Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2015 - 1 StR 454/14

bei uns veröffentlicht am13.01.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 4 5 4 / 1 4
vom
13. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Januar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Mosbacher
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten Z. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten Z. und T. und die der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. April 2014 werden verworfen.
2. Die Angeklagten Z. und T. haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sowie die den Angeklagten Z. und T. hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hatte die Angeklagte Z. mit Urteil vom 3. Dezember 2012 wegen versuchten Betrugs in zwei Fällen und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, wobei das Landgericht davon ausging, dass die Gefahr bei der Sprengstoffexplosion bedingt vorsätzlich verursacht worden war. Der Mitangeklagte T. war in diesem Urteil wegen zweier tateinheitlicher Fälle der Beihilfe zum versuchten Betrug in Tateinheit mit Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, bei der die Gefahr ebenfalls bedingt vorsätzlich hervorge- rufen worden war, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt worden.
2
Auf die Revision der Angeklagten hob der Senat das Urteil mit Beschluss vom 16. September 2013 - 1 StR 264/13 - bezüglich der Angeklagten Z. mit den Feststellungen im Schuldspruch, soweit sie wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion verurteilt worden war, jedoch mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und im gesamten Strafausspruch auf. Hinsichtlich des Angeklagten T. hob der Senat das Urteil mit den Feststellungen - ebenfalls mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - auf. Im Umfang der Aufhebungen wurde die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

II.


3
Das Landgericht hat die Angeklagte Z. sodann mit dem angefochtenen Urteil wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und - bereits aufgrund des Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 3. Dezember 2012 - wegen versuchten Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
4
Den Angeklagten T. hat es wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Beihilfe zum versuchten Betrug zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
5
Gegen dieses Urteil wenden sich sowohl die Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft mit ihren Rechtsmitteln. Die Staatsanwaltschaft hat Revisionen zu Lasten beider Angeklagter eingelegt und diese mit der Sachrüge begründet. Die Angeklagten beanstanden ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts.

III.


6
Nach den rechtskräftigen und den im neuen Urteil getroffenen ergänzenden Feststellungen des Landgerichts betrieb die Angeklagte Z. die in ihrem Eigentum stehende, hochverschuldete Gaststätte „ K. “,in der der Angeklagte T. als Hilfskoch beschäftigt war. Es bestanden für diese Gaststätte eine Gebäudeversicherung sowie eine Geschäftsinhaltsversicherung bei der E. und eine Hausratversicherung bei der V. . Die beiden Angeklagten vereinbarten, eine Sprengstoffexplosion zur Aufhebung der Gebrauchsfähigkeit der Gaststätte herbeizuführen , damit die Angeklagte Z. unter Vortäuschen eines Versicherungsfalls an die entsprechenden Versicherungsleistungen gelangen konnte. Die Angeklagte Z. versprach dem Angeklagten T. , der zunächst nur 1.000 Euro für sein Tätigwerden forderte, ein Drittel der Versicherungssumme, wenn er die entsprechenden Manipulationen vornehmen würde.
7
Zur Ausführung dieses Plans trafen sich die Angeklagten während der Betriebsferien der Gaststätte am 3. Januar 2012 gegen 18.00 Uhr im Gastraum des Lokals. Die Angeklagte Z. übergab dem Angeklagten T. als Anzahlung 700 Euro. Der Angeklagte T. schraubte daraufhin zwei der drei Gasleitungen in der Küche der Gaststätte auf, so dass pro Stunde 10 kg Propangas entwichen, und eine unmittelbare Explosionsgefahr bestand. Die Angeklagte Z. begab sich anschließend in ihre über der Gaststätte im ersten Obergeschoss gelegene Wohnung, um diverse Gegenstände zu holen. Nach Vorstellung der beiden Angeklagten bestand zwar die Möglichkeit, dass es ohne weiteres Tätigwerden zu einer Explosion kommen könnte. Für wahrscheinlicher hielten die Angeklagten jedoch, dass der Angeklagte T. am Folgetag die Explosion mittels eines Feuerzeuges herbeiführen müsse. Zu diesem Zweck ließ der Angeklagte T. auch Werkzeug vor Ort zurück. Die Angeklagten rechneten damit, dass es bei der Explosion die Fensterfront nach außen drücken würde und die Gaststätte anschließend nicht mehr nutzbar wäre, der AngeklagteT. jedoch beim Auslösen der Explosion hinter der Tür zur Küche sicher wäre. Von einer Gefährdung für andere Menschen oder bedeutende fremde Sachwerte gingen die beiden Angeklagten nicht aus, obwohl sie diese bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätten erkennen können und müssen.
8
Durch die am 4. Januar 2012 um 4.15 Uhr eingetretene Explosion wurde die gesamte Wand an der Ostseite des Gebäudes bis unterhalb des Daches weggesprengt. Es entstanden keine Personenschäden, jedoch Sachschäden an den Nachbargebäuden im Gesamtwert von mindestens 394.281,44 Euro. Zum Teil zersprangen die Fensterscheiben der Nachbargebäude, so dass Scherben auf die in ihren Betten schlafenden Menschen fielen. Die Angeklagte Z. meldete den Schaden der Versicherung am 4. Januar 2012 und reichte am 16. Februar 2012 eine Schadensaufstellung über 167.587,00 Euro bei der E. und über 48.314,50 Euro bei der V. ein.
9
Die Polizei stellte bereits am 5. Januar 2012 fest, dass die Sprengstoffexplosion durch eine Manipulation verursacht worden war. Zu einer Auszahlung von Versicherungsleistungen kam es daher nicht. Der Angeklagte T.
legte am 7. März 2012 in Kenntnis dieser Tatsachen ein - auch die Angeklagte Z. belastendes - Geständnis ab.

IV.


10
Revision der Angeklagten Z.
11
Die Revision der Angeklagten Z. , mit der sie insbesondere die Strafzumessung rügt, bleibt ohne Erfolg. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
12
Die fehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Auch die Strafzumessung des Landgerichts weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Es liegt kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB vor, soweit das Landgericht zulasten der Angeklagten das „hohe Maß der Pflichtwidrigkeit“ sowie den entstandenen hohen Sachscha- den berücksichtigte (UA S. 22). Dass tatsächlich ein hoher, die Mindestgrenze für einen bedeutenden Sachwert (vgl. dazu Fischer, StGB, 62. Aufl., § 315 Rn. 16a) weit überschreitender Sachschaden eintrat, ist dem Gefährdungsdelikt des § 308 StGB nicht immanent und mithin ein zulässiges Strafzumessungskriterium. Ebenso verhält es sich mit dem besonders hohen Maß an Pflichtwidrigkeit , das darin zu sehen ist, dass eine unkontrollierte Explosion in einem dichtbesiedelten Bereich herbeigeführt wurde. Das sich daraus ergebende hohe Maß der persönlichen Schuld der Angeklagten darf strafschärfend berücksichtigt werden (vgl. auch Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 31).
13
Soweit die Revision beanstandet hat, dass das Landgericht die besonders erschwerte Haftsituation der Angeklagten Z. aufgrund von deren Schwerhörigkeit unzureichend berücksichtigt habe, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Zwar ist die Angeklagte Z. bereits fortgeschrittenen Alters und schwerhörig, jedoch hat sich das Landgericht mit diesem Umstand in seinem Urteil ausdrücklich auseinandergesetzt und dargelegt, dass die Schwerhörigkeit der Angeklagten Z. zur Überzeugung des Landgerichts aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindrucks weder eine besondere Beschwer in der Untersuchungshaft war, noch für die künftige Haftverbüßung sein wird.
14
Auch die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen die Angeklagte Z. sprechenden Umstände und unter besonderer Würdigung des engen Zusammenhangs zwischen der Sprengstoffexplosion und dem geplanten Versicherungsbetrug unter Erhöhung der Einsatzstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und Berücksichtigung der rechtskräftigen Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren bzw. neun Monaten für die beiden Betrugstaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten gebildet. Entgegen dem Revisionsvorbringen hat das Landgericht hierbei den für die Gesamtstrafe gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 StGB vorgegebenen Strafrahmen (Freiheitsstrafe bis zu sechs Jahren und zwei Monaten) nicht nahezu ausgeschöpft.

V.


15
Revision des Angeklagten T.
16
Der Angeklagte T. beanstandet mit seiner Revision, dass hinsichtlich seiner Person nur ein Fall der Beihilfe zum Betrug vorläge, da er keine Kenntnis von mehreren betroffenen Versicherungen gehabt habe; ferner sei er von diesem Versuch zurückgetreten, indem er frühzeitig ein - auch die Angeklagte Z. belastendes - Geständnis abgelegt habe und dadurch die Auszahlung der Versicherungsleistungen verhindert habe. Auch die Revision des Angeklagten T. , deren Beschränkung auf die Verurteilung wegen Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen wegen der tateinheitlichen Begehungsweise mit der nicht angegriffenen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion nicht wirksam ist, bleibt ohne Erfolg.
17
Insbesondere hat das Landgericht den Angeklagten T. rechtsfehlerfrei wegen Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen verurteilt. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass der Angeklagte T. gewusst hatte, dass die Angeklagte Z. „aufgrund der von ihm durchgeführten Tat gegenüber Versicherungsunternehmen einen Versicherungsfall vortäuschen würde, um dadurch zu Unrecht die Auszahlung von Versicherungssummen zu erreichen …“ (UA S. 10). Bereits dem Wortlaut nach ist also nicht nur eine Versicherung erfasst, sondern es ist vielmehr von einem Versicherungsfall die Rede. Darüber hinaus ist für den Gehilfenvorsatz nicht erforderlich, dass der Gehilfe alle Einzelheiten der Haupttat kennt. Vielmehr ist entscheidend, dass der Gehilfe die Dimension des Unrechts der ins Auge gefassten Tat erfassen kann. Der Gehilfenvorsatz unterscheidet sich insofern vom Anstiftervorsatz, da der Anstifter eine konkrete Tat vor Augen haben muss, während der Gehilfe einen von der Haupttat losgelösten Beitrag erbringt (BGH, Urteil vom 18. April 1996 - 1 StR 14/96, NStZ 1997, 272, 273; Beschluss vom 20. Januar 2011 - 3 StR 420/10, NStZ-RR 2011, 177; Urteil vom 18. Juni 1991 - 1 StR 164/91, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7). Der Angeklagte T. wusste vorliegend, dass die Angeklagte Z. den durch die Explosion entstandenen Schaden versicherungsrechtlich geltend machen wollte. Damit hat er den Umfang des Unrechts erkannt. Auf die Anzahl der geschädigten Versicherungen kommt es dabei nicht an.
18
Ferner hat das Landgericht hier zu Recht keinen Rücktritt vom Versuch durch das Geständnis des Angeklagten T. angenommen. Ein Fall des § 24 Abs. 2 StGB liegt nicht vor, da der Versuch bereits fehlgeschlagen war, als der Angeklagte T. sein Geständnis ablegte. Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn der Taterfolg aus Sicht des Täters mit den bereits eingesetzten oder zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreicht werden kann, ohne dass eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt wird (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 228; Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369; Beschluss vom 29. Januar 2002 - 4 StR 520/01, NStZ-RR 2002, 168, 169; Urteil vom 15. September 2005 - 4 StR 216/05, NStZ-RR 2006, 168, 169; Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09, NStZ 2010, 690, 691; Beschluss vom 22. März 2012 - 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239; Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156, 157 f.). Die Manipulation der Gasleitungen war zu diesem Zeitpunkt bereits von der Polizei entdeckt und die Angeklagte Z. der Tat verdächtigt worden, was der Angeklagte T. auch wusste. Daher war ihm bei Ablegen seines Geständnisses bewusst, dass eine Tatvollendung in Form der Auszahlung der Versicherungssumme durch die Versicherungsunternehmen nicht mehr erreicht werden könnte.

VI.


