Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss, 02. März 2011 - 6 Sa 583/10

ECLI:ECLI:DE:LARBGSH:2011:0302.6SA583.10.0A
02.03.2011

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 09.11.2010 – 6 Ca 1134/10 – wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das ihr am 03.12.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.12.2010 Berufung eingelegt.

2

Mit Schriftsatz vom 14.02.2011, beim Landesarbeitsgericht am Folgetag eingegangen, hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezogen auf die am 03.02.2011 abgelaufene Berufungsbegründungsfrist beantragt. Gleichzeitig hat sie um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gebeten. Auf den Hinweis des Landesarbeitsgerichts, dass die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Frist des

3

§ 234 ZPO nachzuholen und diese Frist nicht verlängerbar ist, hat die Klägerin am 17.02.2011 die Berufung begründet.

4

Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags führte die Klägerin aus, im Fristenkalender sei zunächst die Berufungsbegründungsfrist für den 03.02.2011 notiert worden. Diese Frist habe die Rechtsanwalts- und Notargehilfin S. gestrichen und als neue Frist den 03.03.2011 notiert. Anlass hierfür sei die am 03.01.2011 im Büro der Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangene Verfügung des Landesarbeitsgerichts vom 28.12.2010 gewesen. In dieser Verfügung heißt es unter Ziffer 2:

5

„Die Frist für die Begründung der Berufung beträgt 2 Monate. Diese beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils 1. Instanz, spätestens aber mit Ablauf von 5 Monaten nach der Verkündung (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG).“

6

Die Rechtsanwalts- und Notargehilfin S. habe nur den ersten Satz der Ziffer 2 gelesen und deshalb die Frist 03.02.2011 gestrichen und eine neue Frist 03.03.2011 notiert. Zur Glaubhaftmachung hat die Klägerin auf die eidesstattliche Versicherung der nach ihrem Vortrag seit über 20 Jahren im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin beschäftigten und sehr gewissenhaft arbeitenden Rechtsanwalts- und Notargehilfin S. verwiesen (Anlage A 5 = Bl. 186 d. A.).

7

Die zum Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin angehörte Beklagte hat beantragt,

8

den Antrag zurückzuweisen.

9

Es fehle Vortrag zur Organisation des Büros und zum Umgang mit Fristen. Im Rahmen einer ordnungsgemäßen Büroorganisation müsse sichergestellt sein, dass Kanzleimitarbeiter einmal eingetragene Fristen nicht eigenmächtig abändern.

10

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

11

Die Berufung der Klägerin ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet worden. Folglich ist ihre Berufung als unzulässig zu verwerfen, § 522

12

Abs. 1 Satz 2 ZPO.

13

1. Die Frist zur Berufungsbegründung beginnt mit dem Tag der Zustellung des angegriffenen Urteils und beträgt zwei Monate, § 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ArbGG. Der Klägerin ist das Urteil des Arbeitsgerichts am 03.12.2010 zugestellt worden. Demnach ist die Berufungsbegründungsfrist am 03.02.2011 abgelaufen. Der Berufungsbegründungsschriftsatz ist jedoch erst am 17.02.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangen, sodass die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt ist.

14

2. Der Klägerin war auch nicht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zwar kann gemäß § 233 ZPO einer Partei, die ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung zu wahren, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Das Fristversäumnis beruht jedoch auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Die Klägerin hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter durch eine ordnungsgemäße Organisation in seiner Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass notierte Fristen vor ihrer Erledigung nicht irrtümlich gelöscht werden.

15

a) Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen verlangt zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass die Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen (BGH 13.07.2010 – VI ZB 1/10 – MDR 2010, 1142 m. w. N.; LAG S-H 25.10.2010 – 6 Sa 301/10 – zitiert nach JURIS). Prozessbevollmächtigte müssen in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen werden, wenn die Frist bei einer Maßnahme tatsächlich durchgeführt, ein fristwahrender Schriftsatz also gefertigt und zumindest postfertig gemacht worden ist (BGH 06.11.2001 – XI ZB 11/01 – m. w. N. zitiert nach JURIS).

