Bundesgerichtshof Urteil, 12. Jan. 2012 - 4 StR 290/11

bei uns veröffentlicht am12.01.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 290/11
vom
12. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Januar
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten C. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 21. Dezember 2010 in den Strafaussprüchen mit den jeweils zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen (besonders) schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung jeweils zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe bei beiden Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zuungunsten der Angeklagten eingelegten, jeweils auf die Sachrüge gestützten und wirksam auf die Strafaussprüche beschränkten Revisionen. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen überfielen die Angeklagten am Abend des 12. Januar 2010 einem gemeinsamen Tatplan folgend einen Verkaufskiosk in M. . Sie warteten, bis der einzige Kunde den Kiosk verlassen hatte, maskierten sich und betraten sodann den Kiosk, wobei die Angeklagte C. in Ausführung des gemeinsamen Tatentschlusses ein Steakmesser mit einer Klingenlänge von ca. 15 cm in der rechten Hand hielt. Das Messer war einseitig scharf- kantig „gezackt“. Die als Verkäuferin im Kiosk beschäftigte Nebenklägerin kniete , mit Reinigungsarbeiten beschäftigt, mit dem Rücken zur Eingangstür vor dem Kühlschrank. Die Angeklagte C. umfasste deren Oberkörper mit dem linken Arm und zog sie hoch. Mit der rechten Hand drückte sie der Nebenklägerin das Messer mit der stumpfen Seite an den Hals. Die Angeklagte F. blieb an der Eingangstür stehen und gab Kommandos.
3
Um den Druck am Hals zu lindern, griff die Nebenklägerin an das Messer und zog sich hierbei Schnittverletzungen am Mittelfinger und am Handballen der linken Hand zu. Die Angeklagte C. schob sie um die Verkaufstheke herum zur Kasse. Die Nebenklägerin öffnete die Kassenschublade, woraufhin die Angeklagte C. das darin befindliche Geld - bis auf kleinere Centmünzen - in ihre Jackentasche steckte. Die Angeklagte F. , die während der ganzen Zeit abwechselnd den Thekenbereich und die vor dem Kiosk befindliche Straße beobachtete , rief zu der Angeklagten C. : "Pass auf, die macht was. Die drückt irgendwo auf den Knopf. Mach was." Obwohl die Nebenklägerin diese Äußerung als Aufforderung, mit dem Messer zuzustechen, auffasste und dieserhalb Todesangst verspürte, vermochte sie beruhigend auf die Angeklagte C. einzuwirken , so dass es zu keinen Weiterungen kam. Insgesamt erbeuteten die Angeklagten einen Betrag in Höhe von etwa 800 €.
4
In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht haben die geständigen Angeklagten mit der Nebenklägerin, die an erheblichen psychischen Tatfolgen leidet, einen Vergleich geschlossen und darin anerkannt, ihr als Gesamtschuldnerinnen dem Grunde nach zum Ersatz der aus dem Vorfall resultierenden materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet zu sein. Darüber hinaus haben sie sich zur Zahlung eines verzinslichen Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 € verpflichtet.
5
Das Landgericht hat für beide Angeklagte einen minder schweren Fall des (besonders) schweren Raubes bejaht und die Strafen dem nach „§§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB“ gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen.
6
2. Der Senat ist ordnungsgemäß besetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 523/11).
7
3. Die Strafaussprüche können auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft nicht bestehen bleiben. Sie weisen Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten auf.
8
a) Das Landgericht ist sowohl bei der Strafrahmenwahl (§ 250 Abs. 3 StGB) als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinn von einem zu geringen Schuldumfang ausgegangen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober2011 – 4 StR 455/11). Es hat nicht bedacht, dass die Angeklagten - neben der Erfül- lung der Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB - auch die Tatbestandsalternative des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB verwirklicht haben. Dieser Qualifikationstatbestand setzt voraus, dass mindestens zwei Personen bei der Körperverletzung bewusst zusammenwirken. Nicht erforderlich ist die eigenhändige Mitwirkung jedes einzelnen an der Verletzungshandlung. Vielmehr genügt es, dass eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar Tatausführenden aktiv - physisch oder psychisch - unterstützt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 3. September 2002 – 5 StR 210/02, BGHSt 47, 383, 386 f.; Beschluss vom 14. Oktober 1999 – 4 StR 312/99, NStZ 2000, 194, 195; Urteil vom 22. Dezember 2005 – 4 StR 347/05, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4 gemeinschaftlich 3). So verhält es sich hier. Die Angeklagte F. befand sich im unmittelbaren Tatortbereich. Sie hat mit der Angeklagten C. , die auf Grund des zuvor gefassten gemeinsamen Tatplans das Messer gegen die Nebenklägerin einsetzte und diese damit verletzte, täterschaftlich zusammengewirkt, indem sie das Tatobjekt durch ständige Beobachtung absicherte, durch verbale Ausrufe mit ihrer Tatgenossin kommunizierte und nach der Tat das Fluchtfahrzeug steuerte; auch teilten die Angeklagten die Beute anschließend hälftig unter sich auf.
9
b) Die Annahme des Landgerichts, die Voraussetzungen des TäterOpfer -Ausgleichs seien erfüllt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
aa) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, muss, wenn wie hier durch eine Tat mehrere Opfer betroffen sind, hinsichtlich jedes Geschädigten jedenfalls eine Alternative des § 46 a StGB erfüllt sein (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2001 – 2 StR 78/01, NStZ 2002, 364, 365 f. mit Anm. Dölling/Hartmann; Theune in LK-StGB, 12. Aufl., § 46 a Rn. 47 m.w.N.). Neben der Nebenklägerin war der Betreiber des Kiosks Opfer der Tat; das von den Angeklagten erbeutete Geld stand in seinem Eigentum. Das Urteil verhält sich jedoch nicht dazu, ob und ggf. wie die Angeklagten den Inhaber des Kiosks in ihre Ausgleichsbemühungen einbezogen haben.
11
bb) Aber auch die Bejahung der Voraussetzungen eines erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleichs im Verhältnis nur zur Nebenklägerin begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
Das Urteil bezeichnet schon die Fallgruppe des § 46 a StGB, die das Landgericht hier annehmen wollte, nicht eindeutig. § 46 a Nr. 1 StGB bezieht sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat, die auch bei Vermögensdelikten denkbar sind, während § 46 a Nr. 2 StGB den materiellen Schadensersatz betrifft. Da durch die Straftat der Angeklagten bei der Nebenklägerin vor allem immaterielle Schäden hervorgerufen worden sind, bestimmt sich der für eine Strafrahmenmilderung erforderliche Ausgleich - jedenfalls vorrangig - nach § 46 a Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2001 – 2 StR 78/01, NStZ 2002, 364, 365).
13
Diese Bestimmung verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wiedergutgemacht hat;es ist aber auch ausreichend, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss (BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, NStZ 2002, 646). Dafür ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung Voraussetzung. Das ernsthafte Bemühen des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein, und das Opfer muss die Leistung des Täters als friedenstiftenden Ausgleich akzeptieren (BGH, Urteil vom 27. August 2002 – 1 StR 204/02, NStZ 2003, 29, 30). Regelmäßig sind tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter haben wird (vgl. BGH aaO sowie Beschlüsse vom 22. August 2001 – 1 StR 333/01, NStZ 2002, 29, und vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04, insoweit in NStZ 2005, 97 nicht abgedr.).
14
Das Landgericht hat diese Maßstäbe nicht beachtet. Zwar hat die Nebenklägerin mit den Angeklagten einen Vergleich geschlossen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 - 2 StR 344/11). Das Urteil trifft aber insbesondere keine Feststellungen zu der Frage, wie wahrscheinlich die ratenweise Zahlung des vereinbarten Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 € durch die Angeklagten ist. Beide Angeklagte leben von staatlichen Transferleistungen. Sie sind alleinerziehend und erhalten für ihre Kinder keine Unterhaltszahlungen, sondern lediglich Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Beide Angeklagte sind verschuldet. Anlass für die abgeurteilte Straftat waren Rechnungen, welche die Angeklagten am Tattag jeweils erhalten hatten und nicht bezahlen konnten. Von dem erbeuteten Geld kauften beide Angeklagte am nächsten Tag Lebensmittel; die Angeklagte C. beglich außerdem einen Teil einer offenen Stromrechnung. Anhaltspunkte dafür, dass sich die finanzielle Situation der Angeklagten zwischen der Tat und der Urteilsverkündung grundlegend geändert hätte, sind nicht vorhanden. Außerdem folgt entgegen der Auffassung des Landgerichts (UA 17) aus der Tatsache des Vergleichsschlusses allein noch nicht, dass die Nebenklägerin die „Leistungen“ der Angeklagten als friedensstif- tenden Ausgleich akzeptiert hat (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 147, und vom 6. Februar 2008 – 2 StR 561/07, BGHR StGB § 46 a Voraussetzungen 1). Den Urteilsfeststellungen kann nicht entnommen werden, ob es sich bei dem in der Hauptverhandlung geschlossenen Vergleich um ein "ernsthaftes Bemühen" um Schadenswiedergutmachung oder um ein taktisches Vorgehen in der Hoffnung auf eine mildere Strafe gehandelt hat.
15
4. Auf die weiteren Angriffe der Revisionsführerin kommt es nach allem nicht mehr an. Auch braucht der Senat nicht der Frage nachzugehen, ob sich die verhängten – nach Tatbild und Tatfolgen sehr milden – Strafen nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit lösen, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegen (vgl. BGH, Urteile vom 27. Oktober 1970 – 1 StR 423/70, BGHSt 24, 132, 133 f., vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321, vom 8. November 1989 – 3 StR 368/89, NStZ 1990, 84 f., und vom 21. Mai 1992 – 4 StR 577/ 91, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 13).
16
Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird Gelegenheit haben , den vom Generalbundesanwalt in seiner Terminszuschrift erhobenen Bedenken wegen einer unterlassenen Gesamtstrafenbildung im Hinblick auf die Angeklagte F. nachzugehen. Dabei wird er zu beachten haben, dass nach Aufhebung des Strafausspruchs in der erneuten Verhandlung eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung vorzunehmen ist (BGH, Beschluss vom 10. November 2011 – 3 StR 355/11 m.w.N.). Ernemann Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender

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Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

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(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 523/11
vom
11. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. Januar 2012 einstimmig

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Der Senat ist mit Vorsitzendem Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann , Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck sowie den Richtern am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Mutzbauer und Bender vorschriftsmäßig besetzt. Das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Absatz 1 Satz 2 GG) ist gewahrt. Das Präsidium des Bundesgerichtshofs hat in Wahrnehmung der ihm nach § 21e Absatz 1 Satz 1 GVG obliegenden Aufgabe dem Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann – zusätzlich zum Vorsitz im 4. Strafsenat – den Vorsitz im 2. Strafsenat zugewiesen und bestimmt, dass im Kollisionsfall die Tätigkeit im 2. Strafsenat vorgeht. Es hat diese Regelung in willkürfreier Auslegung des § 21f Absatz 2 Satz 1 GVG und unter Berücksichtigung der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2005 – VI ZR 137/04, NJW 2006, 154; BSG, Beschluss vom 29. November 2006 – B 6 KA 34/06 B, NJW 2007, 2717; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 – 3 C 4/85, NJW 1986, 1366) getroffen. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann nimmt die Aufgabe als Vorsitzender des 4. Strafsenats weiterhin in dem vom Gesetz vorausgesetzten und in der Sache gebotenen Umfang wahr. Nach der senatsinternen Geschäftsverteilung des 4. Strafsenats steht er allen Spruchgruppen als Vorsitzender vor. Im Übrigen ergibt sich die Besetzung mit der Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck sowie den Richtern am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Mutzbauer und Bender aus Nr. 7 der senatsinternen Geschäftsverteilung vom 27. Dezember 2011 in Verbindung mit der senatsinternen Geschäftsverteilung vom 14. Dezember 2010. Ein Fall der Divergenz zu der Entscheidung des 2. Strafsenats vom 11. Januar 2012 – 2 StR 346/11 – liegt nicht vor, weil der 2. Strafsenat in einem späteren Urteil vom gleichen Tag – 2 StR 482/11 – diese Rechtsprechung aufgegeben hat. 2. Die Rüge der Verletzung des § 160a StPO greift nicht durch. Es kann dahinstehen, ob das Landgericht durch die Feststellung, dass der Angeklagte „letztmalig um 02:06 Uhr versucht hatte, seinen Verteidiger per Mobiltelefon zu erreichen“, gegen § 160a Abs. 1 Satz 5 StPO verstoßen hat. Auf einem eventu- ellen Verstoß würde das Urteil nicht beruhen. Das Landgericht hat die retrograden Verbindungsdaten der Mobiltelefone des Angeklagten bei der Beweiswürdigung sowohl zu der Frage ausgewertet, dass der Angeklagte zur Tatzeit selbst über diese Mobiltelefone verfügte, als auch zum Tatablauf. Zum Zeitpunkt seiner letzten Telefonate vor der Festnah- me wurde der Angeklagte observiert. Für die Beweiswürdigung war nur von Bedeutung , dass der Angeklagte in Übereinstimmung mit den Zeitangaben der retrograden Verbindungsdaten für die fraglichen Mobiltelefone telefoniert hat; dass er Kontakt zu seinem späteren Verteidiger aufnehmen wollte, hat das Landgericht in seiner Beweiswürdigung nicht verwertet. 3. Ein Zirkelschluss des Landgerichts bei der Beweiswürdigung ist entgegen der Auffassung der Revision nicht zu besorgen. Das Landgericht hat die Feststellung, dass der Angeklagte ein „ausgesprochener TelekommunikationsVielnutzer“ ist, in der Beweiswürdigung nichtnäher begründet. Dies gefährdet den Bestand des Urteils jedoch nicht. Der Tatrichter ist nicht gehalten, jede Einzelheit der Beweiswürdigung in den Urteilsgründen zu belegen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2009 – 4 StR 610/08 Rn. 27). Die Erkenntnis kann auf Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung beruhen. Soweit die Revision auch die Erwägung der Kammer UA S. 17 als zirkelschlüssig rügt, übersieht sie, dass sich die Beweiswürdigung an dieser Stelle mit dem Umstand auseinandersetzt, dass sich beide Mobiltelefone bei einer Person befanden; dass dies der Angeklagte war, ergibt sich dann aus der weiteren Beweiswürdigung UA S. 20 ff. Ernemann Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 455/11
vom
25. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Oktober 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten A. wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 10. März 2011, soweit es ihn betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch weist im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
3
Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte einer gefährlichen Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB (gemeinschaftlich mit einem anderen Beteiligten begangen) schuldig ist. Dagegen wird seine Annahme, dass der Angeklagte auch eine gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB begangen hat, von den Feststellungen nicht getragen.
4
a) Eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung liegt vor, wenn das als Körperverletzung zu beurteilende Verhalten nach den konkreten Umständen des Einzelfalls generell geeignet war, das Leben des Opfers zu gefährden. Nicht erforderlich ist es, dass das Opfer auch tatsächlich in Lebensgefahr geraten ist (BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 – 4 StR 575/09, NStZ-RR 2010, 176; Urteil vom 4. September 1996 – 2 StR 320/96, NStZ-RR 1997, 67 m.w.N.).
5
Nach den Feststellungen zwang der Angeklagte an einem Septemberabend den mit Jeans, Pullover und Schuhen bekleideten 21jährigen Geschädigten in die Elbe zu steigen und sich stromabwärts treiben zu lassen. Der Geschädigte war ein guter Schwimmer, ortskundig und trotz der vorhandenen Dunkelheit räumlich orientiert. Nach etwa 700 m vermochte er an einem Buhnenkopf aus dem Wasser zu steigen und zeitnah ärztliche Hilfe zu erlangen. Er erlitt eine leichte Unterkühlung (Untertemperatur von einem Grad Celsius) und wurde über Nacht im Krankenhaus mit vorgewärmten Infusionen versorgt. Die Elbe hatte zum fraglichen Zeitpunkt eine Temperatur von 15 Grad Celsius, einen Pegelstand von 92 cm über Pegel – was Niedrigwasser entspricht – und eine Fließgeschwindigkeit von 0,81 m/s. Strudelbildungen gab es in dem betreffenden Flussabschnitt nicht. Zur Wassertiefe und zum Schiffsverkehr hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen.
6
Daraus ergibt sich nicht, dass der von dem Angeklagten erzwungene und auf Grund der eingetretenen Unterkühlung als Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) zu beurteilende Aufenthalt des Geschädigten in der Elbe unter Bedingungen erfolgt ist, die dessen Leben zumindest abstrakt in Gefahr gebracht haben. Das Wasser war mit 15 Grad Celsius noch nicht so kalt, dass eine tödliche Unterkühlung zu befürchten war (vgl. LG Saarbrücken, NStZ 1983, 414). Auch Umstände, die geeignet waren, den Geschädigten in die Gefahr des Ertrinkens zu bringen, sind nicht festgestellt. In dem gleichmäßig und eher langsam fließenden Wasser war eine körperliche Überforderung des Geschädigten nicht zu befürchten. Allein aus dem Umstand, dass der Geschädigte beim Schwimmen wegen der mit Wasser vollgesogenen Kleidung mehr Kraft als erwartet aufwenden musste, kann noch keine abstrakte Lebensgefährdung abgeleitet werden. Als sich der Geschädigte ins Wasser sinken ließ und zu schwimmen begann, konnte er noch gefahrlos stehen. Panikreaktionen oder ein Orientierungsverlust waren mit Rücksicht auf die Ortskunde des Geschädigten und sein beherrschtes Reagieren offenkundig nicht zu befürchten. Andere in der konkreten Situation angelegte, aber letztlich nicht wirksam gewordene Gefahrenquellen (vgl. RG Urteil vom 8. April 1884 – II. StrafS 783/84, RGR 6, 282) sind nicht erkennbar.
7
b) Der Bestand des Schuldspruchs wird durch die rechtsfehlerhafte Bejahung einer gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht in Frage gestellt. Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft nur den Schuldumfang und damit den Strafausspruch (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1999 – 2 StR 58/99; KK-StPO/Kuckein, 6. Aufl., § 353 Rn. 13 m.w.N.). Zwischen den Feststellungen zu der den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung tragenden gemeinschaftlichen Begehungsweise nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB und den Feststellungen zu einer möglichen das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB besteht auch kein innerer Zusammenhang, der eine nochmalige tatrichterliche Entscheidung über den Schuldspruch erforderlich machen würde. Beide Fragen betreffen voneinander abgrenzbare Ausschnitte des Gesamtgeschehens und können daher getrennt beantwortet werden (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 1995 – 1 StR 393/95, BGHSt 41, 222, 223 f.; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 353 Rn. 7).
8
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt jedoch zur Aufhebung des Strafausspruchs. Obgleich das Landgericht bei der Strafzumessung nicht ausdrücklich zum Nachteil des Angeklagten darauf abgehoben hat, dass zwei Tatbestände des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht worden sind, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die Strafe bei einem reduzierten Schuldumfang auch niedriger bemessen worden wäre. Der neue Tatrichter wird daher - gegebenenfalls auf der Grundlage ergänzender Feststellungen - über die Gefährlichkeit der Körperverletzung und die danach schuldangemessene Strafe neu zu befinden haben.
9
3. Auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB leidet an einem durchgreifenden Rechtsfehler.
10
Das Landgericht hat die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise dargelegt. Schließt sich der Tatrichter bei der Begründung einer Maßregelanordnung den Ausführungen des zu dieser Frage gehörten Sachverständigen ohne zusätzliche eigene Erwägungen an, müssen die Urteilsgründe die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2010 – 5 StR 123/10). Hieran fehlt es.
11
Die Urteilsgründe enthalten – bis auf die Erwähnung eines stationären Psychiatrieaufenthaltes im Jahre 2005, bei dem u.a. die Diagnose einer Polytoxikomanie vom Prägnanztyp eines Abhängigkeitssyndroms gestellt wurde – keine Feststellungen zum Drogen- und Alkoholkonsum des Angeklagten, sodass nicht nachvollzogen werden kann, aufgrund welcher Tatsachen der Sachverständige auf einen Hang, alkoholische Getränke und andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, geschlossen hat. Ebenso fehlt eine Darstellung der tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die Bejahung eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang und der Tat; insbesondere bleibt unerörtert, ob Alkohol oder Drogen bei den zur Aburteilung gelangten früheren Straftaten des Angeklagten eine Rolle gespielt haben.
12
Schließlich wird auch die vom Sachverständigen angenommene Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) nicht durch Tatsachen belegt. Angesichts des Umstandes , dass sich das bei dem Angeklagten diagnostizierte Abhängigkeitssyndrom (ICD 10: F 19.2) erst auf der Basis einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 61.0) entwickelt hat, die durch eine latente Aggressionsbereitschaft , psychosoziale Desintegration und eine zunehmende dissoziale Entwicklung gekennzeichnet ist (UA 27), wären hierzu eingehende Ausführungen erforderlich gewesen (vgl. Schalast in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie Bd. 3 S. 341).
13
4. Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, weist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (BGH, Urteil vom 28. April 1988 – 4 StR 33/88, BGHSt 35, 267). Ernemann Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Quentin

