Bundesgerichtshof Urteil, 26. Okt. 2016 - 2 StR 275/16

bei uns veröffentlicht am26.10.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 275/16
vom
26. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2016:261016U2STR275.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Oktober 2016, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Wimmer
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Erster Staatsanwalt bei der Verkündung, als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt aus als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 25. Januar 2016 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Die Anklage hat dem Angeklagten vorgeworfen, zum Nachteil des Geschädigten O. einen versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben. Das Schwurgericht hat die Anklage mit der Maßgabe zur Hauptverhandlung zugelassen, dass hinreichender Tatverdacht wegen gefährlicher Körperverletzung bestünde, nicht hingegen wegen eines versuchten Totschlags, weil der Angeklagte davon strafbefreiend zurückgetreten sei. Es hat das Strafverfahren insoweit vor einer allgemeinen Strafkammer des Landgerichts eröffnet.
3
2. Die Strafkammer hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Seit längerer Zeit störte sich O. daran, dass in unmittelbarer Nähe zur Wohnung seiner Eltern gedealt wurde und Drogenabhängige im selben Haus Betäubungsmittel konsumierten. Nachdem er in der Nacht vom 1. auf den 2. April 2015 Alkohol in nicht feststellbaren Mengen konsumiert hatte, beabsichtigte er, die Wohnung seiner Eltern aufzusuchen und dort zu schlafen. Auf dem Weg kam ihm spontan die Idee, die Anwesenden in der „Dealer- Wohnung“des Hochhauskomplexes aufzufordern, das Haus zu verlassen, um den Drogenhandel dort zu unterbinden.
5
O. , 1,82 m groß und 120 kg schwer, klopfte mehrfach „heftig“ gegen die Wohnungstür der „Dealer-Wohnung“. Der Angeklagte, der als sogenannter „Läufer“ für einen Drogenhändler Betäubungsmittel verkaufte und selbst „verstärkt“ Kokain konsumierte, lagnoch auf einer Matratze und wollte seine Ruhe haben; er rief, es sei geschlossen und forderte die ebenfalls im Raum anwesenden Zeuginnen A. , T. und E. auf, die Tür nicht zu öffnen. In Erwartung ihrer Mitfahrgelegenheit begab sich die Zeugin E. dennoch zur Tür und öffnete diese. In diesem Moment stieß O. die Tür „energisch“ auf und betrat das Zimmer „in aufrechter und aggressiver“ Körperhaltung. Er schrie die Anwesenden unvermittelt an und forderte den Angeklagten „lautstark“ auf, aus Köln zu verschwinden. Zwischen dem Angeklagten, der noch unter Kokaineinfluss stand, und O. , der eine Blutalkoholkonzentration von etwa zwei Promille aufwies, entwickelte sich ein „hitziges“ Wortgefecht. Auf die an O. gerichtete Frage des Angeklagten, wer er sei und was er hier wolle, entgegnete O. , der den Angeklagten bis dahin nicht kannte, dass dieser weggehen und in der Wohnung keine Drogen mehr verkaufen solle, was der Angeklagte ablehnte. Als der Angeklagte auf die Aufforderungen O. nicht weiter reagier- te, näherte sich dieser der Matratze, auf welcher der Angeklagte nach wie vor nackt lag, und trat mehrfach „in provozierender, aber nicht heftiger Weise“ gegen den Angeklagten, um diesen zum Aufstehen zu bewegen.
