Bundesgerichtshof Urteil, 20. Sept. 2011 - 1 StR 120/11

bei uns veröffentlicht am20.09.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 120/11
vom
20. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. September 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 26. November 2010 werden mit der Maßgabe verworfen, dass die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Der Angeklagte wurde wegen Totschlags zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und bei Anordnung eines Vorwegvollzugs von zehn Jahren Strafe in einer Entziehungsanstalt untergebracht.
2
Die mit der ausgeführten Sachrüge begründeten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten führen zum Wegfall der Unterbringung, bleiben aber im Übrigen erfolglos.
3
1. Dem Schuldspruch liegen folgende Feststellungen zu Grunde:
4
Der Angeklagte lebte mit der Freundin des inhaftierten L. zusammen und hatte deshalb mit dessen Freund K. Streit. Am späten Abend des 28. März 2009 stritten sie zunächst vor dem Wohnhaus des Angeklagten und entfernten sich dann zu Fuß. Ihnen folgten die Zeugen C. , Cu. - sie hatten zuvor mit dem Angeklagten gezecht - und F. , die den Angeklagten auf dessen Wunsch erforderlichenfalls bei einer tätlichen Auseinandersetzung unterstützen wollten. Obwohl höchstens 50 m entfernt, sahen sie den Angeklagten und K. nicht mehr, als diese in eine dunkle Hofeinfahrt gingen. Dort kam es auch zu Tätlichkeiten. Der Angeklagte bedrohte K. mit einem eigens wegen der bevorstehenden Auseinandersetzung mitgenommenen kleineren Messer. Auch K. hatte ein Messer und spottete über die geringe Größe des Messers des Angeklagten. Darauf versetzte ihm dieser spontan einen wuchtigen Stich „Richtung Herz“- an anderer Stelle des Urteils heißt es „zielgerichtet gegen den Oberkörper“; auch von einem Stich „in die Brust“ und „den Brustbereich“ ist die Rede - und traf ihn mitten ins Herz. K. brach zusammen, der Angeklagte sagte den hinzugekommenen C. , Cu. und F. , er habe K. in die Brust gestochen, sie sollten sich um ihn kümmern und ging fort. Er reinigte und versteckte das Tatmesser. Er wurde zu anderweitiger Strafvollstreckung noch in der Nacht in seiner Wohnung in einem Schrank versteckt festgenommen. Als Verantwortlicher für den nach einigen Tagen eingetretenen Tod K. s wurde er erst später ermittelt.
5
2. Hinsichtlich des Schuldspruchs wendet sich die Revision des Angeklagten im Wesentlichen gegen den (bedingten) Tötungsvorsatz.
6
a) Entgegen ihrer Auffassung ergeben sich insoweit keine Bedenken im Blick auf das nicht immer mit denselben Worten bezeichnete Ziel des Stiches.
Die Strafkammer hat näher begründet rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der An- geklagte wuchtig und gezielt jedenfalls in den „Brustbereich“ gestochen hat. Ein solcher Stich ist, wie auch die Strafkammer näher ausführt, eine äußerst gefährliche Gewalthandlung, die regelmäßig für Tötungsvorsatz spricht. Eine Stelle im vorderen Bereich des Oberkörpers, die den Tötungsvorsatz deshalb in Frage stellte, weil ein wuchtiger Stich gerade hierhin zielte, ist kaum vorstellbar (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2006 - 1 StR 307/06), bei einem Stich in den Brustbereich ist dies jedenfalls nicht der Fall.
7
b) Auch sonst ist die nicht zuletzt auch auf den äußeren Geschehensablauf gestützte Annahme eines Tötungsvorsatzes rechtsfehlerfrei (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Dezember 2001 - 1 StR 408/01, NStZ 2002, 541 f.; hierzu Schneider in MüKomm-StGB, § 212 Rn. 9 jew. mwN). Die Annahme, dass die Aufforderungen des Angeklagten gegenüber C. , Cu. und F. , ihn zu begleiten bzw. (später), sich um den Verletzten zu kümmern, zwar gegen eine von langer Hand geplante Tat, aber nicht gegen einen spontanen Tatent- schluss sprächen, ist nicht zu beanstanden. Auch die festgestellte „affektive Erregung“ des Angeklagten bei der Tat spricht nichtgegen einen Tötungsvorsatz , da eine gewisse affektive Erregung bei einem tödlichen Angriff normal ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2006 - 2 StR 284/06). Außerdem ist rechtsfehlerfrei - auch die Revision macht insoweit nichts anderes geltend - die uneingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten festgestellt. Dies spricht regelmäßig für eine realistische Wahrnehmung des Bedeutungsgehalts der Tat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2009 - 1 StR 520/09 Rn. 18 mwN), zumal hier die Bewertung eines wuchtigen Stichs in den Brustbereich keine komplizierten Überlegungen erfordert. Auch die planmäßige Spurenbeseitigung alsbald nach der Tat spricht gegen eine ungewöhnliche psychische Ausnahmesituation bei der Tat, die unter irgendeinem Gesichtspunkt eine breitere Erörterung des Vorsatzes gebieten könnte.
8
3. Ebenso wenig wie der Schuldspruch enthält der Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
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4. Die Staatsanwaltschaft erstrebt eine Verurteilung wegen heimtückisch begangenen Mordes. Ein Rechtsfehler liegt jedoch nicht vor.
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a) Heimtücke ist verneint, weil der Angeklagte im Rahmen der vorangegangenen Auseinandersetzung K. das Messer gezeigt und ihn vonvorne ins Herz gestochen habe. Dies folgt den Angaben des Angeklagten, die insoweit von den maximal 50 m entfernten Begleitern bestätigt werden, als sie angeben , die tätliche Auseinandersetzung nicht gesehen, aber entsprechende Geräusche gehört zu haben. Auch hatte der Angeklagte bei seiner Festnahme kleinere Verletzungen, die auf die Auseinandersetzung zurückgehen können.
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b) Die Staatsanwaltschaft hält insbesondere die tätliche Auseinandersetzung nicht für bewiesen.
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(1) Mangels näherer Ausführungen dazu, was die Zeugen gehört haben, sei nicht überprüfbar, was mit „Geräuschen“ gemeint sei. Ein gängiger Begriff verdeutlicht aber auch ohne weitere Umschreibung, was gemeint ist. Es ist nicht ersichtlich, dass der Strafkammer unbekannt sei, welche Geräusche bei einer tätlichen Auseinandersetzung entstehen.
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(2) Im Übrigen seien nur Schlussfolgerungen rechtsfehlerfrei, die „zwin- gend“ aus den Feststellungen folgten. Dem entsprechend ist eine Reihe- teil- weise untereinander unvereinbarer, teilweise nur abstrakter - Möglichkeiten aufgezählt, die im Ergebnis deshalb erörterungsbedürftig seien, weil sie denkgesetzlich nicht ausschließbar sind, z.B.
- die Geräusche könnten an (irgend)einem anderen Ort entstanden sein;
- selbst wenn sie aus dem Hof stammten, könnten sie (irgend)eine andere Ursache gehabt haben;
- es spräche gegen eine Auseinandersetzung, wenn K. keine hierauf hindeutenden Verletzungen gehabt hätte;
- die Verletzungen des Angeklagten könnten auch durch ihn selbst oder durch die Polizei bei seiner Verhaftung im Schrank verursacht worden sein.
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Bei alledem ist verkannt, dass richterliche Überzeugung keine absolute, das Gegenteil zwingend ausschließende, letztlich mathematische Gewissheit erfordert (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Urteile vom 4. Dezember 2008 - 1 StR 327/08 und 7. November 2006 - 1 StR 307/06 mwN). Allein die Denkbarkeit eines Geschehensablaufs, für den die Urteilsgründe keine Anhaltspunkte bieten , führt daher nicht dazu, dass er zu Gunsten (BGH aaO) oder gar zu Lasten des Angeklagten zu unterstellen oder auch nur erörterungsbedürftig wäre (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11 mwN). Aufklärungsrügen zum Beleg der genannten Vermutungen sind nicht erhoben.
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c) Im Übrigen ist kaum erkennbar, was hier - Streit; der tödliche Stich mit dem zuvor gezeigten Messer erfolgte von vorne; auch K. hatte ein Messer - noch tragfähig (innerpsychische) Arg- und darauf beruhend Wehrlosigkeit des Verstorbenen belegen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2003 - 1 StR 507/02, NStZ-RR 2003, 186, 188; BGH, Urteil vom 13. November 1985 - 3 StR 273/85, BGHSt 33, 363, 365).
16
d) Auch sonst sind weder zum Schuldspruch noch zum Strafausspruch den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler ersichtlich.
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5. Die Staatsanwaltschaft hält die Unterbringungsanordnung mangels Erfolgsaussichten für rechtsfehlerhaft, der Angeklagte wendet sich gegen die Dauer des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe.
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Im Ergebnis wird von beiden Revisionen übereinstimmend die Unterbringungsanordnung insgesamt angefochten, da sie sich beide gegen den Schuldspruch richten. Führten die behaupteten Mängel des Schuldspruchs zu Aufhebung und Zurückverweisung, entfiele auch eine Unterbringung. Sie könnte nicht allein auf der Grundlage einer Prognose des Senats Bestand haben, auch nach erneuter Verhandlung über den Schuldspruch werde diese Maßregel wieder geboten sein (BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 - 1 StR 268/95 zu § 63 StGB).
19
Hier haben sich allerdings weder zu Gunsten noch zu Lasten des Angeklagten Rechtsfehler im Schuld- oder Strafausspruch ergeben.
20
a) Daraus folgt hinsichtlich der Revision der Staatsanwaltschaft: Eine Unterbringung gemäß § 64 StGB beschwert den Angeklagten (BGH, Urteil vom 21. März 1979 - 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 331; v. Gemmeren in MüKommStGB , § 64 Rn. 101; vgl. auch § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Der Senat hatte daher - unbeschadet § 301 StPO - zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft den Wegfall der Unterbringung nur als notwendige Folge der von ihr wegen (behaupteter ) Fehlerhaftigkeit des Schuldspruchs zum Nachteil des Angeklagten angestrebten Urteilsaufhebung ansieht oder ob sie den Wegfall unabhängig vom Bestand des Schuldspruchs auf jeden Fall anstrebt. Insoweit läge eine gemäß § 296 Abs. 2 StPO zulässige Revision der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Angeklagten vor. Eine Revision der Staatsanwaltschaft kann hinsichtlich des Schuldspruchs einerseits und einer Maßregel andererseits von unterschiedlicher Zielrichtung sein, auch wenn hier die den Angeklagten begünstigende Anfechtung der Unterbringung nur bei Erfolglosigkeit der zu seinem Nachteil zum Schuldspruch eingelegten Revision eigenständige Bedeutung hat. Die Staatsanwaltschaft hat sich zu alledem entgegen Nr. 147 Abs. 1 Satz 3 RiStBV nicht geäußert (vgl. auch Hanack in LR-StPO, 25. Aufl., § 296 Rn. 10). Die Aufgabe des Senats, das Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung der Rechtsmittelerklärungen zu ermitteln, ist davon jedoch unberührt (vgl. Hanack aaO; MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., § 296 Rn. 14 jew. mwN). Diese ergibt hier angesichts der eingehenden Darlegung, warum die Unterbringung aus vom Schuldspruch unabhängigen Gründen fehlerhaft sei, dass die Staatsanwaltschaft die Unterbringung auch unabhängig vom Ergebnis ihrer Revision hinsichtlich des Schuldspruchs auf jeden Fall anfechten will.
21
b) Aus den dargelegten Gründen kann auch eine gegen den Schuldspruch gerichtete Revision des Angeklagten eine zugleich angeordnete Unterbringung nicht vom Rechtsmittelangriff ausnehmen. Daher kann offen bleiben, ob hier die Revision, die im Ergebnis geltend macht, dieUnterbringung müsse früher beginnen, hinsichtlich der Maßregel auf die Dauer des Vorwegvollzugs beschränkt sein soll; dies wäre wegen der gleichzeitigen Anfechtung des Schuldspruchs unwirksam.
22
6. Die Unterbringungsanordnung kann nicht bestehen bleiben.
23
a) Schon die Feststellungen zu einem Hang sind nicht klar. Der Angeklagte konsumiert seit Jahren Heroin und Haschisch. Wie seine näher geschil- derten zahlreichen Vorstrafen belegen, geriet er immer mehr „in den Teufelskreis von Drogen und Beschaffungskriminalität“, während etlicheTherapiever- suche erfolglos blieben. Die Strafkammer geht jedoch nicht davon aus, dass die Tat auf einem Hang zu Drogenmissbrauch beruht, sondern auf einem Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum. Hierzu ergeben die Feststellungen zu Vorleben und Vorstrafen jedoch nichts. Mitgeteilt ist lediglich, dass der Sachverständige den Angeklagten für „trinkgewohnt“ hält, ohne dass die tatsächlichen Grundlagen dieser Bewertung erkennbar wären. Freilich treten Alkoholmissbrauch und Drogenmissbrauch nicht selten gleichzeitig auf (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 3 StR 194/07; Schöch in LK-StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 80; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 64 Rn. 7a mwN). Es ist jedoch fraglich, ob allein die unausgeführte Annahme, ein Drogenkonsument sei trinkgewohnt, einen Hang zu Alkoholmissbrauch tragfähig belegt.
24
b) Selbst wenn man aber von einem solchen Hang ausginge, fehlte es an den weiteren Voraussetzungen des § 64 StGB. Erforderlich wäre, dass die rechtswidrige Tat entweder im Rausch begangen ist oder auf den Hang zurückgeht , wobei die erste dieser Alternativen ein Unterfall der zweiten Alternative ist (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96 mwN).
25
(1) „Im Rausch“ bedeutet, dass die Tat während des für das jeweilige Rauschmittel typischen, die geistig-psychischen Fähigkeiten beeinträchtigenden Intoxikationszustands begangen sein muss (Schöch in SSW-StGB, § 64 Rn. 26). Wie viel Alkohol der Angeklagte getrunken hatte, bevor K. kam, war nicht feststellbar, Spuren einer „deutlichen Intoxikation“ gibt es nicht. We- der ein Zeuge, noch der Angeklagte selbst hat von „erheblicher Alkoholisierung“ berichtet, bei seiner Festnahme wirkte er „in keiner Weise alkoholisiert oder drogenbeeinflusst“, eine nachfolgende Untersuchung ergab keine Hinweise auf Restalkohol. Auch die Feststellungen zur Tat einschließlich Vor- und Nachtat- geschehen zeigen, so die Strafkammer, „schlüssige und sinnvolle Handlungsabläufe“. Nach alledem spricht nichts dafür, dass die Tat i.S.d. §64 StGB im Rausch begangen wurde, der Zweifelssatz gilt insoweit nicht (v. Gemmeren aaO Rn. 36 mwN).
26
(2) Auch Anhaltspunkte dafür, dass die Tat, obwohl nicht im Rausch begangen , doch auf einen (etwaigen) Hang zum Alkohol- oder auch Drogenmissbrauch zurückginge, bestehen nicht. Dies setzte voraus, dass sie Symptomwert für den Hang hat, indem sich in ihr die hangbedingte Gefährlichkeit des Täters äußert. Typisch sind hierfür Delikte, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96 mwN). Darum geht es hier nicht. Andere Delikte kommen als Hangtaten dann in Betracht, wenn hierfür besondere Anhaltspunkte bestehen (BGH aaO). Bei Konflikttaten und (oder) Taten, denen eine Provokation des Täters durch das Opfer vorausging, liegt die Annahme eines Zusammenhangs mit einem Hang zum Missbrauch berauschender Mittel wenig nahe (v. Gemmeren aaO Rn. 37; vgl. auch Schöch in SSW-StGB, § 64 Rn. 27). Anhaltspunkte , dass hier bei einer spontanen Gewalttat aus Ärger über Vorhalte eines Außenstehenden wegen der Beziehung zu einer Frau, nahe liegend in Verbindung mit dem Gefühl (wegen des nur kleinen Messers) verspottet und nicht ernst genommen zu werden, ausnahmsweise ein solcher Zusammenhang möglich sein könnte, sind nicht ersichtlich. Der wenig klare Hinweis der Strafkammer , trotz nicht erkennbarer besonderer Alkoholisierung beruhe die Tat wegen der Enthemmung des Angeklagten auf seinem Hang zu Alkoholmissbrauch , ändert daran nichts.
27
c) Selbst wenn noch Feststellungen hinsichtlich eines generellen Hanges (auch) zu Alkoholmissbrauch möglich sein sollten, hält es der Senat für sicher ausgeschlossen, dass noch Feststellungen zu einem Rausch bei der Tat oder einem symptomatischen Zusammenhang zwischen der Tat und einem Hang zu Alkohol- oder auch Rauschgiftmissbrauch möglich sind. Daher erkennt er entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf Wegfall der Unterbringungsanordnung (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2008 - 1 StR 167/08 mwN). Auf die für sich genommen zutreffenden Hinweise der Revisionen und des Generalbundesanwalts auf rechtliche Bedenken gegen die Annahme der Strafkammer, die gegenwärtigen Zweifel am Erfolg einer Unterbringung könnten nach Ablauf des (mit § 67 Abs. 2 StGB nicht zu vereinbarenden) Vorwegvollzuges von zehn Jahren Freiheitsstrafe ausgeräumt sein, kommt es daher nicht mehr an.
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7. Der Senat hat geprüft, ob der Wegfall der Unterbringung den Bestand des für sich genommen rechtsfehlerfreien Strafausspruchs (vgl. oben 3, 4d) gefährdet. Dies wäre der Fall, wenn ein Einfluss der Maßregel auf die Strafhöhe möglich erschiene. Grundsätzlich besteht entsprechend der „Zweispurigkeit“ von Strafe und Maßregel zwischen beiden Rechtsfolgen keine Wechselwirkung, sie sollen unabhängig voneinander bemessen bzw. verhängt werden (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 365 mwN). Freilich sind die für Strafe und Unterbringungsanordnung wesentlichen Gesichtspunkte nicht stets streng voneinander zu trennen, z.B. kann ein Rausch auf die Bestimmung des Maßes der Schuld Einfluss haben und, sofern er hangbedingt ist, zugleich Grundlage einer Unterbringung sein. Derartige Zusammenhänge können nicht nur je nach den Umständen des Einzelfalles für die (vorliegend wegen umfassender Anfechtung des Urteils auch im Schuldspruch nicht einschlägige ) Frage der weiteren Beschränkbarkeit eines nicht gegen den Schuldspruch gerichteten Rechtsmittels im Zusammenhang mit der Unterbringungsanordnung bedeutsam sein (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. Juni 2011 - 2 StR 140/11; BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362; BGH, Beschluss vom 14. Juli 1993 - 2 StR 352/93, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 6), sondern auch im Blick auf eine die Unterbringung betreffende Entscheidung auf den Bestand des Strafausspruches Einfluss haben (vgl. BGH aaO; BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03, NStZ 2004, 111). Voraussetzung hierfür ist aber stets, dass die Urteilsgründe - auf diese kommt es an - konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Wechselwirkung zwischen der Entscheidung über die Höhe der Strafe und der Maßregel enthalten.
29
Dies ist hier in keiner Richtung der Fall.
30
8. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen waren der Staatskasse aufzuerlegen, auch soweit sie im Ergebnis zu Gunsten des Angeklagten erfolgreich war (vgl. zu den Kosten Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 473 Rn. 16 mwN); hinsichtlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten ergibt sich dies aus § 473 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Kosten seiner Revision und die ihm dadurch entstandenen notwendigen Auslagen hat der Senat insgesamt dem Angeklagten auferlegt, § 473 Abs. 4 StPO. Nichts spricht dafür, dass er keine Revision eingelegt hätte, wenn seine Unterbringung gemäß § 64 StGB nicht angeordnet worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2003 - 1 StR 451/03 mwN).
Nack Wahl Rothfuß
Hebenstreit Sander