19
Revisionen der Staatsanwaltschaft
20
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben sowohl im Hinblick auf die Angeklagte Z. (nachfolgend 1.) als auch bezüglich des Angeklagten T. (nachfolgend 2.) erfolglos.
21
1. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit der Sachrüge in erster Linie gegen die Annahme einer nur fahrlässigen Verursachung der Gefahr für fremde Sachen von bedeutendem Wert. Diese Annahme beruhe nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung, da es widersprüchlich sei, wenn die Kammer einerseits annehme, dass die Angeklagten mit der Explosion die Fortführung der Gaststätte unmöglich machen wollten, andererseits aber den Angeklagten glaubte, dass sie von keiner konkreten Gefährdung für fremde Sachen von bedeutendem Wert ausgingen. Die Nachprüfung hat hier aber keinen Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten ergeben.
22
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei in der Beweiswürdigung den Angaben des Angeklagten T. Glauben geschenkt, dass die Angeklagten zwar die Möglichkeit gesehen hätten, dass eine Explosion ohne weiteres Zutun eintritt, sie es jedoch für wahrscheinlicher hielten, dass der Angeklagte T. am nächsten Tag mittels eines Feuerzeugs nachhelfen müsste und er davon ausging, dass er dabei hinter einer Tür in Sicherheit sei. Von einer Gefahr für Leib oder Leben anderer Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert sei man nicht ausgegangen. Diese Einlassung des Angeklagten T. sah das Landgericht als dadurch untermauert an, dass man am Tatort tatsächlich noch Werkzeug vorfand, das der Angeklagte für die geplante Manipulation am nächs- ten Tag zurückgelassen hatte. Ferner wurde diese Aussage nach Meinung des Landgerichts dadurch gestützt, dass die Angeklagte Z. sich nach Öffnen der Gasleitungen noch in ihre über der Gaststätte gelegene Wohnung begab. Dass es bei Gasexplosionen tatsächlich zu unterschiedlichen Geschehensabläufen kommen kann, bestätigte dem Landgericht der Sachverständige M. (UA S. 12). Das Landgericht setzte sich hierbei auch mit der Tatsache, dass der Angeklagte T. das Gas roch und sich der Funktionsweise von Gas grundsätzlich bewusst war, sowie mit dem von der Staatsanwaltschaft aufgezeigten Widerspruch auseinander, dass die Angeklagten einerseits die Nutzbarkeit der Gaststätte mittels der Explosion aufheben wollten, andererseits aber von keiner Gefahr für Leib oder Leben anderer Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert ausgingen. Das Landgericht gelangt jedoch im Rahmen der ihm originär zustehenden Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung , dass die Angaben des Angeklagten T. , die dieser konstant bei der Polizei und in der Hauptverhandlung machte und hierbei auch für ihn negative Fakten wie die Tatsache, dass er den Gasgeruch wahrnahm, angab, glaubhaft sind und dieser von keiner entsprechenden konkreten Gefährdung ausging. Nichts anderes kann für die Angeklagte Z. gelten, die ihre Einschätzung der Gefährdungslage ja gerade aus den ihr von dem Angeklagten T. übermittelten Informationen zu der Manipulation bilden musste. Ohne Rechtsfehler sieht das Landgericht es als untermauerndes Indiz gegen die Annahme einer konkreten Gefährdung durch die Angeklagte Z. an, dass diese sich nach der Manipulation noch einige Zeit in ihrer über der Gaststätte befindlichen Wohnung aufhielt. Denn dies unterstreicht, dass die Angeklagten die sofortige erhebliche Gefahr, die durch das austretende Gas entstanden war, nicht erkannten.
23
2. Das Landgericht hat auch rechtsfehlerfrei die Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren gegen den Angeklagten T. zur Bewährung ausgesetzt. Erforderlich für die Aussetzung zur Bewährung sind neben einer günstigen Sozialprognose auch noch besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB; außerdem darf die Verteidigung der Rechtsordnung den Vollzug der Freiheitsstrafe nicht gebieten (§ 56 Abs. 3 StGB). Dem genügt das angefochtene Urteil.
24
Das Landgericht nahm vorliegend ohne Rechtsfehler an, dass sich der Angeklagte T. bereits die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch aufgrund des Eindrucks der Untersuchungshaft ein Leben ohne Straftaten führen wird (§ 56 Abs. 1 StGB). Dies begründet das Landgericht vor allem damit, dass der Angeklagte T. aus Mitleid mit der Angeklagten Z. und nicht aus eigenem Gewinnstreben agierte, sich frühzeitig geständig zeigte und Aufklärungshilfe leistete. Ferner lebe der Angeklagte T. in einer festen Beziehung und gehe einer Arbeit nach. Auch die Tatsache, dass das Landgericht an dieser Stelle nicht explizit auf den Strafbefehl vom 4. Februar 2013 eingeht, begründet keinen Rechtsfehler. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe - insbesondere den Ausführungen unter II.2. - ergibt sich, dass das Landgericht die Verurteilung durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Mannheim durchaus gesehen hat. Es ist daher nicht zu besorgen, dass im Rahmen der Frage nach der positiven Sozialprognose dieser Aspekt keine Berücksichtigung fand.
25
Auch bei der Annahme der besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB unterliefen dem Landgericht keine ersichtlichen Rechtsfehler. Zwar weist die Staatsanwaltschaft zu Recht darauf hin, dass die besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB umso gewichtiger sein müssen, je näher die Freiheitsstrafe an der Zweijahresgrenze liegt (BGH, Urteil vom 21. März 1985 - 4 StR 53/85, wistra 1985, 147, 148; Urteil vom 27. August 1986 - 3 StR 265/86, NStZ 1987, 21; Urteil vom 18. September 1986 - 4 StR 455/86, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Aussetzung, fehlerhafte 2; Urteil vom 12. November 1987 - 4 StR 550/87, wistra 1988, 106, 107; Urteil vom 15. Februar 1994 - 5 StR 692/93, wistra 1994, 193; Urteil vom 12. Juni 2001 - 5 StR 95/01, StV 2001, 676). Jedoch hat das Landgericht hier eine umfassende Abwägung vorgenommen , die diesen Anforderungen genügt. Es bezieht insbesondere in seine Betrachtung mit ein, dass der nicht vorbestrafte Angeklagte sich nach der Untersuchungshaft erfolgreich um Arbeit bemüht hat, geständig war und Aufklärungshilfe leistete, durch die die Angeklagte Z. überführt werden konnte.
26
Ebenso wenig rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Landgerichts, dass die Verteidigung der Rechtsordnung den Vollzug der Freiheitsstrafe nicht gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB). Die Rüge der Staatsanwaltschaft, dass hier eine substantiellere Auseinandersetzung mit der Frage der Verteidigung der Rechtsordnung geboten gewesen wäre, greift nicht durch. Eine solche ist zwar, wie die Revision zu Recht vorträgt, geboten, wenn im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls eine Strafaussetzung für das allgemeine Rechtsempfinden schlechthin unverständlich oder gar unerträglich wäre, und die Strafaussetzung das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen erschüttern könnte (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1970 - 1 StR 353/70, BGHSt 24, 40, 46; Beschluss vom 21. Januar 1970 - 4 StR 238/70, BGHSt 24, 64, 66). Solch ein Fall liegt hier jedoch gerade nicht vor. Das Landgericht führt an, dass der Angeklagte T. den erheblichen Fremdschaden an den umliegenden Häusern nicht gewollt habe. Soweit die Staatsanwaltschaft in ihrer Revision auf die allgemeine Gefährlichkeit von Sprengstoffexplosionen abstellt, übersieht sie, dass generalpräventive Erwägungen - wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat (UA S. 25) - nicht dazu führen dürfen, bestimmte Tatbestände gänzlich von der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung auszuschließen (st. Rspr.; z.B. BGH, Beschluss vom 21. Januar 1970 - 4 StR 238/70, BGHSt 24, 64, 67; Urteil vom 27. September 2012 - 4 StR 255/12, NStZ-RR 2013, 40, 41). Auch wurde nicht festgestellt, dass zu dieser Zeit eine den Rechtsfrieden bedrohende Häufung derartiger Straftaten in der Gegend vorlag, die entsprechende Reaktionen erfordern würden (vgl. dazu Fischer, StGB, 62. Aufl., § 56 Rn. 14).
Raum Rothfuß Graf
Mosbacher Fischer

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a) im Schuldspruch, soweit die Angeklagte wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion verurteilt worden ist, jedoch mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen,
b) im gesamten Strafausspruch.
2. Auf die Revision des Angeklagten T. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen - mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
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Gründe:


I.


1
1. Das Landgericht hat die Angeklagte Z. wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tatmehrheit mit versuchtem Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren sechs Monaten, den Angeklagten T. wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren elf Monaten verurteilt.
2
Nach den Feststellungen der Strafkammer betrieb die Angeklagte Z. bis zum Jahr 2012 auf einem ihr gehörenden Grundstück innerhalb der denkmalgeschützten Klosteranlage in P. die Gastwirtschaft „ K. “. Die ursprünglich rentable Gastwirtschaft warf ab dem Jahr 2005 im- mer weniger Gewinne ab. Bis zum Jahr 2011 verschlechterte sich die Situation so sehr, dass die Angeklagte laufende Verbindlichkeiten, insbesondere ein ihr gewährtes Darlehen in Höhe von 260.000 Euro, nicht mehr regelmäßig bedienen konnte. Daneben ordnete die Lebensmittelüberwachung seit dem Jahr 2010 wiederholt Instandsetzungsmaßnahmen an und setzte im Jahr 2011 ein Bußgeld gegen sie fest. Alle Bemühungen der Angeklagten, Grundstück und Gastwirtschaft zu verkaufen, schlugen fehl.
3
Bereits seit 2010 hatte die Angeklagte Z. deshalb erwogen, sich der finanziellen Lasten durch die Verursachung eines Brandes oder einer Explosion des „K. “ zu entledigen. Ende 2011gewann sie den Angeklagten T. , der im „K. “ als Hilfskoch beschäftigt war, für die Durchführung ihres Planes. Nach ihrer Vorstellung sollte der Angeklagte T. während der jährlichen Betriebsruhe zum Jahreswechsel 2011/2012 durch Manipulationen an der Gas- oder Stromleitung eine Explosion oder einen Brand auslösen. Die Angeklagte Z. beabsichtigte, die Entschädigungsleistungen aus den für das „K. “ abgeschlossenen Versicherungsverträgen, insgesamt ca. 630.000 Euro, zu kassieren. Dem Angeklagten T. , der für seine Mitwirkung ein Überbrückungsgeld in Höhe von 1.000 Euro gefordert hatte, bot sie ein Drittel der Versicherungssumme als Belohnung an.
4
Am 3. Januar 2012 trafen sich die Angeklagten gegen 18:00 Uhr in der Gaststube des „K. “. Nach Aushändigung einer Teilsumme des geforder- ten Überbrückungsgeldes erklärte der Angeklagte T. der Angeklagten Z. , er werde die Gasleitung in der Küche an zwei Stellen öffnen. Entweder entzünde sich das Gas über Nacht von selbst, oder er werde es am Folgetag mittels eines langstieligen Feuerzeugs von einem Nachbarraum aus anzünden. Während sich die Angeklagte Z. in der Folge bis etwa 19:00 Uhr in ihrer über der Gaststube gelegenen Wohnung aufhielt, öffnete der Angeklagte T. die Gasleitung. Als die Angeklagte Z. nach dem Abschluss seiner Tathandlungen nicht erschien, wartete er zunächst innerhalb, sodann außerhalb des Hauses auf sie, entfernte sich aber schließlich allein vom Gelände. Die Angeklagte Z. verließ dieses zu einem nicht genauer bestimmbaren Zeitpunkt während des Abends, um bei ihrem Lebensgefährten zu übernachten.
5
Am 4. Januar 2012 um 4:15 Uhr kam es durch eine nicht näher bekannte Zündquelle zur Explosion, die das gesamte Gebäude bis zur Abbruchreife beschädigte. Durch die Druckwelle und herumfliegende Trümmer wurden die im Umkreis von acht bis vierzig Meter stehenden, teils bewohnten Gebäude erheblich beschädigt. Die in der angrenzenden Reithalle untergestellten Pferde kamen nur durch einen Zufall nicht zu Schaden. Eine konkrete Gefahr für Men- schen bestand nur deshalb nicht, weil zu diesem Zeitpunkt noch keine Personen im Umkreis des Gebäudes tätig waren.
6
Nach den Feststellungen der Strafkammer war die für eine Explosion ausreichende Menge ausgeströmten Propangases bereits unmittelbar nach dem Öffnen der Gasleitung erreicht und dadurch ein für die Angeklagten, wie von ihnen gebilligt, im Weiteren unkontrollierbarer Verlauf in Gang gesetzt worden. Beide wussten, dass es sich um einen für sie völlig unkontrollierbaren Vorgang handelte; sie nahmen zugleich billigend in Kauf, dass die Explosion auch wesentlich stärker hätte ausfallen können und dadurch nicht nur das „K. “ selbst, sondern auch Menschen, die sich zufällig gerade in der Nähe aufhielten, und fremde Nachbargebäude sowie die Pferde im Reitstall jedenfalls erheblich hätten gefährdet werden können.
7
In den Tagen nach der Tat ließ die Angeklagte Z. durch ihren Cousin und ihre Rechtsanwältin bei zwei Versicherern Ansprüche erheben. Wegen des bereits kurz nach der Tat aufkommenden Manipulationsverdachts erfolgten jedoch bis heute keine Entschädigungsleistungen.
8
2. Mit ihren Revisionen rügen beide Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts, die Angeklagte Z. darüber hinaus die Verletzung von Verfahrensrecht. Beide Revisionen erzielen mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

II.


9
Die Verfahrensrüge, mit der die Angeklagte Z. die Unverwertbarkeit zweier Mitschnitte eines Gesprächs beider Angeklagter am 8. März 2012 beanstandet , das mit Wissen und unter Mithilfe des Angeklagten T. von den Ermittlungsbehörden abgehört und aufgezeichnet worden war, bleibt erfolglos.
10
Mit ihrem Vortrag, der Verteidiger habe zum Abspielen des zunächst am 11. Hauptverhandlungstag eingeführten ersten Mitschnitts („Kurzversion“) eine „Erklärung“ abgegeben, genügt die Revision bereits nicht den Darlegungsanfor- derungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Sie teilt nicht mit, ob die Angeklagte durch diese „Erklärung“ ihres Verteidigers der Verwertung der Aufzeichnung rechtzeitig widersprochen oder ihr zugestimmt hat. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, weil ein etwa bestehendes Verwertungsverbot für sie disponibel war (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2006 - 1 StR 316/05, BGHSt 51, 1). Die von der Revision für ihre abweichende Auffassung in Bezug genommene Entscheidung des Senats vom 22. August 1995 (1 StR 458/95) ist auf Fälle wie den vorliegenden nicht anwendbar.
11
Soweit die Revision zudem die Verwertung eines am 16. Hauptver- handlungstag eingeführten weiteren Mitschnitts desselben Gesprächs („Langversion“ ) beanstandet, ist die Rüge unbegründet. Die Revision trägt vor, der Verteidiger habe diese Aufzeichnung zunächst eigens von einem Tontechniker bearbeiten lassen und sie sodann am 16. Hauptverhandlungstag dem Gericht übergeben. Gegen das angekündigte Abspielen dieser Aufzeichnung wurden allseits „keine Einwendungen erhoben“. Durch dieses Geschehen hat die Ange- klagte jedoch deutlich gemacht, dass sie den Mitschnitt gerade in die Hauptverhandlung einzuführen wünschte; infolgedessen ist ihr die Berufung auf ein Ver- wertungsverbot in der Revisionsinstanz versagt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - 1 StR 447/05, BGHSt 50, 272 mwN).

