Bundesgerichtshof Urteil, 28. März 2018 - 2 StR 311/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:280318U2STR311.17.0
bei uns veröffentlicht am28.03.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 311/17
vom
28. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:280318U2STR311.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 14. März 2018 in der Sitzung am 28. März 2018, an der teilgenommen haben :
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube, Schmidt,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt , als Verteidiger,
Justizangestellte in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird
a) das Urteil des Landgerichts Gera vom 28. März 2017 aa) im Schuldspruch dahin berichtigt, dass der Angeklagte im Fall II.4 der Urteilsgründe des Besitzes kinderpornographischer Schriften schuldig ist; bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben, (1) soweit der Angeklagte in den Fällen II.1 und II.6 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, (2) im Strafausspruch hinsichtlich der Fälle II.3 und II.4 der Urteilsgründe sowie (3) im Gesamtstrafenausspruch,
b) das Verfahren im Fall II.5 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen (Fall II.1 der Urteilsgründe), wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit der Entziehung Minderjähriger (Fall II.3 der Urteilsgründe ), des Besitzes kinderpornographischer Schriften in 116 tateinheitlichen Fällen (Fall II.4 der Urteilsgründe), des Unternehmens der Besitzverschaffung kinderpornographischer Schriften in 116 tateinheitlichen Fällen (Fall II.5 der Urteilsgründe ) und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (Fall II.6 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hinsichtlich des Falls II.2 hat das Landgericht das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3
Die Verfahrensrügen einer Verletzung des § 229 Abs. 1 StPO sowie der Verletzung des § 261 StPO bleiben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen ohne Erfolg.

II.

4
Die Sachrüge führt zur Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen II.1 und II.6 der Urteilsgründe, zur Schuldspruchberichtigung im Fall II.4 der Urteilsgründe und zur Aufhebung der Strafaussprüche in den Fällen II.3, II.4 der Urteilsgründe sowie des Gesamtstrafenausspruchs.
5
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält – auch unter Berücksichtigung des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs – in den Fällen II.1 und II.6 der Urteilsgründe einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
6
a) In diesen Fällen hat die Strafkammer folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
7
Am Abend des 19. Dezember 2009 lagen sowohl der Angeklagte als auch die kurz zuvor 14 Jahre alt gewordene, sexuell unerfahrene ZeuginL. W. unbekleidet auf dem Bett in der Wohnung des Angeklagten. Der Angeklagte wollte mit der Zeugin unter Ausnutzung ihrer Unerfahrenheit und ihres Vertrauens in ihn als väterlichen Freund einvernehmlich den Geschlechtsverkehr durchführen. Als die Zeugin die erste Berührung des erigierten Penis an ihrer Scheide wahrnahm, begann sie am ganzen Körper zu zittern und war zu willensgesteuerten Handlungen nicht mehr imstande. Der Angeklagte erkannte den Schockzustand und nutzte ihn zum vaginalen Geschlechtsverkehr aus (Fall II.1 der Urteilsgründe).
8
Der Angeklagte führte mit der am 21. März 1989 geborenen Zeugin S. W. noch vor deren 14. Geburtstag den einvernehmlichen Geschlechtsverkehr durch, wobei er das Alter des Mädchens kannte. Die Verurteilung beruht auf einer zulässig erhobenen Nachtragsanklage, nachdem die Zeu- gin im Zuge einer Beweisaufnahme zum Besitz kinderpornographischer Schrif- ten (Fall II.4 der Urteilsgründe) „spontan“ angegeben hatte, dass es mit dem Angeklagten auch schon vor ihrem 14. Geburtstag zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gekommen sei. Der Angeklagte hat den vaginalen Geschlechtsverkehr mit der Zeugin eingeräumt, jedoch in Abrede gestellt, dass dieser vor dem 14. Geburtstag der Zeugin stattgefunden habe (Fall II.6 der Urteilsgründe

).

9
b) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (Senat, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 2 StR 235/16, StV 2017, 367, 368). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (Senat, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 2 StR 235/16, aaO). Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; weitere Nachweise bei Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 261 Rn. 38).
10
In Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht, sind zudem besondere Darlegungs- und Begründungsanforderungen an das Urteil zu stellen. Die Urteilsgründe müssen in einem solchen Fall erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, erkannt, in seine Überlegung einbezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 1987 – 3 StR 141/87, BGHR StPO, § 261 Beweiswürdigung 1; Beschluss vom 22. April 1997 – 4 StR 140/97, BGHR StPO, § 261 Beweiswürdigung 13; Senat, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 2 StR 235/16, aaO) und auch in einer Gesamtschau gewürdigt hat (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 2 StR 235/16, aaO mwN).
11
c) Danach ist die Beweiswürdigung des Landgerichts im Fall II.1 der Urteilsgründe im Hinblick auf die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger rechtsfehlerhaft. Sie weist Lücken auf.
12
aa) Opfer einer Tat nach § 179 Abs. 1 StGB aF kann nur sein, wer aufgrund einzelner, im Tatbestand des Absatzes 1 näher beschriebener Gegebenheiten unfähig ist, einen ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen (BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 394/14, NStZ-RR 2015, 44, 45). Dabei genügt es, dass das Opfer nur vorübergehend widerstandsunfähig ist (Senat, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147). Die sexuelle Handlung muss dem Täter gerade erst aufgrund der besonderen Situation des Opfers gelingen (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 3 StR 88/08, NStZ 2009, 324). An einem bewussten Ausnutzen der Widerstandsunfähigkeit fehlt es, wenn in den Fällen des § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF das Opfer vor Eintritt des Zustands der Widerstandsunfähigkeit in die sexuellen Handlungen eingewilligt hat (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2008 – 3 StR 198/08, NStZ 2009, 90; Beschluss vom 19. Februar 2013 – 5 StR 613/12, NStZ-RR 2013, 316, 317; Beschluss vom 8. Januar 2014 – 3 StR 416/13, StV 2014, 414; Schönke/Schröder/Eisele, 29. Aufl., § 179 Rn. 9, LK-Hörnle, 12. Aufl., § 179 Rn. 47; SSW/Wolters, 3. Aufl., § 179 Rn. 13; Fischer, 63. Aufl., § 179 Rn. 16).
13
bb) Dessen eingedenk hat die Strafkammer das Ausnutzungsbewusstsein des Angeklagten nicht tragfähig belegt. Es hätte der näheren Erörterung bedurft, ob die Zeugin, bevor sie in den Schockzustand geriet, in den Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten eingewilligt hatte. Eine solche Einwilligung der Zeugin lag nahe, da sie freiwillig unbekleidet auf dem Bett des Angeklagten lag, der ebenfalls unbekleidet vor ihr kniete. Die Strafkammer hätte in diesem Zusammenhang auch den nachträglichen Chatverkehr vom 20. Dezember 2009 (UA S. 21) zwischen der Zeugin und dem Angeklagten näher in den Blick nehmen müssen. Dieser könnte ein Indiz für den Willen der Zeugin zu einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr beinhalten. Die Feststellungen erweisen sich darüber hinaus als lückenhaft, weil es für ein bewusstes Ausnutzen der Widerstandsunfähigkeit näherer Feststellungen zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten hinsichtlich einer möglichen Einwilligung der Zeugin bedurft hätte.
14
cc) Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Missbrauchs Widerstandsunfähiger bedingt die Aufhebung der tateinheitlichen Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs Jugendlicher.
15
d) Die Beweiswürdigung des Landgerichts genügt im Fall II.6 der Urteilsgründe ebenfalls nicht den dargelegten Anforderungen.
16
aa) Hinsichtlich des strafbarkeitsbegründenden Kerngeschehens liegt eine Aussage-gegen-Aussage-Situation vor, da die Strafbarkeit des Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern allein auf der Erinnerung der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 28-jährigen Zeugin basiert, der einvernehmliche Geschlechtsverkehr habe bereits vor ihrem 14. Geburtstag stattgefunden.
17
bb) Vor diesem Hintergrund ist die Beweiswürdigung des Landgerichts in mehrfacher Hinsicht lückenhaft. Es fehlt zunächst die Erörterung, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Zeugin den einvernehmlichen Geschlechtsverkehr vor ihrem 14. Geburtstag mit dem Angeklagten im Ermittlungsverfahren geschildert hat. Ferner hat die Kammer nicht erkennbar geprüft, ob die Erinnerung der Zeugin an den Zeitpunkt des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs vor ihrem 14. Geburtstag belastbar ist. Einer näheren Erörterung des vom Angeklagten bestrittenen Tatzeitpunktes hätte es jedoch bedurft, weil die Angaben der Zeugin zum Tathergang detailarm und einer Inhaltsanalyse (vgl. KK-Ott, 7. Aufl. § 263 Rn. 29b) kaum zugänglich waren, und das Geschehen bereits 14 Jahre zurückliegt. Dies gilt umso mehr, als die Zeugin weder einen Anknüpfungspunkt für ihre Erinnerung schilderte, noch sich an die Örtlichkeit des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs erinnerte. Gegebenenfalls wird die Kammer auch in den Blick zu nehmen haben, ob die Angaben der Zeugin insoweit durch außerhalb der Aussage liegende Umstände gestützt werden.
18
Der von der Strafkammer für den 1. März 2013 festgestellte Besitz von Bildern, die die Zeugin in sexuellen Posen zeigen und die der Angeklagte zum Teil selbst angefertigt und seitdem behalten hatte, ist nicht ohne Weiteres geeignet , einen Rückschluss auf den Zeitpunkt des stattgefundenen Geschlechtsverkehrs zwischen dem Angeklagten und der Zeugin zuzulassen. Eine indizielle Bedeutung für den Beginn der Sexualkontakte zwischen der Zeugin und dem Angeklagten könnte den Bildern möglicherweise dann zukommen, wenn das Datum des Erstellens bzw. Sichverschaffens durch den Angeklagten vor dem 14. Geburtstag der Zeugin gelegen hätte. Hierzu hat die Strafkammer jedoch keine Feststellungen getroffen; sie hat vielmehr lediglich ausgeführt, dass sich bei dem Angeklagten am 1. März 2013 pornographische Abbildungen der Zeugin gefunden hätten, die auch schon vor deren 14. Geburtstag aufgenommen worden seien. Ob der Angeklagte diese Aufnahmen selbst gefertigt hatte bzw. wann diese in seinen Besitz gelangt waren, bleibt indes offen.
19
2. Der Schuldspruch im Fall II.4 der Urteilsgründe bedarf der Berichtigung.
20
a) Das Landgericht hat den Angeklagten in diesem Fall wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in 116 tateinheitlichen Fällen zu einer Einzelstrafe von 60 Tagessätzen zu 40 Euro verurteilt. Hierzu hat es festgestellt:
21
Der Angeklagte besaß am 1. März 2013 auf mehreren Datenträgern insgesamt 115 Bilddateien und eine Videodatei, die näher beschriebene sexuelle Handlungen von oder an unter 14 Jahre alten Kindern darstellten. Weit überwiegend hatte der Angeklagte sich diese Dateien zu nicht ausschließbar verjährten Zeitpunkten von den Geschädigten verschafft, teilweise die Bilder selbst hergestellt und seitdem besessen. Soweit sich Bilddateien in gelöschten Bereichen der Datenträger befanden, verfügte der Angeklagte über die Kenntnis und Fähigkeit, diese Dateien wiederherzustellen.
22
b) Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen des Besitzes von kinderpornographischen Schriften gemäß § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB in der Fassung vom 31. Oktober 2008 (BGBl. I, 2149).
23
c) Der Schuldspruch bedarf allerdings auf der Konkurrenzebene der Korrektur , da der Besitz am 1. März 2013 lediglich eine Tat darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, NStZ-RR 2016, 198; BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – 1 StR 5/16, NStZ 2017, 644, 646; Beschluss vom 10. Juli 2008 – 3 StR 215/08, NStZ 2009, 208), so dass der Zusatz „in 116 tat- einheitlichen Fällen“ zu entfallen hat.
24
d) Der Senat hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst berichtigt.
25
3. In den Fällen II.3 und II.4 der Urteilsgründe hat der Ausspruch über die Einzelstrafen keinen Bestand.
26
a) Die Strafzumessung ist Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. In die tatgerichtliche Strafzumessungsentscheidung kann das Revisionsgericht nur eingreifen, wenn diese Rechtsfehler aufweist, weil die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen hat oder sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Nur in diesem Zusammenhang kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO vorliegen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349).
27
b) aa) Im Fall II.3 der Urteilsgründe hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
28
Am 28. Februar 2013 teilte die damals 13-jährige J. W. dem bis dato unbestraften Angeklagten mit, dass sie zu Hause massive Probleme habe. Der Angeklagte, der das Alter der Geschädigten kannte und ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihr hatte, schlug vor, sie nach G. zu bringen, damit sie bei ihm unterkomme. Die Geschädigte ließ sich daraufhin vom Angeklagten ohne Wissen und gegen den Willen ihrer Eltern von H. nach G. verbringen.
29
Am Abend lagen beide bekleidet auf dem Bett. Der Angeklagte streichelte der Geschädigten über der Kleidung den Bauch, dann unter der Kleidung über den Bauch. Er fasste ihr an die Brust und über der Hose an den Intimbereich. Nachdem der Angeklagte sodann den ersten Knopf der Hose der Geschädigten geöffnet hatte, forderte diese ihn auf, von weiteren sexuellen Handlungen Abstand zu nehmen. Der Angeklagte verlangte nachdrücklich von der Geschädigten, mit ihm „Petting“ zu machen, ließ jedoch von den Überredungs- versuchen ab, nachdem er erkannte hatte, dass die Geschädigte zu weiteren einvernehmlichen sexuellen Handlungen nicht bereit war.
30
Am nächsten Morgen nahm die Geschädigte mit dem Einverständnis des Angeklagten telefonisch Kontakt zu ihren Eltern auf, ohne dass sie preisgab, wo sie sich aufhielt. Auf Bitte der Geschädigten brachte der Angeklagte das Kind anschließend mit seinem Auto zurück nach H. .
31
Das Landgericht hat in diesem Fall sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne bestimmende Zumessungskriterien nicht berücksichtigt. So hat es nicht in den Blick genommen, dass der Angeklagte unbestraft ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1987 – 1 StR 492/87, NStZ 1988, 70). Es hat zudem im Hinblick auf das Maß der Schuld hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs von Kindern nicht berücksichtigt, dass die festgestellten Handlungen die Erheblichkeitsschwelle gerade überschritten (vgl. Senat, Urteil vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ 2017, 528, 529). Im Hinblick auf die tateinheitlich verwirklichte Entziehung Minderjähriger hat das Landgericht sowohl die eher kurze Dauer der Entziehung wie auch den Umstand , dass der Angeklagte der Geschädigten den Kontakt zu ihren Eltern ermöglichte , nicht in die Strafzumessung eingestellt.
32
Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer unter Berücksichtigung dieser Erwägungen zu einer niedrigeren Einzelstrafe gelangt wäre.
33
bb) Im Fall II.4 der Urteilsgründe kann der Senat nicht ausschließen, dass die Strafkammer auf der Basis ihrer bisherigen Feststellungen den Schuldgehalt der Taten zu hoch bemessen hat, da sie dem Angeklagten den Besitz von 115 kinderpornographischen Bildern und einer kinderpornographischen Videodatei in Gänze zur Last gelegt hat, obwohl eine nicht näher quanti- fizierte Anzahl dieser Dateien zuvor zu einem nicht bekannten Zeitpunkt gelöscht worden war. Die Feststellungen belegen insoweit nicht, dass der Angeklagte an den gelöschten Dateien am 1. März 2013 bzw. in nicht verjährter Zeit davor den von einem entsprechenden Willen getragenen Besitz innehatte.
34
(1) Besitz ist das Aufrechterhalten des tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses (Fischer, 65. Aufl., § 184b, Rn. 36) aufgrund Besitzwillens (Senat, Urteil vom 16. April 1975 – 2 StR 60/75, BGHSt 26, 117, 118). Dementsprechend entfällt der Besitz bei vollständig gelöschten Dateien (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 – 1 StR 430/06, NStZ 2007, 95; Eckstein, ZStW 117, 107, 118 (2005)).
35
(2) Nach diesen Maßstäben vermag allein die Feststellung der Kammer, der Angeklagte habe über die Kenntnis und Fähigkeit verfügt, die in den gelöschten Bereichen der Datenträger befindlichen Dateien wiederherzustellen, nicht den Schuldumfang zu erhöhen. Ein Fortbestehen von Dateien an Speicherorten , die dem durchschnittlichen Computerbesitzer nicht mehr ohne Weiteres zugänglich sind, begründet keinen Besitz im Sinne der Vorschrift (vgl. MüKoStGB/Hörnle, 3. Aufl., § 184b Rn. 41). Zudem mangelt es an der notwendigen Feststellung zum fortbestehenden Besitzwillen an den gelöschten Dateien. Dieser versteht sich insoweit nicht von selbst.
36
4. Soweit das Landgericht im Fall II.5 der Urteilsgründe den Angeklagten wegen des Unternehmens der Besitzverschaffung kinderpornografischer Schriften in 116 tateinheitlichen Fällen zu einer weiteren Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt hat, hat der Senat auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren aus prozessökonomischen Gründen nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Die bisherigen Feststellungen des Landgerichts vermögen den Schuldspruch nicht zu tragen. Das Landgericht hat eine Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 184 Abs. 4 Satz 1 StGB aF in mittelbarer Täterschaft angenommen, indem er seinen Verteidiger veranlasste, die Herausgabe der zuvor beschlagnahmten kinderpornografischen Materialien zu verlangen, um wieder in den Besitz der inkriminierten Dateien zu gelangen. Das Landgericht hat indes weder den genauen Inhalt der anwaltlichen Schriftsätze noch die in den Urteilsgründen erwähnte Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (UA S. 24) oder die augenscheinlich hierauf ergangene gerichtliche Entscheidung in den Urteilsgründen dargestellt, obwohl es der Auslegung der verschiedenen Schreiben maßgebliche Bedeutung beigemessen hat. Dem Senat ist daher die Prüfung verwehrt, ob bzw. unter welchen engeren Voraussetzungen die vom Landgericht angenommene Strafbarkeit des Angeklagten durch eine Antragsschrift in einem gerichtlichen Verfahren in Betracht kommt.
37
5. Der Wegfall sämtlicher Einzelstrafen bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.