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 S t R 6 5 5 / 1 3 vom 11. März 2014 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerich

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 307/06
vom
7. November 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 23. Januar 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Der Angeklagte wurde wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin, seiner geschiedenen Ehefrau, zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision der Nebenklägerin. Sie erstrebt eine Verurteilung wegen Mordversuchs.
2
Die Revision hat schon mit der Sachrüge Erfolg.
3
1. Folgendes ist festgestellt:
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Der Angeklagte war 2004 wegen versuchten Totschlags und mehrerer Körperverletzungsdelikte zum Nachteil seiner Ehefrau S. G. zu zwei Jahren Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt worden. Ausgelöst worden waren die Taten dadurch, dass sie ein Anwaltsbüro beauftragt hatte, das Scheidungsverfahren zu betreiben. Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft kam es wieder zu einer Annäherung der inzwischen geschiedenen Eheleute , die eine erneute Heirat erwogen. Sie machten schließlich einen gemeinsamen Urlaub in Istanbul bei Verwandten. Nach kurzer Zeit kam es dort wieder zu heftigen Streitigkeiten, etwa weil sie sich „entsprechend der westlichen Mode“ kleidete. Der Angeklagte kündigte an, „er werde seine Frau töten, damit sei die Erde vom Dreck gereinigt“. Er kaufte sich ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 12 cm, um damit auf die Nebenklägerin einzustechen, sowie einen Wetzstahl. Unter dem Vorwand, die Nebenklägerin „ein letztes Mal sprechen“ zu wollen, gelang es ihm, dass es zu einer Autofahrt kam, an der außer ihm und der Nebenklägerin noch die Eheleute E. teilnahmen; Frau E. ist die Schwester der Nebenklägerin. Unmittelbar vor Beginn der Fahrt versteckte er das Messer im Hosenbund. Er hatte auf dem Rücksitz neben der Nebenklägerin sitzen wollen, musste dann aber auf dem Beifahrerplatz sitzen. Die Nebenklägerin saß hinter ihm, ihre Schwester neben ihr. M. E. saß am Steuer. Schon nach ganz kurzer Fahrt erklärte die Nebenklägerin, sie wünsche keinen Kontakt mehr mit dem Angeklagten. „Hierüber geriet der Angeklagte erneut in Zorn. Er zog sein … Messer heraus, kniete sich auf den Sitz und versuchte unter bewusster Ausnutzung von deren Arg- und Wehrlosigkeit mit einer von oben nach unten gerichteten Bewegung mit dem Messer auf den Oberkörper von S. G. einzustechen“. Der Fahrer M. E. , der gerade auf ein Tankstellengelände eingebogen war, „wurde … auf die Stichbewegung ... aufmerksam. Es gelang ihm, dem Angeklagten in den Arm zu fallen und so eine Verletzung … zu verhindern“. Er „kämpfte“ mit dem Angeklagten um das Messer ; es gelang ihm jedoch nicht, ihm das Messer abzunehmen. Die Frauen konnten während dieses Kampfs letztlich aus dem Pkw in das Büro der Tank- stelle fliehen. Der Angeklagte, noch immer im Besitz des Messers, verfolgte die Nebenklägerin. Er schlug die Glasscheibe der Türe des Tankstellenbüros ein. Es bedurfte des Eingreifens mehrer Tankstellenbediensteter, um ihn aufzuhalten. Da er „nicht zu bändigen“ war, musste er gefesselt werden, bis die Polizei kam. Als er schließlich abgeführt wurde, kündigte er der Nebenklägerin an, sie zu töten.
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2. Der Angeklagte hat geltend gemacht, nicht er habe angegriffen, sondern er sei von E. mit dem Messer angegriffen worden. Dem ist die Strafkammer nicht gefolgt. Sie konnte sich aber nicht von einem Tötungsvorsatz des Angeklagten überzeugen. Zwar habe er vor und nach der Tat angedroht, die Nebenklägerin umzubringen, und er hätte „durch die konkrete Art seines Vorgehens tödliche Verletzungen bewirken können“. Sie habe jedoch, so führt die Strafkammer aus, „keine sicheren Feststellungen zur Zielrichtung des Stiches“ treffen können. Deshalb ist sie zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen , dass er die Nebenklägerin nur verletzen wollte, und hat ihn deshalb - nur - wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt.
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3. Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht Stand.
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a) Kann der Tatrichter nicht die erforderliche Gewissheit gewinnen und zieht hieraus die gebotene Konsequenz - hier: Verurteilung nur wegen versuchter (gefährlicher) Körperverletzung, nicht wegen eines versuchten Tötungsdelikts - so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung „lebensfremd erscheinen“ mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht.
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Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z. B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes. Rechtlich zu beanstanden sind Beweiserwägungen etwa auch dann, wenn sie erkennen lassen , dass das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Dies ist auch der Fall, wenn zu besorgen ist, dass die Zweifel des Gerichts ohne konkrete Anhaltspunkte hierfür auf bloß denktheoretische Möglichkeiten gestützt sind. Eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit ist nicht erforderlich; es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ-RR 2005, 147; 2005 149, jew. m. w. N.).
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b) An alledem gemessen sind die genannten Erwägungen nicht rechtsfehlerfrei.
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Ein Messerstich in den Oberkörper ist eine äußerst gefährliche Gewalthandlung , der die Annahme einer Tötungsabsicht regelmäßig nahe legt. Dies gilt umso mehr, wenn, wie hier, das - auch noch überraschte - Opfer wegen der räumlich beengten Verhältnisse praktisch keine Chance hat, die Wirkung des Stichs durch Ausweichbewegungen oder sonst in irgendeiner Weise abzumildern. Unter welchen Umständen bei einer solchen Tat sonstige, in Tat oder Täter gründende Umstände gleichwohl einen Tötungsvorsatz in Frage stellen können , mag hier dahinstehen. Die Zweifel der Strafkammer gehen nämlich nicht auf derartige Umstände zurück, sondern allein darauf, dass zu der “Zielrichtung“ des jedenfalls auf den Oberkörper gerichteten Stiches keine genaueren Feststellungen möglich seien. Welche Stelle des Oberkörpers als Ziel eines von oben nach unten gerichteten Messerstiches ein maßgebliches Indiz gegen den ansonsten von der Strafkammer nicht mit konkreten Erwägungen in Zweifel gezogenen Tötungsvorsatz sein könnte, liegt nicht auf der Hand und hätte daher konkretisierender Darlegung bedurft, die jedoch fehlt. Dementsprechend ist - im Hinblick auf die Möglichkeit eines bedingten Tötungsvorsatzes - auch nicht konkret dargelegt, dass und warum der Angeklagte geglaubt haben könnte, unter den gegebenen Umständen eine solche Stelle im Oberkörper zielgenau zu treffen , oder warum er sonst ernsthaft darauf vertraut haben könnte, dass die Nebenklägerin nicht tödlich verletzt werden würde. Zu alledem kommt noch hinzu, dass die von der Strafkammer vermissten Feststellungen zur präzisen Zielrichtung des Stiches nach ihrer eigenen Bewertung kaum zu treffen sind. Weder die Nebenklägerin noch ihre neben ihr sitzende Schwester konnten Angaben dazu machen, was die Zielrichtung des Stiches war; „naturgemäß“, so die Strafkammer , waren sie hierzu nämlich „aufgrund der engen räumlichen Verhältnisse im Pkw und der Nähe zum Geschehen“ nicht in der Lage.
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Die Zweifel der Strafkammer stellen sich unter diesen Umständen insgesamt als - allenfalls - denktheoretische Zweifel dar, die regelmäßig eine im Übrigen nahe liegende Schlussfolgerung nicht in Frage stellen können. Der Grundsatz, dass keine Veranlassung besteht, fern liegende Möglichkeiten zu unterstellen, gilt umso mehr, wenn, wie hier, die ungewöhnlichen Besonderheiten (eine unter den gegebenen Umständen den Tötungsvorsatz in Frage stellende Zielrichtung des auf den Oberkörper gerichteten Messerstichs) nicht nur nicht bewiesen, sondern „naturgemäß“ auch kaum beweisbar sind.
12
4. Dies führt zur Aufhebung des Urteils, ohne dass es auf Weiteres noch ankäme.
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5. Der Senat sieht jedoch Anlass zu folgenden Bemerkungen:
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a) Der Fahrer des Pkw, der Zeuge M. E. , wurde in der Türkei polizeilich vernommen. Anhaltspunkte dafür, dass er bei dem kurzen und erkennbar hektischen Geschehen, bei dem er dem Angeklagten in den Arm fiel, präzise Feststellungen zur Wucht des beabsichtigten Stiches oder gar zum exakten Ziel des Stiches auf dem Oberkörper der schräg hinter ihm sitzenden Nebenklägerin gemacht hätte, ergeben sich aus dem Protokoll dieser Vernehmung nicht. Seine Vernehmung in der Hauptverhandlung scheiterte daran, dass der Zeuge, der nach Stuttgart kommen wollte, wegen Steuerschulden nicht aus der Türkei ausreisen durfte. Ein Rechtshilfeersuchen der Strafkammer ist bisher nicht erledigt worden. Für den Fall, dass in der neuen Hauptverhandlung eine Vernehmung des Zeugen E. in Betracht kommen sollte und er weiterhin nicht aus der Türkei ausreisen darf, könnte, sofern der Zeuge damit einverstanden ist, auch eine Vernehmung durch das deutsche Konsulat zu erwägen sein.
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b) Der Senat hat hier allein über eine Nebenklägerrevision zu befinden, die sich nicht allein gegen den Strafausspruch wenden könnte (§ 400 StPO). Für die neue Verhandlung bemerkt der Senat jedoch, dass rechtliche Bedenken gegen die Annahme der Strafkammer bestehen, es wirke sich hier - sogar in erheblichem Maße - strafmildernd aus, dass der Angeklagte „einer an seinem ursprünglichen Kulturkreis orientierten Einstellung und Wertehaltung über die Rolle des Mannes in der Familie verhaftet“ sei. Abgesehen davon, dass der Angeklagte seit 1981 ununterbrochen in Deutschland lebt und seit mehreren Jahren deutscher Staatsangehöriger ist, könnten ohnehin in einer fremden Rechtsordnung wurzelnde Verhaltensmuster, Vorstellungen und Anschauungen regelmäßig nur dann strafmildernd berücksichtigt werden, wenn sie im Ein- gelmäßig nur dann strafmildernd berücksichtigt werden, wenn sie im Einklang mit der fremden Rechtsordnung stehen (Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 46 Rdn. 43a m. w. N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Nack Wahl Kolz
Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 408/01
vom
11. Dezember 2001
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. Dezember 2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 14. Mai 2001 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Der Angeklagte wurde wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Seine auf die Sachrüge und eine Verfahrensrüge gestützte Revision bleibt erfolglos.
1. Folgendes ist festgestellt:
Der Angeklagte hielt sich häufig im Obdachlosenmilieu auf, wo er als spendabel geschätzt wurde. Auch am 5. September 2000 hatte er mit G. V. , E. D. und anderen Bekannten den ganzen Tag im Freien gezecht, wobei er die Getränke bezahlt hatte. Am Spätnachmittag forderte er E. D. mit den Worten: "Du Schlampe gehst jetzt einkaufen !" auf, weitere Getränke zu besorgen und schwenkte dabei vor ihrem Gesicht ein "Bowie-Messer" (Klingenlänge 15,5 cm). V. trat an ihn heran,
und erklärte ihm, daß er - der Angeklagte - seine - V. s - Verlobte nicht als Schlampe zu bezeichnen habe und gab ihm dabei einen leichten Schlag ins Gesicht. Daraufhin beschwichtigte der Angeklagte, es sei schon alles in Ordnung. Für kurze Zeit kehrte darauf Ruhe ein; E. D. entfernte sich, während V. beim Angeklagten stehen blieb.
Plötzlich und unerwartet stieß der Angeklagte das Messer, das er immer noch in der Hand gehalten hatte, V. in horizontaler Stichführung mit einem kräftigen und gezielten Stich in die linke Brust. V. brach sofort zusammen. Mit den Worten: "Ich kann noch mehr!" stach der Angeklagte noch zweimal auf den zusammenbrechenden V. ein und fügte ihm zwei weitere (oberflächliche ) Verletzungen im Bereich des Schulterblatts und des Oberarms zu. Als die völlig überraschte E. D. laut um Hilfe rief, trat der Angeklagte beiseite. Kurz darauf wurde er noch am Tatort festgenommen. Bei seiner Festnahme erklärte er gegenüber den Polizeibeamten, mehrfach auf V. eingestochen zu haben; wörtlich sagte er unter anderem: "Wenn er verreckt, hat er Pech gehabt. .... Die Alte ist schuld, der G. kann nichts dafür."
V. , der eine Herzmuskelverletzung im Bereich des rechten Ventrikels erlitten hatte, konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden.
2. Der Generalbundesanwalt und die Revision meinen im wesentlichen übereinstimmend, die Strafkammer habe den Tötungsvorsatz allein aus dem äußeren Tatgeschehen geschlossen und damit nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Zwar liege es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. hierzu zusammenfassend nur Eser in Schönke/Schröder StGB, 26. Aufl. § 212 Rdn. 5 m.w.N.) bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, daß der Tä-
ter mit der Möglichkeit des Todes seines Opfers rechne und diesen Erfolg auch billigend in Kauf nehme, wenn er sein Verhalten gleichwohl fortsetze. Im Hinblick auf die hohe Hemmschwelle gegenüber einer Tötung könne es aber im Einzelfall auch so sein, daû der Täter die Gefahr des Todes entweder nicht erkenne, oder zumindest ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraue, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten. Die für die Bejahung eines Tötungsvorsatzes erforderliche Gesamtwürdigung aller Umstände sei nicht vorgenommen, insbesondere habe sich die Strafkammer nicht mit dem Fehlen eines nachvollziehbaren Motivs für eine so schwer wiegende Straftat auseinandergesetzt, und auch nicht geprüft, ob der Angeklagte trotz seiner erheblichen Alkoholisierung (die zur Bejahung der Voraussetzungen von § 21 StGB führte) erkennen konnte, daû er einen möglicherweise tödlichen Stich setzte.
3. Der Senat sieht keinen durchgreifenden Rechtsfehler.
Angesichts der Feststellungen nicht nur zum Tat-, sondern auch zum Nachtatgeschehen (zu deren Bedeutung vgl. Eser aaO) waren weitere Ausführungen zu Erkenntnisfähigkeit, Hemmschwelle und dem voluntativen Element des Vorsatzes jedenfalls nicht zwingend geboten.
Es mag dahinstehen, unter welchen konkreten Umständen trotz eines aus nächster Nähe geführten kräftigen Messerstichs in die Herzregion von einem mehr als allenfalls vagen Vertrauen auf das Ausbleiben eines tödlichen Erfolgs ausgegangen werden kann oder sonst Zweifel am Tötungsvorsatz bestehen können (vgl. BGH NStZ 1999, 507; vgl. zusammenfassend auch Altvater , Rechtsprechung des BGH zu den Tötungsdelikten, NStZ 2001, 19, NStZ 2000, 18, 19 ). Hier hat der Angeklagte mit einem Messerstich in den Oberkör-
per nicht nur eine generell äuûerst gefährliche Handlung vorgenommen, sondern er hat auf die Herzregion gezielt, also willentlich gerade dorthin gestochen. Dies spricht für einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz (vgl. BGHSt 39, 168, 181), dem der Umstand, daû er auf den zusammenbrechenden V. nach dem ersten Stich noch weiter eingestochen hat, nicht entgegensteht.
Die schon genannte Äuûerung, es sei Pech für V. , wenn er "verrekke" , spricht in ihrem Zusammenhang auch nicht etwa dafür, daû der Angeklagte den Tod V. s als unglückliche und von ihm eigentlich ungewollte Folge seines Verhaltens angesehen hätte. Vielmehr zeigt seine Äuûerung, daû V. nichts "dafür" könne und über die "Schuld" der "Alten", daû das "Pech" V. s darin liege, daû er wegen des Stichs möglicherweise sterben müsse, obwohl er selbst aus der Sicht des Angeklagten keinen Anlaû zu dem Stich gegeben hatte. Unter diesen Umständen waren auch Erwägungen dazu, daû sich aus dem Verhältnis zwischen V. und dem Angeklagten kein Grund für ein Tötungsdelikt erkennen läût, nicht geboten.
4. Hinsichtlich des Vorsatzes macht die Revision darüber hinaus mit einer Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) geltend, der gehörte Sachverständige sei nicht zur Auswirkung des Alkohols auf die Willensbildung befragt worden. Wäre dies geschehen, wäre ein Schuldspruch allein wegen gefährlicher Körperverletzung zumindest nicht auszuschlieûen gewesen. Auch unbeschadet der Fragen, unter welchen Voraussetzungen eine Aufklärungsrüge auf die Nichtausschöpfung eines Beweismittels gestützt werden kann (vgl. hierzu Kukkein in KK 4. Aufl. § 344 Rdn. 53 m.w.N.) und ob das nach Auffassung der Revision von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwartende Beweisergebnis hinreichend bestimmt mitgeteilt ist (vgl. hierzu Kuckein aaO Rdn. 51 m.w.N.),
geht diese Rüge ins Leere. Angesichts der gesamten Feststellungen zu dem Verhalten des Angeklagten brauchte sich die Strafkammer zu weiteren Beweiserhebungen über die Auswirkungen des Alkohols auf den Vorsatz des (zwar stark alkoholisierten, aber auch in hohem Maûe alkoholgewohnten) Angeklagten nicht gedrängt zu sehen.
5. Auch im übrigen hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Ergänzend ist lediglich zu bemerken, daû die von der Revision vermiûte nähere Erörterung einer Unterbringung gemäû § 64 StGB nicht geboten war. Der Angeklagte neigt zwar zu Alkoholmiûbrauch - von dem er sich, anders als weitgehend von seinem früheren Drogenkonsum - auch nicht gelöst hat und er ist häufig vorbestraft. Seit 1996 wurde er jedoch nur mit Geldstrafen belegt, neben Drogendelikten vor allem wegen Beförderungserschleichung und Diebstahl. Ein Zusammenhang mit seiner Neigung zum Alkoholmiûbrauch ist hier jedoch ebenso wenig zu erkennen, wie bei seinen früheren, in den Urteilsgründen näher geschilderten, inzwischen mehr als zehn Jahre zurückliegenden
schwerwiegenderen Straftaten. § 64 StGB eröffnet nicht allgemein die Unterbringung behandlungsbedürftiger Täter; die Maûnahme ist vielmehr abhängig von der künftigen Entwicklung des Angeklagten als Straftäter (BGH StV 1996, 538 m.w.N.). Anhaltspunkte für die Gefahr weiterer hangbedingter erheblicher Straftaten sind jedoch weder aus den Urteilsgründen noch sonst erkennbar.
Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Kolz
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3. Die Strafkammer begründet ihre Annahme, der Angeklagte habe die für die Bewertung der Tat als heimtückisch wesentlichen Elemente in sein Bewusstsein aufgenommen („Ausnutzungsbewusstsein“) damit, dass eine Ausnahmesi- tuation, wie sie bei Tatbegehung im Rahmen eines affektiven Durchbruchs gegeben sein kann, nicht vorlag. Dies ist nicht zu beanstanden. Bei erhaltener Einsichtsfähigkeit - anderes ist hier nicht ersichtlich - ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, regelmäßig nicht beeinträchtigt (BGH, Urt. vom 27. Februar 2008 - 2 StR 603/07; aus forensisch-psychiatrischer Sicht ebenso Dannhorn NStZ 2007, 297, 299). Selbst die Annahme einer affektbedingt erheblich verminderten Schuldfähigkeit könnte für sich genommen die Verneinung des Ausnutzungsbewusstseins nicht tragen (BGH aaO; NStZ 2003, 535; vgl. auch BGH NStZ-RR 2000, 166). Unter welchen - jedenfalls besonderen - konkreten Umständen des Einzelfalles die Möglichkeit affektbedingt fehlenden Ausnutzungsbewusstseins bei voll erhaltener Schuldfähigkeit (vgl. BGHSt 6, 329, 332) in Betracht kommen kann, kann hier offen bleiben. Die Strafkammer hat jedenfalls, nicht zuletzt gestützt auf ihre Feststellungen zum Vor- und Nachtatverhalten, keine Anhaltspunkte für derartige Besonderheiten feststellen können, ohne dass ihr dabei Rechtsfehler unterlaufen wären. Daher brauchte sie die von ihr im Grundsatz gesehene genannte Ausnahmemöglichkeit auch nicht breiter als geschehen zu erörtern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 327/08
vom
4. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers T. R. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers S. R. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 14. Februar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht Waldshut-Tiengen hatte den Angeklagten wegen Totschlags seiner Ehefrau G. H. zu elf Jahren Freiheitsstrafe und wegen Totschlags seiner Tochter J. H. , bewertet als besonders schwerer Fall (§ 212 Abs. 2 StGB), zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hieraus wurde eine lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Eine besondere Schuldschwere war nicht festgestellt worden.
2
Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil wegen eines Verfahrensfehlers, der im polizeilichen Ermittlungsverfahren seinen Ursprung gehabt hatte, in vollem Umfang aufgehoben (Urt. vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07). Zugleich hat er dieses Urteil auf die Revision der Staatsanwalt- schaft aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Totschlags an J. H. verurteilt worden war und dementsprechend auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Diese Aufhebung erfolgte, weil die Möglichkeit eines Verdeckungsmordes (§ 211 StGB) nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen worden war.
3
Nunmehr hat das Landgericht Freiburg, an das die Sache zurückverwiesen worden war, den Angeklagten wegen eines tateinheitlich in zwei Fällen im Wohnhaus der Familie begangenen Totschlags zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
4
Die hiergegen zum Nachteil des Angeklagten eingelegte, auch vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, die Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensrüge.

