Bundesgerichtshof Beschluss, 14. März 2018 - XII ZB 503/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Für die 1926 geborene Betroffene, die an Demenz leidet, ist im vorliegenden Verfahren eine rechtliche Betreuung angeordnet worden.
- 2
- Bezüglich des Aufgabenkreises Gesundheitssorge sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern einschließlich des jeweiligen Postverkehrs ist die Beteiligte zu 4, eine Enkelin der Betroffenen, zur Betreuerin bestellt worden. Zum Ersatzbetreuer ist insoweit der Beteiligte zu 2, ebenfalls ein Enkel der Betroffenen, bestellt worden. Für die Vermögenssorge, die Aufenthaltsbestimmung verbunden mit Entscheidungen über Wohnungsangelegenheiten und Abschluss von Heimverträgen sowie den entsprechenden Postverkehr ist der Beteiligte zu 5 als Berufsbetreuer bestellt worden.
- 3
- Der Beteiligte zu 2 hat gegen die amtsgerichtliche Entscheidung Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, zum alleinigen Betreuer bestellt zu werden. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
- 5
- 1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Auswahl des Beteiligten zu 5 als Berufsbetreuer nicht zu beanstanden sei. Die Wahl eines Berufsbetreuers sei zwar nach § 1897 Abs. 6 BGB subsidiär. Die Bestimmung des § 1908 b Abs. 1 Satz 3 BGB zwinge aber gleichwohl nicht dazu , einen berufsmäßigen Betreuer zu entlassen, wenn eine ehrenamtlich tätige Person zur Übernahme der Betreuung bereit sei. Maßstab für die Entlassung eines Betreuers sei, ob sie dem Wohl des Betreuten entspreche. Ein Wechsel des Betreuers zum jetzigen Zeitpunkt wäre dem Wohl der Betroffenen sachlich abträglich. Aufgrund der problematischen familiären Konstellation könne das Wohl der Betroffenen derzeit nur mit dieser Betreuerbestellung gewahrt werden, was sich insbesondere aus den Stellungnahmen des Verfahrenspflegers ergebe. Die Aufenthaltsbestimmung könne aufgrund der kontroversen Positionen der Beteiligten allein durch einen Berufsbetreuer erfolgen.
- 6
- Von einer erneuten Anhörung der erstinstanzlich im Wege der Rechtshilfe angehörten Betroffenen in der Beschwerdeinstanz seien keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten.
- 7
- 2. Das hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
- 8
- Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht als verfahrensfehlerhaft, dass das Landgericht von einer erneuten Anhörung der Betroffenen gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen hat.
- 9
- a) Nach der Rechtsprechung des Senats räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht zwar die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen, etwa wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtlichen Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerdegericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt. Im Beschwerdeverfahren kann allerdings unter anderem nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat. In diesem Fall muss das Beschwerdegericht, vorbehaltlich der Möglichkeiten nach § 69 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG, den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen (Senatsbeschlüsse vom 2. März 2011 – XII ZB 346/10 – FamRZ 2011, 805 Rn. 13 f. und vom 9. November 2011 – XII ZB 286/11 – FamRZ 2012, 104 Rn. 23 f.).
- 10
- b) Bei einer Erstbestellung eines Betreuers ist nach § 278 Abs. 1 FamFG die persönliche Anhörung des Betroffenen grundsätzlich durch den erkennenden Richter durchzuführen. Gemäß § 278 Abs. 3 FamFG darf die persönliche Anhörung nur dann im Wege der Rechtshilfe erfolgen, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung ohne eigenen Eindruck von dem Betroffenen getroffen werden kann, was auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt. Ordnet das Betreuungsgericht abweichend von dem in § 278 Abs. 3 FamFG niedergelegten Grundsatz eine Anhörung im Wege der Rechtshilfe an, so bedarf dies besonderer Gründe, aus denen sich ergibt, dass eine persönliche Anhörung nicht erforderlich war (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Juni 2016 – XII ZB 48/16 – FamRZ 2016, 1667 Rn. 7 mwN).
- 11
- c) Nach diesen Grundsätzen hätte im vorliegenden Fall eine persönliche Anhörung der Betroffenen durch die Beschwerdekammer schon deshalb erfolgen müssen, weil dem amtsgerichtlichen Beschluss keine Gründe für eine Anhörung im Wege der Rechtshilfe zu entnehmen sind. Solche Gründe ergeben sich auch nicht aus den weiteren Umständen. Aus dem Anhörungsprotokoll selbst folgt vielmehr, dass die Betroffene Angaben auch zum Beteiligten zu 2 machte, was schon für die Auswahl des Betreuers bedeutsam war und einen persönlichen Eindruck von der Betroffenen erforderte. Daher war das Landgericht der Pflicht zur eigenen Anhörung der Betroffenen auch nicht etwa deswegen enthoben, weil sich das Rechtsmittel allein auf die Auswahl des Betreuers beschränkt hat (zur Zulässigkeit der Beschränkung vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juli 2017 – XII ZB 390/16 – FamRZ 2017, 1779 Rn. 5).
- 12
- 3. Da die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruht, ist sie aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
- 13
- Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Landgericht die hier erforderliche persönliche Anhörung sämtlicher Beteiligten nachzuholen hat. Bei der Frage der Auswahl des Betreuers, die nach § 1897 BGB und nicht, wie vom Landgericht angenommen, nach § 1908 b BGB zu beurteilen ist (Senatsbeschluss vom 14. Februar 2018 – XII ZB 507/17 – zur Veröffentlichung bestimmt), wird das Landgericht die nach der Rechtsprechung des Senats zu stellenden Anforderungen zu beachten haben (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juli 2017 – XII ZB 390/16 – FamRZ 2017, 1779 Rn. 11 ff. mwN). Die im angefochtenen Beschluss enthaltene Begründung entspricht diesen Anforderungen , wie die Rechtsbeschwerde mit Recht rügt, weder im Hinblick auf die Bestellung eines Berufsbetreuers noch bezüglich der Rangfolge der Beteiligten zu 2 und 4, für die jegliche Begründung fehlt.
- 14
- Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG). Dose Klinkhammer Günter Nedden-Boeger Guhling
AG Amberg, Entscheidung vom 21.06.2017 - 3 XVII 146/17 -
LG Amberg, Entscheidung vom 04.09.2017 - 32 T 635/17 -
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(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.
(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.
(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:
- 1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder - 3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(1) Das Beschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden. Es darf die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens nur dann an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverweisen, wenn dieses in der Sache noch nicht entschieden hat. Das Gleiche gilt, soweit das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und zur Entscheidung eine umfangreiche oder aufwändige Beweiserhebung notwendig wäre und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt. Das Gericht des ersten Rechtszugs hat die rechtliche Beurteilung, die das Beschwerdegericht der Aufhebung zugrunde gelegt hat, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist zu begründen.
(3) Für die Beschwerdeentscheidung gelten im Übrigen die Vorschriften über den Beschluss im ersten Rechtszug entsprechend.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.