III.

38
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat ergänzend:
39
Sollte das Landgericht im Fall II.1 der Urteilsgründe wiederum zu einer Strafbarkeit wegen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF kommen, wird es anhand einer konkreten Betrachtungsweise nach § 2 Abs. 3 StGB zu prüfen haben, ob der zur Zeit der Verurteilung geltende § 177 StGB in der Fassung des 50. Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) – eine mildere Bestrafung eröffnet (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2017 – 3 StR 524/16, NStZ-RR 2017, 242; Beschluss vom 16. Mai 2017 – 3 StR 43/17, juris Rn. 2 ff.; BGH bei Pfister, NStZ-RR 2017, 361, 363 f.).
Schäfer Krehl Bartel Grube Schmidt

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Bundesgerichtshof Urteil, 21. Sept. 2016 - 2 StR 558/15

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Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Sept. 2015 - 1 StR 255/15

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Feb. 2019 - 2 StR 301/18

bei uns veröffentlicht am 13.02.2019

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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2018 - 1 StR 438/18

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.

(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.

(3) Hat eine Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen gehemmt, solange

1.
ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder
2.
eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit
nicht zu der Hauptverhandlung erscheinen kann, längstens jedoch für zwei Monate. Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluß fest.

(4) Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden.

(5) Ist dem Gericht wegen einer vorübergehenden technischen Störung die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist oder im Fall des Absatzes 4 Satz 2 am nächsten Werktag unmöglich, ist es abweichend von Absatz 4 Satz 1 zulässig, die Hauptverhandlung unverzüglich nach der Beseitigung der technischen Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Fristablauf fortzusetzen. Das Vorliegen einer technischen Störung im Sinne des Satzes 1 stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 235/16
vom
10. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:100117B2STR235.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 1. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in jeweils fünf Fällen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in weiteren fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. a) Der Angeklagte lebte seit dem Jahr 2006 zusammen mit seiner Lebensgefährtin und deren Kindern, u.a. mit der am 21. November 2000 geborenen Geschädigten, in einem gemeinsamen Haushalt. Am 7. August 2010 heirateten er und seine Lebensgefährtin.
4
Im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. Dezember 2013 berührte der Angeklagte die Geschädigte an fünf verschiedenen nicht mehr feststellbaren Tagen im Bereich der Brust, zog sich und dem Kind die Hose aus, manipulierte mit seiner Hand an der unbedeckten Vagina der Geschädigten und berührte sie mit seinem unbedeckten erigierten Glied. „In mehreren Fäl- len“ sagte die Geschädigte zum Angeklagten, „dass es weh tue und dass er das lassen solle. Das führte aber nicht dazu, dass die sexuellen Handlungen aufhör- ten“ (Fälle II. 1. bis 5. der Urteilsgründe).
5
Innerhalb des vorgenannten Zeitraums forderte der Angeklagte das Kind an weiteren vier verschiedenen nicht mehr feststellbaren Tagen dazu auf, an ihm den Oralverkehr zu vollziehen. Das Kind leistete den Aufforderungen Folge und nahm den Penis des Angeklagten in den Mund; in einem Fall kam es zum Samenerguss im Mund der Geschädigten, die das Ejakulat „unter“ einen Teppich spuckte. „In den anderen Fällen kam es außerhalb des Mundes des Kindes zur Ejakulation“ (Fälle II. 6. bis 9. der Urteilsgründe).
6
An einem nicht mehr feststellbaren Tag im Zeitraum zwischen dem 1. Dezember 2013 und dem 31. Januar 2014 vollzog der Angeklagte mit der Geschädigten den vaginalen Geschlechtsverkehr; dabei benutzte er ein Kondom. Zu der Geschädigten sagte er danach u.a., dass er sie liebe, es ihr „kleines Geheimnis“ sei und sie es niemandem verraten dürfe (Fall II. 10. der Urteilsgründe

).


7
b) Die Geschädigte offenbarte sich erstmals während ihrer Grundschulzeit , im März 2010, gegenüber einer Freundin, die ihrerseits davon der Hortleiterin erzählte. Die Geschädigte berichtete sodann auch der Hortleiterin und ei- ner weiteren Mitarbeiterin des Hortes „von den sexuellen Übergriffen“. Sodann wurde die Mutter der Geschädigten informiert, die mit ihrer Tochter ins Krankenhaus fuhr. Aufgrund der dort vorgenommenen körperlichen Untersuchungen konnten „sexuelle Übergriffe weder bestätigt noch widerlegt werden“.
8
Die Mutter der Geschädigten spiegelte dieser sodann vor, sie habe den Angeklagten einem Lügendetektortest unterzogen. Ihrer Tochter überreichte sie daraufhin einen Brief mit dem Ergebnis des vermeintlichen Testes, wonach der Angeklagte „100%-ig die Wahrheit gesagt“ und die Geschädigte gelogen habe. Zunächst blieb das Kind dabei, dass seine Angaben zu den sexuellen Übergriffen der Wahrheit entsprochen hätten; etwa zwei bis drei Wochen später, noch im Jahr 2010 vor der Heirat ihrer Mutter mit dem Angeklagten, entschuldigte sich die Geschädigte bei dem Angeklagten.
9
In der Folgezeit traten zunehmend gesundheitliche, insbesondere psychische Probleme bei der Geschädigten auf. Sie unternahm Suizidversuche, „woraufhin es zu mehreren stationären Aufenthalten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“ kam. Im Jahr 2013 offenbarte sich die Geschädigte einer weiteren Freundin. Der Angeklagte sei des Öfteren zu ihr ins Zimmer gekommen und habe sich nackt zu ihr ins Bett gelegt. Er sei dann mit seinem Glied an sie her- angerückt. Sie habe ihm „einen Blasen“ müssen und es habe auch Geschlechtsverkehr gegeben.
10
Wegen eines Antrags auf Unterbringung der Geschädigten in einer geschlossenen Einrichtung der Kinder- und Jugendpsychiatrie kam im Rahmen einer familiengerichtlichen Verhandlung im Juli 2014 der von der Geschädigten „bereits in der Grundschulzeit offenbarte sexuelle Missbrauch zur Sprache“, woraufhin die Richterin die Staatsanwaltschaft informierte.
11
c) Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten auch sexuelle Übergriffe zum Nachteil seiner am 24. Januar 2009 geborenen leiblichen Tochter zur Last gelegt. Aufgrund des Ergebnisses einer aussagepsychologischen Begutachtung sei deren allgemeine Aussagetüchtigkeit „noch nicht gegeben“, so dass die Ju- gendkammer insoweit die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hat.
12
2. Der Angeklagte hat die Taten bestritten. Das Landgericht hat seine Überzeugung von dem festgestellten Tatgeschehen im Rahmen einer Gesamtwürdigung der erhobenen Beweise maßgeblich auf die Angaben der Geschädigten gestützt. Deren Angaben entsprächen einem tatsächlichen Erleben und seien glaubhaft.

II.

13
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
14
1. Die durch das Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung hinsichtlich der sexuellen Übergriffe des Angeklagten hält - auch unter Berücksichtigung des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402) - sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
15
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (Senat, Urteil vom 6. April 2016 - 2 StR 408/15 mwN). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (Senat, aaO).
Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 6. November 1998 - 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; weitere Nachweise bei Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 261 Rn. 3 und 38).
16
Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof in Fällen, in denen „Aussage gegen Aussage“ steht, besondere Anforderungen an dieDarlegung einer zur Verurteilung führenden Beweiswürdigung formuliert. Die Urteilsgründe müssen in einem solchen Fall erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, erkannt, in seine Überlegungen einbezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 1987 - 3 StR 141/87, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1; Beschluss vom 22. April 1997 - 4 StR 140/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 13; Urteil vom 3. Februar 1993 - 2 StR 531/92, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Beweiswürdigung 15; Urteil vom 6. April 2016 - 2 StR 408/15) und auch in einer Gesamtschau gewürdigt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. August 2012 - 5 StR 394/12, NStZ-RR 2013, 19; Urteil vom 6. April 2016 - 2 StR 408/15 mwN). Dabei sind gerade bei Sexualdelikten die Entstehung und die Entwicklung der belastenden Aussage aufzuklären (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2002 - 1 StR 40/02, NStZ 2002, 656, 657).
17
b) Den danach an die Beweiswürdigung zu stellenden strengen Anforderungen ist das Landgericht nicht gerecht geworden. Seine Beweiswürdigung leidet unter durchgreifenden Erörterungsmängeln.
18
aa) Bereits die Feststellungen und Erwägungen zurAussageentstehung und -entwicklung, die für die Bewertung der Aussage von Geschädigten des sexuellen Missbrauchs von besonderer Bedeutung sind (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. April 2014 - 5 StR 113/14, NStZ-RR 2014, 219), sind widersprüchlich und lückenhaft.
19
Zwar teilt das Urteil mit, dass sich die Geschädigte bereits im März 2010 ihrer damaligen Freundin offenbart habe. Nach Aussage dieser Zeugin sei zwar das Wort „Vergewaltigung“ nicht gefallen, es seien aber „konkrete Angaben“ zu sexuellen Handlungen (UA S. 7, 13) gewesen, die indes das Landgericht nicht weiter erläutert. An anderer Stelle des Urteils führt das Landgericht hingegen - widersprüchlich - aus, dass diese Zeugin sich in der Hauptverhandlung nicht mehr habe erinnern können, was genau die Geschädigte damals gesagt habe (UA S. 13).
20
Soweit Angaben der Geschädigten gegenüber weiteren Zeugen festgestellt sind, erscheinen diese Angaben gegenüber denjenigen der Geschädigten im Ermittlungsverfahren detailarm und kaum aussagekräftig. Deswegen ist der Schluss des Landgerichts, die Angaben der Geschädigten „zum Kern des Ge- schehens (seien) stets nachvollziehbar und widerspruchsfrei“ (UA S. 15), für den Senat nicht nachvollziehbar, zumal an anderer Stelle festgestellt ist, dass die Angaben der Geschädigten „teilweise widersprüchlich“ sind (UA S. 22). Zwar ist der Tatrichter grundsätzlich nicht gehalten, im Urteil Zeugenaussagen in allen Einzelheiten wiederzugeben. In Fällen, in denen - wie hier - zum Kerngeschehen Aussage gegen Aussage steht, muss aber der entscheidende Teil einer Aussage in das Urteil aufgenommen werden, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten die sachlichrechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 - 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111).
21
bb) Das Landgericht hat zwar die Möglichkeit einer Falschbelastung des Angeklagten durch die Geschädigte erörtert. Es hat die Offenbarungssituation gewürdigt und erörtert, ob es der Geschädigten möglicherweise nur darum gegangen sein könnte, „bei ihrem leiblichen Vater wohnen zu können oder jeden- falls aus der Wohnung ihrer Mutter auszuziehen“ (UA S. 19), zumal die Ge- schädigte gegen eine Heirat ihrer Mutter mit dem Angeklagten gewesen sei. Das Landgericht hat das (mögliche) Motiv für eine Falschbelastung unter anderem mit der Erwägung ausgeschlossen, dass die Geschädigte das Ziel, aus der Wohnung der Mutter auszuziehen, zur Zeit der polizeilichen Vernehmung im Jahr 2014 bereits erreicht habe. Indes übersieht die Jugendkammer, dass sich die Geschädigte zum Zeitpunkt der Erstoffenbarung im März 2010 noch in einer anderen familiären Situation befand, insbesondere weil die Heirat, die erst im August 2010 erfolgte, noch ausstand. Bereits zu einem Zeitpunkt vor der Erstoffenbarung hat sie ihren leiblichen Vater zudem nicht nur regelmäßig besucht sondern „ihrer Mutter mehrfach gesagt, dasssie gerne bei ihrem leiblichen Vater wohnen möchte“ (UA S. 11).
22
Hinzu kommt, dass es - auch nach der Einlassung des Angeklagten - zwischen ihr und ihrem Stiefvater „seit dem Jahr 2008“ (UA S. 10) vermehrt zu Schwierigkeiten und daraus resultierenden Sanktionen gekommen ist. Dass sie „zu ihrer Mutter kein gutes Verhältnis gehabt“ (UA S. 21) habe, erläutert die Ju- gendkammer im Einzelnen nicht näher.
23
cc) Ein Erörterungsmangel liegt schließlich auch darin, dass das Landgericht sich nicht näher damit auseinandergesetzt hat, dass die Geschädigte, „in der Folgezeit“ (UA S. 5, 9) wegen Suizidversuchen mehrfach in die Kinder- und Jugendpsychiatrie eingewiesen worden war und der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs im Rahmen einer familiengerichtlichen Verhandlung im Juli 2014 wegen eines Antrags auf (erneute) Unterbringung der Geschädigten in einer geschlossenen Einrichtung der Kinder- und Jugendpsychiatrie von der Geschä- digten „zur Sprache“ kam. Offen bleibt schon, ab wann und welche psychischen Probleme bei der Geschädigten auftraten, wann, warum und von welcher Art die Suizidversuche gewesen sind, und wie lange die jeweiligen stationären Aufenthalte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie dauerten. Inwieweit die jeweiligen Aussagen der Geschädigten, die zudem von einer Zeugin als Mädchen be- schrieben wird, das „immer habe auffallen wollen und Wert darauf gelegt habe, im Mittelpunkt zu stehen“ (UA S. 7) und auch „nicht immer die Wahrheit gesagt habe“ (UA S. 14), von diesen „psychischen Problemen“ bzw. von - ebenfalls nicht näher ausgeführten - „Verhaltensauffälligkeiten“ (UA S. 20) geprägt sein könnten, erschließt sich dem Senat mangels näherer Erörterung durch das Landgericht nicht.
24
2. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Tatrichter bei Einhaltung der sachlich-rechtlichen Erörterungspflichten zu einer anderen Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten gelangt wäre. Die Sache bedarf daher der Verhandlung und Entscheidung durch einen neuen Tatrichter. VRiBGH Prof. Dr. Fischer Eschelbach Zeng ist krankheitsbedingt an der Unterschrift gehindert. Eschelbach Bartel Grube

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 235/16
vom
10. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:100117B2STR235.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 1. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in jeweils fünf Fällen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in weiteren fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. a) Der Angeklagte lebte seit dem Jahr 2006 zusammen mit seiner Lebensgefährtin und deren Kindern, u.a. mit der am 21. November 2000 geborenen Geschädigten, in einem gemeinsamen Haushalt. Am 7. August 2010 heirateten er und seine Lebensgefährtin.
4
Im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. Dezember 2013 berührte der Angeklagte die Geschädigte an fünf verschiedenen nicht mehr feststellbaren Tagen im Bereich der Brust, zog sich und dem Kind die Hose aus, manipulierte mit seiner Hand an der unbedeckten Vagina der Geschädigten und berührte sie mit seinem unbedeckten erigierten Glied. „In mehreren Fäl- len“ sagte die Geschädigte zum Angeklagten, „dass es weh tue und dass er das lassen solle. Das führte aber nicht dazu, dass die sexuellen Handlungen aufhör- ten“ (Fälle II. 1. bis 5. der Urteilsgründe).
5
Innerhalb des vorgenannten Zeitraums forderte der Angeklagte das Kind an weiteren vier verschiedenen nicht mehr feststellbaren Tagen dazu auf, an ihm den Oralverkehr zu vollziehen. Das Kind leistete den Aufforderungen Folge und nahm den Penis des Angeklagten in den Mund; in einem Fall kam es zum Samenerguss im Mund der Geschädigten, die das Ejakulat „unter“ einen Teppich spuckte. „In den anderen Fällen kam es außerhalb des Mundes des Kindes zur Ejakulation“ (Fälle II. 6. bis 9. der Urteilsgründe).
6
An einem nicht mehr feststellbaren Tag im Zeitraum zwischen dem 1. Dezember 2013 und dem 31. Januar 2014 vollzog der Angeklagte mit der Geschädigten den vaginalen Geschlechtsverkehr; dabei benutzte er ein Kondom. Zu der Geschädigten sagte er danach u.a., dass er sie liebe, es ihr „kleines Geheimnis“ sei und sie es niemandem verraten dürfe (Fall II. 10. der Urteilsgründe

).


7
b) Die Geschädigte offenbarte sich erstmals während ihrer Grundschulzeit , im März 2010, gegenüber einer Freundin, die ihrerseits davon der Hortleiterin erzählte. Die Geschädigte berichtete sodann auch der Hortleiterin und ei- ner weiteren Mitarbeiterin des Hortes „von den sexuellen Übergriffen“. Sodann wurde die Mutter der Geschädigten informiert, die mit ihrer Tochter ins Krankenhaus fuhr. Aufgrund der dort vorgenommenen körperlichen Untersuchungen konnten „sexuelle Übergriffe weder bestätigt noch widerlegt werden“.
8
Die Mutter der Geschädigten spiegelte dieser sodann vor, sie habe den Angeklagten einem Lügendetektortest unterzogen. Ihrer Tochter überreichte sie daraufhin einen Brief mit dem Ergebnis des vermeintlichen Testes, wonach der Angeklagte „100%-ig die Wahrheit gesagt“ und die Geschädigte gelogen habe. Zunächst blieb das Kind dabei, dass seine Angaben zu den sexuellen Übergriffen der Wahrheit entsprochen hätten; etwa zwei bis drei Wochen später, noch im Jahr 2010 vor der Heirat ihrer Mutter mit dem Angeklagten, entschuldigte sich die Geschädigte bei dem Angeklagten.
9
In der Folgezeit traten zunehmend gesundheitliche, insbesondere psychische Probleme bei der Geschädigten auf. Sie unternahm Suizidversuche, „woraufhin es zu mehreren stationären Aufenthalten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“ kam. Im Jahr 2013 offenbarte sich die Geschädigte einer weiteren Freundin. Der Angeklagte sei des Öfteren zu ihr ins Zimmer gekommen und habe sich nackt zu ihr ins Bett gelegt. Er sei dann mit seinem Glied an sie her- angerückt. Sie habe ihm „einen Blasen“ müssen und es habe auch Geschlechtsverkehr gegeben.
10
Wegen eines Antrags auf Unterbringung der Geschädigten in einer geschlossenen Einrichtung der Kinder- und Jugendpsychiatrie kam im Rahmen einer familiengerichtlichen Verhandlung im Juli 2014 der von der Geschädigten „bereits in der Grundschulzeit offenbarte sexuelle Missbrauch zur Sprache“, woraufhin die Richterin die Staatsanwaltschaft informierte.
11
c) Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten auch sexuelle Übergriffe zum Nachteil seiner am 24. Januar 2009 geborenen leiblichen Tochter zur Last gelegt. Aufgrund des Ergebnisses einer aussagepsychologischen Begutachtung sei deren allgemeine Aussagetüchtigkeit „noch nicht gegeben“, so dass die Ju- gendkammer insoweit die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hat.
12
2. Der Angeklagte hat die Taten bestritten. Das Landgericht hat seine Überzeugung von dem festgestellten Tatgeschehen im Rahmen einer Gesamtwürdigung der erhobenen Beweise maßgeblich auf die Angaben der Geschädigten gestützt. Deren Angaben entsprächen einem tatsächlichen Erleben und seien glaubhaft.

