Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2012 - VIII ZB 104/11

bei uns veröffentlicht am13.03.2012
vorgehend
Amtsgericht München, 453 C 10861/09, 23.02.2010
Landgericht München I, 31 S 16047/10, 31.10.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 104/11
vom
13. März 2012
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. März 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger
sowie die Richter Dr. Schneider und Dr. Bünger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts München I - 31. Zivilkammer - vom 31. Oktober 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 5.483,11 €

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht hat den zunächst auf den 19. Januar 2010 anberaumten Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 23. Februar 2010 verlegt. Am 19. Juli 2010 ist ein Schriftsatz des Klägers eingegangen, in dem er darauf hingewiesen hat, dass die Entscheidung seit fünf Monaten ausstehe, die Geschäftsstelle sich zu einer Mitteilung über den Sachstand außerstande sehe und der Richter nicht zu erreichen sei.
2
Als Blatt 134 wird in der - nicht gehefteten - Akte ein vom Richter unterschriebenes Verkündungsprotokoll geführt, das als Datum der ohne Hinzuziehung eines Protokollführers durchgeführten Verkündung des "nachstehenden Urteils" den 23. Februar 2010 ausweist. Das in einer gesonderten Aktenhülle aufbewahrte und vom Richter unterschriebene Urteil ist mit den Blattzahlen 135 bis 142 versehen; im Anschluss daran befindet sich ein Blatt mit einer handschriftlichen Aufzeichnung des Tenors und der Paraphe des Richters. Ein Vermerk , wann das Urteil zur Geschäftsstelle gelangt ist, ist nicht vorhanden. Die Zustellung des Urteils ist am 9. August 2010 verfügt und bezüglich des Klägers am 12. August 2010 bewirkt worden. Die richterliche Streitwertfestsetzung war zuvor unter dem 6. August 2010 erfolgt.
3
Die Berufung des Klägers ist am 26. August 2010 eingegangen. Der Amtsrichter hat auf Anfrage des Berufungsgerichts in einer dienstlichen Äußerung vom 9. August 2011 mitgeteilt, dass er an den konkreten Vorgang der Verkündung keine Erinnerung habe. In der Regel werde, falls das vollständige Urteil bei Verkündung nicht vorliege, der Urteilstenor am selben Tag schriftlich niedergelegt; aus der "Stelle des handschriftlichen Tenors im Fortgang der Akte" oder der Nummerierung der Akten ließen sich nach seiner Auffassung indes keine Rückschlüsse ziehen.
4
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
6
Die Berufung sei nicht fristgerecht eingelegt worden und deshalb unzulässig. Da das am 23. Februar 2010 verkündete Urteil nicht innerhalb von fünf Monaten seit Verkündung zugestellt worden sei, habe die Berufungsfrist gemäß § 517 ZPO mit Ablauf von fünf Monaten, mithin am 23. Juli 2010 begonnen und sei demnach am 23. August 2010 abgelaufen, so dass die am 26. August 2010 eingegangene Berufung verfristet sei.
7
Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Berufungsfrist könne dem Kläger nicht gewährt werden, weil die Fristversäumnis auf einem ihm zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruhe. Dieser hätte anlässlich der Zustellung des Urteils am 12. August 2010 erkennen können und müssen, dass die Fünfmonatsfrist des § 517 ZPO durch sein Personal nicht richtig berechnet worden sei. Zu diesem Zeitpunkt hätte er noch fristwahrend Berufung einlegen können.
8
Entgegen der Ansicht des Klägers habe die Berufungsfrist nicht erst mit der Zustellung des Urteils begonnen. Zwar hätte nur ein Urteilsentwurf vorgelegen , wenn das Urteil, wie vom Kläger behauptet, gar nicht verkündet worden wäre. Die Verkündung sei indes durch das Verkündungsprotokoll bewiesen. Den Nachweis einer Protokollfälschung habe der Kläger nicht erbracht.
