Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juni 2001 - 5 StR 95/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
–Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt; es hat die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die in zulässiger Weise auf die Frage der Strafaussetzung beschränkte, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat keinen Erfolg.
Ungeachtet eher knapper Begründung vor dem Hintergrund eines Bewährungsversagens des Angeklagten nach einschlägiger Vorverurteilung ist die Entscheidung des Tatrichters aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Ohnehin hat das Revisionsgericht die Wertungen des Tatrichters, die ganz maßgeblich auf dessen in der Hauptverhandlung gewonnenem persönlichem Eindruck beruhen, bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 56 Rdn. 9i und 12).
Die Ansicht des Landgerichts, der bislang noch nie mit Freiheitsentzug konfrontierte Angeklagte sei durch die dreiwöchige Untersuchungshaft und die monatelange Hauptverhandlung nachhaltig beeindruckt worden, ist auch ohne nähere Begründung für sich ohne weiteres nachvollziehbar. Der Tatrichter durfte maßgeblich hieraus auf eine nunmehr positive Prognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB für den sozial und familiär ohnehin fest eingeordneten Angeklagten schließen; er durfte hierin auch – zusammen mit den übrigen im Urteil bezeichneten personen- und tatbezogenen Milderungsgründen – besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB finden. In diesem Zusammenhang ist die Erwägung des Tatrichters sachgerecht und zutreffend, daß das notwendige Gewicht jener Umstände von der Strafhöhe abhänge und daß folglich bei deren verhältnismäßig weitem Abstand von der Obergrenze einer aussetzungsfähigen Freiheitsstrafe (zwei Jahre) Gründe von etwas geringerem Gewicht ausreichten (vgl. auch BGHR StGB § 56 Abs. 2 – Aussetzung, fehlerhafte 1 und 2). Vor dem Hintergrund der vom Tatrichter hervorgehobenen Besonderheiten des Verfahrensablaufs standen die – erheblich geringer gewichtige, verhältnismäßig lange zurückliegende – einschlägige Vorstrafe des Angeklagten und sein Bewährungsversagen in jener Sache weder einer positiven Prognoseentscheidung noch der Annahme besonderer Umstände etwa derart greifbar entgegen, daß eine eingehendere Begründung der Strafaussetzungsentscheidung durch den Tatrichter in diesem Zusammenhang unerläßlich gewesen wäre (vgl. dazu BGHR StGB § 56 Abs. 1 – Sozialprognose 15 m.w.N.; BGH, Urteil vom 16. April 1996 – 5 StR 77/96; Tröndle/Fischer aaO § 56 Rdn. 6b). Auch die festgestellte langjährige Suchtmittelabhängigkeit des Angeklagten zur Tatzeit , welche seine Schuldfähigkeit unberührt ließ, stand der positiven Prognose nicht derart naheliegend entgegen, daß nähere Erörterungen hierzu im Urteil unerläßlich gewesen wären.
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Annotations
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.