II.

13
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
14
1. Die durch das Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung hinsichtlich der sexuellen Übergriffe des Angeklagten hält - auch unter Berücksichtigung des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402) - sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
15
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (Senat, Urteil vom 6. April 2016 - 2 StR 408/15 mwN). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (Senat, aaO).
Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 6. November 1998 - 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; weitere Nachweise bei Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 261 Rn. 3 und 38).
16
Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof in Fällen, in denen „Aussage gegen Aussage“ steht, besondere Anforderungen an dieDarlegung einer zur Verurteilung führenden Beweiswürdigung formuliert. Die Urteilsgründe müssen in einem solchen Fall erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, erkannt, in seine Überlegungen einbezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 1987 - 3 StR 141/87, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1; Beschluss vom 22. April 1997 - 4 StR 140/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 13; Urteil vom 3. Februar 1993 - 2 StR 531/92, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Beweiswürdigung 15; Urteil vom 6. April 2016 - 2 StR 408/15) und auch in einer Gesamtschau gewürdigt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. August 2012 - 5 StR 394/12, NStZ-RR 2013, 19; Urteil vom 6. April 2016 - 2 StR 408/15 mwN). Dabei sind gerade bei Sexualdelikten die Entstehung und die Entwicklung der belastenden Aussage aufzuklären (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2002 - 1 StR 40/02, NStZ 2002, 656, 657).
17
b) Den danach an die Beweiswürdigung zu stellenden strengen Anforderungen ist das Landgericht nicht gerecht geworden. Seine Beweiswürdigung leidet unter durchgreifenden Erörterungsmängeln.
18
aa) Bereits die Feststellungen und Erwägungen zurAussageentstehung und -entwicklung, die für die Bewertung der Aussage von Geschädigten des sexuellen Missbrauchs von besonderer Bedeutung sind (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. April 2014 - 5 StR 113/14, NStZ-RR 2014, 219), sind widersprüchlich und lückenhaft.
19
Zwar teilt das Urteil mit, dass sich die Geschädigte bereits im März 2010 ihrer damaligen Freundin offenbart habe. Nach Aussage dieser Zeugin sei zwar das Wort „Vergewaltigung“ nicht gefallen, es seien aber „konkrete Angaben“ zu sexuellen Handlungen (UA S. 7, 13) gewesen, die indes das Landgericht nicht weiter erläutert. An anderer Stelle des Urteils führt das Landgericht hingegen - widersprüchlich - aus, dass diese Zeugin sich in der Hauptverhandlung nicht mehr habe erinnern können, was genau die Geschädigte damals gesagt habe (UA S. 13).
20
Soweit Angaben der Geschädigten gegenüber weiteren Zeugen festgestellt sind, erscheinen diese Angaben gegenüber denjenigen der Geschädigten im Ermittlungsverfahren detailarm und kaum aussagekräftig. Deswegen ist der Schluss des Landgerichts, die Angaben der Geschädigten „zum Kern des Ge- schehens (seien) stets nachvollziehbar und widerspruchsfrei“ (UA S. 15), für den Senat nicht nachvollziehbar, zumal an anderer Stelle festgestellt ist, dass die Angaben der Geschädigten „teilweise widersprüchlich“ sind (UA S. 22). Zwar ist der Tatrichter grundsätzlich nicht gehalten, im Urteil Zeugenaussagen in allen Einzelheiten wiederzugeben. In Fällen, in denen - wie hier - zum Kerngeschehen Aussage gegen Aussage steht, muss aber der entscheidende Teil einer Aussage in das Urteil aufgenommen werden, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten die sachlichrechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 - 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111).
21
bb) Das Landgericht hat zwar die Möglichkeit einer Falschbelastung des Angeklagten durch die Geschädigte erörtert. Es hat die Offenbarungssituation gewürdigt und erörtert, ob es der Geschädigten möglicherweise nur darum gegangen sein könnte, „bei ihrem leiblichen Vater wohnen zu können oder jeden- falls aus der Wohnung ihrer Mutter auszuziehen“ (UA S. 19), zumal die Ge- schädigte gegen eine Heirat ihrer Mutter mit dem Angeklagten gewesen sei. Das Landgericht hat das (mögliche) Motiv für eine Falschbelastung unter anderem mit der Erwägung ausgeschlossen, dass die Geschädigte das Ziel, aus der Wohnung der Mutter auszuziehen, zur Zeit der polizeilichen Vernehmung im Jahr 2014 bereits erreicht habe. Indes übersieht die Jugendkammer, dass sich die Geschädigte zum Zeitpunkt der Erstoffenbarung im März 2010 noch in einer anderen familiären Situation befand, insbesondere weil die Heirat, die erst im August 2010 erfolgte, noch ausstand. Bereits zu einem Zeitpunkt vor der Erstoffenbarung hat sie ihren leiblichen Vater zudem nicht nur regelmäßig besucht sondern „ihrer Mutter mehrfach gesagt, dasssie gerne bei ihrem leiblichen Vater wohnen möchte“ (UA S. 11).
22
Hinzu kommt, dass es - auch nach der Einlassung des Angeklagten - zwischen ihr und ihrem Stiefvater „seit dem Jahr 2008“ (UA S. 10) vermehrt zu Schwierigkeiten und daraus resultierenden Sanktionen gekommen ist. Dass sie „zu ihrer Mutter kein gutes Verhältnis gehabt“ (UA S. 21) habe, erläutert die Ju- gendkammer im Einzelnen nicht näher.
23
cc) Ein Erörterungsmangel liegt schließlich auch darin, dass das Landgericht sich nicht näher damit auseinandergesetzt hat, dass die Geschädigte, „in der Folgezeit“ (UA S. 5, 9) wegen Suizidversuchen mehrfach in die Kinder- und Jugendpsychiatrie eingewiesen worden war und der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs im Rahmen einer familiengerichtlichen Verhandlung im Juli 2014 wegen eines Antrags auf (erneute) Unterbringung der Geschädigten in einer geschlossenen Einrichtung der Kinder- und Jugendpsychiatrie von der Geschä- digten „zur Sprache“ kam. Offen bleibt schon, ab wann und welche psychischen Probleme bei der Geschädigten auftraten, wann, warum und von welcher Art die Suizidversuche gewesen sind, und wie lange die jeweiligen stationären Aufenthalte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie dauerten. Inwieweit die jeweiligen Aussagen der Geschädigten, die zudem von einer Zeugin als Mädchen be- schrieben wird, das „immer habe auffallen wollen und Wert darauf gelegt habe, im Mittelpunkt zu stehen“ (UA S. 7) und auch „nicht immer die Wahrheit gesagt habe“ (UA S. 14), von diesen „psychischen Problemen“ bzw. von - ebenfalls nicht näher ausgeführten - „Verhaltensauffälligkeiten“ (UA S. 20) geprägt sein könnten, erschließt sich dem Senat mangels näherer Erörterung durch das Landgericht nicht.
24
2. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Tatrichter bei Einhaltung der sachlich-rechtlichen Erörterungspflichten zu einer anderen Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten gelangt wäre. Die Sache bedarf daher der Verhandlung und Entscheidung durch einen neuen Tatrichter. VRiBGH Prof. Dr. Fischer Eschelbach Zeng ist krankheitsbedingt an der Unterschrift gehindert. Eschelbach Bartel Grube

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 3 9 4 / 1 4
vom
5. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
5. November 2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte persönlich - in der Verhandlung -,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 20. März 2014 werden verworfen.
2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten dadurch und durch die Revision der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Die Nebenklägerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenklägerin je zur Hälfte.
3. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung in dem vorbezeichneten Urteil über die Entschädigung des Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Staatskasse zu tragen.
4. Die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin gegen die sie betreffende Auslagenentscheidung des vorbezeichneten Urteils wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in Tateinheit mit Vergewaltigung zu Lasten der Nebenklägerin aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wenden sich sowohl die Staatsanwaltschaft mit ihrer – vomGeneralbundesanwalt nicht vertretenen – Revision als auch die Nebenklägerin mit ihrem Rechtsmittel. Die Staatsanwaltschaft hat zudem sofortige Beschwerde gegen die im Urteil getroffene Entscheidung eingelegt, den Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen. Die Nebenklägerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die sie betreffende Auslagenentscheidung des Urteils, dass sie die ihr entstandenen Auslagen selbst zu tragen hat.
2
Die Rechtsmittel bleiben jeweils ohne Erfolg.

A.

3
Dem Angeklagten war mit der zugelassenen Anklage vorgeworfen worden , am Tattag die erheblich alkoholisierte und ermüdete Nebenklägerin in das von ihm bewohnte Zimmer in S. verbracht zu haben. Nachdem er erkannt hatte, dass die Nebenklägerin wegen ihres körperlichen Zustands nicht mehr in der Lage war, einen eigenen Willen zu bilden bzw. einen solchen zu artikulieren, nutzte der Angeklagte diesen Zustand bewusst aus. Er entkleidete die Nebenklägerin, legte sie auf den Rücken und führte seinen erigierten Penis in deren Vagina ein und übte für einen nicht näher bestimmbaren Zeitraum den Geschlechtsverkehr mit der von ihm als widerstandsunfähig erkannten Nebenklägerin durch. Als diese während dieses Vorgangs erwachte, den Angeklagten anschrie und ihn erfolglos von sich weg zu schieben versuchte, fixierte er die Nebenklägerin weiterhin mit seinem Körpergewicht und führte mit den Worten „Noch kurz, noch kurz, noch ein bisschen!“ weiterhin den Geschlechtsverkehr aus.
4
Der Angeklagte hat einen einvernehmlichen und von der Nebenklägerin initiativ ausgehenden, ungeschützten Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss eingeräumt.
5
Das Landgericht hat festgestellt, dass es am Tattag zwischen 13.04 Uhr und 15.20 Uhr in dem Zimmer des Angeklagten zum Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin gekommen ist. Zur Begründung des Freispruchs hat es darauf abgestellt, es habe sich weder eine gewaltsame Durchführung dieses Geschlechtsverkehrs noch eine Widerstandsunfähigkeit der Nebenklägerin in dem vorgenannten Zeitraum zweifelsfrei feststellen lassen. Für das eigentliche Tatgeschehen stünden lediglich die Angaben der Nebenklägerin zur Verfügung. Von der Zuverlässigkeit ihrer Aussagen hat sich das Landgericht ungeachtet von Widersprüchlichkeiten auch in den Einlassungen des Angeklagten nicht überzeugen können. Es verblieben daher erhebliche Zweifel darüber, unter welchen Umständen der Geschlechtsverkehr zwischen beiden ausgeübt worden sei.

B.

6
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin bleiben ohne Erfolg. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Die von der Nebenklägerin erhobene Verfahrensbeanstandung der Verletzung der Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) dringt ebenfalls nicht durch.

I. Revision der Staatsanwaltschaft
7
1. Entgegen der Bewertung der Staatsanwaltschaft genügt das angefochtene Urteil den aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO resultierenden Darstellungsanforderungen.
8
a) Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach der Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (BGH, Urteile vom 21. Oktober 2003 – 1 StR 544/02, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 13 mwN; vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513; vom 3. März 2010 – 2 StR 427/09, NStZ-RR 2010, 182; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 25 [insoweit in BGHSt 58, 72 nicht abgedruckt ]; vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13, NStZ-RR 2014, 220). Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (BGH, Urteile vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13, NStZ-RR 2014, 220; vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NJW 2013, 1106; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 25 [insoweit in BGHSt 58, 72 nicht abgedruckt]; vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 236/11; vom 17. Mai 1990 – 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4; vom 26. September 1989 – 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2).
9
b) Dem entspricht das Urteil. Das Landgericht hat der Wiedergabe des Inhalts der Anklageschrift diejenigen Feststellungen folgen lassen, die es vor allem zu dem Vorgeschehen der Abläufe in dem Zimmer des Angeklagten so- wie zu dem Geschehen ab etwa 15.20 Uhr, nachdem die Nebenklägerin die Wohnung des Angeklagten verlassen hatte, hat treffen können. Diese Feststellungen umfassen insbesondere die zeitliche Phase, in der die Nebenklägerin kurz nach 12.00 Uhr des Tattags das letzte von ihr besuchte Lokal verlassen und sich in ein Taxi gesetzt hatte, um die Heimfahrt anzutreten. Weiterhin hat es den Zustand, in dem sich die Nebenklägerin bei dem Besteigen des Taxis sowie während der Fahrt befand, näher dargelegt. Ebenso ist ausgeführt, dass sich der Angeklagte zu der Nebenklägerin in das Taxi setzte und wie er sich in dem Fahrzeug bis zum Verlassen an seiner Wohnanschrift in S. verhielt. Das angefochtene Urteil grenzt darüber hinaus zeitlich den Aufenthalt der Nebenklägerin in dem Zimmer des Angeklagten aufgrund der zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen anhand der Zeitpunkte von Kurznachrichten und Telefonaten ein, die sie mit ihrem Mobiltelefon versendet bzw. geführt hat. Auch ihr körperlicher Zustand bei der ärztlichen Untersuchung am frühen Abend des Tattages sowie die Erkenntnisse über die der Nebenklägerin bei dieser Gelegenheit entnommenen Blut- und Urinproben werden dargestellt. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 30. Juli 2014 zutreffend aufzeigt, ergibt sich aus der Beweiswürdigung des Landgerichts, warum es keine weiteren, für die Beurteilung der Schuldfrage bedeutsamen Feststellungen hat treffen können.
10
Soweit die Revision eine Darstellung zu den näheren Umständen des Kennenlernens der Nebenklägerin und des Angeklagten vermisst, ergibt sich bereits aus den von ihr selbst wiedergegebenen Passagen des Urteils, dass die Aussage der Nebenklägerin und die Einlassung bzw. die Einlassungen des Angeklagten lediglich in Teilen Übereinstimmendes über das Zusammentreffen beider vor der Taxifahrt nach S. enthalten. Schon deshalb war es rechtlich nicht durch § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO geboten, Einzelheiten des Zusam- mentreffens beider in verschiedenen Münchener Lokalitäten als vom Tatgericht festgestellt in das Urteil aufzunehmen.
11
Das Urteil ist auch nicht in sich widersprüchlich. Die von der Staatsanwaltschaft beanstandete Passage, das Landgericht habe ausgedrückt, sichere Feststellungen zur Vorgeschichte und zu dem dem Geschlechtsverkehr nachfolgenden Geschehen treffen zu können (UA S. 8), bezieht sich ersichtlich auf diejenigen Feststellungen UA S. 5 – 7. Dass nicht weitere Einzelheiten des der Taxifahrt vorausgehenden Geschehensablaufs haben festgestellt werden können , steht dazu weder sprachlich noch sachlich in Widerspruch.
12
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts enthält keine revisiblen Rechtsfehler.
13
a) Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt zudem, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011 – 1 StR 408/10 Rn. 15, vom 7. Juni 2011 – 5 StR 26/11 Rn. 9 und vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12 Rn. 10; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 28 [insoweit in BGH 58, 72 nicht abgedruckt).
14
b) Nach diesen Maßstäben enthält die durch die Strafkammer vorgenommene Beweiswürdigung weder in Bezug auf den Tatvorwurf des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen noch den der Vergewaltigung Rechtsfehler.
15
aa) Wie bereits der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt hat, legt das Landgericht beweiswürdigend ausführlich dar, warum es sich keine Überzeugung von der Widerstandsunfähigkeit der Nebenklägerin während des feststehenden Zeitraums ihres Aufenthalts in dem Zimmer des Angeklagten hat bilden können. Das Landgericht hat dabei seiner Beweiswürdigung im Hinblick auf die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt zugrunde gelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann Opfer einer Tat nach § 179 StGB nur sein, wer aufgrund einzelner, im Tatbestand des Absatzes 1 näher beschriebener Gegebenheiten unfähig ist, einen ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen (BGH, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 3 StR 88/08, NStZ 2009, 324, 325; vom 18. August 2011 – 4StR 338/11, NStZ 2012, 150 f.). Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit ist eine normative Entscheidung (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 – 2 StR 385/08, NStZ-RR 2009, 14, 15); sie erfordert die Überzeugung des Tatrichters, dass das Opfer zum Widerstand gänzlich unfähig war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 3 StR 88/08, NStZ 2009, 324, 325; vom 10. August 2011 – 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150 f.).
16
Von diesen Anforderungen aus hat das Landgericht gewürdigt, ob sich die Voraussetzungen der Widerstandsunfähigkeit entweder aufgrund des durch die Nebenklägerin genossenen Alkohols in Verbindung mit dem langen Zeitraum des Besuchs unterschiedlicher Lokalitäten oder aufgrund der Verabreichung sog. K.O.-Tropfen feststellen lassen. Dabei hat es in einer rechtlich nicht zu beanstandenden Weise eine Gesamtwürdigung aller dazu erhobenen Beweise vorgenommen (vor allem UA S. 24 – 31). Das Urteil setzt sich insbesondere umfassend mit den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen T. sowohl zu alkoholbedingter als auch zu durch K.O.Tropfen verursachter gänzlicher Widerstandsunfähigkeit auseinander. Das Urteil gibt die wesentlichen Anknüpfungspunkte und Darlegungen des Sachverständigen in einer Weise wieder, die das Verständnis des Gutachtens und die Beurteilung seiner Schlüssigkeit ermöglicht (vgl. zu diesen Anforderungen BGH, Urteile vom 6. März 1986 – 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 31 und vom 15. Januar 2003 – 5 StR 223/02, NStZ 2003, 307; Beschlüsse vom 2. Oktober 2007 – 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39; vom 24. Mai 2012 – 5 StR 52/12, NStZ 2012, 650 f.).
17
Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht sich nicht hat davon überzeugen können, dass der Nebenklägerin in dem Lokal „ P. “ K.O.-Tropfen verabreicht worden sind, die zu einer Wider- standsunfähigkeit im Zeitraum des Aufenthalts in dem Zimmer des Angeklagten geführt haben. Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung hat es berücksichtigt , dass die von der Nebenklägerin beschriebenen Symptome sich als typische Begleiterscheinungen der Einwirkung von Gammahydroxybuttersäure erweisen können. Das Landgericht hat aber ohne Rechtsfehler – gestützt auf Ausführungen des Sachverständigen – erhebliche Zweifel daran gehabt, ob in der allein in Frage kommenden Situation der Verabreichung der K.O.-Tropfen eine ausreichende Flüssigkeitsmenge mit dem vorhandenen Getränk und dem von der Nebenklägerin lediglich beschriebenen „Nippen“ daran stattgefunden haben kann.
18
Im Hinblick auf die erforderliche gänzliche Widerstandsunfähigkeit ist es sachlich-rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht im Rahmen einer Gesamtschau der erhobenen Beweise eine alkoholbedingte Widerstandsunfähigkeit angesichts der belegten Restleistungsfähigkeit der Nebenklägerin in Gestalt des Versendens einer SMS an den Zeugen A. keine Überzeugung von der Widerstandsunfähigkeit gewinnen konnte. Im Übrigen erweist sich die vom Landgericht vorgenommene Gesamtwürdigung weder als lückenhaft noch als widersprüchlich. Die Angriffe der Staatsanwaltschaft erschöpfen sich insoweit darin, die eigene (mögliche) Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung durch das Tatgericht zu setzen.
19
bb) Gleiches gilt auch für die den Vorwurf der Vergewaltigung betreffende Beweiswürdigung.
II. Revision der Nebenklägerin
20
Das Rechtsmittel der Nebenklägerin bleibt ebenfalls erfolglos.
21
1. Die erhobene Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 2 StPO, mit der die unterbliebene weitere Aufklärung eines 2004 gegen den Angeklagten geführten Ermittlungsverfahrens u.a. durch Vernehmung der (damaligen) Zeugin G. beanstandet wird, dringt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen nicht durch.
22
2. In sachlich-rechtlicher Hinsicht hält das angefochtene Urteil aus den bereits zu der Revision der Staatsanwaltschaft ausgeführten Gründen rechtli- cher Prüfung stand. Insbesondere ist – wie dargelegt – nicht zu beanstanden, dass das Landgericht sich nicht die Überzeugung von einer Widerstandsunfähigkeit im Sinne von § 179 Abs. 1 StGB hat verschaffen können. Das Landgericht hat seine Überzeugungsbildung zutreffend darauf bezogen, ob sich feststellen lässt, dass die Nebenklägerin zum Widerstand gänzlich unfähig war (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 3 StR 88/08, NStZ 2009, 324, 325; vom 10. August 2011 – 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150 f.). Soweit die Revision einen davon abweichenden rechtlichen Ausgangspunkt einnimmt und eine eingeschränkte Widerstandsunfähigkeit ausreichen lassen will, kann sie damit angesichts der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Anforderungen der Widerstandsunfähigkeit keinen Erfolg erzielen.
23
Das Landgericht hat von diesem rechtlichen Maßstab aus ohne Rechtsfehler in der Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der dafür relevanten Umstände auch keine durch Alkoholeinwirkung in Kombination mit Übermüdung hervorgerufene gänzliche Widerstandsunfähigkeit festgestellt. Entgegen dem Vorbringen der Revision hat es dabei auch psychodiagnostische Kriterien mit einbezogen, indem es etwa eine Restleistungsfähigkeit der Nebenklägerin angesichts der während des Aufenthalts in dem Zimmer des Angeklagten versendeten SMS angenommen hat.

C.

24
Die jeweils zulässigen sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung des Landgerichts, den Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen, sowie diejenige der Nebenklägerin gegen die sie betreffende Auslagenentscheidung im angefochtenen Urteil bleiben in der Sache erfolglos.

I.

25
Die Entschädigung des freigesprochenen Angeklagten entspricht der Sach- und Rechtslage (§ 2 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StrEG). Gründe für einen Ausschluss (§ 5 StrEG) oder eine Versagung der Entschädigung (§ 6 StrEG) sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

II.

26
Die die Nebenklägerin betreffende Auslagenentscheidung des Landgerichts entspricht ebenfalls der Rechtslage. Im Umkehrschluss aus § 472 Abs. 1 Satz 2 StPO ergibt sich, dass ein Anspruch des Nebenklägers auf Auslagenerstattung bei Freispruch des Angeklagten auch gegen den Staat nicht besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12 Rn. 2; siehe auch Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 472 Rn. 4; siehe auch MeyerGoßner /Schmitt, 57. Aufl., § 472 Rn. 3).
27
Dem steht nicht entgegen, dass angesichts der Beiordnung von Rechtsanwältin Ar. als Nebenklägervertreterin gemäß § 397a Abs. 1 Nr. 4 StPO durch Beschluss des Landgerichts vom 5. März 2014 (Bl. 721/722 der Sachakten) dem beigeordneten Rechtsanwalt ein Gebührenanspruch aus § 53 Abs. 2 RVG gegen die Staatskasse zusteht und die Nebenklägerin von dem Beistand nicht auf die Gebührenforderung in Anspruch genommen werden kann (vgl. Schöch in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, § 397a Rn. 14). Aus der Auslagenentscheidung des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil folgt lediglich, dass die Nebenklägerin ihrerseits – wie angesprochen – keinen Anspruch auf (sonstige) Auslagenerstattung gegen die Staatskasse geltend machen kann.

D.

28
Die Kostenentscheidungen zu den Revisions- und Beschwerdeverfahren folgen aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Rothfuß Graf Jäger Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 88/08
vom
28. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 28. Oktober
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 5. Oktober 2007
a) im Fall II. 2. Nr. 2 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin geändert, dass die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen entfällt;
b) im Fall II. 2. Nr. 3 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 2. Nr. 2 der Urteilsgründe, die Gesamtstrafe und das Berufsverbot mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen und im anderen Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Betreuungsverhältnisses zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie ihm für immer verboten, den Beruf des Altenpflegers sowie entsprechende berufliche Tätigkeiten auszuüben. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlichrechtlichen Angriffen. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Die Verfahrensrügen sind, soweit sie nicht durch die teilweise Aufhebung des Urteils ihre Erledigung finden, unbegründet. Der sachlichrechtlichen Nachprüfung hält nur die Verurteilung im Fall II. 2. Nr. 1 der Urteilsgründe einschließlich der hierfür erkannten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten stand.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts begleitete der Angeklagte im Fall II. 2. Nr. 2 in seiner Eigenschaft als Pflegekraft in einer stationären Pflegeeinrichtung eine 93jährige Bewohnerin auf die Toilette. Die Frau war aufgrund eines Hüftleidens auf den Rollstuhl angewiesen und deshalb nicht in der Lage, die Toilette selbständig aufzusuchen und sich danach zu reinigen. Nach dem Toilettengang stand die Bewohnerin auf und hielt sich an Haltegriffen fest, damit der Angeklagte sie reinigen konnte. Diese Situation, in der die Frau "körperlich und konstitutionsbedingt hilflos war, nutzte der Angeklagte zu einem sexuell motivierten Übergriff aus". Er "drang nämlich nun mit jedenfalls dem ersten Glied eines Fingers in den After der Zeugin ein" (UA S. 10). Kurze Zeit später erschien die Bewohnerin mit ihrem Rollstuhl im Pflegebüro und beschwerte sich über den Übergriff.
4
Zutreffend hat das Landgericht die Handlung des Angeklagten als sexuellen Missbrauch einer Hilfsbedürftigen in einer Einrichtung für hilfsbedürftige Menschen (§ 174 a Abs. 2 StGB) beurteilt. Der Angeklagte hat die Bewohnerin dadurch missbraucht, dass er deren Hilfsbedürftigkeit, nämlich die Unfähigkeit, sich ohne seine Hilfe aus der Toilette fortzubegeben, ausgenutzt und eine sexuelle Handlung an ihr vorgenommen hat.
5
Die Voraussetzungen eines schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person (§ 179 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 1 StGB) sind hingegen mit diesen Feststellungen nicht belegt. Opfer einer Tat nach § 179 StGB kann nur sein, wer aufgrund einzelner, im Tatbestand des Absatzes 1 näher beschriebener Gegebenheiten unfähig ist, einen ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen (BGHSt 36, 145, 147; BGH NStZ 1998, 83). Das Opfer muss zum Widerstand gänzlich unfähig sein (Wolters in SK-StGB § 179 Rdn. 3). Diese Widerstandsunfähigkeit muss der Täter ausnutzen, um mit ihrer Hilfe zu der sexuellen Handlung zu kommen, d. h. die sexuelle Handlung muss dem Täter gerade erst aufgrund der besonderen Situation des Opfers gelingen. Dies unterscheidet den Missbrauch einer hilfsbedürftigen Person von dem einer widerstandsunfähigen Person, deren unterschiedliche Bewertung auch in den deutlich voneinander abweichenden Strafrahmen (§ 174 a StGB: Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren; § 179 Abs. 1 StGB: Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bzw. in Fällen qualifizierter Tatbegehung oder Tatfolgen von zwei Jahren bis zu 15 Jahren) zum Ausdruck kommt.
6
Das Landgericht hat bereits eine körperliche Widerstandsunfähigkeit der Bewohnerin nicht festgestellt. Nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils liegt es nicht fern, dass diese sich durch Ausdrücke der Ablehnung und Verär- gerung, durch Rufen um Hilfe und auch durch körperliche Bewegungen hätte gegen das Ansinnen des Angeklagten zur Wehr setzen können. Darauf, dass dieser Widerstand möglicherweise nicht erfolgreich gewesen wäre und sich der Angeklagte davon nicht hätte von seinem Vorhaben abbringen lassen, kommt es nicht an.
7
Selbst bei Annahme gänzlicher Unfähigkeit des Opfers zum Widerstand würde es daran fehlen, dass der Angeklagte dies zur Tatbegehung ausgenutzt hätte. Die Feststellungen legen es eher nahe, dass der Angeklagte nicht die Widerstandsunfähigkeit sondern vielmehr die Arglosigkeit seines eine Hilfeleistung erwartenden und von dem sexuellen Übergriff überraschten Opfers ausgenutzt hat und er deshalb auch bei einem widerstandsfähigen Opfer zu demselben Ziel gelangt wäre.
8
Der Senat schließt aus, dass eine erneute Verhandlung zu Feststellungen führen könnte, die den Schuldspruch des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person tragen. Er entscheidet deshalb in der Sache und ändert den Schuldspruch. Der Wegfall des den Strafrahmen bestimmenden Delikts führt zur Aufhebung der für diese Tat erkannten Einzelstrafe.
9
2. Im Fall II. 2. Nr. 3 der Urteilsgründe suchte der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts im Rahmen seines Außendienstes als Pflegekraft eine 57jährige Frau in deren Haus auf. Sie war aufgrund einer Vielzahl von Operationen ersichtlich vorgealtert, in ihrer Wohnung jedoch mobil und ohne nennenswerte psychische Beeinträchtigungen (UA S. 11). Der Angeklagte betreute sie, indem er sie bei ihren Einkäufen unterstützte oder ihre Beine behandelte. Nachdem er ihr schon früher Informationsmaterial betreffend eine Beckenboden -Gymnastik übergeben hatte, erklärte er ihr am Tattag, wie sie diese Gymnastik durchzuführen hätte, und wies sie dabei an, ihren Unterleib zu entblößen , sich hinzuknien und sich mit den Händen auf den Boden aufzustützen. Die in ihrem Wesen sehr vertrauensselige Frau (UA S. 11) folgte den Anweisungen. Der Angeklagte begab sich daraufhin hinter sie und drang zumindest mit einem Finger von hinten in ihre Scheide ein.
10
Diese Feststellungen belegen die vom Landgericht angenommene körperliche Widerstandsunfähigkeit (§ 179 Abs. 1 Nr. 2 StGB) des Opfers nicht. Auch der sexuelle Missbrauch unter Ausnutzung eines Betreuungsverhältnisses (§ 174 c Abs. 1 StGB) ist nicht verwirklicht. Es fehlen schon Feststellungen dazu , dass bei der Frau eine Krankheit oder Behinderung im Sinne von § 174 c StGB vorgelegen hat. Gleiches gilt, soweit das Tatopfer nach § 174 c StGB dem Täter zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut sein muss. Zuletzt wäre - die vorgenannten Tatbestandsmerkmale als gegeben angenommen - nicht dargetan, dass der Angeklagte die sexuelle Handlung gerade unter Missbrauch dieser Tatumstände vorgenommen hat. Vielmehr deuten die bisher festgestellten Umstände darauf hin, dass der Angeklagte lediglich die Vertrauensseligkeit der Frau ausgenutzt hat.
11
Da nicht auszuschließen ist, dass eine neue Verhandlung insoweit den Tatvorwurf belegende Feststellungen erbringen wird, muss die Sache nochmals verhandelt werden.
12
3. Damit ist zugleich der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage entzogen. Gleiches gilt für das Berufsverbot. Insoweit wird der neue Tatrichter die von der Revision geäußerten Bedenken zu berücksichtigen haben, dass das Berufsverbot , soweit es dem Angeklagten nicht nur die Pflege alter Menschen, sondern auch "entsprechende berufliche Tätigkeiten" untersagt, zu unbestimmt sein könnte.
Becker Miebach Pfister
Sost-Scheible Hubert

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 198/08
vom
17. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2008 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 28. Januar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen des Landgerichts erhielt der Angeklagte in den frühen Morgenstunden Besuch von drei jungen Leuten, darunter auch der 18jährigen W. , die nach einem Diskothekenbesuch bei ihm noch etwas weiterfeiern wollten. Nach einiger Zeit wurde W. müde, legte sich im Schlafzimmer des Angeklagten bekleidet auf dessen Bett und schlief ein. Später legte sich der Angeklagte neben http://127.0.0.1:50000/Xaver/start.xav?SID=&startbk=heymanns_bgh_ed_bghz&bk=heymanns_bgh_ed_bghz&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghz-31-286'%5D&anchor=el [Link] http://127.0.0.1:50000/Xaver/start.xav?SID=&startbk=heymanns_bgh_ed_bghz&bk=heymanns_bgh_ed_bghz&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghz-31-287'%5D&anchor=el - 3 - sie, zog ihr Hose und Slip aus und drang mit seinem Glied von hinten in ihre Scheide ein, ohne dass sie davon etwas bemerkte. Als sie aus dem Schlaf erwachte und sich erschrocken aufrichtete, ließ der Angeklagte von ihr ab und entgegnete auf ihre Frage, was das solle, er habe gedacht, sie wolle das auch.
3
Das Landgericht hat nicht auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte irrig von einer Einwilligung der Frau in den Geschlechtsverkehr ausgegangen ist, und ausgeführt, selbst ein solcher Irrtum lasse weder den Vorsatz noch die Schuld entfallen. Dies ist rechtsfehlerhaft.
4
Hätte die Frau, ehe sie eingeschlafen war, in sexuelle Handlungen des Angeklagten mit ihr eingewilligt, wären diese Handlungen nicht objektiv unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit im Sinne von § 179 Abs. 1 StGB vorgenommen worden (Fischer, StGB 55. Aufl. § 179 Rdn. 16). Der Irrtum über ein Tatbestandsmerkmal lässt aber nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB den Vorsatz entfallen. Nichts anderes ergibt sich, wenn in der Einwilligung ein Rechtfertigungsgrund gesehen wird: Der Angeklagte hätte dann einen Umstand angenommen, der geeignet gewesen wäre, die Rechtswidrigkeit seines Tuns auszuschließen. Dies ist wie ein den Vorsatz ausschließender Irrtum über Tatumstände nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB zu bewerten (vgl. BGHSt 31, 264, 286/287 m. w. N.).
5
Der Sachverhalt muss unter Zugrundelegung dieser Rechtslage erneut aufgeklärt werden, wobei der neue Tatrichter auch die Beanstandungen der Revision zur Plausibilität des festgestellten Sachverhalts nach den Maßstäben der Lebenserfahrung zu bedenken haben wird.
6
2. Wegen des inneren Zusammenhangs der Körperverletzung mit dem als unmittelbar vorangehend festgestellten Sexualdelikt hebt der Senat auch diese Verurteilung auf, um dem neuen Tatrichter einheitliche neue Feststellungen zu ermöglichen.
Becker Miebach Pfister RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Schäfer
5 StR 613/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2013

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 2. August 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) im Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in vier Fällen mit den zugehörigen Feststellungen,
b) unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zur Person und zur Schuldfähigkeit des Angeklagten im gesamten Strafausspruch.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersicht- lichen Teilerfolg. Im Übrigen ist die unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Auf der Grundlage einer weitgehend konstanten, in Teilbereichen, insbesondere Verletzungsspuren betreffend, bestätigten Aussage der Nebenklägerin und unter Berücksichtigung der eigenen Einlassung des Angeklagten , der Angaben der Nebenklägerin in vielen Details bestätigt, sie indes mit zurecht als abwegig gewerteten Angaben und Wertungen zu Gegengewalt und Einverständnis der Nebenklägerin verknüpft hat, hat sich das Landgericht von einer Beziehung des miteinander verlobten Paares zwischen Frühjahr und Herbst 2011 überzeugt, die – bei fortwährenden intensiven Sexualkontakten – geprägt war einerseits von häufigem demütigendem Verhalten und zahlreichen gewalttätigen Übergriffen des Angeklagten auf die Nebenklägerin , andererseits, gar bis zur Festnahme des Angeklagten auf ihre Anzeige hin, von deren ambivalentem Verhalten eines Festhaltens an der Beziehung und wiederholter Rückkehr zum Angeklagten. Auf dieser Grundlage ist auch unter Berücksichtigung einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation im Kernbereich der ausgeurteilten Vorwürfe die Überzeugung des Landgerichts von in dieser Zeit entsprechend der Anklage verübten jedenfalls drei – einmal anal, zweimal vaginal vollzogenen – konkreten Vergewaltigungen rechtlich nicht zu beanstanden.
3
Anders verhält es sich hinsichtlich der Schuldsprüche wegen vierer Verbrechen nach § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB. An vorsätzlicher Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit einer schlafenden Person fehlt es, wenn der Täter eine Einwilligung des schlafenden Sexualpartners angenommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2008 – 3 StR 198/08, BGHR StGB § 179 Abs. 1 Widerstandsunfähigkeit 11). Das Landgericht hat der Nebenklägerin über die ausgeurteilten Fälle hinaus insgesamt etwa 30 zwischen Juni und September 2011 geschehene Vorfälle vaginaler oder analer Penetration während ihres Schlafs abgenommen (UA S. 9, 23). Gleichwohl führte die Nebenklägerin, die eine eigene Wohnung hatte, das mit intensiven Sexual- kontakten einhergehende Liebesverhältnis immer weiter fort; sie begab sich dabei fortlaufend bewusst durch gemeinsames Zubettgehen in die nach ihren Angaben ungewünschte riskante Tatausgangssituation, ohne dass nähere Umstände festgestellt wären, wonach sie aus ihrer Sicht nicht mit einer Wiederholung ungewollten und als zermürbend empfundenen Missbrauchs durch den Angeklagten während ihres Schlafs hätte rechnen müssen. Selbst wenn gleichwohl objektiv mangelndes Einverständnis der Nebenklägerin prinzipiell feststellbar sein mag, hätte vor diesem Hintergrund die Möglichkeit mangelnder Vorstellung des Angeklagten vom fehlenden Einverständnis der Nebenklägerin im Rahmen der Beweiswürdigung zu diesen Fällen (UA S. 23) näherer Erörterung und Problematisierung bedurft. Bei der angenommenen Tatfrequenz sind von der Nebenklägerin bekundete wiederholte Unterlassensaufforderungen und auch die konkrete Feststellung zweier Ausfälligkeiten des Angeklagten nach solchen Vorfällen nicht als ausreichend anzusehen, um den Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich eines fehlenden Einverständnisses in den ausgeurteilten Fällen zu belegen.
4
Allein die Aufhebung der vier Schuldsprüche nach § 179 StGB zieht die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs nach sich, da der Senat nicht ausschließen kann, dass die weiteren Einzelstrafen unter Berücksichtigung einer insgesamt geringeren Tatschuld jeweils niedriger hätten ausfallen können. Der Aufhebung hiermit zusammenhängender Feststellungen bedarf es hingegen nicht. Somit wird dem neuen Tatgericht, namentlich zur Schonung der Nebenklägerin, eine Verfahrensweise nach § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich der aufgehobenen Schuldsprüche möglich sein.
Basdorf Sander Schneider Dölp Bellay

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind),
b)
die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes,
2.
es unternimmt, einer anderen Person einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
3.
einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder
4.
einen kinderpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder der Nummer 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.
Gibt der kinderpornographische Inhalt in den Fällen von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(4) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1 strafbar.

(5) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen:

1.
staatlichen Aufgaben,
2.
Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder
3.
dienstlichen oder beruflichen Pflichten.

(6) Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Satz 2 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn

1.
die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und
2.
die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(7) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder Absatz 3 bezieht, werden eingezogen. § 74a ist anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 5 5 / 1 5
vom
3. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. September 2015 gemäß
§ 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 22. Dezember 2014 wird
a) dieses im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des Sich-Verschaffens von kinderpornographischen Schriften in elf Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Sich-Verschaffen von jugendpornographischen Schriften, sowie des Sich-Verschaffens von jugendpornographischen Schriften in 15 Fällen schuldig ist;
b) der Vorwurf der „Änderung“ einerVideodatei mit jugendpornographischem Inhalt am 27. Februar 2013 (Fall A.I.30. der Urteilsgründe) von der Verfolgung ausgenommen;
c) dieses im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendschutzkammer tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in 24 Fällen und wegen Besitzes jugendpornographischer Schriften in 68 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet und ein vom Angeklagten genutztes – näher bezeichnetes – Laptop eingezogen.
2
Seine dagegen gerichtete, auf eine Verfahrensrüge und die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der Angeklagte war 1985 wegen verschiedener Sexualstraftaten zu einer mehrjährigen Gesamtfreiheitstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden. Nach Verbüßung der Freiheitsstrafe wurde seit 1988 die Maßregel vollzogen, bis der Vollzug durch eine auf Unverhältnismäßigkeit gestützte Erledigungserklärung am 19. November 2013 beendet wurde.
5
2. Die ersten hier verfahrensgegenständlichen Taten beging der Angeklagte in einer Lockerungsphase während laufenden Maßregelvollzugs. Er befand sich ab August 2012 in einer betreuten Einrichtung zum Zweck des Probewohnens. In dieser Zeit gelangte er in den Besitz eines Laptops, den er entgegen den Lockerungsbedingungen des Maßregelvollzugs der Vollzugseinrichtung nicht anzeigte. In dem Zeitraum zwischen dem 15. und dem 27. Februar 2013 verschaffte sich der Angeklagte 29 Bild- und drei Videodateien, die jeweils im Einzelnen festgestellte jugendpornographische Inhalte hatten (Fälle A.I. der Urteilsgründe). Die Dateien speicherte er auf der Festplatte des von ihm genutzten Laptops.
6
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten jeweils als Besitz jugendpornographischer Schriften gemäß § 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 2 StGB gewertet und ihn deshalb insoweit wegen 32 Fällen dieses Delikts schuldig gesprochen.
7
3. Nach der Beendigung des Maßregelvollzugs verschaffte sich der Angeklagte im Zeitraum zwischen dem 24. November 2013 und dem 23. März 2014 insgesamt 21 Bild- und drei Videodateien mit kinderpornographischen Abbildungen sowie sechs Bild- und 30 Videodateien mit jugendpornographischen Darstellungen, deren Inhalte das Tatgericht jeweils näher festgestellt hat. Die Dateien speicherte er auf verschiedenen Speichermedien, wie etwa der Festplatte eines Laptops aber auch auf externen Speichermedien wie USBSticks (Fälle A.II. der Urteilsgründe). Insoweit erfolgte eine Verurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 4 Satz 2 StGB) in 24 Fällen und wegen Besitzes jugendpornographischer Schriften (§ 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 2 StGB) in 36 Fällen.
8
4. Sachverständig beraten hat das Landgericht bei dem Angeklagten eine sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit vornehmlich schizoiden, selbstunsicheren und schizotypen Zügen festgestellt, die es als „schwere andere seelische Abartigkeit“ i.S.v. § 20 StGB gewertet hat. Aufgrund dieser Störungen sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei den Taten sicher erheblich beeinträchtigt, nicht jedoch aufgehoben gewesen.

II.


9
1. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 24. Juni 2015 zutreffend aufgezeigt hat, tragen die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zu den Tatgeschehen getroffenen Feststellungen deren rechtliche Bewertung durch das Landgericht nicht.
10
a) Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte sämtliche der verfahrensgegenständlichen Bild- und Videodateien durch Herunterladen und Speichern auf verschiedenen internen oder externen Speichermedien selbst verschafft und dadurch den Tatbestand von § 184b Abs. 4 Satz 1 bzw. § 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 1 StGB verwirklicht. Gegenüber dem Sich-Verschaffen gemäß § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB tritt der vom Landgericht dem Schuldspruch u.a. zugrunde gelegte Besitztatbestand gemäß § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB als subsidiärer Auffangtatbestand zurück (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2008 – 3 StR 215/08, NStZ 2009, 208; vom 4. August 2009 – 3 StR 174/09 Rn. 25, StV 2010, 294; vom 8. Februar 2012 – 4 StR 657/11 Rn. 3, StV 2012, 540). Für den in der tatbestandlichen Struktur und der Schutzrichtung weitgehend übereinstimmenden § 184c Abs. 4 Satz 1 StGB gilt im Verhältnis des Sich-Verschaffens (§ 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 1 StGB) zu dem Besitz (§ 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 2 StGB) jugendpornographischer Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB) nichts anderes. Der Angeklagte war daher jeweils wegen SichVerschaffens von kinder- bzw. jugendpornographischen Schriften zu verurteilen (zur Bezeichnung dieses verwirklichten Tatbestandes in der Entscheidungsformel siehe BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 – 4 StR 657/11 Rn. 4, StV 2012, 540).
11
b) Wegen des Wertungsfehlers bei der Bestimmung des verwirklichten Straftatbestandes tragen die Feststellungen auch die vom Landgericht angenommene Anzahl der Taten im materiell-rechtlichen Sinne nicht. Lädt der Täter im Verlaufe einer Internetsitzung jeweils mehrere Dateien mit kinderpornographischem Inhalt auf seinen Computer herunter, handelt es sich aufgrund natürlicher Handlungseinheit jeweils lediglich um eine Tat des Sich-Verschaffens im Sinne von § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 – 3StR 215/08, NStZ 2009, 208; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13 Rn. 14; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 4 StR 342/14 Rn. 8; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Juli 2014 – 2 StR 166/14 Rn. 4). Entsprechendes gilt für § 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 1 StGB.
12
Soweit das Landgericht – zudem bezogen auf den jeweiligen Besitztatbestand – die Annahme jeweils einzelner Taten pro Bild- bzw. Videodatei mit jeweils „gesonderten Tatentschlüssen“ begründen will (UA S. 3), wird diese Feststellung nicht tragfähig belegt. Aus den im Einzelnen mitgeteilten Daten der Erzeugung der entsprechenden Dateien ergibt sich, dass bei nahezu allen Sitzungen zwischen dem Herunterladen mehrerer Dateien jeweils lediglich Sekunden oder Minuten lagen. Das deutet nicht auf jeweils neue Tatentschlüsse hin. Weitere Umstände, auf die sich die entsprechende Feststellung des Land- gerichts stützen könnte, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Da sich weitere Feststellungen insoweit auch nicht treffen lassen werden, ist unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes von lediglich einer Tat des Sich-Verschaffens pro einheitlicher Internetsitzung auszugehen (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 4 StR 342/14 Rn. 8 mwN).
13
c) Auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen über die konkreten Erzeugungsdaten der fraglichen Dateien und der sich daraus ergebenden Anzahl der einzelnen einheitlichen Internetsitzungen hat der Senat den Schuldspruch nach Maßgabe der detaillierten Aufstellung in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts wie aus der Beschlussformel ersichtlich geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich weder im Hinblick auf die rechtliche Bewertung der Taten noch deren Anzahl erfolgreicher als geschehen verteidigen können.
14
2. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts hat der Senat den Vorwurf im Fall A.I.30. der Urteilsgründe gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Verfolgung ausgenommen. Das Landgericht hat insoweit – abweichend von den übrigen verfahrensgegenständlichen Fällen – lediglich ein Datum der Änderung (27. Februar 2013 – 17:46:34 Uhr) und nicht der Erzeugung der betroffenen Videodatei feststellen können (UA S. 5). Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem bereits ein Sich-Verschaffen im Sinne von § 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 1 StGB bezüglich einer verfahrensgegenständlichen Tat vorausgegangen ist. Eine weitere Aufklärung ist verfahrensökonomisch nicht veranlasst; eine für diesen Tatteil in Frage kommende Strafe fiele neben den für die sonstigen verfahrensgegenständlichen Taten zu verhängenden Strafen nicht beträchtlich ins Gewicht (§ 154a Abs. 1 Satz 1 StPO).

III.


15
1. Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
16
2. Im Hinblick auf die erhebliche Änderung der Anzahl der Anlasstaten hebt der Senat auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) auf.
17
a) Eine Unterbringung gemäß § 63 StGB darf lediglich dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustandes in der Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschluss vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f. mwN; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 63 Rn. 15 und 16 mwN). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist im Rahmen einer Gefährlichkeitsprognose auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu beurteilen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 28. Januar 2015 – 4 StR 514/14, NStZ-RR 2015, 169 f. mwN).
18
Für die Erwartung zukünftiger Straftaten, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens befürchten lassen, brauchen zwar die verfahrensgegenständlichen Anlasstaten selbst nicht erheblich zu sein (BGH, Beschluss vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f.). Die zu erwartenden Taten müssen aber, um schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen zu lassen, grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (BGH aaO sowie BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2008 – 2 StR 161/08; vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; vom 6. März 2013 – 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 jeweils mwN; siehe auch BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241). Erreichen die Anlasstaten ihrem Gewicht nach nicht einmal diesen Bereich, ist eine Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB nicht von vornherein ausgeschlossen; das Tatgericht muss in solchen Fällen allerdings die erforderliche Gefährlichkeitsprognose besonders sorgfältig darlegen (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschlüsse vom 6. März 2013 – 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 f.; vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f.). Dazu ist regelmäßig eine besonders eingehende Würdigung der Person des bzw. der Beschuldigten, vor allem der Krankheitsgeschichte sowie der Anlasstaten, notwendig (BGH jeweils aaO).
19
b) Wegen der vorstehend dargelegten Bedeutung der Anlasstaten im Rahmen der der Gefährlichkeitsprognose zugrunde liegenden Gesamtwürdigung bedarf es angesichts der gravierenden Änderung der Anzahl der Anlasstaten trotz des unveränderten Tatbildes unter den Verhältnissen des konkreten Einzelfalls einer Aufhebung auch des Maßregelausspruchs. Da die Anlasstaten selbst in der modifizierten rechtlichen Bewertung allenfalls knapp den Bereich der mittleren Kriminalität erreichen, muss dem neuen Tatrichter die Möglichkeit eröffnet werden, die in solchen Konstellationen erforderliche besonders umfassende und sorgfältige Gefährlichkeitsprognose eigenständig vornehmen zu können.
20
c) Das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen des § 63 StGB ist nach den zu den Tatgeschehen und zur Person des Angeklagten getroffenen Feststellungen auch nicht von vornherein ausgeschlossen.
21
aa) Soweit das sachverständig beratene Landgericht sicher eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) aufgrund einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ angenommen hat,die es auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (hier nach ICD-10: F61.9) und Pädophilie (ICD-10: F65.4) gestützt hat, wäre dies entgegen der Auffassung der Revision im rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar nicht jede Form sexueller Devianz, wie etwa Pädophilie, ohne weiteres das Eingangsmerkmal der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ ausfüllen. Die Störung kann aber im Einzelfall den Schwere- grad des Eingangsmerkmals erreichen; eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit kann insbesondere dann gegeben sein, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung der Praktiken auszeichnen (BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 – 4StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10 Rn. 4). Das kann bei dem Angeklagten in Betracht kommen.
22
bb) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 62 StGB) stünde einer Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ebenfalls nicht zwingend entgegen. Anders als der Generalbundesanwalt meint, kommt jedenfalls dem Umstand, dass der frühere Vollzug der 1985 angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB wegen Unverhältnismäßigkeit beendet worden ist, grundsätzlich keine unmittelbare Bedeutung für die Voraussetzungen der Unterbringung wegen der Begehung der jetzigen Anlasstaten zu. Ob die Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB im gegenständlichen Verfahren verhältnismäßig wäre, bestimmt sich nach der Bedeutung der jetzigen Anlasstaten sowie derjenigen der zu erwartenden Taten und dem von dem Täter ausgehenden Grad der Gefährlichkeit (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 62 Rn. 3 – 5). Bei der Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6 Satz 1 Var. 2 StGB wegen Un- verhältnismäßigkeit des (weiteren) Vollzugs einer angeordneten Maßregel kommt es als Abwägungsfaktor zwar auch auf Grad und Art der zukünftigen Gefährlichkeit des Untergebrachten an. Maßgebend ist im Rahmen der Erledigungserklärung gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 Var. 2 StGB jedoch vor allem, dass bei langandauernden Unterbringungen der Freiheitsanspruch des Untergebrachten zunehmendes Gewicht erhält (siehe etwa BVerfGE 70, 297, 315; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 19. November2012 – 2 BvR 193/12, StV 2014, 148, 150 sowie Veh in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 2, § 67d Rn. 21 mwN). Gerade dieser Aspekt ist für die Verhältnismäßigkeit der erneuten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen neuer Anlasstaten dagegen nicht von Bedeutung.
23
3. Der Senat hebt auch die an sich rechtsfehlerfreie Einziehungsentscheidung auf. Wird dem Angeklagten im Wege der Einziehung ein werthaltiger Gegenstand entzogen, ist dies regelmäßig für die Strafzumessung und im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller den Angeklagten treffenden Rechtsfolgen von Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 3 StR 470/11, NStZ-RR 2012, 169 mwN). Die Aufhebung der Einziehungsentscheidung gestattet dem neuen Tatrichter eine solche Gesamtbetrachtung sämtlicher in Frage kommenden Rechtsfolgen.
24
4. Um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu sämtlichen Voraussetzungen des § 63 StGB zu ermöglichen, hebt der Senat die Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Wegen der Doppelrelevanz erfasst dies die Feststellungen zur eingeschränkten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) als Strafzumessungsgesichtspunkt für die Anlasstaten ebenfalls. Wegen der Verknüpfung der Strafzumessung mit der Einziehung von Tatmitteln war die Aufhebung auch auf die die Einziehungsentscheidung betreffenden Feststellungen zu beziehen.
25
5. Angesichts der Aufhebung der Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch aufgrund der Sachrüge kommt es auf die erhobene Verfahrensrüge nicht mehr an. Diese betraf allein die Frage der verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten.

IV.


26
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
27
Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) steht bei der Neufestsetzung der Einzelstrafen für die geringere Anzahl von materiellrechtlichen Taten einer Erhöhung der höchsten im ersten Rechtsgang für die Taten verhängten Einzelstrafen nicht entgegen. Allerdings darf die Summe der neuen Einzelstrafen ebenso wenig zum Nachteil des Angeklagten verändert werden, wie die neu zu bestimmende Gesamtstrafe (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 4 StR 342/14 Rn. 13 mwN).
Vorsitzender Richter am Richter am BundesgerichtsBundesgerichtshof Dr. Raum hof Prof. Dr. Graf ist wegen ist wegen Urlaubsabwesenheit Urlaubsabwesenheit an der an der Unterschrift gehindert. Unterschrift gehindert. Rothfuß Rothfuß Rothfuß Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 5/16
vom
28. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:280616U1STR5.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Juni 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 18. September 2015 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Auf die Revision des Angeklagten wird das oben genannte Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben , soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den jugendlichen Angeklagten wegen Verschaffens des Besitzes von kinderpornographischen Schriften in Tatmehrheit mit drei sachlich zusammentreffenden Fällen des Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Von weiteren Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, des Verschaffens des Besitzes von kinderpornographischen Schriften und des Besitzes kinderpornographischer Schriften hat es den Angeklagten aus „tatsächlichen Gründen“ freigesprochen.
2
Die auf die Verletzung materiellen Rechts und einer Verfahrensbeanstandung gestützte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten wendet sich gegen den Teilfreispruch und die Nichtanordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionen haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

A.


3
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der im September 1998 geborene Angeklagte zeigte bereits im Vorschulalter Verhaltensauffälligkeiten, die psychiatrische Interventionen nach sich zogen. Nach ambulanten und teilstationären Behandlungen erfolgte im Jahre 2006 eine mehrmonatige stationäre Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik. Anschließend war der Angeklagte bis Juni 2012 stationär in einer intensivtherapeutischen Gruppe untergebracht. Nachdem sich bereits im Jahre 2006 sexualisierende Verhaltensweisen gezeigt hatten, verstärkten sich diese in der Folge immer mehr. Im Alter von neun Jahren kam es zu ersten sexuellen Handlungen mit anderen in der Einrichtung untergebrachten Kindern; deren Frequenz steigerte sich im Laufe des nächsten Jahres dahin, dass der Angeklagte fast täglich sexuellen Verkehr mit anderen Kindern hatte. Daneben fiel der Angeklagte während des Heimaufenthalts durch Diebstähle und Brandlegungen auf.
5
Im Anschluss an die Heimunterbringung lebte der Angeklagte überwiegend zu Hause, unterbrochen von Zeiten der Unterbringung in psychiatrischen Kliniken. Versuche, den Angeklagten in einem Heim unterzubringen, scheiterten an dessen Verhaltensauffälligkeiten. Die Familie bekam aber während des Aufenthalts des Angeklagten eine intensiv-sozialpädagogische Einzelbetreuung. In dieser Zeit kam es zu massiven Bedrohungen gegenüber Lehrern. Der Betreuer übergab am 5. März 2013 der Polizei ein Notebook „Toshiba“ des Angeklagten , auf dem sich von diesem heruntergeladene Bilder befanden, die sexuelle Handlungen zwischen Kindern zum Gegenstand hatten. Dennoch beschaffte sich der Angeklagte immer wieder neue Computer und lud kinderpornographische Bilder aus dem Internet herunter. Infolge der Sicherstellung des Notebooks war der Angeklagte jedoch so weit nachgereift, dass er bei der Begehung der folgenden Taten verantwortlich im Sinne des § 3 Satz 1 JGG war:
6
a) Am 28. Mai 2013 übermittelte der Angeklagte aufgrund einheitlichen Tatentschlusses innerhalb von elf Minuten drei E-Mails an L. , denen insgesamt neun kinderpornographische Fotos angehängt waren.
7
b) Am Folgetag wurden im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung bei dem Angeklagten ein Computer „Dell 62“ und ein USB-Stick „Sandisk“ sichergestellt , auf denen sich – wie der Angeklagte wusste – zwölf kinderpornographische Fotos befanden.
8
c) Am 22. Juli 2014 übergab die Mutter des Angeklagten der Polizei des- sen Computer „Dell 65“ und einen USB-Stick „16 GB“. Hierauf befanden sich 21 kinderpornographische Fotos.
9
d) Am 12. August 2014 wurde im Rahmen einer weiteren Wohnungs- durchsuchung ein Computer „Fujitsu“ des Angeklagten sichergestellt, auf dem sich – wie er ebenfalls wusste – mindestens 21 kinderpornographische Bilder befanden.
10
2. Das sachverständig beratene Landgericht ist vom Vorliegen einer Autismus -Spektrum-Störung in Kombination mit einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens sowie einer psycho-sexuellen Entwicklungsstörung ausgegangen. Diese Störung erfülle im Hinblick auf den langandauernden Verlauf und den klinischen Schweregrad das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit. Die Einsichtsfähigkeit sei hiervon jedoch nicht berührt, vielmehr sei von einer erheblich eingeschränkten Fähigkeit des Angeklagten zur Impulskontrolle mit mangelnden Hemmungsmechanismen und einer nicht angemessenen Reife der Impulskontrolle auszugehen, was „im Tatzeitraum“ zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit geführt habe.
11
3. Die Voraussetzungen einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat das Landgericht mit der Begründung abge- lehnt, dass keine „hands-on-Delikte“ als Verurteilungsgrundlage verwertbar ge- wesen und die verbleibenden Anlasstaten nicht ausreichend erheblich seien. Zudem seien künftig keine Taten mehr zum Nachteil von Kindern zu erwarten, da der Angeklagte seine Interessen auf etwa gleichaltrige Sexualpartner verlagere.
12
II. 1. Aufgrund der unverändert zugelassenen Anklageschrift lagen dem Angeklagten darüber hinaus die folgenden Taten zur Last:
13
Am 30. Oktober 2012 habe er M. wissentlich ein kinderpornographisches Bild per E-Mail übermittelt (Ziffer 1. der Anklageschrift).
14
Der Angeklagte habe im Oktober 2012 in einem Aufzug eines Feuerwehrhauses an dem am 4. Januar 2000 geborenen Geschädigten H. Oralverkehr vollzogen (Ziffer 2.1 der Anklageschrift).
15
Ebenfalls im Oktober 2012 habe er an H. in einem Waldstück bei der Schule in zwei Fällen Oralverkehr teilweise bis zum Samenerguss vollzogen (Ziffer 2.2 der Anklageschrift).
16
Wiederum im Oktober 2012 habe er an H. im elterlichen Badezimmer oralen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss ausgeführt (Ziffer 2.3 der Anklageschrift).
17
Darüber hinaus habe der Angeklagte am 16. Februar 2013 an den Zeugen B. per E-Mail 25 kinderpornographische Bilder übermittelt (Ziffer 3. der Anklageschrift).
18
Am 5. März 2013 habe der Betreuer des Angeklagten dessen Notebook der Polizei übergeben, auf welchem sich – wie der Angeklagte wusste – 40 von ihm aus dem Internet heruntergeladene kinderpornographische Bilder befanden (Ziffer 4. der Anklageschrift).
19
2. Das Landgericht hat das diesen Anklagevorwürfen zugrunde liegende tatsächliche Geschehen im Wesentlichen entsprechend dem Anklagevorwurf festgestellt, dabei aber für die Anklagevorwürfe zu 2.2 und 2.3 als Tatzeitpunkt März bzw. April 2013 für möglich erachtet. Jedenfalls aber hat es sich nicht da- von überzeugen können, dass der Angeklagte zu diesen Tatzeitpunkten gemäß § 3 JGG reif genug war, das Unrecht der vorgenannten Taten einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

B.

Revision der Staatsanwaltschaft
20
I. Verfahrensrüge
21
Die von der Staatsanwaltschaft erhobene Aufklärungsrüge, mit der die ungenügende Ausschöpfung des psychiatrischen Sachverständigen in der Hauptverhandlung gerügt wird, erweist sich bereits als unzulässig.
22
1. Dies gilt schon deswegen, weil Inhalt und Ergebnis der den Sachverständigen betreffenden Beweisaufnahme nicht mit den Mitteln des Revisionsrechts feststellbar sind (vgl. hierzu nur BGH, Urteil vom 3. Juli 1962 – 1 StR 157/62, BGHSt 17, 351, 352 f.; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 364 mwN). Ein Beweis für die Richtigkeit der Behauptung, der Sachverständige sei zur sittlichen und geistigen Reife des Angeklagten bei den Taten nicht gehört worden, ergibt sich aus den Urteilsgründen entgegen der Ansicht der Revisionsführerin nicht mit der erforderlichen Klarheit. Auch soweit es in den Urteilsgründen heißt, dass die vom Sachverständigen beurteilte – und bejahte – Einsichtsfähigkeit diejenige im Sinne des § 21 StGB betreffe und getrennt von der altersentwicklungsbedingten – von der Strafkammer verneinten – Einsichtsfähigkeit zu sehen sei, belegt dies nicht den Inhalt der Vernehmung des Sachverständigen. Vielmehr kann diese Ausführung auch allein der Erklärung geschuldet sein, wieso die sachverständigen Ausführungen zu den Voraussetzungen des § 21 StGB nicht im Widerspruch zu dem Ergebnis der Prü- fung des § 3 Satz 1 JGG stehen, ohne dass es einen tragfähigen Schluss auf den Inhalt der Beweisaufnahme gestattet.
23
2. Zudem sind aber auch die Vortragserfordernisse gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht eingehalten. Denn die Revisionsführerin unterlässt es, das vorbereitende schriftliche Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen vollständig vorzutragen. Allein anhand der aus dem Zusammenhang gerissenen einzelnen Auszüge aus dem Gutachten kann der Senat nicht beurteilen, ob sich das Landgericht angesichts des vorbereitenden Gutachtens zur Vernehmung des Sachverständigen zu den Voraussetzungen des § 3 Satz 1 JGG hätte gedrängt sehen müssen.
24
II. Sachrüge
25
1. Der Teilfreispruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Soweit das Landgericht die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten nach § 3 Satz 1 JGG insoweit nicht feststellen konnte, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
26
a) Nach § 3 Satz 1 JGG ist ein Jugendlicher strafrechtlich verantwortlich, wenn positiv feststeht, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug gewesen ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Ob die erforderliche Verantwortungsreife gegeben ist, hat der Tatrichter auf der Grundlage seiner Feststellungen zur persönlichen Entwicklung des Jugendlichen, zu dessen Persönlichkeit zur Tatzeit und den Umständen der konkreten Tat – gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe (vgl. § 43 Abs. 2 JGG) – wertend zu beurteilen. Kann die nach § 3 Satz 1 JGG erforderliche Einsichts- und Handlungsreife nicht sicher festgestellt werden , scheidet ein Schuldspruch aus (vgl. BGH, Urteile vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 271/12, NStZ 2013, 286 und vom 3. Februar 2005 – 4 StR 492/04, ZJJ 2005, 205 mit Anm. Ostendorf; Eisenberg, JGG, 18. Aufl., § 3 Rn. 4; Münch KommStGB/Altenhain/Laue, 2. Aufl., § 3 JGG Rn. 5).
27
b) Das Landgericht hat diesen Maßstab zugrunde gelegt. Dementsprechend ist es zutreffend davon ausgegangen, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 JGG für jede Tat gesondert zu prüfen ist und von mehreren Einzelfaktoren abhängig sein kann. Hervorgehoben hat es das Alter des Täters, die Tatumstände und bisherige erzieherische Beeinträchtigungen, insbesondere durch die Heimunterbringung.
28
Hinsichtlich der Reife für die auf kinderpornographische Schriften bezogenen Taten hat es den schon früh begonnenen und häufigen sexuellen Kontakten des Angeklagten mit anderen Kindern während seines Heimaufenthalts ausschlaggebende Bedeutung zugemessen. Dieser habe mit den pornographischen Bildern auf seinem Computer Darstellungen von genau dem besessen, was er seit seinem neunten Lebensjahr selbst erlebt habe und für ihn „normaler“ Alltag gewesen sei. Die Sozialisation sowie die geistige und sittliche Ent- wicklung des Angeklagten seien unter dem Eindruck frühzeitiger sexueller Kontakte mit anderen Kindern erfolgt. Dieser Eindruck habe nach der Rückkehr in das Elternhaus fortgewirkt. Erst durch die Übergabe des Notebooks am 5. März 2013 sei er dahingehend nachgereift, dass er begriffen habe, der Besitz kinderpornographischer Bilder sei verboten.
29
Für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 3 JGG hinsichtlich der sexuellen Handlungen mit H. hat das Landgericht an diese Überlegungen angeknüpft und einen Reifeprozess nach der Heimentlassung bis zu diesen Taten, auch wenn sie im März oder April 2014 stattgefunden haben sollten , nicht erkennen können. Hierzu hat es ausgeführt, dass der Angeklagte mit der ersten sexuellen Handlung an H. – nur vier Monate nach der Heimentlassung und einen Monat nach dem 14. Geburtstag des Angeklagten – das zuvor im Heim erlebte Verhalten fortgesetzt habe. Es habe sich zudem um Ausdruck von Zuneigung gehandelt. Ein Anlass in der Lebensgeschichte, der ihm verdeutlicht hätte, dass diese Handlungen verboten sind, sei nicht ersichtlich. Für die beiden später gelagerten sexuellen Handlungen komme hinzu, dass der Geschädigte die sexuellen Handlungen zugelassen habe oder die Initiative von ihm ausgegangen sei, so dass sein Verhalten keinen Beitrag zu der Erkenntnisreife des Angeklagten geliefert habe, Verbotenes zu tun. Ein äußerer Anlass für einen Reifeprozess bis zu diesen weiteren sexuellen Kontakten liege nicht vor.
30
c) Diese Ausführungen zeigen keine Rechtsfehler auf. Sie gehen von einem zutreffenden Maßstab aus und sind insbesondere nicht lückenhaft. Das Landgericht hat alle Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in seine Überlegungen einbezogen und dabei nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 2. April 2015 – 3 StR 635/14). Hierbei durfte es den Tatumständen, wonach die sexuellen Handlungen Ausdruck von Zuneigung waren und die Initiative auch vom Geschädigten ausging, im Rahmen der Gesamtwürdigung Bedeutung zumessen. Es ist auch nicht zu befürchten, dass das Landgericht die langjährigen therapeutischen Interventionen vor dem Hintergrund der schon früh aufgetretenen sexualisierten Verhaltensauffälligkeiten des Angeklagten aus dem Blick verloren haben könnte. Dem steht schon entgegen, dass es sich ausdrücklich mit den Erlebnissen des Angeklagten während der Heimunterbringung auseinandergesetzt hat. Dass es hieraus Schlüsse gezogen hat, die die Revisionsführerin als lebensfremd erachtet, zeigt noch keine Lückenhaftigkeit auf, sondern ist Gegenstand der dem Tatgericht obliegenden Würdigung, die vom Revisionsgericht auch dann hinzunehmen ist, wenn eine andere Bewertung möglich gewesen wäre. Das Landgericht hat ausweislich der Urteilsgründe geprüft, ob es einen Anlass gegeben hat, der dem Angeklagten das Verbotensein seiner Handlungen verdeutlicht hätte, dies unter Berücksichtigung auch der langjährigen therapeutischen Bemühungen aber verneint. Das Urteil enthält keine Umstände, die diesem tatgerichtlichen Schluss den Boden entziehen. Zwar ist festgestellt, dass die Initiative zu den sexuellen Handlungen während der Heimunterbringung meist vom Angeklagten ausging. Hieraus hätte aber entgegen der Ansicht der Revisionsführerin nicht der Schluss gezogen werden müssen, dem Angeklagten – immerhin war er während dieser Zeit im Heim unter 14 Jahren, mithin strafunmündig – sei das Verbotensein solcher Handlungen vermittelt worden und dies habe in ihm die nach § 3 JGG erforderliche Reife geweckt.
31
2. Jedoch hält die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Gefährlichkeitsprognose weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
32
a) Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt allerdings nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, also solche, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2014 – 4 StR 111/14, NStZ 2014, 571 und vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 34; Urteil vom 28. Oktober 2015 – 1 StR 142/15, NStZ-RR 2016, 40). Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2015 – 4 StR 514/14, NStZ-RR 2015,169; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27).
33
b) Diesen Anforderungen werden die Erwägungen des Landgerichts nicht gerecht.
34
aa) Indem es für die Ablehnung der Maßregel darauf abstellt, die abgeurteilten Anlasstaten seien nicht ausreichend erheblich, lässt dies die Anwendung eines unzutreffenden Maßstabs besorgen. Denn die Anlasstaten selbst müssen nicht erheblich sein (BGH, Urteile vom 15. August 2013 – 4 StR 179/13 und vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341). Maßgeblich ist vielmehr, welche Taten künftig von dem Täter infolge seines Zustands zu erwarten und ob diese erheblich sind. Bei Abweichungen vom Schweregrad der Anlasstaten ist aber eine besonders sorgfältige Darlegung der Gefährlichkeitsprognose erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 2013 – 5 StR 120/13, BGHSt 58, 242; Urteile vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240 und vom 23. Januar 1986 – 4 StR 620/85, NStZ 1986, 237).
35
bb) Durch den unzutreffenden Maßstab verfehlt das Landgericht auch die Anforderungen an die Prognose zukünftigen delinquenten Verhaltens. So wurde eine die Krankheits- und Delinquenzgeschichte des Angeklagten in den Blick nehmende Gesamtwürdigung nicht erkennbar vorgenommen. Dabei hätten die rechtswidrigen Taten zulasten von H. Berücksichtigung finden müssen, auch wenn es den Angeklagten insoweit aus rechtlichen Gründen freigesprochen hat. Denn maßgeblich für die Beurteilung krankheitsbedingter Gefährlichkeit sind in erster Linie zu Tage getretene tatsächliche Verhaltens- weisen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2014 – 1 StR 116/14). Zudem hätte in den Blick genommen werden müssen, dass der Angeklagte im zwar noch strafunmündigen Alter mit Brandlegungen und später mit „massiven“ Bedrohungen aufgefallen ist. Eine Auseinandersetzung damit, inwieweit die in diesem Verhalten zum Ausdruck gekommene Gefährlichkeit auch unter Berücksichtigung der festgestellten Nachreifung noch fortwirkt, fehlt jedoch.
36
Allein der Hinweis auf eine Interessenverlagerung des Angeklagten auf etwa gleichartige Sexualpartner vermag diese Würdigung nicht zu ersetzen. Dies gilt schon allein deswegen, weil eine Interessenverlagerung des Angeklagten nicht belegt ist. Vielmehr ist ein gewisses Spannungsverhältnis zu den Feststellungen im Übrigen auszumachen, wonach der Angeklagte noch im August 2014 kinderpornographisches Material besessen und sich in der Folge überwiegend nicht auf freiem Fuß befunden hat.
37
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer am zutreffenden Maßstab orientierten Gefährlichkeitsprognose auch unter Berücksichtigung der Nachreifung des Angeklagten die Voraussetzungen des § 63 StGB festgestellt hätte.
38
3. Die Beschränkung der Revision der Staatsanwaltschaft erweist sich danach als unzulässig. Die Aufhebung des Absehens von der Maßregel nach § 63 StGB zieht die Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs nach sich. Denn gemäß § 5 Abs. 3 JGG ist über die Verhängung von Jugendstrafe und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur aufgrund einheitlicher Betrachtung zu entscheiden (dazu BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 – 2 StR 135/07), so dass auch die verhängte Jugendstrafe keinen Bestand haben kann.

C.

Revision des Angeklagten
39
Auf die Revision des Angeklagten kann die Verurteilung wegen des Verschaffens des Besitzes von kinderpornographischen Schriften in Tatmehrheit mit drei Fällen des Besitzes kinderpornographischer Schriften keinen Bestand haben.
40
Das Landgericht hat zum Inhalt der kinderpornographischen Schriften keinerlei Feststellungen getroffen, sondern lediglich unter Wiedergabe des Gesetzeswortlauts ausgeführt, dass es sich um kinderpornographische Fotos gehandelt habe, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben und ausschließlich reale sexuelle Handlungen von oder an Kindern zum Gegenstand haben. Das Urteil enthält – wegen der Einzelheiten – auch keine Bezugnahme auf bei den Akten befindliche Abbildungen (vgl. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO), so dass dem Revisionsgericht die Überprüfung des Schuldspruchs verwehrt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2007 – 2 StR 279/07).

D.


41
1. Das nun zuständige Tatgericht wird zunächst zu prüfen haben, ob es sich erneut vom Vorliegen strafbarer, mithin im Zustand der gemäß § 3 JGG erforderlichen Reife begangener Besitz- bzw. Besitzverschaffungshandlungen überzeugen kann. Dabei kann die durch das Gesetz vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10, 12) neu gefasste Vorschrift des § 184b StGB nach Maßgabe des § 2 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007, 3009), geändert durch Gesetz vom 31. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2149, 2150), Anwendung finden. Für die konkurrenzrechtliche Beurteilung wird zu beachten sein, ob die den einzelnen Taten zugeordneten Bilder aufgrund eines neuen Tatentschlusses auf die sukzessive sichergestellten Speichermedien gelangt sind (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 – 3 StR 215/08, NStZ 2009, 208).
42
2. Sollten strafbare Besitz- bzw. Besitzverschaffungstaten festgestellt werden, wären die Voraussetzungen des § 63 StGB bezogen auf diese Anlasstaten zu prüfen. Der Senat braucht daher hier nicht zu entscheiden, ob er der Ansicht folgen könnte, beim Zusammentreffen entwicklungsbedingter und psychopathologischer Zustände, die einerseits eine fehlende Verantwortlichkeit nach § 3 JGG, andererseits einen Zustand im Sinne des § 21 StGB begründen, sei die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB anzuordnen, soweit deren Voraussetzungen vorliegen (BGH, Urteil vom 29. Januar 1975 – 2 StR 579/74, BGHSt 26, 67; Thüringer OLG, Beschluss vom 29. Januar 2007 – 1 Ws 16/07, NStZ-RR 2007, 217; a.A. OLG Karlsruhe, Urteil vom 17. Februar 2000 – 2 Ss 225/99, Die Justiz 2000, 151 [zum Verhältnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 StGB]; Renzikowski, NJW 1990, 2905, 2910 Fn. 67; Übersicht zum Meinungsstand bei Eisenberg, aaO § 3 Rn. 35 ff.).
43
3. Sollte sich, was nahe liegt, auf dieser Grundlage erneut ergeben, dass der Angeklagte bei der Begehung dieser Taten aufgrund eines andauernden psychischen Defekts vermindert schuldfähig war und die Begehung dieser Taten auf dem angenommenen Defekt beruhten, wird eine umfassende Gefährlichkeitsprognose entsprechend der oben aufgezeigten Maßgaben erforderlich. Dabei hat das neue Tatgericht aber Feststellungen dazu zu treffen, ob der An- geklagte die Taten, für die er für nicht verantwortlich erachtet worden ist, begangen hat. Ein Rückgriff auf die Feststellungen des den Angeklagten freisprechenden Urteilsteils ist dem Gericht verwehrt, da der Angeklagte sich gegen die darin getroffenen Feststellungen nicht wehren konnte (vgl. hierzu zuletzt BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 56/15, NJW 2016, 728). Sollte es dann im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose erneut delinquente Verhaltensweisen im strafunmündigen Zustand zu würdigen haben, wird es insbesondere in den Blick zu nehmen haben, wie sich eine gegebenenfalls eingetretene Nachreifung auswirkt.
44
Im Hinblick auf eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB wird darüber hinaus infolge der Ziele eines Strafverfahrens gegen Jugendliche (Schutz, Förderung und Integration des Jugendlichen) stets besonders eingehend zu prüfen sein, ob die Maßregel erforderlich ist oder weniger einschneidende Maßnahmen ausreichen (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 1991 – 4 StR 89/91, BGHSt 37, 373).
45
4. Für die gegebenenfalls erforderliche Strafzumessungsentscheidung weist der Senat auf die vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend aufgezeigten Begründungserfordernisse für die Bemessung von Jugendstrafe hin. Raum Graf Cirener Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 215/08
vom
10. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Juli 2008 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 27. Februar 2008 wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in den Fällen II. 2. und 3. der Urteilsgründe des Sich-Verschaffens kinderpornographischer Schriften schuldig ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in einem Fall sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Sie führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs wegen des Umgangs mit kinderpornographischen Schriften.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts betrachtete der Angeklagte im Juni 2007 kinderpornographische Seiten im Internet. Dabei wurden ohne sein Zutun aber mit seinem Wissen entsprechende Bilddateien auf der Festplatte seines Computers gespeichert. Einen Monat später lud er zwei Videodateien, die ebenfalls den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern darstellten, aus dem Internet auf seinen Computer herunter. Der Vorgang blieb unvollständig, die Filme konnten jedoch abgespielt werden.
3
Damit hat sich der Angeklagte in zwei Fällen kinderpornographische Schriften, die ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, verschafft (§ 184 b Abs. 4 Satz 1 StGB). Soweit der Angeklagte dabei im Verlauf einer Internetsitzung jeweils mehrere Dateien auf seinen Computer heruntergeladen hat, liegt jeweils nur eine Tat im Rechtssinn vor. Die zeitlich deutlich auseinander liegenden , jeweils auf Grund eines gesonderten Tatentschlusses erfolgten Beschaffungsvorgänge stehen dagegen zueinander in Tatmehrheit.
4
Eine - vom Landgericht angenommene - Strafbarkeit wegen Besitzes dieser Schriften (§ 184 b Abs. 4 Satz 2 StGB) kommt hingegen hier nicht in Betracht. Beim Besitz handelt es sich um einen Auffangtatbestand. Er folgt zwar zwangsläufig dem Sich-Verschaffen von Schriften - d. h. der erfolgreichen Begehungsform des Unternehmensdelikts gemäß § 184 b Abs. 4 Satz 1 StGB - nach. Die Besitzverschaffung ist am illegalen Markt der Kinderpornographie jedoch das gefährdungsintensivere Delikt. Der Besitz der Schriften tritt deshalb hinter ihr zurück (Hörnle in MünchKomm-StGB § 184 b Rdn. 35). Diese Betrachtung entspricht derjenigen im Betäubungsmittelstrafrecht. Auch dort ist der Besitz Auffangtatbestand. Eine Bestrafung kann nur erfolgen, wenn andere umfassendere Formen des strafbaren Umgangs mit Betäubungsmitteln nicht nachgewiesen werden können (vgl. Weber, BtMG 2. Aufl. § 29 Rdn. 801, 897 m. w. N.).
5
Dies hat Auswirkungen auf die Beurteilung der Konkurrenz zwischen den beiden Taten des Sich-Verschaffens: Verschafft sich der Täter durch mehrere Handlungen jeweils den Besitz kinderpornographischer Bilddateien und speichert diese auf demselben Computer ab, so ist das subsidiäre Delikt des Besitzes nicht in der Lage, diese selbständigen Verschaffungstaten miteinander zu einer Tat zu verklammern (im Ergebnis ebenso BayObLG NJW 2003, 839, 840, das allerdings Tateinheit von Besitz und Sich-Verschaffen hinsichtlich der jeweils durch eine Handlung verschafften Dateien annimmt).
6
Soweit der Senat in seiner Entscheidung NStZ 2005, 444 ausgesprochen hat, eine Mehrzahl von Beschaffungs- und anschließenden Weitergabehandlungen werde durch den sie verbindenden Besitz der kinderpornographischen Dateien zu einer einheitlichen Straftat verklammert, gilt Folgendes: Eine Klammerwirkung des Besitzes hinsichtlich einer Datei bezüglich des vorangehenden Sich-Verschaffens und des anschließenden Dritt-Verschaffens kommt seit der Änderung der Rechtslage (Gesetz vom 27. Dezember 2003 [BGBI I S. 3007] mit Wirkung vom 1. April 2004) nicht mehr in Betracht, da die angedrohte Strafobergrenze für das Dritt-Verschaffen in § 184 b Abs. 2 StGB auf fünf Jahre angehoben worden ist (so auch Hörnle aaO; Lenckner/Perron/Eisele in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 184 b Rdn. 19). Für die Annahme von Tateinheit mehrerer Taten des Sich-Verschaffens durch einen sich anschließenden einheitlichen Besitz der verschiedenen kinderpornographischen Dateien im Wege der Klammerwirkung ist kein Raum mehr, wenn - wie es der Senat in Anlehnung an die betäubungsmittelrechtliche Betrachtung des Besitzes nunmehr tut - der Besitz nur noch als subsidiär angesehen wird.
7
Der Senat hat den Schuldspruch geändert. Der Rechtsfolgenausspruch bleibt davon unberührt.
Becker Miebach Pfister von Lienen Sost-Scheible

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 558/15
vom
21. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:210916U2STR558.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. September 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng,
Erster Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 27. August 2015 im Fall 2 der Urteilsgründe aufgehoben und der Angeklagte insoweit freigesprochen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Soweit der Angeklagte freigesprochen wurde, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen. Im Übrigen trägt der Angeklagte die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Widerstandsunfähigen, sowie wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornografischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung in den Fällen 2, 3 und 4 der Ur- teilsgründe sowie gegen die Einzelstrafaussprüche und die verhängte Gesamtstrafe. Sein Rechtsmittel hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die zur Tatzeit 13jährige D. mit der Tochter des Angeklagten befreundet. Sie fuhr mehrfach mit der Familie des Angeklagten in den Urlaub, so auch in den Osterferien 2007. Dabei umfasste der Angeklagte während eines gemeinsamen Schwimmbadbesuchs in sexuell motivierter Absicht mit seiner linken Hand die mit einem Badeanzug bekleidete linke Brust des Mädchens und drückte zu (Fall 1).
3
Im Sommerurlaub 2007 äußerte sich der Angeklagte der Geschädigten gegenüber wiederholt dahin, dass sie den Körper einer Frau habe und sich gar nicht bewusst sei, welche Reize sie aussende. Dabei fasste er ihr ans Gesäß oder an die Brust. Als das Mädchen daraufhin ihren Vater anrief und vergeblich darum bat, abgeholt zu werden, bestand der Angeklagte auf einer „Versöh- nung“, wobei die Geschädigte sich auf seinen Schoß setzen musste. Bei einem nachfolgenden Schwimmbadbesuch umarmte der nur mit einer Badehose bekleidete Angeklagte die mit einem Bikini bekleidete Geschädigte, um sich durch den dadurch entstehenden Kontakt sexuell zu erregen. Er umfasste ihre Taille und zog sie so nah an sich, „dass entsprechend seiner Absicht direkter Kontakt zwischen ihren unbekleideten und bekleideten Körperpartien zu seinen nackten Oberschenkeln und seinem nackten Oberkörper und insbesondere an ihrem Unterleib der unmittelbare und deutlich spürbare Kontakt zu seinem Penis ent- stand“ (Fall 2).
4
In den Osterferien 2008 fuhr die zur Tatzeit 13 Jahre alte S. , die ebenfalls mit der Tochter des Angeklagten befreundet war, mit der Familie des Angeklagten in den Skiurlaub. Während eines gemeinsamen Schwimmbadbesuchs griff der Angeklagte in sexuell motivierter Absicht von hinten in die Badehose des Mädchens und berührte ihr nacktes Gesäß. Zur Intensivierung der Berührung hob er sie, ihr nacktes Gesäß umfassend, in die Höhe (Fall 3).
5
Bei einer weiteren Gelegenheit während des Osterurlaubs trat der Angeklagte in der Nacht an das schlafende Mädchen heran, führte seine Hand unterhalb des Hosenbeins in ihre Schlafanzughose ein und streichelte ihr nacktes Gesäß. Als die Geschädigte erwachte, veränderte sie – während der Angeklagte sie weiterhin am Gesäß streichelte – scheinbar schlafend die Körperposition, so dass der Angeklagte von ihr abließ (Fall 4).
6
Nach diesen Vorfällen wollte die Geschädigte nicht mehr mit der Familie des Angeklagten in Urlaub fahren. Sie erzählte ihrer Mutter von den Vorfällen, die ihr jedoch – nach einem Gespräch mit dem Angeklagten – nicht glaubte. Auf Druck ihrer Mutter fuhr sie schließlich mit der Familie des Angeklagten auch in den Sommerurlaub 2008. Bei mindestens einer Gelegenheit, als sichS. und die Tochter des Angeklagten nach der Rückkehr vom Strand ihre Badekleidung ausgezogen hatten, bestand der Angeklagte darauf, die unbekleidete Geschädigte am ganzen Körper, namentlich an der Brust und am Gesäß einzucremen und Insektenschutzmittel aufzutragen (Fall 5).
7
Bei einer weiteren Gelegenheit fasste der Angeklagte während eines Schwimmbadbesuchs in sexuell motivierter Absicht mit seiner rechten Hand in die Bikinihose der Geschädigten, wobei er ihre Scheide berührte (Fall 6).
8
Der Angeklagte besaß am 29. November 2011 und davor in nicht rechtsverjährter Zeit zahlreiche Bilddateien und Videos. Darauf waren sexuelle Handlungen von Erwachsenen mit Kindern und Jugendlichen und zwischen Kindern und Jugendlichen untereinander zu sehen, insbesondere Geschlechts-, Oralund Analverkehr von erwachsenen Männern mit Kindern, die gegenseitige Manipulation an Geschlechtsteilen von Kindern und Jugendlichen untereinander, der Oralverkehr von Kindern untereinander sowie das Einführen eines Dildos und eines Fingers in die Scheide eines Kindes (Fall 7).
9
2. Der Angeklagte hat die sexuell motivierten Übergriffe zu Lasten der beiden Geschädigten anlässlich der gemeinsamen Urlaube und den ihm im Fall 7 zur Last gelegten Besitz eingeräumt.

II.

10
Auf die Sachbeschwerde ist die im Fall 2 der Urteilsgründe erfolgte Verurteilung aufzuheben und der Angeklagte insoweit freizusprechen. Im Übrigen hat die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils weder in Hinblick auf die Schuldsprüche in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe noch auf die Einzelstrafaussprüche oder die verhängte Gesamtstrafe Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
11
Der näheren Erörterung bedürfen lediglich die Schuldsprüche wegen sexuellen Missbrauchs in den Fällen 2, 3 und 4 der Urteilsgründe und zwar dahingehend , inwiefern es sich bei den von dem Angeklagten an den Geschädigten mit Körperkontakt vorgenommenen Handlungen um sexuelle im Sinne von § 184f Nr. 1 StGB aF (nunmehr: § 184h Nr. 1 StGB) handelte.
12
1. Der dafür erforderliche sexuelle Bezug liegt in allen Fällen vor. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung zunächst bei solchen Handlungen der Fall, die bereits objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2016 – 3 StR437/15, NJW 2016, 2049 mwN). Daneben können auch sog. ambivalente Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein; insoweit ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431, 432). Hierbei ist auch einzustellen, ob der Angeklagte von sexuellen Absichten geleitet war (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2004 – 3 StR 256/04, NStZ-RR 2005, 361, 367 bei Pfister; Urteil vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07, NStZ-RR 2008, 339, 340; MüKoStGB/Hörnle, 2. Aufl., § 184g Rn. 3f.; Eisele in: Schönke/ Schröder, 29. Aufl., § 184g Rn. 9 mwN zur Gegenansicht).
13
Ungeachtet dessen, ob die jeweils ohne einen besonderen situativ bedingten Anlass vorgenommenen Handlungen des Angeklagten in den Fällen 2 („Umarmung“) sowie 3 und 4 der Urteilsgründe (Streicheln des nackten Gesäßes ) bereits von ihrem äußeren Erscheinungsbild ihre Sexualbezogenheit erkennen ließen (vgl. zum Legen eines Blasen- und Analkatheters BGH, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11, NStZ-RR 2013, 10, 12), ergibt sich deren Sexualbezug vorliegend jedenfalls aus der den Angeklagten leitenden Motivation , seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 10. März 2016 – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049 mwN).
14
2. Die Handlungen überschritten indes nur in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe auch die Erheblichkeitsschwelle des § 184f Nr. 1 StGB aF. Als erheblich in diesem Sinne sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beein- trächtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270). Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus (BGH, Urteile vom 3. April 1991 – 2 StR 582/90, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 4; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324, 325; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; Lackner/Kühl/Heger, 28. Aufl., § 184g Rn. 5; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, § 184g Rn. 7; differenzierend SSW-StGB/Wolters, 2. Aufl., § 184g Rn. 9 f.).
15
Die sexuelle Selbstbestimmung ist am ehesten bei Kontakt an Geschlechtsorganen verletzt. Abhängig von der Einwirkungsintensität im Einzelfall können aber auch Berührungen an anderen Körperregionen die Schwelle der Erheblichkeit überschreiten. Als maßgebliche Umstände für die vorzunehmende Bewertung kommen neben der Intensität und Dauer des Kontakts auch etwaige begleitende Handlungen, wie Berührungen des Körpers, das Verhältnis zwischen Täter und Opfer und die konkrete Tatsituation in Betracht (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – 1 Ss 70/09, NStZ-RR 2010, 45, 46). Zu berücksichtigen ist auch, dass bei einem dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung von Kindern dienenden Tatbestand, die Anforderungen geringer sein können. Das Erheblichkeitsmerkmal ist entsprechend im Sinne des § 176 StGB auszulegen, der dem Ziel dient, Kinder vor einer Beeinträchtigung ihrer Gesamtentwicklung durch sexuelle Handlungen zu schützen (BGH, Urteil vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 340; Senat, Beschluss vom 6. Juli 1983 – 2 StR 350/83, StV 1983, 415; BGH, Beschluss vom 13. Juli 1983 – 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553). Letztlich sind aber auch bei diesem Tatbestand nicht sämtliche sexualbezogenen Handlungen , die sexuell motiviert sind, tatbestandsmäßig. Auszuscheiden sind vielmehr kurze oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1983 – 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553).
16
a) Gemessen an diesen Grundsätzen waren die von dem Angeklagten an der Geschädigten S. vorgenommenen Handlungen in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe erheblich im vorstehenden Sinne. Sie bestanden nicht nur in flüchtigen oder „zufälligen“ Berührungen bekleideter Körperregionen. Vielmehr handelte es sich in beiden Fällen um gezielte körperliche Berührungen des Mädchens in Badebekleidung bzw. im Schlafanzug. Zwar stellt das Gesäß weder ein primäres noch sekundäres Geschlechtsmerkmal dar. Wie aber auch das Berühren der nackten weiblichen Brust wird das Streicheln des nackten Gesäßes aber gemeinhin jedenfalls dann nicht als sozialübliche Berührung wahrgenommen , wenn es von einem erwachsenen Mann gegenüber einem 13 Jahre alten Mädchen erfolgt. Das nicht nur kurzzeitige Streicheln des entblößten Gesäßes durch Einführen der Hand in die Kleidung des erst 13-jährigen Mädchens lässt daher unter Berücksichtigung der beschriebenen allgemeinen Tatsituation eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung des Mädchens besorgen und stellt daher auch eine erhebliche sexuelle Handlung im Sinne des § 184f Nr. 1 StGB dar.
17
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das fortschreitende Alter eines Kindes keineswegs stets zu einer Reduzierung der Erheblichkeit bestimmter Handlungen führt. So werden Handlungen wie das Eincremen am ganzen Körper oder das Streicheln an Brust oder Gesäß bei kleinen Kindern oft keine beeinträchtigende Wirkung haben; bei denselben Handlungen an einem pubertierenden 13-jährigen Kind wird eine Beeinträchtigung regelmäßig naheliegen.
18
b) Die Feststellungen tragen indes nicht die Annahme der Erheblichkeit der „Umarmung“ im Fall 2 der Urteilgründe. Zwar wurden entblößte Körperteile der Geschädigten an den Angeklagten gedrückt; zudem bestand ein spürbarer Kontakt zum Penis des Angeklagten. Das reicht aber für sich genommen nicht aus, denn zum einen konnten weder zur Dauer und Intensität der Handlung Feststellungen getroffen werden, zum anderen hält sich eine Berührung unbekleideter Körperteile bei einer kurzen Umarmung in situationsadäquater Badebekleidung im Rahmen des Üblichen.
19
3. Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 2 der Urteilsgründe. Da der Senat ausschließt, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch ergänzende Feststellungen zu dem zwischenzeitlich über acht Jahre zurückliegenden Geschehen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung des Angeklagten in diesem Fall zu tragen vermögen, spricht er den Angeklagten insoweit mit der entsprechenden Kostenfolge frei (§ 354 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO).
20
Angesichts der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von zweimal sechs Monaten, zweimal 120 Tagessätzen und einmal 60 Tagessätzen ist es auszuschließen , dass das Landgericht ohne die aufgrund des Freispruchs weggefallene Einzelgeldstrafe von 90 Tagessätzen eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 430/06
vom
10. Oktober 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Besitz kinderpornographischer Schriften
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2006 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 29. März 2006 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Bereits aus dem von der Jugendschutzkammer festgestellten Umstand , dass der Angeklagte die kinderpornographischen Dateien manuell von der Festplatte seines Laptops gelöscht hat, ergibt sich, dass ihm das Vorhandensein dieser Dateien bewusst war; entweder weil er sie selbst aus dem Internet heruntergeladen hatte oder diese Dateien durch deren Aufruf auf entsprechenden Internetseiten automatisch im Cache-Speicher des Laptops auf dessen Festplatte abgespeichert wurden. Nachdem zudem feststeht, dass der Angeklagte an verschiedenen Tagen gezielt Seiten mit entsprechenden pornographischen Inhalten gesucht und aufgerufen hat, hat er sich damit auch bewusst den Besitz dieser Dateien im Sinne von § 184b Abs. 4 StGB verschafft. Auch mit der bloßen Speicherung solcher Dateien im Cache-Speicher eines PC-Systems erlangt dessen Benutzer Besitz (vgl. hierzu Harms NStZ 2003, 646, 650; MüKo StGB/Hörnle § 184b Rdn. 27), weil es ihm möglich ist, jederzeit diese Dateien wieder aufzurufen, solange sie nicht manuell oder systembedingt automatisch gelöscht wurden.
Nack Wahl Boetticher Kolz Graf

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Wer einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3)

1.
einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht,
2.
an einem Ort, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, zugänglich macht,
3.
im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen, in Kiosken oder anderen Verkaufsstellen, die der Kunde nicht zu betreten pflegt, im Versandhandel oder in gewerblichen Leihbüchereien oder Lesezirkeln einem anderen anbietet oder überläßt,
3a.
im Wege gewerblicher Vermietung oder vergleichbarer gewerblicher Gewährung des Gebrauchs, ausgenommen in Ladengeschäften, die Personen unter achtzehn Jahren nicht zugänglich sind und von ihnen nicht eingesehen werden können, einem anderen anbietet oder überläßt,
4.
im Wege des Versandhandels einzuführen unternimmt,
5.
öffentlich an einem Ort, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, oder durch Verbreiten von Schriften außerhalb des Geschäftsverkehrs mit dem einschlägigen Handel anbietet oder bewirbt,
6.
an einen anderen gelangen läßt, ohne von diesem hierzu aufgefordert zu sein,
7.
in einer öffentlichen Filmvorführung gegen ein Entgelt zeigt, das ganz oder überwiegend für diese Vorführung verlangt wird,
8.
herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält oder einzuführen unternimmt, um diesen im Sinne der Nummern 1 bis 7 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder
9.
auszuführen unternimmt, um diesen im Ausland unter Verstoß gegen die dort geltenden Strafvorschriften zu verbreiten oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder eine solche Verwendung zu ermöglichen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Absatz 1 Nummer 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn der zur Sorge für die Person Berechtigte handelt; dies gilt nicht, wenn der Sorgeberechtigte durch das Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen seine Erziehungspflicht gröblich verletzt. Absatz 1 Nr. 3a gilt nicht, wenn die Handlung im Geschäftsverkehr mit gewerblichen Entleihern erfolgt.

(3) bis (7) (weggefallen)

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 524/16
vom
4. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:040417B3STR524.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 4. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog, § 354a StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 25. August 2016
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe des sexuellen Übergriffs schuldig ist;
b) aufgehoben aa) in den Fällen II. Tat 2 und II. Tat 7 der Urteilsgründe insgesamt ; die zugehörigen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch aufrecht erhalten; bb) im Strafausspruch im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe; die jeweils zugehörigen Feststellungen bleiben jedoch aufrecht erhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs einer Widerstandsunfähigen, sexueller Nötigung in drei Fällen, versuchter sexueller Nötigung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht, Verfahrensbeanstandungen erhebt sowie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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I. Aus den zutreffenden Gründen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts besteht das geltend gemachte Verfahrenshindernis nicht; die Verfahrensrügen haben ebenfalls keinen Erfolg.
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II. Die umfassende Überprüfung des Urteils auf die von dem Angeklagten erhobene Sachrüge führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe und zur Aufhebung des Urteils in den Fällen II. Tat 2 und II. Tat 7 der Urteilsgründe, im Strafausspruch im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe ; im Übrigen hat sie keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Im Einzelnen:
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1. Die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs einer Widerstandsunfähigen im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe (Manipulationen im Genitalbereich des schlafenden Opfers) bedarf der Schuldspruchänderung, weil der - von der Strafkammer für sich genommen rechtsfehlerfrei angewandte - zur Tatzeit und noch im Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltende § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF aufgrund von Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I, S. 2460 ff.) mit Wirkung ab dem 10. November 2016 aufgehoben wurde und der frühere sexuelle Missbrauch infolge Schlafs widerstandsunfähiger Personen nunmehr als sexueller Übergriff in § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB nF geregelt ist (vgl. MüKoStGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 177 nF Rn. 62 f.). Diese Gesetzesänderung ist nach § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen, weil sich die Regelung des § 177 Abs. 2 StGB nF hinsichtlich der im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe abgeurteilten Tat gegenüber § 179 Abs. 1 StGB aF als milderes Gesetz erweist. Dies erhellt aus einem Vergleich der Strafrahmen: Während der Strafrahmen des § 179 Abs. 1 StGB aF Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsah, droht § 177 Abs. 2 StGB nF nunmehr Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren an.
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Die Anwendung des damit auch im konkreten Fall milderen § 177 Abs. 2 StGB nF bedingt die Aufhebung der im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe. Auch wenn diese mit zehn Monaten im unteren Bereich des Strafrahmens liegt, kann der Senat mit Blick auf die Halbierung der Strafrahmenobergrenze nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des milderen Rechts auf eine niedrigere Einzelfreiheitsstrafe erkannt hätte.
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2. In den Fällen II. Tat 2 und II. Tat 7 der Urteilsgründe hält die jeweilige Verurteilung wegen versuchter sexueller Nötigung revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:
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Im Fall II. Tat 2 der Urteilsgründe traf der Angeklagte eine in der Gaststätte seiner Ehefrau arbeitende Aushilfe, die vorübergehend im Gästezimmer der Wohnung über der Gaststätte wohnte, in dem Wohnzimmer dieser Wohnung an und drängte sie, mit ihm gemeinsam pornographische Filme auf seinem Mobiltelefon anzuschauen. Währenddessen äußerte er den Wunsch, mit ihr geschlechtlich zu verkehren, was sie indes ablehnte und das Wohnzimmer verließ. Der Angeklagte folgte ihr und drängte die ihm körperlich weit unterlegene Zeugin mit seinem Oberkörper so gegen die Tür des Gästezimmers, dass sie ihm auch wegen der von ihm seitlich an der Wand platzierten Arme nicht entkommen konnte. Sodann versuchte der Angeklagte die Zeugin zu küssen und ihr seine Zunge in den Mund zu stecken, was sie durch Aufeinanderpressen ihrer Lippen und Wegdrehen des Gesichts verhindern konnte. Als kurze Zeit später die Tür zum Gästezimmer aufsprang, konnte sich die Zeugin befreien und in ihr Zimmer "stolpern".
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Im Fall II. Tat 7 der Urteilsgründe ergriff der Angeklagte den Kopf einer anderen Aushilfe seiner Ehefrau, die auch in den Fällen II. Tat 3 bis II. Tat 6 der Urteilsgründe sein Opfer wurde (drei Fälle der sexuellen Nötigung und eine Vergewaltigung), und versuchte, ihr ebenfalls die Zunge in den Mund zu stecken, was auch sie durch Aufeinanderpressen ihrer Lippen und Wegdrehen des Kopfes verhindern konnte.
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b) Insoweit ist es zwar mit Blick auf die Umstände des Einzelfalles (die Opfer waren zuvor keine Beziehungs- oder Sexualpartnerinnen des Angeklagten , befanden sich vielmehr ihm und seiner Ehefrau gegenüber in einer persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit; er versuchte, mit der Zunge in ihren Mund einzudringen) materiellrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer den in beiden Fällen erstrebten Zungenkuss als sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB angesehen hat (vgl. dazu auch MüKoStGB/Hörnle aaO § 184h Rn. 21 mwN).
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Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen und ausgehend von seiner Wertung, dass der Angeklagte die sexuelle Nötigung jeweils nur versuchte , weil die Opfer das Eindringen seiner Zunge verhinderten, hätte das Landgericht indes prüfen und erörtern müssen, ob er strafbefreiend von der versuchten Tat zurücktrat. Es hat in der rechtlichen Würdigung zwar ausgeführt , der Angeklagte habe die Taten nicht freiwillig aufgegeben, vielmehr hätten die Zeuginnen durch ihre Gegenwehr den Erfolg endgültig verhindert; durch die Feststellungen wird aber weder belegt, dass der Nötigungsversuch jeweils fehlgeschlagen war, noch ist mit tragfähiger Begründung ausgeschlossen, dass der Angeklagte jeweils freiwillig vom unbeendeten Versuch der sexuellen Nötigung zurücktrat, als er sein Vorhaben, die Zeuginnen mit Gewalt zum Zungenkuss zu zwingen, aufgab. Im Einzelnen:
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aa) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach der letzten von ihm vorgenommenen Tathandlung erkennt, dass mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Hand liegenden Mitteln der erstrebte Taterfolg nicht mehr herbeigeführt werden kann, ohne dass er eine neue Handlungs- und Kausalkette in Gang setzt (st. Rspr.; siehe zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 135/16, juris Rn. 7 mwN).
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Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe einen fehlgeschlagenen Versuch nicht. Dies ergibt sich im Fall II. Tat 2 der Urteilsgründe schon daraus , dass der Angeklagte der Zeugin - nachdem diese sich aus der Fixierung durch ihn hatte befreien können - in ihr Zimmer folgte, der Aufforderung dieses zu verlassen, nicht nachkam, sie an ihrer Scheide berührte und sie schließlich auszog und gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog, was sie resigniert über sich ergehen ließ. Die Strafkammer hat diese Handlungen zwar nur als - wegen der fehlenden Gegenwehr der Zeugin strafloses - Nachtatgeschehen gewertet; der Umstand, dass der Angeklagte sein Ziel, mit der Zeugin geschlechtlich zu verkehren, mit Erfolg weiter verfolgte, konnte aber den Schluss rechtfertigen, dass er gerade nicht davon ausging, den erstrebten Taterfolg nicht mehr herbeiführen zu können. Zu den Vorstellungen des Angeklagten in dem Zeitpunkt, als die Zeugin sich zunächst von ihm befreien konnte, verhalten sich die Urteilsgründe indes weder in den Feststellungen, noch im Rahmen der Beweiswürdigung oder der rechtlichen Würdigung.
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Aber auch im Fall II. Tat 7 der Urteilsgründe kann der Senat ohneeine - hier gleichfalls fehlende - Erörterung der Vorstellungen des Angeklagten in Bezug auf den Taterfolg nicht ausschließen, dass er es noch für möglich hielt, diesen doch noch zu erreichen. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass der Angeklagte in den anderen Fällen, in denen diese Zeugin sein Opfer wurde, auch vor erheblicherer Gewalt, als er sie in diesem Versuchsfall anwendete, nicht zurück schreckte. Dies lässt es als nicht fernliegend erscheinen, dass er aus seiner Sicht über weitere Mittel verfügt hätte, um die Zeugin zum Zungenkuss zu nötigen.
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bb) Der Versuch der sexuellen Nötigung war hier jeweils - auch für den Angeklagten erkennbar - noch nicht beendet, denn es war für ihn offensichtlich, dass die von ihm beabsichtigte sexuelle Nötigung in Gestalt des erstrebten, mit Gewalt erzwungenen Zungenkusses sich noch im Versuchsstadium befand, weil die Opfer jeweils das Eindringen seiner Zunge in ihren Mund verhinderten. Davon ausgehend konnte in seinem bloßen Nichtweiterhandeln ein Rücktritt vom Versuch liegen.
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c) Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sich die Handlungen des Angeklagten ungeachtet des Umstands, dass es ihm jeweils nicht gelang, seine Zunge in den Mund der Opfer zu stecken, gleichwohl bereits als sexuelle Handlungen von einiger Erheblichkeit darstellen würden und die Taten damit jeweils als vollendete sexuelle Nötigungen zu werten wären. Davon ist die Strafkammer indes offenbar nicht ausgegangen ; auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist es dem Senat nicht möglich, zu einer abweichenden Würdigung zu gelangen.
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3. Die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe und ihr jeweiliger Wegfall in den Fällen II. Tat 2 und II. Tat 7 der Urteilsgründe bedingen die Aufhebung auch des Gesamtstrafenausspruchs.
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4. Die Feststellungen zu den Einzelstrafen und zum Gesamtstrafenausspruch werden, ebenso wie die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen in den Fällen II. Tat 2 und II. Tat 7 der Urteilsgründe, von den Rechtsfehlern, die zur teilweisen Aufhebung des Urteils führen, nicht betroffen und können des- halb - und weil sie auch im Übrigen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhen - bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen kann das neue Tatgericht treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Becker RiBGH Dr. Schäfer befindet sich Gericke im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Tiemann Hoch
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1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte nach einem gemeinsamen Gasthausbesuch der Nebenklägerin, die eine Blutalkoholkonzentration von mindestens drei Promille aufwies und sich nicht mehr selbständig fortzubewegen vermochte, und deren Freundin vorgeschlagen , in seiner Wohnung zu übernachten. Dort entkleidete er - ohne dass sie dies bemerkte - den Unterleib der auf dem Bett schlafenden Nebenklägerin und fasste an ihre Brüste. Hiervon erwachte die Nebenklägerin, die erfolglos ver- suchte, die Hände des Angeklagten wegzuschieben, was ihr jedoch nicht gelang , weil sie die Arme kaum heben konnte. Der Angeklagte drehte die reglos daliegende Geschädigte nun auf den Rücken, drang mit seinem Glied in ihre Scheide ein und vollzog ungeschützt den Geschlechtsverkehr. Dabei war ihm bewusst, dass die Nebenklägerin infolge der massiven Alkoholintoxikation und ihrer Übermüdung nicht in der Lage war, seinem Verhalten entgegenzutreten. Die Nebenklägerin gab allerdings durch Hin- und Herwerfen ihres Kopfes und die wiederholt gemurmelte Aufforderung, dies zu unterlassen, zu verstehen, dass sie mit dem Geschlechtsverkehr nicht einverstanden war, bevor sie wieder einschlief.