Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juni 2010 - VIII ZB 12/10

bei uns veröffentlicht am22.06.2010
vorgehend
Amtsgericht Duisburg, 35 C 669/09, 29.09.2009
Landgericht Duisburg, 13 S 220/09, 23.12.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 12/10
vom
22. Juni 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 B, Fb, Fd
Zur einer ordnungsgemäßen Organisation des Fristenwesens in einem Anwaltsbüro
gehört nicht nur die Anweisung an das zuständige Büropersonal, den
für den Beginn der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist maßgeblichen
Zeitpunkt der Zustellung eines Urteils anhand der Datumsangabe im unterzeichneten
Empfangsbekenntnis oder auf dem Zustellungsumschlag zu ermitteln.
Dem Büropersonal muss auch aufgegeben werden, das Datum der Zustellung
gesondert und deutlich abgehoben von dem nicht maßgeblichen Aufdruck
des Eingangsdatums zu vermerken (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom
17. Oktober 1990 - XII ZB 73/90, VersR 1991, 124, und 15. Juli 1998 - XII ZB
37/98, NJW-RR 1998, 1442).
BGH, Beschluss vom 22. Juni 2010 - VIII ZB 12/10 - LG Duisburg
AG Duisburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juni 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Milger, die Richter Dr. Achilles und
Dr. Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 23. Dezember 2009 wird als unzulässig verworfen. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 7.068,50 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger hat den Beklagten auf Räumung einer Mietwohnung und auf Zahlung von 2.436,26 € nebst Zinsen sowie auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat den Beklagten durch Urteil vom 29. September 2009 zur Räumung und zur Zahlung von 2.098,50 € nebst Zinsen sowie zur Erstattung der verlangten Anwaltskosten verurteilt. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten ausweislich der vom Zusteller unterzeichneten Postzustellungsurkunde am 2. Oktober 2009 durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist rechtzeitig am 2. November 2009, die Berufungsbegründung dagegen verspätet am Freitag, dem 4. Dezember 2009, per Telefax beim Landgericht eingegangen.
2
Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2009, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat der Beklagte - nach telefonischem Hinweis des Landgerichts - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Rechtfertigung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat er vorgetragen und durch die eidesstattliche Versicherung seines Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht, dieser sei in Anbetracht des sich in der Handakte befindlichen Eingangsstempels davon ausgegangen, dass die Zustellung des angefochtenen Urteils (erst) am Montag, den 5. Oktober 2009, und nicht bereits am zurückliegenden Freitag erfolgt sei. Für die Divergenz zwischen dem Eingangsstempel und dem Vermerk auf der Postzustellungsurkunde kämen letztlich nur zwei Ursachen in Betracht, von denen keine seinem Prozessbevollmächtigten als Verschulden anzurechnen sei: Entweder habe der Zusteller auf dem Umschlag das Datum der Zustellung unrichtig notiert oder die mit dem Fristenwesen beauftragte Kanzleiangestellte habe einen falschen Eingangsstempel auf die zugestellte Urteilsausfertigung aufgebracht.
3
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Fristversäumung sei auf ein dem Beklagten zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurückzuführen. Anders als bei der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis (§ 174 Abs. 1 ZPO), bei dessen Unterzeichnung der Anwalt abgleichen könne und müsse, ob das Eingangsdatum zutreffend in seinen Handakten vermerkt sei, existiere ein vergleichbarer Arbeitsschritt bei einer Zustellung mittels Postzustellungsurkunde nach §§ 177 ff. ZPO nicht. Da der Anwalt in einem solchen Fall an der amtlichen Dokumentation des Zustellungszeitpunktes nicht mitwirken müsse, habe er durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass kein falsches Zustellungsdatum vermerkt werde. Dies habe dadurch zu geschehen, dass er den Umschlag, in dem sich das zugestellte Schriftstück befunden habe und auf dem der Zeitpunkt der Zu- stellung vermerkt sei, zu seinen Akten nehme. Da sich der Beklagte zum Verbleib dieses Umschlags nicht geäußert habe, sei davon auszugehen, dass sein Prozessbevollmächtigter es unterlassen habe, Vorsorge gegen den Verlust dieser für die Bestimmung der Frist wertvollen Urkunde zu treffen.
4
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde. Er macht geltend, als Ursache für die Versäumung der Begründungsfrist komme ausschließlich ein einmaliges Versehen der zuverlässigen Bürokraft seines Prozessbevollmächtigten oder eventuell ein ungenauer Vermerk des Datums auf dem Zustellumschlag in Betracht. Dass die Bürokraft seines Prozessbevollmächtigten die Frist aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen versehentlich falsch notiert habe, gereiche weder ihm noch seinem Prozessbevollmächtigten zum Verschulden. Ein Rechtsanwalt dürfe auf die ordnungsgemäße Fristnotierung vertrauen und brauche nicht zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im Fristenkalender richtig eingetragen sei. Andernfalls werde die zulässige Einschaltung von Bürokräften bei der Notierung und Überwachung von Fristen weitgehend sinnlos.

II.