I.

5
Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
6
1. Die Strafkammer schließt aus, dass der Angeklagte als erstes der beiden Opfer seine Tochter aus einer von ihr gesetzten Ursache angegriffen hat und hält dementsprechend für „gut möglich“, dass der Angeklagte seine Tochter getötet hat, um seine vorangegangene Tat an seiner Ehefrau zu verdecken. Jedoch sei auch „vorstellbar“ - an anderer Stelle der Urteilsgründe heißt es „denkbar“ -, daher nicht ausschließbar und nach dem Zweifelssatz den Feststellungen zu Grunde gelegt, dass die Ehefrau im Rahmen eines Streits wahrheitswidrig behauptet habe, J. stamme nicht vom Angeklagten ab. Der Angeklagte habe dies geglaubt und deshalb aus Hass und Zorn seine Frau und - nach seiner Vorstellung - deren Tochter „im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit“ getötet.
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2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet diese Feststellungen zutreffend als rechtsfehlerhaft.
8
Der Senat hatte bereits in seinem früheren Urteil in dieser Sache (dort Rdn. 47) ausgeführt und belegt, dass es auf überspannte Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung zurückgeht und daher rechtsfehlerhaft ist, wenn nach dem Zweifelssatz zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten unterstellt werden, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten Anhaltspunkte erbracht hat. Richterliche Überzeugung erfordert keine jede andere denktheoretische Möglichkeit ausschließende, letztlich mathematische und daher von niemandem anzweifelbare Gewissheit. Auf diese Ausführungen nimmt der Senat Bezug.
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Hieran gemessen halten die dargelegten Erwägungen der Strafkammer rechtlicher Überprüfung nicht Stand.
10
a) Die Strafkammer geht mit eingehenden Erwägungen davon aus, dass der Tat ein Ehestreit vorausging. Einzelheiten konnte sie hierzu nicht feststellen. Ursprüngliche Grundlage der ehelichen Spannungen war gewesen, dass der Angeklagte sich von seiner Frau vernachlässigt fühlte, weil diese eine mit im Hause wohnende - zur Tatzeit bereits verstorbene - Tante des Angeklagten nach dessen Auffassung zu zeitaufwändig gepflegt hatte. Deshalb wandte sich der Angeklagte schließlich einer anderen Frau zu, was zu Auseinandersetzungen führte. Die Ehefrau hatte „Angst, ihren Mann zu verlieren, und versuchte ihn wieder an sich zu binden“, etwa indem sie sich besonders pflegte und ihm den eigentlich von ihr nicht geschätzten Analverkehr gestattete. Auch wenn die ehelichen Verhältnisse nicht grundlegend gebessert werden konnten, war es immerhin kurz vor der Tat noch zu einem im Wesentlichen harmonisch verlau- fenen Familienausflug gekommen, bei dem es lediglich eine „kleine“ Missstimmigkeit zwischen den Eheleuten über den Aufenthaltsort des Hundes während des bevorstehenden gemeinsamen Auslandsurlaubs gegeben hatte.
11
b) Offenbar sieht die Strafkammer als realen Anknüpfungspunkt für die Möglichkeit einer Lüge der Ehefrau über die Vaterschaft die nur „eingeschränkte“ Zeugungsfähigkeit des Angeklagten an. Tatsächlich stand diese - wie eine DNA-Analyse ergeben hat - der Vaterschaft des Angeklagten nicht im Wege, ebenso wenig der von der Strafkammer festgestellten jahrelangen Hoffnung der Ehefrau, vom Angeklagten ein zweites Kind zu empfangen. Dass es hierzu letztlich nicht kam, lag nach den Feststellungen der Strafkammer - nicht etwa an unzulänglicher Zeugungsfähigkeit des Angeklagten, sondern - daran, dass dieser in seinem Alter kein Kind mehr wollte.
12
c) Reale Anhaltspunkte dafür, dass die Ehefrau die „eingeschränkte“ Zeugungsfähigkeit des Angeklagten je zu dessen Nachteil thematisiert hätte oder dass sie sonst versucht hätte, den Angeklagten mit Hilfe einer Lüge in irgendeiner Weise zu bedrohen bzw. zu kränken, ergeben sich aus alledem nicht. Im Gegenteil, sie hatte Angst ihn zu verlieren und bemühte sich, ihn an sich zu binden, wobei sie ihm, sogar unter Zurückstellung eigener Wünsche, gerade auch in sexueller Hinsicht entgegenkam.
13
Unter diesen Umständen ist nicht erkennbar, woran, über die „Denkbarkeit“ solchen Verhaltens hinaus, die Annahme anknüpfen könnte, die Ehefrau habe durch Lügen über die Vaterschaft letztlich ihre eigene Tötung und die ihrer Tochter ausgelöst (vgl. speziell zur Möglichkeit, eine von ihrem Mann getötete Frau habe diesen unmittelbar zuvor in krassem Gegensatz zu ihrem sonstigen Verhalten massiv beleidigt, BGH NStZ-RR 1997, 99).

14
Erweist sich aber eine Annahme ausschließlich als spekulativ, kann sie, wie bereits im ersten Senatsurteil in dieser Sache dargelegt, auch nicht als Folge des Zweifelssatzes zu Gunsten des Angeklagten den Urteilsfeststellungen zu Grunde gelegt werden.
15
3. Zu Recht weist die Staatsanwaltschaft im Übrigen auch darauf hin, dass selbst auf der (tatsächlich nicht tragfähigen) Grundlage des angenommenen Motivs die Annahme, zwischen beiden Tötungen liege im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit Tateinheit (§ 52 StGB) vor, nicht rechtsfehlerfrei begründet ist.
16
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Menschen, wie etwa deren Leben, einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der natürlichen Handlungseinheit zu Grunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Greift daher der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichem und zeitlichem Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlichen engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt erschiene, wie etwa bei zeitgleich und wechselweise erfolgenden Angriffen auf mehrere Opfer (vgl. zuletzt BGH, Beschl. vom 6. Juni 2008 - 2 StR 189/08 m.w.N.). Hier beschränkt sich die Strafkammer auf die Erwägung, es sei „denkbar“, dass der Angeklagte Frau und Tochter in einem einheitlichen Geschehen getötet habe. Näher stellt sie in diesem Zusammenhang nur fest, der Angeklagte habe ent- weder Frau und Tochter mit unterschiedlichen Werkzeugen angegriffen oder jedenfalls, wenn er nur ein Werkzeug verwendet habe, dieses gegenüber den beiden Opfern jeweils unterschiedlich eingesetzt. Beides ist im Rahmen eines einheitlichen, nur gekünstelt aufspaltbaren Geschehens nicht leicht vorstellbar, ohne dass die Strafkammer auf diesen gegen ihre Bewertung sprechenden Gesichtspunkt einginge. Dem gegenüber ist nichts mitgeteilt, was für den „Sonderfall“ (BGH aaO) der natürlichen Handlungseinheit bei der Tötung von zwei Menschen sprechen könnte. Offenbar hält die Strafkammer auch insoweit für ausreichend , dass der von ihr angenommene Geschehensablauf „denkbar“ ist. Dies ist jedoch keine tragfähige Grundlage für eine Urteilsfeststellung. Es gilt insoweit nichts anderes als für das Motiv der Tat.
17
4. In rechtlicher Hinsicht beschränkt sich die Strafkammer bei der Prüfung von Mord hinsichtlich der Tochter auf die Feststellung, dieser sei nicht zweifelsfrei feststellbar. Dies bezieht sich ersichtlich nur auf die von der Strafkammer geprüfte und verneinte Verdeckungsabsicht. Selbst wenn dies rechtsfehlerfrei wäre - was, wie dargelegt, nicht der Fall ist -, könnte das Urteil keinen Bestand haben, weil hinsichtlich der Tochter das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe nicht geprüft ist. Zwar hat der Tatrichter bei der Prüfung dieses Mordmerkmals einen Beurteilungsspielraum, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (st. Rspr., vgl. Maatz/Wahl FS 50 Jahre BGH, 531, 552; Fischer StGB 55. Aufl. § 211 Rdn. 15 m. zahlr. Nachw.). Rechtsfehlerhaft ist es jedoch, wenn die Prüfung dieses Mordmerkmals unterblieben ist, obwohl es nach den Umständen nahe lag. Der Angeklagte handelte , so die Feststellungen, aus Hass auch auf die Tochter. Ausgelöst wurde dieser Hass durch den von der Täuschung der Ehefrau ausgelösten Irrtum, er sei entgegen seiner bisherigen Annahme nicht der Erzeuger der Tochter seiner Ehefrau. Bei Motiven wie Hass, denen eine Bewertung als niedrig - also als nach allgemeiner Anschauung verachtenswert und auf tiefster Stufe stehend (st. Rspr., vgl. d. Nachw. b. Fischer aaO Rdn. 14) - für sich allein nicht zukommt , kommt es darauf an, ob sie ihrerseits auf niedriger Gesinnung beruhen (st. Rspr., vgl. d. Nachw. b. Fischer aaO Rdn. 19). Bei der hiernach gebotenen Würdigung (vgl. hierzu Fischer aaO Rdn. 15 m.w.N.) kann nicht außer Acht bleiben, dass die Tochter offenbar nicht dafür verantwortlich ist, wer ihr Erzeuger ist, und sie den Angeklagten hierüber auch nicht getäuscht hat, mag sie auch allein durch ihre Existenz in der gegebenen Situation Auslöser des Hasses des Angeklagten gewesen sein. Unter diesen Umständen erweist sich - auch auf der Grundlage der sonstigen Feststellungen der Strafkammer - die unterbliebene Erörterung niedriger Beweggründe als rechtsfehlerhaft, zumal die Strafkammer keine Gesichtspunkte festgestellt hat, die dagegen sprechen würden , dass der Angeklagte seine Affekte gedanklich beherrscht und willensmäßig gesteuert hätte.
18
5. Die von der Strafkammer angenommene Tateinheit zwischen beiden Tötungsdelikten führt ohne Weiteres zur Aufhebung des Urteils insgesamt (vgl. BGH NJW 1993, 2252; Kuckein in KK 6. Aufl. § 353 Rdn. 12 m. w. N.).
19
Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass dann, wenn die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer zwei rechtlich selbstständige Taten annehmen würde, wegen der Tötung von G. H. die Strafe, die deshalb bereits das Landgericht Waldshut-Tiengen verhängt hatte, die gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu beachtende Grenze bilden würde.

II.