16

b) Die Klägerin hat durch ihren Prozessbevollmächtigten dargelegt und glaubhaft gemacht, dass in seinem Büro ein Fristenkalender geführt wird. Zu ihren Gunsten kann auch unterstellt werden, dass die Berufungsbegründungsfrist (03.02.2011) zunächst zutreffend notiert worden ist. Nicht dargelegt und glaubhaft gemacht ist aber, wodurch sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor einer irrtümlichen Löschung der korrekt eingetragenen Berufungsbegründungsfrist geschützt hat. Dazu hätte es Vortrags bedurft. Es muss sichergestellt sein, dass keine versehentlichen Eintragungen oder Löschungen erfolgen (BGH 14.03.1996 – III ZB 13/96 –; 10.07.1997 – IX ZB 57/97 –; 02.03.2000 – V ZB 1/00 – zitiert nach JURIS). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat nicht dargelegt, welche Sicherungen er im vorliegenden Fall gegen ein versehentliches Löschen von Fristen vor Erledigung der Fristsache getroffen hat. Entsprechender Vortrag zu den insoweit erteilten Anweisungen, getroffenen organisatorischen Vorkehrungen und ergriffenen Kontrollmaßnahmen, der zum Kern der Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrundes gehört hätte, fehlt. Bereits die Möglichkeit eines Organisationsverschuldens schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (BGH 06.11.2001, a. a. O.). Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Berufungsbegründung kommt deshalb nicht in Betracht.

III.

17

Im Ergebnis ist die Berufung nach § 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann nach § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch Beschluss ergehen. Nach § 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG erfolgt die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss des Vorsitzenden. Die Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden zur Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung nach § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ArbGG in der seit dem 01.04.2008 geltenden Fassung umfasst auch die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung (BAG 05.10.2010 – 5 AZB 10/10 – NZA 2010, 1442).

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

19

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, §§ 77 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG.


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Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 77 Revisionsbeschwerde


Gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts, der die Berufung als unzulässig verwirft, findet die Revisionsbeschwerde statt, wenn das Landesarbeitsgericht sie in dem Beschluss oder das Bundesarbeitsgericht sie zugelassen hat. Für die Zulassung der

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Tenor 1. Die Revisionsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. Februar 2010 - 9 Sa 1154/09 - wird zurückgewiesen.

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(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 11/01
vom
6. November 2001
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und
Dr. Wassermann
am 6. November 2001

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. Mai 2001 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 301.684 DM.

Gründe:


I.


Das Landgericht hat den Beklagten, einen Rechtsanwalt, zur Zahlung von 301.684 DM verurteilt. Hiergegen legte der Beklagte Berufung ein. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7. März 2001 erschien er nicht. Gegen das daraufhin erlassene und am 13. März 2001 zugestellte Versäumnisurteil legte er mit Schriftsatz vom 30. März 2001 Einspruch ein und beantragte gegen die Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Er hat vorgetragen und dies durch eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten C. glaubhaft gemacht: Sein Büro sei so organisiert, daß Notfristen im Terminkalender als Vorfrist und für den Tag des Fristablaufs notiert würden. Am Tag des Fristablaufs werde vor Büroschluß kontrolliert, ob alle Fristsachen ordnungsgemäß erledigt seien. Erst danach werde die Frist gelöscht. Im vorliegenden Fall habe die geschulte und zuverlässige Angestellte C. die Akte am 27. März 2001, dem Tag des Fristablaufs für den Einspruch gegen das Versäumnisurteil, nicht vorgelegt und die Einspruchsfrist infolge eines nicht mehr nachvollziehbaren Versehens am Nachmittag desselben Tages als erledigt gestrichen.
Mit Beschluß vom 15. Mai 2001 hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten abgelehnt und seinen Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 7. März 2001 als unzulässig verworfen.
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Sofern der Anwalt die Fristenkontrolle seinem Büropersonal überlasse, müsse er durch organisatorische Maßnahmen mögliche Fehlerquellen in größtmöglichem Umfang ausschließen. Dazu gehöre eine wirksame Ausgangskontrolle , die gewährleiste, daß die im Fristenkalender vermerkte Frist erst dann gelöscht werde, wenn das fristwahrende Schriftstück tatsächlich abgesandt worden oder sicher Vorsorge dafür getroffen sei, daß es rechtzeitig hinausgehe. Substantiiertes Vorbringen des Beklagten, welche organisatorischen Vorkehrungen getroffen worden seien, um ein
Fehlverhalten bei der Überwachung von Notfristen auszuschlieûen, fehle. Dem Vortrag des Beklagten sei weder zu entnehmen, ob in seiner eigenen Sache überhaupt eine Vorfrist notiert worden sei, noch ob die Akten eine Woche vor Fristablauf vorgelegt worden seien, noch welche Kontrollen vorhanden seien, um eine Nichtbeachtung der Vorfrist auszuschlieûen.
Aus den Angaben des Beklagten gehe auch nicht hervor, welche Kontrollmaûnahmen zur Verhinderung von versehentlichen Löschungen im Fristenkalender ergriffen worden seien und ob die Angestellte C. angewiesen worden sei, sich vor Streichung einer Frist anhand der Akte zu vergewissern, daû zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen sei.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 5. Juni 2001.