5
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die nach § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
6
Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt nicht den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Es hat dem Beklagten den Zugang zur Berufungsinstanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (vgl. dazu BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG, NJW 2005, 814, 815; BGHZ 151, 221, 227; Senatsbeschlüsse vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775, unter II 1; vom 20. Oktober 2009 - VIII ZB 97/08, MDR 2010, 100, Tz. 8; jeweils m.w.N.).
7
Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung mit Recht abgelehnt, weil nach dem vorgetragenen Sachverhalt die Versäumung der Frist auf einem dem Beklagten zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruht (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO).
8
1. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen , dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht.
9
a) Dabei ist er zwar nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs befugt, die Feststellung, Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Angestellten zu überlassen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2000 - VII ZB 20/99, NJW 2000, 1872, unter [4] a; Senatsbeschluss vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02, NJW 2003, 1815, unter II 3 a m.w.N.). Jedoch hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Insbesondere muss ein Rechtsanwalt sicherstellen, dass das für den Lauf einer Rechtsmittelfrist maßgebliche Datum der Urteilszustellung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ermittelt wird (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 16. April 1996 - VI ZR 362/95, NJW 1996, 1968, unter II 1; vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01, NJW 2003, 435, unter II 1 a; jeweils m.w.N.). Hierzu bedarf es eines besonderen Vermerks, wann die Zustellung des Urteils erfolgt ist.
10
aa) Eine verlässliche Grundlage für die Ermittlung des Zustellungsdatums bieten allein die Angaben in der die Zustellung dokumentierenden Urkunde , also in dem vom Anwalt unterzeichneten Empfangsbekenntnis (§ 174 ZPO) oder aber - wie hier - in der Postzustellungsurkunde nebst Umschlag (§§ 180, 182 ZPO). Damit nach Rücksendung eines unterzeichneten Empfangsbekenntnisses nicht jeder tragfähige Anhalt für den Zeitpunkt der Zustellung verloren geht, gehört es zu den Sorgfaltspflichten eines Anwalts, durch besondere Anordnungen dafür Sorge zu tragen, dass sein Personal nach der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses das dort angegebene Zustellungsdatum in den Handakten oder anderweitig festhält und sich nicht auf die Richtigkeit eines Eingangsstempels verlässt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 1990 - XII ZB 73/90, VersR 1991, 124; vom 15. Juli 1998 - XII ZB 37/98, NJW-RR 1998, 1442, unter II 2 b, c). Entsprechendes gilt, wenn die Zustellung durch Postzustellungsurkunde bewirkt und das Datum der Zustellung auf dem Postumschlag vermerkt worden ist. Da auch hier die Gefahr besteht, dass das abgestempelte Eingangsdatum nicht mit dem Zeitpunkt der Zustellung übereinstimmt , muss durch organisatorische Vorkehrungen sichergestellt sein, dass der Fristenlauf nicht anhand des Eingangsstempels, sondern aufgrund des Zustellervermerks auf dem Umschlag des zugestellten Schriftstücks (vgl. § 180 Satz 3 ZPO) berechnet und notiert wird.
11
bb) Den für eine ordnungsgemäße Fristermittlung unerlässlichen Vermerk über den Zeitpunkt der Zustellung eines Urteils vermag ein Eingangsstempel des Anwaltsbüros auf dem zugestellten Urteil nicht zu ersetzen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 1996, aaO; vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91, NJW 1992, 574, unter 2 b). Er gibt keine Auskunft über den Zeitpunkt der Zustellung, weil das Datum auf dem im Anwaltsbüro angebrachten Eingangsstempel nicht mit dem Datum übereinzustimmen braucht, unter dem der Anwalt das Empfangsbekenntnis unterzeichnet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 29. April 1987 - VIII ZB 5/87, VersR 1987, 1013, unter [2] b; BGH, Beschlüsse vom 13. März 1991 – XII ZB 22/91, VersR 1992, 118, unter II 2, und vom 16. April 1996, aaO; jeweils m.w.N.), oder unter dem auf sonstige Weise die Zustellung des Urteils bewirkt worden ist.
12
b) Dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten dem nicht nachgekommen ist, hat er weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Dabei kann offen bleiben, ob - wie das Berufungsgericht annimmt - ein Rechtsanwalt sein Personal anzuweisen hat, den Umschlag eines mittels Postzustellungsurkunde zugestellten Schriftstücks zu verwahren. Jedenfalls hat er der für das Fristenwesen zuständigen Kanzleikraft eindeutige Anweisungen hinsichtlich der Feststellung, Berechnung und Notierung von Fristen zu erteilen, die so beschaffen sein müssen , dass die Einhaltung einer Frist auch bei unerwarteten Störungen des Geschäftsablaufs gewährleistet ist (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 5. Februar 2003, aaO, unter II 3 a, c, m.w.N.). Dazu gehört nicht nur die Anweisung an das zuständige Büropersonal, den für den Beginn der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung eines Urteils anhand der Datumsangabe im unterzeichneten Empfangsbekenntnis oder auf dem Zustellungsumschlag zu ermitteln. Dem Büropersonal muss auch aufgegeben werden, das Datum der Zustellung gesondert und deutlich abgehoben von dem nicht maßgeblichen Aufdruck des Eingangsdatums zu vermerken (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 1998, aaO, unter II 2 c). Dem Vortrag des Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass solche Maßnahmen integraler Bestandteil der Organisationsabläufe im Büro seines Prozessbevollmächtigten waren und sind.
13
aa) Im Berufungsverfahren hat er sich mit dem Vorbringen begnügt, es könne nicht mehr festgestellt werden, warum ein vom Zustellungszeitpunkt abweichendes Eingangsdatum aufgestempelt worden sei. Entweder habe die Kanzleikraft die Eingangspost versehentlich unter dem Datum 5. Oktober 2009 abgestempelt, was diese bestreite, oder die Datumsangabe auf dem Postumschlag sei ungenau oder falsch gewesen. Damit hat der Beklagte bereits nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten die Berechnung der Frist anhand der allein maßgeblichen Angaben in dem die Zustellung dokumentierenden Schriftstück und nicht auf der Grundlage des Eingangsstempels vorzunehmen ist. Er hat auch weder geltend noch glaubhaft gemacht, dass das Büropersonal außerdem angewiesen ist, das Datum der Zustellung gesondert vom Eingangsstempel zu vermerken. Ohnehin hat der Beklagte zur Organisation des Fristenwesens im Büro seines Prozessbevollmächtigten keine konkreten Angaben gemacht. Der Kläger hat fehlenden Vortrag zur Identität der mit dem Fristenwesen betrauten Mitarbeiterin, deren Ausbildungsstand und Zuverlässigkeit, den Inhalt der dieser erteilten Anweisungen sowie die ergriffenen Kontrollmaßnahmen gerügt. Hierauf hat der Beklagte nicht reagiert. Es fehlt damit auch jeder Vortrag zu diesen grundlegenden Voraussetzungen für ein funktionierendes Fristenwesen (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 5. Februar 2003, aaO, unter II 3 a). Mit Recht hat das Berufungsgericht daher aufgrund des ihm unterbreiteten Sachverhalts angenommen , dass ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Beklagten an der Fristversäumung nicht ausgeräumt ist.
14