20
Auch die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Sie rügt zu Recht, dass die Strafkammer einen Hilfsbeweisantrag nicht rechtsfehlerfrei abgelehnt hat.
21
Dieser war auf die Feststellung gerichtet, dass in einem auf einem polizeilichen Video sichtbaren Haus - das in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem Angeklagten steht - am Ufer des Rheins („Strandhaus“) von den Tatopfern stammende Spuren (Antragungen von Blut) vorhanden seien. Die Strafkammer geht davon aus, die Behauptung, es könnten sich derartige Spuren in dem Strandhaus befinden, „ersichtlich ins Blaue hinein aufgestellt sei“, so dass in Wahrheit kein Beweisantrag vorliege. Auch die Aufklärungspflicht gebiete nicht, wie die Strafkammer darlegt, der genannten Behauptung näher nachzugehen.
22
Dies hält unter den gegebenen Umständen rechtlicher Überprüfung nicht Stand.
23
1. Einem Beweisbegehren muss nicht oder nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde, so dass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernst gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt. Ob ein Beweisantrag nur zum Schein gestellt ist, ist aus der Sicht eines „verständigen“ Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht in Frage gestellten Tatsachen zu beurteilen (st. Rspr., vgl. zuletzt zusammenfassend BGH StraFo 2008, 246 m.w.N.).
24
2. Hier war in engem zeitlichem Zusammenhang zur Tat der Pkw der getöteten Ehefrau in der Nähe dieses "Strandhauses" abgestellt gewesen. Außerdem hatte ein bei den polizeilichen Ermittlungen eingesetzter Spurensuchhund („Bluthund“) jedenfalls den Eindruck erweckt, als stelle er Geruchsspuren der beiden damals noch als vermisst geltenden Geschädigten in dem gesamten Bereich, auch dem des "Strandhauses", fest.
25
3. Die Strafkammer konnte Erkenntnisse dazu, wer den Pkw dort abgestellt hatte, weder durch Zeugen noch durch kriminaltechnische Untersuchungen gewinnen. Sie geht letztlich davon aus, dass der Pkw dort abgestellt wurde, um die Möglichkeit eines Selbstmordes im Rhein oder auch eine Abfahrt vom nahe gelegenen Bahnhof aus vorzutäuschen, also dass jedenfalls kein Zusammenhang mit dem "Strandhaus" besteht. Dem Verhalten des Hundes misst sie aus im Einzelnen dargelegten, hier nicht im Detail nachzuzeichnenden Erwägungen , die mit dem Alter des Hundes, der Erfahrung der Hundeführerin und der Möglichkeit der Kontamination von Geruchsproben zusammenhängen, keine wesentliche Bedeutung bei.
26
4. Ohne dass es hier auf in diesem Zusammenhang erhobene (sonstige) Verfahrensrügen ankäme, sind diese Erwägungen für sich genommen sachlichrechtlich nicht zu beanstanden.
27
Dies ändert jedoch nichts daran, dass die festgestellten, für sich genommen unzweifelhaften Indizien (Standort Pkw und Verhalten des „Bluthundes“, vor allem im Bereich des „Strandhauses“) auch den Schluss auf den Aufenthalt der Geschädigten im „Strandhaus“ zumindest nicht ausgeschlossen erscheinen lassen.
28
5. Ein Beruhen des Urteils auf der Ablehnung des genannten Hilfsbeweisantrags ist nicht völlig auszuschließen. Daher ist es auch auf die Revision des Angeklagten in vollem Umfang aufzuheben, ohne dass es auf dessen weiteres Revisionsvorbringen noch ankäme.
Nack Wahl Kolz
Graf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 153/11
vom
23. August 2011
BGHSt: ja zu A II. 3. a
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Art. 34
Nach Übernahme eines Ermittlungsverfahrens durch die Bundesrepublik
Deutsch-land ist eine in dem abgebenden Vertragsstaat der MRK bereits eingetretene
rechts- staatswidrige Verfahrensverzögerung nicht zu kompensieren.
BGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11 - LG Ravensburg
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 2.: gefährlicher Körperverletzung
zu 3.: vorsätzlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. August 2011 beschlossen
:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Ravensburg vom 10. November 2010 werden als unbegründet
verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.
2. Die Revisionen des Nebenklägers gegen das vorbezeichnete
Urteil werden
hinsichtlich des Angeklagten C. als unzulässig (§ 349
Abs. 1 StPO),
hinsichtlich der Angeklagten A. und T. als unbegründet
verworfen.
Der Nebenkläger hat die Kosten seiner Rechtsmittel und die
den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.

Gründe:


1
Die Jugendkammer hat festgestellt:
2
Die Angeklagten waren mit Freunden und Bekannten am Karsamstag 2008 in einer Diskothek in Hard (Österreich), ebenso der Nebenkläger M. . Dieser wollte eine schon abflauende Auseinandersetzung, an der der Angeklagte C. beteiligt war, schlichten. C. schlug ihn mit der Faust ins Gesicht, es entstand eine aggressive Stimmung. Nunmehr wollten die Angeklagten A. und T. , die zuvor mit C. zusammen am Tisch gewesen waren, C. helfen, der allerdings bald die Diskothek verließ. M. erhielt, auch von A. und T. , Schläge und Tritte, ging zu Boden, konnte sich zunächst aber wieder aufrichten. Es gab weitere, namentlich nicht ermittelte Beteiligte an der Auseinandersetzung. Es flogen Flaschen, eine davon traf auch A. , der seinerseits eine Flasche nahm und sie „in Bauchhöhe“ gegen M. warf. Eine Flasche traf M. so heftig am Kopf, dass er „k.o. ging und völlig hilflos zu Boden sackte“. Dass A. d i e s e Flasche geworfen hatte, steht nicht fest. Er trat aber gemeinsam mit anderen - darunter auch T. - auf den bewusstlos am Boden liegenden M. ein. M. wurde dabei auch gegen den Kopf getreten, ohne dass einem der Beteiligten einzelne Tritte genau zugeordnet werden konnten. M. zog sich sehr schwere Verletzungen zu, z.B. Brüche im Bereich des Jochbeins, der Augenhöhle und des Kiefers. Wegen der Gefahr, Blut einzuatmen, hätte er ohne fremde Hilfe ersticken können. Durch das Gesamtgeschehen wurde er auf einem Auge blind und kann, zu 40% erwerbsgemindert , seinen Beruf nicht mehr ausüben. Auch muss er lebenslang eine Platte im Gesicht tragen.
3
Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde C. wegen Körperverletzung (§ 223 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Hinsichtlich der beiden anderen, heranwachsenden Angeklagten konnte sich die Jugendkammer nicht von den in der Anklage noch enthaltenen Vorwürfen des versuchten Totschlags, hinsichtlich A. auch der schweren Körperverletzung (Verlust eines Auges) überzeugen, und verurteilte sie wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) wegen der Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) jeweils zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe, A. zu zehn Monaten, T. zu einem Jahr.
4
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten und des Nebenklägers. Sämtliche Rechtsmittel bleiben erfolglos.

A.

5
Die Revisionen der Angeklagten
6
Sämtliche Revisionen erheben die Sachrüge, die der Angeklagten A. und T. führen sie näher aus. Die Revision des Angeklagten A. ist zusätzlich noch auf Verfahrensrügen gestützt.

I.

7
Die Verfahrensrügen des Angeklagten A. wenden sich gegen die Verwertung der Angaben, die er am 24. März 2009 gegenüber KHK H. gemacht hatte; dieser hatte ihn als Beschuldigten vernommen, nachdem die österreichischen Behörden das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft Ravensburg abgegeben hatten. Schon in der Hauptverhandlung war ein Widerspruch gegen die Zeugenvernehmung von KHK H. , gestützt auf die Vernehmungsniederschrift , (u.a.) damit begründet worden, er habe ihn nur über sein Schweigerecht, aber nicht über sein Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt und seinen Wunsch nach Unterrichtung des von ihm benannten Verteidigers abgelehnt.
8
Außerdem habe er ihn durch die in der Vernehmungsniederschrift dokumentierten Vorhalte
9
„Du weißt doch genau, dass der M. durch diese [von A. gewor- fene] Flasche das Auge verloren hat“ und später
10
„Laut bisherigen Ermittlungen ist klar, dass durch deinen Flaschenwurf die schweren Verletzungen am linken Auge des M. entstanden sind“ i.S.d. § 136a StPO über den bisherigen Stand der Ermittlungen getäuscht, da er, wie näher dargelegt, gewusst habe, dass es keine den Angeklagten konkret belastenden Erkenntnisse über das Zustandekommen der Augenverletzung gäbe.
11
Zu alledem befragt, erinnerte sich KHK H. genau, A. auch über sein Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt zu haben, was er aber versehentlich nicht protokolliert habe. A. habe erklärt, seine Rechte aus einem früheren Verfahren - ein 2006 gemäß § 45 Abs. 1 JGG behandeltes Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs - zu kennen, jedoch nicht den Wunsch nach Kontakt mit (s)einem Rechtsanwalt geäußert. Außerdem erläuterte KHK H. seine damaligen Kenntnisse vom Ermittlungsstand. Die Jugendkammer hielt sei- ne Angaben für „uneingeschränkt überzeugend“, wies den Widerspruch mit nä- her begründetem Beschluss zurück und vernahm ihn zur Sache.
12
Hieran knüpft die Revision an. Sie hält sowohl § 136 StPO als auch § 136a StPO für verletzt.
13
1. Ein Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO liege vor, weil der Angeklagte keinen Kontakt mit seinem Verteidiger aufnehmen durfte; das Urteil begründe die Verwertbarkeit der Aussage von KHK H. nicht konkret. Seine Angaben seien wegen der entgegen Nr. 45 Abs. 1 RiStBV nicht dokumentierten Belehrung unglaubhaft, zumal er - so die Revision - erklärt habe, er dokumentiere die Beschuldigtenbelehrung nie in einem gesonderten Formular. Daher ergebe die Prüfung des Vernehmungsablaufs hier „ausschließlich“ das Ergebnis, „dass die Belehrung … nicht stattgefunden hat“. Die Behauptung von KHK H. , der Angeklagte habe geäußert, seine Rechte aus einem früheren Verfahren zu kennen, werde den Gegebenheiten nicht gerecht. Da insgesamt genügende Hinweise auf eine Belehrung fehlten, seien die Angaben des Angeklagten unverwertbar.
14
a) Im Urteil ist die Verwertbarkeit der Aussage von KHK H. nicht konkret begründet. Ob dies als eigenständiger Rechtsfehler gerügt sein soll, mag dahinstehen. Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln im Urteil sind rechtlich nicht geboten und würden es nur überfrachten (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613 mwN).
15
b) Im Übrigen sprechen die genannten ineinander übergehend beide Gesichtspunkte ansprechenden Ausführungen der Revision dafür, dass Grundlage eines Beweisverwertungsverbots offenbar sowohl die unterbliebene Belehrung über das Recht auf Verteidigerkonsultation (BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 220/01, BGHSt 47, 172, 173 f.), als auch die Verhinderung der ausdrücklich gewünschten Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 126/92, BGHSt 38, 372, 374; vgl. auch Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK; hierzu Schädler in KK-StPO 6. Aufl., Art. 6 MRK Rn. 50 mwN) sein soll. Unbeschadet der Frage nach der gebotenen Klarheit der „Angriffsrichtung“ dieser Rüge (vgl. BGH,Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 620/09, NStZ 2010, 403, 404 mwN) in tatsächlicher Hinsicht, erscheint zweifelhaft, ob, wie für eine zulässige Verfahrensrüge stets erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - 1 StR 157/10, StV 2011, 399; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2005 - 1 StR 117/05, NStZ-RR 2006, 181, 182 mwN), der Vortrag widerspruchsfrei ist. Einerseits sei der Hinweis von KHK H. auf die bei der Vernehmung aktuelle Kenntnis des Angeklagten von seinem Recht auf Verteidigerkonsultation - sie stünde trotz unterbliebener Belehrung einem Verwertungsverbot entgegen (BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 220/01, BGHSt 47, 172, 174) - unzutreffend, andererseits habe der Angeklagte Kontakt mit seinem Verteidiger verlangt. Wie es miteinander vereinbar ist, dass ein Recht unbekannt ist, aber dennoch geltend gemacht wird, liegt nicht auf der Hand.
16
c) Letztlich kann dies aber auf sich beruhen, da der Senat das tatsächliche Vorbringen der Revision, hinsichtlich der unterbliebenen Belehrung ebenso wie hinsichtlich der verwehrten Kontaktaufnahme, nicht für bewiesen hält (zum Maßstab vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1997 - 2 StR 130/97, StV 1999, 354). Er hat keinen Grund, die Angaben von KHK H. hierzu anders zu bewerten als die Jugendkammer. Er teilt nicht die Auffassung, dass wegen einer entgegen Nr. 45 Abs. 1 RiStBV teilweise unterbliebenen Protokollierung einer Belehrung bei Gericht „ausschließlich“ oder nahe liegend Lügen des hierfür verantwortli- chen Polizeibeamten zum Vernehmungsablauf zu erwarten seien. Auch konkret spricht hier für diese Möglichkeit nichts.
17
d) Die Belastung des Verfahrens durch unsorgfältige Protokollierung wäre leicht bei Verwendung eines entsprechenden Formulars vermieden worden.
18
Macht im Übrigen, wie hier, ein Angeklagter in der Hauptverhandlung keine Angaben, oder sagt er - erfahrungsgemäß ebenfalls nicht ungewöhnlich - dort anders aus als im Ermittlungsverfahren, können seine früheren Angaben sehr bedeutsam werden. Da hinsichtlich dieser Angaben hier keine ordnungsgemäße Belehrung aktenkundig war, stand das Verbot ihrer Verwertung dann im Raum, wenn die Belehrung und nicht nur deren Dokumentation unzulänglich war. Diese anhand der Akten nicht klärbare Frage hätte bereits vor der Hauptverhandlung überprüft werden können, auch schon von der Staatsanwaltschaft. Deren Gesamtverantwortung für ein rechtmäßiges Ermittlungsverfahren - auch soweit von der Polizei geführt - verlangt auch hinsichtlich etwaiger Beweisverwertungsverbote effektiv ausgeübte Leitungs- und Kontrollbefugnisse, damit gegebenenfalls gebotene Maßnahmen ergriffen werden können, wo nötig in Form allgemeiner Weisungen. Dies gilt in allen Verfahren, hat aber in Kapitalsachen (versuchter Totschlag) besonderes Gewicht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613 mwN).
19
2. Eine Täuschung des Angeklagten über den Ermittlungsstand (§ 136a StPO) liegt nicht vor. Als der Angeklagte, der auch schon zuvor erklärt hatte, er wisse nicht, wo die von ihm geworfene Flasche getroffen habe, erneut auch auf den ersten als Beleg für eine Täuschung genannten Vorhalt „Du weißt doch genau …“ (oben A. I. vor 1.)nicht bestätigte, M. am Auge getroffen zu haben , hielt ihm KHK H. als nächstes vor: „Aber es ist in der Gruppe bekannt, dass deine Flasche den M. am Auge getroffen hat“, worauf der Angeklagte erwiderte: „Man sagt das deswegen, weil man gesehen hat, dass ich die eine Flasche geworfen habe“. Es gab also - vom Angeklagten sogar als richtig bestä- tigte - polizeiliche Erkenntnisse, dass mehrere bei dem Vorfall anwesende Personen (die „Gruppe“) - unabhängig von Angaben bei der Polizei - geäußert hatten , der Angeklagte habe M. mit der Flasche am Auge verletzt. Schon deshalb hat die Annahme einer Täuschung durch KHK H. keine Grundlage. Außerdem hat die Jugendkammer lediglich festgestellt, dass der Angeklagte - wie von vielen Anwesenden gesehen und auch von ihm schon vor der angeblichen Täuschung eingeräumt - eine Flasche geworfen, aber nicht, dass sie M. am Auge getroffen hat. Selbst wenn, was nicht so ist, eine Täuschung vorläge, hätte sie sich schon nicht auf die Aussagen des Angeklagten bei der Polizei und erst Recht nicht auf das Urteil ausgewirkt.

II.

