Bundesgerichtshof Urteil, 22. Sept. 2016 - 2 StR 27/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:220916U2STR27.16.0
bei uns veröffentlicht am22.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 27/16
vom
22. September 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
u.a.
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja - [S.6/7 - Fall 87 der Anklageschrift] u. [S. 13-15]
BGHR: ja " " "
Veröffentlichung: ja
1. Eine Sitzgruppe eines anfragenden Senats ist nicht gehindert, während der Dauer
des von einer anderen Sitzgruppe desselben Senats beschlossenen Anfrageverfahrens
auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zu entscheiden.
2. Eine Bindungswirkung entsteht erst durch den Antwortbeschluss des angefragten
Senats, wenn dieser seine Zustimmung zu einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung
erteilt.
BGH, Urteil vom 22. September 2016 - 2 StR 27/16 - LG Aachen
ECLI:DE:BGH:2016:220916U2STR27.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 31. August 2016 in der Sitzung am 22. September 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten C. - in der Verhandlung -, Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten C. - in der Verhandlung -, Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten T. - in der Verhandlung -, Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten G. - in der Verhandlung -, Justizhauptsekretärin - in der Verhandlung -, Justizangestellte - bei der Verkündung - als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 19. Juni 2015 werden mit der Maßgabe verworfen, dass die von dem Angeklagten G. in dieser Sache in den Niederlanden erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 anzurechnen ist. Die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. 2. Die Revision des Angeklagten C. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 48 Fällen, davon in 36 Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Anstiftung zur räuberischen Erpressung unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Mona- ten verurteilt sowie einen Geldbetrag in Höhe von 100.000 Euro für verfallen erklärt. Den Angeklagten T. hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen unter Einbeziehung von früheren Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten G. hat es wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge in 19 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt und ihn im Übrigen freigesprochen.
2
Die auf eine Formalrüge und die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie die auf Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten C. bleiben ohne Erfolg.

I.

3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarben der Angeklagte C. in acht und der Angeklagte T. in sieben Fällen im Zeitraum Sommer 2007 bis Ende 2008 in den Niederlanden Marihuana in einer Menge von jeweils 500 Gramm bis 4 kg, das sie von ihrem Kurier, dem Zeugen S. , nach Deutschland einführen ließen, wo sie es gewinnbringend veräußerten (Fälle 1-8 der Anklageschrift).
4
Im Zeitraum Juli 2009 bis April 2010 veräußerte C. in fünf Fällen unter Mithilfe des Kuriers S. jeweils zwischen 4 und 10 kg Amphetamin an den Zeugen Ma. bzw. an von diesem vermittelte Abnehmer im Saarland (Fälle 16, 17, 19-21 der Anklageschrift).
5
Im Frühjahr 2010 ging der Angeklagte C. eine Geschäftsbeziehung mit dem Zeugen Gl. ein, der mit dem -Auslieferungsfahrer H. über einen Rauschgiftkurier verfügte, der Betäubungsmittel unauffällig unter "Legalpaketen" aus den Niederlanden einführen konnte. Ein direkter Kontakt zwischen C. und H. kam dabei nicht zustande. C. übermittelte seine Anweisungen betreffend die Einfuhr und Verteilung des von ihm erworbenen Rauschgifts an Gl. , der sie an H. weiterleitete. C. und Gl. verfügten jeweils über einen eigenen Abnehmerkreis und handelten auf eigene Rechnung. Sie kooperierten insoweit, dass Gl. H. als Kurier zur Verfügung stellte und C. im Gegenzug seine Bezugsquelle in den Niederlanden für Gl. zugänglich machte. Auf diese Weise lieferte C. bis Ende 2010 in sechs Fällen Marihuana und Amphetamin in einer Größenordnung bis jeweils 4-5 kg (Fälle 22-25, 32 und 33 der Anklageschrift) an seine inländischen Abnehmer.
6
Im Zeitraum Februar bis April 2011 lieferte C. in zwei Fällen durch den Zeugen S. jeweils 5 kg Marihuana an seine saarländischen Abnehmer (Fälle 34 und 35 der Anklageschrift).
7
Zwischen Juni 2011 und Januar 2012 übernahm der Zeuge H. auf Weisung des Angeklagten C. in den Niederlanden 27 kg Amphetamin, das er zunächst in seiner Wohnung zwischenlagerte und auf Weisung des C. in der Folgezeit in sechs Teilmengen zu je 5 kg und einer letzten Teilmenge von 2 kg am 7. März 2012 an den Zeugen W. auslieferte (Fall 43 der Anklageschrift , Einsatzstrafe von sechs Jahren).
8
Im Zeitraum April 2011 bis Februar 2012 übergab der Mitangeklagte G. in den Niederlanden im Auftrag unbekannt gebliebener Drogenhändler in zwei Fällen jeweils mindestens 5 kg Marihuana an den als Kurier für den An- geklagten C. tätigen Zeugen H. , der das Rauschgift dann in das Bundesgebiet einschleuste. Der Kurierlohn G. ' betrug 25 Euro je transportiertes Kilo (Fälle 48 und 49 der Anklageschrift).
9
In demselben Zeitraum und bis Sommer 2012 bezog der Angeklagte C. in 19 weiteren Fällen jeweils bis zu 5 kg Marihuana und 10 kg Amphetamin bei seinen holländischen Lieferanten (Fälle 50-53, 64-78 der Anklageschrift ) unter Mitwirkung der Kuriere H. und S. sowie des Mitangeklagten G. (Fälle 64-77 der Anklageschrift) und verkaufte das Rauschgift im Bundesgebiet.
10
In drei Fällen (März bis Juli 2012) hatte der Angeklagte G. jeweils mindestens 2,5 kg Marihuana zur Abholung an den Kurier H. übergeben , wobei nicht aufgeklärt werden konnte, ob Auftraggeber insoweit der Angeklagte C. oder der Zeuge Gl. war (Fälle 81-83 der Anklageschrift

).

11
Am 13. September 2012 ließ der Angeklagte C. importierte 2,5 kg Marihuana und 4 kg Amphetamin im Verkaufswert von insgesamt 30.000 Euro an den für die Käufer handelnden Kurier S. übergeben mit dem Auftrag, das Rauschgift nach Sa. zu transportieren, wo es jedoch aus ungeklärten Gründen nicht ankam (Fall 86 der Anklageschrift). Die Abnehmer, die davon ausgingen, S. habe das Rauschgift unterschlagen, wandten sich an C. , damit dieser S. unter Druck setze, um so die unterschlagenen Betäubungsmittel oder jedenfalls einen deren Wert entsprechenden Geldbetrag einzutreiben. Der Angeklagte C. , Vizepräsident des Rockerclubs MC B. , beauftragte entsprechend das Clubmitglied A. , wobei er davon ausging, dass es gegenüber dem Zeugen S. zu Drohungen und Gewaltanwendungen kommen könne. Am 22. September 2012 suchte A.
gemeinsam mit einem unbekannten Dritten den Zeugen S. auf, bedrohte ihn mit einer Schusswaffe und forderte entweder die Rückgabe der Betäubungsmittel oder die Zahlung von 60.000 Euro, die Hälfte des Betrages als Wertersatz, die andere Hälfte für die Bemühungen des Angeklagten C. bei der Eintreibung. Unter dem Eindruck der Drohung gab S. jedenfalls 1 kg bei ihm gefundenes Amphetamin heraus (Fall 87 der Anklageschrift).
12
Zwischen Oktober 2012 und Februar 2013 kam es zu vier weiteren Betäubungsmittellieferungen des Angeklagten C. an seine saarländischen Abnehmer in einer Größenordnung von bis zu 2 kg Marihuana und 5 kg Amphetamin je Geschäft. Von der letzten Lieferung konnten am 6. Februar 2013 noch 4 kg Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 13,1% Amphetaminbase sichergestellt werden (Fälle 88-91 der Anklageschrift).
13
2. Von weiteren Anklagepunkten hat das Landgericht die Angeklagten freigesprochen.
14
Was die Anklagepunkte 9-15 anbelangt, konnte sich die Strafkammer allein aufgrund der Angaben des Kurierfahrers S. nicht von der Täterschaft der Angeklagten C. und T. - die ihre Tatbeteiligung im Übrigen in allen abgeurteilten Fällen eingeräumt haben - überzeugen.
15
Hinsichtlich der Anklagepunkte 18, 26-31, 36-42, 44-47, 54-62, 81-84 und 92 konnte das Landgericht nicht ausschließen, dass den von H. in Holland übernommenen Rauschgiftlieferungen ein Auftrag des Zeugen Gl. oder eines Dritten und nicht ein solcher des Angeklagten C. zugrunde lag.
16
Vom Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens im Fall 63 der Anklageschrift hat die Strafkammer den Angeklagten C. aus rechtlichen Gründen freigesprochen, weil es sich bei der Rückgabe von schon gelieferten (minderwertigen ) Betäubungsmitteln um keine selbständige neue Tat im Verhältnis zu den vorangegangenen Lieferungen handele.
17
Den Angeklagten G. hat das Landgericht in den Anklagepunkten 22, 25-27, 32, 33, 36-47, 50-63 und 84 freigesprochen. In diesen Fällen habe es sich entweder ausschließlich oder zumeist auch um Amphetaminlieferungen gehandelt, in die der Angeklagte G. - anders als bei Marihuanageschäften - nicht eingebunden gewesen sei.

II.