6
In der weiteren Folge kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden, bei welcher der Angeklagte, 1,70 m groß und 82 kg schwer, ein Messer gegen O. einsetzte. Den genauen Hergang der Auseinandersetzung hat das Landgericht nicht mit Sicherheit feststellen können. Insbesondere konnte die Strafkammer nicht feststellen, in welcher Situation der Messereinsatz erfolgte und wie sich die „Kampflage“ aus Sicht des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt darstellte. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass der Messereinsatz noch in einer Situation erfolgte, in welcher dieser zur Verteidigung gegen einen Angriff O. nicht mehr erforderlich gewesen wäre. Es sei „insbesondere nicht auszuschließen, dass der Angeklagte das Messer einsetzte, als er von O. seinerseits fortwährend durch Schläge attackiert wurde und deswegen Angst hatte, von dem körperlich überlegenen O. ernsthaft an der Gesundheit geschädigt zu werden.“
7
Zugunsten des Angeklagten ist das Landgericht „letztlich“ davon ausgegangen , dass O. die Wohnung zunächst unversehrt und ohne einen bis dahin erfolgten Messereinsatz verlassen und sich auf den Flur begeben habe, wobei „ebenfalls nicht sicher festgestellt werden konnte, ob der Angeklagte den Geschädigten hierzu an der Brust packte und ihn aus der Wohnung warf oder ob O. die Wohnung aus freien Stücken verließ, weil sich der Angeklagte und der Zeuge einig waren, die Angelegenheit vor der Tür und nicht vor den im Zimmer anwesenden Frauen zu klären.“
8
Das Landgericht ist ebenfalls „zugunstendes Angeklagten“ davon ausgegangen , dass O. dem Angeklagten, als dieser seinerseits die Wohnung verließ, auf dem Flur und für den Angeklagten unvermittelt einen Faustschlag auf den Kopf versetzt habe, so dass dieser das Gleichgewicht verloren habe und zu Boden gegangen sei, während der körperlich überlegene O. weiter in seine Richtung geschlagen habe. Zu Gunsten des Angeklagten ist die Strafkammer zudem davon ausgegangen, dass für ihn keine Möglichkeit zur Flucht bestanden habe, weil er sich noch auf dem Boden befunden habe, während die Zeuginnen E. und A. hinter ihm und O. unmittelbar vor ihm gestanden hätten; in dieser Situation habe er ein Messer durch eine der Zeuginnen übergeben bekommen und mit diesem in Richtung des O. „gewedelt“, um ihn auf diese Weise von weiteren Attacken abzuhalten, ohne ihn dabei stechen zu wollen.
9
Ferner ist das Landgericht davon ausgegangen, dass O. weiter in Richtung des Angeklagten geboxt habe und der Angeklagte daraufhin, weil er keine andere Möglichkeit mehr sah, den fortwährenden Angriff O. zu unterbinden, einen wenig tiefen Stich mit moderatem Kraftaufwand auf die rechte Seite oberhalb der Hüfte des O. gesetzt habe, ohne ihm dabei bleibende Schäden oder lebensgefährliche Verletzungen zufügen zu wollen. Da sichO. auch hiervon unbeeindruckt gezeigt habe, habe der Angeklagte diesem einen weiteren Stich mit der gleichen Absicht zugefügt, was O. indes nicht davon abgehalten habe, weiter nachzusetzen. Schließlich sei nicht auszuschließen , dass weitere Stiche im Zuge einer fortwährenden dynamischen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und O. erfolgt seien, bis O. mit dem Rücken zu Boden und der Angeklagte auf ihn gefallen sei. Zugunsten des Angeklagten sei davon auszugehen, dass er bei sämtlichen Stichen in der Absicht gehandelt habe, sich gegen O. zu verteidigen. Da der Messereinsatz nach alledem gerechtfertigt sei, hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen.

II.


10
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg. Der Freispruch ist tragfähig begründet. Gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag.
12
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14, NStZRR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 - 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 - 1 StR 597/15, Rn. 27, zit. nach juris, mwN [insoweit in NStZ-RR 2016, 272 nicht abgedruckt]). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa Senat, Urteil vom 22. September 2016 - 2 StR 27/16, Rn. 26, zit. nach juris mwN).
13
2. Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht.
14
a) Die Beweiswürdigung ist nicht lückenhaft. Den Urteilsgründen ist hinreichend zu entnehmen, dass das Landgericht die Konstellation einer einverständlichen Prügelei, die ein Notwehrrecht ausschließen kann (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1990 - 5 StR 106/90, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigung 6 mwN; Senat, Beschluss vom 15. September 2006 - 2 StR 280/06, NStZ-RR 2006, 376), bedacht hat. Die Strafkammer hat dazu ausgeführt, dass gerade „der Umstand , dass sich der Angeklagte nach seiner eigenen Einlassung auf den Flur begab, um nach den Tritten des Zeugen O. dort die Angelegenheit mit ihm zu ‚klären‘, was eine körperliche Auseinandersetzung für ihn nach den Gesamt- umständen jedenfalls voraussehbar machte, nicht dazu (führt), dass der Angeklagte den anschließenden Angriff des Zeugen O. hätte hinnehmen oder mit anderen Mitteln abwehren müssen“ (UA S. 60).
