - hier idealkonkurrierend mit der eigenständigen, isolierten Erfüllung der §§ 129a, 129b StGB - neben die eine verbleibende tatbestandliche Handlungseinheit und stehen in Tatmehrheit zu dieser (BGH aaO, S. 319 f.).
6
Diese konkurrenzrechtliche Beurteilung ändert sich nicht dadurch, dass die Strafverfolgung - wie hier gemäß § 154a Abs. 1, 2 StPO geschehen - auf Verstöße gegen § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB beschränkt wird (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 86/16, juris Rn. 17). Zur Verurteilung wegen nur einer Tat der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland kann es in diesen Fällen deshalb in aller Regel nur kommen, wenn die zu der tatbestandlichen Handlungseinheit gemäß § 53 Abs. 1 StGB in Realkonkurrenz stehenden Taten zuvor nach § 154 Abs. 1 und 2 StPO eingestellt worden sind. Nach allgemeinen Grundsätzen können sie nach entsprechendem Hinweis gleichwohl zu Lasten des Angeklagten verwertet werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 154 Rn. 25 mwN).
7
Durch den aufgezeigten Rechtsfehler ist der Angeklagte, der demgemäß nur wegen einer Tat der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland und nicht - wie es nach der Verfahrensbeschränkung gemäß § 154a Abs. 1, 2 StPO rechtlich zutreffend gewesen wäre - wegen mehrerer Verstöße gegen § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB verurteilt worden ist, allerdings hier nicht beschwert.
Becker Schäfer Gericke
Berg Hoch

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 34/17
vom
17. August 2017
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung
ECLI:DE:BGH:2017:170817BAK34.17.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 17. August 2017 gemäß §§ 121, 122 StPO
beschlossen:
Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 26. Januar 2017 (6 ARs 1/17), neu gefasst durch die Beschlüsse vom 23. März 2017 und 6. Juli 2017, wird aufgehoben.
Der Beschuldigte ist in dieser Sache aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Gründe:

1
Der Beschuldigte ist aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 26. Januar 2017 (6 ARs 1/17), geändert durch Beschlüsse vom 23. März 2017 und 6. Juli 2017, am 1. Februar 2017 festgenommen worden und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.

I.

2
Gegenstand des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 26. Januar 2017 ist nach dessen zweimaliger Änderung allein noch der Vorwurf, der Beschuldigte habe den "Islamischen Staat Irak und Großsyrien" (ISIG) und damit eine Vereinigung im Ausland unterstützt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Tot- schlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen zu begehen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5, § 129b Abs. 1 StGB).

II.

3
Die Prüfung, ob die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus fortdauern darf (§§ 121, 122 StPO), führt zur Aufhebung des Haftbefehls, weil der Beschuldigte der ihm vorgeworfenen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung im Sinne des Haftbefehls nach derzeitigem Ermittlungsstand jedenfalls nicht dringend verdächtig im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO ist.
4
1. Soweit dem Beschuldigten Tätigkeiten als Schleuser und Anwerber für den ISIG angelastet werden, umschreibt der Haftbefehl den Vorwurf nicht in ausreichendem Maße und genügt damit nicht den Anforderungen des § 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO.