III.


12
Bei sachlich-rechtlicher Überprüfung des Urteils hält der Schuldspruch wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion hinsichtlich beider Angeklagter revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
13
1. Die Wertung der Strafkammer, die Angeklagten hätten nicht nur vor- sätzlich die Explosion des „K. “ herbeigeführt, sondern auch die Gefähr- dung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert billigend in Kauf genommen, beruht nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung.
14
Die hierzu von der Strafkammer getroffenen Feststellungen, - die Angeklagten hätten zumindest billigend in Kauf genommen, dass aufgrund der Öffnung der Gasleitung so viel Propangas in die Küche ausströmte, dass die hinsichtlich einer Explosion „gefahrdrohende Gasmenge bereits unmittelbar mit dem manipulativen Aufdrehen der Gaszufuhr praktisch erreicht“ war, und - die Angeklagten hätten gewusst, „dass es sich nach dem Öffnen der Gasleitungen um einen für sie völlig unkontrollierbaren Vorgang handelte“ , und dabei zugleich billigend in Kauf genommen, „dass die Explosion auch wesentlich stärker ausfallen könnte und dadurch (…) nicht nur das ‚K. ‘ selbst (…),sondern auch Menschen, die sich zufällig gerade in der Nähe aufhielten, und fremde Nachbargebäude sowie die Pferde im Reitstall jedenfalls erheblich gefährdet (…) werden würden“, werden von der Beweiswürdigung nicht getragen.
15
a) Zum Beleg eines Fremdgefährdungsvorsatzes stützt sich die Strafkammer - auch hinsichtlich der insgesamt bestreitenden Angeklagten Z. - auf die Angaben des Angeklagten T. .
16
Nach dessen subjektiver Vorstellung, über die er auch die Angeklagte Z. informiert hatte, habe es zwei mögliche Geschehensabläufe gegeben: Entweder komme es nach dem Öffnen der Gasleitung ohne weitere Einwirkung im Verlauf der Nacht zur Explosion, oder er selbst werde das Gas am nächsten Tag durch eine Verbindungstür zur Küche mittels eines langstieligen Feuerzeugs anzünden. Den zweiten Geschehensablauf habe er für wahrscheinlicher gehalten; die Angeklagte Z. habe ihm deshalb auch einen Hausschlüssel ausgehändigt. Nach dem Abschluss der Arbeiten an der Gasleitung, während derer die Angeklagte Z. mehrfach aus ihrer im Obergeschoss gelegenen Wohnung herunter gekommen sei und sich danach erkundigt habe, wie lange es noch dauere, habe er - zunächst im Haus und sodann außerhalb des Hauses - noch einige Zeit auf sie gewartet; sie sei jedoch nicht gekommen, weshalb er alleine weggegangen sei. Am Folgetag habe sie ihm telefonisch mitgeteilt, er brauche nicht mehr zu kommen, weil „es“ schon passiert sei.
17
Zu seiner Vorstellung von den zu erwartenden Schäden und Gefahren hat der Angeklagte T. angegeben, es sei entweder eine Explosion oder ein Brand geplant gewesen. Vorrangig habe die Küche brennen sollen, das Übergreifen des Feuers auf andere Gebäudeteile sei aber ebenso wie eine Explosion einkalkuliert gewesen. Die Angeklagte Z. habe ihm gegenüber geäu- ßert, es habe „bumm“ machen und die Küche bzw. das Gasthaus habe brennen sollen. Er habe mit dem tatsächlichen Ausmaß der Explosion nicht gerechnet; erst durch die Berichterstattung in den Fernsehnachrichten sei ihm bewusst geworden, dass er selbst hätte getötet werden können.
18
b) Aus diesen von der Strafkammer als glaubhaft erachteten Angaben ergibt sich indes nicht, dass der Angeklagte T. davon ausging, bereits unmittelbar nach dem Öffnen der Gasleitung sei die für eine Explosion erforderliche Gasmenge erreicht gewesen. Gleiches gilt für die Angeklagte Z. , die ihr Wissen über den technischen Ablauf des Vorhabens ausschließlich über den Angeklagten T. bezog. Die Beweiswürdigung belegt vielmehr für beide Angeklagte eine auf einen späteren, gegebenenfalls sogar zusätzliches aktives Eingreifen erfordernden Erfolg ausgerichtete subjektive Vorstellung.
19
c) Es ist im Übrigen nicht nachvollziehbar, dass der Angeklagte T. einerseits von einer für ihn selbst gefahrlosen späteren Entzündung des Gases aus dem Nachbarraum, andererseits aber von einem von Beginn an unkontrollierbaren Vorgang ausgegangen sein soll, der eine erhebliche Gefährdung außerhalb des Hauses befindlicher fremder Sachwerte mit sich brachte. Gleiches gilt für die Angeklagte Z. , die nicht nur aufgrund des ihr vonT. in Aussicht gestellten Geschehensablaufs diesem den Haustürschlüssel ausgehändigt , sondern sich selbst noch über einen längeren Zeitraum in dem Gebäude aufgehalten hat, ohne sich in Gefahr zu wähnen.
20
2. Im Übrigen hat die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils Rechtsfehler weder zum Nachteil der Angeklagten Z. noch zum Nachteil des Angeklagten T. ergeben.

IV.


21
1. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion bedingt hinsichtlich des Angeklagten T. auch die Aufhebung der Verurteilung wegen der tateinheitlich begangenen Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen und der verhängten Freiheitsstrafe.
22
Auch bei der Revision der Angeklagten Z. führt die Aufhebungder Verurteilung wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs einschließlich der für die beiden versuchten Betrugstaten verhängten Einzelstrafen. Die Höhe dieser Einzelstrafen ist durch die aufgehobene Verurteilung wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion ersichtlich beeinflusst, denn die Strafkammer hat jeweils die Voraussetzungen eines (unbenannten) besonders schweren Falles (§ 263 Abs. 3 Satz 1 StGB) bejaht und dies maßgeblich mit der Anknüpfung dieser Taten an die Explosionstat und an die dadurch bewirkte, wegen des von den Angeklagten in Kauf genommenen „nicht mehr zu kontrollierenden Geschehensablaufes“ bestehende Gefährdung fremder Rechtsgüter begründet.
23
2. Die Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf werden von den dargestellten Mängeln nicht berührt; sie können daher bestehen bleiben.

V.


24
Die Abfassung des Urteils gibt Anlass zu dem Hinweis, dass die Urteilsgründe nicht die Aufgabe haben, den Gang der Ermittlungen oder der Hauptverhandlung sowie mit der Tat nicht im Zusammenhang stehendes Randgeschehen in allen Einzelheiten wiederzugeben. Eine detaillierte Wiedergabe sämtlicher Aussageinhalte ist regelmäßig nicht veranlasst; darin liegt eine Beweisdokumentation , aber keine Beweiswürdigung (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2009 - 2 StR 147/09; Urteil vom 17. August 2001 - 2 StR 167/01, NStZ 2002,

49).


VI.


25
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass unter Berücksichtigung der neu zu treffenden Feststellungen zur inneren Tatseite auch eine Verurteilung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines (versuchten) Brandstiftungsdelikts in Betracht kommen kann.
Raum Rothfuß Graf
Radtke Mosbacher