9
Aus dem Umstand, dass der Schriftsatz des Klägers vom 13. Juli 2010 die Blattzahlen 132/133 aufweise, während das Verkündungsprotokoll die Blattzahl 134 trage, ergebe sich nicht zwangsläufig, dass das Verkündungsprotokoll nicht vom 23. Februar 2010 stamme. Die Kammer wisse aus eigener Erfahrung, dass die Paginierung der Akte nicht immer in zeitlicher Reihenfolge vorgenommen werde. Der Amtsrichter habe in seiner dienstlichen Äußerung nachvollziehbar ausgeführt, dass er sich an die Verkündung nicht erinnere und dass ein für die Verkündung gegebenenfalls verwendeter handschriftlicher Tenor von den Mitarbeitern an verschiedenen Stellen der Akten abgelegt werde. Es könne daher nicht angenommen werden, dass der handschriftliche Tenor bei der Verkündung nicht vorgelegen habe. Insgesamt lägen keine hinreichenden Anhalts- punkte vor, die die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit des Verkündungsprotokolls widerlegen könnten.

III.

10
1. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Gesetzes statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und im Übrigen auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 ZPO). Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Der angefochtene Beschluss verletzt das Verfahrensgrundrecht des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. dazu BVerfGE 77, 275, 284; 74, 228, 234; BVerfG, NJW 2005, 814, 815; Senatsbeschluss vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775 unter II 1 mwN). Hiergegen hat das Berufungsgericht verstoßen, indem es ohne ausreichende Prüfung angenommen hat, die Berufungsfrist sei am 23. August 2010 abgelaufen.
11
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die vom Kläger am 26. August 2010 eingelegte Berufung ist fristgemäß eingegangen, weil die Berufungsfrist erst mit der Zustellung des Urteils am 12. August 2010 begonnen hat. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob das Berufungsgericht aufgrund der dienstlichen Äußerung des Amtsrichters ohne weitere Sachaufklärung davon ausgehen durfte, dass die Beweiskraft des Sitzungsprotokolls, demzufolge das Urteil am 23. Februar 2010 verkündet worden ist, nicht erschüttert sei.
Denn der Zeitablauf von fünf Monaten seit Verkündung eines Urteils löst die Rechtsmittelfrist nur dann aus, wenn die Urteilsverkündung innerhalb des Fünfmonatszeitraums aus den Akten feststellbar ist. Hieran fehlt es.
12
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es unverzichtbar , dass innerhalb der Fünfmonatsfrist des § 517 ZPO ein beweiskräftiges Protokoll über die Verkündung eines Urteils auf der Grundlage einer schriftlich fixierten Urteilsformel erstellt wird. Allein durch das Protokoll kann bewiesen werden, dass und mit welchem Inhalt ein Urteil verkündet worden ist. Vom Zeitpunkt der Verkündung hängt wiederum der Lauf der Berufungsfrist ab, wenn das Urteil - wie hier - erst nach dem Ablauf der Fünfmonatsfrist zugestellt worden ist. Hierüber muss vor Ablauf der Fünfmonatsfrist aus den Akten Klarheit zu gewinnen sein. Ebenso muss feststellbar sein, ob das Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, weil nicht innerhalb der spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung beginnenden Rechtsmittelfrist Berufung eingelegt worden ist (BGH, Urteil vom 13. April 2011 - XII ZR 131/09, NJW 2011, 1741 Rn. 20; vgl. auch Urteil vom 31. Mai 2007 - X ZR 172/04, BGHZ 172, 298 Rn.13).
13
b) Vorliegend kann der Nachweis, dass innerhalb der bis zum 23. Juli 2010 laufenden Fünfmonatsfrist aus den Akten Klarheit über eine am 23. Februar 2010 erfolgte Urteilsverkündung zu gewinnen war, nicht geführt werden. Ein Vermerk der Geschäftsstelle, wann das Urteil zu den Akten gelangt ist, fehlt. Auch die Paginierung der Akte erlaubt keine Rückschlüsse darauf, dass das Urteil innerhalb der Fünfmonatsfrist zu den Akten gelangt ist. Die am 9. August 2010 getroffene Verfügung der Geschäftsstelle über die Zustellung des Urteils sowie der am 6. August 2010 abgesetzte Streitwertbeschluss sprechen vielmehr dafür, dass das vollständige Protokoll erst nach dem 23. Juli 2010 zu den Akten gereicht worden ist - nämlich nachdem am 19. Juli 2010 eine erneute, nunmehr schriftlich gestellte Anfrage des Klägers nach der ausste- henden Entscheidung eingegangen war. Wie ausgeführt, muss innerhalb von fünf Monaten seit der Verkündung aus den Akten Sicherheit zu gewinnen sein, dass und mit welchem Inhalt ein Urteil verkündet worden ist (BGH, Urteil vom 13. April 2011 - XII ZR 131/09, aaO). Da dies hier nicht gewährleistet war, ist die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung des Urteils am 12. August 2010 in Lauf gesetzt worden, so dass mit der am 26. August 2010 eingegangenen Berufungsschrift die Rechtsmittelfrist gewahrt worden ist. Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Schneider Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 23.02.2010 - 453 C 10861/09 -
LG München I, Entscheidung vom 31.10.2011 - 31 S 16047/10 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E

Zivilprozessordnung - ZPO | § 517 Berufungsfrist


Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

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Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

20
Dass das Protokoll nachträglich hergestellt worden ist, ergibt sich aus der Akte, nämlich aus dem im Anschluss hieran eingehefteten Urteil, das erst am 7. Oktober 2008 zur Geschäftsstelle gelangt ist. Zu diesem Zeitpunkt war die Fünfmonatsfrist bereits abgelaufen, wenn am 13. Februar 2008 ein Urteil verkündet worden war. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es indessen unverzichtbar , dass innerhalb der Fünfmonatsfrist ein beweiskräftiges Protokoll über die Verkündung eines Urteils auf der Grundlage einer schriftlich fixierten Urteilsformel erstellt wird (offen gelassen in BGH Urteil vom 31. Mai 2007 - X ZR 172/04 - BGHZ 172, 298 = NJW 2007, 3210 Rn. 13). Denn allein durch das Protokoll kann bewiesen werden, dass und mit welchem Inhalt ein Urteil verkündet worden ist. Vom Zeitpunkt der Verkündung hängt wiederum der Beginn der Berufungsfrist ab, falls das Urteil - wie hier - erst nach Ablauf der Fünfmonatsfrist zugestellt worden ist. Hierüber muss vor Ablauf der Fünfmonatsfrist aus den Akten Gewissheit zu gewinnen sein. Ebenso muss feststellbar sein, ob das Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, weil nicht innerhalb der spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung beginnenden Rechtsmittelfrist Berufung eingelegt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 172/04 Verkündet am:
31. Mai 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Zerfallszeitmessgerät
Unterzeichnet der Vorsitzende das Protokoll, das die Verkündung eines Urteils beurkundet
, erst nach Ablauf von fünf Monaten nach dem Verkündungstermin, bleibt die bis zu
diesem Zeitpunkt mangels einer in der Form des § 165 ZPO nachweisbaren Verkündung
fristgerechte Berufung weiterhin zulässig.
Der Schutzbereich eines Gebrauchsmusters ist nach gleichen Grundsätzen zu bestimmen
wie der Schutzbereich eines Patents.
EPÜ Art. 69 Abs. 1; PatG § 14; GebrMG § 12a
Der Schutzbereich eines Patents oder Gebrauchsmusters umfasst keine Unter- oder Teilkombinationen
der Merkmale der beanspruchten technischen Lehre.
Hat das Berufungsgericht eine Auslegung des Patent- oder Schutzanspruchs unterlassen,
ist für eine Sachentscheidung des Revisionsgerichts aufgrund einer eigenen Auslegung
des Anspruchs regelmäßig kein Raum.
BGH, Urt. v. 31. Mai 2007 - X ZR 172/04 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 30. September 2004 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger war Inhaber des am 1. Dezember 1994 angemeldeten und nach Erlass des Berufungsurteils durch Ablauf der Höchstschutzdauer erloschenen deutschen Gebrauchsmusters 94 19 245 (Klagegebrauchsmusters), dessen Eintragung am 9. März 1995 bekanntgemacht worden ist. Schutzanspruch 1 lautet: "Automatisches Zerfallszeit-Messgerät für die pharmazeutische Qualitäts- und Produktionskontrolle von Tabletten und Dragees, bestehend aus einem in einem mit einem Flüssigkeitsvolumen versehenen Becherglas (70) angeordneten korbartigen Gestell (10) zur senkrechten Halterung einer Anzahl von beidseitig offen ausgebildeten und mit ihren bodenseitigen Öffnungen auf einer siebplattenartig ausgebildeten Bodenplatte (11) stehenden Glasröhren (30, 31), wobei die