bb) Ein an der Fristversäumung mitwirkendes Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ist auch nicht aufgrund des im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzten Vortrags auszuschließen. Dabei kann offen bleiben, ob dieses Vorbringen berücksichtigungsfähig ist. Grundsätzlich müssen alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein kön- nen, innerhalb der Antragsfrist von einem Monat (§ 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 Abs. 2 ZPO) vorgetragen werden (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. Oktober 2000 - XI ZB 9/00, juris, Tz. 9; vom 10. Januar 2001 - XII ZB 127/00, BGHReport 2001, 483, unter II; vom 4. Juni 2002 - I ZB 28/01, BGHReport 2002, 1114, II 1 b; jeweils m.w.N.). Ein Nachschieben von Gründen ist unzulässig; lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 Abs. 1 ZPO geboten wäre, dürfen nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden. Selbst wenn die Sachdarstellung des Beklagten in der Beschwerdebegründung nach diesen Maßstäben zu berücksichtigen wäre, wäre dadurch ein Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten nicht ausgeräumt. Denn der Beklagte hat nur ergänzende Angaben zur Identität und zur Zuverlässigkeit der in Fristensachen eingesetzten Kanzleimitarbeiterin, nicht dagegen dazu gemacht, welche Vorkehrungen getroffen worden sind, um si- cherzustellen, dass der Lauf einer Rechtsmittelfrist anhand des allein maßgeblichen Zeitpunkts der Urteilszustellung - und nicht aufgrund eines aufgestempelten Eingangsdatums - ermittelt wird. Ball Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
AG Duisburg, Entscheidung vom 29.09.2009 - 35 C 669/09 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 23.12.2009 - 13 S 220/09 -

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

Ein Schriftstück kann dem Adressaten oder seinem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter durch Aushändigung an der Amtsstelle zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung ist auf dem Schriftstück und in den Akten zu vermerken, dass es zum Zwecke der Zustellung ausgehändigt wurde und wann das geschehen ist; bei Aushändigung an den Vertreter ist dies mit dem Zusatz zu vermerken, an wen das Schriftstück ausgehändigt wurde und dass die Vollmacht nach § 171 Satz 2 vorgelegt wurde. Der Vermerk ist von dem Bediensteten zu unterschreiben, der die Aushändigung vorgenommen hat.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 97/08
vom
20. Oktober 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 B, Fd, Ff
Erteilt ein Rechtsanwalt einer bis dahin sorgfältig arbeitenden Büroangestellten
die konkrete Einzelanweisung, einen von ihm unterzeichneten Antrag auf
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vorab an das Berufungsgericht
zu faxen, ist es ihm nicht als Organisationsverschulden anzurechnen, wenn
die Angestellte dieser Weisung zwar nachkommt, dabei aber die zusätzlich
bestehende, durch die Einzelanweisung nicht außer Kraft gesetzte allgemeine
Anweisung missachtet, bei Faxsendungen - insbesondere bei fristgebundenen
Schriftsätzen - den Versand des Schriftstücks abzuwarten und den
Sendebericht auf die gelungene Übermittlung des Schriftsatzes zu überprüfen.
BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - VIII ZB 97/08 - OLG München
LG München I
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Oktober 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Hessel, den Richter
Dr. Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. November 2008 aufgehoben. Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München vom 23. Juni 2008 gewährt. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 4.881,78 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung rückständiger Leasingraten, auf Schadensersatz wegen vorzeitiger Rückgabe des geleasten Fahrzeugs und auf Ersatz von Abholungskosten in Höhe von insgesamt 8.178,70 € in Anspruch genommen. Das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Landgerichts ist dem Beklagten am 1. Juli 2008 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist am 1. August 2008 beim Oberlandesgericht eingegangen. Mit Schriftsatz vom 28. August 2008 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um drei Wochen bis zum 22. September 2008 beantragt. Das Fristverlängerungsgesuch ist allerdings erst am 2. September 2008 per Telefax und als Einwurf- oder Postsendung am 3. September 2008 beim Oberlandesgericht eingegangen.
2
Der Vorsitzende des zuständigen Senats hat mit Verfügung vom 2. September 2008 die Frist zur Begründung der Berufung um drei Wochen verlängert. Auf den Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22. September 2008, per Telefax am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangen, hat der Vorsitzende eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 30. September 2008 bewilligt. Die Berufungsbegründung des Beklagten ist am 30. September zum Oberlandesgericht gelangt.
3
Mit Verfügung vom 1. Oktober 2008 hat der Vorsitzende den Hinweis erteilt , der Antrag auf Verlängerung dieser Frist sei erst am 2. September und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist per Fax beim Oberlandesgericht eingegangen, weswegen die Fristverlängerungen ins Leere gingen und die Frist zur Berufungsbegründung versäumt sei. Daraufhin hat der Beklagtenvertreter den ursprünglichen Fristverlängerungsantrag wiederholt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und der Frist zur Stellung eines Verlängerungsantrags begehrt.
4
Zur Rechtfertigung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Beklagte vorgetragen und glaubhaft gemacht, eine seit über zwei Jahren in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten tätige, äußerst sorgfältig und gründlich arbeitende Anwaltsgehilfin habe den Auftrag erhalten, das Fristverlängerungsgesuch vom 28. August 2008 vorab an das Oberlandesgericht zu faxen. Sie habe den vom Prozessbevollmächtigten unterzeichneten und in der Unterschriftenmappe an sie zurückgeleiteten Schriftsatz am Abend des 1. September 2008 auf das Faxgerät gelegt. Zuvor habe sie sich im Fristenbuch vergewissert, dass eine Faxsendung an diesem Tag noch rechtzeitig gewesen sei. Wie sich im Nachhinein herausgestellt habe - das zerrissene Sendeprotokoll sei später im zum Schreddern vorgesehenen Altpapier aufgefunden worden -, habe die Mitarbeiterin den Schriftsatz am 1. September 2008 um 16.59 Uhr an die richtige Faxnummer gesendet. Sie habe aber wegen des anstehenden Dienstschlusses ausnahmsweise den Ausdruck des Sendejournals nicht abgewartet und daher nicht erkannt, dass die Faxsendung nicht erfolgreich übermittelt worden sei. Am darauf folgenden Tag sei der Schriftsatz ordnungsgemäß an das Oberlandesgericht gefaxt worden.
5
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dabei hat es ausgeführt, es sei nicht glaubhaft gemacht, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Sorgfalt eines ordentlichen Anwalts eingehalten habe und der Fristverstoß ausschließlich auf ein - dem Beklagten nicht zuzurechnendes - Verschulden des Büropersonals zurückzuführen sei. Eine Glaubhaftmachung setze voraus, dass die eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen überwiegend wahrscheinlich seien. Hieran fehle es, wenn der Sachvortrag - wie hier - widersprüchlich und damit nicht nachvollziehbar sei. Es sei nicht ersichtlich , weshalb das Fristverlängerungsgesuch vom 28. August 2008 nicht bis zum Ablauf des 1. September 2008 übermittelt worden sei. Daher sei eine ausreichende Beurteilungsgrundlage für ein fehlendes Verschulden des Beklagtenvertreters nicht vorhanden.
6
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde. Der Beklagte macht in erster Linie geltend, die gewährte Fristverlängerung sei trotz ihrer Fehlerhaftigkeit wirksam, so dass die Berufungsbegründungsfrist gewahrt sei. Falls gleichwohl eine Fristversäumung bejaht werde, sei jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn die verspätete Übermittlung des Fristverlängerungsgesuchs beruhe ausschließlich auf einem - dem Beklagten nicht anzulastenden - Fehlverhalten der Bürokraft seines Prozessbevollmächtigten. Das Oberlandesgericht habe unter Verletzung der verfassungsrechtlich verbürgten Grundsätze auf Gewährung rechtlichen Gehörs und auf Einhaltung eines fairen Verfahrens davon abgesehen, den Beklagten auf eine erforderliche Ergänzung seines Vorbringens hinzuweisen. Die vom Gericht geäußerten Zweifel an der Nachvollziehbarkeit und Wahrscheinlichkeit des geschilderten Geschehensablaufs hätten - soweit überhaupt erheblich - durch einfache Erläuterungen ausgeräumt werden können. Da das Oberlandesgericht die gebotenen Hinweise unterlassen habe, könne der Beklagte ergänzende Angaben nachholen.