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 420/10
vom
20. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Begünstigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
20. Januar 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 11. Mai 2010 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Betrug schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Begünstigung zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, führt auf die Sachrüge zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Schuldspruch hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat sich der Angeklagte als Gehilfe an der Vor- tat beteiligt, so dass er nicht wegen Begünstigung bestraft werden kann (§ 257 Abs. 3 Satz 1 StGB). Im Einzelnen:
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte sich der rechtskräftig wegen Betrugs verurteilte Haupttäter K. dazu entschlossen, rechtswidrige Einkünfte zum Nachteil des Telefonnetzanbieters M. zu erzielen. Dazu veranlasste er einen Mittäter, unter Verwendung falscher Personalien die Firma S. zu gründen, die sodann im März 2004 mit der M. einen sog. "Voice-Reseller-Vertrag" über einen lediglich geringfügigen Bezug von Telefonnetzkapazitäten gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 € abschloss. Wie K. von Anfang an beabsichtigte, sollte zu einem späteren Zeitpunkt mit technischer Hilfe eines eingeweihten Mitarbeiters von M. der Bezug von Telefonnetzkapazitäten innerhalb kurzer Zeit deutlich über den vertraglich vereinbarten Umfang hinaus erhöht und die so (vertragswidrig) erlangten Netzkapazitäten - noch bevor die M. dies durch Sperrung des Zugangs verhindern konnte - über die von K. beherrschte Firma Mo. an andere Telekommunikationsanbieter veräußert werden. Die Forderungen der M. wollte K. nicht erfüllen; die mit dem Verkauf der erhöhten Netzkapazitäten erzielten Erlöse sollten vielmehr in vollem Umfang ihm zufließen.
4
a) Der Angeklagte erklärte sich in der Folgezeit, jedenfalls vor April 2005, damit einverstanden, dass zur Verschleierung der Verbindung zwischen S. und Mo. eine weitere Schnittstelle der vom Angeklagten beherrschten Firma T. zwischen denjenigen von S. und Mo. eingerichtet und - um dem Haupttäter die aus der Veräußerung der Telefonkapazitäten gezogenen finanziellen Vorteile (endgültig) zu verschaffen - Scheinrechnungen von S. an T. und von T. an Mo. gestellt sowie die bei T. daraufhin eingehenden Gelder an K. weitergeleitet werden. Als Entgelt für diese Tätigkeiten sollte der Angeklagte einen Anteil in Höhe von 2,3% der Rechnungsbeträge erhalten. Ohne nähere Hintergründe und Einzelheiten des Vorgehens zu kennen, ging der Angeklagte zutreffend davon aus, dass durch die Einbindung der T. der tatsächliche Weg der Weiterleitung der Leitungskapazitäten sowie die Zahlungswege verschleiert werden sollten, um die Rückverfolgung zu Mo. zu erschweren und es dieser zu ermöglichen, die Kapazitäten zu verwerten, ohne von M. in Anspruch genommen zu werden. Dabei hielt der Angeklagte es jedenfalls für wahrscheinlich, dass der Leistungserbringer durch täuschende oder in sonstiger Weise strafbare Einflussnahme zur Freigabe der Leitungskapazitäten veranlasst und dass das hierfür zu entrichtende Entgelt nicht bezahlt werden würde.
5
b) Ab April 2005 wurde sodann plangemäß der Bezug von Telefonkapazitäten mit Hilfe eines beteiligten Mitarbeiters von M. deutlich erhöht, so dass S. im April 2005 Telefonnetzkapazitäten im Gegenwert von 652.562 €, im Mai 2005 von 820.243 € und vom 1. bis 24. Juni 2005 von 830.119 € (gesamt: 2.302.924 €) bezog. Der durch das Forderungsmanagement von M. deswegen gestellten Forderung weiterer Sicherheiten kam K. durch die Übersendung zweier gefälschter Bürgschaften am 22. April 2005 in Höhe von 200.000 € und am 19. Mai 2005 in Höhe von 600.000 € zum Schein nach, weshalb M. täuschungsbedingt zunächst davon absah, den weiterhin erhöhten Bezug von Telefonkapazitäten zu unterbinden. Erst als das Forderungsmanagement von M. erkannte, dass die Bürgschaften gefälscht waren, beendete es am 24. Juni 2005 die Bezugsmöglichkeit von Netzkapazitäten durch S. .
6
Die abgerufenen Telefonkapazitäten gab der Angeklagte über die - mit seiner Kenntnis und Billigung eingerichtete - Schnittstelle der T. an die Firma Mo. weiter, die sie an andere Telekommunikationsanbieter ver-äußerte.
Die vom Angeklagten in diesem Zusammenhang plangemäß erstellten Rechnungen der T. an Mo. in Höhe von 451.334,93 € für April 2005, von 651.816,98 € für Mai 2005 und von 613.434,57 € für Juni 2005 wurden von Mo. beglichen. Diese Geldbeträge wurden vom Angeklagten bzw. von dessen Mitarbeitern aber nicht an S. - und sodann an M. - , sondern - wiederum tatplangemäß - ausschließlich an K. weitergeleitet.
7
c) Das Landgericht hat das Geschehen als gemeinschaftlichen Betrug des K. und seiner Mittäter zum Nachteil von M. gewürdigt. Dem Tatentschluss folgend, Netzkapazitäten zu erlangen und die Rechnungsbeträge nach einer Anlaufzeit schuldig zu bleiben, hätten die Vortäter die M. über die Absicht getäuscht, nur Netzkapazitäten im vereinbarten Umfang abzurufen und die erhaltenen Leistungen auch zu bezahlen. Eine weitere - für einen Teil der empfangenen Leistungen ursächliche - Täuschungshandlung habe in der Vorlage der gefälschten Bürgschaftsurkunden bei dem Forderungsmanagement der M. gelegen. Hierdurch sei diese veranlasst worden, die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Netzkapazitäten nicht unverzüglich zu beenden. Dadurch sei der M. ein Vermögensschaden in Höhe von 2.302.924 € entstanden.
8
Die Mitwirkung des Angeklagten hat das Landgericht als Begünstigung (§ 257 Abs. 1 StGB) gewürdigt. Als Tathandlung sah die Strafkammer die Zusage , mit der zwischengeschalteten T. als "Puffer" zur Verfügung zu stehen , das Einverständnis mit der Weiterleitung der Netzkapazitäten über eine Schnittstelle der T. sowie die Erstellung der Rechnungen an. § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB stehe einer Bestrafung wegen Begünstigung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte mangels eines hinreichend bestimmten Gehilfenvorsatzes in Bezug auf die Haupttat nicht der Beihilfe zum Betrug schuldig gemacht habe.
9
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
a) Im Ergebnis zutreffend geht das Landgericht allerdings von einem Betrug als Vor- bzw. Haupttat aus, da jedenfalls die Entscheidung der Verantwortlichen bei M. , den weiteren Bezug von Telefonkapazitäten ab dem 22. April 2005 nicht zu unterbinden, eine durch die Übersendung der gefälschten Bürgschaftsurkunde veranlasste, irrtumsbedingte Vermögensverfügung auf Seiten der Geschädigten darstellt.
11
Rechtsfehlerfrei bejaht das Landgericht auch den objektiven Gehilfenbeitrag des Angeklagten, nämlich die zusagegemäße Weiterleitung von Telefonkapazitäten von S. an Mo. sowie das planmäßige Erstellen von Rechnungen im Namen der Firma T. an Mo. . Dass das Landgericht auch die Weiterleitung der aus der Veräußerung von Telefonkapazitäten erzielten Erlöse von Mo. über T. an K. festgestellt und als Teil der Gehilfen- bzw. Begünstigungshandlung gewürdigt hat, obwohl dieses Geschehen vom Anklagesatz nicht umfasst war, schadet im Ergebnis nicht; denn die vom Anklagesatz bezeichneten Teile des Geschehens stellen einen für die Bejahung eines Beihilfebeitrages ausreichenden Anknüpfungspunkt dar.
12
b) Allerdings überspannt das Landgericht die an den Gehilfenvorsatz zu stellenden Anforderungen, so dass es zu Unrecht eine Beihilfe des Angeklagten zum Betrug verneint hat. Im Einzelnen:
13
aa) In subjektiver Hinsicht genügt für eine Strafbarkeit als Gehilfe bedingter Vorsatz, d.h. der Gehilfe muss seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung , zumindest für möglich halten und billigen (BGH, Urteil vom 12. September 1984 - 3 StR 245/84, StV 1985, 100; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 15 Rn. 9b je- weils mwN). Einzelheiten der Haupttat braucht der Gehilfe hingegen nicht zu kennen und auch keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben (BGH, Urteil vom 18. Juni 1991 - 1 StR 164/91, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7).
14
bb) Danach sind hier die Voraussetzungen für das Vorliegen des Gehilfenvorsatzes festgestellt. Der Angeklagte hielt es für wahrscheinlich, dass der Leistungserbringer (M. ) durch täuschende oder in sonstiger Weise strafbare Einflussnahme ohne Bezahlung des hierfür zu entrichtenden Entgelts zur Freigabe von Leitungskapazitäten veranlasst werden sollte. Er billigte dies und war sich auch bewusst, dass es mit Hilfe seines Beitrags zur Vollendung des Delikts der Haupttäter kommen wird. Dass der Angeklagte auch eine andere, ebenfalls strafbare Erlangung der Telefonkapazitäten für möglich hielt, steht einer Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Betrug nicht entgegen; selbst eine ausschließlich andere rechtliche Einordnung der Haupttat - etwa als Untreue - wäre unschädlich , sofern es sich nicht um eine grundsätzlich andere Tat handelt (BGH, Urteil vom 18. Juni 1991 - 1 StR 164/91, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7; BGH, Urteil vom 12. November 1957 - 5 StR 505/57, BGHSt 11, 66, 67).
15
c) Da sich der Angeklagte wegen der Beteiligung an der Vortat des Betrugs durch K. und dessen Mittäter strafbar gemacht hat, scheidet eine Bestrafung wegen Begünstigung (schon) von Gesetzes wegen aus (§ 257 Abs. 3 Satz 1 StGB).
16
3. Ungeachtet dessen begegnet der Schuldspruch aber auch sonst rechtlichen Bedenken.
17
a) Soweit das Landgericht in Bezug auf die durch die Begünstigungshandlungen zu sichernden Vorteile auf die Weiterleitung der Telefonkapazitäten abstellt, diente diese dazu, den Haupttäter überhaupt erst in den Besitz der Vorteile zu bringen. Damit handelte der Angeklagte aber nicht in der von § 257 Abs. 1 StGB geforderten Absicht, dem Vortäter den bereits erlangten Vorteil vor dem Zugriff des Geschädigten oder des Staates zu sichern, da es hierzu erforderlich ist, dass der Vorteil im Augenblick der Hilfeleistung - bereits oder noch - beim Vortäter vorhanden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 1993 - 3 StR 458/93, NStZ 1994, 187; NK-StGB-Altenhain, 3. Aufl., § 257 Rn. 17 mwN).
18
b) Soweit das Landgericht daneben als Begünstigungshandlungen des Angeklagten auf die Erstellung der Scheinrechnungen sowie die Entgegennahme und Weiterleitung von Zahlungen abhebt, diente dies dem Ziel, dem Haupttäter das von der Firma Mo. durch die Veräußerung der Telefonkapazitäten erlöste Geld zu verschaffen. Diese Vorteile rührten indes nicht mehr unmittelbar aus der rechtswidrigen Vortat her, sondern stellten lediglich ein durch Veräußerung erzieltes, gegenüber dem ursprünglich Erlangten nicht stoffgleiches Surrogat dar, dessen Sicherung nicht vom Schutzzweck des § 257 Abs. 1 StGB erfasst ist (BGH, Beschluss vom 29. April 2008 - 4 StR 148/08, NStZ 2008, 516; Urteil vom 27. August 1986 - 3 StR 256/86, NStZ 1987, 22; S/S - Stree/Hecker, StGB, 28. Aufl., § 257 Rn. 18; Cramer in MünchKomm StGB, § 257 Rn. 11).
19
4. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die zu einer anderen rechtlichen Bewertung der Tat des Angeklagten führen. Er ändert deshalb den Schuldspruch (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte bereits vom Landgericht darauf hingewiesen worden ist, dass seine Tat als Beihilfe zum Betrug zu bewerten sein könnte.
20
5. Der Strafausspruch bleibt hiervon unberührt. Zwar führt die Änderung des Schuldspruchs zu einer Reduzierung der Obergrenze des zur Verfügung stehenden Strafrahmens von fünf Jahren bei der Begünstigung (§ 257 Abs. 1 StGB) auf drei Jahre und neun Monate bei der Beihilfe zum Betrug (§ 263 Abs. 1, § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB). Da sich die Kammer bei der Strafzumessung an der unteren Grenze des Strafrahmens orientiert hat und das Gesamtunrecht der Beihilfe zum Betrug im Vergleich zur Begünstigung jedenfalls nicht niedriger ist, kann der Senat indes ausschließen, dass das Landgericht auf eine mildere Strafe erkannt hätte.
Becker von Lienen Hubert Schäfer Mayer

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 216/05
vom
15. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
15. September 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. September 2004 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord, gefährlicher Körperverletzung und mit Schwangerschaftsabbruch zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner hiergegen gerichteten Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision allein gegen die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit.
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das vom Generalbundesanwalt vertretene, wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat dagegen Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen hatte der zur Tatzeit 61 Jahre alte Angeklagte seinen Sohn Ralf W. nach dessen Rückkehr aus dem Ausland im Jahre 2000 bei der Begleichung seiner Altschulden und beim Aufbau eines eigenen Betriebes finanziell unterstützt. Ende 2002/Anfang 2003 wurden die Firmen des Angeklagten und seines Sohnes zusammengelegt und das Eigentum an dem Familienanwesen neu aufgeteilt, so dass sich die zusammengelegten Firmen im Alleineigentum des Sohnes des Angeklagten befanden. Im Gegenzug wurde dem Angeklagten die Geschäftsführung übertragen und ihm ein monatlicher unkündbarer Lohn von 3.000 Euro versprochen. Im März 2003 erteilte Ralf W. dem Angeklagten Baustellen- und Büroverbot. Im Mai 2003 stellte er die monatlichen Zahlungen von 3.000 Euro an den Angeklagten ein und kündigte schließlich die Krankenversicherungen seiner Eltern. Der Angeklagte reagierte darauf mit beleidigenden Äußerungen gegenüber seinem Sohn, dessen Ehefrau Petra, die zur Tatzeit in der 30. Woche schwanger war, und deren Eltern. Er erstattete mehrfach anonym Strafanzeige gegen seinen Sohn, unter anderem wegen angeblichen Drogenhandels und Steuerhinterziehung. Der Angeklagte, der annahm, bei den Besuchern seines Sohnes handele es sich um Mitglieder der „Hells-Angels“ oder der „MC-Outlaws“, beobachtete und fotografierte regelmäßig – bei Dunkelheit unter Verwendung eines Nachtsichtgerätes - die Wohnung seines Sohnes. Anfang Oktober 2003 erklärte der
Angeklagte einem langjährigen Mitarbeiter bei einem Telefongespräch, er wolle die Firma von seinem Sohn zurück haben und kündigte an, er werde diesen erschießen. Bevor das Kind der Ehefrau seines Sohnes auf die Welt komme, "erschieße er sie beide". Etwa sechs Wochen vor der Tat bedrohte der Angeklagte auf dem Familienanwesen seinen Sohn mit einem Revolver und forderte ihn auf, sein Fahrzeug umzuparken. Als Ralf W. dies ignorierte und entgegnete, der Angeklagte solle doch schießen, drehte dieser seine Waffe um und bot seinem Sohn an, dieser solle auf ihn schießen.
Am späten Nachmittag des 26. November 2003 stellte der Angeklagte fest, dass die Nummernschilder von dem Firmenwagen, den er privat nutzte, abgeschraubt waren. An der Windschutzscheibe des Autos befand sich ein Zettel mit der Nachricht: "Auto wird abgemeldet. MfS Ralf". In dem Angeklagten "reifte nun endgültig die Überzeugung seinen Sohn töten zu müssen. Er setzte sich gegen 18.00 Uhr in seine Küche - von der aus er den Hof überblicken konnte - und wartete auf die Heimkehr seines Sohnes". Gegen 21.30 Uhr kamen RalfW. und seine Ehefrau Petra durch den hinteren Durchgang in den Innenhof. Der Angeklagte, der den Lichtkegel des Autos seines Sohnes gesehen hatte, war zur Hintertür seiner Wohnung hinuntergegangen, hatte diese geöffnet und sich, ohne die über der Tür angebrachte Beleuchtung einzuschalten , auf die Treppe vor der Tür gestellt. Er wollte seinen Sohn mit seinem mit fünf Vollmantelkegelspitzgeschossen geladenen Revolver erschießen, sobald dieser den Innenhof betrat. Als er sah, dass seine Schwiegertochter neben seinem Sohn ging, zögerte er einen Augenblick. Da er befürchtete, sein Vorhaben könne scheitern und er abermals „versagen“, schoss der Angeklagte ohne Vorwarnung zweimal auf Ralf und Petra W. , die sich kurz vor der
zu ihrer Wohnung führenden Außentreppe befanden. Dabei konnte er, weil es im Hofraum dunkel war, lediglich unklare Umrisse zweier Personen erkennen.
"Da sich das Ehepaar in Bewegung befand, dem Angeklagten vor Aufregung die Hände zitterten, er von dem unerwarteten Auftauchen der Petra W. überrascht und es insgesamt relativ dunkel war, konnte er - wie er wusste - keinen gezielten Schuss auf seinen Sohn abgeben. Er konnte die beiden Personen im Moment der Abgabe der beiden Schüsse nicht einmal genau voneinander unterscheiden. Er hatte gehofft bei den ersten beiden Schüssen auf die beiden Personen seinen Sohn zu treffen, die Gefahr der Tötung seiner Schwiegertochter war ihm aber bewusst und er nahm sie in Kauf. Nahezu gleichzeitig, allenfalls Bruchteile einer Sekunde vor den beiden Schüssen, wurde dem Ralf W. eine Person in der Haustür seines Vaters gewahr, was ihn veranlasste sich in diese Richtung zu drehen. Einer der beiden Schüsse durchschlug zunächst den linken Unterarm der Petra W. , streifte anschließend den rechten Unterarm des Ralf W. bevor er schließlich nach Eintreten in ihre linke Brust ihr Herz durchdrang und im Brustkorb stecken blieb. Das zweite Geschoss verfehlte die beiden und bohrte sich in die Wand des Hauses".
Ralf und Petra W. liefen in Richtung der Treppe zu ihrer Wohnung. Die tödlich getroffene Petra W. kam auf der Treppe zu Fall und begann zu schreien. Ralf W. versuchte vergeblich, seine Ehefrau hochzuziehen und lief dann die Treppe hinauf zu seiner Wohnung. Der Angeklagte schoss zwei weitere Male auf Ralf W. , traf diesen jedoch nicht. Dieser lief in seine Wohnung und kehrte mit einem schnurlosen Telefon in der Hand vor die Wohnungstür zurück. Er trat mehrmals einige Schritte vor und gleich wieder zurück und tat dabei so, als ziele er mit dem Telefon in der Hand auf den Angeklagten. Dieser zielte jeweils erneut auf Ralf W. , schoss jedoch nicht. Nach einigen Minuten ging der Angeklagte in seine Wohnung,
alarmierte mit den Worten "Ich habe meinen Sohn erschossen" telefonisch die Polizei und forderte sie kurz danach mit einem weiteren Telefonanruf auf, einen Notarzt zu verständigen. Das von Petra W. vor ihrem Tode entbundene Mädchen verstarb zwei Stunden nach seiner Geburt.
Nach Auffassung des Landgerichts ist eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht auszuschließen. Aus dem Inhalt der Hauptverhandlung ergäben sich ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte im Tatzeitpunkt „im Zustand einer affektbedingten Störung seiner Bewusstseinstätigkeit gehandelt haben könnte.“
II. Revision des Angeklagten
1. Die Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts jedenfalls unbegründet.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.