Bodenplatte (11) des korbartigen Gestells (10) eine der Anzahl der aufzunehmenden Glasröhren (30, 31) entsprechende Anzahl von in etwa den Abmessungen der bodenseitigen Öffnungen der Glasröhren (30, 31) entsprechenden kreisförmigen Siebplatten (40, 41, 42, 43, 44, 45) als Standflächen für die Glasröhren (30, 31) aufweist, wobei jede Siebplatte (40 bis 45) aus zwei Strom durchflossenen , Elektroden bildenden Drahtgeflechtshälften (40a, 40b; 41a, 41b; 42a, 42b; 43a, 43b; 44a, 44b; 45a, 45b) besteht, die unter Ausbildung eines eine geringe Breite aufweisenden Schlitzes (51, 52, 53, 54, 55) in einem Abstand voneinander angeordnet sind und wobei jede Glasröhre (30, 31) einen mittels eines in dem Glasrohrinnenraum liegenden Schwimmers (60), der auf seiner den Drahtgeflechtshälften (40a, 40b bis 45a, 45b) der Siebplatten (40 bis 45) zugekehrten Unterseite (61) ein Kontaktelement aufweist, mit senkrechten Durchbohrungen oder außenrandseitigen Einschnitten abgedeckten Prüfling (T) aufnimmt, einem Mikroprozessor (80) zur Erfassung und Auswertung der unterschiedlichen Widerstände zwischen den unüberbrückten und mittels des Kontaktelements eines jeden Schwimmers überbrückten Drahtgeflechtshälften-Elektroden, einer das Gestell mit den Glasröhren (30, 31) in dem Becherglas (70) in vorgegebenen Zeiteinheiten auf- und abbewegenden Antriebseinrichtung (15) und einem elektronischen Signalgeber, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Siebplatten (40 bis 45) jeweils einen außenseitig umlaufenden , durch den Schlitz (50 bis 55) getrennten Ring (40''') aus elektrisch leitfähigem Material aufweisen und dass das Kontaktelement als Kontaktgerüst (61) aus elektrisch leitfähigem Material mit mindestens drei Kontaktpunkten zur Kontaktierung des umlaufenden Ringes (40''') ausgebildet ist, wobei das Kontaktgerüst (61) in den Schwimmer (60) integriert ist."
2
Der Kläger beanstandet zwei von den Beklagten zu 2 und 3, deren Geschäfte vom Beklagten zu 1 geführt werden, hergestellte und vertriebene Messgeräte als gebrauchsmusterverletzend. Bei dem einen Gerät ist die Unterseite des Schwimmers mit einem Metallring versehen, bei dem anderen weist der Metallring zusätzlich drei rechteckige Kontaktspitzen auf. Der Kläger hat die Beklagten deswegen auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.
3
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
4
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs haben die Parteien den Rechtsstreit in der Revisionsinstanz in der Hauptsache für erledigt erklärt. Im Übrigen verfolgt der Kläger seine zweitinstanzlichen Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits zu übertragen ist.
6
I. Das Berufungsgericht hat zu Recht in der Sache entschieden; die Berufung der Beklagten war zulässig.
7
1. Zu den Umständen des Erlasses und der Verkündung des landgerichtlichen Urteils hat das Berufungsgericht festgestellt: Zu dem vom Landgericht bestimmten Verkündungstermin hat ein nur von zwei Richtern unterschriebener Tenor des landgerichtlichen Urteils vorgelegen; über dessen Verkündung verhält sich ein Protokoll vom 20. Februar 2003, das nur mit der Paraphe des Vorsitzenden der Zivilkammer abgezeichnet worden und erst nachträglich im August 2004 von dem Vorsitzenden der Zivilkammer mit voller Namensunterschrift unterzeichnet worden ist. Das vollständige Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27. Oktober 2003 und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 3. November 2003 zugestellt worden.
8
2. Die Berufung der Beklagten ist am 28. November 2003 bei Gericht eingegangen und nach Hinweis darauf, dass die absolute Berufungsfrist abgelaufen sein könnte, mit einem am 12. Dezember 2003 eingegangenen Schriftsatz begründet worden. Zugleich haben die Beklagten einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Darüber hinaus ergibt sich aus den Akten, dass das landgerichtliche Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung ergangen ist. In der mündlichen Verhandlung ist ein Verkündungstermin auf den 13. Februar 2003 bestimmt worden. In diesem Verkündungstermin ist ein Be- schluss verkündet worden, durch den der Verkündungstermin auf den 20. Februar 2003 ausgesetzt worden ist.