15
b) Die Beweiswürdigung ist auch nicht widersprüchlich. Insbesondere ist die Auffassung der Strafkammer, für die Richtigkeit der Angaben des Angeklag- ten sprächen „gewichtige Argumente“, tragfähig begründet.Die Verletzung an der Schulter des Angeklagten lasse sich mit seiner Einlassung, wonach er aufgrund des (ersten) Schlages durch O. sein Gleichgewicht verloren und mit der Schulter „an etwas entlang geschrabbt“ sei,nach Auffassung des insoweit sachverständig beratenen Landgerichts plausibel erklären. An dieser tatrichterlichen Beurteilung ändert der Umstand nichts, dass auch andere naheliegende Entstehungsmöglichkeiten für eine solche Verletzung in Betracht gezogen werden können.
16
c) Schließlich lassen die Urteilsgründe auch nicht die gebotene Auseinandersetzung mit der Einlassung des den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten vermissen. Das Landgericht hat eine eingehende Prüfung der den Angeklagten belastenden und entlastenden Indizien vorgenommen und diese ausdrücklich in ihrer Gesamtheit gewürdigt. Dass es sich im Ergebnis der schwierigen Beweislage nicht von der Zuverlässigkeit der Angaben des Geschädigten zu überzeugen und Zweifel nicht zu überwinden vermocht hat, ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Krehl Eschelbach Zeng Bartel Wimmer

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 32 Notwehr


(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 420/14
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –,
Richterin am Landgericht – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 24. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs und fahrlässigen unerlaubten Besitzes eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstandes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Vom Vorwurf, einen (besonders) schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einen Diebstahl begangen zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den hinsichtlich der Raubtat ergangenen Teilfreispruch.
2
Ausweislich der Ausführungen in der Revisionsrechtfertigung, mit denen die Beschwerdeführerin ausschließlich den Freispruch vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung als sachlich-rechtlich fehlerhaft beanstandet, ist das Rechtsmittel ungeachtet des in der Revisionsbegründung abschließend formulierten umfassenden Aufhebungsantrags auf diesen Teilfreispruch beschränkt (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1989 – 3 StR453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14 Rn. 7 mwN; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 7).
3
Die wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


4
Zu dem in der zugelassenen Anklage gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf, gemeinsam mit einem bislang unbekannten Täter einen schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, hat die Strafkammer folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
In den frühen Morgenstunden des 10. Juli 2013 gegen 2.00/2.30 Uhr klingelte es an der Wohnungstür des Geschädigten. Unbedarft öffnete er die Wohnungstür und erblickte zwei schwarz gekleidete und mit Sturmhauben maskierte männliche Personen, welche ihn unvermittelt zurück in seine Wohnung drängten und zu Boden zwangen. Einer der beiden Männer hielt einen schwarzen, etwa 50 bis 80 cm langen Schlagstock in der Hand und fuchtelte mit diesem herum, wobei er den Geschädigten auch am linken Unterarm traf. Während einer der beiden maskierten Männer den Geschädigten mit dem Fuß auf dem Brustkorb am Boden hielt, trug der andere verschiedene elektronische Geräte in der Wohnung zusammen. Er holte einen Rucksack aus dem Schlafzimmer und verstaute darin einen Laptop Sony Vaio, eine Playstation 3 sowie eine Toshiba Festplatte. Ferner stellte er ein Mischpult Traktor Kontrol S2, welches sich in einem Karton befand, zur Mitnahme bereit. Anschließend forderten die Täter den Geschädigten auf, sowohl seine Geldbörse als auch sein Mobiltelefon , ein Apple iPhone 4-8 GB, herauszugeben. Aus Angst und unter dem Eindruck des Überfalls stehend übergab der Geschädigte die geforderten Gegenstände. In der Geldbörse befanden sich u.a. der Personalausweis, der Führerschein und die Krankenkassenkarte des Geschädigten. Unter Mitnahme der genannten Gegenstände verließen die Täter sodann die Wohnung.