18
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg.
19
Die Staatsanwaltschaft wendet sich ausweislich ihrer Revisionsbegründungsschrift dagegen, dass die Angeklagten C. in den Fällen 9-15, 18, 2631 , 36-42, 44-47, 54-63, 81-84 und 92 der Anklageschrift, T. in den Fällen 9-14 der Anklageschrift und G. in den Fällen 32, 33, 36-47, 50-63 und 84 der Anklageschrift freigesprochen worden sind. Soweit die Staatsanwaltschaft darüber hinaus die Freisprüche des Angeklagten C. in den Fällen 23, 24, 32 und 43 beanstandet, ist dies unverständlich, weil der Angeklagte insoweit verurteilt wurde. Ähnliches gilt für die Erwähnung der Fälle 79 und 80 der Anklageschrift , hinsichtlich derer das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist.
20
Darüber hinaus beanstandet die Staatsanwaltschaft, die Strafkammer habe den Verurteilungen in den Fällen 1-8, 16, 17, 19-21, 23-25, 32, 43, 48-53, 64-70, 75-77, 86, 89 und 90 der Anklageschrift eine zu geringe Menge Rauschgift zugrunde gelegt, in den Fällen 22, 33-35, 71-74, 78, 81-83 zu niedrige Ein- zelstrafen verhängt und die Anordnung von Wertersatzverfall nicht ausreichend begründet.
21
a) Die erhobene Formalrüge, die Strafkammer habe ihre Aufklärungspflicht verletzt, weil sie den Zeugen M. und Ma. ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zugebilligt habe, ist jedenfalls unbegründet.
22
Beide Zeugen waren als Abnehmer bzw. als Vermittler in den Betäubungsmittelhandel der Angeklagten eingebunden. Der Zeuge Ma. war zur Zeit der Hauptverhandlung bereits rechtskräftig verurteilt, ohne dass die Revision - im Hinblick auf die Zulässigkeit der Verfahrensrüge bedenklich (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2016 - 2 StR 539/15) - den Umfang seiner Verurteilung mitteilt. Die Strafkammer hat erwogen, dass noch nicht alle Drogengeschäfte zwischen Ma. und den Angeklagten bekannt seien und ihm deshalb ebenso ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zugebilligt wie dem Zeugen M. . Dieser war wegen seiner Beteiligung an einigen Taten der Angeklagten - noch nicht rechtskräftig - verurteilt, zudem war noch ein Ermittlungsverfahren wegen einer ihm zur Last gelegten Mitwirkung im Fall 18 der Anklageschrift anhängig.
23
Dagegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern. Die tatsächliche Beurteilung der Verfolgungsgefahr obliegt dem Tatrichter und kann nicht zur Nachprüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden (BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 326). Dass der Strafkammer Rechtsfehler dahingehend unterlaufen sind, dass es den Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts verkannt haben könnte (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1957 - 5 StR 390/56, BGHSt 10, 104, 105), lässt sich auch nach dem Revisionsvorbringen nicht erkennen.
24
b) Der Freispruch der Angeklagten C. und G. hinsichtlich des Falles 63 der Anklageschrift ist tragfähig begründet. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Rückabwicklung eines Betäubungsmittelgeschäfts wegen mangelhafter Qualität gegenüber dem in aller Regel vorangegangenen Erwerbsvorgang nicht als eigenständige Tat des Handeltreibens verfolgt werden kann, weil insoweit ein einheitliches Geschäft vorliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 23. September 2009 - 2 StR 325/09, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 9, NStZ-RR 2010, 24). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, welche der vorangegangenen Lieferung(en) dem behaupteten Rückgabegeschäft zugrunde gelegen haben, bestanden nicht, weshalb das Landgericht keine Veranlassung zu Erörterungen eventueller Bewertungseinheiten hatte. Dass die Rückabwicklung des Rauschgiftgeschäfts zu einem "Umtausch" der minderwertigen Betäubungsmittel in mangelfreie Ware geführt hätte, ist weder festgestellt noch Gegenstand der Anklage.
25
c) Gegen die Beweiswürdigung der Strafkammer bestehen keine rechtlichen Bedenken.
26
Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt , dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind; dies gilt auch, soweit der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. In sachlich-rechtlicher Hinsicht liegt ein Rechtsfehler vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. April 2012 - 4 StR 599/11 mwN).
27
Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht.
28
Soweit die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Fälle 1-15 der Anklageschrift eine Auseinandersetzung mit Angaben des Zeugen Wa. vermisst, verkennt sie, dass sachlich-rechtliche Beanstandungen gegen die Beweiswürdigung nicht auf urteilsfremdes Vorbringen gestützt werden können. Im Übrigen hat sich die Strafkammer mit den Einlassungen der Angeklagten C. und T. einerseits und den Angaben des Belastungszeugen S. andererseits auseinandergesetzt. Die von ihr gezogenen Schlussfolgerungen sind jedenfalls möglich und damit im Rahmen der revisionsgerichtlichen Prüfung hinzunehmen.
29
Was die übrigen Freisprüche des Angeklagten C. anbelangt, genügen die Urteilsausführungen ebenfalls den an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Anforderungen. Dass der Kurier H. neben den von dem Angeklagten C. eingeräumten Drogentransporten gleichzeitig auch für den Zeugen Gl. tätig war, ist hinreichend belegt (vgl. UA 34, 35, 64, 117 ff., 138).
30
Auf urteilsfremdes Vorbringen zu Einlassungen des Angeklagten G. können sachlich-rechtliche Beanstandungen gegen die den Teilfreisprüchen dieses Angeklagten zugrundeliegende Beweiswürdigung nicht gestützt werden. Soweit das Landgericht dem Angeklagten G. glaubt, nur Marihuana , niemals aber Amphetamin übergeben zu haben, findet diese Annahme eine hinreichende Stütze darin, dass die Zeugen Ba. und Ma. in ihren polizeilichen Vernehmungen übereinstimmend angegeben haben, das Amphetamin stamme aus einer anderen Bezugsquelle als das Marihuana. Bei letzterem habe G. eine Rolle gespielt (UA 105, 127).
31
Was die den Verurteilungen in den jeweiligen Fällenzugrunde gelegten Handelsmengen anbelangt, zeigt die Revision ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Zwar rügt die Staatsanwaltschaft zutreffend, dass die in den einzelnen Fällen festgestellten Handelspreise für Amphetamin und Marihuana extreme Schwankungen aufweisen und in dieser Form praktisch nicht nachvollziehbar sind. Von diesen Unzulänglichkeiten unberührt bleiben jedoch die - von späteren Verkaufspreisen unabhängigen - Feststellungen zu den eingeführten Drogenmengen, die im Wesentlichen auf den insoweit geständigen Einlassungen der Angeklagten beruhen. Dass die Strafkammer in Anwendung des Zweifelssatzes in einzelnen Fällen nicht die von Zeugen lediglich geschätzte höhere Handelsmenge zugrunde gelegt hat, stellt keinen Rechtsfehler dar.
32
d) Da die Feststellungen der Strafkammer zum Schuldumfang nach alledem auf einer tragfähigen Beweiswürdigung beruhen und die Strafzumessungserwägungen im Übrigen für sich nicht zu beanstanden sind, bleibt die Revision auch insoweit ohne Erfolg.
33
e) Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 100.000 € gegen den Angeklagten C. lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Die Strafkammer hat bedacht, dass der Wert des Erlangten nach dem Bruttoprinzip zu bestimmen und gegebenenfalls durch Schätzung zu ermitteln ist. Außerdem hat es gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB berücksichtigt, dass der Angeklagte den größten Teil seiner erzielten Erlöse "verjubelt" hat. Vor diesem Hintergrund ist die Wertersatzverfallsanordnung - auch wenn das Landgericht seine Berechnungen im Einzelnen nicht mitteilt - noch hinnehmbar.
34
f) Die hinsichtlich des Angeklagten G. unterbliebene Entscheidung zum Anrechnungsmaßstab für die in den Niederlanden erlittene Auslieferungshaft (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB) hat der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst bestimmt, da eine andere Anrechnung als im Verhältnis 1 : 1 nicht in Betracht kommt.
35
2. Auch die Revision des Angeklagten C. , mit der er im Wesentlichen seine Verurteilung im Fall 87 der Anklageschrift sowie im Übrigen die Strafzumessung beanstandet, bleibt ohne Erfolg.
36
a) Der Angeklagte C. , dem die Strafkammer im Fall 87 der Anklageschrift den Einsatz der Schusswaffe durch den von ihm beauftragten "Geldbzw. Betäubungsmitteleintreiber" A. nicht zugerechnet hat, ist rechtsfehlerfrei wegen Anstiftung zur räuberischen Erpressung verurteilt worden. Wer - wie hier der deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilte A. - einen Rauschgifthändler oder -kurier mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, macht sich der räuberischen Erpressung schuldig. Die Rechtsordnung kennt im Bereich der Vermögensdelikte kein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen. Auch an Sachen wie Rauschgift, die jemand aufgrund einer strafbaren Handlung besitzt und als Tatmittel zur Begehung geplanter Straftaten bereitstellt, kann unbeschadet ihrer Zweckbestimmung oder Bemakelung, Erpressung und Betrug begangen werden. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 4. September 2001 - 1 StR 167/01, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3 mwN; Beschluss vom 20. September 2005 - 3 StR 295/05, NJW 2006, 72).
37
Eine vom Generalbundesanwalt beantragte Aussetzung des Verfahrens war nicht veranlasst.
38
Zwar hat der erkennende Senat - in anderer Besetzung - in derSache 2 StR 335/15 mit Beschluss vom 1. Juni 2016 die Revisionshauptverhandlung unterbrochen und, verbunden mit einer Anfrage an die übrigen Strafsenate des Bundesgerichtshofs, ob an bisheriger Rechtsprechung festgehalten werde, ausgeführt, er beabsichtige zu entscheiden: "Die Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln richtet sich nicht gegen das Vermögen des Geschädigten und erfüllt daher nicht den Tatbestand der Erpressung."
39
Jedoch hindert ein solches Anfrageverfahren nach § 132 GVG nicht eine Sachentscheidung auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dass ein Anfragebeschluss die angefragten Senate, die an der bisherigen Rechtsprechung festhalten wollen, nicht hindert, auf dieser Grundlage weiter zu entscheiden, hat der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf eine fehlende Sperrwirkung bereits entschieden (BGH, Beschluss vom 24. August 2000 - 1 StR 349/00, BGHR GVG § 132 Anfrageverfahren 1; Beschluss vom 19. Oktober 2004 - 1 StR 427/04 mwN; sowie wenn die Rechtsfrage dem Großen Senat zur Entscheidung vorgelegt ist: BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2009 - 2 StR 433/09, NStZ 2010, 227). Ebenso wenig ist ein anfragender Senat gehindert, bei Vorliegen einer Binnendivergenz zwischen verschiedenen Sitzgruppen abweichend von seiner eigenen Anfrage zu entscheiden. Der Anfragebeschluss entfaltet keine Sperrwirkung. Er dient lediglich der Vorbereitung der Herbeiführung einer Rechtsprechungsänderung, ist aber selbst keine bindende Entscheidung, von der nicht abgewichen werden könnte. Eine Bindungswirkung entsteht erst durch den Antwortbeschluss des angefragten Senats, der seine Zustimmung zu einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung erteilt (BGH, Beschluss vom 24. August 2000 - 1 StR 349/00, aaO). Dann kann der anfragende Senat nicht mehr zu seiner ursprünglichen Rechtsprechung zurückkehren , ohne den Großen Senat für Strafsachen anzurufen; dies deshalb, weil die Entschließung über die Antwort des angefragten Senats, er halte an der früheren Rechtsauffassung nicht mehr fest, die gleiche Bedeutung hat wie eine Revisionsentscheidung , in der er seine frühere Auffassung aufgibt (vgl. Heußner, DRiZ 1972, 119 ff.). Eine Binnendivergenz führt auch nicht zu der Verpflichtung, eine Entscheidung des - in der Sache unzuständigen - Senatsplenums herbeizuführen. Eine solche "Entscheidung" hätte für die zuständige Sitzgruppe keine rechtliche Bindungswirkung.
40
b) Die Strafzumessungsentscheidung bezüglich des Angeklagten C. ist rechtsfehlerfrei erfolgt. Die Annahme minder schwerer Fälle nur in den Fällen 1-8 und 22 der Anklageschrift ist auch in Anbetracht der unterschiedlichen Mengen des gehandelten Rauschgifts ausreichend begründet und nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die jeweils verhängten Einzelstrafen und die daraus gebildete Gesamtfreiheitsstrafe. Die Verfallsanordnung hat ebenfalls Bestand (vgl. oben II. 1e)). Fischer Appl Eschelbach Zeng Bartel