9
3. Das Berufungsgericht hat bei diesem Sachverhalt angenommen, die fehlende Protokollierung der Verkündung habe bis zum Abschluss der Berufungsinstanz nachgeholt werden können, was im August 2004 auf die Nachfrage des Senats hin geschehen sei. Die Nachholung der Protokollierung führe nicht dazu, dass die Berufung nunmehr als nicht mehr fristgemäß erfolgt zu bewerten sei. Möglicherweise habe ein Wiedereinsetzungsgrund vorgelegen. Der Senat bevorzuge aber eine Lösung nach den Grundsätzen, wie sie in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 17.4.1996 - VIII ZR 108/95, NJW 1996, 1669) niedergelegt seien. Danach brauche eine Berufung gegen ein Scheinurteil nicht wiederholt zu werden, wenn das Urteil später Wirksamkeit erlange. Hier habe die Nachholung der Unterschrift zwar möglicherweise bewirkt , dass das Urteil rückwirkend auf den Zeitpunkt der protokollierten Verkündung wirksam geworden sei. Dies ändere aber nichts daran, dass es überhaupt erst mit ordnungsgemäßer Unterzeichnung des Protokolls als Urteil existent geworden sei. Jedenfalls gelte der allgemeine Rechtsgedanke, dass Fehler des Gerichts nicht zu einer Benachteiligung der Parteien führen sollten, weshalb in dem anhängigen Verfahren eine Sachprüfung durchzuführen sei.
10
4. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
11
a) Nach § 310 ZPO wird das Urteil in einem anzuberaumenden Termin verkündet. Nach § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO ist die Verkündung eines Urteils im Protokoll festzustellen, wobei das Protokoll vom Vorsitzenden und vom Urkundsbeamten zu unterschreiben ist (§ 163 Abs. 1 ZPO). Die Beachtung der für die Verkündung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden (§ 165 ZPO). Hier ist das Protokoll bei der Verkündung nicht unterschrieben worden. Es lag zudem nur eine Urteilsformel vor, die von nur zwei Richtern unterschrieben war. Das Urteil muss jedoch, wenn es in einem Verkündungstermin verkündet wird, nach § 310 Abs. 2 ZPO in vollständiger Form abgefasst sein. Dazu gehören nach § 315 Abs. 1 ZPO die Unterschriften der Richter, die an der Entscheidung mitgewirkt haben, und nach § 313 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 ZPO der Tatbestand und die Entscheidungsgründe. Die Verlautbarung des Urteils hat daher an mehreren Formfehlern gelitten.
12
b) Nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen vom 14. Juni 1954 (BGHZ 14, 39) stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlasse eines Urteils jedoch nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (BGHZ 14, 39, 44 f.). Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet worden sind. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar ist etwa eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch bestimmten Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform erfüllt. Auf die Frage, ob in diesem Sinne eine zwar fehlerhafte, aber doch wirksame Verkündung vorliegt, ist es ohne Einfluss, wenn nur zwei Richter das verkündete Urteil unterschrieben haben. Das Urteil ist dann im Fall seiner Verkündung existent geworden, wenngleich möglicherweise anfechtbar (BGHZ 137, 49, 52). Ein Urteil ist auch dann wirksam verkündet worden, wenn es in dem zur Verkündung anberaum- ten Termin noch nicht in vollständiger Form abgefasst war. Tatbestand und Entscheidungsgründe sind nicht wesensmäßige Voraussetzungen eines Urteils (BGH, Beschl. v. 29.9.1998 - KZB 11/98, NJW 1999, 143, 144).
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c) Die Besonderheit des vorliegenden Falls besteht darin, dass das Protokoll, durch das allein die Beachtung der für die Verkündung vorgeschriebenen Förmlichkeiten bewiesen werden kann, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erst nach Ablauf der Fünfmonatsfrist des § 517 ZPO unterschrieben worden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Berufung jedenfalls zulässig , denn mangels Protokollierung fehlte es an einer wirksamen Verkündung. Der Senat lässt offen, ob die Unterzeichnung des Protokolls noch nach Ablauf der Fünfmonatsfrist rechtlich zulässig war und rückwirkend die Verkündungsmängel beseitigte und damit Beweis für die im angegebenen Termin erfolgte Verkündigung erbrachte. Jedenfalls konnte durch die durch die Nachholung der Unterschrift auf dem Verkündungsprotokoll nachträglich bewirkte Protokollierung der Verkündung der Zulässigkeit der Berufung nicht die Grundlage entzogen werden. Auf eine Nachholung der Unterschrift mit der Folge, dass damit die Berufung verfristet und infolge dessen unzulässig wurde, konnten sich die Berufungskläger nicht einstellen. Sie mussten hiermit auch nicht rechnen und konnten dem durch die ihnen allenfalls zuzumutende Einholung von Erkundigungen oder die Einsicht in die Gerichtsakten auch nicht entgehen.