6
Das Mobiltelefon des Geschädigten verkaufte der Angeklagte am 22. Juli 2013 für 130 € an den Bruder seiner ehemaligen Freundin, nachdem er es in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis zum Verkauf selbst genutzt hatte. Das entwendete Laptop nutzte der Angeklagte vom 12. Juli bis 15. Juli 2013 und veräußerte es anschließend für 100 € an seine ehemalige Freundin. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten konnten am 22. Juli 2013 das Mischpult des Geschädigten sowie dessen Führerschein und Krankenkassenkarte aufgefunden werden.
7
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beteiligung an dem Raubüberfall zum Nachteil des Geschädigten freigesprochen, weil nicht habe festgestellt werden können, wie der Angeklagte an die Gegenstände aus der Tatbeute gelangt sei. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine wahldeutige Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei hat es verneint.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die dem Teilfreispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
9
1. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180). Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO; vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14 Rn. 7; vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86; vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, 91).
10
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
11
a) Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten, er sei, nachdem er am Tattag bis gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr bei seiner Schwester gewesen sei, von dort an die Schwimmhalle in Bitterfeld gefahren worden, wo er seinen Bekannten K. O. getroffen habe, der ihm „schöne Dinge“ angeboten und gefragt habe, ob er daran Interesse habe, als unglaubhaft bewertet. Dabei hat sie sich u.a. auf die Zeugenaussage der Schwester des Angeklagten gestützt, die bekundet hat, den Angeklagten gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr gemeinsam mit einer Freundin von ihr zur Haustür begleitet, ihn anschließend aber nicht zur Schwimmhalle gefahren zu haben. Wenn das Landgericht dieses Beweisergebnis dahingehend bewertet, dass dem Angeklagten für die Tatzeit ein Alibi fehlt (UA S. 22), liegt dem ersichtlich die Annahme zugrunde, dass es dem Angeklagten nach den zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten möglich war, nach dem Verlassen der Wohnung der Schwester um 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr die wenig später um 2.00/2.30 Uhr verübte Raubtat zu begehen. Die objektiv belegte Gelegenheit zur Tatausführung, die daraus resultiert, dass der Angeklagte maximal 1 ½ Stunden vor der Tat in der eine Tatausführung ermöglichenden Nähe zum Tatort unterwegs war, stellt aber ein den Angeklagten belastendes Indiz dar, das in seinem Beweiswert durch den bloßen Hinweis auf das fehlende Alibi zur Tatzeit nicht erschöpfend erfasst wird und daher in die tatrichterlichen Überlegungen hätte einbezogen werden müssen.
12
b) Im Rahmen der Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse wäre zudem zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte nicht nur über ohne weiteres selbst zu nutzende oder wirtschaftlich verwertbare Gegenstände aus der Beute verfügte , sondern mit dem Führerschein und der Krankenkassenkarte des Geschädigten auch solche Beutestücke in Besitz hatte, denen kein unmittelbarer Vermögenswert zukommt und für deren Überlassung durch einen Raubtäter kein nachvollziehbarer Anlass erkennbar ist.
13
c) Mit seiner der Ablehnung einer wahldeutigen Verurteilung zugrunde liegenden Annahme, der Erwerb der Gegenstände aus der Beute könne auch auf einem dritten Weg erfolgt sein, der in seiner konkreten Gestalt nicht näher bekannt sei, hat die Strafkammer schließlich eine Sachverhaltsvariante für möglich erachtet, für welche sich aus dem Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben. Soweit die Strafkammer in der Unglaubhaftigkeit der Schilderung des Angeklagten über den (hehlerischen) Erwerb der Gegenstände von seinem Bekannten K. O. einen Anhalt für ihre Annahme gesehen hat, hat sie verkannt, dass der widerlegten Einlassung des Angeklagten keine Beweisbedeutung zukommt, die gegen eine anderweitige hehlerische Erlangung der Beutestücke durch den Angeklagten spricht. Das Landgericht hat es insoweit versäumt, eine umfassende Würdigung aller Beweisumstände vorzunehmen und auf dieser Grundlage zu prüfen und zu entscheiden, ob die Beweisergebnisse die Überzeugung zu tragen vermögen, dass der Angeklagte die Gegenstände aus der Tatbeute entweder durch die Raubtat oder im Wege der Hehlerei erlangt hat.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR521/14
vom
24. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
24. März 2015, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt Ba.
als Vertreter der Nebenklägerin Bö. ,
Rechtsanwältin T.
als Vertreterin der Nebenklägerin H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 24. März 2014 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen und Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihn hinsichtlich weiterer vier Tatvorwürfe aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat der Senat im Beschlusswege gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen die Freisprüche des Angeklagten wegen drei der weiteren ihm vorgeworfenen Straftaten. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
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1. Dem Angeklagten lag zur Last, in zwei Fällen jeweils eine schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, indem er im Mai 2010 die Geschädigte Bö. und im Juni 2010 die Geschädigte H. durch heimliche Beibringung eines bewusstseinstrüben- den Mittels (sog. K.O.-Tropfen) in einen willenlosen Zustand versetzt und diesen jeweils zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs ausgenutzt habe. Darüber hinaus war ihm vorgeworfen worden, eine räuberische Erpressung in Tateinheit mit Anstiftung zum Betrug verübt zu haben; er habe U. und L. unter Androhung körperlicher Repressalien dazu gebracht, dass L. unter Vortäuschung von Zahlungswilligkeit und -fähigkeit einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen und anschließend dem Angeklagten das erlangte Mobiltelefon nebst SIM-Karte weisungsgemäß ausgehändigt habe.
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2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
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a) Die Nebenklägerin Bö. lernte den Angeklagten über einen Chat kennen und verabredete sich mit ihm für den Abend des 12. Mai 2010. Begleitet von ihrer Freundin P. und einem Bekannten des Angeklagten besuchten sie eine Diskothek, in der sie Alkohol tranken und sich küssten. Als ihr aufgrund des Alkoholkonsums schlecht wurde, wurde sie von mehreren Personen vor die Diskothek gebracht. Anschließend fuhr sie mit dem Angeklagten in einem Taxi zu dessen Wohnung. Dabei war sie alkoholbedingt enthemmt; sie wusste jedoch noch, was sie tat, und konnte sich ihrem Willen entsprechend ohne erhebliche Beeinträchtigung steuern und äußern (UA S. 51). Nachdem sie, in der Wohnung angelangt, weiterhin unter Übelkeit gelitten hatte, zog sie sich aus, legte sich ins Bett und schlief ein. Am nächsten Morgen verließ die Nebenklägerin Bö. die Wohnung des noch schlafenden Angeklagten, ohne ihn zu wecken , weil ihr Verhalten ihr peinlich war. Sie ließ sich von ihrem ehemaligen Freund nach Hause bringen, mit dem sie noch am selben Abend an einer Feier teilnahm.
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b) In der Nacht zum 3. Juni 2010 besuchte die Nebenklägerin H. , die „gerne Schnaps trank, diesen gut vertrug und am Vortag oderam Morgen des 3. Juni 2010 Crystal konsumiert hatte“ (UA S. 53), mit Freunden eine Diskothek. Dort traf sie den ihr bereits bekannten Angeklagten, mit dem sie früher „gelegentlich Zärtlichkeiten in nicht näher ermittelbarer Art“ (UA S. 52) ausge- tauscht hatte. Gemeinsam mit dem Angeklagten konsumierte sie innerhalb von zehn bis zwanzig Minuten jeweils zehn Gläser mit 4 cl „Wodka-Energy“. Etwa eine Stunde später fuhr sie mit dem Angeklagten und einem ihm Bekannten zu dessen Wohnung. Dort spielten sie bei weiterem Alkoholkonsum zu Dritt ein Spiel, in dessen Verlauf sie sich einzelne Kleidungsstücke auszogen und H. , die alkoholbedingt – lediglich – enthemmt ihre Mitspieler küsste. Außerdem kam es zwischen ihr und dem Angeklagten zum Geschlechtsverkehr. Nachdem sie zuvor ihren Freunden gegenüber telefonisch ihre baldige Rückkehr in die Diskothek angekündigt hatte, nutzte nicht ausschließbar der Bekannte des Angeklagten einen Toilettenbesuch H. s dazu, aus ihrem Mobiltelefon die SIM-Karte zu entfernen, zu zerbrechen und zu verstecken, weil er sich bei ihrem längeren Aufenthalt in seiner Wohnung einen intensiveren Austausch von Zärtlichkeiten mit ihr erhoffte. Gegen 6:00 Uhr schlief H. auf einem Sofa ein. Als sie kurz darauf wieder erwachte, war ihr aufgrund des vorangegangenen Alkohol- und Drogenkonsums schwindelig und ihr fiel ein, dass sie einen Termin beim Arbeitsamt hatte. Sie verließ die Wohnung und fuhr zunächst zu ihren Freunden, denen gegenüber sie über Schmerzen an den Oberschenkeln klagte und andeutete, sexuell bedrängt worden zu sein. Sie konsumierte Liquid Ecstasy und ließ sich von ihrer Hausärztin krankschreiben.
