Bundesgerichtshof Beschluss, 14. März 2018 - XII ZB 503/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:140318BXIIZB503.17.0
bei uns veröffentlicht am14.03.2018
vorgehend
Amtsgericht Amberg, 3 XVII 146/17, 21.06.2017
Landgericht Amberg, 32 T 635/17, 04.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 503/17
vom
14. März 2018
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ist in einem Betreuungsverfahren der Betroffene in erster Instanz verfahrensfehlerhaft
nur im Wege der Rechtshilfe angehört worden, hat das Beschwerdegericht
auch bei einem auf die Auswahl des Betreuers beschränkten Rechtsmittel
die persönliche Anhörung nachzuholen.
BGH, Beschluss vom 14. März 2018 - XII ZB 503/17 - LG Amberg
AG Amberg
ECLI:DE:BGH:2018:140318BXIIZB503.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Amberg vom 4. September 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Wert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Für die 1926 geborene Betroffene, die an Demenz leidet, ist im vorliegenden Verfahren eine rechtliche Betreuung angeordnet worden.
2
Bezüglich des Aufgabenkreises Gesundheitssorge sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern einschließlich des jeweiligen Postverkehrs ist die Beteiligte zu 4, eine Enkelin der Betroffenen, zur Betreuerin bestellt worden. Zum Ersatzbetreuer ist insoweit der Beteiligte zu 2, ebenfalls ein Enkel der Betroffenen, bestellt worden. Für die Vermögenssorge, die Aufenthaltsbestimmung verbunden mit Entscheidungen über Wohnungsangelegenheiten und Abschluss von Heimverträgen sowie den entsprechenden Postverkehr ist der Beteiligte zu 5 als Berufsbetreuer bestellt worden.
3
Der Beteiligte zu 2 hat gegen die amtsgerichtliche Entscheidung Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, zum alleinigen Betreuer bestellt zu werden. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
5
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Auswahl des Beteiligten zu 5 als Berufsbetreuer nicht zu beanstanden sei. Die Wahl eines Berufsbetreuers sei zwar nach § 1897 Abs. 6 BGB subsidiär. Die Bestimmung des § 1908 b Abs. 1 Satz 3 BGB zwinge aber gleichwohl nicht dazu , einen berufsmäßigen Betreuer zu entlassen, wenn eine ehrenamtlich tätige Person zur Übernahme der Betreuung bereit sei. Maßstab für die Entlassung eines Betreuers sei, ob sie dem Wohl des Betreuten entspreche. Ein Wechsel des Betreuers zum jetzigen Zeitpunkt wäre dem Wohl der Betroffenen sachlich abträglich. Aufgrund der problematischen familiären Konstellation könne das Wohl der Betroffenen derzeit nur mit dieser Betreuerbestellung gewahrt werden, was sich insbesondere aus den Stellungnahmen des Verfahrenspflegers ergebe. Die Aufenthaltsbestimmung könne aufgrund der kontroversen Positionen der Beteiligten allein durch einen Berufsbetreuer erfolgen.
6
Von einer erneuten Anhörung der erstinstanzlich im Wege der Rechtshilfe angehörten Betroffenen in der Beschwerdeinstanz seien keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten.
7
2. Das hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
8
Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht als verfahrensfehlerhaft, dass das Landgericht von einer erneuten Anhörung der Betroffenen gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen hat.
9
a) Nach der Rechtsprechung des Senats räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht zwar die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen, etwa wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtlichen Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerdegericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt. Im Beschwerdeverfahren kann allerdings unter anderem nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat. In diesem Fall muss das Beschwerdegericht, vorbehaltlich der Möglichkeiten nach § 69 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG, den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen (Senatsbeschlüsse vom 2. März 2011 – XII ZB 346/10 – FamRZ 2011, 805 Rn. 13 f. und vom 9. November 2011 – XII ZB 286/11 – FamRZ 2012, 104 Rn. 23 f.).