II.

7
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die angegriffene Entscheidung ist unter Missachtung des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung rechtli- chen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ergangen und verletzt zudem den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Denn sie überspannt in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise die Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes (vgl. Senatsbeschluss vom 16. November 2004 - VIII ZB 32/04, NJWRR 2005, 1006, unter III 2 m.w.N.).
9
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Zwar hat der Beklagte die Frist zur Berufungsbegründung versäumt. Ihm ist aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden daran gehindert war, diese Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Nach dem glaubhaft gemachten und im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzten Vorbringen des Beklagten beruht das Fristversäumnis ausschließlich auf einem - weder dem Prozessbevollmächtigten noch der von ihm vertretenen Partei anzulastenden (§ 85 Abs. 2 ZPO) - Fehlverhalten der mit der Versendung des Fristverlängerungsantrags vom 28. August 2008 beauftragten Büroangestellten.
10
a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat der Beklagte die Frist zur Begründung seiner am 1. August 2008 eingelegten Berufung versäumt. Dem am 2. September 2008, also einen Tag nach Ablauf der Berufungsbegründungfrist (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO), eingegangenen Fristverlängerungsgesuch hätte der Vorsitzende des zuständigen Berufungssenats nicht stattgeben dürfen. Denn eine abgelaufene Frist kann - was letztlich auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel zieht - nicht verlängert werden. Die gleichwohl gewährte Fristverlängerung blieb damit - wie auch das Berufungsgericht nachträglich erkannt hat - ohne Wirkung. Dies hat der Bundesgerichtshof im Jahr 1991 unter ausdrücklicher Aufgabe der von der Rechtsbeschwerde angeführten gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden (BGHZ 116, 377, 378 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Januar 1996 - XII ZB 184/95, NJW-RR 1996, 513, unter II 2). Dem hat sich das Schrifttum überwiegend angeschlossen (Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 520 Rdnr. 16a; Musielak /Ball, ZPO, 7. Aufl., § 520 Rdnr. 12; Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 520 Rdnr. 15; aA MünchKommZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl., § 520 Rdnr. 19).
11
b) Dem Beklagten ist aber auf sein rechtzeitig angebrachtes Gesuch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Die Fristversäumung beruht nach den glaubhaft gemachten Angaben des Beklagten nicht auf einem - ihm zuzurechnenden - Eigenverschulden seines Prozessbevollmächtigten, sondern allein auf einer fehlerhaften Erledigung der dessen Büropersonal übertragenen Aufgaben.
12
aa) Ein Rechtsanwalt hat zwar durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen , dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Er muss aber nicht jeden zur Fristwahrung erforderlichen Arbeitsschritt persönlich ausführen, sondern ist grundsätzlich befugt, einfachere Verrichtungen zur selbständigen Erledigung seinem geschulten Personal zu übertragen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2007 - II ZB 20/07, NJW-RR 2008, 576, Tz. 15; vom 4. April 2007 - III ZB 109/06, NJW-RR 2007, 1429, Tz. 7; vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, unter 1; jeweils m.w.N.). Dies gilt auch für die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes mittels eines Telefaxgerätes (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2007, aaO; vom 4. April 2007, aaO; vom 14. Februar 2006 - VI ZB 44/05, NJW 2006, 1521, Tz. 12; vom 11. Februar 2003, aaO; vgl. ferner Senatsbeschluss vom 17. Juli 2007 - VIII ZB 107/06, juris , Tz. 4; jeweils m.w.N.).
13
bb) Diesen Anforderungen hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten genügt. Er hat seiner seit zwei Jahren in seinem Büro tätigen Angestellten, die sich bis dahin als sorgfältig und zuverlässig erwiesen hatte, die konkrete Einzelanweisung erteilt, das ihr rechtzeitig zum 1. September 2008 in einer Unterschriftenmappe zugeleitete, vom Beklagtenvertreter unterzeichnete Fristverlängerungsgesuch vorab per Fax an das Berufungsgericht zu übermitteln. Bei ordnungsgemäßer Befolgung dieser Weisung und bei Beachtung der - sie ergänzenden - allgemeinen Anweisungen über die bei Faxsendungen einzuhaltende Verfahrensweise wäre der rechtzeitige Eingang eines formgerechten Fristverlängerungsantrags (§ 130 Nr. 6 ZPO) beim Berufungsgericht gewährleistet gewesen. Der Beklagte hat im Rechtsbeschwerdeverfahren unter Bezugnahme auf die bereits dem Berufungsgericht vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten ergänzend vorgetragen, im Büro seines Prozessbevollmächtigten bestehe die allgemeine Anweisung, bei Faxsendungen - insbesondere bei fristgebundenen Schriftsätzen - den Versand des Schriftstücks abzuwarten und den Sendebericht auf die gelungene Übermittelung des Schriftsatzes (Aufdruck "OK") zu überprüfen. Damit hat er nach seinem glaubhaft gemachten Vorbringen ausreichende organisatorische Maßnahmen für eine rechtzeitige Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen getroffen.
14
cc) Das Berufungsgericht hat gleichwohl ausreichenden Vortrag zu der Handhabung von Sendeprotokollen und zur Gewährleistung der Ausgangskontrolle vermisst. Es hat letztlich aus dem der Angestellten unterlaufenen Fehler und dem Umstand, dass der ursprüngliche Sendebericht zum Altpapier gelangt ist, den Schluss auf eine unzureichende Büroorganisation bei der Versendung von Telefaxen gezogen. Dem ist nicht zu folgen.
15
Zunächst hätte das Berufungsgericht seine Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch nicht auf die vom ihm beanstandete Lückenhaftigkeit des Beklagtenvorbringens stützen dürfen, ohne vorher auf bestehende Bedenken hinzuweisen und dem Beklagten die Möglichkeit zu geben, Unklarheiten auch nach Ablauf der in § 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 ZPO geregelten Frist auszuräumen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juni 2007 - XII ZB 232/06, NJW 2007, 3212, Tz. 5, 8; vom 19. Juni 2006 - II ZB 25/05, NJW-RR 2006, 1501, Tz. 9, 13; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 4. März 2004 - IX ZB 71/03, FamRZ 2004, 1552, unter [II 2] b, jeweils m.w.N.). Auf einen solchen Hinweis hätte der Beklagte dem Berufungsgericht - wie nun in der Rechtsbeschwerde geschehen - nachvollziehbar erläutern können, dass das Faxjournal vom 1. September 2008 deswegen in den Altpapierbehälter gelangt ist, weil sich die Anweisung, die Journale zu den Akten zu nehmen, nur auf Sendeberichte bezog, die eine erfolgreiche Übermittlung dokumentierten. Angesichts der klaren Weisung, die erfolgreiche Versendung eines Schriftstücks per Fax abzuwarten, besteht und bestand für den Beklagtenvertreter keine Veranlassung, auch Sendeprotokolle über fehlgeschlagene Sendungen aufzubewahren. Soweit das Berufungsgericht Vortrag des Beklagten dazu vermisst hat, wer und aus welchen Gründen die fehlgeschlagene Faxübermittlung erneut am Folgetag in die Wege geleitet hat, hat der Beklagte im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzend vorgetragen, eine seiner zwei weiteren Mitarbeiterinnen habe die Versendung erfolgreich vorgenommen. Dieses Vorbringen steht nicht in Widerspruch zu der eidesstattlichen Versicherung der ursprünglich mit der Angelegenheit betrauten Bürokraft. Diese hat lediglich erklärt, sich nach dem 1. September 2008 nicht mehr persönlich mit der Sache befasst zu haben.
16
Soweit das Berufungsgericht eine lückenlose Darlegung aller weiteren im konkreten Fall angefallenen Arbeitsschritte und ergriffenen Maßnahmen verlangt , überspannt es die Anforderungen an die Darlegung eines ordnungsgemäßen Bürobetriebs. Es ist unerheblich, wann der Kanzleikraft das vom Beklagtenvertreter unterzeichnete Schriftstück zugegangen ist. Der Beklagtenvertreter war auch nicht gehalten, die Bürokraft anzuweisen, den Schriftsatz sofort nach Erhalt an das Gericht zu faxen. Laufende Fristen dürfen grundsätzlich ausgeschöpft werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - III ZB 73/07, juris, unter 2). Auch sonstige Maßnahmen waren vom Beklagtenvertreter nicht zu fordern. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die mit der Erledigung der Aufgabe betraute Angestellte bereits in der Vergangenheit die Versendung fristgebundener Schriftstücke bis kurz vor Dienstschluss zurückstellte und die übertragene Aufgabe dann aus Zeitgründen nicht mehr ordnungsgemäß ausführte. Ob der Beklagtenvertreter seiner Angestellten die Anweisung erteilt hat, sich zu vergewissern, dass das Fristverlängerungsgesuch unterzeichnet war, ist im Streitfall ohne Bedeutung. Denn das Schriftstück war nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Beklagten ordnungsgemäß unterschrieben. Unerheblich ist schließlich auch, ob und welche Anweisung über die Notierung erledigter Fristen bestand. Die Fristversäumung beruhte ausschließlich auf anderen Gründen.
17
dd) Dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten kann auch nicht angelastet werden, dass er die Ausführung der ausgegebenen Anweisungen nicht überwacht hat. Die seiner Mitarbeiterin erteilte Anweisung, das unterzeichnete Fristverlängerungsgesuch - aus Gründen der Fristwahrung - per Fax an das Berufungsgericht zu übermitteln, hatte - ebenso wie die daneben bestehende grundsätzliche Weisung, den Sendebericht abzuwarten und darauf zu überprüfen , ob die Übermittlung erfolgreich durchgeführt wurde - einfache Aufgaben zum Gegenstand. Bei solchen Tätigkeiten darf ein Rechtsanwalt regelmäßig darauf vertrauen, eine ansonsten zuverlässig und sorgfältig arbeitende Bürokraft werde sie fehlerfrei erledigen (Senatsbeschluss vom 17. Juli 2007, aaO; BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2007, aaO; vom 4. April 2007, aaO; vom 11. Februar 2003, aaO; jeweils m.w.N.). Ihn trifft keine Verpflichtung, sich anschließend zu vergewissern, ob die Weisung ordnungsgemäß ausgeführt wurde (Senatsbeschluss vom 29. Juli 2003 - VIII ZB 107/02, FamRZ 2003, 1650; BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 2008 - III ZB 54/08, NJW 2009, 296, Tz. 10; vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03, NJW-RR 2004, 711, unter II; jeweils m.w.N.). Dies gilt in gleicher Weise für allgemeine Weisungen und für konkrete Anweisungen im Einzelfall (BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2003, aaO, m.w.N.; vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98, VersR 1999, 1170, unter [II] 2 b bb; jeweils m.w.N.). Dass der Beklagtenvertreter am Tag des Fristablaufs aufgrund eines auswärtigen Gerichtstermins daran gehindert war, die Ausführung der seiner Kanzleimitarbeiterin übertragenen Aufgabe zu überwachen, begründet damit kein eigenes Verschulden des Anwalts.
18
ee) Der verspätete Zugang des Fristverlängerungsgesuchs beruht damit ausschließlich auf einem dem Beklagten nicht zuzurechnenden Fehlverhalten der Büroangestellten seines Prozessbevollmächtigten. Dem Beklagten ist auch nicht als Verschulden anzulasten, dass sein Prozessvertreter von der Möglichkeit einer Fristverlängerung Gebrauch gemacht hat. Denn dieser durfte darauf vertrauen, dass den - unter Darlegung eines erheblichen Grundes im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestellten und nicht von der Zustimmung des Gegners abhängigen - Verlängerungsanträgen stattgegeben wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. März 2009, VIII ZB 55/06, NJW-RR 2009, 933, Tz. 12; vom 11. Sep- tember 2007 - VIII ZB 73/05, juris, Tz. 7; BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06, juris, Tz. 6; vom 4. März 2004 - IX ZB 121/03, NJW 2004, 1742, unter 2; jeweils m.w.N.). Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Schneider Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 23.06.2008 - 35 O 18550/07 -
OLG München, Entscheidung vom 17.11.2008 - 18 U 4079/08 -

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 20/99
vom
13. Januar 2000
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Der mit der Durchführung der Berufung beauftragte Korrespondenzanwalt kann die
Feststellung und Berechnung der Berufungsfrist seinem ausgebildeten und überwachten
Büropersonal überlassen, wenn der erstinstanzliche Anwalt das Datum der
Urteilszustellung in einem mit dem Urteil übersandten Schreiben mitteilt.
BGH, Beschluß vom 13. Januar 2000 - VII ZB 20/99 - OLG München
LG Landshut
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Januar 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Thode,
Dr. Haß, Dr. Kniffka und Wendt

beschlossen:
Auf die Beschwerde der Beklagten zu 2 bis 4 wird der Beschluß des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 7. Juli 1999 aufgehoben. Den Beklagten zu 2 bis 4 wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 25. März 1999 gewährt.