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
Das Zusammenwirken des Täters einer Körperverletzung mit einem
Gehilfen kann zur Erfüllung des Qualifikationstatbestandes der
"mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich" begangenen
Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) ausreichen.
Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der am Tatort anwesende
Gehilfe die Wirkung der Körperverletzungshandlung des Täters
bewußt in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten
zu verschlechtern geeignet ist.
BGH, Urt. v. 3. September 2002 - 5 StR 210/02
LG Neuruppin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 3. September 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. September
2002, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt P
als Verteidiger für den Angeklagten Z ,
Rechtsanwalt K
als Verteidiger für den Angeklagten S ,
Rechtsanwalt Kn
als Verteidiger für den Angeklagten L ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 29. November 2001
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, daß der Angeklagte L der gefährlichen Körperverletzung, die Angeklagten S und Z jeweils der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung schuldig sind,
b) in sämtlichen Strafaussprüchen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen, die Angeklagten S und Z betreffend, werden verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Schwurgericht hat den Angeklagten L wegen (vorsätzlicher ) Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die Angeklagten S und Z jeweils wegen Beihilfe zur Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft beanstanden mit der Sachrüge, daß die Angeklagten nicht wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB verurteilt worden sind, ferner, daß die Angeklagten S und Z nicht als Mittäter angesehen wurden. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen haben weitgehend Erfolg.
1. Das Schwurgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Am 26. Mai 2001 suchte der Angeklagte L Streit mit dem in einer Gruppe Jugendlicher vor einer Diskothek stehenden Zeugen St . Er hatte bemerkt, daß St den anderen Jugendlichen demonstrativ L s beschädigtes Auto gezeigt hatte, das er als Fahrzeug eines Unfallflüchtigen identifiziert hatte. L begab sich in die Diskothek und bat dort die Mitangeklagten S und Z , ihn bei einer Auseinandersetzung zu unterstützen. Beide folgten ihm, um ihn zumindest durch ihre Anwesenheit zu stärken. Sie hielten sich anschließend stets in unmittelbarer Nähe L s auf.
L ging zunächst auf St los, den er anpöbelte und bedrängte. Als sich der Geschädigte H , um zu schlichten, dazwischenstellte , versetzte ihm L einen heftigen Faustschlag ins Gesicht. H ging zu Boden, rappelte sich jedoch wieder auf und ging erneut auf L zu.
Daraufhin wandten sich alle drei Angeklagten dem Zeugen H zu. Es entwickelte sich ein Gerangel, bei dem H , der gegen die Motorhaube eines geparkten Fahrzeugs gestoßen wurde, schließlich erneut zu Boden stürzte. Bei gewalttätigen Einwirkungen wurde H vorsätzlich von L oder mit dessen Billigung von beiden Mitangeklagten oder von einem von ihnen erneut im Gesicht sowie am rechten Unterarm verletzt.
H sind, wahrscheinlich am Schluß der Auseinandersetzung, als er erneut zu Boden gegangen war, sieben Messerstiche in den Rücken versetzt worden. Als H am Boden lag, wandten sich L und auf dessen Kommando auch die beiden anderen Angeklagten abrupt von ihm ab und entfernten sich. Das Tatmesser wurde nicht gefunden. Die Stich- verletzungen waren nicht lebensgefährlich. Wer von den Angeklagten H die Messerstiche beigebracht hatte, konnte das Schwurgericht nicht klären. Es nimmt zugunsten eines jeden Angeklagten an, daß er einen Messereinsatz eines der anderen weder vorhergesehen noch gebilligt habe.
2. Die – von der Staatsanwaltschaft nicht ausdrücklich angegriffene – Beweiswürdigung des Schwurgerichts und die hieraus folgende Nichtzurechnung der Messerstiche, deren Zufügung zugunsten eines jeden Angeklagten als möglicher Exzeß eines der anderen Beteiligten gewertet wurde, ist aus Rechtsgründen noch nicht zu beanstanden, wenngleich ein anderes Ergebnis nach dem Vorgeschehen, den festgestellten räumlichen Verhältnissen und der Vielzahl der Messerstiche möglich – und sogar näherliegend – gewesen wäre. Indes besteht deshalb noch kein Anlaß für das Revisionsgericht , in die weitgehend dem Tatrichter vorbehaltene Beweiswürdigung einzugreifen.
3. Vor dem Hintergrund der ebenfalls rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, wonach aktive Körperverletzungshandlungen der Angeklagten S und Z für keine Phase des Tatgeschehens sicher nachgewiesen worden sind, ist die Wertung des Tatgerichts, diese Angeklagten mangels eigenen Tatinteresses und mangels Tatherrschaft aufgrund ihrer Unterordnung unter den Angeklagten L nicht als Mittäter, sondern als Gehilfen anzusehen, vom Revisionsgericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zwar wäre auch ohne Feststellung eigener Körperverletzungshandlungen nicht ausgeschlossen gewesen, die Angeklagten Z und S als Mittäter der Körperverletzung anzusehen, weil sie die vom Angeklagten L ausgeübte Zwangswirkung bewußt verstärkten (vgl. BGH GA 1986, 229; NStZ 1984, 328, 329). Dies war hier indes nicht zwingend. Aufgrund der Struktur des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB hierfür einen grundsätz- lich erweiterten Anwendungsbereich für die Mittäterschaft zu eröffnen, ist wegen der Erfassung des Zusammenwirkens eines Täters mit einem Gehilfen durch diesen Qualifikationstatbestand (vgl. unten 4) nicht geboten. Es gilt daher auch hier uneingeschränkt, daß die tatrichterliche Wertung bei der Abgrenzung zwischen (Mit-)Täterschaft und Beihilfe vom Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen ist (vgl. BGH StV 1998, 540 m.w.N.). Daher bleiben die staatsanwaltlichen Revisionen hinsichtlich der Angeklagten S und Z ohne weitergehenden Erfolg.
4. Zutreffend beanstandet die Staatsanwaltschaft indes, daß bei sämtlichen Angeklagten ein Schuldspruch lediglich wegen (einfacher vorsätzlicher ) Körperverletzung und nicht wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ergangen ist. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte L die Körperverletzung mit anderen Beteiligten, den Angeklagten S und Z , gemeinschaftlich begangen, zu dieser qualifizierten Körperverletzung haben die Angeklagten S und Z ihm vorsätzlich Hilfe geleistet.
Nach der Fassung bis Inkrafttreten des Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts – 6. StrRG – vom 26. Januar 1998 (BGBl I 164) verlangte § 223a StGB a.F. für diese Tatbestandsvariante noch, daß die Körperverletzung „von mehreren gemeinschaftlich begangen“ werde. Nach der Neufassung bezieht der Qualifikationstatbestand – trotz des an die Regelung für die Mittäterschaft in § 25 Abs. 2 StGB anknüpfenden, daher etwas mißverständlichen Wortlauts „gemeinschaftlich begeht“ – durch den eindeutigen Zusatz „mit einem anderen Beteiligten“, wie aus der Definition in § 28 Abs. 2 StGB zu entnehmen ist, neben einem weiteren (Mit-)Täter den Teilnehmer und damit (§ 28 Abs. 1 StGB) auch den Gehilfen ausdrücklich ein. Der Gesetzeswortlaut steht daher einer Auslegung nicht entgegen, wonach das gemeinsame Wirken eines Täters und eines Gehilfen bei Begehung einer Körperverletzung zur Erfüllung der Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ausreicht (h.M.; vgl. – jeweils m. w. N. – Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl.
§ 224 Rdn. 11; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 224 Rdn. 11; Lilie in LK 11. Aufl. § 224 Rdn. 33 bis 35; Rengier ZStW 111 [1999], 1, 9 f.; C. Jäger JuS 2000, 31, 35 f.; vgl. bereits Küper GA 1997, 301; a.A. Horn in SK-StGB, 7. Aufl. [Stand: Mai 1998] § 224 Rdn. 25; Schroth NJW 1998, 2861; Renzikowski NStZ 1999, 377, 382; noch offengelassen von BGH, Beschl. vom 5. April 2000 – 3 StR 95/00; vgl. auch zum Gefährlichkeitspotenzial einer Bande durch das Mitwirken eines Gehilfen: BGHR StGB § 244 Abs. 1 Nr. 2 Bande 5, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Sinn und Zweck des Qualifikationstatbestandes des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB gebieten die Einbeziehung des Zusammenwirkens von Täter und Gehilfen, soweit durch ein solches Zusammenwirken, nicht anders als durch mittäterschaftliche Begehung, eine verstärkte Gefährlichkeit der Körperverletzung für das Opfer begründet wird.
Eine gemeinschaftliche Begehung in dieser gegenüber mittäterschaftlichem Handeln schwächeren Beteiligungsform ist jedenfalls dann anzunehmen , wenn der am Tatort anwesende Gehilfe die Wirkung der Körperverletzungshandlung des Täters bewußt in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist. Dies wird bei dieser Form der Beteiligung regelmäßig vor allem – wie auch offensichtlich hier – durch eine Schwächung der Abwehrmöglichkeiten verwirklicht, wenn das Opfer durch die Präsenz mehrerer Personen auf der Verletzerseite insbesondere auch wegen des erwarteten Eingreifens des oder der anderen Beteiligten in seinen Chancen beeinträchtigt wird, dem Täter der Körperverletzung Gegenwehr zu leisten, ihm auszuweichen oder zu flüchten. Mit einer derartigen Begehung wird eine erhöhte Gefährlichkeit der Körperverletzung begründet, wie sie für die Qualifikationen nach § 224 Abs. 1 StGB kennzeichnend ist. Würde § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB seinem Wortlaut nach diese Form des Zusammenwirkens nicht erfassen – was indes im Blick auf die ausdrückliche Erwähnung des „Beteiligten“ nicht der Fall ist –, müßte bei diesem Qualifikationstatbestand weit eher als nach allgemeinen Abgrenzungskriterien üblich die Annahme von Mittäterschaft erwogen werden, um den Unrechtsgehalt erschöpfend würdigen zu können.
Inwieweit andere Erscheinungsformen des Zusammenwirkens eines Täters mit einem Gehilfen oder auch einem Anstifter ebenfalls die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestandes des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB erfüllen , insbesondere inwieweit ein Zusammenwirken am Tatort erforderlich ist, bedarf im vorliegenden Fall ebensowenig der Entscheidung wie die Frage , inwieweit bei bestimmten Erscheinungsformen mittäterschaftlichen Zusammenwirkens , insbesondere ohne gleichzeitige Präsenz am Tatort, dieser Qualifikationstatbestand ausnahmsweise nicht erfüllt sein kann (vgl. BGHR StGB § 223a Abs. 1 [a.F.] gemeinschaftlich 2).
5. Da das Schwurgericht diese Variante des § 224 Abs. 1 StGB neben den rechtsfehlerfrei ausgeschlossenen Varianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB nicht erwogen hat, hält das angefochtene Urteil insoweit sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen erweisen, daß die Voraussetzung einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB in der erörterten Beteiligungsform gemeinschaftlicher Begehung des Täters L mit den seine Zwangswirkung bewußt verstärkenden Gehilfen S und Z hier ohne weiteres (mindestens) erfüllt waren.
Der Senat kann insoweit zum Schuldspruch abschließend entscheiden. Es ist auszuschließen, daß sich die Angeklagten wirkungsvoller, als geschehen , hätten verteidigen können, wenn der entsprechend in der Revisionshauptverhandlung gegebene rechtliche Hinweis bereits in der tatgerichtlichen Verhandlung erteilt worden wäre. Zugunsten aller drei Angeklagter ist bei der gegebenen Beweislage die denkbar mildeste Sachverhaltsvariante festgestellt worden. Wie sich einer von ihnen in tatsächlicher Hinsicht nach entsprechendem Hinweis erfolgversprechend noch abweichend hätte vertei- digen können, ist nicht ersichtlich und auch von der Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung nicht begründet worden. Andererseits gibt der erfolgte Rechtsfehler keine Veranlassung, erneut umfassende tatrichterliche Tatsachenfeststellungen zur gesamten Tat zu verlangen, insbesondere etwa betreffend die Feststellbarkeit eigener Körperverletzungshandlungen der bislang als Gehilfen abgeurteilten Angeklagten oder den Einsatz des Messers , seine Kenntnis und Billigung eingeschlossen.
6. Die Schuldspruchänderung zieht wegen der unterschiedlichen Strafrahmen die Aufhebung der Strafaussprüche nach sich. Da dies auf einem Subsumtionsfehler beruht, bedarf es nicht der Aufhebung von Feststellungen gemäß § 353 Abs. 2 StPO. Das neue Tatgericht – nunmehr gemäß § 74 Abs. 1 GVG die allgemeine Strafkammer – wird die Strafzumessung auf der Grundlage der bisherigen auch die uneingeschränkte Schuldfähigkeit der Angeklagten einschließenden Feststellungen, die allenfalls durch hierzu widerspruchsfreie weitere Feststellungen ergänzbar sind, vorzunehmen haben.
Mit der Aufhebung der Strafaussprüche erledigen sich die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft gegen die Entschädigungsentscheidungen zugunsten der Angeklagten S und Z .
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 347/05
vom
22. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
zu 1. und 2. wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen
Selbstladekurzwaffe u.a.
zu 3. wegen Anstiftung zum unerlaubten Führen einer halbautomatischen
Selbstladekurzwaffe u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Dezember
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten P. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Ö. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten A. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers Cemal Ak. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers Ziver Ak. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Nebenklägers Cemal Ak. wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 28. Februar 2005 in den Schuldsprüchen dahin ergänzt, dass die Angeklagten P. und Ö. auch der tateinheitlich verwirklichten versuchten gefährlichen Körperverletzung in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und der Angeklagte A. der Anstiftung hierzu schuldig sind.
2. Die weitergehenden Revisionen des Nebenklägers Cemal Ak. und die Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
3. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Nebenkläger Ziver Ak. hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. Der Nebenkläger Cemal Ak. hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen, jedoch wird die Revisionsgebühr um ein Drittel ermäßigt. Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat die Angeklagten P. und Ö. des unerlaubten Führens einer halbautomatischen kurzläufigen Selbstladewaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und den Angeklagten A. der Anstiftung hierzu für schuldig befunden. Es hat deswegen die Angeklagten P. und A. jeweils zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren und neun Monaten, den Angeklagten Ö. zu einer solchen von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten und des Nebenklägers Cemal Ak. . Die Angeklagten Ö. und A. rügen die Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte P. darüber hinaus auch die Verletzung von Verfahrensrecht. Der Nebenkläger verfolgt mit seinen Revisionen in erster Linie das Ziel einer Verurteilung der Angeklagten (auch) wegen eines versuchten Tötungsdelikts, zumindest aber wegen versuchter (gefährlicher) Körperverletzung und beanstandet mit der Sachrüge die Beweiswürdigung des Landgerichts. Die Revisionen der Angeklagten erweisen sich als unbegründet, die des Nebenklägers Cemal Ak. nur als teilweise begründet.

