Bundesgerichtshof Beschluss, 22. März 2017 - XII ZB 460/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:220317BXIIZB460.16.0
bei uns veröffentlicht am22.03.2017
vorgehend
Amtsgericht Ludwigsburg, 2 XVII 422/16, 12.08.2016
Landgericht Stuttgart, 10 T 374/16, 25.08.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 460/16
vom
22. März 2017
in der Unterbringungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Das dem Verfahrenspfleger nach § 335 Abs. 2 FamFG eingeräumte Beschwerderecht
umfasst nicht die Antragsbefugnis nach § 62 FamFG (im Anschluss an
Senatsbeschluss vom 15. Februar 2012 - XII ZB 389/11 - FamRZ 2012, 619).
BGH, Beschluss vom 22. März 2017 - XII ZB 460/16 - LG Stuttgart
AG Ludwigsburg
ECLI:DE:BGH:2017:220317BXIIZB460.16.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. März 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Verfahrenspflegers gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 25. August 2016 wird verworfen. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

1
Die Betroffene, die an Demenz mit psychomotorischer Unruhe und Sturzneigung leidet und nicht geh- und stehfähig ist, stürzte im Seniorenpflegeheim und zog sich dabei ein Brillenhämatom zu. Auf Antrag der vorsorgebevollmächtigten Tochter der Betroffenen (Beteiligte zu 2) hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 12. August 2016 eine zeitweilige Schutzfixierung der Betroffenen in Form einer 3-Punkt-Fixierung bei Bedarf während der Nachtzeit und eines Bauchgurts im Sitzwagen/Sitzhose bis zum 31. August 2016 genehmigt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Verfahrenspflegers hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der hiergegen erhobenen Rechtsbeschwerde begehrt der Verfahrenspfleger die Feststellung, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts die Betroffene in ihren Rechten verletzt haben.

II.

2
Die nach §§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 335 Abs. 2 FamFG statthafte Rechtsbeschwerde des Verfahrenspflegers ist unzulässig.
3
Zwar hat der Verfahrenspfleger gemäß § 335 Abs. 2 FamFG in Unterbringungssachen ein eigenes Beschwerderecht. Dies umfasst im Falle der Erledigung indes nicht die Antragsbefugnis nach § 62 FamFG. Denn § 62 FamFG setzt nach seinem eindeutigen Wortlaut voraus, dass der "Beschwerdeführer" durch die erledigte Maßnahme in seinen Rechten verletzt worden ist (vgl. BTDrucks 16/6308 S. 205). Demgemäß kann auch nur derjenige Beteiligte antragsbefugt sein, dessen Rechtssphäre betroffen ist und der ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 62 Abs. 2 FamFG an der Feststellung hat (Senatsbeschluss vom 15. Februar 2012 - XII ZB 389/11 - FamRZ 2012, 619 Rn. 13).
4
Zur Einlegung der Beschwerde im Namen der Betroffenen ist der Verfahrenspfleger nicht befugt (Senatsbeschluss vom 14. August 2013 - XII ZB 270/13 - juris Rn. 4 f.; vgl. auch Senatsbeschluss vom 22. August 2012 - XII ZB 474/11 - FamRZ 2012, 1798 Rn. 13 für das Betreuungsverfahren).
Dose Schilling Günter Botur Krüger
Vorinstanzen:
AG Ludwigsburg, Entscheidung vom 12.08.2016 - 2 XVII 422/16 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 25.08.2016 - 10 T 374/16 -

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 70 Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 62 Statthaftigkeit der Beschwerde nach Erledigung der Hauptsache


(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführ

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 335 Ergänzende Vorschriften über die Beschwerde


(1) Das Recht der Beschwerde steht im Interesse des Betroffenen1.dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie dessen Eltern und Kindern, wenn der Betroffene bei diesen lebt oder bei Ei

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(1) Das Recht der Beschwerde steht im Interesse des Betroffenen

1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie dessen Eltern und Kindern, wenn der Betroffene bei diesen lebt oder bei Einleitung des Verfahrens gelebt hat, den Pflegeeltern,
2.
einer von dem Betroffenen benannten Person seines Vertrauens sowie
3.
dem Leiter der Einrichtung, in der der Betroffene lebt,
zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

(2) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.

(3) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen.

(4) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde zu.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Das Recht der Beschwerde steht im Interesse des Betroffenen

1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie dessen Eltern und Kindern, wenn der Betroffene bei diesen lebt oder bei Einleitung des Verfahrens gelebt hat, den Pflegeeltern,
2.
einer von dem Betroffenen benannten Person seines Vertrauens sowie
3.
dem Leiter der Einrichtung, in der der Betroffene lebt,
zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

(2) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.

(3) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen.

(4) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde zu.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

13
Zwar hat der Verfahrenspfleger gemäß § 335 Abs. 2 FamFG in Unterbringungssachen ein eigenes Beschwerderecht. Dies umfasst im Falle der Erledigung indes nicht die Antragsbefugnis nach § 62 FamFG (aA Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 62 Rn. 11). Denn § 62 FamFG setzt nach seinem eindeutigen Wortlaut voraus, dass der "Beschwerdeführer" durch die erledigte Maßnahme in seinen Rechten verletzt worden ist (vgl. BT-Drucks 16/6308 S. 205). Demgemäß kann auch nur derjenige Beteiligte antragsbefugt sein, dessen Rechtssphäre betroffen ist und der ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 62 Abs. 2 FamFG an der Feststellung hat.
13
Wie seine Bezeichnung in § 276 FamFG zu erkennen gibt, hat der Verfahrenspfleger die rechtlichen Interessen des Betreuten im Verfahren wahrzunehmen bzw. zur Geltung zu bringen. Anders als der Betreuer in den jeweiligen Aufgabenkreisen gemäß § 1902 BGB ist er jedoch nicht (gesetzlicher) Vertreter des Betreuten (Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 276 Rn. 27; MünchKommZPO/ Schmidt-Recla 3. Aufl. § 276 FamFG Rn. 3; Haußleiter/Heidebach FamFG § 276 Rn. 1; Hahne/Munzig/Bohnert BeckOK FamFG § 276 Rn. 8).