II.


Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig (§§ 238 Abs. 2, 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber nicht begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat den nicht rechtzeitig eingelegten Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil (§§ 542 Abs. 3, 339 Abs. 1 ZPO) zu Recht als unzulässig verworfen (§§ 542 Abs. 3, 341 Abs. 1 ZPO).

2. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtsfehlerfrei versagt. Gemäû § 233 ZPO darf dem in eigener Sache als Rechtsanwalt tätig gewordenen Beklagten nur dann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn die Möglichkeit, daû ihn an der Versäumung der Einspruchsfrist ein Verschulden trifft, ausgeschlossen ist. Das ist hier nicht der Fall.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozeûbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, daû die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen werden, wenn die fristwahrende Maûnahme tatsächlich durchgeführt, ein fristwahrender Schriftsatz also gefertigt und zumindest postfertig gemacht worden ist (BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 1993 - XII ZB 155/93 - BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 31; vom 15. Februar 1995 - XII ZB 229/94 - BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 39; vom 14. März 1996 - III ZB 13/96 - VersR 1996, 1298 und vom 4. Oktober 2000 - XI ZB 9/00 - BGHR ZPO § 233 - Ausgangskontrolle 14). Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört eine Anordnung des Prozeûbevollmächtigten, die sicherstellt, daû die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders überprüft wird. Der für die Kontrolle zuständige Angestellte ist dabei anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, daû zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (BGH, Beschluû vom 14. März 1996 - III ZB 13/96, aaO). Weder der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags des Beklagten noch der eidesstattlichen Versiche-
rung der Angestellten C. ist zu entnehmen, daû in der Kanzlei des Beklagten die danach erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen worden sind.
Zur Ausgangskontrolle in seinem Büro hat der Beklagte lediglich vorgetragen, vor Büroschluû werde kontrolliert, ob alle Fristsachen erledigt seien, erst dann werde die Frist gelöscht. Welche Anordnungen des Beklagten dazu an die Angestellten ergangen sind, ist weder in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags noch in der Beschwerdebegründung näher dargelegt. Insbesondere hat der Beklagte nicht vorgetragen , er habe angeordnet, eine Frist erst dann im Fristenkalender zu streichen, wenn der fristwahrende Schriftsatz postfertig gemacht und anhand der Akte überprüft worden sei, daû nichts mehr zu veranlassen sei.
Die Angestellte C. hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung insoweit lediglich ausgeführt, vor Büroschluû werde kontrolliert, ob alle Fristsachen erledigt seien, in der Folge werde die Frist gestrichen. Die so beschriebene Praxis entspricht nicht den an eine ordnungsgemäûe Fristenkontrolle zu stellenden Anforderungen. Sie läût es nämlich zu, daû Fristen auch dann gestrichen werden, wenn die Angestellte auf eine nicht näher festgelegte Weise erfährt und deshalb zu wissen glaubt, daû die Sache irgendwie erledigt sei. Daû es dabei leicht zu Irrtümern und Verwechselungen kommen kann, liegt auf der Hand. Es ist danach nicht auszuschlieûen, daû die Ausgangskontrolle in der Kanzlei des Beklagten nicht so organisiert ist, daû eine Wahrung von Rechtsmittelfristen gewährleistet wird, und daû die Versäumung der Einspruchsfrist auf einen solchen Organisationsmangel zurückzuführen ist. Schon diese Möglich-
keit eines Organisationsverschuldens des Beklagten schlieût die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.
3. Die sofortige Beschwerde war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Nobbe Siol Bungeroth
Müller Wassermann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 1/00
vom
2. März 2000
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
Wenn bei einer elektronischen Kalenderführung die versehentliche Kennzeichnung
einer Frist als erledigt dazu führt, daß die Sache am Tage des Fristablaufs im Fristenkalender
gar nicht mehr auftaucht, so daß bei einer Endkontrolle die versehentliche
Löschung nicht erkannt werden kann, so genügt die Kalenderführung nicht den
Anforderungen einer ordnungsgemäßen Büroorganisation.
BGH, Beschl. v. 2. März 2000 - V ZB 1/00 - OLG Koblenz
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. März 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Vogt, Schneider,
Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. November 1999 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 7.700 DM

Gründe:

I.