II.

2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
Der Angeklagte A. beabsichtigte, den Nebenkläger Cemal Ak. für eine aus seiner Sicht ihm zugefügte Ehrverletzung zu bestrafen. Hintergrund hierfür war, dass ihm seine Ehefrau mitgeteilt hatte, der Nebenkläger habe vor Jahren versucht, sich ihr sexuell zu nähern. Die Mitangeklagten Ö. und P. erklärten sich bereit, die „Bestrafungsaktion“ gegen Zahlung von 3.000 € zu übernehmen. Hierbei wurde zunächst ins Auge gefasst, den Nebenkläger „zu schlagen“. Später kam man überein, mit einer vom Angeklagten Ö. zu beschaffenden Pistole auf das Fahrzeug des Nebenklägers zu schießen, um diesen „nachhaltig zu erschrecken“. Für ein solches Vorgehen verlangten P. und Ö. die Zahlung weiterer 4.500 €. Der Angeklagte A. erklärte sich hiermit einverstanden.
4
Am Abend des Tattages fuhren die Angeklagten P. und Ö. zu einer zuvor von P. ausgekundschafteten Stelle, die der Nebenkläger mit seinem Pkw von seiner Arbeitsstelle kommend passieren musste. Der Angeklagte Ö. hatte – wie verabredet – eine Pistole, Kaliber 9 mm, nebst Munition mitgebracht, zu deren Führung weder er noch der Angeklagte P. berechtigt waren. Mit dieser sollte der Angeklagte P. als geübter Sportschütze die Schüsse auf das Fahrzeug des Nebenklägers abgeben. Der Angeklagte Ö. positionierte sich auf einem dem späteren Tatort benachbarten Grundstück, um P. das Herannahen des Pkw des Nebenklägers mit einem Anruf seines Mobiltelefons anzukündigen. Für die Angeklagten stand fest, dass durch die Schüsse niemand verletzt werde sollte, „was sie aufgrund der Schießerfahrung des Angeklagten P. für machbar hielten“. Als der Nebenkläger – durch den Angeklagten Ö. wie vereinbart angekündigt – sich mit seinem Fahrzeug, in welchem sich noch zwei weitere Mitfahrer befanden , mit einer Geschwindigkeit von 30 – 40 km/h der Position des Angeklagten P. näherte, feuerte dieser hinter einer Hecke verborgen aus einer Entfernung von etwa fünf bis sieben Meter innerhalb weniger Sekunden in zwei oder drei kurzen Serien insgesamt sieben, auf die Reifen des Fahrzeugs gezielte Schüsse ab. Vier der Schüsse trafen das Fahrzeug. Ein Geschoß drang an der Vorderkante der linken hinteren Tür ca. 42,5 cm über dem Türschweller in die Karosserie ein. Die drei weiteren Einschläge erfolgten im Bereich des linken vorderen Reifens und Radkastens. Bei Abfeuern der Schüsse erkannte der Angeklagte P. die Möglichkeit, dass diese die Fahrzeuginsassen treffen und unter Umständen tödlich verletzen könnten. Einen solchen Erfolg wollte er jedoch nicht. Aufgrund seiner Erfahrung als Schütze vertraute er auf seine Treffsicherheit und deshalb darauf, dass die drei von ihm erkannten Fahrzeuginsassen nicht verletzt würden. Allerdings nahm er mindestens billigend in Kauf, dass es aufgrund des erwarteten und erwünschten Erschreckens des Fahr- zeugführers oder aber einer Beschädigung des Fahrzeugs, insbesondere der Reifen, zu einem Unfall kommen könnte. Es kam ihm jedoch nicht darauf an, einen Unfall herbeizuführen (UA 15).
5
Der Nebenkläger hielt sein Fahrzeug kurz an und fuhr - als er bemerkte, dass auf das Fahrzeug geschossen wurde – mit erhöhter Geschwindigkeit davon. Sowohl er wie auch seine zwei Mitfahrer blieben unverletzt.

III.

6
Die Revisionen des Nebenklägers:
7
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, mit der es einen Tötungsvorsatz , auch in der Form eines Eventualvorsatzes, verneint hat, lässt Rechtsfehler nicht erkennen (zur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfbarkeit tatrichterlicher Beweiswürdigung vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 13 und Überzeugungsbildung 33 m.w.N.).
8
a) Es hat mit tragfähigen Begründungen unter Abwägung der maßgeblichen Tatumstände und Indizien das Vorliegen eines versuchten Auftragsmordes im Rahmen einer Blutfehde zwischen der Familiengruppe des Nebenklägers und einer anderen kurdischen Familiengruppierung um den Angeklagten A. verneint. Die hiergegen gerichteten Angriffe des Beschwerdeführers („Scheinargumente“, „Würdigungsfehler“) decken keinen Rechtsfehler auf, sondern stellen nur den revisionsrechtlich unzulässigen Versuch dar, die eigene Beweiswürdigung an Stelle der des Tatrichters zu setzen.
9
b) Auch die weiteren Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen eines (bedingten) Tötungsvorsatzes verneint hat, geben keinen Anlass zu rechtlichen Bedenken. Die erkennende Strafkammer hat insoweit maßgeblich darauf abgestellt, dass von den sieben Schüssen, die der Angeklagte P. aus relativ kurzer Entfernung auf das Fahrzeug des Nebenklägers abgegeben hat, drei das Ziel völlig verfehlt haben und drei weitere im Bereich des linken Vorderreifens eingeschlagen sind. Hieraus und aus dem Umstand, dass der Angeklagte P. in den Jahren vor der Tat regelmäßig an dem Pistolen-Schusstraining seines Schützenvereins teilgenommen und als Sportschütze zumindest mittelmäßige Ergebnisse erzielt hatte, hat sie den – jedenfalls möglichen - Schluss gezogen, dass der Angeklagte ausschließlich auf die Reifen des Fahrzeugs des Nebenklägers gezielt und eine tödliche Verletzung der Fahrzeuginsassen weder wollte noch billigend in Kauf genommen hat. Soweit der weitere Schuss links hinten in Höhe der Oberkörper der Fahrzeuginsassen auftraf, hat das Landgericht in Anbetracht der genannten Umstände die Einlassung des Angeklagten bei seiner polizeilichen Vernehmung, er sei bei dem Mitschwenken mit dem Schießarm gegen die Hecke gekommen, als nicht widerlegbar erachtet. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen, zumal das Landgericht die nach Auffassung der Revision für die Annahme eines Tötungsvorsatzes sprechenden Umstände, nämlich dass die Schüsse bei Dunkelheit, auf ein sich bewegendes Ziel und mit einer dem Schützen nicht vertrauten Waffe abgegeben worden sind, ausdrücklich in seine Überlegungen mit einbezogen hat.
10
2. Aus den vorgenannten Gründen ist es auch revisionsrechtlich noch hinzunehmen, dass das Landgericht zu der Überzeugung gelangt ist, die Angeklagten hätten eine Verletzung der Fahrzeuginsassen (unmittelbar) durch die auf das Fahrzeug aufprallenden Geschosse weder gewollt noch billigend in Kauf genommen.
11
3. a) Keinen Bestand hat jedoch das Urteil, soweit das Landgericht einen (bedingten) Körperverletzungsvorsatz auch in Bezug auf ein (mögliches) durch die abgegebenen Schüsse ausgelöstes Unfallgeschehen verneint hat. Nach dem gemeinsamen Tatplan der Angeklagten sollte der Nebenkläger Cemal Ak. durch die auf sein Fahrzeug aufprallenden Geschosse „erschreckt“ werden. Das Landgericht hat hierzu – bezogen auf den Angeklagten P. – ausgeführt, er habe es bei Abgabe der Schüsse „mindestens billigend in Kauf“ genommen, dass es aufgrund des Erschreckens des Fahrzeugführers oder aber einer Beschädigung des Fahrzeugs zu einem Unfall kommen könnte. Nichts anderes gilt nach den Urteilsfeststellungen in Bezug auf die - in die wesentlichen Tatmodalitäten - eingeweihten Mitangeklagten Ö. und A. . Dass es in Anbetracht der hier gegebenen Umstände – das Fahrzeug hielt zum Zeitpunkt der Abgabe der ersten Schüsse eine Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h ein und befand sich in einem Abbiegevorgang - bei einem Unfallgeschehen, etwa einem Abkommen von der Fahrbahn und anschließendem Aufprall auf ein Hindernis, nicht zu einer – zumindest leichten - Verletzung der Insassen kommen würde, lag eher fern. Jedenfalls konnten - was das Landgericht verkannt hat - bei dieser Sachlage die Angeklagten nicht mehr ernsthaft darauf vertrauen , dass die Betroffenen bei einem Unfall unverletzt bleiben würden.
12
b) Das Landgericht hätte daher auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen die Angeklagten P. und Ö. auch der tateinheitlich verwirklichten versuchten gefährlichen Körperverletzung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen und den Angeklagten A. der Anstiftung hierzu für schuldig befinden müssen.
13
aa) Allerdings ist die Tatbestandsvariante des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB („mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs“) hier nicht gegeben. Sie setzt voraus, dass die Körperverletzung durch ein von Außen auf den Körper des Tatopfers einwirkendes gefährliches Tatmittel verursacht wird (Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 224 Rdn. 7; vgl. auch Schönke/SchröderStree StGB 26. Aufl. § 224 Rdn. 3). Gegenstand des (bedingten) Tatvorsatzes der Angeklagten war jedoch nicht, dass die Fahrzeuginsassen durch die mit der Waffe abgefeuerten Projektile körperlich verletzt würden, sondern durch ein infolge der Schüsse ausgelöstes Unfallgeschehen. Ein Körperverletzungserfolg wäre danach erst durch den nachfolgenden Unfall und nicht „mittels“ der eingesetzten Waffe eingetreten.
14
bb) Jedoch liegen die Voraussetzungen einer Versuchsstrafbarkeit nach §§ 224 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, 22, 23 StGB vor. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte P. mit einem anderen Beteiligten, dem Mitangeklagten Ö. , zu der hier relevanten Körperverletzungshandlung – Verursachung eines Unfalls – unmittelbar angesetzt; zu dieser Handlung hat der Angeklagte A. die beiden Mitangeklagten bestimmt (§ 26 StGB).
15
§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass mindestens zwei Personen bei der Körperverletzung bewusst zusammenwirken. Nicht erforderlich ist die eigenhändige Mitwirkung jedes einzelnen an der Verletzungshandlung. Vielmehr genügt es, dass eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar Tatausführenden aktiv - physisch oder psychisch – unterstützt (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 47, 383, 386/387; BGH NStZ 2000, 194, 195 ). So verhält es sich hier. Der Mitangeklagte Ö. befand sich im näheren Tatortbereich. Er hat weiterhin mit dem Angeklagten P. bei der (versuchten) Körperverletzung täterschaftlich zusammengewirkt, indem er das Herannahen der Tatopfer mit einem Anruf seines Mobiltelefons ankündigte und es P. damit ermöglichte, hierauf rechtzeitig zu reagieren. Der Annahme gemeinschaftlicher Begehungsweise steht hier nicht entgegen, dass die Tatopfer von der Beteiligung einer zweiten Person keine Kenntnis hatten (vgl. hierzu MünchKommStGB/Hardtung § 224 Rdn. 26; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 224 Rdn. 11 a; Lackner/Kühl 25. Aufl. § 224 Rdn. 7 sowie zu § 223 a StGB a.F. BGHR § 223 a Abs. 1 gemeinschaftlich 2). Durch den Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB sollen Begehungsweisen erfasst werden, bei denen durch das Zusammenwirken mehrerer eine verstärkte Gefährlichkeit der Körperverletzung für das Tatopfer begründet wird (BGHSt 47, 383, 386). Der Grad der Gefährlichkeit der Körperverletzung hängt jedoch von der konkreten Tatsituation, nicht aber von der Kenntnis des Tatopfers ab. Bei einem offen geführten Angriff werden die Täter dem Verletzten in aller Regel unmittelbar gegenüberstehen und das Tatopfer damit von der Beteiligung mehrerer Personen wissen. Wird der Angriff – wie hier – bei Dunkelheit verdeckt aus einem Hinterhalt geführt, so ist das Tatopfer vielfach gar nicht in der Lage, den oder die Angreifer wahrzunehmen. Die Gefährlichkeit der Körperverletzungshandlung ist in einem solchen Fall jedoch nicht geringer, sondern im Allgemeinen eher höher anzusetzen.
16
c) Der Senat hat daher die Schuldsprüche, wie aus der Urteilsformel ersichtlich , in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ergänzt. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.
17
4. Die Strafaussprüche können jedoch bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei Verurteilung der Angeklagten P. und Ö. auch wegen tateinheitlich verwirklichter versuchter gefährlicher Körperverletzung und des Angeklagten A. wegen Anstiftung hierzu auf höhere Freiheitsstrafen erkannt hätte, zumal es das Maß der Gefährdung der drei Fahrzeuginsassen bei der Strafzumessung nicht unberücksichtigt gelassen hat.
18
Die Revisionen der Angeklagten:
19
Die Rüge formellen Rechts des Angeklagten P. ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrügen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Soweit der Angeklagte A. speziell die Strafzumessung beanstandet, wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts Bezug genommen.

IV.

20
Von einer Überbürdung der durch die Revisionen der Angeklagten dem Nebenkläger Cemal Ak. entstandenen notwendigen Auslagen sieht der Senat ab, denn die Rechtsmittel der Angeklagten waren insgesamt und die des Nebenklägers im Wesentlichen erfolglos (§§ 472 Abs. 1 Satz 2, 473 Abs. 4 StPO; BGHR StPO § 473 Abs. 1 Satz 3 Auslagenerstattung 1). Tepperwien Kuckein Athing Solin-Stojanović Ernemann