a) Der Schuldspruch ist, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat, auch unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Einwendungen, rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten von dem Mordversuch zum Nachteil seines Sohnes verneint, dies jedoch nicht näher begründet hat. Dass „der Tötungsversuch des Angeklagten spätestens dann fehlgeschlagen war“, als sich sein Sohn in seine Wohnung hatte flüchten können, liegt hier nahe. Denn ein Fehlschlag, der
nach der Rechtsprechung einen Rücktritt ausschließt (vgl. BGHSt 34, 53, 56; 35, 90, 94; 39, 221, 228), liegt vor, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr ohne zeitliche Zäsur vollenden kann (vgl. BGHSt 39, 221, 228; BGHSt 41, 368, 369; BGH NStZ-RR 2002, 168), so dass ein erneutes Ansetzen notwendig ist, um zu dem gewünschten Ziel zu gelangen (vgl. BGHSt 39, 221, 232; 41, 368, 369). Selbst wenn der Angeklagte, was nach den Feststellungen fern liegt, nach Abgabe des vierten Schusses davon ausgegangen sein sollte, dass er die Tat ohne zeitliche Zäsur noch hätte vollenden können, fehlt es jedenfalls an der gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen Freiwilligkeit des Rücktritts. Hat sich aus der Sicht des Täters durch nicht vorhergesehene Umstände das für ihn mit der Tatbegehung verbundene Risiko beträchtlich erhöht und sieht er deshalb von der weiteren Tatausführung ab (BGH NStZ 1993, 76, 77 und 279 jew. m. w. Nachw.), ist der Rücktritt nicht freiwillig. So liegt es hier.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte, als es seinem Sohn gelang , in seine Wohnung zu flüchten, nur noch einen Schuss zu Verfügung. Er wusste, dass sein Sohn eine Schusswaffe besaß. Bei dieser Sachlage war eine weitere Ausführung der Tat aus der Sicht des Angeklagten mit einem erheblichen Risiko verbunden. Nach den vorangegangenen Fehlschüssen konnte der Angeklagte wegen der Entfernung und der Lichtverhältnisse nicht sicher sein, seinen Sohn zu treffen, als dieser jeweils kurz aus seiner Wohnung kam und seinerseits ein Zielen vortäuschte. Eine Möglichkeit, ohne Eigengefährdung zunächst die Distanz zu verringern, um mit der letzten Patrone sicher treffen zu können, bestand nicht. Dass der Angeklagte nicht wegen des nunmehr (vermeintlich ) erhöhten Risikos, sondern aus anderen Gründen von der Abgabe eines weiteren Schusses absah, liegt nach dem Gesamtzusammenhang der
Urteilsgründe, insbesondere im Hinblick auf seine Angaben nach seiner Festnahme , so fern, dass es hierzu keiner näheren Darlegung bedurfte.

b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers begegnet auch die Strafzumessungserwägung, der Angeklagte habe nicht „nur“ seine an seiner Situation unschuldige Schwiegertochter erschossen, sondern darüber hinaus tateinheitlich einen versuchten Mord begangen und dazu das Leben eines – zunächst ungeborenen – Kindes vernichtet, keinen rechtlichen Bedenken. Die strafschärfende Berücksichtigung der tateinheitlichen Verwirklichung des § 218 Abs. 1 StGB verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Die Verletzung mehrerer Strafgesetze durch dieselbe Handlung ist jedenfalls dann ein Grund, die Tat innerhalb des Strafrahmens der insoweit bestimmenden Norm nachteiliger zu bewerten, wenn das tateinheitlich verwirklichte Delikt – wie hier - selbständiges Unrecht verkörpert (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 20; BGH NStZ 1993, 434).
Auch hat das Landgericht mit der Erwägung, der Angeklagte habe nicht „nur“ seine „an seiner Situation unschuldige Schwiegertochter erschossen“, nach dem Gesamtzusammenhang nicht das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes straferschwerend berücksichtigt, sondern den Umstand, dass der Angeklagte , um seinen an der Situation schuldigen Sohn wie geplant erschießen zu können, die Tötung eines weiteren – unbeteiligten - Menschen in Kauf nahm. Das ist hier ein tauglicher Strafzumessungsgrund (vgl. BGHSt 34 345, 350 ff.).
III. Revision der Staatsanwaltschaft
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1. Die Annahme einer affektbedingten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat ausgeführt, „ausgehend von den ausführlichen und überzeugenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen“ könne es „im Zweifel zugunsten des Angeklagten nicht ausschließen, dass er sich zur Tatzeit in einem die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigenden Zustand der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung befunden hat und er deshalb bei Begehung der Tat nur vermindert schuldfähig im Sinne des § 21 StGB war.“ Zu den Ausführungen des Sachverständigen teilt das Urteil mit, dass sich für diesen im Rahmen der Exploration die Schwierigkeit ergeben hat, „dass sich wegen der Verteidigungsstrategie aus der Einlassung des Angeklagten und den ihn vermeintlich schützenden Bekundungen seiner Tochter und seiner Ehefrau kein umfassendes psychopathologisches Bild ergeben hat.“ Dies lässt besorgen, dass das Landgericht, was rechtlich bedenklich ist (vgl. BGH NStZ 2005, 149), bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit lediglich auf Gesichtspunkte abgestellt hat, die nach den Ausführungen des Sachverständigen abstrakt für oder gegen einen Affekt sprechen können. Den Urteilsausführungen lässt sich nicht entnehmen, ob sich der Sachverständige in der Hauptverhandlung mit dem für ihn neuen, der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt auseinandergesetzt und zu den medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen konkret auf den Angeklagten bezogene Ausführungen gemacht hat. Hierzu hätte sich das Urteil aber insbesondere deshalb verhalten müssen, weil das Landgericht – insoweit zutreffend (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 234) - nicht von dem
klassischen Fall eines schuldrelevanten Affekts, sondern von einer affektbedingten Bewusstseinsstörung infolge „einer irrealen Fokussierung und Fixierung“ des Angeklagten auf seinen Sohn ausgegangen ist (zur Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit bei einer Ausweitung einer „überwertigen Idee“ vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 25).
Das Landgericht hat sich zudem nicht damit auseinandergesetzt, dass der Angeklagte nach den Feststellungen am Tattage, nachdem er sich entschlossen hatte, seinen Sohn zu erschießen, etwa dreieinhalb Stunden auf dessen Rückkehr gewartet hat. Auch dies kann aber ebenso wie die vorangegangene Tatplanung und die zielgerichtete Vorgehensweise bei der Tatausführung ein deutliches Anzeichen dafür sein, dass er nicht infolge einer Bewusstseinstörung gehandelt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 234 m. w. N.). Gegen eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung sprechen kann ferner ein rationales und umsichtiges Verhalten nach der Tat (vgl. BGH NStZ 1990, 231), insbesondere dann, wenn - wie hier - Anzeichen für eine den Affektabbau begleitende schwere seelische Erschütterung des Täters fehlen (vgl. BGHR StGB § 21 Affekt 7). Das Landgericht hätte sich deshalb damit auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte, der nach Beendigung der Tat in seine Wohnung gegangen war, dort nicht nur zwei Telefongespräche mit der Polizei führte, sondern auch die Hülsen der verschossenen Munition aus seinem Revolver entfernte, und er sich dann bis zum Eintreffen der Polizei hinter einem Wohnmobil versteckte, weil er fürchtete, sein Sohn werde seine Pistole holen, um ihn zu erschießen.

b) Die Urteilsausführungen lassen zudem besorgen, dass das Landgericht den Zweifelssatz auch auf die Rechtsfrage, ob die nach seiner Auffassung vorliegende Beeinträchtigung des Angeklagten im Sinne von § 21 StGB "erheb-
lich" ist, angewendet hat. Eine Rechtsfrage kann aber nicht auf der Grundlage des Zweifelssatzes beantwortet werden (st. Rspr., vgl. BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ 2005, 149, 150). Bei der Beurteilung der Erheblichkeit einer Beeinträchtigung im Sinne des § 21 StGB fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt. Diese sind umso höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 2004, 437 f. m.w.N.), bei vorsätzlichen Tötungsdelikten also besonders hoch (BGH NStZ 2005, 149, 150).
2. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die danach notwendige erneute Prüfung lässt den Schuldspruch unberührt. Es fehlt an jeglichem Anhalt, der Angeklagte könne zur Tatzeit im Sinne des § 20 StGB schuldunfähig gewesen sein.
Tepperwien Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 541/11
vom
22. März 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu Ziff. 1. versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung
zu Ziff. 2. Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 22. März 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 29. Juli 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung zweier jugendgerichtlicher Verurteilungen zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten, die Angeklagte W. wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Angeklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Adhäsionsantragstellerin H. 1.000 € zu zahlen. Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie jeweils die Verletzung sachlichen Rechts rügen, haben Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beschlossen die Angeklagten am 7. Februar 2011 gegen 1.30 Uhr mit einem Pkw durch die Gegend zu fahren, nachdem sie den Abend mit weiteren Personen, unter anderem mit der Zeugin H. , in einer Wohnung in H. verbracht und gemeinsam verschiedene Drogen konsumiert hatten. Sie forderten die später geschädigte Zeugin H. , eine ehemalige Freundin des Angeklagten S. , auf, sie zu begleiten. Gemeinsam mit zwei weiteren Zeugen fuhren sie zunächst nach G. . Während der Angeklagte S. den Pkw lenkte, saß die Angeklagte W. auf dem Beifahrersitz, die drei Zeugen nahmen im Fond Platz. Während der Fahrt wurde die Zeugin H. von beiden Angeklagten massiv beleidigt.
3
Nach der Rückkehr in H. stiegen die zwei Zeugen aus, und die Angeklagten fuhren allein mit der zu diesem Zeitpunkt bereits eingeschüchterten Zeugin H. weiter nach W. . Dort wurde diese für etwa eine halbe Stunde an einem Kiosk abgesetzt, da beide Angeklagten eine Zeitlang ungestört sein wollten. Die Geschädigte, die – noch immer unter Drogeneinfluss – allein im Dunkeln stand und Angst hatte, bat die Angeklagten telefonisch darum , sie wieder abzuholen, was auch geschah. Nachdem die Zeugin H. im Fond hinter dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, begannen die Angeklagten erneut, mit ihr zu streiten und sie zu beleidigen.
4
Während der Fahrt holte der Angeklagte S. plötzlich ein im Pkw befindliches Messer hervor, schaltete das Licht im Fahrzeuginneren ein und hielt das Messer mit den Worten „Ich bin D. . Ich bringe dich um!“ mit der rechten Hand hoch, wobei er über den Rückspiegel mit der Zeugin H. kommunizierte. Das Messer hatte eine etwa 25 cm lange Klinge. Mit seinem Ausspruch spielte der Angeklagte S. auf einen gemeinsamen Bekannten an, der stets ein Messer bei sich führt. Die Angeklagte W. und die Zeugin H. hielten dies zunächst für einen Scherz und lachten darüber. S. fuhr jedoch in aggressiver Weise mit seinen Drohungen fort und richtete das Messer mehrmals mit der Spitze in kurzen Bewegungen auf die schräg hinter ihm sitzende Geschädigte, die sein Verhalten nunmehr als bedrohlich wahrnahm. Zu- gleich forderte er sie wiederholt mit den Worten „Gib deinen Kram her!“ auf, ihm ihre Handys und Schlüssel auszuhändigen, um diese Gegenstände zu einem späteren Zeitpunkt gewinnbringend nutzen zu können. Die Zeugin H. , deren Grundstimmung infolge der vorherigen Demütigungen, des langen Wartens im Dunkeln und der konsumierten Drogen ängstlich war, begann hysterisch zu weinen, kam dieser Aufforderung jedoch nicht nach. Die Angeklagte W. hatte ebenfalls den Wechsel in der Stimmung des Angeklagten S. be- merkt und sagte daraufhin zu der Geschädigten: „Mach’s lieber, der macht sonst ernst!“
5
Inzwischen fuhr der Angeklagte S. einen 400 m langen, ansteigenden Weg hinauf. Dabei musste er mit der rechten Hand schalten und warf das Messer in den Fußraum vor dem Beifahrersitz. Das Landgericht hat zu seinen Gunsten angenommen, dass er zum Zeitpunkt des Wegwerfens des Messers bereits den Entschluss aufgegeben hatte, die Zeugin H. zur Herausgabe ihrer Wertgegenstände zu bewegen. Am Ende der Steigung hielt er an. Die Angeklagte W. stieg aus, öffnete die hintere Fahrzeugtür und gab der noch hysterisch weinenden Geschädigten eine Ohrfeige, um sie weiter einzuschüchtern. Daraufhin entnahm sie aus deren Jackentaschen Wohnungs- und Autoschlüssel sowie zwei Handys. Es handelte sich um sämtliche Gegenstände, die diese mit sich führte und die der Angeklagte S. zuvor herausverlangt hatte. Die Geschädigte war von dem vorangegangenen Verhalten insbesondere des Angeklagten S. derart aufgelöst, dass sie W. gewähren ließ. Dieser kam es in diesem Moment darauf an, der Geschädigten „die Gegenstände zu entziehen und an sich zu nehmen, um mit diesen nach eigenem Belieben verfahren zu können und das vom Angeklagten S. angestoßene Geschehen auch in ihrem eigenen Interesse abzuschließen“. Ferner wollte sie erreichen, dass sich S. beruhigt und nicht weiter „austickt“; sie hatte keine konkreten Vorstellungen, wie sie, S. oder Dritte möglicherweise im Nachhinein mit den Gegenständen verfahren würden. Sie billigte aber, dass die Geschädigte die Gegenstände nicht zurückerhalten würde.
6
Anschließend zog die Angeklagte W. die Zeugin H. aus dem Pkw, setzte sich wieder auf den Beifahrersitz und warf die Gegenstände in den Fußraum. Der Angeklagte, der das Geschehen vom Fahrersitz aus verfolgt hatte , ohne sich aktiv oder verbal daran zu beteiligen, fuhr mit der Angeklagten W. zur Wohnung in H. zurück. Einer telefonischen Aufforderung der Geschädigten, sie abzuholen, kamen sie nicht nach, sondern legten sich alsbald schlafen. Zuvor hatten sie die Gegenstände der Zeugin mit Ausnahme eines Handys der in der Wohnung in H. anwesenden Zeugin L. übergeben, die sie am nächsten Morgen an die Mutter der Geschädigten übergab. Lediglich ein Handy hatte die Angeklagte W. an sich genommen, nachdem ihr auf dem Rückweg nach H. eingefallen war, dass die Zeugin H. ihr noch 20 € schuldete.
7
2. Einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten S. vom Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung hat das Landgericht mit der Erwägung verneint, zum Zeitpunkt der Aufgabe des Tatentschlusses, nämlich in dem Moment des Wegwerfens des Messers in den Fußraum, habe aus dessen Sicht ein sogenannter „fehlgeschlagener Versuch“ vorgelegen. Hiervon habe S. nicht mehr mit strafbefreiender Wirkung zurücktreten können, weil seine vorherigen Drohungen mit dem Messer erfolglos geblieben seien und keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass er seinen Tatplan dahin geändert habe, über den Ausspruch von Drohungen hinaus Gewalt gegen die Zeugin H. anzuwenden, um in den Besitz ihrer Wertgegenstände zu gelangen , zumal er sich trotz entsprechender Möglichkeit an den Handlungen der Angeklagten W. nicht beteiligt habe.

II.


8
Die Verurteilung beider Angeklagten begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
9
1. Die Feststellungen des Landgerichts tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung nicht. Die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
10
a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts , wonach bei einem fehlgeschlagenen Versuch ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 StGB von vorneherein ausscheidet (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 10. April 1986 – 4 StR 89/86, BGHSt 34, 53, 56; Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369). Fehlgeschlagen ist der Versuch jedoch erst, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv – sei es auch nur wegen aufkommender innerer Hemmungen (Senatsbeschluss vom 26.September 2006 – 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91) – die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allenfalls Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2007 – 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393), sondern dessen Vorstel- lung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (BGH, Beschluss vom 2. November 2007 – 2 StR 336/07, aaO). Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin , dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen , um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (Senatsbeschluss vom 26. September 2006 – 4 StR 347/06, aaO). Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn der Täter er- kennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 232; Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, aaO).
11
b) Zu der Vorstellung des Angeklagten nach Misslingen des zunächst ins Auge gefassten Tatablaufs – nach der Weigerung der Geschädigten ihre Wertgegenstände herauszugeben – teilt das Urteil nichts mit. Selbst wenn die Feststellungen des Landgerichts dahin zu verstehen sein sollten, dass der Angeklagte S. unüberwindliche Hemmungen hatte, das nach wie vor im Pkw befindliche und ihm jederzeit zugängliche Messer über ein bloßes Mittel der Bedrohung hinaus einzusetzen, und insoweit nicht Herr seiner Entschlüsse war, verstünde es sich nicht von selbst, dass er keine weitere Handlungsalternative mehr sah, mit der er im unmittelbaren Fortgang noch hätte zur Tatvollendung gelangen können. Insbesondere lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, dass es ihm verwehrt war, ohne zeitliche Zäsur die Bedrohung mit dem Messer fortzusetzen oder Gewalt gegen die Zeugin H. anzuwenden. Insoweit ist lediglich festgestellt, dass sich das völlig verängstigte Tatopfer nach wie vor in dem vom Angeklagten geführten Pkw befand und infolge des vorherigen Gesche- hens derart aufgelöst war, dass es die Angeklagte W. gewähren ließ. Ein fehlgeschlagener Versuch ist damit nicht belegt.
12
2. Die Verurteilung der Angeklagten W. wegen Raubes begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die Annahme des Landgerichts , die Angeklagte habe zur Zeit der Wegnahme mit Zueignungsabsicht gehandelt, von den Feststellungen nicht hinreichend getragen wird.
13
a) Täter kann beim Raub nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Hierfür genügt, dass der Täter die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder den Dritten haben und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem des Dritten „einverleiben“ oder zuführen will. Da- gegen ist nicht erforderlich, dass der Täter oder der Dritte die Sache auf Dauer behalten soll oder will (Senatsurteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701). Während für die Ausschließung des Berechtigten – Enteignung – bedingter Vorsatz ausreicht (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 242 Rn. 41), verlangt die Zueignungsabsicht in Bezug auf die Aneignung der Sache oder des in ihr verkörperten Sachwertes einen zielgerichteten Willen (Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2006 – 4 StR 400/06, NStZ-RR 2007, 15). Dass die Aneignung vom Täter nur als mögliche Folge seines Verhaltens in Kauf genommen wird, reicht nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1962 – 1 StR 540/61, VRS 22, 206), vielmehr muss er sie für sich oder einen Dritten mit unbedingtem Willen erstreben (vgl. MünchKommStGB/Schmitz § 242 Rn. 134; Eser/Bosch, in: Schönke-Schröder, StGB, 28. Aufl., § 242 Rn. 61).
14
b) Nach den Feststellungen kam es der Angeklagten darauf an, der Zeugin die Gegenstände zu entziehen und sie an sich zu nehmen, um damit nach eigenem Belieben verfahren zu können, wobei sie bei der Wegnahme keine konkreten Vorstellungen davon hatte, wie sie, der Angeklagte S. oder Dritte möglicherweise im Nachhinein mit den Gegenständen verfahren würden. Sie billigte aber, dass die Zeugin H. die Gegenstände nicht zurückerhalten würde. Diese Feststellungen vermögen aber nicht hinreichend zu belegen, dass die Angeklagte W. die Gegenstände der Substanz oder dem Sachwert nach mit unbedingtem Willen ihrem Vermögen oder dem des Angeklagten S. „einverleiben“ oder zuführen wollte. Abgesehen davon, dass sie an einem inneren Widerspruch leiden, schließen sie die Möglichkeit nicht hinreichend aus, dass sich die Absicht der Angeklagten – unter Fehlen des Aneignungsmoments – darauf beschränkte, die Geschädigte ihrer tatsächlichen Verfügungsgewalt über die Sache zu entkleiden, mithin eine bloße Sachentziehung zu begehen (vgl. Eser/Bosch aaO Rn. 55). Dafür könnte auch der Umstand sprechen, dass die Angeklagten – von einem Handy abgesehen – alle Gegenstände noch im Laufe des Abends an die Zeugin L. weiterreichten, die sie ihrerseits an die Mutter der Geschädigten weiterreichte. Soweit das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung ohne nähere Begründung ausführt (UA S. 27), die Angeklagte habe zum Zeitpunkt der Wegnahme in der Absicht gehandelt , sich die Gegenstände wenigstens vorübergehend anzueignen, fehlt es gleichermaßen an einer ausreichenden, eine bloße Sachentziehung ausschließenden Tatsachengrundlage.
15
c) Auch im Hinblick auf das von der Angeklagten W. einbehaltene Mobiltelefon ist eine Zueignungsabsicht nicht hinreichend belegt. Nimmt ein Täter, wie hier die Angeklagte, die davon ausging, die Geschädigte schulde ihr Geld, eine Sache weg, um dies als Druckmittel zur Durchsetzung einer solchen Forderung zu benutzen, handelt er nicht mit Zueignungsabsicht, weil er weder die Sache noch den in ihr verkörperten Sachwert seinem Vermögen dauerhaft einverleiben will (Senatsbeschluss vom 26. Februar 1998 – 4 StR 54/98, StV 1999, 315, 316).

III.