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(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 539/15
vom
8. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2016:080616U2STR539.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Juni 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Verteidigerin des Angeklagten,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 26. August 2015 wird als unbegründet verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2
Nach der zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift soll der Angeklagte Mitte 2012 an die gesondert verfolgten Eheleute G. und Dr. B. jeweils zum Preis von 2.100 Euro pro Kilogramm 30 kg Cannabis geliefert haben, weitere 45 kg Anfang des Jahres 2013.
3
Das Landgericht hat solche Drogenlieferungen festgestellt. Es konnte sich aber nicht von der Beteiligung des Angeklagten hieran überzeugen.
4
Der Angeklagte hatte die Tatbegehung bei seiner polizeilichen Vernehmung bestritten und angegeben, er sei mit dem Zeugen G. befreundet gewesen , habe sich aber mit dessen Ehefrau, der Zeugin Dr. B. , nicht verstanden ; diese habe ihn – möglicherweise deshalb – zu Unrecht belastet.
5
Zwar habe die Zeugin Dr. B. im Vorverfahren und in dem gegen sie selbst geführten Verfahren den Angeklagten als Drogenlieferanten bezeichnet. Sie habe auch dessen Mobiltelefonnummer auswendig nennen können und geschildert, dass der Angeklagte bei den Drogenlieferungen einen gelben Lkw benutzt habe. Weiter habe sie sich dadurch kooperativ gezeigt, dass sie den Ermittlungsbeamten das Versteck des Drogenvorrats der Eheleute gezeigt und nach der Haftverschonung den Beamten 150.000 Euro Bargeld sowie Edelmetall im Wert von 153.763,53 Euro aus dem Erlös von Drogenverkäufen übergeben habe.
6
Auch habe der Angeklagte im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Mai 2013 eine Vielzahl von Bargeldeinzahlungen mit einer Gesamtsumme von 88.450 Euro auf ein Bankkonto vorgenommen, über das er und seine Ehefrau verfügten und von dem Ratenzahlungen zur Finanzierung des gemeinsamen Wohnhauses überwiesen worden seien. Schließlich seien bei ihm im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung Schusswaffen, Waffenteile und Schwarzpulver gefunden worden.
7
Jedoch seien bei der Durchsuchung keine Spuren von Betäubungsmittelgeschäften des Angeklagten festgestellt worden. Die Zeugin Dr. B. habe mit ihren Aussagen eine Vergünstigung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG erstrebt und später erlangt. Sie habe den Tatgewinn zuerst als gering bezeichnet, dann aber den Ermittlungsbehörden das Geld und die Edelmetalle ausgeliefert. Auch habe sie ihre eigenen Tatbeiträge heruntergespiegelt. Zur Bezahlung des Lieferanten habe sie keine Angaben gemacht. Durch ihre Aussagen bei der polizeilichen Vernehmung, die nach Mitternacht begonnen und mehrere Stunden gedauert hätten, und die anschließenden Angaben beim Ermittlungsrichter habe sie zunächst die Verschonung von der Untersuchungshaft erstrebt und erreicht. In der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten habe sie dagegen von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Ihr Ehemann, der Zeuge G. , habe „zu keinem Zeitpunkt Angaben zu seinem Drogenlieferanten gemacht“. Die Bargeldeinzahlungen auf dem Konto des Angeklagten und seiner Ehefrau seien mehrheitlich vor dem Tatzeitraum erfolgt und zwar in Einzelbeträgen , die nicht einer Größenordnung des zu erwartenden Gewinns aus den verfahrensgegenständlichen Drogenlieferungen entsprochen hätten. Nähere Feststellungen zur Geldquelle seien nicht möglich gewesen. Der Angeklagte habe zwar einen Lkw besessen, der aber nicht auffindbar gewesen sei. Die zwischenzeitlich durch Geldstrafe abgeurteilten Waffendelikte seien ohne Aussagekraft für die Frage, ob der Angeklagte auch die angeklagten Betäubungsmitteltaten begangen habe. Letztlich seien nur die durch Vernehmung von Verhörspersonen in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben der Zeugin Dr. B. als Belastungsbeweis gegen den Angeklagten verfügbar. Das reiche auch in der Gesamtschau der Verdachtsmomente nicht zu einer sicheren Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten aus, zumal dieser – wenngleich ohne Verschulden der Justiz – keine Möglichkeit gehabt habe, die Zeugin konfrontativ zu befragen oder befragen zu lassen.

II.

8
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil ist zulässig. In der Revisionsbegründung hat sie ausschließlich eine im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässige Verfahrensrüge erhoben (dazu unten III.1.). Mit der Einlegung des Rechtsmittels hat sie aber auch erklärt, sie rüge die Verletzung materiellen Rechts. Dies ist zwar anschließend weder aufgegriffen noch im Sinne von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV erläutert worden. Jedoch verlangt die Strafprozessordnung keine Begründung der Sachrüge. Die Verletzung der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren führt nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels.

III.