5
a) Nach dieser Vorschrift sind im Haftbefehl die Tat, deren der Beschuldigte dringend verdächtig ist, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften anzuführen. Der strafrechtliche Vorwurf, der die Untersuchungshaft rechtfertigen soll, ist in ähnlicher Weise wie in der Anklageschrift (§ 200 Abs. 1 Satz 1 StPO) zu umschreiben. Dies bedeutet, dass der Tatvorgang als solcher in seiner bedeutsamen konkreten Erscheinungsform mitgeteilt werden muss (LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 114 Rn. 9). Der Haftbefehl muss das ihm zugrundeliegende Geschehen nach Ort und Zeit, Art der Durchführung und sonstigen Umständen so genau bezeichnen, dass ein bestimmter Lebensvorgang erkennbar ist, dem der Beschuldigte den gegen ihn erhobenen Vorwurf einer Straftat entnehmen kann (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 114 Rn. 7 mwN). Zwar kann - soweit in einem frühen Stadium der Ermittlungen eine detaillierte Beschreibung der Taten noch nicht möglich ist - eine zusammenfassende Darstellung im Haftbefehl genügen. Im weiteren Verlauf ist die Tatschilderung dann aber der fortschreitenden Ermittlungslage anzupassen. Stets müssen bei der Umschreibung des historischen Vorgangs auch die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale aufscheinen. Es muss für jedes gesetzliche Tatbestandsmerkmal erkennbar sein, durch welchen Teil des Geschehens es erfüllt ist (vgl. KG, Beschluss vom 10. August 2016 - (5) 121 HEs 8/16 (14/16), juris Rn. 27; LR/Hilger aaO; Meyer-Goßner/Schmitt aaO; KK-Graf, StPO, 7. Aufl., § 114 Rn. 6). Verlangt ist somit die konkrete Beschreibung eines Lebenssachverhalts, der unter einen Straftatbestand subsumiert werden kann. Die Anforderungen an die Tatschilderung richten sich damit auch danach, welche Straftat dem Beschuldigten vorgeworfen wird.
6
Vorliegend wird dem Beschuldigten die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 StGB angelastet. Unter einem Unterstützen im Sinne dieser Vorschriften ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitgliedes zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenn auch nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und - wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt - sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitgliedes zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitgliedes hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, 350 f.; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117 f.). Auch muss das Wirken des Nichtmitgliedes nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen; es genügt, wenn sein Tun für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass ein messbarer Nutzen für diese eintritt (vgl. BGH, Urteile vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 116; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244). Erforderlich ist aber immer, dass das Nichtmitglied konkret eine Unterstützungsleistung für die Vereinigung erbringt. Dabei stehen die Handlungen, mit denen der Täter eine terroristische Vereinigung unterstützt, zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit. Denn anders als bei der mitgliedschaftlichen Betätigung an einer Vereinigung nach § 129a Abs. 1 Alternative 2 StGB, bei der wegen ihres Charakters als Organisationsdelikt mehrere Beteiligungsakte jedenfalls dann, wenn sie nicht ihrerseits einen weiteren Straftatbestand erfüllen, zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit verknüpft werden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 ff.), kommt wegen der unterschiedlichen rechtlichen Struktur bei den Tatbestandsvarianten des Werbens und Unterstützens nach § 129a Abs. 5 StGB eine solche normativ vorgegebene pauschale Zusammenfassung mehrerer unterstützender Einzelakte nicht in Betracht. Bei mehrfachem Werben oder Unterstützen liegt vielmehr in der Regel Tatmehrheit vor (vgl. LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129 Rn. 193).
7
Daraus folgt als Anforderung an die Tatschilderung in diesen Fällen, dass es zur Beschreibung des Tatvorwurfs der Unterstützung einer terroristi- schen Vereinigung im Haftbefehl nicht ausreicht, dem Beschuldigten allgemein eine Tätigkeit etwa als "Rekruteur" anzulasten. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung einer oder mehrerer Unterstützungshandlung(en), die - gegebenenfalls jede für sich - so konkret umschrieben sein muss (müssen), dass erkennbar ist, ob sie den Straftatbestand des § 129a Abs. 5 StGB erfüllt (erfüllen). Nur dann kann der Haftbefehl seinen Funktionen gerecht werden, zu denen nicht nur die Information des Beschuldigten zählt. Vielmehr ist es auch Aufgabe des Haftbefehls , dem Haftprüfungsgericht im Rahmen der besonderen Haftprüfung nach den §§ 121 ff. StPO mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal "wegen derselben Tat" eine Kontrolle der Haftzeit zu ermöglichen (vgl. KG, aaO Rn. 8 ff.). Ob die Schwierigkeiten der Ermittlungen gerade wegen des im Haftbefehl enthaltenen Tatvorwurfs eine sechs Monate überdauernde Untersuchungshaft rechtfertigen, kann nur im Blick auf eine individuelle Beschreibung des Tatvorwurfs im Haftbefehl entschieden werden.