16
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
17
1. Der neue Tatrichter wird dabei zu bedenken haben, dass das Wegwerfen eines Tatwerkzeuges den Schluss auf die Aufgabe des Tatentschlusses nur dann tragfähig zu begründen vermag, wenn nahe liegende, einer entsprechenden Wertung entgegenstehende Gründe für das Verhalten in die Beweiswürdigung einbezogen und nachvollziehbar ausgeschlossen werden können. So hätte es hier näherer Erörterung bedurft, dass der Angeklagte das in der rechten Hand befindliche Messer möglicherweise lediglich deshalb in den Fußraum warf, um eine konkrete Fahr- bzw. Verkehrssituation zu bewältigen. Das liegt hier deshalb nahe, weil er im selben Augenblick, in dem er das Messer hielt, mit der rechten Hand auch schalten musste. Seine Untätigkeit während der sich anschließenden Handlung der Angeklagten W. stünde dieser Auslegung nicht notwendigerweise entgegen, weil sein Verhalten je nach den Umständen auch als Billigung des Vorgehens seiner Freundin bewertet werden könnte. Dafür könnte auch der Umstand sprechen, dass er das Geschehen später gegenüber der Zeugin H. in Abrede stellte.
18
2. Sollte der neue Tatrichter wiederum zu der Feststellung gelangen, dass der Angeklagte S. seinen Tatentschluss aufgab, wird er – sofern ein fehlgeschlagener Versuch ausgeschlossen werden kann – beachten müssen, dass bei Tatbeteiligung mehrerer gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB diejenigen Beteiligten nicht wegen Versuchs bestraft werden, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Dabei muss das die Tatvollendung verhindernde Verhalten nicht notwendig in einem auf die Erfolgsabwendung gerichteten aktiven Tun bestehen. Kann einer von mehreren Beteiligten den noch möglichen Eintritt des Taterfolgs allein dadurch vereiteln, dass er seinen vorgesehenen Tatbeitrag nicht erbringt oder nicht weiter fortführt, so verhindert bereits seine Untätigkeit oder sein Nichtweiterhandeln die Tatvollendung. Ist dem Beteiligten dies im Zeitpunkt der Verweigerung oder des Abbruchs seiner Tatbeteiligung bekannt und handelt er dabei freiwillig, liegen damit die Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB vor (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1983 – 1 StR 615/83, NJW 1984, 2169; Urteil vom 21. Oktober 1983 – 2 StR 485/83, BGHSt 32, 133, 134 f.; Senatsbeschluss vom 26. Juli 2011 – 4 StR 268/11; Fischer aa0 § 24 Rn. 40). Hat sich hingegen jemand zu diesem Zeitpunkt nicht nur als Gehilfe oder Anstifter, sondern – gegebenenfalls sukzessiv – als Mittäter an der Tat beteiligt und bestand aufgrund von dessen Beteiligung im Vorfeld der Untätigkeit oder des Nichtweiterhandelns bereits die Gefahr der Tatvollendung durch den Mittäter, bedarf der strafbefreiende Rücktritt eines auf die Erfolgsabwendung gerichteten aktiven Tuns (vgl. SSWStGB /Kudlich/Schuhr § 24 Rn. 51 ff.).
Ernemann Roggenbuck Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 346/12
vom
25. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
die Nebenklägerin in Person – in der Hauptverhandlung
–,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 17. Februar 2012 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 2 a) der Urteilsgründe des versuchten Totschlags in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen. Er hat jedoch die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Bedrohung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Sachrüge führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs im Fall II. 2 a) der Urteilsgründe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Fall II. 2 a)
4
Der Angeklagte und die Nebenklägerin waren seit Ende 2010 befreundet und empfanden „tiefe, intensive Gefühle“ füreinander. Da der Angeklagteje- doch von heftiger Eifersucht und starken Verlustängsten geplagt wurde, verlief die Beziehung konfliktgeladen und wurde schließlich von der Nebenklägerin in der zweiten Juni-Hälfte 2011 vorübergehend beendet. In der Folgezeit entwickelte der Angeklagte immer heftigere Rachegelüste und fand zunehmend Gefallen an einem englischsprachigen Liedtext eines Rappers, der von der Tötung einer Ex-Freundin handelte (UA S. 10, 14). Nachdem ihm eine Aussöhnung aussichtslos erschien, sann der Angeklagte darauf, „die Nebenklägerin fertig zu machen“ (UA S. 15). Zu diesem Zweck redete er immer wieder auf den Zeugen T. ein, ihm dabei behilflich zu sein, die Nebenklägerin bei passender Gelegenheit „abzufüllen“ und sie – entlang einer Straße gehend – vor sein Auto zu stoßen, damit es wie ein Unfall aussähe. Der Zeuge T. , der das wiederholte Ansinnen schließlich ernst nahm, ging darauf jedoch nicht ein. Im Verlauf des 29. Juni 2011 tauschte sich der Angeklagte mehrmals mit dem Zeugen T. über das Internet-Chat-Forum ICQ aus und äußerte, dass er kurz vor dem Ausrasten sei und die Nebenklägerin „am liebsten echt umbringen“ würde. Der Zeuge T. solle dies jedoch niemandem erzählen. Am Abend desselben Tages traf der Angeklagte auf der Geburtstagsfeier einer Bekannten erstmals nach der Trennung auf die Nebenklägerin. In den frühen Morgenstunden des 30. Juni 2011 entwickelte sich ein lautstarkes Wortgefecht, bei dem sich der Angeklagte und die Nebenklägerin wechselseitig anschrien. Dabei äußerte der Angeklagte gegenüber der Nebenklägerin, er werde sie „umbrin- gen“ (UA S. 17). Nachdem es den weiteren Partygästen gelungen war, den An- geklagten zu beruhigen, brachte ihn die Mutter der Gastgeberin nach Hause.
5
Am späten Abend des 30. Juni 2011 fuhr er sodann zwischen 23.00 und 24.00 Uhr mit dem VW Polo seines Stiefvaters in Begleitung der Zeugen P. und F. zu einer Diskothek in G. und stellte das Fahrzeug – vorwärts einparkend – im Parkflächenbereich in der ersten oder zweiten Haltebucht ab, die rechts neben der kombinierten Ein- und Ausfahrt liegt. Etwa ein bis zwei Fahrzeuglängen hinter den Parkbuchten verläuft ein ca. zehn Zentimeter breiter und ca. acht Zentimeter hoher Pflastersockel, der die Parkfläche von einem Fahrstreifen für einen Drive-in-Schnellimbiss abtrennt. Zur Straßenseite hin wird das Areal durch einen etwa zwei Meter breiten Grünstreifen begrenzt. Kurz nach Mitternacht traf der Angeklagte auf die Nebenklägerin, die die Diskothek in Begleitung des Zeugen T. verließ. In unmittelbarer Nähe des geparkten Fahrzeugs kam es zu einer erneuten Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin mit wechselseitigen Beschimpfungen und Beleidigungen. Schließlich versetzte die Nebenklägerin dem Angeklagten eine Ohrfeige und beschloss wegzugehen. Der Angeklagte setzte sich ans Steuer seines Fahrzeugs, in dem auch die Zeugen P. und F. Platz nahmen. Er beobachtete , wie sich die Nebenklägerin in Richtung der Ein-/Ausfahrt wandte. Voller Wut und Verzweiflung entschloss er sich in diesem Augenblick, die Nebenklägerin zu töten, was er gegenüber seinen Begleitern mit den Worten ankündigte „Ich fahrdie J. jetzt um“, „Ich bring sie um“, „Ich glaub, ich bring sie jetzt um“. Demgemäß starteteer – während die Nebenklägerin die ersten Schritte in Richtung der Ein-/Ausfahrt machte – den Motor und fuhr sogleich an, „um sie rückwärtsfahrend umzufahren und hierdurch zu Tode zu bringen“. Als der Zeuge P. dies erkannte, packte er den Angeklagten sofort mit den Worten „Bist du bescheuert? Du hast sie nicht mehr alle!“ so heftig und unvermittelt am Arm, dass er ihn hierdurch am Weiterfahren hinderte. Nach einem starken Ruckeln – vergleichbar einem Abwürgen des Motors bei laufender Fahrt – stand das Fahrzeug sogleich wieder still. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Fahrzeugheck – ohne Fahrtrichtungsänderung – „nur kurz hinter der Parkbucht“ (UA S. 20). Nunmehr trat der Zeuge T. an das stehende Fahrzeug heran und verwickelte den Angeklagten in ein Gespräch. In der Zwischenzeit hatte die Nebenklägerin über die Ein-/Ausfahrt bereits das Parkgelände verlassen und befand sich – für den Angeklagten nicht einsehbar – auf dem Bürgersteig. Durch die Büsche des Grünstreifens erblickte sie das stehende Fahrzeug und setzte ihren Weg fort. Auf der Rückfahrt machte der Angeklagte dem Zeugen P. wegen des Eingreifens beim Rückwärtsfahren Vorhaltungen und kündigte (vorübergehend) die Freundschaft auf; außerdem stellte er Überlegungen an, die Nebenklägerin bei anderer Gelegenheit mit tödlichem Ausgang zu überfahren. Im Verlauf des 1. Juli 2011 suchte er im Internet nach Methoden, die Nebenklägerin mittels Schreckschusspistole zu töten (UA S. 21).
6
Fall II. 2 b)
7
Am Nachmittag des 2. Juli 2011 begegnete der Angeklagte der Nebenklägerin auf der Kirmes in K. . Gegen 19.00 Uhr bat er sie um ein VierAugen -Gespräch abseits des Kirmes-Geländes. Der Angeklagte hatte auf der Kirmes dem Alkohol zugesprochen, ohne dass seine Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB herabgesetzt war. Es kam erneut zum Streit, wobei der Angeklagte die Nebenklägerin zunächst schubste und an den Händen packte. Gleichwohl gelang es ihr, den Angeklagten zu ohrfeigen. Daraufhin griff dieser noch fester zu, weshalb die Nebenklägerin versuchte, ihm in den Schritt zu treten. Voller Zorn beschloss der Angeklagte nunmehr, die Nebenklägerin an Ort und Stelle bis zum Tode zu würgen. Er brachte sie zu Fall, ergriff mit beiden Händen ihren Hals und drückte mit ganzer Kraft zu, so dass sie schließlich das Bewusstsein verlor. Als der Angeklagte glaubte, der Todeseintritt stehe unmittelbar bevor, schoss ihm plötzlich der Gedanke durch den Kopf, dass die Nebenklägerin neben seiner Mutter die wichtigste Frau in seinem Leben sei. Daraufhin konnte er die Tat nicht mehr „durchziehen“ und ließ von der Geschädigten ab, die bald darauf wieder zu Bewusstsein kam (UA S. 22).
8
Fall II. 2 c)
9
Als die Nebenklägerin dem Angeklagten anlässlich einer weiteren Aussprache am 13. Juli 2011 eröffnete, mit dem Zeugen T. eine intime Beziehung eingegangen zu sein, ergriff der Angeklagte aus Wut und Eifersucht ein Küchenmesser mit einer ca. 20 Zentimeter langen Klinge und stürmte mit dem lauten Ruf „Missgeburt, ich stech dich ab“ aus dem Haus in Richtung des Zeu- gen T. , um diesen einzuschüchtern und davon zu jagen (UA S. 29).

II.


10
Die vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Sie sind unzulässig. Die Sachrüge führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs.
11
1. Die Verurteilung wegen versuchten Totschlags (Fall II. 2 a der Urteilsgründe ) weist keinen Rechtsfehler auf.
12
a) Das Landgericht hat sich ohne Lücken, Denkfehler oder Widersprüche auf Grund einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände von der Ernsthaftigkeit der Tötungsabsicht des Angeklagten überzeugt. Es hat sich umfassend mit den Umständen des Tatgeschehens, der Persönlichkeit des Angeklagten, seiner psychischen Verfassung zum Tatzeitpunkt, seiner Tatmotivation und sowie seinem Vor- und Nachtatverhalten auseinandergesetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, NStZ 2012, 1524, 1525 ff.). Insbesondere die nachhaltige Einwirkung auf den Zeugen T. vor dem 29. Juni 2011 („fingierter Verkehrsunfall“), der Verlauf der ICQ-ChatProtokolle vom 29. Juni 2011, die Todesdrohungen auf der Geburtstagsparty am 30. Juni 2011 und das Würgen der Geschädigten bis zur Bewusstlosigkeit am 2. Juli 2011 rechtfertigen die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte am 1. Juli 2011 in Tötungsabsicht handelte, als er „voller Wut und Ver- zweiflung“ das Überfahren der Nebenklägerin ankündigte und seinen Pkw star- tete. Das Gesamtverhalten des Angeklagten wurde von einem stets präsenten „intentionalen Spannungsbogen“ überwölbt, der Nebenklägerin nicht nur mit Worten zu drohen, sondern dies auch umzusetzen (UA S. 52).
13
b) Das Handeln des Angeklagten hat auch bereits die Schwelle zum Versuch (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) überschritten.
14
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dafür ist nicht erforderlich, dass der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, dass er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden, die mithin – aus der Sicht des Täters – das geschützte Rechtsgut in eine konkrete Gefahr bringen. Dementsprechend erstreckt sich das Versuchsstadium auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet und objektiv zur tat- bestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 26. August 1986 – 1 StR 351/86, BGHR StGB § 22 Ansetzen 5; Beschluss vom 11. Juni 2003 – 2 StR 83/03, BGHR StGB § 22 Ansetzen 31; Beschluss vom 27. September 2011 – 4 StR 454/11, BGHR StGB § 176 Abs. 1 Versuch 1; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 22 Rn. 10 mwN). Nach diesem Maßstab hat der Angeklagte , als er in Tötungsabsicht mit seinem Pkw rückwärts auf die Nebenklä- gerin zufuhr, die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten und hierdurch unmittelbar zur Verwirklichung seines Tötungsvorhabens angesetzt. Denn zwischen ihm und der Nebenklägerin befand sich kein Hindernis mehr, so dass er das Tatopfer nach seiner Vorstellung aus der Parkbucht heraus ohne weitere Zwischenakte „in einem Zug“ überfahren konnte.
15
c) Das Landgericht musste sich nicht zu der Prüfung gedrängt sehen, ob der Angeklagte vom Versuch des Totschlags gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB zurückgetreten ist. Hinsichtlich des Geschehens auf dem Parkplatz der Diskothek liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor, bei dem ein strafbefreiender Rücktritt von vorneherein ausscheidet (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Davon ist auch das Landgericht ersichtlich ausgegangen (UA S. 3, 20, 45 f.).
16
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399; Beschluss vom 7. Februar 2008 – 5 StR 402/07; Beschluss vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 233/08, NStZ 2009, 628; Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Nach diesen Grundsätzen ist hier von einem Fehlschlagen des Versuchs auszugehen. Objektiv hat der festgestellte Geschehensablauf auf dem Parkplatzgelände durch das Eingreifen des Zeugen P. , das den abrupten Stillstand des Tatfahrzeugs zur Folge hatte und nach dem Hinzutreten des Zeugen T. dazu führte, dass die Nebenklägerin sich aus dem Sichtfeld des Angeklagten entfernen konnte, eine Zäsur erfahren. Durch das Eingreifen der Zeugen P. und T. war der Angeklagte gehindert, der Nebenklägerin nachzusetzen und den angestrebten Taterfolg ohne zeitliche Zäsur doch noch herbeizuführen.
17
2. Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht die für die Annahme einer Tat nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 in Verbindung mit § 315 Abs. 3 Nr. 1 a StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen kann der Angeklagte nur wegen Versuchs (§ 315 b Abs. 2 StGB) verurteilt werden.
18
Durch das Eingreifen des Zeugen P. kam das vom Angeklagten geführte Kraftfahrzeug unmittelbar nach dem Anfahren abrupt wieder zum Stillstand, während die Nebenklägerin „die ersten SchritteRichtung Ein-/Ausfahrt machte“ (UA S. 20). Bei seiner polizeilichen Vernehmung hat der Angeklagte angegeben , die Nebenklägerin sei etwa zehn Meter entfernt gewesen, als er losgefahren sei (UA S. 35, 47). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist somit der tatbestandliche Erfolg, nämlich eine konkrete Gefährdung im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB, nicht eingetreten. Dass der bewusst zweckwidrige Einsatz des Fahrzeugs bereits zu einer kritischen Situation im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ geführt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 2010 – 4 StR 506/09, NStZ 2010, 572, 573, und vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BeckRS 2012, 07957 Tz. 12), ist durch die Feststellungen nicht belegt. Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch liegt auch hier nicht vor.
19
Der Senat kann den Schuldspruch von sich aus ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
20
Die gegen den Angeklagten verhängte Einheitsjugendstrafe wird durch die Änderung des Schuldspruchs nicht in Frage gestellt; der Erziehungsbedarf des Angeklagten besteht unabhängig von der rechtlichen Einordnung des ohnehin bloßen Gefährdungsdelikts als versuchte oder vollendete Tat, zumal der Unrechtsgehalt des strafbaren Verhaltens des Angeklagten durch den tateinheitlich verwirklichten Totschlagsversuch geprägt ist.