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 73/02
vom
31. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
29. Mai 2002 in der Sitzung vom 31. Mai 2002, an denen teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
und Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 30. Oktober 2001 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts; die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat er von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362). Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, der regelmäßig in erheblichen Mengen Alkohol konsumierte, am Tattag nach dem Abendessen ab 19.00 Uhr 1,5 l Kölsch getrunken, als er sich um etwa 21.00 Uhr mit seinem Freund H. traf. Die beiden begegneten dem späteren Tatopfer Sch. und ihrer Freundin; sie versuchten, die beiden Mädchen zu überreden, sich ihnen anzuschließen. Im Gegensatz zu ihrer
Freundin entschloû sich Sch. , die früher einmal mit H. befreundet gewesen war, den jungen Männern Gesellschaft zu leisten, da der Angeklagte ihr einredete, sein Freund wolle sich wieder mit ihr versöhnen. Während man sich unterhielt, teilten die beiden Männer sich eine halbe Flasche Wodka. Als der Angeklagte seine Hoffnung auf ein sexuelles Abenteuer schwinden sah, wollte er von seinem Freund nach Hause gefahren werden. In der Hoffnung auf Versöhnung mit H. begleitete Sch. die beiden. Vor dem Haus des Angeklagten ging die Unterhaltung auf dem Parkplatz weiter, und der Angeklagte holte aus seiner Wohnung eine Flasche Wein. Diese leerte er gemeinsam mit Sch. , welche zwei Gläser trank. Nachdem der Angeklagte noch eine Flasche Sekt herbeigebracht hatte, von der die junge Frau ein Glas und er den Rest konsumierte, wollte Sch. nach Hause. Der Angeklagte hatte sein Interesse an ihr noch nicht aufgegeben und erklärte, sie zu begleiten. Trotz seiner Alkoholisierung steuerte der Angeklagte den Pkw selbst. An einer Grünfläche hielt er auf einem Parkplatz an und faûte den Entschluû , mit Sch. an Ort und Stelle notfalls auch gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr auszuüben. Er zog die Frau, die sich widersetzte und vergeblich nach ihrem früheren Freund rief, in das nahegelegene Waldstück. Um sie zum Schweigen zu bringen, schlug der Angeklagte sie so heftig in das Gesicht, daû sie einen Schneidezahn verlor. Im Wald stieû er Sch. zu Boden, so daû sie mit dem Rücken über einem Holzbalken lag, und entkleidete sie teilweise. Als sie wiederum um Hilfe schrie, würgte er sie mit beiden Händen so stark, daû sie kaum noch atmen konnte, und drehte ihr Gesicht auf die Erde, wodurch sie noch weniger Luft bekam. Dabei drohte er ihr, sie zu erwürgen , wenn sie sich nicht ruhig verhalte. Sch. gab schlieûlich aus Furcht jeden weiteren Widerstand auf, und der Angeklagte führte gegen ihren
Willen ungeschützten Geschlechtsverkehr und Oralverkehr aus. Nachdem er in die Hand der Zeugin ejakuliert hatte, gingen beide zurück zum Auto. Der Angeklagte forderte seinen Freund auf, zu fahren und zunächst Sch. nach Hause zu bringen, was diese aber nicht wollte. Als der Angeklagte sich von Sch. verabschiedete, kündigte er an, sie von nun an noch oft zu besuchen. Zu Hause wusch er sich, machte sich für seine Arbeit als Müllsortierer fertig und ging dieser Tätigkeit, ohne geschlafen zu haben, von 5.30 Uhr bis 10.00 Uhr nach. Übermüdet brach er dann die Arbeit ab. Sch. erlitt u.a. Würgemale am Hals und leidet seit der Tat unter Angstzuständen. Sie stimmte einer als "Täter-Opfer-Ausgleich" bezeichneten Vereinbarung vom 25./26. Oktober 2001 zu, die der Verteidiger des Angeklagten und ihr Rechtsanwalt unterzeichneten. Darin verpflichtete sich der Angeklagte, an die Geschädigte ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 DM zu zahlen, die Kosten für das notwendig werdende Zahnimplantat zu übernehmen sowie die Kosten der Vereinbarung nebst den entstandenen Anwaltskosten zu tragen. Die Vereinbarung enthält ferner einen Passus, wonach der Angeklagte die Geschädigte um Verzeihung bittet und sie seine Entschuldigung annimmt. Vor der Hauptverhandlung leistete der Angeklagte eine erste Zahlung von 10.000 DM, die er durch den Verkauf seines Autos und über Familienangehörige finanzierte. Von diesem Betrag behielt der Rechtsanwalt der Geschädigten 2.000 DM für Anwaltskosten ein. Für weitere 5.000 DM und die Zahnarztkosten bestehen Zahlungsfrist zum 1. Juli und 31. Dezember 2002. Die Geschädigte, die ihre Nebenklage vereinbarungsgemäû zurücknahm , war zum Abschluû des Vergleichs nur deshalb bereit, weil sie befürchtete , ansonsten keinerlei Ersatzleistungen von dem Angeklagten zu erhalten,
und weil sie - was der Angeklagte wuûte - dringend Geld zur Finanzierung des Zahnimplantats benötigte. 2. Das Landgericht hat angenommen, daû der Angeklagte bei Begehung der Tat eine Blutalkoholkonzentration von maximal 3,6 %o aufwies und sich - bei im übrigen voll vorhandener Einsichtsfähigkeit in das Unrecht seines Tuns - im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) befand. Die Strafe hat die Kammer dem gemäû §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB entnommen; eine weitere Strafmilderung nach §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB hat sie abgelehnt.

II.

Die Revision des Angeklagten war zu verwerfen. 1. Die Verfahrensrügen sind unbegründet.
a) Das Landgericht hat seine Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nicht dadurch verletzt, daû es von weiteren Beweiserhebungen zur Alkoholisierung des Angeklagten abgesehen hat. Eine Vernehmung der Ehefrau des Angeklagten sowie seines Freundes H. dazu, daû der Angeklagte nicht 1,5 l, sondern 3 l Kölsch konsumierte und die halbvolle Flasche Wodka allein leerte, drängte sich nicht auf. Denn diese von dem Angeklagten behaupteten Trinkmengen hätten im Zusammenwirken mit dem weiteren Konsum von Wein und Sekt, wie er vom Landgericht festgestellt wurde, zu einer unglaubhaft hohen Blutalkoholkonzentration von weit über 4 %o zur Tatzeit geführt. Eine solche war mit dem Leistungsverhalten des Angeklagten unmittelbar vor, während und nach der Tat nicht vereinbar. Die sachverständig beratene Strafkammer hat vielmehr - worauf im folgenden noch einzugehen sein wird - in nicht zu bean-
standender Weise aus diversen Kriterien im Verhalten des Angeklagten den Schluû gezogen, daû seine Schuldfähigkeit nicht aufgehoben war.
b) Auch ein Verstoû gegen § 261 StPO liegt nicht vor. Durch die nur zum überwiegenden Teil und nicht in vollem Wortlaut erfolgte Wiedergabe der als Täter-Opfer-Ausgleich bezeichneten Vereinbarung stellt sich die Beweiswürdigung nicht als lückenhaft oder widersprüchlich dar. Die in der Vereinbarung enthaltene Erklärung der Geschädigten, sie habe an der Verhängung einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten kein Interesse mehr, wird im Urteil zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Dies läût aber nicht besorgen, die Strafkammer habe den Inhalt der Abrede unvollständig oder unrichtig gewürdigt. Eine wörtliche Wiedergabe dieses Gesichtspunkts war nicht zwingend; es kann vielmehr ausgeschlossen werden, daû das Landgericht sich damit nicht auseinandergesetzt hat. So wird unter anderem die Tatsache, daû die Geschädigte ihre Anschluûerklärung zurückgenommen hat, vom Tatgericht ausdrücklich gewürdigt; dieses Verhalten dokumentiert den Verzicht auf eine aktive eigene Beteiligung am Prozeû und läût bereits auf geringeres Strafverfolgungsinteresse schlieûen. 2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) Der Schuldspruch hält materiellrechtlicher Überprüfung stand. aa) Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen und hat eine Schuldunfähigkeit rechtsfehlerfrei verneint. Es kann dahinstehen, ob das Landgericht - sachverständig beraten - bei dem 65 kg schweren Angeklagten zu Recht einen Reduktionsfaktor von 0,8
angenommen hat. Ein derartiges Abweichen von dem im Regelfall bei Männern anzusetzenden Faktor von 0,7 kann bei mageren, schmalwüchsigen Personen in Betracht kommen, da der Reduktionsfaktor von der individuellen körperlichen Konstitution, insbesondere vom Fettgewebsanteil, abhängt (vgl. BGHR StGB § 20 Blutalkoholkonzentration 2; BGH NStZ 1992, 277; Beschl. v. 25. Mai 1993 - 2 StR 153/93; Forster, Praxis der Rechtsmedizin (1986), S. 451; Schütz, Alkohol im Blut (1983), S. 59). Mangels näherer Angaben zum Körperbau des Angeklagten, auch seiner Gröûe, kann der Senat jedoch nicht überprüfen, ob die zu Ungunsten des Angeklagten erfolgte Abweichung vom Durchschnittswert berechtigt war. Dies gefährdet den Bestand des Urteils jedoch letztlich ebensowenig wie die Tatsache, daû das Landgericht die gebotene Kontrollrechnung zur Überprüfung der Trinkmengenangaben (vgl. BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 1, 7, 18; § 20 Blutalkoholkonzentration 19; BGH NStZ-RR 1997, 226; 1998, 359) nicht vorgenommen hat. Denn der Senat schlieût aus, daû das Landgericht bei rechnerischer Ermittlung anderer Blutalkoholwerte Schuldunfähigkeit des Angeklagten angenommen hätte. Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten vor, während und nach der Tat einer Gesamtwürdigung unterzogen und im Rahmen der tatrichterlichen Beweiswürdigung in nicht zu beanstandender Weise den Schluû gezogen, daû die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht aufgehoben und seine Einsichtsfähigkeit nicht beeinträchtigt war. Rechtsfehlerfrei stellt das Landgericht im wesentlichen darauf ab, daû der Angeklagte ein zielgerichtetes und durchdachtes Leistungsverhalten (Autofahren, situationsadäquate Reaktionen und Gespräche, diverse Sexualpraktiken, anschlieûendes Arbeiten ) zeigte und - auch nach seinen eigenen Angaben - keine Ausfallerschei-
nungen aufwies. Gegenüber diesen aussagekräftigen psychodiagnostischen Kriterien, einhergehend mit Alkoholgewöhnung und weitgehend erhaltenem Erinnerungsvermögen des Angeklagten, hat das Landgericht dem Blutalkoholwert , der hier lediglich anhand der Trinkmengen über einen Zeitraum von 7 1/2 Stunden ermittelt werden konnte, zu Recht keine ausschlaggebende Beweisbedeutung beigemessen (vgl. BGHSt 43, 66; BGH NStZ 1998, 457; Beschl. v. 23. November 2000 - 3 StR 413/00). bb) Ohne Rechtsfehler hat der Tatrichter eine Strafbarkeit wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung angenommen. Das Würgen des Tatopfers durch den Angeklagten ist als eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu werten. Festes Würgen am Hals kann geeignet sein, eine Lebensgefährdung herbeizuführen (vgl. BGH GA 1961, 241). Zwar reicht insoweit nicht jeder Griff aus, der zu Würgemalen führt, ebensowenig bloûe Atemnot (vgl. BGH StV 1993, 26; BGH, Urt. v. 11. April 2000 - 1 StR 55/00); andererseits kann Würgen bis zur Bewuûtlosigkeit oder bis zum Eintritt von Sehstörungen beim Opfer dessen Leben gefährden (vgl. BGH, Urt. v. 27. September 1995 - 3 StR 324/95; BGH JZ 1986, 963). Von maûgeblicher Bedeutung sind demnach Dauer und Stärke der Einwirkung, die abstrakt geeignet sein muû, das Leben des Opfers zu gefährden. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt nicht voraus, daû das Opfer tatsächlich in Lebensgefahr geraten ist. Nach den vom Landgericht festgestellten Gesamtumständen gingen die von dem Angeklagten vorgenommenen Würgegriffe über ein nur kurzzeitiges Zudrücken mit vorübergehender Luftnot weit hinaus und waren nach Art und Umfang abstrakt geeignet, bei der Geschädigten eine Lebensgefährdung herbeizuführen. Daû der Angeklagte in subjektiver Hinsicht die Umstände erkannt hatte, aus denen sich die Lebensgefährlichkeit
seines Tuns ergab (vgl. BGH NJW 1990, 3156), wird durch seine Äuûerung belegt, er werde sein Opfer erwürgen, wenn es nicht still sei.
b) Auch der Strafausspruch hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Vergeblich wendet sich die Revision gegen die Ablehnung einer weiteren Strafmilderung gemäû §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB. Auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen waren die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 1 StGB hier im Ergebnis zu verneinen. Nach § 46 Abs. 2 StGB ist das Nachtatverhalten des Täters, insbesondere sein Bemühen um Wiedergutmachung und das Erstreben eines Ausgleichs mit dem Verletzten, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist aus gesetzessystematischer Sicht davon auszugehen, daû der vertypte Strafmilderungsgrund des § 46 a StGB an weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein muû (vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 46 a Rdn. 4; Schöch in 50 Jahre Bundesgerichtshof - Festgabe aus der Wissenschaft , S. 309, 323). Die Vorschrift des § 46 a Nr. 1 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung und nach der gesetzgeberischen Intention einen kommunikativen Prozeû zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muû (vgl. BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 1; BT-Drs. 12/6853, S. 21). Dafür ist weder zwingend die Vermittlung durch einen neutralen Dritten erforderlich (obwohl die Gesetzesinitiative von einer solchen ausging, vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 22), noch ein - nicht immer ratsamer - persönlicher Kontakt zwischen Täter und Opfer (vgl. BGH StV 1999, 89, 2001, 448). Unverzichtbar ist jedoch nach dem Grundgedanken des Täter-Opfer-Ausgleichs eine von beiden Seiten akzeptierte , ernsthaft mitgetragene Regelung. An einer solchen fehlt es hier, obwohl
die von den Anwälten beider Seiten unterzeichnete schriftliche Vereinbarung rein formal gesehen die Anwendung des § 46 a Nr. 1 StGB indiziert. Das Tatgericht , das durch die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung der Vereinbarung als "Täter-Opfer-Ausgleich" in keiner Weise gebunden war, hat zu Recht die Gesamtumstände in seine Beurteilung mit einbezogen. Aus diesen ergibt sich, daû im vorliegenden Fall - wie er sich in der maûgeblichen Hauptverhandlung darstellte - ein Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne dieser Vorschrift nicht stattgefunden hat. Mit Einführung des § 46 a StGB durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz sollten die Belange des Opfers in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden (vgl. Gesetzentwurf zum VerbrBekG, BT-Drs. 12/6853, S. 21; Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/8588, S. 4). Bei der Verankerung des Täter -Opfer-Ausgleichs in Nr. 1 dieser Vorschrift hat sich der Gesetzgeber inhaltlich an die Definition des § 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG angelehnt und somit den förmlichen , tatsächlich praktizierten Täter-Opfer-Ausgleich vor Augen gehabt (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 21; ebenso König/Seitz NStZ 1995, 1, 2; Kilchling NStZ 1996, 309, 312). Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46 a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, daû das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Das ergibt sich aus ratio und Entstehungsgeschichte dieser Norm. Ob der von § 46 a Nr. 1 StGB angestrebte kommunikative Prozeû zu bejahen ist, ist im Einzelfall anhand deliktsspezifischer Gesichtspunkte zu prüfen. Bei einem schwerwiegenden Sexualdelikt , wie es hier vorliegt, wird eine entsprechende, zumindest annähernd gelungene Konfliktlösung in der Regel aus tatsächlichen Gründen schwerer erreichbar sein (vgl. auch BGH NStZ 1995, 492; StV 2000, 129).
Hier hat die Geschädigte nach den Feststellungen des Landgerichts die Vereinbarung nicht als friedensstiftende Konfliktregelung innerlich akzeptiert. Sie stimmte der Abrede vielmehr nur zu, weil sie befürchtete, ansonsten keinerlei Ersatzleistungen von dem Angeklagten zu erhalten, und weil sie - was der Angeklagte wuûte - dringend Geld benötigte, um das Zahnimplantat finanzieren zu können. Da das Tatopfer sich demnach allein aus faktischen Zwängen heraus notgedrungen mit der schriftlichen Vereinbarung einverstanden erklärte, liegt im Ergebnis ein umfassender Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen im Sinne des § 46 a Nr. 1 StGB nicht vor. Allerdings kann die fehlende Einwilligung des Opfers im Rahmen des § 46 a Nr. 1 StGB dann unerheblich sein, wenn der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, die Wiedergutmachung der Tat ernsthaft erstrebt hat. Die Anwendbarkeit des Strafmilderungsgrundes soll demnach nicht ausschlieûlich vom Willen des Opfers abhängen; nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte dem Täter in den Fällen, in denen eine vollständige Wiedergutmachung nicht möglich wäre, eine realistische Chance eingeräumt werden, in den Genuû der Strafmilderung zu gelangen, etwa bei Verweigerung der Mitwirkung durch das Opfer oder bei Eintritt eines hohen Schadens durch relativ geringes Verschulden. Als einschränkendes Kriterium fordert die Vorschrift aber das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, als Rahmenbedingung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 21). Das bedeutet , daû das Bemühen des Täters gerade darauf gerichtet sein muû, zu e inem friedensstiftenden Ausgleich mit dem Verletzten zu gelangen; der Täter muû demnach in dem ernsthaften Bestreben handeln, das Opfer "zufriedenzustellen". Dies war bei dem Angeklagten nach den Urteilsfeststellungen nicht der Fall. Er kannte die finanzielle Situation der Geschädigten; ihm war bewuût, daû sie die schriftliche Vereinbarung nur aus der Not heraus annahm, ohne
darin tatsächlich eine Konfliktregelung zu sehen. Daû es dem Angeklagten aber selbst gerade um einen friedensstiftenden Ausgleich ging, ist nicht ersichtlich. Nach alledem muûte bei dieser Sachlage eine Strafmilderung gemäû § 46 a Nr. 1 StGB ausscheiden. Die - auch - auf diese Überlegungen gestützte Ablehnung der §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB erfolgte demnach ohne Rechtsfehler. Auf den teilweise rechtlich bedenklichen weiteren Erwägungen des Landgerichts zur Nichtanwendung des § 46 a StGB beruht der Strafausspruch daher nicht. Rechtsfehlerfrei und der Gesetzessystematik entsprechend hat das Landgericht nach Verneinung der Strafmilderung gemäû § 46 a StGB das Verhalten des Angeklagten strafmildernd gemäû § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigt. Vizepräsident des Bundes- Otten Rothfuû gerichtshofs Dr. Jähnke ist infolge Eintritts in den Ruhestand an der Unterschrift gehindert. Otten Fischer Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 204/02
vom
27. August 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. August
2002, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 29. Januar 2002 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes, wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Schutzbefohlenen in vier Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Sie erstrebt im Ergebnis eine höhere, zu vollstreckende Strafe. Ihr Rechtsmittel bleibt erfolglos.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts streichelte der Angeklagte im Jahr 1987 seine aus erster Ehe stammende, in seinem Haushalt lebende
damals 13jährige Tochter N. im Bereich der Vagina, führte für wenige Sekunden einen Finger leicht in die Scheide ein und ließ N. kurz sein entblößtes , erigiertes Glied anfassen. Er onanierte sodann vor dem Kind bis zum Samenerguß und zeigte die Samenflüssigkeit seiner Tochter mit den Worten: "Schau' mal, wie sich das anfühlt!" (Fall II. 1., sexueller Mißbrauch eines Kindes nach § 176 Abs. 1 StGB aF; die Gesetzesverletzung nach § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB war verjährt). Im Juli oder August 1998 veranlaßte der Angeklagte die seinerzeit 8jährige Tochter I. seiner nunmehrigen Lebensgefährtin J. K. , sein nicht erigiertes Glied für wenige Sekunden in den Mund zu nehmen und daran zu lutschen, als er I. zu Bett brachte. Er war in diesem Zeitraum auch mit der Erziehung des Kindes befaßt. Ein bis zwei Wochen später wiederholte sich dieser Vorgang. Etwa ein bis drei Wochen darauf führte der Angeklagte einen Finger in die Scheide des Mädchens ein und bewegte ihn. Aufforderungsgemäß leckte das Kind den Finger sodann ab. Er streichelte es schließlich im Bereich der Scheide und küßte diese. Wenige Tage später kam es erneut zu den gleichen Handlungen; zudem gab der Angeklagte jetzt dem Kind einen Zungenkuß (Fälle II. 2. a) bis d), schwerer sexueller Mißbrauch eines Kindes in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Schutzbefohlenen, § 176 Abs. 1, § 176a Abs. 1 Nr. 1, § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Am 18. Juni 2000 würgte der Angeklagte seine Lebensgefährtin J. K. im Zuge der Trennung beider, so daß diese zwei Tage lang unter Schluckbeschwerden litt (Fall II. 3., vorsätzliche Körperverletzung, § 223 Abs. 1 StGB). 2. Das Landgericht hat für die erste Tat - zum Nachteil von N. , Fall II.1. - eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, für die vier Taten zum
Nachteil von I. - Fälle II. 2. - je eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und für die Körperverletzung zum Nachteil der J. K. - Fall II.3. - eine Geldstrafe ! "! $# % & von 120 Tagessätzen á 40 sstrafe von zwei Jahren gebildet. Deren Vollstreckung hat es zur Bewährung ausgesetzt. In den ersten beiden Komplexen (zum Nachteil N. und I. ) hat es jeweils minder schwere Fälle angenommen und dabei ausdrücklich darauf abgestellt, daß die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB erfüllt seien. Bei der Bemessung der Geldstrafe für das Körperverletzungsdelikt hat es ebenso die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB bejaht und den Strafrahmen über § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Die Strafkammer hat dies damit begründet, daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung an sei- %' )(+*, "- . / '10 / ' 2 354 6 '1 1*, 7 98/4 70 ne Tochter N. 260 zivilrechtlichen Verjährung eines im Adhäsionsverfahren anhängigen Schmerzensgeldanspruchs ausgegangen war. Zur Abgeltung weiterer, ebenfalls im Adhäsionsverfahren geltend gemachter Ansprüche der Geschädigten I. und J. K. hat er sich im Wege eines in der Hauptverhandlung protokol- # 0 1;: ,< = *, 8/4 ?> lierten Vergleichs zur Zahlung von 3.000 ver- 6@ pflichtet, die bei ratenweiser Zahlung in Höhe von insgesamt 2.000 zehn Monaten als vollständig erfüllt gelten sollten. J. K. hat er im Vergleichswege sämtliche im ehemals gemeinsamen Haushalt verbliebenen gemeinschaftlichen Möbel und Hausratsgegenstände zu Alleineigentum überlassen ; diese ging dabei von einem Wert der Gegenstände in Höhe von 3.500 aus. Der Angeklagte bezog zuletzt Übergangsgeld vom Arbeitsamt; er hat Unterhaltsverpflichtungen und ist hoch verschuldet.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. 1. Die Bejahung der Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs (gemäß § 46a Nr. 1 StGB) durch das Landgericht begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) § 46a Nr. 1 StGB verlangt, daß der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wiedergutgemacht hat; es ist aber auch ausreichend, daß der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden , friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt sein muß. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt dazu nicht (BGH NStZ 1995, 492; NJW 2001, 2557; NStZ 2002, 29). Wenngleich ein "Wiedergutmachungserfolg" nicht zwingende Voraussetzung ist (BGH aaO), so muß sich doch das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich bereit finden und sich auf ihn einlassen. Ebensowenig wie allein die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen genügt, ist andererseits bei einem auf Ausgleich angelegten Verhalten des Täters, das sich als "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" erweist, die vollständige Erfüllung der bestehenden Ersatzansprüche erforderlich ; die strafrechtliche Wiedergutmachung im Sinne von § 46a StGB darf mit dem zivilrechtlichen Schadensersatz nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden (so zu § 46a Nr. 2 StGB: BGH NJW 2001, 2557). Der Anwendbarkeit steht zudem nicht von vornherein entgegen, daß der Täter den finanziellen Ausgleich durch seinen Verteidiger und etwa erst zu einem Zeitpunkt veranlaßt hat oder sich dazu verpflichtet hat, zudem ihn das Opfer bereits auf Zahlung in An-
spruch genommen hat (BGH StV 2000, 129 = NStZ-RR 2000, 364; StV 1999, 89; NStZ 1995, 284). Regelmäßig sind aber tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter haben wird (BGH NStZ 2002, 29; BGH, Beschluß vom 22. Januar 2002 - 1 StR 500/01). Auf dieser Grundlage hat der Tatrichter in "wertender Betrachtung" und schließlich nach Ermessensgesichtspunkten zu entscheiden, ob er die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs annimmt und danach von der so eröffneten Milderungsmöglichkeit Gebrauch macht. Dabei gilt es, das gesetzgeberische Anliegen im Blick zu behalten, mit der Vorschrift für den Täter einen als "vertypten Strafmilderungsgrund" ausgestalteten Anreiz für entsprechende Ausgleichsbemühungen zu schaffen. Das verbietet nach Auffassung des Senats ein allzu enges Verständnis der Vorschrift jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen ein kommunikativer Prozeß zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat; dies wird vornehmlich für Taten im Familienverbund oder innerhalb sonstiger persönlicher Beziehungen zu gelten haben.
b) Das Landgericht hat diese Maßstäbe im Ergebnis beachtet. Die Urteilsgründe belegen in ihrem Zusammenhang noch hinreichend die Voraussetzungen eines stattgefundenen Täter-Opfer-Ausgleichs, den die Beschwerdeführerin namentlich hinsichtlich der ersten beiden Tatkomplexe (Taten zum Nachteil der Kinder) in Frage stellt. Die Feststellungen ergeben, daß der Angeklagte versucht hat, die Tatopfer in seine Ausgleichsbemühungen einzubeziehen und daß ein friedensstiftender "kommunikativer Prozeß" stattgefunden hat. So nahm der Angeklagte im zweiten Fallkomplex (zum Nachteil von I. ) nach Offenlegung des Kindesmißbrauchs durch die Geschädigte gegenüber ihrer Mutter um die Jahreswende 1998/99 mit der Telefonseelsorge Kontakt
auf; die Mutter ließ sich ebenfalls beraten. In Absprache mit der Mutter kam es danach zu einem - ersichtlich auch von der Beratungsstelle für sinnvoll erachteten - Gespräch zwischen Angeklagtem und dem Kind. Im Einvernehmen des Angeklagten, des Kindes und der Mutter lebten alle drei mit einer weiteren, jüngeren Tochter der Mutter seit Frühjahr 1999 wieder zusammen und zogen im Herbst 1999 gemeinsam nach Ku. , wo der Angeklagte und seine Lebensgefährtin ein Haus kauften (UA S. 13). Daß dieser ersichtlich einstweilen erfolgreiche Versuch einer "Aufarbeitung" der Taten zeitlich vor der Einleitung des Ermittlungsverfahrens lag, hindert den Tatrichter nicht, ihn - jedenfalls im Ergebnis - mit in Betracht zu ziehen. Ähnlich lag es auch beim ersten Fall (zum Nachteil von N. ). Nachdem sich das Opfer seiner Stiefmutter, der zweiten Ehefrau des Angeklagten, anvertraut und diese dem Angeklagten deshalb Vorhaltungen gemacht hatte, gab der Angeklagte die Tat zu. Da er N. versprach , derartiges nie mehr zu tun, hielt diese auch in der Folgezeit weiter Kontakt zu ihm. Dies blieb so, bis im Jahr 2000 die Vorwürfe des Mißbrauchs von I. bekannt wurden. Aus Empörung darüber brach N. nun den Kontakt mit ihrem Vater ab und erstattete ihrerseits Anzeige. Daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung ein Schmerzensgeld an N. gezahlt hat und im übrigen im Wege eines protokollierten Vergleichs entsprechende Verpflichtungen zur Ersatzleistung eingegangen ist (UA S. 7, 8/9, 11), belegt unter diesen Umständen noch genügend, daß die Ausgleichsbemühungen auch in der Folge jedenfalls eine gewisse friedensstiftende Wirkung gezeitigt oder jedenfalls angebahnt haben; die Annahme der Vergleiche und der vergleichsweisen Zahlung setzt eine entsprechende Bereitschaft seitens der Opfer voraus. Ein gerichtlich protokollierter Vergleich ist ein Vollstrekkungstitel (vgl. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Auswirkungen der erfolgten und der zu erbringenden Zahlungen für den hoch verschuldeten Angeklagten erge-
ben sich noch genügend aus dem Zusammenhang mit den Feststellungen zu seinen finanziellen und persönlichen Verhältnissen. Unter all diesen Umständen ist jedenfalls von Rechts wegen nichts dagegen zu erinnern, daß die Strafkammer die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs in wertender Betrachtung für alle Fälle bejaht und von ihrer Straffindungskompetenz in revisionsrechtlich hinzunehmender Weise Gebrauch gemacht hat. Im ersten Fall steht der ersichtlichen Annahme "überwiegender Wiedergutmachung" von Rechts wegen nicht die eher geringe Höhe des gezahlten Schmerzensgeldes entgegen. Denn die Tat lag lange zurück. Die Geschädigte hatte nach Aussprache weiter Kontakt mit dem Angeklagten, ihrem Vater, gepflegt, und fortdauernde erhebliche psychische Folgen des Tatgeschehens sind im Urteil nicht festgestellt. Sie liegen angesichts des Zeitablaufs und des Lebensalters der Geschädigten zur Tatzeit sowie zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung auch nicht nahe.
c) Aus den Urteilsgründen ergibt sich schließlich auch kein Anhalt dafür, daß die Geschädigten den Täter-Opfer-Ausgleich etwa nicht "ernsthaft mitgetragen" und nicht als friedensstiftende Konfliktregelung "innerlich akzeptiert" hätten. Deshalb kann der Senat dahinstellen, ob ein solcher innerer Vorbehalt des Opfers der Annahme der Voraussetzungen eines Ausgleichs entgegenstünde (so der 2. Strafsenat, Urteil vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02).
2. Die Revisionsbegründung der Beschwerdeführerin zeigt auch sonst einen Rechtsfehler nicht auf. Nack Wahl Boetticher Schluckebier Kolz