9
Die Revision ist unbegründet.
10
1. Die Verfahrensrüge, mit der die Staatsanwaltschaft beanstandet, dass das Landgericht entgegen ihrem Hilfsantrag die Hauptverhandlung nicht ausgesetzt hat, bis die Strafverfahren gegen die gesondert verfolgten Zeugen G. und Dr. B. rechtskräftig abgeschlossen waren, genügt nicht den Anforderungen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
11
a) Dabei handelt es sich nicht allein um eine Aufklärungsrüge, sondern um die Rüge einer fehlerhaften Ablehnung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Aussetzung der Hauptverhandlung, um eine Änderung der Prozesslage abzuwarten , in der weitere Beweiserhebungen möglich wären. Beanstandet wird ein Ermessensfehler durch Nichtberücksichtigung eines behaupteten Grundes für eine Aussetzung der Hauptverhandlung. Bei der Beurteilung des Aussetzungsantrags ist neben der Aufklärungspflicht des Gerichts unter anderem auch das Interesse des Angeklagten an einem beschleunigten Abschluss des Verfah- rens gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zu berücksichtigen (vgl. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 288 Rn. 10; Britz in Radtke/Hohmann, StPO, 2013, § 228 Rn. 16; SK/Deiters/Albrecht, StPO, 5. Aufl., § 228 Rn. 8). Zur Prüfung dieser Rüge reicht das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht aus.
12
b) Sie hat den im Urteilszeitpunkt erreichten Stand der gegen die Zeugen Dr. B. und G. geführten Verfahren nicht näher erläutert. Daher kann die Dringlichkeit ihres Aussetzungsbegehrens im Verhältnis zu dem Interesse des Angeklagten an einer beschleunigten Durchführung der Hauptverhandlung nicht abschließend bewertet werden.
13
aa) Gemäß § 55 Abs. 1 StPO ist ein Zeuge berechtigt, die Auskunft auf Fragen zu verweigern, wenn er bei wahrheitsgemäßer Aussage auch Angaben machen müsste, die geeignet wären, einen Tatverdacht gegen ihn oder einen seiner Angehörigen im Sinne des § 52 Abs. 1 StPO zu begründen oder zu verstärken. Es genügt, wenn er über Fragen eine Auskunft geben müsste, die den Verdacht als Teilstück in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude mittelbar begründen. Eine Verfolgungsgefahr besteht zwar im Allgemeinen nicht mehr, wenn ein rechtskräftiges Urteil gegen den Zeugen in derselben Sache vorliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. November 1984 – 2 BvR 1409/84, NStZ 1985, 277). Das gilt aber nicht, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und weiteren Straftaten, deretwegen der Zeuge noch verfolgt werden kann, ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen anderer Taten mit sich bringt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 2002 – 2 BvR 1249/01, NJW 2002, 1411, 1412; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 – 1 StR 326/06, BGHR StPO § 55 Abs. 1 Verfolgung 9; SSW/Eschelbach, StPO, 2. Aufl., § 55 Rn. 8; LR/Ignor/Bartheau, StPO, 26. Aufl., § 55 Rn. 11; SK/Rogall, StPO, 4. Aufl., § 55 Rn. 27, 40; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 55 Rn. 8; KK/Senge, StPO, 7. Aufl., § 55 Rn. 5). Stets kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.
14
bb) Nach diesem Maßstab ist das Rügevorbringen der Beschwerdeführerin nicht ausreichend (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
15
Einerseits war die Strafverfolgung der Zeugen Dr. B. undG. wegen des Vorwurfs der Beteiligung an den verfahrensgegenständlichen Taten im Urteilszeitpunkt möglicherweise noch nicht rechtskräftig abgeschlossen; Teilrechtskraft genügt nicht (vgl. SSW/Eschelbach, StPO, § 55 Rn. 11; LR/Ignor/Bartheau, StPO, § 55 Rn. 17). Andererseits stehen nach dem Revisionsvorbringen auch Vorwürfe weiterer Betäubungsmitteldelikte in einem abgetrennten Verfahren im Raum. Insoweit ist der Verfahrensstand zurzeit des Urteils des Landgerichts von der Beschwerdeführerin in der Revisionsbegründung nicht mitgeteilt worden. Die für sich genommen nachvollziehbare Annahme des Landgerichts, der Wegfall des Auskunftsverweigerungsrechts für die Zeugen sei nicht absehbar und dem Angeklagten eine Aussetzung der Hauptverhandlung nicht zuzumuten, kann daher anhand des Vorbringens der Beschwerdeführerin nicht abschließend auf einen Ermessensfehlgebrauch überprüft werden.
16
2. Die Sachrüge der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
17
a) Das Urteil des Landgerichts leidet nicht an einem Darstellungsmangel.
18
Die Mitteilung der tatrichterlichen Beweiswürdigung in den Urteilsgründen kann ihrer Natur nach nicht derart erschöpfend sein, dass alle denkbaren Gesichtspunkte dort ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen auch nicht zu verlangen. Aus einzelnen Lücken kann daher nicht ohne weiteres abgeleitet werden, der Tatrichter habe wesentliche Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht. Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung dann, wenn sie wesentli- che Feststellungen nicht erörtert. Bei der Prüfung, ob eine solche Lücke vorliegt , ist es nicht Sache des Revisionsgerichts, aufgrund der Sachrüge der Staatsanwaltschaft Mutmaßungen darüber anzustellen, ob weitere Beweise zur Aufklärung der Tatvorwürfe zur Verfügung gestanden hätten, aber nicht erhoben , oder zwar erhoben, aber nicht im Urteil gewürdigt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 3 StR 317/10, NStZ-RR 2011, 88 f.; Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13; Urteil vom 5. November 2015 – 4 StR 183/15, NStZ-RR 2016, 54, 55).
19
Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass der Angeklagte im Vorverfahren angegeben hatte, er habe mit den Betäubungsmittellieferungen nichts zu tun. Die Urteilsgründe ergeben außerdem, dass in der Hauptverhandlung kein weiterer Belastungsbeweis gegen den Angeklagten außer den früheren Aussagen der Zeugin Dr. B. zur Verfügung gestanden hat. Daraus ergibt sich, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung möglicherweise geschwiegen oder jedenfalls keine ihn selbst belastenden Angaben gemacht hat. Eine nähere Erläuterung seines Aussageverhaltens war danach entbehrlich.
20
Das Landgericht hat auch den wesentlichen Inhalt der früheren Angaben der Zeugin Dr. B. erörtert. Weitere Erläuterungen dazu waren nicht erforderlich. Dies gilt auch angesichts der Mitteilung, dass sich die Zeugen Dr. B. und G. , welche ihre Taten im Kern eingeräumt haben, dem jeweils anderen einen größeren Tatbeitrag zugewiesen haben. Das Landgericht hat schließlich mitgeteilt, der Zeuge G. habe „zu keinem Zeitpunkt Angaben bezüglich sei- nes Lieferanten gemacht.“ Danach wareine weitergehende Mitteilung seiner Aussagen im Urteil gegen den Angeklagten, bei dem es um die Frage seiner Beteiligung an den festgestellten Taten der Zeugen ging, nicht angezeigt.
21
b) Die Würdigung der Beweise durch das Landgericht ist ebenfalls nicht rechtsfehlerhaft. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf , ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Seine Schlussfolgerungen müssen nur möglich sein; das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Überzeugungsbildung sogar dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise näherliegend gewesen wäre. Nach diesem Maßstab kann der Senat das angefochtene Urteil nicht beanstanden.
22
aa) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Angaben der Zeugin Dr. B. , die durch Zeugnis vom Hörensagen in die Hauptverhandlung eingeführt wurden, eine besonders vorsichtige Beweiswürdigung erfordern.
23
Ein Zeuge vom Hörensagen ist zwar ein zulässiges Beweismittel, dessen Heranziehung und Bewertung nach den § 244 Abs. 2, § 261 StPO zu beurteilen ist. Jedoch stellen die begrenzte Zuverlässigkeit dieses Zeugnisses und die Beschränkung der Nachprüfungsmöglichkeiten besondere Anforderungen an die Würdigung. Dies gilt nicht nur in Fällen, in denen die vom Gericht unmittelbar vernommenen Zeugen über Angaben einer anonymen Gewährsperson berichten (dazu BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1981 – 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250, 292; BGH, Urteil vom 1. August 1962 – 3 StR 28/62, BGHSt 17, 382, 383 f.; Urteil vom 16. April 1985 – 5 StR 718/84, BGHSt 33, 178, 181). Dies muss erst recht gelten, wenn ein unmittelbarer Tatzeuge mit seinen Angaben, die einen anderen belasten, zugleich Vorteile im Sinne von § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG oder § 46b StGB, einschließlich der Verschonung von Untersuchungshaft , erstrebt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2004 – 5 StR 71/04, StV 2004, 578, 579). Dann besteht eine erhöhte Gefahr dafür, dass dieser Belastungszeuge den Angeklagten insgesamt zu Unrecht oder jedenfalls zu stark belastet haben könnte, ohne dass dies durch ergänzende Befragung in der Hauptverhandlung überprüft werden kann.
24
Allein durch sorgfältige Analyse des Aussageinhalts und Überprüfung der Aussagekonstanz kann in einer solchen Konstellation eine möglicherweise zu Unrecht erfolgende oder zu weit gehende Belastung eines anderen nicht ausreichend ausgeschlossen werden. Die allgemeinen Glaubwürdigkeitskriterien erweisen sich in derartigen Fällen, etwa im Hinblick auf die Möglichkeit des „Kronzeugen“, nur die Person eines weiteren Beteiligten im Rahmen der Schil- derung eines im Übrigen selbst erlebten Geschehens falsch zu bezeichnen, um dadurch seine eigene größere Tatbeteiligung oder die Beteiligung eines Dritten zu vertuschen, als unzureichend. Der Aufklärungsgehilfe kann in dieser Situation ein schlüssiges Gesamtbild auch dann erzeugen, wenn er nur einen Personentausch vornimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 5 StR 308/11).
25
Besteht in der Hauptverhandlung in einer solchen Situation auch keine Möglichkeit für das Gericht und die Verteidigung, durch Befragung des Tatzeugen , der erhebliche Eigeninteressen verfolgt, die Glaubhaftigkeit der Fremdbelastung zu überprüfen, ist die Verurteilung nur gerechtfertigt, wenn die belastenden Angaben durch weitere aussagekräftige Indizien unterstützt werden (vgl. Frahm, Die allgemeine Kronzeugenregelung. Dogmatische Probleme und Rechtspraxis des § 46b StGB, 2014, S. 265 ff.; Weider in Festschrift für Widmaier , 2008, S. 599, 602 f.; zu einer solchen Beweiswürdigungslösung beim Zeugnis vom Hörensagen über Aussagen eines anonymen Gewährsmanns BVerfG aaO, BVerfGE 57, 250, 292; BGH aaO, BGHSt 17, 382, 386; bei Verletzung des Konfrontationsrechts BGH, Urteil vom 25. Juli 2000 – 1 StR 169/00, BGHSt 46, 93, 106). Insoweit geht die Beweiswürdigung des Landgerichts von einem rechtlich zutreffenden Ansatz aus.
26
bb) Ob Zusatzindizien vorliegen, die genügende Aussagekraft besitzen, um das genannte Beweisdefizit auszugleichen, hat das Tatgericht in eigener Verantwortung zu prüfen. Auch insoweit ist gegen die Entscheidung des Landgerichts rechtlich nichts zu erinnern.
27
(1) Die Strafkammer hat nicht übersehen, dass der Angeklagte nachweislich andere Straftaten, nämlich Waffendelikte, begangen hat. Diese besitzen nach Ansicht des Tatgerichts aber keine genügende Aussagekraft dafür, dass er zugleich die verfahrensgegenständlichen Betäubungsmitteldelikte begangen hat. Diese Überlegung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
28
(2) Im Ergebnis dasselbe gilt für die Bewertung der Bargeldeinzahlungen auf dem Konto des Angeklagten und seiner Ehefrau.
29
Das Landgericht hat in rechtsfehlerfreier Weise darauf hingewiesen, dass die Geldeinzahlungen auf dem Konto des Angeklagten und seiner Ehefrau weder nach dem Zeitpunkt ihrer Vornahme noch nach der Höhe des jeweils eingezahlten Betrages darauf hindeuten, dass es sich um Erlöse aus den verfahrensgegenständlichen Betäubungsmitteldelikten handeln könnte. Allein die Tatsache , dass auf dem Konto des Angeklagten und seiner Ehefrau ohne erkennbaren Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Taten zahlreiche Geldeinzahlungen aus unbekannter Quelle vorgenommen wurden, ist für den Nachweis der konkreten Betäubungsmitteldelikte ungeeignet.
30
Anders könne es liegen, wenn feststünde, dass es sich um den Erlös aus – anderen – Betäubungsmittelgeschäftengehandelt hat. Dafür fehlt aber jeder Anhaltspunkt. Sollen vergleichbare Straftaten als Indiz für verfahrensgegenständliche Taten gewertet werden, müssen jene anderen Taten feststehen (vgl. Senat, Beschluss vom 21. April 2016 – 2 StR 435/15). Hier ist diese Ausgangstatsache für den von der Beschwerdeführerin erstrebten Beweisschluss unge- wiss. Die bloße Möglichkeit der Herkunft der Gelder aus Betäubungsmitteldelikten liefert noch kein tragfähiges Indiz.
31
(3) Die Tatsache, dass der Angeklagte einen Lkw besessen hatte und die Zeugin Dr. B. davon berichtet hat, dass er die Drogenlieferungenmit einem Lkw durchgeführt habe, ist von geringer Aussagekraft. Diesgilt insbesondere, weil der Lkw nicht aufgefunden werden konnte. Wäre eine Falschbelastung der Person des Angeklagten durch die Zeugin Dr. B. erfolgt, der zum Bekanntenkreis des Ehemanns und der Zeugin gehörte, so hätte zudem unschwer sein Fahrzeug als Tatmittel der Lieferfahrt genannt werden können.
32
(4) Das Landgericht hat nicht übersehen, dass die Zeugin Dr. B. bei ihrer polizeilichen Vernehmung die Mobiltelefonnummer des Angeklagten auswendig nennen konnte. Dazu hat es darauf hingewiesen, dass die Zeugin angegeben habe, sie könne sich Zahlen gut merken. Ihrer Kenntnis von der Telefonnummer des Angeklagten als Belastungsindiz hat das Landgericht die Tatsache entgegengehalten, dass der Angeklagte in einer Zeugenrolle diese Telefonnummer der Polizei zuvor als „Erreichbarkeit“ mitgeteilt hatte. Danach wäre es jedenfalls ungewöhnlich erschienen, wenn zur Verabredung umfangreicher Drogenlieferungen ein polizeibekannter Telefonanschluss benutzt worden wäre.
33
(5) Die Strafkammer hat ferner die Tatsache rechtsfehlerfrei gewürdigt, dass bei der Durchsuchung beim Angeklagten nach der Festnahme der Zeugen Dr. B. und G. zwar Waffen, Waffenteile und Schwarzpulver gefunden wurden, deren Besitz strafbar war, während andererseits keine Hinweise auf einen Drogenhandel zu finden waren. Hatte der Angeklagte die verbotenen Gegenstände nicht vor der Durchsuchung beseitigt, lag auch eine gezielte Beseitigung von Spuren eventueller Drogengeschäfte fern.
34
Die Schlussfolgerung des Landgerichts, der Waffenfund spreche „sogar dagegen, dass der Angeklagte aufgrund der Verhaftung der Zeugen G. und Dr. B. gewarnt war und daher mit einer Durchsuchung rechnete“, ist rechtlich unbedenklich.
35
(6) Das Landgericht hat schließlich nicht versäumt, die Umstände „auch in ihrer Zusammenschau“ zu würdigen. Wenn es darin zwar „Verdachtsmomente“ gesehen hat, die „für eine Verurteilung des Angeklagten jedoch nicht ausreichen“ , ist dies vom Senat hinzunehmen. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 325/09
vom
23. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. September 2009
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 7. April 2009
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen schuldig ist;
b) im Strafausspruch in den Einzelstrafen für die Fälle 1 bis 7 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in dreizehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine Revision führt mit der Sachrüge zur Schuldspruchänderung und Aufhebung in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, dass die Verurteilung in den Fällen 2 bis 7 der Urteilsgründe jeweils wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge der rechtlichen Überprüfung nicht standhält. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe 10 kg minderwertiges Cannabisharz zum Weiterverkauf erworben. Nach Reklamation erklärte sich sein Lieferant bereit, zum Ersatz 10 kg Marihuana zu liefern. Dies geschah in sechs Teillieferungen; nach deren Abschluss gab der Angeklagte das minderwertige Cannabisharz zurück. Das Landgericht hat die Ersatzlieferungen als jeweils selbständige Fälle (2 bis 7) des Handeltreibens angesehen und Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten verhängt; für die Tat 1 hat es eine Einzelstrafe von zwei Jahren festgesetzt.
3
Die Verurteilung in den Fällen 2 bis 7 muss entfallen, weil es sich bei den Umtauschlieferungen um unselbständige Teilakte der einheitlichen Tat 1 handelte (vgl. BGH NStZ 2005, 232; Weber BtMG 3. Aufl. § 29 Rn. 391 m.w.N.). Insoweit war daher der Schuldspruch zu ändern; die Einzelstrafen waren aufzuheben.
4
2. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts lässt sich nicht ausschließen , dass die Festsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe auf dem Rechtsfehler beruht. Auch die Einzelstrafe im Fall 1 der Urteilsgründe war aufzuheben, weil der neue Tatrichter den Unrechts- und Schuldgehalt des festgestellten Verhaltens insgesamt neu zu bewerten und zu einer Straffestsetzung unter Einbeziehung der unselbständigen weiteren Tathandlungen zu gelangen hat. Hierbei kann er auch eine die bisherige Einzelstrafe übersteigende neue Einzelstrafe festsetzen.
5
3. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Frau VRinBGH Dr. Rissing-van Saan ist wegen Erholungsurlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Rothfuß Rothfuß Fischer Roggenbuck Cierniak