8
b) Hieran gemessen genügt der Haftbefehl des Oberlandesgerichts insoweit nicht den Anforderungen des § 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO als er auf den dringenden Tatverdacht gestützt ist, der Beschuldigte habe seit August 2015 in Frankfurt am Main und an anderen Orten den ISIG unterstützt, indem er "u. a. als Schleuser und Anwerber für" diese Organisation tätig gewesen sei. Damit wird lediglich allgemein eine "Tätigkeit", nicht aber eine konkrete Handlung umschrieben , mit der der Beschuldigte den ISIG unterstützt haben soll. Die Schilderung einer konkreten Unterstützungshandlung findet sich auch im Folgenden im Haftbefehl nicht. Soweit im Zusammenhang mit der rechtlichen Bewertung des Vorwurfs und der Darlegung der vorläufigen Beweisergebnisse ein Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 22. August 2016 zitiert wird, wonach der Beschuldigte die Reihen des IS in Syrien verlassen habe und sich nun in Deutschland aufhalte, wo er als Rekruteur und Schleuser für den IS tätig sei, wird auch hierin die Beschreibung konkreter einzelner Hand- lungen nicht erkennbar. Damit kann die Untersuchungshaft nicht auf den Vorwurf gestützt werden, der Beschuldigte habe während seines Aufenthaltes im Rhein-Main-Gebiet Aktivitäten entfaltet, um Mitglieder und Unterstützer für den IS zu gewinnen oder nach Deutschland einzuschleusen.
9
2. Dem Haftbefehl kann ansatzweise allenfalls insoweit eine den Anforderungen des § 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO genügende Tatschilderung entnommen werden, als er bei der Aufzählung der gegen den Beschuldigten sprechenden Verdachtsgründe unter anderem anführt, dass dieser nach dem Ergebnis der Auswertung seines Mobiltelefons als Urheber gewaltverherrlichender Fotocollagen und aktives Mitglied bzw. Unterstützer einer Medien- und Cybereinheit des IS anzusehen sei. Ob die Unterstützung einer solchen Einheit des IS durch die Herstellung der Fotocollagen im Hinblick auf den eingangs formulierten Vorwurf , der Beschuldigte sei als Schleuser und Rekruteur für den IS tätig, überhaupt Gegenstand des Haftbefehls und ob dieser gegebenenfalls hinreichend konkret beschrieben ist, kann indes dahinstehen. Denn ein dringender Tatverdacht , der Beschuldigte habe eine ausländische terroristische Vereinigung bzw. die hierfür zuständigen Mitglieder durch digitale Bildbearbeitungen und -kompositionen in ihrer Propagandatätigkeit unterstützt, besteht in Anbetracht der sich aus den Sachakten ergebenden Beweislage nicht. Im Einzelnen:
10
a) Die bisherigen Ermittlungsergebnisse belegen zwar den Verdacht, dass der Beschuldigte Internetpräsentationen, mit denen für den IS geworben werden kann, vorbereitet hat. Eine Unterstützung der Vereinigung durch diese Handlungen, die die rechtlichen Voraussetzungen des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB erfüllt, ist jedoch bisher nicht im Sinne eines dringenden Tatverdachts belegt.
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Die Ermittlungen haben folgendes Ergebnis erbracht: Der Beschuldigte hatte, nachdem er erstmals 2003 nach Deutschland eingereist war und geheira- tet hatte, 2013 Deutschland wieder verlassen, kehrte aber 2015 zurück und lebte hier ohne festen Wohnsitz, wobei er bei unterschiedlichen Kontaktpersonen unterkam. Staatliche Leistungen nahm er nicht in Anspruch. Er verkehrte in islamistischen Kreisen. Insbesondere stand er - wie teilweise schon vor seiner Ausreise aus Deutschland im Jahr 2013 - nach seiner Wiedereinreise mit Personen in Kontakt, gegen die von Seiten der Staatsschutzbehörden wegen islamistischer Umtriebe ermittelt wird. Zu Einzelheiten kann auf den ersten Sachstandsbericht des Hessischen Landeskriminalamtes vom 23. Dezember 2016 verwiesen werden. Dass der Beschuldigte konkret dem IS zumindest befürwortend gegenübersteht, legen - neben dem Inhalt des oben genannten Behördenzeugnisses des Bundesamtes für Verfassungsschutz - die Angaben einer am 10. und 13. Oktober 2016 vernommenen VP des hessischen Landeskriminalamtes nahe, wonach der Beschuldigte beim IS eine "große Rolle" spielen soll und möglicherweise als Rekruteur und/oder Organisator des IS in Deutschland agiere, sowie die Aussagen der Zeugen K. sowie C. , dem gegenüber der Beschuldigte sich zu seinen Beziehungen zum IS bekannt hat. Am 15. August 2016 wurde der Beschuldigte aufgrund eines Auslieferungsersuchens Tunesiens in Haft genommen, wo er in Verdacht steht, an mehreren Terrorakten, unter anderem dem Anschlag auf das Bardo-Museum, beteiligt gewesen zu sein. Allerdings ist die Auslieferung nicht bewilligt und der Beschuldigte am 4. November 2016 aus der Auslieferungshaft entlassen worden.