Gründe:

1. Die Beklagten zu 2 bis 4 (im folgenden: Beklagte) sind durch Urteil des Landgerichts L. gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 101.456,86 DM nebst Zinsen verurteilt worden. Das Urteil ist dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 31. März 1999 zugestellt worden. Dieser hat es an die jetzigen Prozeßbevollmächtigten weitergeleitet, die in erster Instanz als Korrespondenzanwälte tätig waren. Die Berufung wurde nach Ablauf der Berufungsfrist am 3. Mai 1999 eingelegt. Die Beklagten haben Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Sie haben vorgetragen, die Eingangspost werde von einer ausgebil-
deten und erfahrenen Büroangestellten auf Fristensachen kontrolliert. Die Frist würde im Hauptterminkalender notiert. Dabei sei irrtümlich die Berufungsfrist auf den 3. Mai 1999 eingetragen worden. Die Büroangestellte würde durch die Bürovorsteherin kontrolliert. Beiden sei der Irrtum nicht aufgefallen. 2. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Dazu hat es ausgeführt, der Anwalt dürfe zwar die Berechnung einfacher Fristen geschulten und zuverlässigen Mitarbeitern seines Büros übertragen. Um eine derartige Angelegenheit handele es sich jedoch nicht. Das Zustellungsdatum sei ausweislich des Deckblatts des erstinstanzlichen Urteils weder durch den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten mitgeteilt worden noch habe es dieser auf dem Urteil vermerkt. Auf Seite 1 des Urteils befinde sich lediglich der Eingangsstempel mit dem Datum: "31. März 1999". Die Büroangestellten hätten nicht nur die Berufungsfrist berechnen und notieren, sondern auch erkennen müssen, daß die Frist durch den Korrespondenzanwalt, den späteren zweitinstanzlichen Anwalt, zu wahren sei; zudem hätten sie das Datum der Zustellung ermitteln müssen. Es sei nicht vorgetragen , daß organisatorisch die differenzierte Behandlung von einfachen und nicht einfachen Fristen sicher gestellt sei. 3. Dagegen wenden sich die Beklagten mit der sofortigen Beschwerde. Darin machen sie geltend, es habe sich um eine einfache Frist gehandelt. Denn der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte habe das Zustellungsdatum in dem Schreiben vom 1. April 1999 vermerkt, mit dem er das Urteil übersandt habe. 4. Die Beschwerde hat Erfolg.
Die Beklagten haben glaubhaft gemacht, daß sie ohne ihr Verschulden gehindert waren, die Berufungsfrist einzuhalten. Ihnen ist deshalb wegen Versäumung dieser Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 233 ZPO. Aus dem mit der Beschwerde vorgelegten Schreiben des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vom 1. April 1994 ergibt sich, daß das landgerichtliche Urteil am 31. März 1999 zugestellt worden ist. Nach diesem ergänzten und glaubhaften Vortrag trifft den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten kein Verschulden an der Fristversäumung.
a) Der Rechtsanwalt darf in einfach gelagerten Fällen die Feststellung des Fristbeginns und die Berechnung der Frist gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büroangestellten überlassen (BGH, Beschluß vom 12. Februar 1965 - IV ZR 231/63 = BGHZ 43, 148, 153; Beschluß vom 30. Oktober 1979 - VI ZB 10/79 = VersR 1980, 192). Die Beklagten haben durch Vorlage des Schreibens vom 1. April 1994 und durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht, daß ein solcher Fall vorlag. Die Berechnung der Berufungsfrist war einfach. Aus dem Schreiben des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten ergab sich zweifelsfrei, wann das landgerichtliche Urteil zugestellt worden ist. Es bestehen keine Bedenken, die Feststellung des Fristbeginns in einem solchen Fall den gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büroangestellten zu überlassen. Insofern liegt der Fall anders als der vom Berufungsgericht herangezogene Fall (BGH, Beschluß vom 26. September 1996 - V ZB 25/96 = NJW-RR 1997, 55). Denn in diesem Fall war das Zustellungsdatum nicht zweifelsfrei mitgeteilt worden, so daß es dem Kanzleipersonal überlassen blieb, dieses anderweitig zu ermitteln.

b) Der in der Beschwerde nachgeholte Vortrag der Beklagten war zu berücksichtigen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war, nach Ablauf der Antragsfrist mit der Beschwerde ergänzt werden können (BGH, Beschluß vom 6. Mai 1999 - VII ZB 6/99 = NJW 1999, 2284). So liegt es hier. Das Berufungsgericht hat nicht aufgeklärt, ob der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte dem Korrespondenzanwalt das Zustellungsdatum mitgeteilt hat. Es ist vielmehr ohne weiteres davon ausgegangen, daß lediglich das Urteil übersandt worden ist. Mit Rücksicht darauf, daß die Beklagten in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch nichts dazu vorgetragen haben, woraus sich das richtige Zustellungsdatum ergab, hätte das Berufungsgericht zu diesem erkennbar übersehenen Aspekt Gelegenheit zur Ergänzung geben müssen. Ullmann Thode Haß Kniffka Wendt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 399/01
vom
5. November 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO §§ 212 a.F., 233 Fb, Fd
Wenn ein Rechtsanwalt, der ein Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung
unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne das Datum der Zustellung in den Handakten
vermerkt zu haben, seine Bürokraft nur mündlich anweist, eine Rechtsmittelfrist
einzutragen, genügt er seiner Sorgfaltspflicht nur dann, wenn in seiner Kanzlei ausreichende
organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen sind, daß eine korrekte
Fristeintragung erfolgt.
BGH, Beschluß vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. November 2002 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederich-
sen sowie die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Der Antrag des Beklagten zu 3) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist wird zurückgewiesen.
Die Revision des Beklagten zu 3) gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 19. September 2001 wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte zu 3) trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gegenstandswert: 189.015, 66 DM)

Gründe:

I.


Das am 19. September 2001 verkündete Urteil des Oberlandesgerichts ist dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 3) (zukünftig : Beklagter) am 15. Oktober 2001 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 19. November 2001 erteilte der Beklagte den Auftrag, gegen das Urteil des Oberlandesgerichts, das am 17. Oktober 2001 zugestellt worden sei, Revision einzulegen. Am selben Tage ging die Revisionsschrift beim Bundesgerichtshof ein. Nach Eingang der Revisionsbegründung wies der Berichterstatter mit Ver-
fügung vom 17. Juli 2002, dem Revisionsanwalt zugegangen am 19. Juli 2002, darauf hin, daß die Zustellung des Berufungsurteils laut Empfangsbekenntnis am 15. Oktober 2001 erfolgt sei. Mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz vom 2. August 2002 begehrt der Beklagte unter Bezugnahme auf die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist. Zur Begründung führt er aus: Am 15. Oktober 2001 sei das Berufungsurteil im Büro des Berufungsanwalts eingegangen. Mit der Behandlung des Posteingangs, der Führung des Terminkalenders und der Fristenkontrolle sei zu jener Zeit die ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte S. betraut gewesen. Diese habe am selben Tag das Urteil nebst Empfangsbekenntnis dem Berufungsanwalt vorgelegt. Dieser habe das mit dem Datum des 15. Oktober 2001 vorbereitete Empfangsbekenntnis unterschrieben, mit ihr das weitere Vorgehen besprochen und insbesondere darauf hingewiesen, daß die Revisionsfrist entsprechend dem Eingangsstempel und Eingangsdatum zu notieren sei. Frau S. habe allerdings versehentlich nicht auch das Urteil mit dem Eingangsstempel 15. Oktober 2001 abgestempelt. Sie führe dies darauf zurück, daß sie es dem Berufungsanwalt aufgrund einer ausdrücklichen Weisung sofort vorgelegt habe, ohne - wie sonst üblich - sämtlichen Posteingang komplett abzustempeln. Nach Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses durch den Berufungsanwalt habe sie dieses vom Urteil entfernt und zum Postausgang für das Berufungsgericht gereicht, ohne nochmals zu überprüfen, ob auch das Urteil einen Eingangsstempel enthielt. Frau S. habe die Sache dann am 17. Oktober 2001 bearbeitet und das Urteil mit diesem aktuellen Tagesstempel versehen. Ausgehend von diesem Zustellungsdatum habe sie die Revisionsfrist auf Montag, den 19. November
2001 berechnet und in dem Schreiben an den eingeschalteten Korrespondenzanwalt mitgeteilt. Diese Mitteilung habe der Berufungsanwalt erst unterschrie- ben, nachdem ihm Frau S. auf Nachfrage bestätigt habe, daß der Eingangsstempel des Urteils den 17. Oktober 2001 ausweise und die Frist am Montag, dem 19. November 2001, ende. Am Nachmittag des 17. Oktober 2001 sei ihr der falsche Eingangsstempel aufgefallen. Sie habe das Datum dann aber - vermutlich wegen eines Migräneanfalls - lediglich in der Akte korrigiert.

II.

Die Revision ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 554 a Abs. 2 ZPO a.F.). Sie ist erst am 19. November 2001 und damit nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat ab Zustellung des Berufungsurteils (§ 552 ZPO a.F.) am 15. Oktober 2001 eingelegt worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist kann dem Beklagten nicht gewährt werden. Der Antrag ist zwar zulässig und insbesondere innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 und 2 ZPO eingegangen. Er erweist sich jedoch als unbegründet. 1. Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren , wenn eine Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Dies ist hier nicht der Fall. Die Versäumung der Revisionsfrist beruht auf einem Verschulden des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, das sich der Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Wie der Beklagte selbst vorträgt, ist es zur Fristversäumung gekommen, weil dem mit der Revisionseinlegung beauftragten Rechtsanwalt nicht das richtige Zustellungsdatum mitgeteilt worden ist. Dazu sei es gekommen, weil der Berufungsanwalt angenommen habe, sein mündlicher Hinweis an Frau S. beim
Unterschreiben des Empfangsbekenntnisses, die Revisionsfrist entsprechend dem Eingangsstempel und Eingangsdatum zu notieren, sei richtig ausgeführt worden, und das Datum des Eingangsstempels auf dem Berufungsurteil stimme - gemäß der Antwort bei der Nachfrage am 17. Oktober 2001 - mit dem Datum der Urteilszustellung überein. Damit hat der Berufungsanwalt seiner Sorgfaltspflicht indessen nicht genügt.
a) Die ordnungsgemäße und insbesondere fristgerechte Erteilung des Rechtsmittelauftrags machte es nämlich erforderlich, das für den Lauf der Rechtsmittelfrist maßgebliche Datum der Urteilszustellung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zu ermitteln und festzuhalten (vgl. Senatsbeschluß vom 7. März 1995 - VI ZB 3/95 - VersR 1995, 931, 932; BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 - NJW 1992, 574; Beschluß vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 16/93 - VersR 1994, 873, 874; Beschluß vom 7. Dezember 1993 - XI ZR 207/93 - VersR 1994, 956). Da es für den Fristbeginn im Falle einer Zustellung gem. § 212 a ZPO a.F. darauf ankommt, wann der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis unterzeichnet hat, bedarf es darüber eines besonderen Vermerks (Senatsbeschluß vom 16. April 1996 - VI ZR 362/95 - NJW 1996, 1968, 1969). Um zu gewährleisten, daß ein solcher Vermerk angefertigt wird und das maßgebende Datum zutreffend wiedergibt, darf der Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, daß die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (Senatsbeschluß vom 26. März 1996 - VI ZB 1,2/96 - NJW 1996, 1900, 1901; vgl. BGH, Beschluß vom 30. November 1994 - XII ZB 197/94 - BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 1 m.w.N.). Dieses Sorgfaltsgebot hat der Berufungsanwalt verletzt, als er am 15. Oktober 2001 das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne zuvor die Notierung der Rechtsmittelfrist sichergestellt zu haben.
Zwar braucht ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht die Erledigung jeder konkreten Einzelanweisung zu überwachen. Im allgemeinen darf er vielmehr darauf vertrauen, daß eine sonst zuverlässige Büroangestellte auch mündliche Anweisungen richtig befolgt (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87 - VersR 1988, 185 f.). Wenn aber ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Rechtsmittelfrist nur mündlich vermittelt wird, müssen in der Rechtsanwaltskanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, daß die Anweisung in Vergessenheit gerät und die konkrete Fristeintragung unterbleibt (vgl. Senatsbeschluß vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01 - zur Veröffentlichung bestimmt; BAGE 78, 184, 186). Den Berufungsanwalt des Beklagten trifft ein Organisationsverschulden, weil er keine Vorkehrungen dagegen getroffen hat, daß die Umsetzung seines mündlichen Hinweises unterblieb. Ob und gegebenenfalls auf welche Weise im Büro des Berufungsanwalts die Ausführung mündlich erteilter Anweisungen kontrolliert wurde, ist nicht dargelegt. Der allgemeine Vortrag, die Arbeiten der Bürofachangestellten würden wöchentlich stichprobenartig kontrolliert, reicht hierfür nicht aus. Auch fehlt jeder Vortrag dazu, in welcher Weise in dem Anwaltsbüro die Notierung von Fristen kontrolliert wird. Dieses Fehlen jeder Sicherung bedeutet einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 -, aaO). Im übrigen erfolgte hier aufgrund einer ausdrücklichen Anweisung des Berufungsanwalts eine vom üblichen Ablauf abweichende Handhabung. Dies gab in besonderer Weise Anlaß sicherzustellen , daß die konkrete Fristeintragung richtig erfolgte.
b) Die Anfertigung eines Vermerks über das Datum der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses ist auch dann notwendig, wenn die Anweisung besteht, eine mit einem Eingangsstempel versehene Urteilsausfertigung zu den Handakten zu nehmen, denn ein solcher Stempel besagt für den Zeitpunkt der Zustellung nichts. Es besteht die Gefahr, daß dieses Datum nicht mit dem allein
maßgeblichen Datum übereinstimmt, unter dem der Anwalt das Empfangsbekenntnis gem. § 212 a ZPO a.F. unterzeichnet hat (BGH, Beschluß vom 13. März 1991 - XII ZB 22/91 - VersR 1992, 118, 119 m.w.N.). Demgemäß liegt ein weiterer Sorgfaltsverstoß des Berufungsanwalts der Beklagten darin, daß er am 17. Oktober 2001 zwar nach der Übereinstimmung zwischen dem Eingangsstempel auf dem Urteil und der Mitteilung des Ablaufs der Revisionsfrist an den Korrespondenzanwalt fragte, jedoch nicht nachprüfte, ob die Mitteilung mit dem - für die Fristwahrung ausschlaggebenden Empfangsbekenntnis – übereinstimmte.
c) Das Versäumnis des Berufungsanwalts war für die Versäumung ursächlich. Wenn er das Empfangsbekenntnis erst nach Anfertigung eines Vermerks über das Datum der Unterzeichnung zurückgegeben hätte, wäre der Revisionsanwältin nicht ein falsches Zustellungsdatum mitgeteilt worden. Vielmehr ist davon auszugehen, daß ihr das in dem Vermerk notierte und für den Beginn der Rechtsmittelfrist maßgebende Datum genannt und die Revision demgemäß rechtzeitig eingelegt worden wäre. 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

Ein Schriftstück kann dem Adressaten oder seinem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter durch Aushändigung an der Amtsstelle zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung ist auf dem Schriftstück und in den Akten zu vermerken, dass es zum Zwecke der Zustellung ausgehändigt wurde und wann das geschehen ist; bei Aushändigung an den Vertreter ist dies mit dem Zusatz zu vermerken, an wen das Schriftstück ausgehändigt wurde und dass die Vollmacht nach § 171 Satz 2 vorgelegt wurde. Der Vermerk ist von dem Bediensteten zu unterschreiben, der die Aushändigung vorgenommen hat.

Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.

(1) Zum Nachweis der Zustellung nach den §§ 171, 177 bis 181 ist eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen. Für diese Zustellungsurkunde gilt § 418.

(2) Die Zustellungsurkunde muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Person, der zugestellt werden soll,
2.
die Bezeichnung der Person, an die der Brief oder das Schriftstück übergeben wurde,
3.
im Falle des § 171 die Angabe, dass die Vollmachtsurkunde vorgelegen hat,
4.
im Falle der §§ 178, 180 die Angabe des Grundes, der diese Zustellung rechtfertigt und wenn nach § 181 verfahren wurde, die Bemerkung, wie die schriftliche Mitteilung abgegeben wurde,
5.
im Falle des § 179 die Erwähnung, wer die Annahme verweigert hat und dass der Brief am Ort der Zustellung zurückgelassen oder an den Absender zurückgesandt wurde,
6.
die Bemerkung, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthält, vermerkt ist,
7.
den Ort, das Datum und auf Anordnung der Geschäftsstelle auch die Uhrzeit der Zustellung,
8.
Name, Vorname und Unterschrift des Zustellers sowie die Angabe des beauftragten Unternehmens oder der ersuchten Behörde.

(3) Die Zustellungsurkunde ist der Geschäftsstelle in Urschrift oder als elektronisches Dokument unverzüglich zurückzuleiten.

Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 127/00
vom
10. Januar 2001
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2001 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne,
Gerber und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 22. Mai 2000 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen. Wert: 40.242 DM.

Gründe:

I.

Das Urteil des Landgerichts vom 22. Februar 2000 wurde dem Beklagten zu Händen seiner Prozeßbevollmächtigten am 25. Februar 2000 zugestellt. Mit einem am 23. März 2000 per Telefax übermittelten Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten hat der Beklagte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 2. Mai 2000, eingegangen an diesem Tage, hat er die Berufung begründet und gleichzeitig wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er in diesem Schriftsatz ausgeführt, sein Prozeßbevollmächtigter habe sofort bei Zustellung des Urteils am 25. Februar 2000 seine erfahrene Rechtsanwaltsgehilfin angewiesen, im Fristenkalender die Berufungsfrist und die Berufungsbe-
gründungsfrist zu notieren. Sie habe zwar die Berufungsfrist eingetragen, versehentlich aber die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist versäumt. Erst am 28. April 2000 sei "im Zuge der allgemeinen Bearbeitung der im Sekretariat liegenden Akten" das Versehen aufgefallen. Mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 15. Mai 2000 hat der Kläger darauf hingewiesen, bei Zustellung des Urteils am 25. Februar 2000 habe die Berufungsbegründungsfrist noch nicht zuverlässig ermittelt werden können, da diese nicht ab Zustellung des Urteils, sondern erst ab Einlegung der Berufung zu laufen beginne. Mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 24. Mai 2000, bei Gericht per Telefax eingegangen an diesem Tage, hat der Beklagte erwidert, sein Prozeßbevollmächtigter pflege die Berufungsfrist voll auszuschöpfen, so daß schon bei Zustellung des Urteils die Frist für die Berufungsbegründung berechnet werden könne. Dies habe die Rechtsanwaltsgehilfin auch getan und sie mit einer entsprechenden Vorfrist in den Fristenkalender eingetragen. Da in diesem Falle die Berufung jedoch zwei Tage vor Fristablauf am 23. Februar 2000 eingelegt worden sei, habe sein Prozeßbevollmächtigter die Rechtsanwaltsgehilfin ausdrücklich angewiesen, die Berufungsbegründungsfrist und die Vorfrist entsprechend zu korrigieren. Das habe die Rechtsanwaltsgehilfin jedoch versäumt. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten. Er macht nunmehr geltend, die Rechtsanwaltsgehilfin habe auf die Anweisung seines Prozeßbevollmächtigten hin, die eingetragenen Fristen zu korrigieren,
zwar die eingetragene Berufungsbegründungsfrist gestrichen, es aber versäumt , die neue Frist einzutragen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach § 519 b Abs. 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zu Recht als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung begründet worden ist (§§ 519 Abs. 2, 519 b Abs. 1 ZPO). Den Antrag des Beklagten , ihm wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, hat es zu Recht zurückgewiesen. Nach § 233 ZPO darf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nur gewährt werden, wenn die Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Ein Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten (nicht: ein Verschulden von dessen Büropersonal) ist der Partei zuzurechnen (§ 85 ZPO). Nach § 236 Abs. 2 ZPO muß der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung die Angaben enthalten, aus denen sich ergibt, daß die Versäumung der Frist unverschuldet war. Aus der Darstellung, die der Beklagte in seiner Antragsschrift vom 2. Mai 2000 gegeben hat, läßt sich das jedoch nicht herleiten. Aus ihr ergibt sich lediglich, daß der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten sein Büropersonal angewiesen habe, schon bei der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils nicht nur die Berufungsfrist, sondern auch die Berufungsbegrün-
dungsfrist zu berechnen und einzutragen. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß eine zu diesem Zeitpunkt durchgeführte hypothetische Berechnung der Berufungsbegründungsfrist, die davon ausgegangen wäre, daß die Berufung am letzten Tag der Berufungsfrist eingelegt würde, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht verhindert hätte, weil die Berufung zwei Tage vor Ablauf der Berufungsfrist eingelegt worden ist und die Berufungsbegründungsfrist von da an lief. Die Eintragung solcher hypothetischer Berufungsbegründungsfristen im Fristenkalender birgt eine besondere Gefahrenquelle und es ist erforderlich, durch besondere organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, daß die eingetragene Frist anhand der gerichtlichen Bestätigung über den Eingang der Berufung überprüft wird (st.Rspr. des Senats, vgl. Beschluß vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99 - BGHR-ZPO § 233 Fristverlängerung 19 m.N.). Die Begründung des Beklagten in dem Wiedereinsetzungsgesuch vom 2. Mai 2000 enthält (noch) keinen Hinweis darauf, daß in dem Büro seines Prozeßbevollmächtigten solche organisatorischen Maßnahmen vorgesehen waren. Hätte eine solche Überprüfung stattgefunden, wäre der damals behauptete Fehler aufgedeckt worden. Ob die spätere Sachdarstellung des Beklagten in dem Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 24. Mai 2000 und in der Begründung der sofortigen Beschwerde die Versäumung der Frist hinreichend entschuldigen könnte und ob der Beklagte diesen neuen Vortrag, der - worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist - im eindeutigen Widerspruch zu seinem früheren Vortrag steht, hinreichend glaubhaft gemacht hat, kann dahingestellt bleiben. Die darin enthaltene neue Sachdarstellung kann nämlich nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht rechtzeitig in das Verfahren eingeführt worden ist. Alle Tatsachen , die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, müssen innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vor-
getragen werden (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO). Ein Nachschieben von Gründen nach Fristablauf ist unzulässig. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, dürfen nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden (Senatsbeschluß vom 20. Mai 1992 - XII ZB 43/92 - BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Begründung 6; BGH, Beschluß vom 28. Februar 1991 - IX ZB 95/90 - BGHR aaO Begründung 4; Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl. § 236 Rdn. 6 a, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Die ursprüngliche Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs enthielt eine in sich geschlossene Darstellung und erschien in keinem Punkt ergänzungsbedürftig. Die neue Sachdarstellung des Beklagten ergänzt sie nicht, sondern erklärt sie in einem entscheidenden Punkt für unrichtig und fügt neue Vorgänge hinzu, die nicht an die ursprüngliche Sachdarstellung anknüpfen. Nach der ursprünglichen Schilderung hat die Anwaltsgehilfin nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils trotz einer ausdrücklichen Anweisung des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten es versäumt, die hypothetisch berechnete Berufungsbegründungsfrist einzutragen. Nach der neuen Sachdarstellung hat sie sie eingetragen und ist später - nach der Einlegung der Berufung - angewiesen worden, sie zu korrigieren, hat sie aber aus Versehen lediglich gestrichen. Für eine solche wesentliche Ä nderung des Vortrags nach Ablauf der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO läßt das Gesetz keinen Raum (BGH, Beschluß vom 28. Februar 1991 aaO). Der Beklagte trägt selbst vor, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 28. April 2000 festgestellt, daß die Berufungsbegründungsfrist versäumt sei.
Jedenfalls von diesem Zeitpunkt an lief die Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 ZPO, innerhalb derer die Wiedereinsetzung beantragt werden muß. Diese Frist war abgelaufen, als der Beklagte mit Schriftsatz vom 24. Mai 2000 seine neue Sachdarstellung erstmals in den Prozeß eingeführt hat. Blumenröhr Krohn Hahne Gerber Wagenitz

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 28/01
vom
4. Juni 2002
in der Beschwerdesache
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 4. Juni 2002 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. UngernSternberg
, Prof. Starck, Pokrant und Dr. Schaffert

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen - 1. Zivilsenat - vom 26. Oktober 2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 35.780,37 ?

Gründe:


I. Die Klägerin hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Diese lief am 20. August 2001 ab. Die Berufungsbegründung ging erst am 21. August 2001 beim Berufungsgericht ein.
Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Klägerin unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen ihres Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. H. und dessen Sekretärin Frau He. vorgetragen:
Der Berufungsbegründungsschriftsatz sei am 15. August 2001 im Entwurf erstellt und von ihrem Prozeßbevollmächtigten am 17. August 2001 über-
arbeitet worden. Die überarbeitete Fassung sei der Sekretärin ihres Prozeûbevollmächtigten , Frau He. , am 20. August 2001 vormittags übergeben worden mit der Anweisung, die Korrekturen vorzunehmen und den Schriftsatz im Anschluû an ihre Bürotätigkeit in den Nachtbriefkasten des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen einzuwerfen. Gegen 16.30 Uhr habe Frau He. den Schriftsatz fertiggestellt gehabt. Anschlieûend habe sie diesen ihrem Prozeûbevollmächtigten gesondert zur Durchsicht und Unterschrift vorgelegt. Gegen 17.00 Uhr habe ihr Prozeûbevollmächtigter den unterschriebenen Schriftsatz Frau He. mit der nochmaligen Anweisung übergeben, ihn nach Beendigung ihrer Bürotätigkeit um 17.30 Uhr in den Nachtbriefkasten des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen einzuwerfen. Frau He. sei gegen 17.30 Uhr mit dem unterschriebenen Schriftsatz von ihrem Arbeitsplatz zur Postausgangsstelle im Büro ihres Prozeûbevollmächtigten gegangen. Dort habe sie den Schriftsatz in einen Briefumschlag gesteckt. Anschlieûend habe sie ein längeres privates Telefongespräch geführt. Im Anschluû daran habe sie das Büro ohne den Schriftsatz verlassen. Die für den Postausgang zuständige Mitarbeiterin habe den Schriftsatz, von dem sie habe annehmen müssen, daû er am nächsten Tag zu Gericht habe gebracht werden sollen, in den Gerichtspostkorb gelegt. Am nächsten Morgen sei der Schriftsatz auch von einem Boten zu Gericht gebracht worden.
FrauHe. sei von 1998 bis 2001 im Büro ihres Prozeûbevollmächtigten als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte ausgebildet worden. Rechtsanwalt Dr. H. habe sowohl die Fristnotierung als auch die Botengänge von Frau He. in Stichproben geprüft. Beanstandungen habe es dabei nicht gegeben.
Der Vorsitzende des 1. Zivilsenats des Berufungsgerichts hat dem Prozeûbevollmächtigten der Klägerin aufgegeben, dem Gericht eine Kopie sämtlicher Eintragungen aus seinem Fristenkalender für den 20. und 21. August 2001 vorzulegen. Mit Schriftsatz vom 19. September 2001 hat Rechtsanwalt Dr. H. lediglich eine Kopie des Fristenkalenders für den 16. August 2001 vorgelegt. Zugleich hat er in dem genannten Schriftsatz (erstmals) ausgeführt, die Akten seien ihm am 16. August 2001 als Ablauffrist wiedervorgelegt worden. Da die weitere Bearbeitung an diesem Tag nicht habe erfolgen können, sei die Frist auf den absoluten Ablauf vornotiert worden. Allerdings habe Frau He. die Frist nicht auf den 20. August, sondern versehentlich auf den 21. August 2001 vornotiert, weil sie übersehen habe, daû zwar das Urteil am 21. Juni 2001 zugestellt, die Berufung aber bereits am 20. Juli 2001 eingelegt worden war. Die fehlerhaft notierte Frist sei ihm, dem Prozeûbevollmächtigten der Klägerin, bei der Überarbeitung des Schriftsatzes am Abend des 17. August 2001 aufgefallen. Aufgrund dessen habe er am Vormittag des 20. August 2001 Frau He. die Anweisung erteilt, den Schriftsatz im Anschluû an ihre Bürotätigkeit in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts einzuwerfen, so daû die Frist auf jeden Fall gewahrt gewesen wäre. Diese Anweisung habe er am 20. August 2001 gegen 17.00 Uhr noch einmal wiederholt, um sicherzustellen, daû der Schriftsatz auch rechtzeitig in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen werde.
Das Berufungsgericht hat den Antrag, der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Den Prozeûbevollmächtigten der Klägerin treffe unter Zugrundelegung seines eigenen Vortrags ein eigenes Verschulden daran, daû die Berufungs-
begründungsschrift nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F., die am 20. August 2001 abgelaufen sei, bei dem Berufungsgericht eingegangen sei. Die der Sekretärin erteilte Weisung habe bei den besonderen Umständen des vorliegenden Falles für sich allein nicht ausgereicht, um den anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist zu genügen. Da der Prozeûbevollmächtigte der Klägerin die Frist zur Rechtsmittelbegründung bis zum letzten Tag und über das Ende der Dienststunden des Berufungsgerichts hinaus habe ausschöpfen wollen, habe ihm im Zusammenhang mit der Fristwahrung eine erhöhte Sorgfaltspflicht oblegen. Diesen erhöhten Sorgfaltsanforderungen werde das Verhalten des Prozeûbevollmächtigten der Klägerin nicht gerecht. Es sei zu berücksichtigen , daû seine Sekretärin, Frau He. , erst "im Jahre 2001" ihre Ausbildung als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte abgeschlossen habe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daû Frau He. Ende August 2001 noch nicht über eine nennenswerte erfolgreiche Berufspraxis als Anwaltsgehilfin verfügt habe.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Klägerin ist ein schuldhafter Verstoû ihres Prozeûbevollmächtigten gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht anzulasten ( § 85 Abs. 2 ZPO). Es ist nicht auszuschlieûen, daû dieses Verschulden zur Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beigetragen hat.
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, daû der Prozeûbevollmächtigte der Klägerin seinen anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist unter den im vorliegenden Fall gegebenen besonderen Umständen nicht dadurch genügt hat, daû er seiner Sekretärin, Frau He. , am 20. August 2001 die Anweisung
erteilt hat, die Berufungsbegründungsschrift noch am selben Tag nach Büroschluû in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts einzuwerfen.

a) Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin steht fest, daû die Sekretärin ihres Prozeûbevollmächtigten den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist falsch berechnet und notiert hatte, nämlich auf den 21. August 2001, statt - wie es richtig gewesen wäre - auf den 20. August 2001. Der Prozeûbevollmächtigte der Klägerin hatte das Fehlverhalten seiner Sekretärin rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist bemerkt. Es hätte ihm - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - Veranlassung geben müssen, die fehlerhafte Fristberechnung und -notierung gegenüber seiner Sekretärin ausdrücklich zu rügen, um einen möglichen Irrtum über den tatsächlichen Fristablauf auszuräumen und ihr zudem unmiûverständlich zu verdeutlichen, daû die Weisung, die Berufungsbegründungsschrift noch am 20. August 2001 in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts einzuwerfen, wegen Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist unbedingt befolgt werden muûte. Daû eine derartige Aufklärung der Sekretärin durch den Prozeûbevollmächtigten erfolgt ist, hat die Klägerin innerhalb der Frist des § 234 ZPO weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.

b) Das Vorbringen der Klägerin in der Beschwerdebegründung vermag das Verschulden ihres Prozeûbevollmächtigten nicht auszuräumen und die Wiedereinsetzung nicht zu rechtfertigen, weil dieser Vortrag nicht berücksichtigt werden darf.
Zwar kann gemäû § 570 ZPO a.F. eine Beschwerde grundsätzlich auch auf neue Tatsachen gestützt werden. Soweit sich die Beschwerde jedoch gegen einen die Wiedereinsetzung ablehnenden Beschluû richtet, ist zu beach-
ten, daû alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist (§ 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 ZPO) vorgetragen werden müssen. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war, dürfen nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 26.11.1991 - XI ZB 10/91, NJW 1992, 697; Beschl. v. 4.5.1994 - XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097, 2098; Beschl. v. 8.4.1997 - VI ZB 8/97, NJW 1997, 2120, 2121; Beschl. v. 5.10.1999 - VI ZB 22/99, NJW 2000, 365, 366).
Bei dem Vorbringen der Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung handelt es sich nicht um eine bloûe Ergänzung oder Erläuterung des ursprünglich geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes. Die Klägerin hatte geltend gemacht, ihr Prozeûbevollmächtigter habe seiner Sekretärin eine konkrete Einzelanweisung erteilt gehabt, die diese nicht erfüllt habe. Dieser Grund war weder unklar noch unvollständig dargestellt, sondern enthielt eine in sich geschlossene und als solche nicht ergänzungsbedürftige Schilderung eines der Fristversäumung zugrundeliegenden Versäumnisses der Sekretärin des Prozeûbevollmächtigten (vgl. zur Einzelanweisung BGH, Beschl. v. 1.2.2001 - I ZB 39/00, Umdr. S. 4). In der Beschwerdebegründung macht die Klägerin nunmehr geltend, ihr Prozeûbevollmächtigter habe seine Sekretärin ausdrücklich darauf hingewiesen, daû der Schriftsatz zur Fristwahrung "heute noch" zum Oberlandesgericht gebracht werden müsse. Hierbei handelt es sich um neuen Vortrag zur Erfüllung der anwaltlichen Sorgfalt durch ihren Prozeûbevollmächtigten , nachdem das Berufungsgericht gerade auf dessen Fehlen die Versagung der Wiedereinsetzung rechtlich zutreffend gestützt hatte. Damit kann die Klägerin nicht mehr gehört werden.
2. Ein weiterer Sorgfaltspflichtverstoû des Prozeûbevollmächtigten der Klägerin besteht darin, daû er nicht darauf hingewirkt hat, daû die falsch notierte Frist berichtigt worden ist. Wäre das geschehen, hätte die Erledigung der Fristsache vor Büroschluû nochmals überprüft werden müssen. Denn der Anwalt muû durch die Büroorganisation dafür Sorge tragen, daû die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders überprüft wird (vgl. BGH NJW 1997, 2120, 2121 m.w.N.). Die Notwendigkeit des Einwurfs der Berufungsbegründung am 20. August 2001 in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts wäre dann nochmals gesondert festgestellt worden.
III. Da somit Wiedereinsetzung nicht gewährt werden konnte, hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin mit Recht als unzulässig verworfen (§ 519b, § 519 Abs. 2 ZPO a.F.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck
Pokrant Schaffert

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.