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 599/11
vom
26. April 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. April
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 14. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Vom Vorwurf, einen weiteren Raubüberfall begangen zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer auf die Sachrüge und mehrere Verfahrensbeschwerden gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft den Teilfreispruch. Der Angeklagte wendet sich mit seinem die Verletzung materiellen Rechts geltend machenden Rechtsmittel gegen die Verurteilung.
2
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es einer Erörterung der erhobenen Verfahrensbeanstandungen nicht bedarf. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet.

I.


3
Nach den zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen schloss sich der Angeklagte in Weißrussland einer um H. bestehenden Bande an, die sich mit der Planung, Organisation und Durchführung von Banküberfällen in Deutschland befasste. Zur Begehung der Überfälle auf die von H. ausgewählten Banken reisten die Täter aus Weißrussland nach Deutschland und hielten sich nur für kurze Zeit im Inland auf. Der Angeklagte unterwarf sich den Regeln der Bande und ließ sich Ende September 2010 nach Deutschland schleusen. Am 1. und 12. Oktober 2010 beging er in K. und M. gemeinsam mit dem früheren Mitangeklagten R. jeweils unter Verwendung einer ungeladenen Schreckschusspistole zwei Banküberfälle, bei welchen 13.445 Euro und 24.950 Euro erbeutet wurden. Im Anschluss an die Tat am 12. Oktober 2010 in M. wurden der Angeklagte und sein Tatgenosse in der Nähe des Tatorts mit dem erbeuteten Bargeld festgenommen.
4
Hinsichtlich des Vorwurfs, am 15. Mai 2009 in L. zusammen mit einem Anderen eine Filiale der Sparkasse überfallen zu haben, ist das Verfahren in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
5
Von dem weiteren in der Anklage der Staatsanwaltschaft Essen vom 14. Januar 2011 erhobenen Vorwurf, am 22. Mai 2009 mit einem Tatgenossen einen Überfall auf eine Sparkasse in W. - verübt zu haben, hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach Auffassung der Strafkammer ist dem Angeklagten eine Beteiligung an dieser Tat nicht nachzuweisen, obwohl die bei dem Überfall am 22. Mai 2009 von der Überwachungskamera gefertigten Lichtbilder nach dem Ergebnis eines morphologischen Vergleichsgutachtens als einen der Täter mit Wahrscheinlichkeit den Angeklagten zeigen und an einem weißen Kapuzenpullover, den einer der Täter bei dem in L. am 15. Mai 2009 – sieben Tage vor der angeklagten Tat – verübten Überfall getragen hatte, u.a. eine DNA-Spur gesichert werden konnte, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 10 Milliarden dem Angeklagten als Spurenverursacher zugeordnet werden kann.

II.


6
Revision der Staatsanwaltschaft
7
Der Teilfreispruch hält einer materiell-rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Ausführungen der Strafkammer zur Begründung des Freispruchs entsprechen nicht den formellen Anforderungen, die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind. Zudem begegnen der Beweiswürdigung des Landgerichts durchgreifende rechtliche Bedenken.
8
1. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter grundsätzlich nach der Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Feststellungen in einer geschlossenen Darstellung bezeichnen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung dartut, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch notwendigen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden konnten. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechts- fehler unterlaufen sind, insbesondere ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt erschöpfend gewürdigt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 27. Januar 2011 – 4 StR 487/10, NStZ-RR 2011, 275, 276; vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793; vom 14. Februar 2008 – 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207). Diesen Anforderungen wird das an- gefochtene Urteil nicht gerecht. Die Urteilsgründe lassen jegliche Darstellung des festgestellten Tatgeschehens vermissen. Es bleibt daher offen, welche Erkenntnisse zur Identität der Täter des am 22. Mai 2009 verübten Überfalls die Strafkammer hat gewinnen können. Die Ausführungen zur Beweiswürdigung lassen lediglich erkennen, dass der Angeklagte auf den während des Überfalls aufgenommenen Lichtbildern der Überwachungskamera seinen Nachbarn in Weißrussland L. als einen der Täter identifiziert hat und der Zeuge B. in einem gesondert geführten Verfahren vom Vorwurf der Beteiligung an diesem Überfall rechtskräftig freigesprochen worden ist. Auf dieser Grundlage ist es dem Senat nicht möglich zu beurteilen, ob die Annahme der Strafkammer, eine Täterschaft des Angeklagten sei nicht nachzuweisen, auf einer den entscheidungserheblichen Sachverhalt ausschöpfenden Beweiswürdigung beruht.
9
2. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind.
Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 1996 – 3 StR 183/96, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11). Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08 aaO). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO; vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86; vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, 91).
10
Dem wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
11
a) Die Bewertung der Einlassung des Angeklagten beruht auf einer unvollständigen Würdigung. Das Landgericht hat der Einlassung des Angeklagten weder für sich noch in einer Zusammenschau mit den weiteren Beweisergebnissen eine für die Täterschaft des Angeklagten sprechende Beweisbedeutung beigemessen, weil sie widersprüchlich und im Ergebnis unverständlich geblieben sei. Dabei hat es die Strafkammer versäumt, sich mit dem Inhalt der Angaben des Angeklagten im Einzelnen näher auseinanderzusetzen, die sich daraus ergebenden Widersprüche zu bewerten und auf dieser Grundlage zu prüfen, ob nicht Teile der Angaben gegebenenfalls in Verbindung mit den übrigen Ergebnissen der Beweisaufnahme geeignet erscheinen, den Angeklagten im Sinne des Anklagevorwurfes zu belasten. So wäre zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte die Tat am 22. Mai 2009 in W. – neben dem Überfall am 15. Mai 2009 und einem weiteren Banküberfall in H. – nicht nur pauschal eingeräumt, sondern sich selbst auf den während des Überfalls gefertigten Lichtbildern der Überwachungskamera als einen der Täter wiedererkannt hat, was mit der gleichzeitigen Behauptung, aber nicht „da gewesen“ zu sein, offenkundig nicht zu vereinbaren ist. Auch weist das Urteil auf einen Banküberfall in H. hin; dessen Tatzeit (28. Mai 2009) wäre mit der Einlassung, im Jahr 2009 nicht in Deutschland gewesen zu sein, unvereinbar. Die Angaben des Angeklagten zum eigenen Wiedererkennen hätten schließlich in die Würdigung des morphologischen Vergleichsgutachtens mit einbezogen werden und Anlass für die Erwägung geben müssen, ob das Ergebnis des Gutachtens und die Angaben des Angeklagten in einer Gesamtschau eine hinreichend sichere Identifizierung des Angeklagten ermöglichen.
12
b) Die Überlegungen der Strafkammer, mit welchen sie der dem Angeklagten mit hoher Wahrscheinlichkeit zuzuordnenden DNA-Spur auf dem nach der Tat in L. am 15. Mai 2009 sichergestellten Kapuzenpullover jeglichen Indizwert für eine Täterschaft des Angeklagten abgesprochen hat, sind ebenfalls lückenhaft. Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten, er habe zum damaligen Zeitpunkt in einer Grenzstadt gelebt, viele Freunde gehabt , die nach Deutschland gefahren seien, und mit diesen eigentlich regelmäßig Kleidungsstücke – darunter auch einen solchen Kapuzenpullover – getauscht , als unwiderlegt angesehen. Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung hat es nicht festgestellt. Die Einlassung wird entgegen der Ansicht der Strafkammer auch nicht durch die im Urteil wiedergegebene Aussage des Zeugen S. bestätigt. Denn die Bekundungendes Zeugen, wonach die bei den Überfällen von den Tätern getrageneBekleidung jeweils von H. besorgt worden sei, lässt sich mit den Angaben des Angeklagten, mit nach Deutschland reisenden Freunden regelmäßig Kleidungsstücke ausgetauscht zu haben, in tatsächlicher Hinsicht ohne ergänzende , von der Strafkammer nicht vorgenommenen Erläuterungen nicht in Einklang bringen. Die Aussagen des Zeugen S. lässt zudem gerade die Möglichkeit offen, dass der Kapuzenpullover dem Angeklagten durch H. vor dem Überfall zur Verfügung gestellt und vom Angeklagten bei Begehung der Tat getragen wurde. Auch dies hat das Landgericht erkennbar nicht bedacht.

III.


13
Revision des Angeklagten
14
Die Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 167/01
vom
4. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2001, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Schaal,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2000, soweit es den Angeklagten K. betrifft, 1. im Schuldspruch dahin abgeändert, daß
a) der Angeklagte im Fall II. 5 der Urteilsgründe des Betrugs in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung und
b) in den Fällen II. 22, 23 der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit unerlaubtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln schuldig ist, und 2. im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fünfzehn Straftaten zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Staatsanwaltschaft greift mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision ersichtlich nur den Schuldspruch in den Fällen II. 5, 22 und 23 der Urteilsgründe an. Zudem beanstandet sie die Strafzumessung. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat insoweit mit der Sachrüge Erfolg. 2. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen beging der Angeklagte mit zum Teil gesondert verfolgten Mittätern die Taten, um in der Stuttgarter Drogenszene Geld oder Betäubungsmittel zu erbeuten.
a) An zwei Tagen im Herbst 1999 beschlossen der Angeklagte und ein Mittäter, Drogendealer mit Gewalt dazu zu bringen, ihnen Drogen ohne Bezahlung auszuhändigen. In den Fällen II. 22 und 23 der Urteilsgründe erklärten sie diesen jeweils, von ihnen für 100,-- DM Kokain kaufen zu wollen. Als diese ihnen das Rauschgift zeigten, versuchten sie danach zu greifen und ohne Bezahlung zu flüchten. Die Drogendealer hielten sie jedoch jeweils davon ab. Daraufhin bedrohte sie der Mittäter jeweils absprachegemäß mit einem Messer. Unter dieser Bedrohung übergaben sie ihnen das Kokain. Das Landgericht hat den Angeklagten in beiden Fällen insoweit wegen Nötigung in Tateinheit mit unerlaubtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln verurteilt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt anstelle der Verurteilung wegen Nötigung eine Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung.
b) Am 26. November 1999 hatten der Angeklagte und seine Mittäter beschlossen , sich als Betäubungsmittelhändler auszugeben und Kunden “abzu-
zocken”, die Drogen erwerben wollten. Hierunter verstanden sie, daß sie sich von ihren Opfern das Kaufgeld ohne eine Gegenleistung geben lassen wollten, entweder durch Täuschung oder zusätzlich mit Gewalt oder Drohungen. Demgemäß täuschten der Angeklagte und seine Mittäter im Fall II. 5 dem Zeugen M. - einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten - vor, diesem Heroin verkaufen zu wollen. Nachdem der Zeuge dem Angeklagten 100,-- DM übergeben hatte, liefen der Angeklagte und seine Mittäter mit dem Geld sofort davon. Als sie sich bereits 200 m entfernt hatten, holte der Zeuge sie ein und forderte sein Geld zurück. Nunmehr wurde der Zeuge von dem Angeklagten und seinen Mittätern in gemeinschaftlichem Zusammenwirken geschubst und getreten, um ihm klarzumachen, daß er weitere Schläge zu befürchten habe, falls er nicht von seinem Rückforderungsverlangen absehe. Kurz darauf griffen Polizeibeamte ein und nahmen die Täter fest. Der Angeklagte gab daraufhin dem Zeugen das Geld zurück. Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit wegen vollendeten Betrugs in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie tateinheitlich hierzu begangener Nötigung verurteilt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt anstelle der Verurteilung wegen Nötigung eine Verurteilung wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung. 3. Die Würdigung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Nach den Feststellungen ist in den Fällen II. 22 und 23 der Urteilsgründe schwere räuberische Erpressung (§§ 253, 255 i. V. m. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) gegeben. Wer einen Rauschgifthändler mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich zu Unrecht zu bereichern, macht sich nicht der Nötigung, sondern der räuberi-
schen Erpressung schuldig. Das Landgericht hat sich an einer entsprechenden Verurteilung gehindert gesehen, weil der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln nicht durch § 253 StGB als Vermögen strafrechtlich unter Schutz stehe. Hierbei hat es verkannt, daß die Rechtsordnung im Bereich der Vermögensdelikte ein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen nicht kennt (vgl. BGHSt 8, 254, 256; BGH NStZRR 1999, 184, 185 f.; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 263 Rdn. 29 m.w.N.). Auch an Sachen wie Rauschgift, die jemand aufgrund einer strafbaren Handlung besitzt und als Tatmittel zur Begehung geplanter Straftaten bereitstellt, kann unbeschadet ihrer Zweckbestimmung oder Bemakelung Erpressung und Betrug begangen werden. Der Bundesgerichtshof hat deshalb auch bereits entschieden, daß das Nötigen zur Herausgabe von Betäubungsmitteln mittels Androhung von Gewalt den Straftatbestand der schweren räuberischen Erpressung erfüllen kann (BGHR BtMG § 29 I Nr. 1 Sichverschaffen 2; vgl. auch BGHR StGB § 263 I Versuch 1).
b) Nach den Feststellungen liegt im Fall II. 5 der Urteilsgründe ein vollendeter Betrug nach § 263 StGB vor. Der Zeuge M. hatte durch die Hingabe des Geldes eine Vermögensverfügung getroffen und dadurch einen Vermögensschaden erlitten. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß derjenige einen Vermögensschaden erleidet, der eine Geldleistung im Rahmen eines verbotenen oder sittenwidrigen Geschäftes erbringt, ohne die vereinbarte Gegenleistung zu erhalten. Betrug ist daher auch möglich beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (vgl. BGH bei Holtz, MDR 1979, 806; Tröndle /Fischer StGB 50. Aufl. § 263 Rdn. 29). Der Vermögensschaden hatte sich schon dadurch realisiert, daß der Angeklagte das Geld erhalten hatte und 200 m weit flüchten konnte.
Der Angeklagte ist weiterhin neben gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) auch der versuchten räuberischen Erpressung gemäß §§ 249, 253 Abs. 1 und 3, 255 StGB schuldig; Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 250 StGB sind dagegen nicht ersichtlich. Der Angeklagte und seine Mittäter wollten einen Drogenkäufer betrügen und gegebenenfalls zusätzlich Gewalt oder Drohungen anwenden, um das Kaufgeld ohne Gegenleistung zu erlangen. Tatsächlich wurde der Zeuge M. auch geschubst und getreten, um ihn davon abzuhalten, sein Rückgabeverlangen durchzusetzen, nachdem er die Täuschung bemerkt hatte. In solchen Fällen findet auch der Erpressungstatbestand jedenfalls dann Anwendung, wenn unmittelbar anschließend das Mittel der Gewalt eingesetzt wird, um das Opfer zu einem solchen Verhalten zu nötigen (vgl. auch BGHSt 25, 224, 226; BGH NJW 1984, 501; BGHR StGB § 263 I Versuch 1 m.w.N.; zum umgekehrten Fall, daß der Käufer sein Geld mit Nötigungsmitteln zurückverlangt, vgl. BGH NStZRR 2000, 234). Da es dem Angeklagten und seinen Mittätern nicht gelungen ist, den Zeugen M. v on seinem Herausgabeverlangen abzuhalten, ist nur ein Versuch gegeben. Versuchte räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung stehen zum Betrug in Tateinheit (§ 52 StGB). Tatmehrheit ist nicht gegeben, weil der Betrug zwar vollendet, aber noch nicht beendet war. 4. Infolge der Schuldspruchänderung zum Nachteil des Angeklagten kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat den Umstand , daß der Angeklagte - nach seiner Rechtsauffassung - in sechs Fällen Verbrechenstatbestände verwirklicht hat, als straferschwerend hervorgehoben. Angesichts der Verwirklichung weiterer Verbrechenstatbestände vermag der Senat nicht auszuschließen, daß das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine höhere Strafe verhängt hätte.
Der Senat ändert den Schuldspruch selbst. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Schon die Anklage war davon ausgegangen, daß der Tatbestand der (schweren) räuberischen Erpressung gegeben ist. Im übrigen ist auch nicht ersichtlich, daß sich der Angeklagte gegebenenfalls erfolgversprechender als geschehen hätte verteidigen können.
Nack Wahl Schluckebier Kolz Schaal

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 295/05
vom
20. September 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 20. September 2005
einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 11. April 2005 werden als unbegründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen" schweren Raubes zu Freiheitsstrafen verurteilt. Hiergegen richten sich ihre auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel bleiben erfolglos. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahmen die drogenabhängigen Angeklagten der Geschädigten, die ebenfalls Heroinkonsumentin war, unter Einsatz eines Messers ca. 4 bis 6 g Heroin weg. Die Überprüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Insbesondere hält die rechtliche Bewertung des Tatgeschehens als schwerer Raub der Nachprüfung stand. Anlass zu näherer Erörterung gibt lediglich die Beanstandung der Revision des Angeklagten P. , eine Verurteilung wegen eines Eigentumsdelikts sei nicht möglich, weil es sich bei dem weggenommenen Betäubungsmittel
nicht um eine fremde Sache handele. Diese Rüge ist nicht begründet; die weggenommenen Drogen waren für die Angeklagten fremd. Der Bundesgerichtshof hat auch illegal besessene Drogen in seiner bisherigen Rechtsprechung ohne nähere Begründung als taugliche Objekte für Eigentumsdelikte wie Diebstahl nach § 242 StGB oder Raub nach § 249 StGB angesehen (vgl. BGH NJW 1982, 708; 1982, 1337 f.). Eine Überprüfung unter Berücksichtigung der hiergegen erhobenen Einwände gibt keinen Anlass zu einer Än derung dieser Auffassung. Fremd ist eine Sache wenn sie verkehrsfähig ist, das heißt überhaupt in jemandes Eigentum stehen kann, nicht herrenlos ist und nicht im Alleineigentum des Täters steht (vgl. Ruß in LK 11. Aufl. § 242 Rdn. 6 ff.). Nach dem festgestellten Sachverhalt war das weggenommene Heroin weder derelinquiert noch im Eigentum der Täter. Es handelte sich aber auch um eine verkehrsfähige Sache, die im Eigentum eines anderen stand:
1. Als verkehrsunfähig werden allgemein Sachen angesehen, die nach ihrer Beschaffenheit nicht im Eigentum eines anderen stehen können, etwa die Luft in der Atmosphäre, frei fließendes Wasser u. ä. (vgl. Ruß aaO Rdn. 8); dies trifft für Betäubungsmittel ersichtlich nicht zu.
2. Das Merkmal der Verkehrsfähigkeit illegaler Drogen wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Eigentum an ihnen nach den Verbotsvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes in Verbindung mit § 134 BGB nicht rechtsgeschäftlich übertragen werden kann.

a) Eine Mindermeinung vertritt demgegenüber die Auffassung, dass zwar ein ursprüngliches - etwa durch Produktion - erlangtes Eigentum trotz der
Nichtigkeit etwaiger Übertragungsakte formal fortbestehe, aber nicht mehr feststellbar und vom Vorsatz eines Täters nicht umfasst sei (so Engel, NStZ 1991, 520 ff.), bzw. auf eine "leere Begriffshülse" reduziert sei und deshalb kein Grund für einen strafrechtlichen Schutz bestehe (so Schmitz in MüKo § 242 Rdn. 14).

b) Dem folgt der Senat in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung nicht (vgl. Ruß aaO Rdn. 8; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 242 Rdn. 19; Kindhäuser in Nomos Kommentar zum StGB § 242 Rdn. 21; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 242 Rdn. 9; Maurach/Schroeder/Maiwald § 32 Rdn. 25; Mitsch BT II/1 § 1 Rdn. 34; Wessels/Hillenkamp Rdn. 62; Marcelli NStZ 1992, 220; Vitt, NStZ 1992, 221).
aa) Soweit Engel (aaO) illegal besessene Drogen für "eigentumsunfähig" hält, übersieht er, dass die Vorschriften des BtMG in Verbindung mit § 134 BGB wohl die rechtsgeschäftliche Begründung neuen Eigentums hindern, aber ohne Auswirkung auf bestehende Eigentumsverhältnisse sind. So verliert der Produzent von Marihuana das Eigentum nicht allein dadurch, dass der Anbau und der Besitz von Betäubungsmitteln ohne Erlaubnis verboten sind. Im Übrigen haben Marcelli und Vitt (aaO) im Einzelnen nachgewiesen, dass Konstellationen möglich sind, in denen Eigentum an illegalen Drogen auch auf nicht rechtsgeschäftliche Weise erlangt werden kann, die nicht von § 134 BGB erfasst ist, was insbesondere für die Produktion und Bearbeitung gilt. Zudem haben sie zu Recht darauf hingewiesen, dass illegale Drogen ganz überwiegend aus dem Ausland kommen und somit ein etwaiger Eigentumserwerb nach den möglicherweise nach Land und Drogenart unterschiedlichen ausländischen Rechtsordnungen beurteilt werden müsste.

Im Übrigen vermengt Engel (aa0) Fragen der dogmatischen Einordnung in unzulässiger Weise mit Fragen der Beweisbarkeit von objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen. Für die Verurteilung wegen eines Eigentumsdeliktes genügt jedoch die Feststellung, dass fremdes Eigentum verletzt ist; nicht notwendig ist die Ermittlung der Person des Eigentümers. Dementsprechend ist es auch belanglos, welche Vorstellungen der Täter über die Person des Eigentümers hat; es genügt, dass er weiß, dass die Drogen nicht in seinem Alleineigentum stehen und nicht herrenlos sind.
bb) Demgegenüber räumt Schmitz (aaO) zwar ein, dass auch an illegalen Drogen Eigentum bestehen könne. Er stellt jedoch darauf ab, dass der Eigentümer - etwa nach einem Verkauf - nicht mehr betroffen ist. Selbst wenn die Sache bei ihm gestohlen werden würde, wäre er in seinen Rechten aus § 903 BGB nicht beeinträchtigt, da ihm diese im Hinblick auf die Verbotsvorschriften des BtMG nicht zustehen (Schmitz aaO). Dabei bleibt unberücksichtigt, dass die Strafvorschriften zum Schutz des Eigentums nach § 242, § 259 StGB für den Begriff der fremden Sache allein auf die formale Eigentumsposition, nicht aber auf die tatsächliche oder rechtliche Verfügbarkeit abstellen. Auch ein Eigentümer , der infolge Beschlagnahme, Insolvenz, Verpfändung o. ä. über sein Eigentum nicht mehr verfügen kann, wird durch diese Bestimmungen uneingeschränkt geschützt (vgl. Ruß, aaO Rdn. 7). Im Übrigen trifft es nicht zu, dass die Rechte eines Eigentümers aus § 903 BGB durch die Vorschriften des BtMG völlig beseitigt werden. Zu diesen zählt das - durch diese Vorschriften unberührte - Recht auf Eigentumsaufgabe und Vernichtung (vgl. Palandt, BGB 62. Aufl. § 903 Rdn. 5). Auch der Verbrauch selbst wird durch das BtMG nicht verboten , strafbar wäre insoweit nur der diesem vorausgehende Besitz.

Diese Auffassung steht in Übereinstimmung mit der Rechtslage bei einer Entziehung illegaler Drogen durch eine räuberische Erpressung. Hätten die Angeklagten bei dem Überfall die Filmdose nicht selbst weggenommen, sondern sich von der durch ein Messer bedrohten Geschädigten herausgeben lassen , wäre deren Vermögen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Nachteil zugefügt worden, was die Annahme eines Verbrechens der schweren räuberischen Erpressung gerechtfertigt hätte (BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3 m. w. N.).

c) Soweit Engel (aaO) darauf abstellt, ein Strafbedürfnis wegen der Verletzung fremden Eigentums entfalle schon deswegen, weil die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes eine ausreichende Ahndung ermöglichten, ist diese Argumentation bereits für sich dogmatisch fragwürdig und übersieht zudem , dass damit der Täter eines Drogendiebstahls oder gar eines Drogenraubes mit einem Käufer, der sich seinen Bedarf aus eigenen Geldmitteln kauft, auf eine Stufe gestellt wird, obgleich der Schuldgehalt nicht vergleichbar ist. Besonders augenfällig wird dies im hier zu entscheidenden Fall, in dem - ohne Berücksichtigung einer Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB - der Strafdrohung wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 StGB mit einem Strafrahmen von fünf bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe nur eine Strafdrohung nach § 29 Abs. 1 BtMG von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren gegen-überstehen würde.
Winkler Miebach von Lienen Becker Hubert

Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja __________________

StGB § 242 Abs. 1, § 259 Abs. 1
Illegal erworbene Drogen können tauglicher Gegenstand eines Eigentumsdeliktes sein.
BGH, Beschl. vom 20. September 2005 - 3 StR 295/05 - LG Flensburg

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 349/00
vom
24. August 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. August 2000 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Coburg vom 10. April 2000 werden als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten
ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten eine
Bande gebildet, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die
Strafkammer ist zutreffend von dem in der Rechtsprechung des
Senats konkretisierten Maßstab zum Bandenbegriff ausgegangen
und hat die besonderen Umstände des Einzelfalles entsprechend
gewürdigt. Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß
es den Angeklagten ersichtlich nicht nur um ihr Fortkommen
auf ihrer Reise von Rumänien nach Italien ging. Sie haben sich
in Deutschland wenigstens 16 Tage aufgehalten und währenddessen
gemeinschaftlich sechs (Banden-)Straftaten begangen.
Dabei haben sie im Falle zum Nachteil S. erhebliche
Bargeldbeute gemacht, was von vornherein beabsichtigt war.
Dies belegt, daß es ihnen nicht nur um die Befriedigung aktueller
Lebensbedürfnisse ging. In diesem Falle ist nach den
Feststellungen auch die Qualifikation des Bandenraubes
(§ 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB) gegeben, die indessen durch den
Qualifikationstatbestand des Raubes mit schwerer körperlicher
Mißhandlung (§ 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB) verdrängt
wird. Gleichwohl prägt diese Tat die (bandenmäßige) Verbindung
der Angeklagten mit. Ein anderer Zweck des Aufenthaltes
der Angeklagten in Deutschland als der, Straftaten zu begehen
, ist nicht erkennbar. Bei dieser Sachlage ergibt der Zusammenhang
der Urteilsgründe hinreichend den erforderlichen
gefestigten Bandenwillen der Angeklagten und belegt überdies
eine gegenüber der Mittäterschaft gesteigerte, über die jeweils
aktuelle Tat tendenziell hinausreichende deliktische Zusammenarbeit.
2. Der Senat ist durch den Anfragebeschluß des 4. Strafsenats
vom 14. März 2000 - 4 StR 284/99 - und den dazu ergangenen
Antwortbeschluß des 5. Strafsenats vom 4. April 2000 - 5 ARs
20/00 - nicht an der Entscheidung gehindert. Der 4. Strafsenat
beabsichtigt zu entscheiden, daß abweichend von der bisher
übereinstimmenden Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofes
für die Annahme einer Bande mehr als zwei
Bandenmitglieder erforderlich sind. Der 5. Strafsenat hat sich
dieser Rechtsauffassung angeschlossen; hingegen halten der
1. und der 2. Strafsenat an ihrer entgegenstehenden Rechtsprechung
fest. Die Antwort des 3. Strafsenats (vgl. § 132
Abs. 3 GVG) steht noch aus.
Der Anfragebeschluß verpflichtet die angefragten Senate nicht
dazu, ihrerseits den Großen Senat anzurufen, wenn sie an der
bisherigen Rechtsprechung festhalten wollen (BGH, IV. Zivilsenat
, NJW 1994, 2299 f.). Zwar kann die Anfrage den anfragenden
Senat gegenüber dem ihm zustimmenden angefragten
Senat binden (dazu Heußner DRiZ 1972, 119, 121 f.; siehe
auch K. Schäfer/Harms in LR StPO 24. Aufl. § 132 GVG
Rdn. 20; Hannich in KK 4. Aufl. § 132 GVG Rdn. 13). Eine darüber
hinausreichende Sperrwirkung, die alle angefragten, an
der bisherigen Rechtsprechung festhaltenden Senate hindern
würde, auf dieser Grundlage weiterhin zu entscheiden, sieht
aber das Gesetz nicht vor (§ 132 Abs. 2, 3; § 138 Abs. 1 Satz 3
GVG).
Unabhängig davon sieht der Senat keinen Anlaß, mit einer
Entscheidung in der vorliegenden Sache zuzuwarten. Die gegen
die Angeklagten ausgesprochenen Strafen liegen in einem
Bereich, der dem Unwertgehalt der begangenen Taten auch
dann gerecht würde, wenn die Diebstähle nicht als Bandentaten
, sondern lediglich als besonders schwere Fälle des Diebstahls
(im Sinne des § 243 Abs. 1 StGB) abgeurteilt worden
wären.
Granderath Nack Wahl
Schluckebier Kolz