III.


21
Mutzbauer Cierniak Bender
Quentin Reiter

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 95/01
URTEIL
vom 12. Juni 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juni
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Dr. S ,
Richterin am Landgericht B
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt P
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. Mai 2000 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
–Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt; es hat die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die in zulässiger Weise auf die Frage der Strafaussetzung beschränkte, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat keinen Erfolg.
Ungeachtet eher knapper Begründung vor dem Hintergrund eines Bewährungsversagens des Angeklagten nach einschlägiger Vorverurteilung ist die Entscheidung des Tatrichters aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Ohnehin hat das Revisionsgericht die Wertungen des Tatrichters, die ganz maßgeblich auf dessen in der Hauptverhandlung gewonnenem persönlichem Eindruck beruhen, bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 56 Rdn. 9i und 12).
Die Ansicht des Landgerichts, der bislang noch nie mit Freiheitsentzug konfrontierte Angeklagte sei durch die dreiwöchige Untersuchungshaft und die monatelange Hauptverhandlung nachhaltig beeindruckt worden, ist auch ohne nähere Begründung für sich ohne weiteres nachvollziehbar. Der Tatrichter durfte maßgeblich hieraus auf eine nunmehr positive Prognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB für den sozial und familiär ohnehin fest eingeordneten Angeklagten schließen; er durfte hierin auch – zusammen mit den übrigen im Urteil bezeichneten personen- und tatbezogenen Milderungsgründen – besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB finden. In diesem Zusammenhang ist die Erwägung des Tatrichters sachgerecht und zutreffend, daß das notwendige Gewicht jener Umstände von der Strafhöhe abhänge und daß folglich bei deren verhältnismäßig weitem Abstand von der Obergrenze einer aussetzungsfähigen Freiheitsstrafe (zwei Jahre) Gründe von etwas geringerem Gewicht ausreichten (vgl. auch BGHR StGB § 56 Abs. 2 – Aussetzung, fehlerhafte 1 und 2). Vor dem Hintergrund der vom Tatrichter hervorgehobenen Besonderheiten des Verfahrensablaufs standen die – erheblich geringer gewichtige, verhältnismäßig lange zurückliegende – einschlägige Vorstrafe des Angeklagten und sein Bewährungsversagen in jener Sache weder einer positiven Prognoseentscheidung noch der Annahme besonderer Umstände etwa derart greifbar entgegen, daß eine eingehendere Begründung der Strafaussetzungsentscheidung durch den Tatrichter in diesem Zusammenhang unerläßlich gewesen wäre (vgl. dazu BGHR StGB § 56 Abs. 1 – Sozialprognose 15 m.w.N.; BGH, Urteil vom 16. April 1996 – 5 StR 77/96; Tröndle/Fischer aaO § 56 Rdn. 6b). Auch die festgestellte langjährige Suchtmittelabhängigkeit des Angeklagten zur Tatzeit , welche seine Schuldfähigkeit unberührt ließ, stand der positiven Prognose nicht derart naheliegend entgegen, daß nähere Erörterungen hierzu im Urteil unerläßlich gewesen wären.
Harms Basdorf Gerhardt Raum Brause

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 255/12
vom
27. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. September
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 8. März 2012 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, ist - wie die Revisionsbegründung deutlich macht - ungeachtet des umfassend gestellten Aufhebungsantrags wirksam auf die Verurteilung im Fall II. 2 der Urteilsgründe beschränkt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. April 1989 - 3 StR 453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3). Ferner beanstandet die Beschwerdeführerin die Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung.
3
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


4
Dass das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 2 der Urteilsgründe lediglich wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung verurteilt hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
5
1. Insoweit hat das Landgericht im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
6
Der Angeklagte verbrachte vom Nachmittag des 21. Oktober 2011 an das gesamte Wochenende mit dem gesondert verfolgten B. , der, was dem Angeklagten zunächst nicht bekannt war, wegen des Verdachts, verschiedene Überfälle auf Spielhallen und Ladengeschäfte begangen zu haben, von der Polizei gesucht wurde. B. fuhr zunächst eine Zeit lang mit dem Angeklagten in dessen Pkw in der Gegend herum, um dabei, vom Angeklagten unbemerkt, ein geeignetes Objekt für einen weiteren Raubüberfall auszusuchen. Nachdem B. eine Tankstelle in H. als geeignetes Tatobjekt festgelegt hatte, wirkte der von dem Vorschlag des B. , einen Überfall auszuführen, völlig überraschte Angeklagte auf dessen nachhaltiges Drängen hin daran mit. Insoweit hat das Landgericht den Angeklagten, von der Revision nicht angegriffen, wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu einer Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
7
Als B. mit dem Angeklagten am Morgen des 23. Oktober 2011 erneut mit dem Fahrzeug unterwegs war und dem Angeklagten bedeutete, erneut vor einer Tankstelle anzuhalten, um diese zu überfallen, weigerte sich der Angeklagte zunächst. Daraufhin wurde B. aggressiv und bedrohte den Angeklagten; er, B. , habe nichts mehr zu verlieren und wisse, wo der Angeklagte wohne. Nicht ausschließbar auch aus Angst vor dieser Drohung gab der Angeklagte nach; der Ablauf des Überfalls wurde nicht besprochen. Nachdem B. und der Angeklagte, mit Kapuzen und Schals vermummt, gegen 6.00 Uhr das Kassengebäude der Tankstelle betreten hatten, hielt sich der Angeklagte, ähnlich wie beim ersten Überfall, zunächst im Hintergrund und schaute wiederholt nach draußen, um rechtzeitig das Herannahen Dritter erkennen zu können. B. holte etwa drei bis vier Meter vor der Thekedes Kassenraums eine nicht geladene „PTB-Waffe“ hervor und zog, wie bei der ersten Tat, deren Schlitten nach hinten, um den Anschein der Gefährlichkeit zu verstärken. Nach der ersten Tat hatte B. den Angeklagten auf die Frage , ob die Waffe gefährlich sei, mit den Worten beschwichtigt, die Waffe sei nicht echt und er solle sich keine Sorgen machen, da alles ganz harmlos sei. B. bedrohte nunmehr den im Kassenraum anwesenden Zeugen Bi. mit der Waffe und forderte ihn zur Herausgabe des Geldes auf. In der Absicht, diese hinauszuzögern und die Täter hinzuhalten, behauptete der Zeuge zunächst , es sei kein Geld vorhanden. Nachdem B. ihm daraufhin befohlen hatte, die Kasse zu öffnen, forderte auch der Angeklagte, es solle schneller gehen. Er fühlte sich bei der Sache nicht wohl und wollte die Tat schnell beendet wissen. Als der Zeuge die Kasse geöffnet und Geldscheine im Wert von insgesamt 265 € entnommen hatte, griffen B. und der Angeklagte über den Tresen, nahmen jeweils einen Teil des Geldes an sich und verließen das Tankstellengebäude. Im Fahrzeug verlangte der gesondert verfolgte B. das erbeutete Geld vom Angeklagten heraus und steckte es in seine Hosentasche. Wegen dieser Tat verhängte die Strafkammer gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.
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2. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen ist die Wertung des Landgerichts , der Angeklagte sei mangels eigenen Tatinteresses und mangels Tatherrschaft aufgrund seiner Unterordnung unter den gesondert verfolgten B. nicht als Mittäter, sondern als Gehilfe anzusehen, vom Revisionsgericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Mittäter , wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (BGH, Urteil vom 15. Januar 1991 - 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291 mwN). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Lässt das angefochtene Urteil erkennen, dass der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (BGH, Urteil vom 20. Januar 1998 - 5 StR 501/97, NStZ-RR 1998, 136; Urteil vom 10. November 2004 - 5 StR 403/04, NStZ-RR 2005, 71; Urteil vom 17. Juli 1997 - 1 StR 781/96, NJW 1997, 3385, 3387, insoweit in BGHSt 43, 153 nicht abgedruckt).
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b) Auf dieser Grundlage ist die Entscheidung des Landgerichts, der Angeklagte sei auch im Fall II. 2 der Urteilsgründe lediglich Gehilfe und nicht Mittäter gewesen, noch hinzunehmen.
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Das Landgericht hat, ausgehend von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme, maßgeblich auf die Rollenverteilung zwischen dem Angeklagten und dem gesondert verfolgten B. abgestellt. Die insoweit vorgenommene Wertung, der Angeklagte sei auch im Fall II. 2 der Urteilsgründe eine von B. als Zentralgestalt dominierte Randfigur gewesen, wird von den zum Tathergang getroffenen Feststellungen getragen. Zwar setzt die Annahme von Mittäterschaft nicht notwendig voraus, dass sämtliche Beteiligte eine im Rahmen des Tatgeschehens gleichgewichtige Rolle einnehmen. Die Urteilsgründe ergeben jedoch, dass der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt das Ob und das Wie des tatbestandsmäßigen Geschehens beherrscht oder zumindest beeinflusst hat. Weder die Tatsache eines weiteren Überfalls als solche noch die Einzelheiten der Tatausführung waren abgesprochen. Nach anfänglicher Weigerung erklärte der Angeklagte, so die Feststellungen im angefochtenen Urteil, auch wegen der von B. ausgestoßenen Drohung seine Bereitschaft zur Mitwirkung. Dass er im Geschäftsraum der Tankstelle zur Eile gedrängt und sich dadurch, anders als im Fall II. 1 der Urteilsgründe, nicht auf ein bloßes „Schmierestehen“ beschränkt hat, hat die Strafkammer in ihre Erwägungen ausdrücklich einbezogen und jedenfalls vertretbar bewertet. Für die Annahme von Beihilfe spricht schließlich auch, dass der Angeklagte den von ihm erlangten Teilbetrag aus der Beute unmittelbar nach Verlassen der Tankstelle an den gesondert verfolgten B. herausgeben musste. Dass er überhaupt eine Belohnung erhielt, ist nicht festgestellt.
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2. Auch die von der Staatsanwaltschaft des Weiteren angegriffene Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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a) Ob besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB in der Tat und in der Täterpersönlichkeit vorliegen, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu entscheiden, die allein dem Tatrichter obliegt. Sie muss ergeben , dass eine Strafaussetzung trotz erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts der Tat, der sich in der Strafe widerspiegelt, nicht als unangebracht erscheint und den allgemeinen, vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwiderläuft. Dabei kann schon ein Zusammentreffen durchschnittlicher und einfacher Milderungsgründe die Bedeutung besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB gewinnen; Ausnahmecharakter müssen die zugunsten des Angeklagten sprechenden Umstände nicht haben. Das Revisionsgericht hat in Grenzfällen die Wertung des Tatrichters hinzunehmen (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1980 - 3 StR 376/80, BGHSt 29, 370, 371; BGH, Beschluss vom 29. April 1987 - 3 StR 103/87, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung 1; BGH, Urteil vom 15. Februar 1994 - 5 StR 692/93, wistra 1994, 193; vgl. auch SSW-StGB/Mosbacher, § 56, Rn. 40).
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Das Landgericht hat die danach erforderliche umfassende Gesamtwürdigung rechtsfehlerfrei vorgenommen. Es konnte dabei insbesondere darauf abheben , dass der nur geringfügig vorbestrafte und im Wesentlichen geständige Angeklagte erstmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde und bereits über vier Monate Untersuchungshaft verbüßt hat, durch die er nachhaltig beeindruckt worden ist. Dass die Strafkammer diesen Umständen unter Berücksichtigung der als „äußerst günstig“ eingeschätzten Sozialprognose das Gewicht besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB beigemessen hat, hält sich noch in dem dem Tatrichter insoweit eröffneten Beurteilungsspielraum. Dass auch eine abweichende Bewertung möglich gewesen wäre, ändert daran nichts.
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b) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist ein den Angeklagten begünstigender Rechtsfehler auch nicht darin zu sehen, dass die Strafkammer nicht ausdrücklich geprüft hat, ob die Verteidigung der Rechtsordnung eine Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe gebietet.
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Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn sie im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte. Diese generalpräventiven Erwägungen dürfen indes nicht dazu führen, bestimmte Tatbestände oder Tatbestandsgruppen von der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung auszuschließen (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 24. April 1997 - 4 StR 662/96). Gemessen daran war hier angesichts des Tatbildes und der festgestellten erheblichen Milderungsgründe - auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Strafkammer gegen den Angeklagten die höchstmögliche Freiheitsstrafe verhängt hat, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann - eine Prüfung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 StGB nicht erforderlich. Es ist auszuschließen, dass die Strafaussetzung zur Bewährung vor dem Hintergrund der für den Angeklagten sprechenden gewichtigen Umstände die Rechtstreue der Bevölkerung ernsthaft beeinträchtigen und von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden wird (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 500/90, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 9, Senatsurteil vom 14. Juli 1994 - 4 StR 252/94, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung

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Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin