Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2001 - XI ZB 11/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Beschwerdewert beträgt 301.684 DM.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Beklagten, einen Rechtsanwalt, zur Zahlung von 301.684 DM verurteilt. Hiergegen legte der Beklagte Berufung ein. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7. März 2001 erschien er nicht. Gegen das daraufhin erlassene und am 13. März 2001 zugestellte Versäumnisurteil legte er mit Schriftsatz vom 30. März 2001 Einspruch ein und beantragte gegen die Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Er hat vorgetragen und dies durch eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten C. glaubhaft gemacht: Sein Büro sei so organisiert, daß Notfristen im Terminkalender als Vorfrist und für den Tag des Fristablaufs notiert würden. Am Tag des Fristablaufs werde vor Büroschluß kontrolliert, ob alle Fristsachen ordnungsgemäß erledigt seien. Erst danach werde die Frist gelöscht. Im vorliegenden Fall habe die geschulte und zuverlässige Angestellte C. die Akte am 27. März 2001, dem Tag des Fristablaufs für den Einspruch gegen das Versäumnisurteil, nicht vorgelegt und die Einspruchsfrist infolge eines nicht mehr nachvollziehbaren Versehens am Nachmittag desselben Tages als erledigt gestrichen.
Mit Beschluß vom 15. Mai 2001 hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten abgelehnt und seinen Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 7. März 2001 als unzulässig verworfen.
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Sofern der Anwalt die Fristenkontrolle seinem Büropersonal überlasse, müsse er durch organisatorische Maßnahmen mögliche Fehlerquellen in größtmöglichem Umfang ausschließen. Dazu gehöre eine wirksame Ausgangskontrolle , die gewährleiste, daß die im Fristenkalender vermerkte Frist erst dann gelöscht werde, wenn das fristwahrende Schriftstück tatsächlich abgesandt worden oder sicher Vorsorge dafür getroffen sei, daß es rechtzeitig hinausgehe. Substantiiertes Vorbringen des Beklagten, welche organisatorischen Vorkehrungen getroffen worden seien, um ein
Fehlverhalten bei der Überwachung von Notfristen auszuschlieûen, fehle. Dem Vortrag des Beklagten sei weder zu entnehmen, ob in seiner eigenen Sache überhaupt eine Vorfrist notiert worden sei, noch ob die Akten eine Woche vor Fristablauf vorgelegt worden seien, noch welche Kontrollen vorhanden seien, um eine Nichtbeachtung der Vorfrist auszuschlieûen.
Aus den Angaben des Beklagten gehe auch nicht hervor, welche Kontrollmaûnahmen zur Verhinderung von versehentlichen Löschungen im Fristenkalender ergriffen worden seien und ob die Angestellte C. angewiesen worden sei, sich vor Streichung einer Frist anhand der Akte zu vergewissern, daû zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen sei.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 5. Juni 2001.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig (§§ 238 Abs. 2, 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber nicht begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat den nicht rechtzeitig eingelegten Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil (§§ 542 Abs. 3, 339 Abs. 1 ZPO) zu Recht als unzulässig verworfen (§§ 542 Abs. 3, 341 Abs. 1 ZPO).
2. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtsfehlerfrei versagt. Gemäû § 233 ZPO darf dem in eigener Sache als Rechtsanwalt tätig gewordenen Beklagten nur dann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn die Möglichkeit, daû ihn an der Versäumung der Einspruchsfrist ein Verschulden trifft, ausgeschlossen ist. Das ist hier nicht der Fall.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozeûbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, daû die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen werden, wenn die fristwahrende Maûnahme tatsächlich durchgeführt, ein fristwahrender Schriftsatz also gefertigt und zumindest postfertig gemacht worden ist (BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 1993 - XII ZB 155/93 - BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 31; vom 15. Februar 1995 - XII ZB 229/94 - BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 39; vom 14. März 1996 - III ZB 13/96 - VersR 1996, 1298 und vom 4. Oktober 2000 - XI ZB 9/00 - BGHR ZPO § 233 - Ausgangskontrolle 14). Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört eine Anordnung des Prozeûbevollmächtigten, die sicherstellt, daû die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders überprüft wird. Der für die Kontrolle zuständige Angestellte ist dabei anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, daû zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (BGH, Beschluû vom 14. März 1996 - III ZB 13/96, aaO). Weder der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags des Beklagten noch der eidesstattlichen Versiche-
rung der Angestellten C. ist zu entnehmen, daû in der Kanzlei des Beklagten die danach erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen worden sind.
Zur Ausgangskontrolle in seinem Büro hat der Beklagte lediglich vorgetragen, vor Büroschluû werde kontrolliert, ob alle Fristsachen erledigt seien, erst dann werde die Frist gelöscht. Welche Anordnungen des Beklagten dazu an die Angestellten ergangen sind, ist weder in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags noch in der Beschwerdebegründung näher dargelegt. Insbesondere hat der Beklagte nicht vorgetragen , er habe angeordnet, eine Frist erst dann im Fristenkalender zu streichen, wenn der fristwahrende Schriftsatz postfertig gemacht und anhand der Akte überprüft worden sei, daû nichts mehr zu veranlassen sei.
Die Angestellte C. hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung insoweit lediglich ausgeführt, vor Büroschluû werde kontrolliert, ob alle Fristsachen erledigt seien, in der Folge werde die Frist gestrichen. Die so beschriebene Praxis entspricht nicht den an eine ordnungsgemäûe Fristenkontrolle zu stellenden Anforderungen. Sie läût es nämlich zu, daû Fristen auch dann gestrichen werden, wenn die Angestellte auf eine nicht näher festgelegte Weise erfährt und deshalb zu wissen glaubt, daû die Sache irgendwie erledigt sei. Daû es dabei leicht zu Irrtümern und Verwechselungen kommen kann, liegt auf der Hand. Es ist danach nicht auszuschlieûen, daû die Ausgangskontrolle in der Kanzlei des Beklagten nicht so organisiert ist, daû eine Wahrung von Rechtsmittelfristen gewährleistet wird, und daû die Versäumung der Einspruchsfrist auf einen solchen Organisationsmangel zurückzuführen ist. Schon diese Möglich-
keit eines Organisationsverschuldens des Beklagten schlieût die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.
3. Die sofortige Beschwerde war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Nobbe Siol Bungeroth
Müller Wassermann
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(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Die Revision findet gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile nach Maßgabe der folgenden Vorschriften statt.
(2) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung entschieden worden ist, findet die Revision nicht statt. Dasselbe gilt für Urteile über die vorzeitige Besitzeinweisung im Enteignungsverfahren oder im Umlegungsverfahren.
(1) Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils.
(2) Muss die Zustellung im Ausland erfolgen, so beträgt die Einspruchsfrist einen Monat. Das Gericht kann im Versäumnisurteil auch eine längere Frist bestimmen.
(3) Muss die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, so hat das Gericht die Einspruchsfrist im Versäumnisurteil oder nachträglich durch besonderen Beschluss zu bestimmen.
(1) Die Revision findet gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile nach Maßgabe der folgenden Vorschriften statt.
(2) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung entschieden worden ist, findet die Revision nicht statt. Dasselbe gilt für Urteile über die vorzeitige Besitzeinweisung im Enteignungsverfahren oder im Umlegungsverfahren.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)