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 427/04
vom
19. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Oktober 2004 beschlossen
:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung
der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil
des Landgerichts Schweinfurt vom 15. April 2004 Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
Damit ist der Beschluß des Landgerichts Schweinfurt vom
9. Juli 2004, durch den die Revision des Angeklagten als unzulässig
verworfen wurde, gegenstandslos.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Schweinfurt vom 15. April 2004 wird als unbegründet
verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe (zu 2):
1. Der Angeklagte ist Fernfahrer. Er spiegelte einer 16jährigen Anhalterin
vor, sie mit dem Lkw zu ihrem Ziel zu bringen, tatsächlich fuhr er auf einen
einsamen Parkplatz. Dort versuchte er sie gewaltsam an Handschellen zu fesseln
, die schon an der Karosserie des Führerhauses angebracht waren. Dies
scheiterte zwar an ihrem heftigen Widerstand, sie konnte jedoch nicht verhindern
, daß ihre Hose bei seinen Angriffen zerriß, er ihr den Slip herunterzog
und einen Finger in ihre Scheide steckte. Erst als sie eine Geschlechtskrankheit
behauptete, ließ er von ihr ab und sie konnte fliehen. Der Angeklagte fuhr
davon.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen
Vergewaltigung zu Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde ihm die Fahrerlaubnis
entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf
einer bestimmten Frist keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die fehlende charakterliche
Eignung des Angeklagten zum Fahren eines Kraftfahrzeugs wird in
der im einzelnen dargelegten bewußten intensiven Förderung der Tat durch die
Benutzung eines Fahrzeugs (Aufnahme der Geschädigten in den - mit Handschellen
präparierten - Lkw, ihre Verbringung zu dem einsamen Tatort, Ausnutzung
ihrer verminderten Verteidigungsmöglichkeiten) gesehen.
3. Die Revision des Angeklagten ist aus den vom Generalbundesanwalt
in seinem Antrag vom 22. September 2004 im einzelnen dargelegten Gründen
unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der näheren Ausführung bedarf nur folgendes:
Die Entziehung der Fahrerlaubnis entspricht uneingeschränkt der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach bedarf es bei schwerwiegenden
Straftaten, die unter (hier besonders intensiver) Nutzung des Kraftfahrzeugs
begangen werden, keines verkehrsspezifischen Gefahrzusammenhangs
zwischen Tat und Verkehrssicherheit, der hier nicht vorliegt (vgl. zusammenfassend
zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Senatsbeschluß
vom 14. Mai 2003 - 1 StR 113/03 = NStZ 2003, 658 ff. m.w.N.).
Die Revision weist allerdings mit Recht darauf hin, daß der 2. Strafsenat des
Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 26. September 2003 (2 StR 161/03 =
NStZ 2004, 144 ff.) - in dort allerdings nicht tragenden Erwägungen (aaO,
147) - den Standpunkt vertreten hat, eine Entziehung der Fahrerlaubnis käme
(damit auch in Fällen wie dem vorliegenden) nicht in Betracht, wenn der Angeklagte
im Zusammenhang mit der Tatbegehung die Sicherheit des Straßenverkehrs
nicht gefährdet habe, und auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien
, daß dies künftig der Fall sein werde. Diese Auffassung vertritt auch der
4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs; er hat die Frage dem Großen Senat für
Strafsachen vorgelegt (Beschluß vom 26. August 2004 - 4 StR 85/03, 155/03,
175/03), nachdem der erkennende Senat auf Anfrage des 4. Strafsenats in dieser
Sache vom 16. September 2003 (NStZ 2004, 86) mitgeteilt hat, daß er an
der bisherigen Rechtsprechung festhält, die nach seiner Auffassung dem Willen
des Gesetzgebers entspricht (Senatsbeschluß vom 13. Mai 2004 - 1 ARs
31/03 m.w.N.). Eine Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen ist bisher
nicht ergangen.
4. Unter diesen Umständen ist der Senat nicht gehalten, mit der Entscheidung
zuzuwarten. Der Anfragebeschluß hindert den Senat, der an der
bisherigen Rechtsprechung festhalten will, nicht, auf dieser Grundlage weiter
zu entscheiden (st. Rspr., vgl. BGHR GVG § 132 Anfrageverfahren 1; Urteil
vom 21. April 2004 - 1 StR 522/03; Beschluß vom 22. Januar 2004 - 1 StR
561/03). Für eine Zurückstellung (nur) der Entscheidung über die Maßregel,
wie sie bei einer beabsichtigten, vor der Entscheidung des Großen Senats aber
nicht möglichen Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung in Betracht
kommen kann (vgl. hierzu grundlegend das Teilurteil in der Sache 4 StR 85/03
vom 6. Juli 2004 = NJW 2004, 2686 ff.), sieht der Senat keine Veranlassung.
Nack Wahl Kolz
Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 349/00
vom
24. August 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. August 2000 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Coburg vom 10. April 2000 werden als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten
ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten eine
Bande gebildet, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die
Strafkammer ist zutreffend von dem in der Rechtsprechung des
Senats konkretisierten Maßstab zum Bandenbegriff ausgegangen
und hat die besonderen Umstände des Einzelfalles entsprechend
gewürdigt. Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß
es den Angeklagten ersichtlich nicht nur um ihr Fortkommen
auf ihrer Reise von Rumänien nach Italien ging. Sie haben sich
in Deutschland wenigstens 16 Tage aufgehalten und währenddessen
gemeinschaftlich sechs (Banden-)Straftaten begangen.
Dabei haben sie im Falle zum Nachteil S. erhebliche
Bargeldbeute gemacht, was von vornherein beabsichtigt war.
Dies belegt, daß es ihnen nicht nur um die Befriedigung aktueller
Lebensbedürfnisse ging. In diesem Falle ist nach den
Feststellungen auch die Qualifikation des Bandenraubes
(§ 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB) gegeben, die indessen durch den
Qualifikationstatbestand des Raubes mit schwerer körperlicher
Mißhandlung (§ 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB) verdrängt
wird. Gleichwohl prägt diese Tat die (bandenmäßige) Verbindung
der Angeklagten mit. Ein anderer Zweck des Aufenthaltes
der Angeklagten in Deutschland als der, Straftaten zu begehen
, ist nicht erkennbar. Bei dieser Sachlage ergibt der Zusammenhang
der Urteilsgründe hinreichend den erforderlichen
gefestigten Bandenwillen der Angeklagten und belegt überdies
eine gegenüber der Mittäterschaft gesteigerte, über die jeweils
aktuelle Tat tendenziell hinausreichende deliktische Zusammenarbeit.
2. Der Senat ist durch den Anfragebeschluß des 4. Strafsenats
vom 14. März 2000 - 4 StR 284/99 - und den dazu ergangenen
Antwortbeschluß des 5. Strafsenats vom 4. April 2000 - 5 ARs
20/00 - nicht an der Entscheidung gehindert. Der 4. Strafsenat
beabsichtigt zu entscheiden, daß abweichend von der bisher
übereinstimmenden Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofes
für die Annahme einer Bande mehr als zwei
Bandenmitglieder erforderlich sind. Der 5. Strafsenat hat sich
dieser Rechtsauffassung angeschlossen; hingegen halten der
1. und der 2. Strafsenat an ihrer entgegenstehenden Rechtsprechung
fest. Die Antwort des 3. Strafsenats (vgl. § 132
Abs. 3 GVG) steht noch aus.
Der Anfragebeschluß verpflichtet die angefragten Senate nicht
dazu, ihrerseits den Großen Senat anzurufen, wenn sie an der
bisherigen Rechtsprechung festhalten wollen (BGH, IV. Zivilsenat
, NJW 1994, 2299 f.). Zwar kann die Anfrage den anfragenden
Senat gegenüber dem ihm zustimmenden angefragten
Senat binden (dazu Heußner DRiZ 1972, 119, 121 f.; siehe
auch K. Schäfer/Harms in LR StPO 24. Aufl. § 132 GVG
Rdn. 20; Hannich in KK 4. Aufl. § 132 GVG Rdn. 13). Eine darüber
hinausreichende Sperrwirkung, die alle angefragten, an
der bisherigen Rechtsprechung festhaltenden Senate hindern
würde, auf dieser Grundlage weiterhin zu entscheiden, sieht
aber das Gesetz nicht vor (§ 132 Abs. 2, 3; § 138 Abs. 1 Satz 3
GVG).
Unabhängig davon sieht der Senat keinen Anlaß, mit einer
Entscheidung in der vorliegenden Sache zuzuwarten. Die gegen
die Angeklagten ausgesprochenen Strafen liegen in einem
Bereich, der dem Unwertgehalt der begangenen Taten auch
dann gerecht würde, wenn die Diebstähle nicht als Bandentaten
, sondern lediglich als besonders schwere Fälle des Diebstahls
(im Sinne des § 243 Abs. 1 StGB) abgeurteilt worden
wären.
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