20
Die auf Grund der von allen Angeklagten erhobenen Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil eines Angeklagten ergeben. Ergänzend bemerkt der Senat:
21
1. Zum Schuldspruch:
22
a) Vorbringen für den Angeklagten A. :
23
(1) Die Behauptung, die Jugendkammer habe nur Feststellungen zum Flaschenwurf getroffen und nichts festgestellt, was die Beteiligung des Angeklagten an den vorangegangenen Gewalttätigkeiten belege, widerspricht den Urteilsgründen. Danach hatte sich C. unmittelbar vor Beginn seiner Auseinandersetzung mit M. „an den Nachbartisch zu … A. und T. begeben“. M. hat bekundet, nachdem ihn C. geschlagen hatte, seien dessen „Begleiter oder Freunde … aufgestanden und hätten auf ihn eingeschlagen“. Zweifel an der Glaubwürdigkeit M. s hatte die Jugendkammer nicht, Gründe , warum sie sie hätte haben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
24
(2) Weite Teile des sonstigen Vorbringens gegen die Feststellungen zum Tatgeschehen erschöpfen sich in Überlegungen zu alternativen Geschehensabläufen (der Angeklagte könne nach dem Flaschenwurf den Tatort alsbald verlassen oder dort nur zur Beobachtung des weiteren Geschehens „verweilt“ haben), die in den Urteilsgründen keine Anknüpfungspunkte finden. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, wistra 2010, 310, 312 mwN). Dementsprechend braucht das Urteil bloß theoretische Möglichkeiten auch nicht zu erörtern (BGH, Urteil vom 26. Mai 2011 - 1 StR 20/11). Eine auf den Beleg der Richtigkeit ihrer Vermutungen gerichtete Aufklärungsrüge hat die Revision nicht erhoben.
25
(3) Nach den Feststellungen der Jugendkammer traten „umstehende Per- sonen“ aufden am Boden liegenden M. „mit Füßen … ein. ... Hieran waren auch die Angeklagten A. und T. beteiligt“. Angesichts dessen ist die Annahme der Revision, zur Art der Beteiligung des Angeklagten sei nichts festgestellt, nicht nachvollziehbar.
26
b) Vorbringen für den Angeklagten T. :
27
Die Revision verkennt, dass weder die Sach- noch eine Verfahrensrüge auf einen Abgleich der Urteilsgründe mit dem Akteninhalt gestützt werden kann (st. Rspr.; zuletzt BGH, Urteil vom 26. Mai 2011 - 1 StR 20/11; vgl. zusammenfassend Wahl in NJW-SH f. G. Schäfer, 2002, 73 mwN). Deshalb ist auch für die von ihr angeregte Anhörung eines Zeugen durch den Senat kein Raum. Sollte ein Zeuge im weiteren Verlauf wegen eines Aussagedelikts rechtskräftig verurteilt werden, könnte dies Grundlage einer Wiederaufnahme des Verfahrens sein (§ 359 Nr. 2 StPO). Soweit die Revision darüber hinaus im Rahmen der Begrün- dung der Sachrüge wegen der Ablehnung des „Beweisantrag(s) Anlage 8“ eine Verletzung der Aufklärungspflicht sieht, kommt eine Umdeutung in eine Verfahrensrüge nicht in Betracht, da das Vorbringen den Anforderungen von § 344 Abs. 2 StPO nicht genügt. Weder der Antrag noch der Beschluss sind mitgeteilt.
28
2. Zum Strafausspruch:
29
a) Ausführungen zum Strafausspruch enthält nur die Revisionsbegründung für den Angeklagten A. . Soweit sich fehlende Feststellungen zur Art der Tatbeteiligung auf den Strafausspruch ausgewirkt haben sollen, gilt nichts anderes als hinsichtlich des Schuldspruchs (vgl. A. II. 1. a (3)). Das übrige Vorbringen erschöpft sich in dem im Revisionsverfahren unbeachtlichen Versuch, Bewertungen, die die dem Tatrichter hierbei gezogenen Grenzen an keiner Stelle zum Nachteil des Angeklagten überschreiten, durch eigene zu ersetzen. Zu Unrecht ist die Jugendkammer allerdings davon ausgegangen, der Angeklagte sei „nicht strafrechtlich vorbelastet“ gewesen. Tatsächlich ist er schon 2006 wegen Landfriedensbruchs in Erscheinung getreten (vgl. A. I. vor 1.). Auch wenn nähere Feststellungen hierzu fehlen, handelt es sich dabei jedenfalls um ein Delikt, bei dem es, ähnlich wie hier, um Gewalttätigkeiten aus einer wegen etlicher Beteiligter unübersichtlichen Situation heraus geht. Die unterbliebene Erörterung dieses Gesichtspunkts hat sich jedoch nur zu Gunsten des Angeklagten ausgewirkt.
30
b) Auch sonst sind bei der Strafzumessung Rechtsfehler weder zum Nachteil des Angeklagten A. noch zum Nachteil der übrigen Angeklagten ersichtlich.
31
3. Zur Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensdauer:
32
Die Jugendkammer hat die Verfahrensdauer nicht nur als bedeutsamen Strafmilderungsgrund angesehen, sondern insoweit auch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt, weil - bis zur Abgabe des zunächst in Österreich anhängigen Ermittlungsverfahrens an die Staatsanwaltschaft Ravensburg „in erster Linie durch die zögerliche Behandlung bzw. Nichtbehandlung der Ermittlungen seitens der österreichischen Ermittlungsbehörden schon neun Monate ins Land gegangen“ sind; und - wegen vieler vorrangiger Haftsachen zwischen Eingang der Anklage und Urteil zwölf Monate gelegen haben.
33
In beiden Abschnitten sei das Verfahren in einer Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zuwiderlaufenden Weise für die Dauer von je neun Monaten verzögert worden, was mit je drei Monaten zu kompensieren sei.
34
Dementsprechend wurden von der gegen den Angeklagten C. verhängten Freiheitsstrafe sechs Monate (im Urteilstenor) für vollstreckt erklärt.
35
Anders sei, so die Jugendkammer in den Urteilsgründen, demgegenüber hinsichtlich der Angeklagten A. und T. zu verfahren. Da gegen sie Jugendstrafe verhängt sei, sei nicht ein Teil der Strafe für vollstreckt zu erklären, sondern ein Abschlag von der an sich für angemessen gehaltenen Strafe vorzunehmen. Dementsprechend wurde eine Jugendstrafe von einem Jahr statt von einem Jahr und sechs Monaten gegen T. und von zehn Monaten statt von einem Jahr und vier Monaten gegen A. verhängt.
36
Der Senat bemerkt:
37
a) Die Dauer eines Strafverfahrens kann unabhängig von ihren Gründen für die Strafzumessung bedeutsam sein (BGH, Urteil vom 21. Februar 2002 - 1 StR 538/01, StV 2002, 598 mwN). Der Senat ist jedoch nicht der Auffassung, dass eine (von der Jugendkammer nur knapp geschilderte, nach ihrer Auffassung ) mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK unvereinbare Verfahrensverzögerung durch österreichische Behörden hier darüber hinaus auch als konventionswidrig zu kompensieren ist. Eine solche Kompensation ist Wiedergutmachung. Sie soll die „Opferstellung“ eines Betroffenen (Art. 34 MRK) beenden und so den jeweiligen Vertragsstaat (hier die Bundesrepublik Deutschland) vor einer möglichen Verurteilung durch den EGMR auf Grund einer Individualbeschwerde wegen Verletzung der MRK bewahren (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 137). Letztlich wird durch eine solche Kompensation eine „im Verantwortungsbereich des Staates“ (BGH aaO 129; vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 5 StR 253/09, NStZ 2010, 230 mwN) entstandene „Art Staatshaftungsanspruch“ erfüllt (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 138). Dem entspricht, dass Individualbeschwerden gemäß Art. 35 Abs. 3 MRK zurückgewiesen werden, wenn die gerügten Handlungen oder Unterlassungen dem beklagten Staat nicht zuzurechnen wären (vgl. EGMR, Entscheidung vom 15. Juni 1999, Nr. 18360/91; EKMR, Entscheidung vom 14. April 1998, Nr. 20652/92). Dies spricht dagegen, dass ein (etwa) konventionswidriger Verfahrensgang in einem Mitgliedsstaat der MRK einem anderen Mitgliedsstaat, der hierauf keinen Einfluss nehmen konnte, gleichwohl zuzurechnen und von ihm zu kompensieren ist, wenn seine Ermittlungsbehörden das Ermittlungsverfahren erst nach Eintritt der Verzögerung übernommen haben (so in vergleichbarem Sinne, wenn auch anderen prozessualen Zusammenhängen, BGH, Beschluss vom 17. März 2010 - 2 StR 397/09, BGHSt 55, 70, 77 f. [mögliche Verletzung des Konfrontationsrechts durch einen anderen Staat im Rahmen von Rechtshilfe] und OLG Rostock, NStZ-RR 2010, 340 [mögliche konventionswidrige Verfahrensverzögerung durch einen anderen Staat bei einer hier zur Vollstreckung übernommenen Verurteilung] jew. mwN).
38
b) Der Senat kann auf der Grundlage der hierzu ebenfalls knappen Feststellungen nicht beurteilen, ob und gegebenenfalls wie lange das Verfahren durch die Jugendkammer konventionswidrig verzögert wurde (vgl. zu hierfür we- sentlichen Punkten BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, NJW 2008, 2451, 2453 f.). Jedenfalls handelt es sich hier um eine „Jugendschwurgerichtssache“ (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 JGG) gegen (ursprünglich) fünf nicht inhaftierte Angeklagte. Diesen lagen, hinsichtlich der einzelnen Angeklagten differenziert, unterschiedliche Delikte teilweise sehr erheblichen Gewichts (gefährliche Körperverletzung , schwere Körperverletzung, versuchter Totschlag) zum Nachteil des am Verfahren als Nebenkläger beteiligten Geschädigten zur Last. Sämtliche Taten sollten die nicht geständigen Angeklagten im Rahmen eines tumultartigen und daher schwer klärbaren Geschehens begangen haben, wobei einige Zeugen der im Ausland begangenen Tat(en) im Ausland wohnten. Der Senat hält es danach jedenfalls nicht für menschenrechtswidrig, dass hier nicht schon etwa drei Monate nach Eingang der Anklage ein Urteil erging.
39
c) Außerdem ist bei der Prüfung einer etwaigen konventionswidrigen Verfahrensverzögerung stets die Dauer des gesamten Verfahrens in den Blick zu nehmen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 238/08, wistra 2009, 147, 148 mwN). Es ist daher kein zutreffender Ansatz, nach jeweils nur isolierter Bewertung für mehrere Verfahrensabschnitte jeweils gesonderte Kompensationen zu bestimmen und diese dann zu addieren.
40
d) Eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung kann gegebenenfalls schon durch ihre Feststellung genügend kompensiert sein (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 5 StR 330/10, StraFo 2011, 56, 57 mwN). Jedenfalls hätte die Jugendkammer, die diese hier nahe liegende Möglichkeit nicht geprüft hat, bei der Bemessung der Kompensation aber erkennbar zu erwägen gehabt, dass sie, wie dargelegt, schon bei der Strafzumessung die Verfahrensdauer strafmildernd bewertet hat, sodass darüber hinaus nur noch deren konventionswidrige Verursachung auszugleichen ist. Dies wird, von hier nicht erkennbaren besonderen Fallgestaltungen abgesehen, vielfach dazu führen, dass sich eine Kompensation nur noch auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken hat (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146, 147; BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 238/08, wistra aaO mwN). Die Jugendkammer hat demgegenüber zwischen einem Drittel und der Hälfte der von ihr für angemessen gehaltenen Strafen für vollstreckt erklärt bzw. nicht ausgesprochen. Bei der Bemessung der Höhe einer Kompensation ist jedoch auch in den Blick zu nehmen, dass eine überzogene Berücksichtigung des Zeitfaktors als Ausgleich für Justiz und Ermittlungsbehörden anzulastenden Mängeln den Zielen effektiver Verteidigung der Rechtsordnung zuwider läuft (BGH, Beschluss vom 17. November 2010 - 1 StR 145/10, wistra 2011, 115, 116 mwN).
41
e) Einer abschließenden Entscheidung der aufgezeigten Gesichtspunkte hinsichtlich der Verfahrensverzögerung bedarf es hier aber nicht, da sie sich ersichtlich nur zu Gunsten der Angeklagten ausgewirkt haben.
42
f) Im Übrigen ist die Umsetzung der von der Jugendkammer für erforderlich gehaltenen Kompensation nur hinsichtlich des Angeklagten C. („Voll- streckungsmodell“) rechtsfehlerfrei.
43
Die Annahme, bei Verhängung von Jugendstrafe sei demgegenüber nicht das Vollstreckungsmodell anzuwenden, sondern ein Strafabschlag vorzunehmen , entspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, jedenfalls, wenn die Jugendstrafe, wie jeweils hier, allein auf eine Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) gestützt ist (BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 5 StR 330/10, StraFo 2011, 56, 57; Urteil vom 9. Mai 2010 - 2 StR 278/09 jew. mwN). Die Angeklagten sind dadurch jedoch nicht beschwert. Ein Angeklagter kann schon generell ohnehin allenfalls unter sehr ungewöhnlichen Umständen beschwert sein, wenn eine niedrigere statt einer höheren - sei es auch teilweise als vollstreckt geltenden - Strafe ausgesprochen wird (BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, NJW 2008, 2451, 2454; vgl. auch Pohlit in FS Rissing-van Saan, 453, 457). Hier kommt hinzu, dass der Strafabschlag dazu führte, dass die Jugendstrafen schon nach Maßgabe von § 21 Abs. 1 JGG zur Bewährung ausgesetzt werden konnten und nicht wie die von der Jugendkammer an sich für angemessen gehaltenen Strafen nur unter den demgegenüber (schon ausweislich des Gesetzeswortlauts) engeren Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 JGG (vgl. hierzu Brunner/Dölling JGG 11. Aufl., § 21 Rn. 11, 11a; vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 54/08, StV 2008, 400 zum strukturell identischen Fall, dass der Strafabschlag § 56 Abs. 1 StGB anwendbar macht, während bei dem Vollstreckungsmodell nur § 56 Abs. 2 StGB anwendbar wäre).

B.

44
Die Revisionen des Nebenklägers

I.

45
Revision zum Nachteil des Angeklagten C. :
46
1. Die Revision wurde uneingeschränkt in der „Strafsache gegen A. u.a.“ eingelegt. Ebenso uneingeschränkt ist im Rahmen der Revisionsbegründung beantragt (§ 344 Abs.1 StPO), das Urteil aufzuheben. Die auf die Sachrüge gestützte Begründung erwähnt den Angeklagten C. nicht, sondern legt ausschließlich dar, warum das Urteil hinsichtlich der Angeklagten A. und T. rechtsfehlerhaft ist. Zur Begründung herangezogen sind ausschließlich Feststellungen zum Geschehen, das sich ereignete, nachdem C. die Diskothek verlassen hatte.
47
2. Der Senat hatte daher zu prüfen, ob das Urteil auch zum Nachteil des Angeklagten C. angefochten ist. Die Revisionseinlegungsschrift spricht eher dafür, da sich die Nebenklage auch gegen den auch wegen eines nebenklagefähigen Delikts verurteilten Angeklagten C. richtete. Gleiches gilt im Ergebnis für den Revisionsantrag. Gegen eine Revision zum Nachteil des Angeklagten C. spricht die Revisionsbegründung, die ihn weder erwähnt, noch sich auf die ihm zur Last gelegte Tat bezieht. Der Senat hat erwogen, ob hier, wie auch sonst bei Zweifeln über den Umfang einer Revision, deren Begründung maßgeblich ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - 3 StR 122/09; BGH, Urteil vom 25. November 2003 - 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118 mwN). Dies hat er verneint. Wird, sei es auch in nur einem Schriftsatz, ein gegen mehrere Angeklagte ergangenes Urteil uneingeschränkt angefochten, gilt dies regelmäßig hinsichtlich jedes Angeklagten. Es liegen der Sache nach mehrere, voneinander unabhängige Rechtsmittel vor. Dann kann aber nicht allein der späteren Begründung des Rechtsmittels zum Nachteil eines Angeklagten inzident entnommen werden, dass zum Nachteil eines anderen Angeklagten doch kein Rechtsmittel eingelegt sein soll. Die Frage nach dem Umfang eines Rechtsmittels ist von anderer Art als die Frage, ob überhaupt ein Rechtsmittel eingelegt ist. Insoweit kommt es allein auf die Einlegungsschrift an.
48
3. Die danach (auch) zum Nachteil des Angeklagten C. eingelegte Revision ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO), da mangels konkreter Begründung nicht erkennbar ist, dass sie ein von einer Nebenklägerrevision erreichbares Ziel (§ 400 Abs. 1 StPO) verfolgte.

II.