10
b) Bei einer Erstbestellung eines Betreuers ist nach § 278 Abs. 1 FamFG die persönliche Anhörung des Betroffenen grundsätzlich durch den erkennenden Richter durchzuführen. Gemäß § 278 Abs. 3 FamFG darf die persönliche Anhörung nur dann im Wege der Rechtshilfe erfolgen, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung ohne eigenen Eindruck von dem Betroffenen getroffen werden kann, was auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt. Ordnet das Betreuungsgericht abweichend von dem in § 278 Abs. 3 FamFG niedergelegten Grundsatz eine Anhörung im Wege der Rechtshilfe an, so bedarf dies besonderer Gründe, aus denen sich ergibt, dass eine persönliche Anhörung nicht erforderlich war (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Juni 2016 – XII ZB 48/16 – FamRZ 2016, 1667 Rn. 7 mwN).
11
c) Nach diesen Grundsätzen hätte im vorliegenden Fall eine persönliche Anhörung der Betroffenen durch die Beschwerdekammer schon deshalb erfolgen müssen, weil dem amtsgerichtlichen Beschluss keine Gründe für eine Anhörung im Wege der Rechtshilfe zu entnehmen sind. Solche Gründe ergeben sich auch nicht aus den weiteren Umständen. Aus dem Anhörungsprotokoll selbst folgt vielmehr, dass die Betroffene Angaben auch zum Beteiligten zu 2 machte, was schon für die Auswahl des Betreuers bedeutsam war und einen persönlichen Eindruck von der Betroffenen erforderte. Daher war das Landgericht der Pflicht zur eigenen Anhörung der Betroffenen auch nicht etwa deswegen enthoben, weil sich das Rechtsmittel allein auf die Auswahl des Betreuers beschränkt hat (zur Zulässigkeit der Beschränkung vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juli 2017 – XII ZB 390/16 – FamRZ 2017, 1779 Rn. 5).
12
3. Da die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruht, ist sie aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
13
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Landgericht die hier erforderliche persönliche Anhörung sämtlicher Beteiligten nachzuholen hat. Bei der Frage der Auswahl des Betreuers, die nach § 1897 BGB und nicht, wie vom Landgericht angenommen, nach § 1908 b BGB zu beurteilen ist (Senatsbeschluss vom 14. Februar 2018 – XII ZB 507/17 – zur Veröffentlichung bestimmt), wird das Landgericht die nach der Rechtsprechung des Senats zu stellenden Anforderungen zu beachten haben (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juli 2017 – XII ZB 390/16 – FamRZ 2017, 1779 Rn. 11 ff. mwN). Die im angefochtenen Beschluss enthaltene Begründung entspricht diesen Anforderungen , wie die Rechtsbeschwerde mit Recht rügt, weder im Hinblick auf die Bestellung eines Berufsbetreuers noch bezüglich der Rangfolge der Beteiligten zu 2 und 4, für die jegliche Begründung fehlt.
14
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG). Dose Klinkhammer Günter Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Amberg, Entscheidung vom 21.06.2017 - 3 XVII 146/17 -
LG Amberg, Entscheidung vom 04.09.2017 - 32 T 635/17 -

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(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(1) Das Beschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden. Es darf die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens nur dann an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverweisen, wenn dieses in der Sache noch nicht entschieden hat. Das Gleiche gilt, soweit das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und zur Entscheidung eine umfangreiche oder aufwändige Beweiserhebung notwendig wäre und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt. Das Gericht des ersten Rechtszugs hat die rechtliche Beurteilung, die das Beschwerdegericht der Aufhebung zugrunde gelegt hat, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist zu begründen.

(3) Für die Beschwerdeentscheidung gelten im Übrigen die Vorschriften über den Beschluss im ersten Rechtszug entsprechend.

13
§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG räumt auch in einem Unterbringungsverfahren dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen, etwa wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerdegericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt (Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 68 Rn. 59; Müther in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 68 Rn. 16; BGHZ 184, 323, 329 = FGPrax 2010, 154 Rn. 13; vgl. auch Senatsbeschluss vom 11. August 2010 - XII ZB 138/10 - BtPrax 2010, 278 Rn. 6). Macht das Be- schwerdegericht von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss es in seiner Entscheidung die Gründe hierfür in nachprüfbarer Weise darlegen (Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 68 Rn. 59; Müther in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 68 Rn. 16; Gutjahr in BeckOK FamFG § 68 Rn. 44; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2000, 494, 495 zu §§ 69 i Abs. 6, 69 g Abs. 5 Satz 1, 68 Abs. 1 FGG).
23
aa) Gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann das Beschwerdegericht zwar von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (Senatsbeschlüsse vom 11. August 2010 - XII ZB 171/10 - FamRZ 2010, 1650 Rn. 7 und vom 2. März 2011 - XII ZB 346/10 - FamRZ 2011, 805 Rn. 12 f.).
7
Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei einer Erstbestellung eines Betreuers die Anhörung des Betroffenen durch den erkennenden Richter grundsätzlich erforderlich. Die Notwendigkeit einer solchen Anhörung ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 278 Abs. 3 FamFG. Danach darf die persönliche Anhörung nur dann im Wege der Rechtshilfe erfolgen, wenn anzu- nehmen ist, dass die Entscheidung ohne eigenen Eindruck von dem Betroffenen getroffen werden kann, was auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt (Senatsbeschluss vom 16. März 2011 - XII ZB 601/10 - FamRZ 2011, 880 Rn. 19 mwN; vgl. zur Unterbringung Senatsbeschluss vom 2. März 2016 - XII ZB 258/15 - FamRZ 2016, 804 Rn. 12 f.). Die grundsätzliche Notwendigkeit der persönlichen Anhörung durch den erkennenden Richter besteht nach § 295 Abs. 1 Satz 1 FamFG auch im Verfahren über die Verlängerung der Betreuung. Ordnet das Betreuungsgericht abweichend von dem in § 278 Abs. 3 FamFG niedergelegten Grundsatz eine Anhörung im Wege der Rechtshilfe an, so bedarf dies besonderer Gründe, aus denen sich ergibt, dass eine persönliche Anhörung nicht erforderlich war (vgl. Senatsbeschluss vom 2. März 2016 - XII ZB 258/15 - FamRZ 2016, 804 Rn. 14).
5
Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf die Auswahl des Betreuers ist zulässig (vgl. Senatsbeschluss vom 26. April 2017 - XII ZB 100/17 - MDR 2017, 720 Rn. 12 mwN). Auch wenn die Beschränkung im Verfahren über die Verlängerung einer bestehenden Betreuung nach § 295 FamFG erfolgt, ist gegen die Beschwerdeentscheidung die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthaft (Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 7 ff.).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 507/17
vom
14. Februar 2018
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ist im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Verlängerung einer bereits
bestehenden Betreuung über einen Betreuerwechsel zu befinden, richtet
sich die Auswahl der Person des Betreuers nicht nach § 1908 b Abs. 3 BGB,
sondern nach der für die Neubestellung eines Betreuers maßgeblichen Vorschrift
des § 1897 BGB (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. September
2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897).
BGH, Beschluss vom 14. Februar 2018 - XII ZB 507/17 - LG Zwickau
AG Zwickau
ECLI:DE:BGH:2018:140218BXIIZB507.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Februar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Zwickau vom 23. August 2017 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 11. September 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

1
Für die 1991 geborene und an einem Down-Syndrom (Trisomie 21) leidende Betroffene wurde erstmals durch Beschluss vom 31. März 2010 eine rechtliche Betreuung eingerichtet. Gleichzeitig wurden ihre Mutter (Beteiligte zu
1) und ihr Vater (Beteiligter zu 2) zu Mitbetreuern mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge , Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten , Postkontrolle, Geltendmachung von Ansprüchen aller Art sowie Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, in heim- und pflegerechtlichen Angelegenheiten und in Angelegenheiten der beruflichen Rehabilitation bestellt.
2
Nach Einholung eines ärztlichen Zeugnisses und nach Anhörung der Betroffenen hat das Amtsgericht die Betreuung verlängert, die Überprüfungsfrist auf sieben Jahre bestimmt und den Vater als (Mit-)Betreuer entlassen. Auf die gegen seine Entlassung als Betreuer gerichtete Beschwerde des Vaters hat das Landgericht die amtsgerichtliche Entscheidung insoweit aufgehoben.
3
Hiergegen wendet sich die Mutter mit ihrer Rechtsbeschwerde, die weiterhin das Ziel verfolgt, alleinige Betreuerin der Betroffenen zu werden.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass kein wichtiger Grund im Sinne von § 1908 b BGB für die Entlassung des Vaters als Mitbetreuer vorliege. Die Entlassung eines Betreuers komme dann in Betracht, wenn dessen Eignung nicht mehr gewährleistet sei, weil etwa die Sachkenntnis fehle oder Pflichten missachtet worden seien. Allein auf den Umstand, dass der Vater nunmehr von der Mutter getrennt lebe und aus der Familienwohnung ausgezogen sei, könne die Entlassung daher nicht gestützt werden. Soweit der Vater einen Bericht über die Führung der Betreuung nicht (mit-)unterzeichnet habe, sei dies vom Gericht seinerzeit nur gegenüber der Mutter beanstandet worden. Es sei nicht festgestellt worden, warum der Vater seiner Berichtspflicht nicht nachgekommen sei und ob ihn entsprechende Aufforderungen nach seinem Wohnsitzwechsel überhaupt erreicht hätten. Zudem sei dem Vater kein rechtliches Gehör zu seiner Entlassung gewährt worden.
6
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass die Frage der Auswahl des Betreuers im Zusammenhang mit der Verlängerung einer Betreuung nicht am Maßstab des § 1908 b Abs. 1 BGB zu beantworten ist, wie dies die Instanzengerichte meinen.
7
a) Wie der Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat, regelt § 1908 b Abs. 1 BGB zwar die Voraussetzungen, unter denen die Entlassung eines Betreuers erfolgen kann. Die Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Fälle , in denen bei fortbestehender Betreuung eine isolierte Entscheidung über die Beendigung des Amtes des bisherigen Betreuers getroffen werden soll. Ist dagegen im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Verlängerung einer bereits bestehenden Betreuung über einen Betreuerwechsel zu befinden, richtet sich die Auswahl der Person des Betreuers nach der für die Neubestellung eines Betreuers maßgeblichen Vorschrift des § 1897 BGB. Dies folgt aus dem Rechtscharakter der Verlängerungsentscheidung als erneute vollständige Einheitsentscheidung über die Betreuung und ergibt sich aus § 295 Abs. 1 Satz 1 FamFG, nach dem für die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers die Verfahrensvorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahme entsprechend gelten (Senatsbeschlüsse vom 19. Juli 2017 - XII ZB 57/17 - FamRZ 2017, 1612 Rn. 14 mwN und vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 17 mwN).
8
b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf diesem Rechtsfehler , denn das Beschwerdegericht hat sich - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht die Frage gestellt, inwieweit es bei der Auswahl des Betreuers an die Wünsche der Betroffenen (§ 1897 Abs. 4 BGB) gebunden ist.
9
Die Betroffene hat bei ihrer Anhörung durch das Amtsgericht am 28. Juni 2017 ausweislich des Anhörungsprotokolls angegeben, sie sei "damit einver- standen, dass ihr Vater als Betreuer entlassen" werde. Das Beschwerdegericht wird durch eigene Anhörung der Betroffenen zu klären haben, ob danach der Wunsch der Betroffenen besteht, allein durch die Mutter (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB) oder jedenfalls nicht mehr durch den Vater (§ 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB) betreut zu werden. Sofern die Betroffene keinen dahingehenden Vorschlag äußern sollte, wird sich das Beschwerdegericht unter verständiger Würdigung der Interessen und des Wohls der Betroffenen wie bei einer Erstentscheidung auch damit auseinanderzusetzen haben, ob die Angelegenheiten der Betroffenen bei einer gemeinsamen Betreuung durch ihre Eltern im Sinne des § 1899 Abs. 1 BGB besser besorgt werden können, was einerseits dem Leitbild einer an die gemeinsame elterliche Sorge anschließenden gemeinsamen Betreuung eines volljährig gewordenen geistig behinderten Kindes durch beide Eltern entspricht (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 130), andererseits aber bei erheblichen persönlichen Spannungen zwischen den Eltern nicht ohne weiteres der Fall ist (vgl. OLG Zweibrücken NJW-RR 2002, 292, 293).
10
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen. Dose Schilling Nedden-Boeger Botur Krüger
Vorinstanzen:
AG Zwickau, Entscheidung vom 28.06.2017 - 12 XVII 633/09 -
LG Zwickau, Entscheidung vom 23.08.2017 - 9 T 193/17 -
5
Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf die Auswahl des Betreuers ist zulässig (vgl. Senatsbeschluss vom 26. April 2017 - XII ZB 100/17 - MDR 2017, 720 Rn. 12 mwN). Auch wenn die Beschränkung im Verfahren über die Verlängerung einer bestehenden Betreuung nach § 295 FamFG erfolgt, ist gegen die Beschwerdeentscheidung die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthaft (Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 7 ff.).

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.