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 333/01
vom
22. August 2001
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. August 2001 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 23. März 2001
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 22 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen , sowie des sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in weiteren 22 Fällen schuldig ist,
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 44 Fällen, davon in 22 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, die die Verletzung von
Verfahrensrecht und sachlichem Recht rügt, hat teilweise Erfolg. Sie führt zu einer Ä nderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs ; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlichen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 21 Fällen (Fallgruppen II B.1 bis II B.3 der Urteilsgründe; § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB) kann keinen Bestand haben, weil hinsichtlich dieser Gesetzesverletzungen Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zu Recht hervorhebt , hat der Angeklagte die insoweit festgestellten Taten (II B.1 bis II B.3 der Urteilsgründe) in der Zeit von Herbst 1992 bis Sommer 1995 begangen. Die Verjährungsfrist für sexuellen Mißbrauch von Schutzbefohlenen beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die erste zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Handlung lag in dem richterlichen Durchsuchungsbeschluß vom 24. Januar 2000 (Bd. I Bl. 53 der Strafakte). Die nach dem 24. Januar 1995 beendeten Vergehen nach § 174 StGB können mithin nicht mehr verfolgt werden. Auch bei Tateinheit unterliegt jede Gesetzesverletzung einer eigenen Verjährung (st.Rspr.; vgl. nur BGH NStZ 1990, 80, 81). Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann danach lediglich für eine Tat des sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in den genannten Tatkomplexen davon ausgegangen werden, daß sie in unverjährter Zeit begangen wurde. Das Landgericht hat festgestellt (Fallgruppe II B.2), daß es ab Herbst 1992 bis zum Sommer 1995 in mindestens 20 Fällen zu sexuellen Handlungen des Angeklagten an seiner von ihm adoptierten Stieftochter kam. Diese seien in einem Abstand von jeweils höchstens drei Wochen erfolgt (UA S. 7). Im Rahmen der Beweiswürdigung (UA S. 20) hat die Strafkammer jedoch
für die Berechnung der Gesamtzahl einen "großzügigen Sicherheitsabschlag" vorgenommen. Nachdem sie zunächst eine Tat pro Monat zugrunde gelegt und 36 Einzelfälle errechnet hat, ist sie dann - um sicher zu gehen, daß der Angeklagte durch die summarische Feststellung nicht beschwert wird - von lediglich 20 Fällen ausgegangen, ohne diese zeitlich genauer zu konkretisieren (vgl. dazu BGH NStZ 1994, 502). Bei dieser Sachlage kann aufgrund der Begrenzung des Tatzeitraumes bis zum Sommer 1995 lediglich sicher davon ausgegangen werden, daß in der unverjährten Zeit, also nach dem 24. Januar 1995, wenigstens eine Tat begangen wurde. Da der Senat ausschließt, daß in diesem Punkte eine weitere Klärung des Sachverhalts erfolgen kann, vermag er den Schuldspruch selbst zu ändern. 2. Schon die Schuldspruchänderung wegen teilweiser Verjährung muß zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe und die Einzelstrafen in den Fallgruppen II B.1 bis 3 führen. Das Landgericht hat bei der Zumessung der Strafen für diese Taten (Fallgruppen II B.1 bis 3) aus dem Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB ausdrücklich berücksichtigt, daß der Angeklagte zwei Straftatbestände verwirklicht hat (UA S. 28). Der Senat kann daher nicht sicher ausschließen, daß dieser Gesichtspunkt die Straffindung mit beeinflußt hat. Darüber hinaus unterliegen auch die Einzelstrafen in den Fallgruppen II B.4 bis 6 der Aufhebung, weil die Überprüfung der Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung nach den Grundsätzen des Täter-Opfer-Ausgleichs durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet (UA S. 30). Zu Recht weist der Generalbundesanwalt darauf hin, daß das Landgericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB ausgegangen ist, sich jedoch vor allem die Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat bezieht (BGH NStZ 1999, 610; 2000, 205 f.; BGH, Beschluß vom
25. Mai 2001 - 2 StR 78/01). Nach § 46a Nr. 1 StGB genügt das ernsthafte Bemühen des Täters um Wiedergutmachung, wobei die Vorschrift als Rahmenbedingung fordert, daß das Bemühen darauf gerichtet sein muß, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, was das Gesetz mit dem Klammerzusatz "Täter-Opfer-Ausgleich" stichwortartig charakterisiert. Die Vorschrift setzt einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muß. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt nicht. Durch die engen Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB soll eine Privilegierung reicher Täter verhindert werden, die jederzeit zur Wiedergutmachung in der Lage sind und sich ohne weiteres - auch ohne Berücksichtigung der Opferinteressen - "freikaufen" könnten. § 46a Nr. 1 StGB verlangt allerdings keinen "Wiedergutmachungserfolg". Erforderlich ist, daß der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wiedergutgemacht hat; ausreichend ist aber auch, daß der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt (st.Rspr.; BGH NStZ 1995, 492, 493; BGH, Beschlüsse vom 20. Februar 2001 - 4 StR 551/00 - und vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01). Das Landgericht geht zwar davon aus, daß die Voraussetzungen des § 46a (Nr. 2) StGB gegeben sind, erläutert dies aber nicht näher. Es hebt lediglich hervor, der Angeklagte habe mit seiner Verpflichtung zur Leistung von Schmerzensgeld auf einen Teil seiner Alterssicherung verzichtet. Demgegenüber wögen die zu Lasten des Angeklagten wirkenden Gesichtspunkte derart schwer, daß eine Schadenswiedergutmachung sie "nicht aufwiegen" könne (UA S. 30 unten). Dies läßt besorgen, daß das Landgericht zu hohe Anforderungen an die Milderungsmöglichkeit nach §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB gestellt hat, zumal Feststellungen dazu fehlen, wie sich die Geschädigte zu den Bemühun-
gen des Angeklagten stellt und welche Folgen die Schmerzensgeldverpflichtung für den Angeklagten hat, aber auch wie sicher deren Erfüllung ist. 3. Die getroffenen Feststellungen können bestehenbleiben, da lediglich Wertungsfehler in Rede stehen. Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind zulässig. Dies wird in der neuen Hauptverhandlung namentlich hinsichtlich des Täter-Opfer-Ausgleichs in Betracht zu ziehen sein. Schäfer Wahl Schluckebier Kolz Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 199/04
vom
9. September 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. September
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 26. November 2003 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - allgemeine -Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten der gefährlichen K örperverletzung , begangen zum Nachteil des Nebenklägers Dirk K. für , schuldig befunden und ihn zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mi t ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, die sie wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


1. Nach den Feststellungen traf der - bereits alkoholisierte - Angeklagte in der Nacht zum 1. Juni 2003 in der Diskothek "M. " auf den mit ihm
flüchtig bekannten Nebenkläger, der sich in Begleitung seiner Nachbarin Katrin H. befand. Der Nebenkläger war in sie verliebt und reagierte entsprechend eifersüchtig, als er im Laufe des Abends bemerkte, daß es zwischen dem Angeklagten und Katrin H. „gefunkt“ hatte. Er verließ deshalb zunächst die Diskothek, tauchte aber einige Zeit später wieder auf, worauf es zwischen beiden zu einer verbalen Auseinandersetzung kam, obwohl der Angeklagte keinen Streit wollte. Beide trennten sich schließlich und der Angeklagte fuhr mit dem Taxi nach Hause. Dort überkam ihn wegen des Geschehens plötzlich eine "ungeheure Wut". Er nahm sich aus der Küche drei Messer mit Klingenlängen zwischen 11 und 20 cm und ging, mit diesen Messern bewaffnet, zur Wohnung des Nebenklägers. Dort wartete er auf der gegenüberliegenden Straßenseite, bis der Nebenkläger mit einem Taxi erschien. Als dieser ausstieg , näherte sich ihm der Angeklagte, dessen BAK in diesem Zeitpunkt 2,43 ‰ betrug, unbemerkt. "In diesem Augenblick wollte er Dirk K. töten. Er rief nur 'Dirk'. K. drehte sich um. Sofort stach der Angeklagte auf ihn ein" (UA 10). Der Nebenkläger war durch den Stich zwar verletzt, fühlte aber noch keinen Schmerz und bewegte sich rückwärts in Richtung einer Trinkhalle. Der Angeklagte verfolgte ihn über 50 Meter und stach dabei weiter auf ihn ein. Dabei äußerte er: "Ich stech' Dich ab, das wird meine Perle". Schließlich ließ der Angeklagte von ihm ab und gab seinen Tötungsvorsatz auf. Dirk K. war schwer verletzt. Der Angeklagte erkannte das nicht, weil dieser wegrannte.
Dem Nebenkläger gelang es, mit seinem Mobiltelefon de n Polizeinotruf zu betätigen. Die darauf erschienenen Polizeibeamten fanden auf einen Hinweis des Nebenklägers auch den Angeklagten in der Nähe auf einer Mauerbegrenzung sitzend vor, von wo aus er die Beamten auf sich aufmerksam machte; er war "fassungslos über sein eigenes Verhalten".
Der Nebenkläger erlitt drei lebensgefährliche Stichverletzungen in Bauch und Brust. Er konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden. Insgesamt waren drei Operationen erforderlich. Der Nebenkläger befand sich drei Wochen in stationärer Behandlung im Krankenhaus und anschließend zur Weiterbehandlung in einer Reha-Klinik. Er ist immer noch stark belastet und nicht arbeitsfähig.
2. Das Landgericht hat einen strafbefreienden Rücktritt vom unbeendeten Versuch eines Tötungsdelikts angenommen und den Angeklagten deshalb lediglich der gefährlichen Körperverletzung nach den Tatvarianten der Nummern 2 und 5 des § 224 Abs. 1 StGB für schuldig befunden. Es hat - sachverständig beraten - eine alkoholbedingt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bejaht und deshalb bei der Strafbemessung den Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Diesen so gemilderten Strafrahmen hat es sodann ein weiteres Mal gemäß §§ 46 a Nr. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert, weil der Angeklagte, der "den Prozeß dazu nutzen (wollte), sich bei Dirk K. zu entschuldigen", "ein Darlehen in Höhe von 5.000 Euro bei seiner Mutter aufgenommen und dieses Geld im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs als Erstzahlung an K. gezahlt" hat (UA 12).

II.


1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, weil die dopp elte Strafrahmenmilderung durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision zu Recht, daß die Voraussetzungen für einen
erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46 a StGB) nicht hinreichend dargetan sind.

a) Das Landgericht geht davon aus, daß die Voraussetzunge n des § 46 a Nr. 2 StGB gegeben seien, weil der Angeklagte 5.000 Euro gezahlt und damit , "auch wenn dies noch keine vollständige Leistung auf den Schmerzensgeldanspruch ist" (UA 19), angesichts seiner sonstigen hohen Verschuldung eine erhebliche persönliche Leistung erbracht habe, zumal er für die Zahlung an den Geschädigten einen zurückzuzahlenden "Kredit bei seiner Mutter" habe aufnehmen müssen. Die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein genügt jedoch nicht, um die durch § 46 a StGB eröffnete Strafrahmenmilderung zu rechtfertigen (BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 5). Das gilt hier umso mehr, als die Zahlung von 5.000 Euro angesichts der Schwere der Verletzungen und der Folgen der Tat für das Opfer dessen berechtigten Ansprüchen auch nicht annähernd gerecht wird und diese Art der Schadenswiedergutmachung schon deshalb eine friedensstiftende Wirkung, wie sie § 46 a StGB voraussetzt , nicht entfalten kann.

b) Im übrigen hat das Landgericht nicht bedacht, daß § 46 a Nr. 2 StGB den materiellen Schadensersatz betrifft, während sich der für eine Strafrahmenmilderung erforderliche Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat, um die es hier vor allem geht (Schmerzensgeldanspruch), jedenfalls vorrangig nach Nr. 1 des § 46 a StGB bestimmt (vgl. BGHR StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 1). Diese Vorschrift setzt einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftaten verursachten Folgen gerichtet sein muß; das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch einer Einbeziehung des Opfers genügt nicht
(BGHSt 48, 134, 142 f.; BGHR StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 5). Regelmäßig sind dazu Feststellungen erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat und wie sicher die Erfüllung der über den bisher gezahlten Betrag hinausgehenden weiteren Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist (BGHR aaO Ausgleich 6). Derartige Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen. Sie waren auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Denn ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne von § 46 a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, daß das Opfer die erbrachten Leistungen oder Bemühungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Daß dies hier der Fall ist, kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden. Dagegen könnte sogar sprechen, daß sich das vom Angeklagten gezahlte Geld nicht bei dem Nebenkläger, sondern auf einem Treuhandkonto seines Prozeßbevollmächtigten befindet.
Über den Strafausspruch ist deshalb erneut zu befinden.
2. Im übrigen deckt die Überprüfung des Urteils zum Strafausspruch einen Rechtsfehler weder zu Gunsten noch – was der Senat gemäß § 301 StPO zu beachten hat – zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere hat das Schwurgericht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin neben den Tatmodalitäten der Nrn. 2 und 5 des § 224 Abs. 1 StGB zu Recht nicht auch die Nr. 3 der Vorschrift ("mittels eines hinterlistigen Überfalls") angewandt. Hinterlist setzt voraus, daß der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen (st. Rspr.; BGHR StGB § 223 a StGB Hinterlist 1 m.w.N.; BGH NStZ 2004, 93). Ein solches planmäßig
auf Verdeckung ausgerichtetes Verhalten des Angeklagten kann den vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht entnommen werden. Indem der Angeklagte sich K. „unbemerkt von hinten oder seitlich (näherte)“ (UA 10) und auf ihn sofort einstach, nachdem sich dieser auf seinen Zuruf umgedreht hatte, hat der Angeklagte für den Angriff lediglich das Überraschungsmoment ausgenutzt. Das genügt aber für Hinterlist im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht (st. Rspr.; Senatsurteil vom 4. März 2004 – 4 StR 377/03; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 224 Rn. 10 m.w.N.).

III.


Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Straf kammer des Landgerichts zurück, nachdem das Verfahren nicht mehr eine die Zuständigkeit des Schwurgerichts betreffende Straftat zum Gegenstand hat.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 344/11
vom
19. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Oktober
2011, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Staatsanwältin in der Verhandlung
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreterinnen der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 11. März 2011 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 14 Fällen sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer Revision die Verletzung sachlichen Rechts, insbesondere die rechtsfehlerhafte Annahme des § 46a Nr. 1 StGB. Ihr Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, bleibt erfolglos. Die Bejahung der Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB durch das Landgericht begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
2
1. § 46a Nr. 1 StGB setzt einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss (Senat BGH NStZ 2002, 646). Dafür ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung Voraussetzung. Das Bemühen des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein, und das Opfer muss die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren (BGH 1 StR 204/02). Regelmäßig sind tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter haben wird (vgl. BGH aaO sowie NStZ 2002, 29).
3
2. Das Landgericht hat diese Maßstäbe beachtet. Es hat die rechtlichen Voraussetzungen für einen Täter-Opfer-Ausgleich zutreffend erkannt und dabei insbesondere ausdrücklich bedacht, dass bei Sexualstraftaten eine gelungene Konfliktlösung aus tatsächlichen Gründen schwerer herbeizuführen ist als bei anderen Straftaten (UA 13). Ohne Rechtsfehler hat es in den Fällen 1 bis 12, 14 und 15 der Urteilsgründe eine Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen sowie § 46a Nr. 1 StGB im Fall 13 bei der Annahme eines minderschweren Falles im Sinne des § 176a Abs. 4 StGB berücksichtigt.
4
Entgegen der Ansicht der Revision hat die Strafkammer auch die Übernahme von Verantwortung durch den Angeklagten als eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs tragfähig begründet. Sie hat dabei berücksichtigt, dass der Angeklagte sich gegenüber der Nebenklägerin zu seiner Schuld bekannt und sich sowohl bei ihr als auch bei ihrer Familie entschuldigt hat. Außerdem hat der Angeklagte zum Ausdruck gebracht , dass er sich für seine Taten schämt, und er hat durch sein umfassendes Geständnis der Nebenklägerin eine erneute Konfrontation in der Hauptverhandlung erspart. Entgegen der Ansicht der Revision bedurfte es der Mitteilung von Einzelheiten der Entschuldigung nicht.
5
Die Urteilsgründe weisen auch hinreichend aus, dass ein kommunikativer Prozess zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat. Der Angeklagte und die Nebenklägerin haben einen Vergleich geschlossen, der den Angeklagten zu monatlichen Zahlungen von 200 Euro verpflichtet. Die Kammer hat dazu in Übereinstimmung mit den in der Rechtsprechung des Bundgerichtshofs gemachten Vorgaben festgestellt, dass der Angeklagte aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse in der Lage ist, die Zahlungsverpflichtung tatsächlich zu erfüllen und dass er die Zahlung bereits aufgenommen hat. Sie hat dabei auch erwogen , dass die Nebenklägerin die Entschuldigung des Angeklagten nicht angenommen hat. Soweit die Revision insoweit rügt, es fehle an dem erforderlichen Willen des Opfers zur Versöhnung, stehen dem die Urteilsgründe entgegen. Daraus ergibt sich, dass die Nebenklägerin einen förmlichen Vergleich geschlossen hat, der per se eine friedensstiftende Funktion besitzt, dass sie die Zahlungen akzeptiert hat und dass dies ersichtlich nicht lediglich geschehen ist, weil sie sich etwa in einer Notlage befunden hätte. Die Kammer hat hieraus ohne Rechtsfehler den Schluss gezogen, dass die Nebenklägerin die Leistung des Angeklagten als Ausgleich akzeptiert hat.
6
Entgegen dem Revisionsvorbringen begegnet es weiter keinen rechtlichen Bedenken, dass sich den Urteilsgründen - was wünschenswert gewesen wäre - die exakte Vergleichssumme nicht entnehmen lässt. Die Feststellung in den Urteilsfeststellungen, dass ein Vergleich abgeschlossen wurde, die Mitteilung der monatlichen zu zahlenden Summe und die Tatsache, dass die Nebenklägerin die Zahlungen angenommen hat, reichen hier in Verbindung mit den weiteren im Urteil aufgeführten Umständen aus, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB für den Senat zu belegen.
7
Soweit die Revision im Übrigen meint, die vereinbarten Zahlungen und die versuchte Entschuldigung genügten mit Rücksicht auf das Tatbild und die Tatfolgen für das Opfer nicht für die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs, ersetzt sie lediglich die Wertung des Landgerichts durch ihre eigene, ohne Rechtsfehler aufzuzeigen.

Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
____________________
Bei Gewaltdelikten und Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist für
einen erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich mit der zu Gunsten des Angeklagten
wirkenden Folge der Strafmilderung nach § 46a i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB regelmäßig
ein Geständnis zu verlangen.
BGH, Urt. vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02 - LG Konstanz -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 405/02
vom
19. Dezember 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
18. Dezember 2002 in der Sitzung am 19. Dezember 2002, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 15. Mai 2002 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, wirksam auf den Strafausspruch beschränkten Revision greift die Staatsanwaltschaft mit einer Verfahrensrüge und der Sachbeschwerde die Bemessung der Freiheitsstrafe und die Strafaussetzung zur Bewährung an. Sie wendet sich insbesondere gegen die mit einem Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB begründete Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB. Das Rechtsmittel hat Erfolg. 1. Nach den Feststellungen lernten sich der Angeklagte und die 20jährige Geschädigte in einer Diskothek kennen. Sie tauschten dort einvernehmlich Zärtlichkeiten aus. Sie verließen gemeinsam die Diskothek und gingen über einen Parkplatz zu einer nahegelegenen Autowaschanlage. In einer
Waschbox hielt der Angeklagte plötzlich mit einer Hand das Handgelenk der Geschädigten fest und drückte sie gegen die Wand. Gegen ihren erkennbaren Willen küßte er sie heftig, faßte unter ihr Oberteil und knetete fest ihre Brüste. Er zog ihre Hose bis zu den Knien herunter und führte zwei oder drei Finger seiner anderen Hand in ihre Scheide ein. Anschließend versuchte er mit seinem Penis von hinten in die Scheide einzudringen, was ihm nicht gelang; dafür führte er an ihr den Oralverkehr durch. Er fügte dem Tatopfer aufgrund dieser Behandlung Kratzwunden sowie erhebliche Schmerzen zu.
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung die von ihm an der Geschädigten vorgenommenen sexuellen Handlungen in der Waschbox eingeräumt. Er hat aber bestritten, Nötigungsmittel angewandt zu haben; alle sexuellen Handlungen seien einverständlich erfolgt. Die Kammer hat sich jedoch aufgrund der glaubhaften Aussage der Geschädigten von der Schuld des Angeklagten überzeugt.
2. Zur Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB hat die Strafkammer folgendes ausgeführt: Nach der Vernehmung des Tatopfers in der Hauptverhandlung sei der zunächst bestreitende Angeklagte mit einem gerichtlichen Hinweis gemäß § 155a StPO auf die Möglichkeiten des Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen worden. Er sei daraufhin von seiner ursprünglichen Einlassung insoweit abgewichen , als er ein „Mißverständnis bzw. ein Verschulden einräumte". Der Angeklagte habe sich bei dem Tatopfer – nach Auffassung der Kammer ernsthaft – entschuldigt. Er habe kein volles Geständnis abgelegt, was in Anbetracht der in der Hauptverhandlung anwesenden Familienangehörigen und Freunde des Angeklagten sowie seiner Verlobten nachvollziehbar sei. Er habe in der Hauptverhandlung ernsthaft angeboten, sich durch Vermittlung eines Sozialthera-
peuten mit dem Tatopfer an einen Tisch zu setzen und ihr durch ein Gespräch dabei zu helfen, die Sache endgültig zu verarbeiten. Ferner habe er sich bereit erklärt, zum Ausgleich des immateriellen Schadens ein Schmerzensgeld von 3.500 Euro zu bezahlen. Seine Familie habe diesen Betrag in der Hauptverhandlung zur Verfügung gestellt und der Geschädigten ausgehändigt, "die diesen Betrag durch ihren Beistand als gewissen Ausgleich akzeptiert" habe (UA S. 7). Zur weiteren Begründung hat die Strafkammer ausgeführt, ein TäterOpfer -Ausgleich könne in jeder Lage des Verfahrens erfolgen. Der Angeklagte habe erst durch den gerichtlichen Hinweis von der Möglichkeit eines TäterOpfer -Ausgleichs erfahren. Er habe zwar dem Tatopfer eine peinliche Befragung nicht erspart, habe sich aber am Ende der Beweisaufnahme darum bemüht , einen kommunikativen Prozeß mit der Geschädigten in die Wege zu leiten. Er habe auch seiner in der Hauptverhandlung anwesenden Familie zugesagt , den Betrag von 3.500 Euro durch Arbeitsleistungen zurückzuerstatten. Die Kammer habe - auch unter Beobachtung des in Haftsachen besonders zu berücksichtigenden Beschleunigungsgrundsatzes - davon abgesehen, die Hauptverhandlung zur Ermöglichung einer weiteren Kommunikation zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten auszusetzen.
3. Die Beschwerdeführerin trägt - insoweit enthält die Revisionsbegründung eine noch zulässige Verfahrensrüge nach § 261 StPO - vor, der Angeklagte habe im Ermittlungsverfahren Zeugen benannt, die bekunden sollten, die Geschädigte biete sich vor der Diskothek gegen Geld an. Nachdem sich dieses als falsch herausgestellt habe, sei dem Angeklagten, dem im gesamten Ermittlungs- und Hauptverfahren ein Verteidiger zur Seite gestanden habe, im Eröffnungsbeschluß ein Hinweis nach § 155a StPO auf einen Ausgleich gegeben worden. Dessen ungeachtet habe seine Verteidigung über zwei Verhand-
lungstage auf einen Freispruch abgezielt. Dies habe in einem Antrag auf Ein- holung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache gegipfelt, die Geschädigte habe die Unwahrheit gesagt. Das darin zum Ausdruck gekommene weitere Bestreiten des Angeklagten hätte nicht mit dem erneuten rechtlichen Hinweis gemäß § 155a StPO unterlaufen werden dürfen. Auch nach dem Hinweis habe sich der Angeklagte nur dahin eingelassen, es handele sich um ein Mißverständnis und es tue ihm leid. Er habe damit die vorsätzliche Mißachtung der sexuellen Selbstbestimmung relativiert und die Tat weiter in Abrede gestellt. Dies komme auch darin zum Ausdruck, daß der Verteidiger im Schlußvortrag Freispruch beantragt habe. Nach dem gerichtlichen Hinweis hätten sich mehrere im Gerichtssaal anwesende Familienmitglieder entfernt und 2.500 Euro beigebracht. Erst nach den Schlußvorträgen habe der Vater des Angeklagten dem Vertreter der Nebenklage 2.500 Euro in Anwesenheit des Tatopfers übergeben. Der Vater habe zugesichert, im Laufe des Tages weitere 1.000 Euro zu übergeben und habe auf Drängen des Nebenklägervertreters zugesagt, die Kosten des Adhäsionsverfahrens und die bis dahin angefallenen Gebühren zu übernehmen. Aufgrund dieser Umstände seien wesentliche Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs nicht erfüllt. Der Angeklagte habe seine schädigende Handlung niemals eingeräumt.

II.


Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die Bejahung der Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a StGB durch das Landgericht begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. 1. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Übernahme des im Jugendstrafrecht erfolgreich angewandten Täter-Opfer-Ausgleichs (§ 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, §
45 Abs. 2 Satz 2 JGG) in das allgemeine Strafrecht die Absicht, auch im Er- wachsenenstrafrecht die Belange des Opfers von Straftaten stärker in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Gleichzeitig kann der Täter auf diesem Wege besser als mit bloßer Bestrafung zur Einsicht in die Verwerflichkeit seines Tuns und zur Übernahme von Verantwortung für die Folgen seiner Straftat veranlaßt werden (BTDrucks. 12/6853 S. 21). § 46a StGB will einen Anreiz für Ausgleichsbemühungen seitens des Täters schaffen, dem Opfer durch sein persönliches Einstehen für die Folgen der Tat, durch immaterielle Leistungen oder auch durch materielle Schadensersatzleistungen Genugtuung zu verschaffen. Allerdings will die Norm mit den Anforderungen an einen friedensstiftenden Ausgleich auch in dem aus generalpräventiver Sicht erforderlichen Umfang sicherstellen, daß nicht jede Form des Schadensausgleichs ausnahmslos und ohne Rücksicht auf den Einzelfall dem Täter zugute kommt (BTDrucks. aaO S. 21). Der Gesetzgeber hat zwar mit § 46a StGB - ähnlich mit § 31 BtMG für aufklärungsbereite Betäubungsmittelstraftäter - für um Ausgleich und Wiedergutmachung bemühte Beschuldigte den Anreiz eines Strafmilderungsgrundes geschaffen; die Vorschrift soll aber kein Instrument zur einseitigen Privilegierung reuiger Täter sein (Schöch, 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft S. 309, 323; zur Gefahr, daß die Vorschrift entgegen den gesetzgeberischen Intentionen doch zu einem Freikauf durch den Täter führen kann, vgl. BGH Beschl. vom 14. Dezember 1999 - 4 StR 554/99 - , StV 2000, 129). 2. § 46a Nr. 1 StGB macht das Angebot an den Täter und das Opfer, mit Hilfe eines Vermittlers oder einer sonstigen auf Ausgleich ausgerichteten Kommunikation eine von allen Beteiligten einverständlich getragene Regelung zu finden, die geeignet ist, Konflikte beizulegen, die zu der Straftat geführt haben oder durch sie verursacht wurden. Ergeben die Ausgleichsbemühungen,
daß die Wiedergutmachung ganz oder zum überwiegenden Teil aus materiellen Leistungen in Form von Schadensersatz oder Schmerzensgeld bestehen, so verlangt § 46a Nr. 2 StGB, daß der Täter diese tatsächlich erbracht und dafür erhebliche persönliche Anstrengungen unternommen und Verzicht geleistet hat. Beide Alternativen des § 46a StGB beschreiben selbständige Voraussetzungen , die übereinstimmend einen Schadensausgleich bezwecken. Der Tatrichter kann die Strafmilderung für den Täter nach den Umständen des Einzelfalles auf jede der beiden Alternativen stützen; liegen jedoch die Voraussetzungen für beide Alternativen vor, können sie nebeneinander festgestellt werden (Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 46a Rdn. 4a). Der Unterschied zwischen Nr. 1 und Nr. 2 besteht darin, daß Nr. 2 für die materiellen Wiedergutmachungsleistungen den Eintritt des Erfolges (d.h. die geleistete Zahlung) verlangt , während sich Nr. 1 unter Umständen mit den mit dem erstrebten Erfolg verbundenen Ausgleichsbemühungen (hinsichtlich der materiellen Leistungen deren Zusage) begnügt (Schöch aaO S. 309 ff., 319, 323, 335).
a) Der Gesetzgeber hat sich in § 46a Nr. 1 StGB inhaltlich an der im Jugendstrafrecht geltenden Konfliktregelung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG und den dort zur Verfügung stehenden jugendspezifischen Modellen des formalisierten Täter-Opfer-Ausgleichs orientiert. Bei der Übernahme des Täter-OpferAusgleichs in das allgemeine Strafrecht hat er sich wegen der Vielfalt der nach Landesrecht geregelten Verfahren und wegen der nur bedingt möglichen Übertragbarkeit auf kein formalisiertes Verfahren festgelegt. Bei dieser Konzeption ist er auch anläßlich der Einführung der verfahrensrechtlichen Grundnormen der § 155a und § 155b StPO geblieben (Gesetz vom 20. Dezember 1999; BGBl. I S. 2491), mit denen er den in das materielle Strafrecht eingestellten Täter-Opfer-Ausgleich verfahrensrechtlich verankern und stärken wollte (BTDrucks. 14/1928 S. 8).
Der 1. Strafsenat hat schon kurz nach Inkrafttreten die Vorschrift des § 46a StGB dahin ausgelegt, daß dessen Wortlaut - entgegen der Entwurfsbegründung - offen läßt, ob die Lösung des der Tat zugrundeliegenden Gesamtkonflikts "stets" unter Anleitung eines Dritten anzustreben ist oder ob dies nur "tunlichst" geschehen soll. Dafür hat der Senat aber in ständiger Rechtsprechung zumindest einen "kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer" verlangt, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Tat verursachten Folgen gerichtet sein muß. Er hat damit gegenüber dem in Täter-OpferAusgleichs -Verfahren von fachkundigen Personen vermittelten "Gespräch als Medium parteiautonomer Konfliktregulierung" (Messmer, Täter-OpferAusgleich , Zwischenbilanz und Perspektiven, Bonner Symposium, 1991, S. 127) einen offeneren Kommunikationsbegriff gewählt, um auch anderen Kommunikationsformen zur Schadenswiedergutmachung Raum zu lassen. Sofern ein Verfahren nicht offensichtlich für einen Täter-Opfer-Ausgleich ungeeignet ist, sollen Staatsanwaltschaft und Gericht nach § 155a StPO grundsätzlich in die Prüfung eintreten, ob ein Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem erreicht werden kann. Dies gilt nach § 155a Satz 1 und 2 StPO ausdrücklich für jedes Stadium des Verfahrens (BTDrucks. aaO S. 8). Schwerpunkt der durch Dritte vermittelten Ausgleichsbemühungen wird nach dem gesetzgeberischen Willen aber das Ermittlungsverfahren mit der dazu neu geschaffenen Möglichkeit der Einstellung des Verfahrens nach § 153 a Abs. 1 Nr. 5 StPO sein. In der Hauptverhandlung kann der Tatrichter ebenfalls noch auf den Täter-Opfer-Ausgleich hinwirken, jedoch wird das in diesem Verfahrensstadium bei einem bestreitenden oder schweigenden Angeklagten nur eingeschränkt möglich und angezeigt sein.
b) Die Eignung eines Verfahrens für den Täter-Opfer-Ausgleich und das Maß des zu verlangenden kommunikativen Prozesses sind abhängig von dem
zugrundeliegenden Delikt, vom Umfang der beim Tatopfer eingetretenen Schä- digungen und damit von dem Grad der persönlichen Betroffenheit des Opfers. Schwere - auf einzelne Opfer bezogene - Gewaltdelikte, insbesondere Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung (etwa Vergewaltigung, sexuelle Nötigung , sexueller Mißbrauch von Kindern) sind nicht prinzipiell vom Täter-OpferAusgleich ausgeschlossen. Allerdings wird in diesen Fällen der kommunikative Prozeß seltener durch ein persönliches Gespräch zwischen Täter und Opfer geprägt sein. Für den erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich wird eher eine über Angehörige, den Verteidiger und den Nebenklägervertreter oder den Beistand vermittelte Kommunikation ausreichen. Um der Gefahr zu begegnen, daß der Täter die Vergünstigung des § 46a i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB durch "ein routiniert vorgetragenes Lippenbekenntnis" oder einen Anwaltsschriftsatz erlangt, oder das Opfer während der Kommunikation Pressionen aussetzt und dem Tatrichter bei Sexualstraftaten oder Körperverletzungsdelikten "ein versöhntes Opfer" präsentiert, hat der Tatrichter seine Feststellungen zum erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich in den Urteilsgründen darzulegen. Dabei wird er insbesondere den Willen des Opfers zur Versöhnung und die Frage einer erzielten Genugtuung zu berücksichtigen haben (vgl. König, Anm. zum Urt. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01 - JR 2002, 251, 253). aa) Nach dem Wortlaut des § 46a StGB ist ein bestimmtes Prozeßverhalten des Beschuldigten nicht ausdrücklich gefordert. Da es aber beim TäterOpfer -Ausgleich um eine strafrechtliche Konfliktskontrolle geht, muß der Beschuldigte prinzipiell - im Einzelfall in Abwägung zwischen dem Ziel der Schuldmilderung und dem nemo-tenetur-Prinzip - akzeptieren, daß er für das am Opfer begangene Unrecht einzustehen hat; dazu gehört auch, daß er die Opferrolle respektiert. Der rechtliche Konflikt über die Rollenverteilung von Täter und Opfer kann nicht jedesmal von den Beteiligten neu und individuell
festgelegt werden (Rössner, Bonner Symposium aaO S. 210, 217). Das bedeutet , daß ein explizit bestreitender Beschuldigter von einer Überweisung an eine nach landesrechtlichen Vorschriften für den Täter-Opfer-Ausgleich zuständige geeignete Stelle oder von einer durch Dritte vermittelten friedensstiftenden Kommunikation ausgeschlossen bleiben muß. Dagegen kann neben dem geständigen Täter auch der schweigende Täter in die Kommunikation einbezogen werden (vgl. Hartmann, Staatsanwaltschaft und Täter-OpferAusgleich , 1998, S. 68). bb) Dem entspricht, daß der Bundesgerichtshof für den kommunikativen Prozeß verlangt, daß das Verhalten des Täters im Verfahren "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" ist, um die friedensstiftende Wirkung der Schadenswiedergutmachung zu entfalten (Senat, Beschl. vom 25. Juli 1995 - 1 StR 205/95 -, NStZ 1995, 492, 493; BGH, Beschl. vom 20. Februar 2001 - 4 StR 551/00 - , StV 2001, 346; BGH, Beschl. vom 25. Oktober 2000 - 5 StR 399/00 - , NStZ 2001, 200; kritisch zu dieser Wortwahl Schöch aaO S. 326; König, Anm. zu BGH, Urt. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, JR 2002, 251, 252). Hieran hält der Senat fest. Im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung kann nur dem Täter die Strafmilderung nach § 46a i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zuteil werden , der gegenüber seinem Opfer eine konstruktive Leistung erbringt, die diesem Genugtuung verschafft. Jedenfalls für Gewaltdelikte und Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung , die sich gegen einzelne Opfer gerichtet haben, wird für einen erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich mit der zu Gunsten des Angeklagten wirkenden Folge der Strafmilderung nach § 46a i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB regelmäßig ein Geständnis zu verlangen sein. Oftmals wird dem Opfer gerade ein Bekennen des Täters zu seiner Tat im Strafverfahren besonders wichtig sein, so daß oh-
ne ein Geständnis die angestrebte Wiedergutmachung kaum denkbar sein wird (BGH, Beschl. vom 20. September 2002 - 2 StR 336/02 -, StV 2002, 649). Es obliegt dem Tatrichter, unter Beachtung dieses Maßstabs nach den Umständen des Einzelfalls in wertender Betrachtung festzustellen, inwieweit der Täter freiwillig Verantwortung für sein Handeln übernimmt. Dies wird namentlich der Fall sein, wenn er die Haltung des Opfers zu respektieren lernt und diese zu seinem eigenen Verhalten in Bezug setzt (Oberlies, Streit 1999 S. 110). Eine solche Einzelfallprüfung ist erforderlich, um der in der tatrichterlichen Rechtsprechung zu beobachtenden Entwicklung des Täter-Opfer-Ausgleichs zu einem Freikauf von der Verantwortung zu Lasten der Opfer entgegenzuwirken. cc) Die Strafmilderung nach § 46a Nr. 1 StGB läßt bei einem Täter, dem es erkennbar auf die Aussöhnung ankommt und dessen persönliche Leistungen sich als "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" erweisen, im Einzelfall auch schon das "Bemühen um umfassenden Ausgleich" ausreichen. Im Fall eines materiellen Ausgleichs steht der Annahme ausreichender Bemühungen nicht von vornherein entgegen, daß der Täter den finanziellen Ausgleich durch seinen Verteidiger und etwa erst zu einem Zeitpunkt veranlaßt hat oder sich dazu verpflichtet hat, zu dem ihn das Opfer bereits auf Zahlung in Anspruch genommen hat (BGH, Beschl. vom 14. Dezember 1999 - 4 StR 554/99, StV 2000, 129; BGH, Beschl. vom 17. Juni 1998 - 1 StR 249/98; StV 1999, 89). dd) Aus der Sicht des Opfers ist es für die verlangte Kommunikation unabdingbar , daß der Verletzte in den Dialog mit dem Täter über die zur Wiedergutmachung erforderlichen Leistungen einbezogen wird. Ein erfolgreicher Täter -Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, daß das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert (BGH, Urt. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646). Dies
ergibt sich schon daraus, daß überhaupt nur angemessene und nachhaltige Leistungen die erlittenen Schädigungen ausgleichen und zu einer Genugtuung für das Opfer führen können (ebenso Oberlies, Streit 2000 S. 99, 110). Läßt sich das Tatopfer - etwa weil das Delikt oder Art und Umfang der Schädigungen ihm einen Ausgleich unmöglich machen - auf einen kommunikativen Prozeß nicht ein, so ist - wie es der 1999 eingeführte § 155a Satz 3 StPO ausdrücklich klargestellt - das Verfahren für die Durchführung eines Täter-OpferAusgleichs nicht geeignet (vgl. BTDrucks. 14/1928 S. 8). Grundsätzlich kann nichts anderes gelten für die in § 46a Nr. 1 StGB genannten "Bemühungen" des Täters, die im Einzelfall ausreichen können, um zu einem erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich zu gelangen. Verweigert der Verletzte auch insoweit seine Zustimmung, so hat dies der Täter trotz der herabgesetzten Anforderungen an einen erfolgreichen Ausgleich hinzunehmen, denn ohne Zustimmung des Opfers fehlt bereits die Basis für sein Bemühen (offengelassen für den Fall des nicht festgestellten entgegenstehenden Willens von Bankangestellten als Opfer eines Banküberfalls, denen der Täter Schmerzensgeld angeboten und Schadensersatz an die Banken geleistet hatte, von BGH, Urt. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01 - , NStZ 2002, 364 mit Anm. Kühl/Häger JZ 2002, 363; Dölling/Hartmann NStZ 2002, 366 und König JR aaO S. 252). Allein auf die Sicht "eines vernünftigen Dritten" kann es nicht ankommen (Schöch aaO S. 322; Oberlies aaO S. 107; a.A. Kilchling NStZ 1996, S. 309, 314 unter Berufung auf SK-Horn § 46a Rdn. 3). Dem Tatrichter wird vielmehr auferlegt, unter Berücksichtigung der Interessen des Opfers und des Täters in wertender Betrachtung zu entscheiden, "wie sich das Tatopfer etwa in dem Fall zu den Bemühungen des Angeklagten stellt und welche Folgen die Schmerzensgeldverpflichtung für den Angeklagten hat, aber auch wie sicher
deren Erfüllung ist" (BGH, Beschl. vom 22. August 2001 - 1 StR 333/01 - , NStZ 2002, 29). ee) Kommt es nach diesem Maßstab zu einer Kommunikation zwischen Täter und Opfer, ist der Täter-Opfer-Ausgleich gelungen, wenn das Tatopfer in die Kommunikation einbezogen ist und dieses die erbrachten Leistungen oder Bemühungen nach Form und Inhalt als Wiedergutmachung akzeptiert hat (BGH, Urt. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646). Als Fälle eines fehlgeschlagenen Ausgleichs sind solche Ergebnisse einer Kommunikation anzusehen, bei denen eine Einigung wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die immateriellen oder materiellen Leistungen nicht zustande gekommen oder deren Vereinbarungen nicht eingehalten worden sind. (1) Eine Ausgleichsvereinbarung ist schon dann nicht erfolgreich, wenn der Täter die ideelle Komponente seiner Wiedergutmachung nicht erfüllt, er etwa eine Entschuldigung nur formal abgibt und das Tatopfer diese deshalb nicht annimmt. Gleiches gilt für Arbeitsleistungen, die der Täter zu Gunsten des Tatopfers persönlich oder gegenüber gemeinnützigen Einrichtungen anbietet. Ein vollwertiger Täter-Opfer-Ausgleich liegt auch nicht vor, wenn ein vom Tatopfer getragener Aussöhnungsversuch zwischen Verwandten, Freunden oder den beauftragten Anwälten nicht zustande kommt. (2) Für die materielle Wiedergutmachung genügt allein die Erfüllung von dem Tatopfer nach dem Zivilrecht ohnehin zustehenden Schadensersatzansprüchen nicht (BGH, Urt. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01 -, NStZ 2002, 364). Der Täter muß einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringen (BGH, Urt. vom 18. November 1999 - 4 StR 435/99 - , NStZ 2000, 205). Andererseits kann aber im Einzelfall ein Ausgleich erfolgreich sein, wenn der Täter sein gesamtes Vermögen zur Schadenswiedergutma-
chung zur Verfügung stellt und so persönlichen Verzicht leistet und den Geschädigten zum überwiegenden Teil entschädigt (BGH, Beschl. vom 19. Oktober 1999 - 1 StR 515/99 - , NStZ 2000, 83). (3) Die Vereinbarung und die Zahlung von Schmerzensgeld müssen sich an den zivilrechtlichen Schmerzensgeldansprüchen messen lassen. Eine Vereinbarung über ein Schmerzensgeld, das in einem Mißverhältnis zu den zivilrechtlich zu realisierenden Schadensersatz- und Schmerzensgeldleistungen steht, kann nicht zu einem erfolgreichen Ausgleich führen (Oberlies aaO S. 110). Akzeptiert etwa das Tatopfer einer Vergewaltigung unter dem Druck des Strafverfahrens eine von dem Verteidiger des Angeklagten und dem Nebenklägervertreter vereinbarte schriftliche Abrede, weil sie befürchtet, ansonsten keinerlei Ersatzleistungen von dem Angeklagten zu erhalten, reicht dies nicht aus (BGH, Urt. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646). (4) Findet eine an den dargestellten Maßstäben zu messende Kommunikation statt, äußert sich das Tatopfer aber nicht zu dem vereinbarten Ausgleich oder den Bemühungen des Täters, so kann daraus nicht in jedem Fall auf eine ausdrückliche Ablehnung der Verletzten mit der Konsequenz eines nicht erfolgreichen Ausgleichs geschlossen werden. In diesem Fall müssen sich die Urteilsgründe dazu verhalten, ob darin der verständliche Wunsch nach "Nichtbefassung" im Sinne einer Ablehnung zu sehen ist. Mit der Ausgestaltung der Vorschrift als "vertyptem Strafmilderungsgrund" wollte der Gesetzgeber einen nachhaltigen Anreiz für Ausgleichsbemühungen im Strafrecht schaffen. Das verbietet nach Auffassung des Senats in diesen Fällen ein allzu enges Verständnis der Vorschrift jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen ein kommunikativer Prozeß zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat; dies wird vornehmlich für Taten im Familienverbund oder innerhalb sonstiger persönlicher
Beziehungen zu gelten haben (Senat, Urt. vom 27. August 2002 - 1 StR 204/02 -, StV 2002, 654).
c) Nach der als prozessuale Grundnorm anzusehenden Vorschrift des § 155a Satz 1 StPO "sollen" die Staatsanwaltschaft und das Gericht in jedem Stadium des Verfahrens prüfen, ob ein Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem erreichbar ist (vgl. BTDrucks. 14/1928 S. 8). In der Hauptverhandlung ist es dem Tatrichter je nach den Umständen des Einzelfalles nicht verwehrt , zur Anbahnung oder Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs die Hauptverhandlung zu unterbrechen. Allerdings ergibt die Verfahrensvorschrift des § 155a StPO (vgl. auch den unverändert gebliebenen § 265 Abs. 3 StPO) keinen Anspruch des Angeklagten auf Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung.
d) Auf der Grundlage dieser Maßstäbe hat der Tatrichter die wesentlichen Einzelheiten über den erfolgreichen oder den nicht erfolgreichen Ausgleich einschließlich der Frage der Zustimmung oder der Verweigerung des Tatopfers in den Urteilsgründen in dem Umfang darzulegen, daß sie die revisionsgerichtliche Überprüfung - insbesondere unter Beachtung der Opferinteressen - ermöglichen. Die Urteilsgründe müssen die "wertende Betrachtung" und die Ausübung tatrichterlichen Ermessens erkennen lassen, ob der Tatrichter die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs annimmt und danach von der so eröffneten Milderungsmöglichkeit Gebrauch macht. 3. Das Landgericht hat diese Maßstäbe nicht ausreichend beachtet. Die Urteilsgründe belegen die Voraussetzungen eines erfolgreichen Täter-OpferAusgleichs nicht.

a) Ein ernsthaftes, auf einen Ausgleich mit der Geschädigten gerichtetes Bemühen des Angeklagten nach § 46a Nr. 1 StGB ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Nach den bisherigen Feststellungen hat die Strafkammer in der Hauptverhandlung mit ihrem wiederholten Hinweis nach § 155a StPO nach durchgeführter Beweisaufnahme einschließlich der Einvernahme des Tatopfers auf den Täter-Opfer-Ausgleich hingewirkt. Dies ist zwar nach dessen Satz 1 StPO rechtlich zulässig. Allerdings hätte die Strafkammer bei dieser Sachlage näher darlegen müssen, woher sie die Überzeugung nimmt, es sei dem Angeklagten zu diesem späten Zeitpunkt um eine friedensstiftende Kommunikation gegangen. Dazu bestand Anlaß, weil sich bereits aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen ergab, daß der Angeklagte versucht hat, das Tatopfer herabzuwürdigen. Auch nachdem sich diese Behauptung als nachweislich falsch herausgestellt hatte und ihm im Eröffnungsbeschluß ein Hinweis auf den Täter-Opfer-Ausgleich gegeben worden war, hat er in der Hauptverhandlung die Geschädigte der falschen Aussage bezichtigt. Er hat ihr auch die Vernehmung in der Hauptverhandlung nicht erspart. Er hat sogar noch den Beweisantrag gestellt, ein Sachverständiger werde zu dem Ergebnis gelangen, sie habe in ihrer Vernehmung die Unwahrheit gesagt. Erst danach hat der Angeklagte die gegen den Willen der Geschädigten durchgeführten sexuellen Handlungen als "Mißverständnis" bezeichnet und sich entschuldigt. Seine Bereitschaft, sich durch Vermittlung eines Therapeuten mit der Geschädigten an einen Tisch zu setzen, um "ihr dabei durch ein Gespräch dabei zu helfen, die Sache endgültig zu verarbeiten", zeigt nicht ohne weiteres auf, daß das Verhalten des Angeklagten sich als Übernahme von Verantwortung für seine Tat erweist. Dafür spricht letztlich auch, daß sein Verteidiger im Schlußvortrag Freispruch beantragt hat. Angesichts dieser Umstände liegt eine Strafmilderung nach § 46a StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB eher fern.

b) Nach den Urteilsgründen genügt auch die Zahlung des Schmerzensgeldes von 3.500 Euro den Anforderungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht. Die Urteilsgründe teilen lediglich mit, der Angeklagte müsse einen Betrag von 3.500 Euro an seine Familie zurückzahlen, die diesen Betrag als Schmerzensgeld zur Verfügung gestellt und der Geschädigten ausgehändigt habe. Demgegenüber sprechen die von der Revision mitgeteilten tatsächlichen Umstände zur Sammlung, der Übergabe und dem Vorzählen des Geldes in Gegenwart der Geschädigten eher dafür, daß die Familie den Angeklagten "freigekauft" hat. Die Strafkammer räumt nicht aus, daß diese Form des Aushandelns des „Preises“ eine einseitig dem Täter günstige Strafmilderung bewirkt hat, damit aber die Genugtuungsfunktion des Täter-Opfer-Ausgleichs auf seiten des Tatopfers nicht erfüllt wurde.
c) Aus den Urteilsgründen ergibt sich schließlich kein Anhalt dafür, daß die Geschädigte den Täter-Opfer-Ausgleich "ernsthaft mitgetragen" und diesen als friedensstiftende Konfliktregelung "innerlich akzeptiert" hat. Die Urteilsgründe teilen dazu vielmehr mit, die Geschädigte habe "diesen Betrag durch ihren Beistand auch als gewissen Ausgleich akzeptiert". Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit Elf

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 355/11
vom
10. November 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
hier: Revision der Angeklagten Y. T.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
10. November 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision der Angeklagten Y. T. wird das Urteil
des Landgerichts Mönchengladbach vom 16. Juni 2011
aufgehoben,

a) soweit es sie und die Mitangeklagten Al. und A.
M. betrifft,

b) den Mitangeklagten M. T. betreffend,
aa) soweit er in den Fällen II. 7. der Urteilsgründe wegen
bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge in fünf Fällen verurteilt
worden ist,
bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
die jeweiligen Feststellungen werden jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte Y. T. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen (II. 7. der Urteilsgründe) und wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (II. 9. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ihre auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg; allerdings bleiben die durch die Gesetzesverletzung nicht betroffenen bisherigen Feststellungen aufrecht erhalten (§ 349 Abs. 2, § 353 Abs. 2 StPO). Das Rechtsmittel führt auch zugunsten der nicht revidierenden Mitangeklagten M. T. sowie Al. und A. M. zur Aufhebung und Zurückverweisung, soweit das Landgericht diese Angeklagten in den Fällen II. 7. der Urteilsgründe wegen fünffachen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Mitangeklagter T. ) bzw. fünffacher Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Mitangeklagte M. ) verurteilt hat.
2
1. Nach den Feststellungen zu den Taten II. 7. der Urteilsgründe lagerte der Mitangeklagte T. in Absprache mit den Mitangeklagten M. im Zeitraum zwischen August und Oktober 2010 vier mal 100 Gramm eines Heroingemisches mit einem Wirkstoffgehalt von 20 % Heroinhydrochlorid und einmal ein Kilogramm eines Gemisches mit Amphetamin (Wirkstoffgehalt 3 %) in deren Keller ein. Die Angeklagte, der Mitangeklagte T. und ein B. portionierten die Betäubungsmittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf, den der Mitangeklagte T. , B. und ein weiterer "Läufer" besorgten.
3
Damit ist nicht belegt, dass die vier Angeklagten diese fünf Taten bandenmäßig begangen haben.
4
Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der deliktischen Vereinbarung, der sogenannten Bandenabrede. Die Begründung der Mitgliedschaft folgt nicht aus der Bandentat, sondern geht dieser regelmäßig voraus. Beides - Mitgliedschaft in einer Bande einerseits und bandenmäßige Begehung andererseits - ist begrifflich voneinander zu trennen. Entsprechend handelt es sich bei dem Tatbestandsmerkmal "als Mitglied einer Bande" - im Unterschied zum tatbezogenen Mitwirkungserfordernis - um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002 - 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 216).
5
In den Fällen II. 7. der Urteilsgründe fehlen Feststellungen zu einer derartigen vorgelagerten Bandenabrede. Sie muss zwar nicht ausdrücklich getroffen werden; es genügt vielmehr jede Form einer stillschweigenden Vereinbarung , die aus dem wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden kann (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002 - 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 219 f.). Die bloße Schilderung eines wiederholten deliktischen Zusammenwirkens ist für sich aber nicht ausreichend, um das Zustandekommen einer Bandenabrede zu belegen. Insbesondere trägt die Erwägung des Landgerichts nicht, an einer "bandenmäßigen Begehungsweise" bestünden keine Zweifel, da "neben den Eheleuten T. und den Eheleuten M. noch die gesondert verfolgten R. , E. und B. am Betäubungsmittelhandel beteiligt" gewesen seien. Damit bezeichnete das Landgericht nur tatbezogene Mitwirkungserfordernisse, aber nicht die für das besondere persönliche Merkmal der Mitgliedschaft in einer Bande konstitutive Vereinbarung, künf- tig zur Begehung einer Mehrzahl im Einzelnen noch unbestimmter einschlägiger Delikte zusammenzuwirken.
6
Der Schuldspruch der Revisionsführerin hat deshalb in den Fällen II. 7. der Urteilsgründe keinen Bestand. Da der aufgezeigte Rechtsfehler auch die drei Mitangeklagten betrifft, ist die Aufhebung des Urteils gemäß § 357 Satz 1 StPO insoweit auf sie zu erstrecken.
7
2. Das Urteil unterliegt weiter der Aufhebung, soweit die Angeklagte im Fall II. 9. der Urteilsgründe (Tat vom 4. Januar 2011) wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist.
8
a) Nach den Feststellungen erwarb der Mitangeklagte T. , den die Angeklagte begleitete, am 4. Januar 2011 in den Niederlanden 25 Gramm eines Heroingemisches mit einem Wirkstoffgehalt von 26,2 % Heroinhydrochlorid. Die Angeklagte versteckte die Betäubungsmittel in ihrer Hose. Anschließend führten sie und der Mitangeklagte T. die Betäubungsmittel in die Bundesrepublik ein.
9
b) Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung der Angeklagten (auch) wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht.
10
Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten im Betäubungsmittelstrafrecht die allgemeinen Grundsätze. Beschränkt sich die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts , hier auf den Transport, so kommt es bei der Bestimmung der Beteiligungsform darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 221 ff.; Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 445/10, StraFo 2011, 332, 333 mwN). Bedeutsam sind insoweit insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, ob also Durchführung und Ausgang der Haupttat zumindest nach der Vorstellung des Tatbeteiligten maßgeblich auch von seinem Beitrag abhängen sollen.
11
Danach kommt einer Tätigkeit, die sich im bloßen Transport von Betäubungsmitteln erschöpft, in der Regel keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit zu; auch bei faktischen Handlungsspielräumen hinsichtlich der Art und Weise des Transports wird sie zumeist nur eine untergeordnete Hilfstätigkeit darstellen und deshalb als Beihilfe zu werten sein (BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 223; Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 445/10, StraFo 2011, 332, 333 mwN). Anderes kann gelten, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf der Betäubungsmittel unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll. Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts spricht für die Annahme von Mittäterschaft, selbst wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Betäubungsmittel, von finanziellen Mitteln für den Erwerb oder den Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch eine weitgehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf Art und Menge der zu transportierenden Betäubungsmittel sowie auf die Gestaltung des Transports für eine über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamt- geschäft sprechen (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 445/10, StraFo 2011, 332, 333 mwN).
12
Solche den Vorwurf eines täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tragenden Umstände hat das Landgericht indessen nicht festgestellt. Seine Schilderung des Tatablaufs beschränkt sich, soweit es die Angeklagte betrifft, im Wesentlichen auf den Transport des Heroingemischs. Die Feststellungen ergeben daher eine täterschaftliche Mitwirkung der Angeklagten lediglich hinsichtlich der Betäubungsmitteleinfuhr, nicht jedoch bezüglich des Betäubungsmittelhandels.
13
3. Die bisherigen Feststellungen in den Fällen II. 7. und II. 9. der Urteilsgründe können bestehen bleiben, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen worden sind und es in der neuen Hauptverhandlung lediglich um die Klärung der Frage gehen wird, ob darüber hinaus eine Bandenabrede bzw. mittäterschaftliches Handeln der Angeklagten im Fall II. 9. nachweisbar ist. Entsprechende ergänzende Feststellungen dürfen zu den bisherigen aber nicht in Widerspruch treten.
14
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
15
a) In den Fällen II. 7. der Urteilsgründe wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, ob die Angeklagte, die lediglich Betäubungsmittel portionierte, tatsächlich Mittäterin und nicht bloß Gehilfin eines Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist. Für ihre Beteiligung als Gehilfin spricht, dass das Landgericht bei der Strafzumessung von einer lediglich "untergeordnete [n] Tatbeteiligung" der Angeklagten ausgegangen ist.
16
b) Bei der Strafzumessung wird sich der neue Tatrichter damit zu befassen haben, ob die Vorverurteilung der Angeklagten durch das Amtsgericht Mönchengladbach, die in den vom Landgericht angegebenen Tatzeitraum fällt und möglicherweise nach Begehung von einer der unter II. 7. der Urteilsgründe bezeichneten Taten erging, Zäsurwirkung mit der Folge entfaltet, dass zwei Gesamtstrafen zu bilden sein werden. Dabei wird er zu beachten haben, dass nach Aufhebung einer Gesamtstrafe in der erneuten Verhandlung eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung vorzunehmen ist (BGH, Beschluss vom 7. April 2006 - 2 StR 63/06, NStZ-RR 2006, 232; Beschluss vom 13. November 2007 - 3 StR 415/07, NStZ-RR 2008, 72); sie entscheidet über die Zäsurwirkung. Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen, dass zwei Gesamtstrafen zu bilden sein werden, darf die Summe der beiden Gesamtstrafen wegen § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht höher sein als die hier ursprünglich verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
Becker Pfister Hubert Mayer Menges