49
Revisionen zum Nachteil der Angeklagten A. und T. :
50
Insoweit hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung(en) gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler ergeben, der diesen Revisionen des Nebenklägers zum Erfolg verhelfen könnte.
51
1. Die Annahme, dass insbesondere bei Tritten gegen den Kopf eines am Boden liegenden Menschen ein Tötungsvorsatz in Betracht kommen kann, liegt im Grundsatz nicht fern (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2005 - 1 StR 288/05, NStZ-RR 2006, 10, 11; Beschluss vom 28. Juni 2005 - 1 StR 178/05). Die insoweit freilich sehr knappen Ausführungen der Jugendkammer ergeben im Kontext mit den sonstigen Urteilsgründen, dass der Jugendkammer auch im Blick auf ein eher spontanes, sich rasch intensivierendes Geschehen Zweifel an einem solchen Vorsatz verblieben. Dies gilt auch, soweit die Jugendkammer angesichts des in seiner ständigen Bewegung schnell wechselnden und nur begrenzt zuverlässig zu rekonstruierenden tumultartigen Geschehens keine Handlungen der Angeklagten festzustellen vermochte, die die Annahme eines Tötungsvorsatzes aufdrängten. Vergleichbares gilt hinsichtlich des beim Nebenkläger eingetretenen Verlusts des Auges und der sonstigen schweren Verletzungen , von deren Verursachung durch die Angeklagten sich die Jugendkammer ebenfalls nicht zweifelsfrei überzeugen konnte. All dies liegt auch unter Berücksichtigung des hiergegen gerichteten Revisionsvorbringens noch im Rahmen möglicher tatrichterlicher Beweiswürdigung, sodass es nicht darauf ankommt, ob auch eine andere Würdigung vertretbar erschiene.
52
2. Näher noch als die Annahme eines versuchten Totschlags und/oder einer schweren Körperverletzung hätte die Annahme einer Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB, zweite Alternative) gelegen, da die Angeklagten sich gemeinsam mit anderen an einem u.a. auch durch Flaschenwürfe begangenen Angriff auf M. beteiligten, durch den dieser ein Auge verlor, ohne dass es darauf ankäme, welche konkrete Handlungen ihnen im Blick auf die hier, wie in solchen Fällen typisch, vorliegende Beweisnot zugerechnet werden können (vgl. zusammenfassend Fischer StGB 58. Aufl., § 231 Rn. 1, 2, 4 ff. mwN). Näher nachzugehen braucht der Senat dem aber nicht, weil § 231 StGB kein zur Nebenklage berechtigendes Delikt ist; ein nur hierauf bezogener etwaiger Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten kann einer hinsichtlich der Anwendung von Nebenklagedelikten erfolglosen Nebenklägerrevision nicht zum Erfolg verhelfen (BGH, Urteil vom 21. August 2008 - 3 StR 236/08, NStZ-RR 2009, 24, 25; BGH, Urteil vom 12. März 1997 - 3 StR 627/96, NStZ 1997, 402, 403 jew. mwN). Gleiches gilt im Ergebnis insoweit, als die Jugendkammer nicht geprüft hat, ob eine nur nach ihrer einzelfallbezogen abstrakten Gefährlichkeit, nicht nach ihren konkreten Folgen zu beurteilende lebensgefährdende Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB (vgl. Fischer aaO § 224 Rn. 12 mwN) vorliegt, oder ob im Blick auf bei den Tritten nahe liegend von den Angeklagten getragene Schuhe gefährliche Werkzeuge gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2009 - 4 StR 347/09, NStZ 2010, 151 mwN) verwendet wurden. Das Hinzutreten weiterer Tatbestandsalternativen eines ohnehin abgeurteilten Delikts betrifft den Schuldumfang und daher den Strafausspruch (BGH, Urteil vom 21. April 1999 - 5 StR 714/98, NJW 1999, 2449; BGH, Beschluss vom 3. Juli 1997 - 4 StR 266/97, NStZ-RR 1997, 371 jew. mwN) und kann daher einer Nebenklägerrevision ebenso wenig zum Erfolg verhelfen wie sonstige nur den Strafausspruch betreffende Rechtsfehler (§ 400 StPO). Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 507/02
vom
11. März 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. März
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge- richts München I vom 16. April 2002, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Diebstahls verurteilt wurde;
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1. Die Jugendkammer hat festgestellt:

a) In der Nacht vom 18. auf 19. März 2001 hielten sich nur noch der 19jährige Angeklagte und der Kellner P. in einem Münchener Lokal auf und tranken Whisky. Der Angeklagte glaubte, er sei eingeladen. Als er zahlen sollte, gab es Streit, P. drohte mit Anzeige wegen Zechprellerei. Dies erregte den Angeklagten so, daß er aus seiner Jacke, die er abgelegt hatte, ein großes Küchenmesser - er ging „nachts nie unbewaffnet“ aus - nahm und P. in Tötungsabsicht in den Rumpf stieß. P. flüchtete; der Angeklagte verfolgte ihn durch die Küche bis in den Innenhof einer Wohnanlage, wo er erneut so heftig auf ihn einstach, daß das Messer nicht unerheblich beschädigt wurde. Der Angeklagte schrie so laut, daß Anwohner der Wohnanlage erwachten. Sie verstanden einzelne Worte, wie z. B. er lasse sich nicht „verarschen“ und „Zechprellerei“. Der Angeklagte ließ schließlich von P. ab und ging in das Lokal zurück. Er wollte seine Jacke holen, entschloß sich dann aber, dort zu stehlen und nahm die gefüllte Bedienungsgeldtasche P. s an sich. Dann verließ er das Lokal, wobei er das Messer, mit dem er P. niedergestochen hatte, auf den Küchenboden warf. P. starb am nächsten Tag an den Stichverletzungen.

b) Am 5. April 2001 bemerkten der Angeklagte und der rechtskräftig abgeurteilte frühere Mitangeklagte A. in einem (anderen) Lokal die gut gefüllte Geldtasche des Wirts. Insbesondere auf Drängen von A. beschlossen sie,
den Wirt zu überfallen und versteckten sich in der Nähe des Lokals. Als der Wirt und ein Begleiter das Lokal verließen, fielen der Angeklagte und A. über sie her, der Angeklagte schlug mit einem Vierkantholz auf sie ein. Der Begleiter ging bewußtlos zu Boden, der Wirt konnte fliehen. Er ließ dabei eine Tüte mit 4.000 DM zurück, die sich der Angeklagte und A. teilten.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Jugendkammer den Angeklagten unter Anwendung von allgemeinem Strafrecht (Erwachsenenstrafrecht ) wie folgt verurteilt: Im ersten Komplex wegen Totschlags zu zehn Jahren Freiheitsstrafe sowie wegen Diebstahls zu 6 Monaten Freiheitsstrafe; im zweiten Komplex wegen schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Aus diesen Strafen hat sie eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren gebildet.
3. Gegen dieses Urteil richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft.
Die uneingeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten führt näher aus, es sei zu Unrecht allgemeines Strafrecht angewendet worden. Sie hat zum Strafausspruch Erfolg. Die Staatsanwaltschaft wendet sich allein dagegen, daß der Angeklagte im ersten Komplex nicht wegen aus Habgier begangenen Mordes verurteilt wurde. Insoweit hat sie keinen Erfolg; das Rechtsmittel führt aber zur Aufhebung der Verurteilung wegen Diebstahls und damit auch der Gesamtstrafe.

II.


Die Revision des Angeklagten:
1. Der Schuldspruch enthält keinen Fehler zum Nachteil des Angeklagten. Näherer Ausführung bedarf nur folgendes:

a) Gegen die Begründung, mit der die Jugendkammer Diebstahl an der Bedienungsgeldtasche bejaht, bestehen allerdings rechtliche Bedenken. Gleichwohl tragen die Feststellungen die Annahme eines Diebstahls.
Die Jugendkammer nimmt an, der niedergestochene P. habe zwar wegen seines Zustandes keinen Gewahrsam an seiner Geldtasche mehr gehabt , der Angeklagte habe jedoch den Mitgewahrsam des abwesenden Lokalinhabers gebrochen.
Ein Angestellter, der allein eine Kasse zu verwalten und über deren Inhalt abzurechnen hat, hat in der Regel Alleingewahrsam am Kasseninhalt (BGH NStZ-RR 2001, 268; BGH, Urteil vom 7. November 2000 - 1 StR 377/00 m.w. N.). Ob für die Geldtasche des allein im Lokal anwesendern Kellners anderes gelten könnte, erscheint fraglich. P. hatte jedoch bis zu seinem Tod Gewahrsam an seiner Habe (BGH NJW 1985, 1911 m.w.N.).

b) Tateinheit (§ 52 StGB) zwischen Totschlag und Diebstahl (vgl. BGHSt 47, 243 m.w.N.) liegt nicht vor. Die Feststellung zum Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte den Vorsatz zur Wegnahme der Bedienungsgeldtasche faßte, beruht nicht auf dem Zweifelssatz, sondern auf der Überzeugung der Jugendkammer.
2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Die Jugendkammer hat auf den zur Tatzeit heranwachsenden Angeklagten allgemeines Strafrecht angewendet. Weder sei der Angeklagte noch einem Jugendlichen gleichzusetzen (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG) noch lägen Jugendverfehlungen vor (§ 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG). Die Revision macht zutreffend geltend, daß die Ablehnung der Anwendung von Jugendstrafrecht nicht rechtsfehlerfrei begründet ist.

a) Gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG ist auf einen Heranwachsenden Jugendstrafrecht anzuwenden, wenn die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand. Das JGG geht bei der Beurteilung des Reifegrades nicht von festen Altersgrenzen aus, sondern es stellt auf eine dynamische Entwicklung des noch jungen Menschen zwischen 18 und 21 Jahren ab. Einem Jugendlichen gleichzustellen ist der noch ungefestigte und prägbare Heranwachsende , bei dem Entwicklungskräfte noch in größerem Umfang wirksam sind. Hat der Angeklagte dagegen bereits die einen jungen Erwachsenen kennzeichnende Ausformung erfahren, dann ist er nicht mehr einem Jugendlichen gleichzustellen und auf ihn ist allgemeines Strafrecht anzuwenden. Dabei steht die Anwendung von Jugendstrafrecht oder allgemeinem Strafrecht nicht im Verhältnis von Regel und Ausnahme; § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG stellt keine Vermutung für die grundsätzliche Anwendung des einen oder anderen Rechts dar. Nur wenn dem Tatrichter, dem bei der Entscheidung dieser Frage ein weites Ermessen eingeräumt ist, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten Zweifel verbleiben, muß er die Sanktionen dem Jugendstrafrecht entnehmen (vgl. Senatsurteil vom 9. August 2001 - 1 StR 211/01 = BGH NJW 2002, 72 ff. m.w.N.).


b) Zur bisherigen Entwicklung des Angeklagten und zu seinem Umfeld hat die Jugendkammer festgestellt:
Die Familie des Angeklagten lebt in einer Unterkunft für „nicht vermittelbare Mieter“. Handgreiflichkeiten sind „an der Tagesordnung“. Im Umfeld herrschen „schwierige soziale Verhältnisse, Kriminalität, Alkoholismus und Drogenkonsum“. Der Angeklagte, „ein wildes, trotziges Kind“, wurde nach drei Monaten Schulzeit „in die Sonderschule für Erziehungsschwierige umgeschult“. Nach mehreren Schulwechseln wurde er mit 16 Jahren von der Schule verwiesen. Darauf steigerte er seinen früh begonnen Konsum von Alkohol und Drogen. Er lebte „nur noch in den Tag hinein“, sämtliche Versuche, ihn zu einer Ausbildung oder einer Arbeit oder auch zum Erwerb des Führerscheins zu veranlassen , scheiterten an seinem Desinteresse. Soweit er nicht von seinem Vater „ausgehalten“ wurde, beging er Straftaten.

c) Aus alledem ergibt sich ohne weiteres, daß allgemeines Strafrecht nicht wegen einer „normalen Reifeentwicklung“ ohne „Auffälligkeiten in der geistigen und sittlichen Entwicklung“ (BGH NStZ 1984, 467 m.w.N.) angewendet worden ist. Die Jugendkammer ist vielmehr nach Beratung durch zwei Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, wegen des beim Angeklagten schon im Vorschulalter einsetzenden Fehlverhaltens und seiner normen- und wertemißachtenden Delinquenz bestünden kaum Chancen einer Nachreifung. „Die Zusammenschau der maßgeblichen Umstände und seiner Delinquenz führt zu dem Schluß, daß die vom Angeklagten ausgehenden Aggressionen auf Störungen beruhen, die bereits bei dem 19 ½ jährigen Angeklagten unbehebbar waren“. Mit dieser Formulierung geht die Jugendkammer ersichtlich davon
aus, daß beim Angeklagten Entwicklungsrückstände vorliegen. Sie nimmt jedoch an, diese Rückstände seien nicht behebbar, so daß die Entwicklung des Angeklagten bei den Taten bereits abgeschlossen war. Nur deshalb stehe er einem Jugendlichen nicht mehr gleich.
d ) Wie der Senat bereits ausgeführt hat (BGH NJW 2002, 72 ff.; ebenso BGH, Urteil vom 6. März 2003 - 4 StR 493/02), ist Jugendstrafrecht auch dann unanwendbar, wenn der Heranwachsende zwar noch einem Jugendlichen gleich steht, er seine Entwicklung aber bereits abgeschlossen hat. Kann nicht mehr erwartet werden, daß er über die erreichte Entwicklungsstufe hinaus gelangt und daß die im Jugendstrafrecht vorgesehenen Rechtsfolgen bei ihm noch wirksam werden können, so ist auf ihn allgemeines Strafrecht anzuwenden. Allerdings ist erfahrungsgemäß eine die Chancen jeder Nachreifung gering achtende, pessimistische Einschätzung völliger Entwicklungsunfähigkeit bereits in der Phase zwischen 18 und 21 Jahren nur ausnahmsweise mit der erforderlichen hohen prognostischen Sicherheit möglich; sie erfordert eine Zusammenschau aller für die gesamte Entwicklung maßgeblichen Umstände und deren eingehende Würdigung. Dem werden die Ausführungen der Jugendkammer nicht in jeder Hinsicht gerecht:
(1) So hat der Sachverständige Dr. L. , dem sich die Jugendkammer (ebenso wie dem Sachverständigen Dr. F. ) in vollem Umfang anschließt , ausgeführt, daß der Angeklagte „eine Reihe guter Möglichkeiten aufweise , die sich im Umgang mit seiner materiellen Umwelt und in deren Handhabung niederschlügen“. Dies ist nicht näher ausgeführt. Die Feststellungen zur Lebensführung des Angeklagten lassen nicht erkennen, daß sich hierin „gute Möglichkeiten“ niederschlagen. Andererseits sprechen „gute Möglichkei-
ten“ eines jungen Menschen hinsichtlich seines Umgangs mit der Umwelt dafür, daß zumindest eine gewisse Aussicht besteht, daß sich diese Möglichkeiten noch realisieren werden. Mit der weittragenden Diagnose unbehebbarer Entwicklungsrückstände erscheint dies jedenfalls ohne nähere Darlegung unvereinbar.
(2) Sind, wie hier, schwerwiegende Gewaltdelikte abzuurteilen, so ist die erforderliche Gesamtwürdigung insbesondere auch auf Erkenntnisse zum Umgang mit Aggression und Gewalt zu erstrecken (Senat aaO, 76).
Hier sind jedoch schon die Feststellungen zu der - auch nur eher pauschal gewürdigten - Delinquenz des Angeklagten nicht klar:
Der Angeklagte wurde zwischen 1997 und 2001 insgesamt sechs Mal vorgeahndet, mehrfach wegen Diebstahls, außerdem wegen Hausfriedensbruchs , Urkundenfälschung, Nötigung und Erwerbs von Betäubungsmitteln. Näheres zu den Taten ist nicht mitgeteilt, es wurden aber nur deutlich unter der Schwelle von Jugendstrafe liegende Maßnahmen nach dem JGG verhängt. Anhaltspunkte für besondere Gewalttätigkeiten ergeben sich aus alledem nicht. Allerdings führt die Jugendkammer aus, der Angeklagte sei viel häufiger und schwerwiegender straffällig geworden, als sich aus den Feststellungen zu den Vorahndungen ergebe; er sei aber „meist nicht erwischt“ worden. Grundsätzlich sind in die in Rede stehende Gesamtwürdigung auch Erkenntnisse über nicht abgeurteilte Straftaten einzubeziehen. Dies kann jedoch nur auf der Grundlage konkreter und tatsächlich klarer Feststellungen geschehen. Daran fehlt es.
(a) Der Angeklagte schloß sich mit etwa 14 Jahren „einer Clique aus mehr als 50 Jugendlichen (an), die ihre Zeit mit Alkohol trinken, Haschisch rauchen und Aggressionen gegenüber anderen Leuten verbrachten“. Der bloße Hinweis auf nicht näher beschriebene Aggressionen aus einer großen Gruppe heraus (vgl. allgemein zu „Gruppendynamik und Jugendstrafrecht“ Hoffmann, StV 2001, 196 ff.) kann jedoch schwerwiegende Gewaltdelinquenz des Angeklagten nicht belegen.
(b) Nach der Schulentlassung verschaffte sich der Angeklagte Geld „durch Kleindealen mit Haschisch, Wohnungs- und Kellereinbrüche und ‚Ablinken ‘ von Geld, Schmuck und Kleidung“. Näheres hierzu ist nicht mitgeteilt. Es bleibt daher unklar, ob sich der Angeklagte Geld, Schmuck und Kleidung eher betrügerisch oder eher gewaltsam beschafft hat. Es macht jedoch offensichtlich (auch) im Hinblick auf die Frage einer möglichen Nachreifung einen erheblichen Unterschied, ob die hier abgeurteilten Taten Teile einer Kette schwerwiegender Raub- oder sonstiger Gewaltdelikte sind, oder ob der Angeklagte bisher vor allem Straftaten begangen hat, die - wie etwa Einbrüche und Rauschgifthandel - zwar nicht leicht wiegen, aber auch nicht von Gewalttätigkeit gekennzeichnet sind.

e) Auch gegen die Ausführungen, mit denen die Jugendkammer das Vorliegen von Jugendverfehlungen (§ 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG) ablehnt, bestehen rechtliche Bedenken. Zwar hat der Tatrichter auch insoweit einen weiten Beurteilungsspielraum (BGH NStZ – RR 1999, 26, 27 m.w.N.) und die bisherigen Feststellungen zu Taten und Täter drängen die Annahme von Jugendverfehlungen jedenfalls nicht auf. Die Jugendkammer beschränkt sich jedoch auf den Hinweis, die Verneinung von Jugendverfehlungen bedürfe keiner näheren Er-
örterung. Dies ermöglicht dem Senat nicht die Überprüfung, ob die Jugendkammer dabei von einem rechtlich zutreffenden Maßstab ausgegangen ist (vgl. zu alledem zusammenfassend BGH StV 2001, 181 f. m.w.N.).
3. Um der neu zur Entscheidung berufenen Jugendkammer einheitliche Feststellungen als Grundlage der neuen Strafzumessung zu ermöglichen, hebt der Senat die der Strafzumessung zugehörigen Feststellungen insgesamt auf. Er bemerkt jedoch, daß die Ausführungen der Jugendkammer zur Schuldfähigkeit des Angeklagten bei den Taten für sich genommen Rechtsfehler nicht erkennen lassen.

III.