Durch Urteil des Landgerichts vom 6. Juli 1999 ist die auf Beseitigung verschiedener Gebäude und Anlagen gerichtete Klage teilweise abgewiesen worden. Gegen dieses dem Kläger am 8. Juli 1999 zugestellte Urteil hat er mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 9. August 1999, am selben Tage , einem Montag, bei Gericht eingegangen, Berufung eingelegt, diese aber nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet. Hierauf am 10. September 1999 vom Oberlandesgericht aufmerksam gemacht, hat er mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 23. September 1999, am selben Tage bei Gericht eingegangen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet.
Zur Rechtfertigung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er vorgetragen und glaubhaft gemacht: Die Berufungsbegründungsfrist vom 9. September 1999 und die Vorfrist zum 2. September 1999 seien ordnungsgemäß in einem EDV-Fristenkalender notiert worden. Die mit der Überwachung der Fristen betraute Sekretärin des sachbearbeitenden Rechtsanwalts habe am 2. September 1999 festgestellt, daß die Handakte in Bearbeitung gewesen sei, da die Gerichtsakten eingegangen und zu kopieren gewesen seien. Sie habe dies auf der Fristenliste notiert. Die Akte habe sodann dem Anwalt vorgelegt werden sollen. In der Fristenliste vom 9. September 1999 sei die Frist dann nicht mehr verzeichnet gewesen, weil sie in der Datenverarbeitung mit einem Erledigungsvermerk versehen gewesen sei. Wie es hierzu gekommen sei, lasse sich nicht mehr feststellen. Nach der für die Behandlung von Fristen getroffenen schriftlich niedergelegten Verfahrensanweisung durften Fristen mit einem Erledigungsvermerk nur dann versehen werden, wenn das Belegexemplar des fristwahrenden Schriftstücks von der Empfangsstelle quittiert, der Handakte zugeordnet worden sei oder der Empfänger am Tage des Fristablaufs den Zugang telefonisch bestätigt habe. Bei durch Telefax übermittelten Schreiben müsse das Übertragungsprotokoll auf vollständige und ordnungsgemäße Übertragung überprüft werden, bevor der Erledigungsvermerk in der Datenverarbeitung angebracht werden dürfe. Im konkreten Fall müsse die Sekretärin gegen diese Grundsätze verstoßen haben.
Durch Beschluß vom 24. November 1999 hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 28. Dezember 1999 zugestellten Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Nach § 233 ZPO setzt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraus , daß die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Die Fristversäumung beruht auf einem Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten des Klägers, das dieser sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß.
Dem Kläger ist zuzugeben, daß die schriftlichen Anweisungen, nach denen die Sekretärin im Büro seines Prozeßbevollmächtigten bei der Behandlung von Fristensachen zu verfahren hatte, geeignet sind sicherzustellen, daß die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, ein fristwahrender Schriftsatz also gefertigt und zumindest postfertig gemacht worden ist. Damit genügt der Anwalt aber noch nicht seiner Organisationspflicht. Er muß vielmehr auch Vorkehrungen dagegen treffen, daß durch versehentliche Erledigungsvermerke im Fristenkalender Fristen versäumt werden (BGH, Beschl. v. 14. März 1996, III ZB 13/96, BGHR ZPO § 233, Ausgangskontrolle 5; Beschl. v. 10. Juli 1997, IX ZB 57/97, NJW 1997, 3177, 3178, jew. m.w.N.). Dazu gehört eine Anordnung , durch die gewährleistet wird, daß am Ende eines jeden Arbeitstages von einer dazu beauftragten Bürokraft geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen (BGH, Beschl. v. 2. Dezember 1996, II ZB 19/96, NJW-RR 1997, 562). Nur so kann festgestellt werden, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht.
Eine solche Kontrolle sehen die Büroanweisungen nicht vor. Sie wäre nach der von der Sekretärin in ihrer eidesstattlichen Versicherung geschilderten Verfahrensweise auch erfolglos, da die Fristen, wenn sie in der Datenverarbeitung als erledigt eingetragen worden sind, in der entsprechenden Fristenliste des Tages des Fristablaufs nicht mehr auftauchen. Damit kann eine versehentlich als erledigt vermerkte Frist als solche später nicht mehr erkannt werden. Anders als bei einem manuell geführten Fristenkalender, aus dem die Frist, auch wenn sie gestrichen ist, noch ersichtlich und bei der Endkontrolle überprüfbar ist, besteht bei der elektronischen Kalenderführung, wie sie hier ausgestaltet ist, eine vermeidbare Unsicherheit. Die Verwendung einer elektronischen Kalenderführung darf aber keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten (BGH, Beschl. v. 12. Oktober 1998, II ZB 11/98, NJW 1999, 582, 583). Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Wenzel Vogt Schneider Krüger Klein

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Tenor

1. Die Revisionsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. Februar 2010 - 9 Sa 1154/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Revisionsbeschwerdeverfahrens wird auf 11.710,52 Euro festgesetzt.

Gründe

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I. Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche für die Zeit einer einseitig vom Arbeitgeber angeordneten Freistellung sowie Urlaubsabgeltung und die Zahlung von Urlaubsgeld. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das ihm am 25. September 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Oktober 2009 Berufung eingelegt und diese mit einem am 26. November 2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 16. Dezember 2009, hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Das Landesarbeitsgericht hat durch Beschluss der Kammervorsitzenden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruhe auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionsbeschwerde begehrt der Kläger die Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts.

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II. Die zulässige (§ 77 Satz 1 und Satz 4 ArbGG in Verb. mit § 575 ZPO) Revisionsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht durfte dem Kläger die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter versagen. Es hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen.

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1. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet nach § 237 ZPO das Gericht, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht. Das Landesarbeitsgericht als Berufungsgericht (§ 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1 ArbGG)entscheidet durch Kammern, die in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber tätig werden, § 35 Abs. 2 ArbGG, soweit nicht das Gesetz eine Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden vorsieht.

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2. Die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht nach § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ArbGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung (Art. 2 Nr. 9 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008, BGBl. I S. 444, 448) nicht mehr durch die Kammer, sondern durch Beschluss des Vorsitzenden. Diese Befugnis zur Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden umfasst auch die Versagung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung (aA GMP/Germelmann 7. Aufl. § 66 Rn. 44).

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a) § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ArbGG normiert eine Befugnis zur Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden zur Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung, ohne diese auf bestimmte Gründe für die Unzulässigkeit der Berufung zu beschränken. Ist die Berufung nicht in den gesetzlichen Fristen des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG eingelegt oder begründet worden, ist sie nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO, der nach § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 ArbGG unberührt bleibt, zu verwerfen. Die Versagung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung dieser Fristen betrifft unmittelbar die Zulässigkeit der Berufung, weil sie es bei der Fristversäumung belässt. Sie ist damit Bestandteil der Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung.

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b) Das entspricht dem Sinn und Zweck des § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ArbGG. Die Neuregelung sollte der Verfahrensbeschleunigung und der Rechtsmittelvereinfachung dienen. Für die Zuziehung der ehrenamtlichen Richter besteht kein sachliches Bedürfnis, wenn es nicht vorrangig um materielle Rechtsfragen, sondern um die formalen Voraussetzungen eines Rechtsmittels geht (vgl. BT-Drucks. 16/7716 S. 25; GK-ArbGG/Vossen Stand September 2010 § 66 Rn. 152; BCF/Friedrich ArbGG 5. Aufl. § 66 Rn. 44).

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3. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen. Der Kläger hat die Frist zur Begründung der Berufung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) versäumt. Das stellt er nicht in Abrede. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger zu Recht versagt, § 233 in Verb. mit § 85 Abs. 2 ZPO. Seinen Prozessbevollmächtigten trifft jedenfalls ein Verschulden bei der Fristensicherung. Wird dem Prozessbevollmächtigten zwecks Anfertigung der Berufungsbegründung die Akte zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die hierfür maßgebende Frist zu überprüfen (BGH 11. Dezember 1991 - VIII ZB 38/91 - zu II der Gründe, NJW 1992, 841; vgl. auch BAG 27. September 1995 - 4 AZN 473/95 - zu II 2 b cc der Gründe, AP ZPO 1977 § 233 Nr. 43 = EzA ZPO § 233 Nr. 35). Diese Verpflichtung des Prozessbevollmächtigten zur eigenverantwortlichen Prüfung des Fristenlaufs bei der Vorbereitung einer fristwahrenden Prozesshandlung besteht unabhängig davon, ob die Akte dem Rechtsanwalt von seiner Sekretärin vorgelegt wird oder er - wie die Revisionsbeschwerde geltend macht - seine Sekretärin bittet, „ihm schon einmal die Akte zu geben, damit er die Berufung dann begründet“.

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III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

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IV. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 GKG.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

        

        

        

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts, der die Berufung als unzulässig verwirft, findet die Revisionsbeschwerde statt, wenn das Landesarbeitsgericht sie in dem Beschluss oder das Bundesarbeitsgericht sie zugelassen hat. Für die Zulassung der Revisionsbeschwerde gelten § 72 Absatz 2 und § 72a entsprechend. Über die Nichtzulassungsbeschwerde und die Revisionsbeschwerde entscheidet das Bundesarbeitsgericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Rechtsbeschwerde gelten entsprechend.