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Bei der Auswertung des bei der Festnahme des Beschuldigten im Auslieferungsverfahren sichergestellten Smartphones sind über 9.000 Bilddateien festgestellt worden, von denen eine Vielzahl einen Bezug zum IS aufweisen. Neben Bilddateien von Nachrichtentexten des ISIG bzw. IS auf offiziellen Medienportalen , die bis zur Verhaftung des Beschuldigten im August 2016 datieren und solchen, die Greueltaten des IS zum Gegenstand haben, sind dort auch Bildcollagen gefunden worden, bei denen Bilder um ein Logo des IS gruppiert und mit einem - arabischen - Text versehen sind. Aus dem Umstand, dass sich gleichzeitig noch unbearbeitete Ausgaben der in einer der Collagen verwendeten Bilder auf dem Smartphone befunden haben, die augenscheinlich als "Rohmaterialien" zur Erstellung der Bilder gedient haben, kann geschlossen werden, dass der Beschuldigte selbst der Urheber der Fotocollagen ist. Auch weitere auf dem Smartphone des Beschuldigten gespeicherte Bilddateien - insbesondere Bilder, die mit entsprechenden Programmen bearbeitet und oftmals beschriftet sind, wobei sie teilweise das Logo oder den Namen von Medienportalen des IS aufweisen - können mit der Gestaltung von Internetseiten des IS im Zusammenhang stehen.
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b) Diese Ermittlungsergebnisse begründen indes nicht den dringenden Verdacht einer Straftat nach § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB.
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Die oben dargelegte weite Begriffsbestimmung des Unterstützens im Sinne dieser Vorschrift darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht dahin missverstanden werden, dass jedes Handeln eines Nichtmitgliedes im Sinne der Vereinigung als tatbestandsmäßig einzustufen wäre, ohne dass es auf die konkreten Wirkungen seines Tuns ankäme. Insbesondere darf nicht aus dem Blick verloren werden, dass der Gesetzgeber mit dem 34. Strafrechtsänderungsgesetz (vom 22. August 2002, BGBI. I S. 3390) und dem Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze (vom 22. Dezember 2003, BGBI. I S. 2836) die Strafbarkeit des propagandistischen Wirkens eines Nichtmitgliedes im Sinne der Vereinigung auf die Fälle des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für die Organisation beschränkt und das lediglich befürwortende Eintreten für eine terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele oder der aus ihr heraus begangenen Straftaten straffrei gestellt hat.