Die Revision der Staatsanwaltschaft:
1. Die Staatsanwaltschaft hält die Annahme, der Angeklagte habe sich erst zur Wegnahme der Bedienungsgeldtasche entschlossen, nachdem er P. niedergestochen hatte, für rechtsfehlerhaft. Zur Begründung verweist sie nicht zuletzt auf den Akteninhalt sowie auf Gang und Ergebnis der Hauptverhandlung. Das Revisionsgericht gleicht jedoch weder die Urteilsgründe mit dem Akteninhalt ab, noch rekonstruiert es Gang und Ergebnis der Hauptverhandlung (st. Rspr., vgl. zusammenfassend Wahl, NJW – Sonderheft für G. Schäfer 2002, 73 m.N.). Eine zulässige Verfahrensrüge ist insoweit nicht erhoben. Im übrigen erschöpft sich das Vorbringen in dem Versuch, die Beweiswürdigung der Jugendkammer durch eine eigene zu ersetzen, ohne jedoch Rechtsfehler aufzuzeigen, wie auch der Generalbundesanwalt in der Haupt-
verhandlung vor dem Senat ebenso wie schon in seinem schriftlichen Antrag vom 12. Dezember 2002 zutreffend ausgeführt hat.
2. Die Prüfung weiterer Mordmerkmale war nicht erforderlich.

a) Der Angeklagte glaubte, er sei von P. eingeladen worden, dessen Vorwurf der Zechprellerei versetzte ihn in Wut (I 1 a). Die Beanstandung der Staatsanwaltschaft, trotz einer Zechprellerei sei Verdeckungsmord nicht geprüft worden, geht ins Leere.

b) Wie der Generalbundesanwalt in der Hauptverhandlung vor dem Senat zutreffend ausgeführt hat, war auch eine Erörterung von Heimtücke nicht geboten.
Die Jugendkammer hat festgestellt, daß der Angeklagte vor dem ersten, bereits in Tötungsabsicht gesetzten Stich „das ... Messer ... holte und auf ... P. losging“. Dies legt die Annahme, P. sei bei Beginn dieses Angriffs arglos im Sinne des Mordmerkmals der Heimtücke gewesen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13 und 17 m. zahlr. N.) nicht nahe. Es ist auch nicht erkennbar, worauf sich nach dem Tode P. s noch Feststellungen darüber stützen ließen, wann er die ihm drohende Gefahr erkannte (vgl. BGHSt 33, 363, 365).
3. Es wäre jedoch Diebstahl mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB) zu prüfen gewesen. Der Angeklagte hat das Messer, mit dem er P. erstochen hatte, erst beim Verlassen des Lokals weggeworfen, hatte es also bei dem Diebstahl bei sich. Ein (großes) Küchenmesser fällt an sich unter § 244
Abs. 1 Nr. 1 a StGB (vgl. BGHSt 43, 265, 269; BayObLG NJW 1999, 2535 f.; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 244 Rdn. 3 jew. m.w.N.). Ob es trotz seiner Beschädigungen (vgl. I 1 a) noch funktionsfähig war (vgl. Tröndle/Fischer aaO Rdn. 12 m.w.N.), bedarf tatrichterlicher Prüfung, ebenso die subjektiven Voraussetzungen von § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB (vgl. hierzu BGH NStZ- RR 2003, 12 f. m.N.).
4. Auch unabhängig davon enthält die Strafzumessung wegen des Diebstahls einen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler, da § 243 StGB nicht geprüft ist, obwohl die Voraussetzungen des Regelbeispiels gemäß § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StGB vorliegen. Der schwerverletzte P. war hilflos und konnte deshalb die Wegnahme seiner Bedienungsgeldtasche nicht verhindern. Der Grund der Hilflosigkeit des Opfers ist ohne Bedeutung (Tröndle /Fischer aaO § 243 Rdn. 21). Daher fällt es auch unter das Regelbeispiel, wenn der Täter eine von ihm selbst aus anderen Gründen herbeigeführte Hilflosigkeit des Opfers für einen auf Grund neuen Entschlusses begangenen Diebstahl ausnutzt ( BGH, Beschluß vom 19. Februar 2002 – 1 StR 28/02).
5. Läge bewaffneter Diebstahl vor (vgl. III 3), würde § 243 StGB dahinter zurücktreten (BGHSt 33, 50, 53 m.w.N.). Dies stünde der strafschärfenden Berücksichtigung des Umstandes, daß zugleich ein Hilfloser bestohlen wurde, nicht entgegen (vgl. BGHSt 21, 183, 185; BGH, Beschlüsse vom 19. November 1981 – 4 StR 498/81 und vom 9. März 1977 – 3 StR 512/76); das gesteigerte Unrecht eines bewaffnet begangenen Diebstahls steht in keinem inneren Zusammenhang mit dem ebenfalls gesteigerten Unrecht eines Diebstahls zum Nachteil eines Hilflosen (vgl. auch BGH b. Pfister NStZ - RR 2001, 365 m.N.).
6. Mit der Aufhebung der Verurteilung wegen Diebstahls entfällt die Gesamtstrafe. Ein Einfluß der aufgezeigten Mängel auf die Einzelstrafe wegen des Totschlags ist ausgeschlossen. Da sie auch sonst ohne den Angeklagten begünstigenden Fehler festgesetzt wurde, ist die Revision der Staatsanwaltschaft
(auch) insoweit zu verwerfen. Darauf, daß dieses Rechtsmittel auch zu Gunsten des Angeklagten wirkt (§ 301 StPO), kommt es nicht an, da der Strafausspruch schon auf die Revision des Angeklagten aufzuheben war (BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 - 4 StR 412/02; BGH VRS 50, 369, 370; Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 301 Rdn. 9 jew. m.w.N.).
Nack Wahl Boetticher Schluckebier Kolz

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Die zulässigen Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen stehen sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Beschuldigten zu.

(2) Die Staatsanwaltschaft kann von ihnen auch zugunsten des Beschuldigten Gebrauch machen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 167/08
vom
15. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2008 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 23. Januar 2008 wird im Maßregelausspruch aufgehoben, die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. 2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs sachlich zusammentreffenden Fällen, davon in drei Fällen zugleich mit Anstiftung zur vorsätzlichen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Zugleich hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den teilweisen Vorwegvollzug von drei Jahren und sechs Monaten angeordnet. Das Rechtsmittel, das auf die Anordnung des teilweisen Vorwegvollzugs beschränkt worden ist, führt zum Wegfall der Unterbringungsanordnung (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
I. Die Beschränkung des Rechtsmittels allein auf die Anordnung des teilweisen Vorwegvollzugs der neben der Maßregel verhängten Freiheitsstrafe ist hier unwirksam; es erfasst den gesamten Maßregelausspruch. Die Frage des Vorwegvollzugs kann hier nicht losgelöst von der Frage der Anordnung der Maßregel beurteilt werden, da die Dauer des Vollzugs auch von der Einschätzung der Behandlungsbedürftigkeit abhängt (vgl. BGH, Beschl. vom 18. Dezember 2007 - 3 StR 516/07).
3
II. Die Unterbringungsanordnung kann nicht bestehen bleiben.
4
1. Auch nach Umgestaltung des § 64 Abs. 1 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) in eine „SollVorschrift“ hat der Tatrichter zunächst festzustellen, ob beim Angeklagten ein Hang vorliegt, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muss (vgl. nur BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; Hanack in LK-StGB 11. Aufl. § 64 Rdn. 40). „Im Übermaß“ bedeutet, dass der Täter berauschende Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird (BGH NStZ-RR 2004, 39, 40). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die sachverständig beratene Strafkammer in den Urteilsgründen nicht darzulegen vermocht.
5
Nach den Feststellungen ist der Angeklagte „polytoxikoman“. Seit seinem 14. Lebensjahr soll er Alkohol konsumiert haben und „in Kontakt mit Be- täubungsmitteln“ gewesen sein. Aus „gelegentlichem Haschischkonsum“ habe sich „ein regelmäßiger Konsum dieser Droge“ entwickelt. Mit 18 Jahren habe er „regelmäßig Amphetamine“ konsumiert. „Gelegentlich“ seien auch andere Drogen , „etwa Heroin“, hinzugekommen. Bei seiner Inhaftierung habe er „unter Entzugserscheinungen wie Schweißausbrüchen und Schlafstörungen“ gelitten. Darüber hinaus habe der Angeklagte eine ausgeprägte Leidenschaft zum Spielen an Automaten, die sich als „unmittelbare Folgeerscheinung der Suchtmittelabhängigkeit“ darstelle. Nähere Einzelheiten über das Bestehen des Hangs bei Begehung der einzelnen Taten teilen die Urteilsgründe nicht mit.
6
2. Unabhängig davon ist nicht erkennbar, dass die abgeurteilten Taten Symptomwert für einen Hang des Angeklagten zum Missbrauch berauschender Mittel haben, sich also in ihnen seine hangbedingte Gefährlichkeit äußert, wie dies etwa bei Beschaffungskriminalität typisch ist. Eine solche Annahme liegt hier schon deshalb fern, weil der Angeklagte mit seinem Vater und seinem Bruder eine Vielzahl von gut organisierten Einkaufsfahrten nach V. -- in den Niederlanden getätigt, zur Reduzierung des eigenen Risikos teilweise professionell das Rauschgift über einen Kurier nach Deutschland eingeführt hat, um es dann hier gewinnbringend zu veräußern.

7
3. Der Senat kann ausschließen, dass eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben könnte, die eine den Angeklagten beschwerende Unterbringungsanordnung (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO) rechtfertigen. Er erkennt daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf deren Wegfall (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 354 Rdn. 26f m.w.N.). Nack Boetticher Kolz Elf Sander

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 140/11
vom
15. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Juni
2011, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 25. Oktober 2010, soweit es den Angeklagten K. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Anordnung der Sicherungsverwahrung unterblieben ist,
b) zu Gunsten des Angeklagten hinsichtlich der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie im Strafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den mehrfach und auch einschlägig vorbestraften Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung wendet, hat mit der Sachrüge Erfolg; sie führt zugleich zur Aufhebung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt sowie des Strafausspruchs zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO).

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es am frühen Abend des 17. Mai 2010 zu einem Treffen des Nebenklägers mit der Verlobten des Angeklagten K. in deren Wohnung. Hintergrund waren ausstehende Zahlungen in Höhe von 1.500,- € für vorausgegangene Drogenlieferungen des Nebenklägers , der nicht damit rechnete, dort auf andere Personen zu treffen. Tatsächlich waren außerdem der Angeklagte K. und der Zeuge Ke. anwesend , die beide untereinander verabredet hatten, den Nebenkläger durch Gewalt einzuschüchtern.
3
Nachdem die Verlobte des Angeklagten K. die Tür geöffnet und auf Nachfrage bestätigt hatte, dass sie allein in der Wohnung sei, betrat der Nebenkläger die Wohnung und folgte ihr über den Flur in Richtung Wohnzimmer. Auf der Schwelle zur Wohnstube stand plötzlich der Zeuge Ke. , der ohne Ankündigung dem Nebenkläger einen Schlag ins Gesicht versetzte. Sodann trat der Angeklagte K. hinzu, der ein Messer in der Hand hielt. Der Zeuge Ke. schlug auf Aufforderung des Angeklagten weiter auf den Nebenkläger ein, der versuchte, in Richtung Wohnungstür zu entkommen. Beim Versuch der Flucht wurde der Nebenkläger von dem Angeklagten niedergestochen , der ihm mehrere Messerstiche in Arm, Hüfte und Wade versetzte. Der Nebenkläger, der stark blutete, wurde auf Anweisung des Angeklagten vom Zeugen Ke. notdürftig verbunden und durfte sodann die Wohnung verlassen. Er fuhr zur notfallmäßigen Versorgung selbst ins Krankenhaus. Dort wurden u.a. Schädelprellungen und mehrere offene Wunden an Oberarm, Ober- schenkel, Wade und rechter Hand festgestellt. Die Verletzungen sind, abgesehen von der Stichverletzung am Arm, die zu einer Durchtrennung des Nervs und zu einer andauernden Bewegungseinschränkung der linken Hand geführt hat, komplikationslos verheilt.
4
2. Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StPO) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zugleich hat es die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und zur Begründung ausgeführt, es liege bei dem seit mehr als 25 Jahren drogenabhängigen Angeklagten ein Hang vor, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen; insbesondere das von ihm regelmäßig konsumierte Testosteron erhöhe die Aggressivität des Angeklagten enorm. Es bestehe so die Gefahr, dass er infolge seines Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Der Angeklagte verfüge über Krankheitseinsicht und Therapiemotivation, so dass vorliegend die Unterbringung nach § 64 StGB anzuordnen sei.
5
Von einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat die Kammer abgesehen. Zwar habe der Angeklagte ohne eine erfolgreiche Therapie eine ungünstige Sozialprognose. Es habe bisher jedoch keine Therapieversuche beim krankheitseinsichtigen Angeklagten gegeben, so dass begründete Aussicht bestehe, dass der von ihm ausgehenden Gefahr durch die Anordnung der Maßnahme nach § 64 StGB begegnet werden könne. Gemäß § 72 Abs. 1 StGB sei für eine zusätzliche Anordnung von § 66 StGB kein Raum. Allein die Tatsache, dass zusätzlich auch eine dissoziale Persönlichkeitsstörung vorhanden sei, die ebenfalls eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründe , lasse den Vorrang von § 64 StGB nicht entfallen.

II.

6
Die Nichtanordnung einer Sicherungsverwahrung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand; dies führt zugleich zu Gunsten des Angeklagten zur Aufhebung der Anordnung nach § 64 StGB sowie des Strafausspruchs.
7
1. Eine wirksame Rechtsmittelbeschränkung auf die Frage der Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung sowie den Maßregelausspruch nach § 64 StGB ist entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht erfolgt. Insbesondere die Unterbringung in der Entziehungsanstalt ist regelmäßig nicht losgelöst vom Strafausspruch überprüfbar. Der Hang, i.S.v. § 64 StGB alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, stellt zugleich eine Betäubungsmittelabhängigkeit dar, die – auch wenn sie nicht zu einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit i.S.v. § 21 StGB führt – einen bestimmenden Strafzumessungsgrund darstellt, der Einfluss auf den Strafausspruch hat. Dieser innere Zusammenhang lässt eine gleichwohl erteilte Rechtsmittelbeschränkung unbeachtlich sein.
8
2. Die Begründung, mit der das Landgericht mit Blick auf die von ihm verhängte Maßregel nach § 64 StGB von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die begründete Aussicht allein, dass der vom Angeklagten ausgehenden Gefahr schon durch die Anordnung einer Maßnahme nach § 64 StGB und eine erfolgreiche Therapie begegnet werden könne, rechtfertigt auch angesichts des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gemäß § 72 StGB nicht den Verzicht auf eine zusätzliche Maßnahme nach § 66 StGB.
9
Das Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Unterbringung in der Entziehungsanstalt verlangt vielmehr ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit, dass allein mit der Maßregel nach § 64 StGB die vom Angeklagten ausgehende Gefahr beseitigt werden kann (vgl. BGH NStZ 2009, 442, 443 mwN). Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßregel führen demnach zur kumulativen Anordnung der Maßregeln (BGH NStZ-RR 2008, 336). Die danach für einen Verzicht auf die Anordnung nach § 66 StGB erforderliche Überzeugung lässt sich der landgerichtlichen Entscheidung nicht entnehmen. Hinreichende, das erforderliche Maß an Überzeugung begründende Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte seine vielfältigen Drogenabhängigkeiten mit Hilfe einer Therapie wirksam bekämpfen könne , benennt das Landgericht nicht. Allein der Umstand, dass er sich noch nicht einer Therapie unterzogen hat, reicht hierfür noch nicht aus; hierdurch wird lediglich belegt, dass überhaupt eine Erfolgsaussicht besteht, nicht aber, mit welcher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist.
10
Die zur Entscheidung berufene Kammer wird sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das angesichts der Verfassungswidrigkeit des Rechts der Sicherungsverwahrung deren Anordnung von einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung abhängig macht und dabei in der Regel eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten an konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen verlangt (BVerfG NJW 2011, 1931, 1946), mit dieser Frage erneut befassen müssen. Sie hat dabei unter sachverständiger Hilfe auch zu prüfen, welche Gefahren von der festgestellten dissozialen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten ausgehen und ob und in welchem Umfang diese im Rahmen der angestrebten Therapie gegebenenfalls auch reduziert werden können. Im Hinblick auf die Therapiebereitschaft des Angeklagten und den möglichen Grad der Erfolgsaussicht einer solchen Behandlung könnte bei Annahme der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen im Übrigen auch zu prüfen sein, ob eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung (§ 66a StGB) in Betracht kommt (vgl. BGH NStZ 2007, 464).
11
3. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt zu Gunsten des Angeklagten zur Aufhebung der Anordnung nach § 64 StGB und auch des Strafausspruchs.
12
a) Das Landgericht hat bei seinem Maßregelausspruch nicht hinreichend dargetan, dass die Tat, wegen der der Angeklagte verurteilt worden ist, tatsächlich auf den Hang zurückgeht, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Die Kammer begnügt sich mit dem allgemeinen Hinweis auf eine Äußerung des Sachverständigen, zwischen dem festgestellten Hang, Amphetamine , Crystal und Testosteron zu sich zu nehmen, und "seinen Delikten" sei ein sicherer Zusammenhang anzunehmen. Ob das auch für die jetzt abgeurteilte Tat gilt, stellt das Landgericht nicht ausdrücklich fest. Dies ergibt sich auch nicht ohne Weiteres aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass die Kammer davon ausgeht, dass das am Morgen des Tattags konsumierte 1 Gramm Crystal in seiner Wirkung bereits im Laufe des Nachmittags nachgelassen habe. Darüber hinaus fehlen Ausführungen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise Testosteron, ein Sexualhormon, das im Bodybuilding und im Kraftsport zum Muskelaufbau eingesetzt wird, überhaupt ein "berauschendes Mittel" sein kann, dessen übermäßige Zusichnahme bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zur Anordnung einer Maßnahme nach § 64 StGB berechtigen könnte.
13
b) Auch der Strafausspruch ist nicht frei von Rechtsfehlern zu Lasten des Angeklagten. Die Kammer ist im Rahmen ihrer Entscheidung nach § 64 StGB vom Vorliegen einer Suchterkrankung und auch vom Gegebensein einer Symptomtat ausgegangen. Dass sie darin - insoweit dem Sachverständigen folgend - eine schwere seelische Abartigkeit erkannt hat, die allerdings nicht zu einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit geführt habe, ist zwar nicht zu beanstanden.
14
Wäre die Tat allerdings - wovon das Landgericht ausgegangen ist - Folge einer Betäubungsmittelabhängigkeit, hätte es - auch wenn die Voraussetzungen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit nicht vorgelegen hätten - nahe gelegen, die Suchterkrankung des Angeklagten als bestimmenden Strafzumessungsgrund bei der Festsetzung der Strafe zu berücksichtigen. Insoweit war auch der Strafausspruch aufzuheben, da nicht zu erkennen ist, ob die Kammer diesen Umstand bei ihrer Strafzumessung berücksichtigt hat, und im Übrigen auch nicht auszuschließen ist, dass die Strafe bei möglicher Anordnung von Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre. Der neue Tatrichter erhält so auf der Grundlage aktueller gutachterlicher Einschätzung Gelegenheit , die Rechtsfolgen insgesamt neu festzusetzen. Fischer Appl Berger Krehl Eschelbach