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c) Am 22. Mai 2010 schloss L. auf Veranlassung seines Freundes U. einen Mobilfunkvertrag, der die Aushändigung eines Mobiltelefons umfasste. Hierbei täuschte er seine tatsächlich nicht bestehende Zahlungswilligkeit und -fähigkeit vor. Die bis zum 13. Juli 2010 angefallenen Tele- fonkosten in Höhe von 355 Euro entrichtete er nicht. Um sich weiteren Forderungen des Mobilfunkanbieters und Vorwürfen seiner Mutter zu entziehen, dachte er sich aus, dass der sich mittlerweile in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte ihn und U. unter Ankündigung, diesen andernfalls töten zu wollen , gezwungen habe, den Vertrag abzuschließen.
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3. Die angefochtenen Freisprüche halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
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a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN).
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b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung der be- und entlastenden Umstände in jedem der angegriffenen Fälle vorgenommen und sich mit den Angaben der betroffenen Nebenklägerinnen ausführlich auseinandergesetzt. Die Schlussfolgerungen und Wertungen des Landgerichts sind tatsachenfundiert, lassen keine Rechtsfehler erkennen und halten sich im tatgerichtlichen Beurteilungsspielraum. Die Revision hat weder Widersprüche noch wesentliche Erörterungsmängel aufgezeigt. Die Beanstandungen der Revision zielen auf eine andere Bewertung von Tatsachen ab, die das Landgericht aber allesamt bedacht hat.
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aa) Hinsichtlich der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Bö. hat das Landgericht nicht ausschließen können, dass deren Erinnerungsvermögen – entgegen ihren Angaben – bei alkoholbedingter Enthemmung nicht vorübergehend aufgehoben, sondern insgesamt erhalten geblieben war. Nachvollziehbar hat es das Landgericht insbesondere aufgrund der Aussage der Zeugin Br. für möglich gehalten, dass Bö. sich ein Erlebnis, das ihr die Zeugin Br. im Zusammenhang mit einer Verabreichung von „K.O.-Tropfen“ geschildert hatte, zu eigen gemacht habe, um eine freiwillige Übernachtung bei dem Angeklagten gegenüber ihrer Mutter und ihrem ehemaligen Freund zu rechtfertigen (UA S. 83 f.). Die Zeugin Br. war von der Mutter der Nebenklägerin um ein Gespräch mit ihrer Tochter gebeten worden, weil die Mutter vermutet hatte, dass es eine Verbindung mit dem ihr von Br. berichteten Geschehen gäbe (UA S. 73). Das Landgericht hat weiter bedacht, dass die Nebenklägerin ihre Angaben zur Aufnahme der alkoholischen Getränke, zu ihrer Erinnerungslücke und ihrem Zustand beim Erwachen gegenüber verschiedenen Personen im Zeitablauf verändert hatte. Es vermochte nicht festzustellen, dass sie zu ihren wechselnden Schilderungen (vgl. UA S. 69, 71) etwa durch gravierende Angstzustände oder eine erhebliche Beeinträchtigung des seelischen Befindens und der körperlichen Gesundheit veranlasst worden sein könnte, da sie am Abend nach dem Geschehen mit Freunden feierte und Geschlechtsverkehr hatte (UA S. 75). Vielmehr hat das Landgericht nicht ausschließen können, dass die Nebenklägerin und ihre Freundin P. frühzeitig Handlungen, soweit sie elterlichen Erwartungen nicht entsprachen, nicht oder nicht vollständig preisgegeben oder aber der Beigabe von „K.O.-Tropfen“ zugeschrieben hätten. Insoweit hatte das Landgericht neben der Aussage der Zeugin Br. auch die Angaben der Zeugin P. in deren polizeilicher Vernehmung zu berücksichtigen, in der sie einräumte, dass Bö. deren Mutter das Geschehen anders geschildert und sie „wohl angeschwindelt habe, weil sie Ärger befürchtet habe, wenn sie die Wahrheit sage“ (UA S. 79 f.). Gegen diese Beweiswürdigung ist nichts zu erinnern.
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bb) In dem die Nebenklägerin H. betreffenden Fall ist das Landgericht von einem nicht ausschließbar einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und H. ausgegangen. Es hat dabei sämtliche – fürsich genommen gewichtigen belastenden – Indizien, wie Schmerzen und eine schwache Unterblutung an der Oberschenkelinnenseite, Nachweis von Sperma des Angeklagten in der Scheide der Nebenklägerin und von Gammahydroxybuttersäure (GHB) im Urin der Nebenklägerin (UA S. 94, 96) erkannt und bewertet, sich aber nach umfassender Gesamtwürdigung im Ergebnis nicht von dem in der Anklage vorgeworfenen Tatgeschehen zu überzeugen vermocht. Das Landgericht hat der Nebenklägerin H. nicht geglaubt, dass sie sich nicht habe erinnern können, ob es jemals zwischen ihr unddem Angeklagten Zärtlichkeiten in ansonsten unbeeinträchtigten Situationen gegeben habe (UA S. 84, 87, 98). Es hat ferner bedacht, dass aus sachverständiger Sicht eine Substanz mit dem Wirkstoff GHB auch noch nach dem vorgeworfenen Tatgeschehen eingenommen worden sein könnte. Das Landgericht ist insofern zu dem – nach den Gesamtumständen möglichen – Schluss gekommen, dass H. , in deren Urin auch Amphetamine nachgewiesen worden sind, am nächsten Morgen in der Wohnung ihrer Drogen konsumierenden Freunde Liquid Ecstasy eingenommen hat. Auch haben sich für die sachverständig beratene Strafkammer die von der Nebenklägerin beschriebene Erinnerungslücke und der Umstand, dass sie beim nächtlichen Telefonat mit ihrer Freundin „durcheinander“ gewirkt habe, allein durch den massiven Alkoholkonsum und nicht durch die Einnahme eines Narkosemittels erklären lassen (UA S. 88, 97). Die gewissen Parallelen zu den weiteren Anklagevorwürfen der übrigen Nebenklägerinnen mit dem Angeklagten hat das Landgericht gesehen (UA S. 98), es vermochte sich jedoch letztlich insbesondere wegen der Alkoholgewöhnung und der wechselnden Angaben der Nebenklägerin H. zu ihrem Erinnerungsvermögen nicht von einer erheblichen Willensbeeinträchtigung bei Durchführung des Geschlechtsverkehrs zu überzeugen. Diese Würdigung hat der Senat angesichts des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs hinzunehmen.
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c) Auf die wenig verlässlichen, von erheblichem Belastungseifer getragenen und zum Teil widersprüchlichen Angaben der Zeugen U. und L. hat die Strafkammer auch eingedenk der erst im August 2010 erfolgten Anzeigenerstattung zu Recht keine Verurteilung gestützt.
Sander Schneider König
Berger Bellay
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a) Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichter- liche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178). Dem Tatgericht obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11. November 2015 – 1 StR 235/15, wistra 2016, 78, vom 1. Juli 2008 – 1 StR 654/07 und vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, wistra 2008, 398; jeweils mwN).
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Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt , dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind; dies gilt auch, soweit der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. In sachlich-rechtlicher Hinsicht liegt ein Rechtsfehler vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. April 2012 - 4 StR 599/11 mwN).

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.