Diese gesetzgeberische Grundentscheidung ist zu beachten. Es ist nicht zulässig , sie dadurch zu umgehen, dass propagandistisches Handeln eines Nichtmitgliedes , das sich nicht als Werben um Mitglieder oder Unterstützer für die Vereinigung darstellt, allein wegen der psychologischen Folgen, die es - insbesondere etwa im Falle der Rechtfertigung oder Verherrlichung von Gewalttaten der Organisation - auf die angesprochenen Adressatenkreise haben kann, als Unterstützen der Vereinigung eingestuft wird (BGH, Beschlüsse vom 20. September 2012 - 3 StR 314/12, StraFo 2013, 123, 124; vom 11. Juli 2013 - AK 1314 /13, BGHSt 58, 318, 322 ff.). Ein Unterstützen ist erst dann anzunehmen, wenn das ein bloßes Werben für die Vereinigung darstellende Handeln des Nichtmitgliedes im konkreten Einzelfall über die propagandistische Wirkung seines Tuns hinaus einen objektiv nützlichen Effekt für die mitgliedschaftliche Betätigung eines Angehörigen der Organisation bewirkt. Dies bedeutet, dass ein Außenstehender eine Vereinigung auch mit Tätigkeiten unterstützen kann, die sich der Sache nach als Förderung des Werbens für die Vereinigung durch ein Organisationsmitglied darstellen, auch wenn dessen Verhalten als bloße propagandistische Tätigkeit im Sinne einer reinen Sympathiewerbung anzusehen ist. Demgegenüber unterfällt die um Sympathie oder um Mitglieder oder Unterstützer werbende Tätigkeit eines Nichtmitgliedes dann nicht dem Tatbestandsmerkmal des Unterstützens im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB, wenn sie sich allgemein für die Organisation oder ihre Ziele einsetzt, ohne dabei die propagandistische Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds individuell zu fördern (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 - AK 13-14/13, BGHSt 58, 318, 322 ff. mwN).
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c) Hiernach begründet das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen nicht den dringenden Verdacht des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung durch den Beschuldigten. Dass dieser Bildcollagen und andere Bildbearbeitungen für die Einstellung von Dateien in Internetforen herstellte, um möglicher- weise um Sympathie für den IS zu werben, erfüllt den Tatbestand des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB nach dem dargelegten Maßstab nicht. Erforderlich wäre vielmehr, dass er mit seinen der Propaganda dienenden Vorbereitungshandlungen Mitglieder der Vereinigung individuell in ihrer medialen Tätigkeit für den IS gefördert hätte, indem er etwa seine Bilddateien in Absprache mit diesen veröffentlicht oder Mitgliedern der auf die Propagandatätigkeit ausgerichteten Abteilung des IS zu Veröffentlichungszwecken zur Verfügung gestellt hätte. Solche Verdachtsgründe ergeben die bisherigen Ermittlungen - auch unter Berücksichtigung der Vielzahl der Bilddateien, des mutmaßlichen Näheverhältnisses des Beschuldigten zu der Vereinigung und seiner Sympathie für den IS - nicht.
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3. Weitere Unterstützungshandlungen schildert der Haftbefehl nicht. Der Senat kann deshalb nach dessen Erlass erlangte Ermittlungsergebnisse zu möglichen anderen Taten im Rahmen der von §§ 121, 122 StPO geforderten Prüfung nicht berücksichtigen. Prüfungsgegenstand im Haftprüfungsverfahren ist nur der nach § 122 Abs. 1 StPO vorgelegte Haftbefehl (KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 24). Ergeben die weiteren Ermittlungen zusätzliche Taten des Beschuldigten, die keine Aufnahme in den Haftbefehl gefunden haben , so dürfen sie in einem Haftfortdauerbeschluss gemäß §§ 121, 122 StPO nur berücksichtigt werden, wenn der Haftbefehl angepasst und der erweiterte Haftbefehl gemäß § 115 StPO verkündet worden ist. Somit ist es für die Entscheidung des Senats etwa ohne Belang, ob tatsächlich ein dringender Tatverdacht besteht, dass der Beschuldigte an einem Propagandafilm des IS im Irak mitgewirkt hat.
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Nach alledem war der Haftbefehl aufzuheben.
Becker Spaniol Berg
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aa) Unter einem Unterstützen im Sinne dieser Vorschriften ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und - wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt - sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 117 f.; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, 350 f.). Auch muss das Wirken des Nichtmitglieds nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen; es genügt, wenn sein Tun für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass der Nutzen messbar sein muss (vgl. BGH, Urteile vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 116). Erforderlich ist aber immer, dass das Nichtmitglied eine konkret wirksame Unterstützungsleistung für die Vereinigung erbringt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, aaO, S. 349; vom 17. August 2017 - AK 34/17, juris Rn. 6), die einen objektiven Nutzen entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6). Dies muss anhand belegter Fakten nachgewie- sen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 - AK 13-14/13, BGHSt 58, 318, 323 f.).

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.