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 25/03
vom
24. Juni 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
zu 2.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Juni
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - für den Angeklagten R. -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten R. gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18. Juli 2002 wird im Fall II. 13. der Urteilsgründe
a) das Verfahren, soweit es diesen Angeklagten betrifft, mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO dahin beschränkt, daß ein Verstoß gegen das Waffengesetz von der Strafverfolgung ausgenommen wird,
b) der Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte R. des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte R. trägt die Kosten seines Rechtsmittels. II. 1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. 2. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft fallen der Staatskasse zur Last. Die den Angeklagten R. und N. insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen tragen sie selbst.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, davon in einem Fall auch in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie (Fall II.13.) unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung eines Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln und unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen Totschläger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.
Den Angeklagten N. hat es wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Im übrigen hat es ihn freigesprochen.

Die Unterbringung der Angeklagten R. und N. in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet.
Gegen das Urteil haben der Angeklagte R. und die Staatsanwaltschaft - zugunsten beider Angeklagten - Revision eingelegt. Sie erheben die Sachbeschwerde.
Die Revision des Angeklagten R. richtet sich insbesondere gegen die Annahme bewaffneten Handeltreibens im Fall II. 13. der Urteilsgründe und rügt Unklarheiten in der Bezeichnung des mitgeführten Gegenstandes.
Die Staatsanwaltschaft beanstandet die Anordnung der Unterbringung beider Angeklagten in einer Entziehungsanstalt als rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht den erforderlichen Hang, Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht positiv festgestellt, sondern den Zweifelssatz angewendet habe, indem es von den nicht zu widerlegenden Angaben der Angeklagten zu ihrem Drogenkonsum ausgegangen sei.
I. Die Revision des Angeklagten R.
Sie hat nur in geringem Umfang Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zum Fall II. 13. erwarb der Angeklagte R. in den Niederlanden 853 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 611,64 g Kokainhydrochlorid sowie 2.333 g Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 256,63 g Amphetaminbase und führte die Drogen über die deutsche Grenze ein. Sie waren im wesentlichen zum gewinnbringenden Wei-
terverkauf bestimmt. Nur ein geringer Teil des Kokains sollte dem Eigenkon- sum dienen. Bei der Fahrt führte der Angeklagte in dem zum Drogentransport benutzten Pkw einen Teleskopschlagstock mit, der teils in den Urteilsgründen auch als Teleskoptotschläger bezeichnet wird. Nach der Rückkehr wurde der Angeklagte kurz vor seiner Wohnung festgenommen. Die Betäubungsmittel befanden sich im Fußraum der Beifahrerseite. Der Teleskopschlagstock nebst Fahrzeugschein für den gesteuerten Pkw sowie ein Handy mit drei Handykarten wurden in einem Rucksack im Kofferraum aufgefunden und sichergestellt. Der Angeklagte hatte den Teleskopschlagstock auf die Drogenbeschaffungsfahrt mitgenommen, um bei etwaigen Problemen sich dessen bedienen und die Betäubungsmittel verteidigen zu können. Das Landgericht bewertet den mitgeführten Gegenstand als Totschläger im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 53 Abs. 3 Nr. 3 WaffG aF. Es hat für die Tat 13 eine Einzelstrafe von sechs Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verhängt.
2. Der Schuldspruch war in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang abzuändern. Die Änderung des Schuldspruchs hat keinen Einfluß auf den Rechtsfolgenausspruch. Im übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

a) Die unerlaubte Einfuhr der Betäubungsmittel bei der Tat 13 würdigt das Landgericht als eine solche im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, wie sich aus den Urteilsgründen ergibt. Diese Einfuhr ist aber ein unselbständiger Teilakt des bewaffneten Handeltreibens, wenn sie - wie hier - im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes erfolgt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG: "wer... ohne Handel zu treiben, einführt ...." (BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02; BGH NStZ-RR 2000, 91). Der tateinheitliche Schuldspruch hatte insoweit zu entfallen.

b) Die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Der vom Angeklagten R. im Pkw mitgeführte Gegenstand war - auch unter Berücksichtigung der Unklarheiten in der Bezeichnung - zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt, ohne daß es einer ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedurfte. Sowohl bei einem Totschläger als auch bei einem Schlagstock handelt es sich um eine Waffe im technischen Sinn, nämlich eine Hieb- und Stoßwaffe gemäß § 1 Abs. 7 Satz 1 WaffG aF (Steindorf , Waffenrecht 7. Aufl. § 1 WaffG Rdn. 38). Hieb- und Stoßwaffen fallen auch nach dem WaffRNeuRegG vom 11. Oktober 2002, in Kraft seit dem 1. April 2003, unter den Waffenbegriff gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 WaffG nF i.V.m. Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 2, tragbare Gegenstände 1.1. Es liegt auf der Hand, daß derartige Gegenstände ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und vom Täter auch dazu bestimmt sind (BGHSt 43, 266, 269; BGH, Urteil vom 20. Juni 2000 - 2 StR 123/00 (Teleskopschlagstock); Weber, BtMG 2. Aufl. § 30a Rdn. 167).
Ein Mitsichführen ist gegeben, wenn der Täter den betreffenden Gegenstand bei der Tat bewußt gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, daß er sich seiner jederzeit bedienen kann. Ein Verwendungsvorsatz für die konkrete Tat ist entgegen der Auffassung der Revision nicht erforderlich (BGHSt 43, 8, 14; BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Gegenstand 1 und 2).
An diesem Maßstab gemessen, hat der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts die Waffe jedenfalls während einer bestimmten Phase des Handeltreibens - bei seiner Rückkehr und Festnahme - im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich geführt. Auf die weitergehenden Schlußfolgerungen
des Landgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung kommt es nicht an. Jederzeit griffbereit war die Waffe für den Angeklagten auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sie sich im Kofferraum des Pkw's befand, während die Betäubungsmittel im Fußraum der Beifahrerseite lagerten. Der qualifikationsspezifische Gefahrenzusammenhang zwischen Bewaffnung und Handeltreiben ist objektiv gegeben, wenn der Täter im Pkw gleichzeitig die Waffe sowie die Betäubungsmittel aufbewahrt und sich damit auf einer Drogenverkaufsfahrt oder - wie hier - auf einer Drogenbeschaffungsfahrt befindet (BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 2 und 5; Franke/Wienroeder, BtMG 2. Aufl. § 30a Rdn. 20). Bei Bedarf konnte der Angeklagte R. ohne nennenswerten Zeitaufwand auf die Waffe zugreifen.
Das Bewußtsein der Verfügbarkeit bedurfte hier angesichts der Tatsache , daß es sich um eine Waffe im technischen Sinne handelt und der Angeklagte diese gemeinsam mit dem Fahrzeugschein für den gesteuerten Pkw verstaut hatte, weder näherer Prüfung noch Darlegung (BGHSt 43, 8, 14). Danach kann entgegen der Auffassung der Revision von einem Transport "bei Gelegenheit" keine Rede sein.

c) Wegen der Unklarheiten in der Bezeichnung des mitgeführten Gegenstandes wurde ein Verstoß gegen das Waffengesetz gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung ausgenommen. Ein Schlagstock ist kein Totschläger (Steindorf, aaO § 37 WaffG Rdn. 15). Die Beschränkung des Verfahrens hatte den Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen Totschläger zur Folge.

d) Von der Änderung des Schuldspruchs bleiben der Ausspruch über die Einzelstrafe für den Fall II.13. und auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe
unberührt. Soweit die Einfuhr als Teilakt des Handeltreibens bewertet wird, ändert sich dadurch das Tatunrecht nicht (BGH, Beschluß vom 23. Mai 2000 - 1 StR 200/00 - und Beschluß vom 11. März 2003 - 1 StR 50/03). Das weggefallene Waffendelikt hat das Landgericht bei der Zumessung der Einzel- und der Gesamtstrafe nicht strafschärfend berücksichtigt.
II. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft
1. Sie sind nicht ausdrücklich beschränkt. Eine Beschränkung allein auf die Maßregelanordnung gemäß § 64 StPO, deren Aufhebung beantragt wird, wäre insoweit unwirksam, als diese nach den Urteilsgründen bei beiden Angeklagten Einfluß auf die Strafzumessung genommen hat (BGHSt 38, 362, 365). Unter Berücksichtigung der Angriffsrichtung ist dem Revisionsvorbringen jedoch eine zulässige Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch zu entnehmen (BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 13). Diese Beschränkung führt dazu, daß auf die Revision der Staatsanwaltschaft keine Schuldspruchänderung zugunsten des Angeklagten R. auszusprechen war.
2. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg. Sie wurden zugunsten der Angeklagten R. und N. eingelegt, denn die Maßregelanordnung beschwert die Angeklagten (BGHSt 38, 4, 7; BGHR StGB § 64 Ablehnung 1). Die angeordnete Unterbringung beider Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach den Urteilsfeststellungen haben die Angeklagten in der Hauptverhandlung Angaben zu ihrem Drogenkonsum gemacht, die das Landgericht als "letztlich nicht zu widerlegen" bezeichnet hat. Diese Formulierung - isoliert ge-
sehen - könnte zwar besorgen lassen, daß das Landgericht einen Hang der Angeklagten, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen als Grundlage der Taten nicht positiv festgestellt habe. Eine solche positive Feststellung ist aber Voraussetzung für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (BGH NStZ-RR 2001, 295; BGH, Beschluß vom 6. November 2002 - 1 StR 382/02). Die Beweiswürdigung zum Hang in ihrer Gesamtheit läßt jedoch mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, daß das Landgericht - trotz mißverständlicher Formulierung - den Zweifelssatz nicht in seine Überzeugungsbildung einbezogen hat, sondern von der Richtigkeit der Angaben der Angeklagten zu ihrem Drogenkonsum ausgegangen ist (UA S. 238 bis 243 R. , 249 bis 250 N. ). Diese Überzeugung des Landgerichts ist revisionsrechtlich hinzunehmen, auch wenn die Annahme eines Hanges hier nicht nahegelegen hat.
Die Nachprüfung des Rechtsfolgenausspruchs im übrigen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
3. Die durch die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft den Angeklagten R. und N. erwachsenen notwendigen Auslagen tragen diese gemäß § 473 Abs. 1 und 2 StPO selbst, weil die zu ihren Gunsten eingelegten Rechtsmittel erfolglos blieben (Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 473 Rdn. 16).
Nack Boetticher Schluckebier
Hebenstreit Elf

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 451/03
vom
6. November 2003
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2003 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge-
richts Mannheim vom 3. Juni 2003 wird mit der Maßgabe
verworfen, daß die Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt entfällt.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem
Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte wurde wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Außerdem wurde er in einer Entziehungsanstalt untergebracht (§ 64 StGB) und zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an den Geschädigten verurteilt. Der Verurteilung liegt folgendes zu Grunde: R. L. hatte den Angeklagten gegenüber der Polizei verdächtigt, am 30. Juli 2002 ihre Scheckkarte entwendet zu haben. Die Polizei fand die Scheckkarte bei ihm, außerdem hatte er kurz nach dem Verschwinden der Scheckkarte damit Geld vom Konto der R. L. abgehoben. Der Angeklagte forderte seinen Bekannten W. S. , den Freund der R. L. auf, diese zur Rücknahme der Anzeige zu bewegen. S. wei-
gerte sich jedoch. Aus Ärger hierüber drang der Angeklagte am 8. August 2002 in angetrunkenem Zustand gewaltsam in die im vierten Stock gelegene Wohnung S. s ein, zog den ebenfalls angetrunkenen, ihm körperlich unterlegenen S. gewaltsam aus dem Bett und warf ihn schließlich aus dem Fenster aus über zehn Meter Höhe in den Garten. S, wurde schwer verletzt und überlebte nur dank glücklicher Umstände.

II.

Die auf mehrere Verfahrensrügen und die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zum Wegfall der Unterbringungsanordnung (§ 349 Abs. 4 StPO), bleibt aber im übrigen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO). 1. Hinsichtlich der Verfahrensrügen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts Bezug. 2. Hinsichtlich des Schuldspruchs, des Strafausspruchs und des Schmerzensgeldes hat die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. 3. Die Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt liegen dagegen nicht vor.
a) Der Angeklagte trinkt seit etwa 20 Jahren, zwar zunehmend, aber nach wie vor nur „gelegentlich Alkohol im Übermaß“. Er hat ein „sich anbahnendes Alkoholproblem“. Der sich daraus ergebende Hang zeige sich „andeutungsweise“ auch schon in den Taten, die früheren Verurteilungen zu Grunde liegen. Die – zahlreichen – früheren Taten sind detailliert mitgeteilt, ein Zusammenhang mit Alkohol ist jedoch nur vereinzelt er-
sichtlich. Letztmals war der Angeklagte danach bei einem 1994 began- genen Einbruch in ein Büro angetrunken, die letzte Vorstrafe überhaupt (30 Tagessätze wegen Diebstahls einer Klingelanlage) erfolgte 1998.
b) Die Annahme, ein Alkoholproblem bahne sich erst an, erscheint mit der Annahme, ein Hang zu Alkoholmissbrauch zeige sich auch an Taten, die schon etliche Jahre zurück liegen, nicht ohne weiteres vereinbar. Der Senat braucht dem aber nicht näher nachzugehen. Ein Hang im Sinne des § 64 StGB liegt nämlich nur vor, wenn entweder eine chronische , auf Sucht beruhende körperliche Abhängigkeit gegeben ist, oder wenn zwar noch keine körperliche Abhängigkeit besteht, jedoch eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Alkohol (oder andere berauschende Mittel) zu konsumieren (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 4, 5; BGH b. Detter NStZ 2003, 133, 138; Hanack in LK 11. Aufl. § 64 Rdn. 40 jew. m.w.N.) Für all dies fehlen jedoch Anhaltspunkte.
c) Hinzukommen müßte außerdem, daß der Angeklagte die Rauschmittel „im Übermaß“ konsumiert. Dies bedeutet, daß er sie in einem solchen Umfang zu sich nimmt, daß seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird (BGH b. Detter aaO; Körner BtMG 5. Aufl. § 35 Rdn. 297; Hanack aaO Rdn. 44 m.w.N. in Fußn. 12). Die Strafkammer stellt demgegenüber ausdrücklich fest, daß der Angeklagte „gesund“ und „uneingeschränkt arbeitsfähig“ ist.
d) Nach alledem ist für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt kein Raum. Gelegentliches Sich-Betrinken in Verbindung mit Straffälligkeit im Rausch genügt hierfür nicht (BGH, Beschluß
vom 15. Oktober 1996 – 1 StR 591/96; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 1 m.w.N.). 4. Unter den hier gegebenen Umständen kann der Senat ausschließen, daß eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben könnte, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen würden. Er erkennt daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf den Wegfall der Unterbringungsanordnung (vgl. BGH, Beschluß vom 26. Februar 2003 – 1 StR 7/03; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 354 Rdn. 32 m.w.N.).

III.

Trotz dieses Teilerfolges der Revision hält es der Senat nicht für unbillig, den Angeklagten mit den vollen Rechtsmittelkosten zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Es ist nämlich nicht erkennbar, daß der Angeklagte das Urteil nicht angefochten hätte, wenn von einer Unterbringung abgesehen worden wäre ( BGH aaO; BGH NStZ-RR 1998, 70 m.w.N.). Der Angeklagte hat die Tat in der Hauptverhandlung bestritten. Mit seinen Verfahrensrügen hat er unter anderem geltend gemacht, sein früheres Geständnis sei unverwertbar gewesen und die Feststellung, daß eine Zeugin das Tatgeschehen beobachtet hat, sei nicht rechtsfehlerfrei getroffen worden. Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf