Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2002 - I ZB 28/01

bei uns veröffentlicht am04.06.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 28/01
vom
4. Juni 2002
in der Beschwerdesache
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 4. Juni 2002 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. UngernSternberg
, Prof. Starck, Pokrant und Dr. Schaffert

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen - 1. Zivilsenat - vom 26. Oktober 2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 35.780,37 ?

Gründe:


I. Die Klägerin hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Diese lief am 20. August 2001 ab. Die Berufungsbegründung ging erst am 21. August 2001 beim Berufungsgericht ein.
Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Klägerin unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen ihres Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. H. und dessen Sekretärin Frau He. vorgetragen:
Der Berufungsbegründungsschriftsatz sei am 15. August 2001 im Entwurf erstellt und von ihrem Prozeßbevollmächtigten am 17. August 2001 über-
arbeitet worden. Die überarbeitete Fassung sei der Sekretärin ihres Prozeûbevollmächtigten , Frau He. , am 20. August 2001 vormittags übergeben worden mit der Anweisung, die Korrekturen vorzunehmen und den Schriftsatz im Anschluû an ihre Bürotätigkeit in den Nachtbriefkasten des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen einzuwerfen. Gegen 16.30 Uhr habe Frau He. den Schriftsatz fertiggestellt gehabt. Anschlieûend habe sie diesen ihrem Prozeûbevollmächtigten gesondert zur Durchsicht und Unterschrift vorgelegt. Gegen 17.00 Uhr habe ihr Prozeûbevollmächtigter den unterschriebenen Schriftsatz Frau He. mit der nochmaligen Anweisung übergeben, ihn nach Beendigung ihrer Bürotätigkeit um 17.30 Uhr in den Nachtbriefkasten des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen einzuwerfen. Frau He. sei gegen 17.30 Uhr mit dem unterschriebenen Schriftsatz von ihrem Arbeitsplatz zur Postausgangsstelle im Büro ihres Prozeûbevollmächtigten gegangen. Dort habe sie den Schriftsatz in einen Briefumschlag gesteckt. Anschlieûend habe sie ein längeres privates Telefongespräch geführt. Im Anschluû daran habe sie das Büro ohne den Schriftsatz verlassen. Die für den Postausgang zuständige Mitarbeiterin habe den Schriftsatz, von dem sie habe annehmen müssen, daû er am nächsten Tag zu Gericht habe gebracht werden sollen, in den Gerichtspostkorb gelegt. Am nächsten Morgen sei der Schriftsatz auch von einem Boten zu Gericht gebracht worden.
FrauHe. sei von 1998 bis 2001 im Büro ihres Prozeûbevollmächtigten als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte ausgebildet worden. Rechtsanwalt Dr. H. habe sowohl die Fristnotierung als auch die Botengänge von Frau He. in Stichproben geprüft. Beanstandungen habe es dabei nicht gegeben.
Der Vorsitzende des 1. Zivilsenats des Berufungsgerichts hat dem Prozeûbevollmächtigten der Klägerin aufgegeben, dem Gericht eine Kopie sämtlicher Eintragungen aus seinem Fristenkalender für den 20. und 21. August 2001 vorzulegen. Mit Schriftsatz vom 19. September 2001 hat Rechtsanwalt Dr. H. lediglich eine Kopie des Fristenkalenders für den 16. August 2001 vorgelegt. Zugleich hat er in dem genannten Schriftsatz (erstmals) ausgeführt, die Akten seien ihm am 16. August 2001 als Ablauffrist wiedervorgelegt worden. Da die weitere Bearbeitung an diesem Tag nicht habe erfolgen können, sei die Frist auf den absoluten Ablauf vornotiert worden. Allerdings habe Frau He. die Frist nicht auf den 20. August, sondern versehentlich auf den 21. August 2001 vornotiert, weil sie übersehen habe, daû zwar das Urteil am 21. Juni 2001 zugestellt, die Berufung aber bereits am 20. Juli 2001 eingelegt worden war. Die fehlerhaft notierte Frist sei ihm, dem Prozeûbevollmächtigten der Klägerin, bei der Überarbeitung des Schriftsatzes am Abend des 17. August 2001 aufgefallen. Aufgrund dessen habe er am Vormittag des 20. August 2001 Frau He. die Anweisung erteilt, den Schriftsatz im Anschluû an ihre Bürotätigkeit in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts einzuwerfen, so daû die Frist auf jeden Fall gewahrt gewesen wäre. Diese Anweisung habe er am 20. August 2001 gegen 17.00 Uhr noch einmal wiederholt, um sicherzustellen, daû der Schriftsatz auch rechtzeitig in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen werde.
Das Berufungsgericht hat den Antrag, der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Den Prozeûbevollmächtigten der Klägerin treffe unter Zugrundelegung seines eigenen Vortrags ein eigenes Verschulden daran, daû die Berufungs-
begründungsschrift nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F., die am 20. August 2001 abgelaufen sei, bei dem Berufungsgericht eingegangen sei. Die der Sekretärin erteilte Weisung habe bei den besonderen Umständen des vorliegenden Falles für sich allein nicht ausgereicht, um den anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist zu genügen. Da der Prozeûbevollmächtigte der Klägerin die Frist zur Rechtsmittelbegründung bis zum letzten Tag und über das Ende der Dienststunden des Berufungsgerichts hinaus habe ausschöpfen wollen, habe ihm im Zusammenhang mit der Fristwahrung eine erhöhte Sorgfaltspflicht oblegen. Diesen erhöhten Sorgfaltsanforderungen werde das Verhalten des Prozeûbevollmächtigten der Klägerin nicht gerecht. Es sei zu berücksichtigen , daû seine Sekretärin, Frau He. , erst "im Jahre 2001" ihre Ausbildung als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte abgeschlossen habe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daû Frau He. Ende August 2001 noch nicht über eine nennenswerte erfolgreiche Berufspraxis als Anwaltsgehilfin verfügt habe.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Klägerin ist ein schuldhafter Verstoû ihres Prozeûbevollmächtigten gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht anzulasten ( § 85 Abs. 2 ZPO). Es ist nicht auszuschlieûen, daû dieses Verschulden zur Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beigetragen hat.
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, daû der Prozeûbevollmächtigte der Klägerin seinen anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist unter den im vorliegenden Fall gegebenen besonderen Umständen nicht dadurch genügt hat, daû er seiner Sekretärin, Frau He. , am 20. August 2001 die Anweisung
erteilt hat, die Berufungsbegründungsschrift noch am selben Tag nach Büroschluû in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts einzuwerfen.

a) Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin steht fest, daû die Sekretärin ihres Prozeûbevollmächtigten den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist falsch berechnet und notiert hatte, nämlich auf den 21. August 2001, statt - wie es richtig gewesen wäre - auf den 20. August 2001. Der Prozeûbevollmächtigte der Klägerin hatte das Fehlverhalten seiner Sekretärin rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist bemerkt. Es hätte ihm - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - Veranlassung geben müssen, die fehlerhafte Fristberechnung und -notierung gegenüber seiner Sekretärin ausdrücklich zu rügen, um einen möglichen Irrtum über den tatsächlichen Fristablauf auszuräumen und ihr zudem unmiûverständlich zu verdeutlichen, daû die Weisung, die Berufungsbegründungsschrift noch am 20. August 2001 in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts einzuwerfen, wegen Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist unbedingt befolgt werden muûte. Daû eine derartige Aufklärung der Sekretärin durch den Prozeûbevollmächtigten erfolgt ist, hat die Klägerin innerhalb der Frist des § 234 ZPO weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.

b) Das Vorbringen der Klägerin in der Beschwerdebegründung vermag das Verschulden ihres Prozeûbevollmächtigten nicht auszuräumen und die Wiedereinsetzung nicht zu rechtfertigen, weil dieser Vortrag nicht berücksichtigt werden darf.
Zwar kann gemäû § 570 ZPO a.F. eine Beschwerde grundsätzlich auch auf neue Tatsachen gestützt werden. Soweit sich die Beschwerde jedoch gegen einen die Wiedereinsetzung ablehnenden Beschluû richtet, ist zu beach-
ten, daû alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist (§ 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 ZPO) vorgetragen werden müssen. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war, dürfen nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 26.11.1991 - XI ZB 10/91, NJW 1992, 697; Beschl. v. 4.5.1994 - XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097, 2098; Beschl. v. 8.4.1997 - VI ZB 8/97, NJW 1997, 2120, 2121; Beschl. v. 5.10.1999 - VI ZB 22/99, NJW 2000, 365, 366).
Bei dem Vorbringen der Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung handelt es sich nicht um eine bloûe Ergänzung oder Erläuterung des ursprünglich geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes. Die Klägerin hatte geltend gemacht, ihr Prozeûbevollmächtigter habe seiner Sekretärin eine konkrete Einzelanweisung erteilt gehabt, die diese nicht erfüllt habe. Dieser Grund war weder unklar noch unvollständig dargestellt, sondern enthielt eine in sich geschlossene und als solche nicht ergänzungsbedürftige Schilderung eines der Fristversäumung zugrundeliegenden Versäumnisses der Sekretärin des Prozeûbevollmächtigten (vgl. zur Einzelanweisung BGH, Beschl. v. 1.2.2001 - I ZB 39/00, Umdr. S. 4). In der Beschwerdebegründung macht die Klägerin nunmehr geltend, ihr Prozeûbevollmächtigter habe seine Sekretärin ausdrücklich darauf hingewiesen, daû der Schriftsatz zur Fristwahrung "heute noch" zum Oberlandesgericht gebracht werden müsse. Hierbei handelt es sich um neuen Vortrag zur Erfüllung der anwaltlichen Sorgfalt durch ihren Prozeûbevollmächtigten , nachdem das Berufungsgericht gerade auf dessen Fehlen die Versagung der Wiedereinsetzung rechtlich zutreffend gestützt hatte. Damit kann die Klägerin nicht mehr gehört werden.
2. Ein weiterer Sorgfaltspflichtverstoû des Prozeûbevollmächtigten der Klägerin besteht darin, daû er nicht darauf hingewirkt hat, daû die falsch notierte Frist berichtigt worden ist. Wäre das geschehen, hätte die Erledigung der Fristsache vor Büroschluû nochmals überprüft werden müssen. Denn der Anwalt muû durch die Büroorganisation dafür Sorge tragen, daû die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders überprüft wird (vgl. BGH NJW 1997, 2120, 2121 m.w.N.). Die Notwendigkeit des Einwurfs der Berufungsbegründung am 20. August 2001 in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts wäre dann nochmals gesondert festgestellt worden.
III. Da somit Wiedereinsetzung nicht gewährt werden konnte, hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin mit Recht als unzulässig verworfen (§ 519b, § 519 Abs. 2 ZPO a.F.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck
Pokrant Schaffert

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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

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(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

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(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten. (2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragste

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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Beschwerde hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels zum Gegenstand hat.

(2) Das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, kann die Vollziehung der Entscheidung aussetzen.

(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung aussetzen.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 39/00
vom
1. Februar 2001
in der Beschwerdesache
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 1. Februar 2001 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Starck, Prof.
Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. November 2000 aufgehoben.
Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mannheim vom 19. Juni 2000 gewährt.

Gründe:


I. Die Klägerin hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Diese lief am 25. Oktober 2000 ab. Die Berufungsbegründung ging erst am 26. Oktober 2000 beim Berufungsgericht ein.
Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Klägerin unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen ihres Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt S. und dessen Sekretärin Frau W. vorgetragen:

Rechtsanwalt S. habe mit seiner Sekretärin am 25. Oktober 2000 kurz vor 10.00 Uhr vereinbart, daß die zu diesem Zeitpunkt versandfertig erstellte Berufungsbegründung nicht per Telefax, sondern durch den Büroboten zum Gericht gebracht würde. Als Rechtsanwalt S. am selben Tag um 11.30 Uhr die Kanzlei zur Wahrnehmung eines Termins verlassen habe, habe die Sekretärin ihm auf Nachfrage bestätigt, daß die Frist erledigt sei. Die Sekretärin habe den Schriftsatz dem Büroboten jedoch nicht mitgegeben, weil dieser nicht mehr im Büro gewesen sei. Sie habe den Schriftsatz als Telefax versenden wollen. Dies sei versehentlich unterblieben.
Das Berufungsgericht hat den Antrag, der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Es seien keine Anordnungen für den Fall getroffen, daß die Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes infolge von Störungen scheitere. Eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle setze die Anordnung voraus, daß die Eintragung im Fristenkalender erst gelöscht werden dürfe, wenn die Eingangsbestätigung des Empfängers oder ein vom Absendegerät ausgedruckter Einzelnachweis vorliege. Ein weiterer anwaltlicher Pflichtenverstoß liege darin, daß die Rechtsanwälte nicht für eine nochmalige Kontrolle der Erledigung fristgebundener Sachen am Abend des jeweiligen Tages gesorgt hätten. Die bloße Kennzeichnung der Sache als erledigt reiche nicht aus.
II. Das gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 519b Abs. 2, § 547 ZPO zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Der Klägerin ist unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beruht nicht auf einem Verschulden des Prozeßbevollmächtigten, das sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müßte. Nach der durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemachten Darstellung der Klägerin hatte ihr Prozeßbevollmächtigter seiner Sekretärin eine Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte. Auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen für die Fristwahrung in der Kanzlei kommt es bei einer derartigen Einzelanweisung nicht an (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.1995 - XI ZB 13/95, NJW 1996, 130; Beschl. v. 23.4.1997 - XII ZB 56/97, NJW 1997, 1930; Beschl. v. 18.3.1998 - XII ZB 180/96, NJW-RR 1998, 1360; Beschl. v. 25.3.1998 - IV ZB 1/98, Umdr. S. 4 f.; Beschl. v. 6.5.1999 - VII ZB 6/99, NJW 1999, 2284).
Im Streitfall kommt hinzu, daß der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin die Ausführung seiner Anweisung durch eine Rückfrage überwacht hat. Er brauchte nicht davon auszugehen, daß die bisher zuverlässige Büroangestellte die Weisung nicht befolgte und ihm eine unrichtige Auskunft erteilte.
Erdmann Starck Bornkamm
Büscher Schaffert

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)