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II. In der Sache hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen, weil die beanstandete Ausführungsform vom Gegenstand des Klagegebrauchsmusters weder wortsinngemäß noch im Sinne einer unvollkommenen Benutzung oder unter dem Gesichtspunkt des Teilschutzes Gebrauch mache. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
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1. Das Klagegebrauchsmuster betrifft ein automatisches Zerfallszeitmessgerät für die pharmazeutische Qualitäts- und Produktionskontrolle von Tabletten und Dragees. Das Gerät besteht aus einem Becherglas, in das ein korbartiges Gestell eingestellt wird. Dieses dient zur Halterung einer Anzahl beidseitig offener Glasröhren in senkrechter Lage. Die Glasröhren stehen mit ihren bodenseitigen Öffnungen auf einer siebplattenartigen Bodenplatte des korbartigen Gestells. Die Bodenplatte hat eine der Anzahl der aufzunehmenden Glasröhren entsprechende Anzahl kreisförmiger Öffnungen. Diese entsprechen in ihren Abmessungen den Maßen der aufzunehmenden Röhren und sind als Siebplatten ausgebildet. Jede Siebplatte besteht aus zwei Siebplattenhälften. Die Hälften sind durch einen Schlitz von geringer Breite in einem Abstand voneinander angeordnet und von Strom durchflossen. Jede der Glasröhren hat in ihrem Innenraum einen Schwimmer. Dieser hat auf seiner der Siebplatte zugekehrten Unterseite ein Kontaktelement. Der Schwimmer hat senkrechte Durchbohrungen oder außenseitige Einschnitte zur Aufnahme des Prüflings. Die Vorrichtung ist weiter mit einem Mikroprozessor ausgestattet, der die unterschiedlichen Widerstände zwischen den unüberbrückten und den mittels des Kontaktelements eines jeden Schwimmers überbrückten Siebplattenhälften-Elektroden erfasst und auswertet.
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Die Gebrauchsmusterunterlagen beschreiben entsprechende im Stand der Technik bekannte Zerfallszeitmessgeräte, z.B. das aus der deutschen Patentschrift 33 25 739 bekannte Gerät. Jeder Schwimmer hat auf seiner Unterseite eine Kontaktplatte. Zum Zerfallszeitpunkt liegt der Schwimmer plan auf der zweigeteilten Siebplatte auf und überbrückt zur Bestimmung des Zerfallszeitpunkts die beiden Hälften elektrisch. Die Beschreibung bezeichnet es als problematisch , dass sich bei Tabletten, die mit einem Lackfilm überzogen sind, der ungelöste Lackfilm zwischen den Siebplattenhälften und dem Schwimmer fest- setze und einen elektrischen Kontakt der Siebplatten untereinander verhindern könne. Vor diesem Hintergrund gibt die Beschreibung als Aufgabe der Erfindung an, ein automatisches Zerfallszeitmessgerät für die pharmazeutische Qualitäts- und Produktionskontrolle von Tabletten und Dragees zu schaffen, das (auch) die Zerfallszeitmessung von "befilmten" Arzneimitteln erlaubt (S. 5 Abs. 2). Das Klagegebrauchsmuster schlägt dazu vor, bei einem Messgerät der bekannten Art die Siebplatten mit einem außenseitig umlaufenden Ring auszustatten , der durch einen Schlitz getrennt ist und aus elektrisch leitfähigem Material besteht, und als Kontaktelement ein in den Schwimmer integriertes Kontaktgerüst aus elektrisch leitfähigem Material mit mindestens drei Kontaktpunkten zur Kontaktierung des umlaufenden Rings zu verwenden.
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Die Beschreibung erläutert diese Lösung dahin, dass die Auflagepunkte durch Kontaktärmchen an den Enden des Kontaktgerüsts gebildet würden, die besonders zur Kontaktierung geeignet seien, da sie aufgrund ihrer geringen Auflagefläche in der Lage seien, sich bei verbleibenden Filmresten zwischen Kontaktgerüst und umlaufendem Ring durch den Film zu drücken und einen Kontakt herzustellen. Vorteilhafterweise soll das Kontaktgerüst als Kreuz bzw. Dreibein ausgebildet sein, dessen Außenmaße derart bemessen sind, dass es mit allen Enden bzw. den Kontaktärmchen auf dem umlaufenden Ring aufliegen kann. Das Kontaktgerüst sei dabei derart in den Schwimmer eingearbeitet, dass dieser eine ebene Unterseite aufweise und nur die Kontaktärmchen aus der Unterseite herausragten. Durch diese (bevorzugte) Ausgestaltung bestehe zwischen Siebplatte und Kontaktgerüst ein Zwischenraum, in dem die Hülle der aufgelösten Tablette verbleiben könne, ohne die Kontaktierung zur Feststellung der Zerfallszeit zu verhindern.
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Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1, 2 und 4 der Gebrauchsmusterunterlagen zeigen ein Ausführungsbeispiel.


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2. Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Siebplatten der angegriffenen Ausführungsformen seien nicht mit einem außenseitig umlaufenden Ring versehen. Das Klagegebrauchsmuster sei deshalb, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, nicht wortsinngemäß benutzt. Die beanstandeten Ausführungsformen verletzten das Klagegebrauchsmuster auch nicht im Sinne einer ver- schlechterten Ausführungsform. Zwar solle unterstellt werden, dass der angestrebte Erfolg im Wesentlichen erreicht werde, da auf der Hand liege, dass der elektrische Kontakt bei verbleibenden Filmresten jedenfalls besser ausgelöst werden könne, wenn ein Ring an der Unterseite des Schwimmers vorgesehen sei, als wenn der Schwimmer mit der flächigen Kontaktplatte ausgestattet sei. Jedoch könne eine unvollkommene Benutzung nur dann schutzrechtsverletzend sein, wenn alle Merkmale der Erfindung identisch oder äquivalent benutzt würden. Dies sei nicht der Fall, da die angegriffenen Ausführungsformen keinen die Siebplatten umlaufenden Ring aufwiesen. Eine Gebrauchsmusterverletzung komme daher nur noch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes einer Teilkombination in Betracht, der jedoch jedenfalls dann ausscheide, wenn die besondere Bedeutung des nicht verwirklichten Merkmals in der Patentschrift besonders hervorgehoben werde. So verhalte es sich mit dem Merkmal des die Siebplatten außenseitig umlaufenden Rings, dessen Bedeutung in den Gebrauchsmusterunterlagen an verschiedenen Stellen hervorgehoben werde. Auch die funktionale Bezogenheit der Merkmale des kennzeichnenden Teils des Schutzanspruchs 1 mache deutlich, dass der umlaufende Ring ein wesentliches Element des Gegenstands des Klagegebrauchsmusters sei. Selbst wenn der Fachmann erkenne, dass das von dem Erfinder erkannte technische Problem in etwa gleichwirkend auch bei Weglassen des Rings erreicht werden könne, dürfe der Schutz des Gebrauchsmusters mit Rücksicht auf das Gebot der Rechtssicherheit dennoch nicht durch Weglassen dieses erfindungswesentlichen Merkmals erweitert werden.
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3. Die Revision rügt, das Berufungsgericht gehe fehlerhaft davon aus, dass eine äquivalente ebenso wie eine identische Benutzung die wortsinngemäße Verwirklichung aller Merkmale des Schutzanspruchs voraussetze. Da das Berufungsgericht annehme, die angegriffenen Ausführungsformen erreich- ten im Wesentlichen den erfindungsgemäßen Erfolg, halte es ersichtlich die im Schutzanspruch genannten Lösungsmittel Kontaktpunkte und Siebplatte mit umlaufendem Ring und die von den Beklagten verwendeten Austauschmittel Kontaktpunkte bzw. -ring und durchgängige Siebplatte für gleichwirkend. Aufgrund seiner weiteren Annahme, dass der Fachmann diese Gleichwirkung auch als solche erkenne, hätte das Berufungsgericht auf eine äquivalente Verletzung erkennen müssen. Ein unter Umständen schlechterer Wirkungsgrad der angegriffenen Ausführungsformen ändere daran nichts. Das Berufungsgericht habe ferner die Voraussetzungen eines Teilschutzes verkannt. Nach der Senatsentscheidung "Beheizbarer Atemluftschlauch" (BGHZ 115, 204) komme es für die Frage, ob ein Teilschutz gewährt werde, nur dann auf die Abwägung zwischen Schutzinteresse des Erfinders und der Rechtssicherheit für Dritte an, wenn bei der angegriffenen Ausführungsform ein Merkmal ersatzlos fehle, das als einziges zur Lösung einer eigenständigen Aufgabe diene. Der bei den angegriffenen Ausführungsformen fehlende umlaufende Ring diene jedoch lediglich der Erhöhung des Wirkungsgrades der Erfindung und sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für das Klagegebrauchsmuster nicht kennzeichnend und erst recht kein wesentliches Merkmal der Erfindung. Vielmehr sei der umlaufende Ring integraler Bestandteil der Siebplatte, die bei beiden angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht sei. Zur Klärung der für die Auslegung des Klagegebrauchsmusters wesentlichen Frage, ob die Ausgestaltung der Siebflächen mit einem umlaufenden Ring für die Lösung der Aufgabe von Bedeutung ist, wäre das Berufungsgericht zur Einholung des von beiden Parteien angebotenen Sachverständigengutachtens gehalten gewesen.
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4. Die Angriffe der Revision sind ganz überwiegend unbegründet. In einem entscheidenden Punkt hält das Berufungsurteil jedoch der Nachprüfung nicht stand.

22
a) Nicht zu beanstanden ist es, dass das Berufungsgericht eine wortsinngemäße Benutzung des Klagegebrauchsmusters verneint hat. Zwar erfordert eine solche Beurteilung grundsätzlich, dass zunächst der Gegenstand des Schutzanspruchs ermittelt wird, indem dieser Anspruch unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen aus der Sicht des von der Erfindung angesprochenen Fachmanns ausgelegt wird (st. Rspr., s. nur Sen.Beschl. v. 17.4.2007 - X ZB 9/06, Tz. 13 - Informationsübermittlungsverfahren I, für BGHZ bestimmt). Im Streitfall kann jedoch nicht zweifelhaft sein, dass die angegriffenen Ausführungsformen keinen die Siebplatten umlaufenden Ring aufweisen; auch die Revision erhebt insoweit keine Rügen.
23
b) Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters unter dem Gesichtspunkt des Teilschutzes ausgeschlossen.
24
Der Gegenstand eines Gebrauchsmusters wird - nicht anders als der Gegenstand eines Patents durch den Patentanspruch - durch den Schutzanspruch bestimmt, in dem anzugeben ist, was durch die Eintragung des Gebrauchsmusters unter Schutz gestellt werden soll (§ 4 Abs. 3 Nr. 3 GebrMG). Der Inhalt der Schutzansprüche, zu dessen Auslegung Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind, bestimmt auch den Schutzbereich des Gebrauchsmusters (§ 12a GebrMG).
25
Aus dem gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehenden Gebot der Rechtssicherheit leitet der Senat dabei in ständiger Rechtsprechung ab, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patent- oder Schutzansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Ansprüchen auszurichten (s. nur BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I).
26
Für die Bestimmung des Schutzbereichs von Ansprüchen, die Zahlenoder Maßangaben enthalten, hat der Senat hervorgehoben, dass solche Angaben an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maßgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teilnehmen. Die Aufnahme von Zahlenoder Maßangaben in den Anspruch verdeutlicht, dass sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor Inkrafttreten des Art. 69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist (BGHZ 150, 149, 155 - Schneidmesser I). Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt vielmehr den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschließend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen (BGHZ 150, 149, 156 - Schneidmesser I). Ebenso gilt für die Bestimmung eines über den technischen Sinngehalt des Anspruchs hinausreichenden Schutzbereichs, dass im Anspruch enthaltene Zahlen- oder Maßangaben mit den angegebenen Werten den geschützten Gegenstand begrenzen. Im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung darf deshalb vom Sinngehalt der Zahlen- und Maßangaben nicht abstrahiert werden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann eine Ausführungsform mit einem vom Anspruch abweichenden Zahlenwert aufgrund von Überlegungen , die sich am Sinngehalt der im Anspruch umschriebenen Erfindung orientie- ren, als gleichwirkende Lösung auffinden kann, muss deshalb die sich aus der Zahlenangabe ergebende Eingrenzung des objek tiven, erfindungsgemäß zu erreichenden Erfolgs berücksichtigt werden (BGHZ 150, 149, 157 - Schneidmesser I). Als im Sinne des Patentanspruchs gleichwirkend kann nur eine Ausführungsform angesehen werden, die als eine solche auffindbar ist, die nicht nur überhaupt die Wirkung eines - im Anspruch zahlenmäßig eingegrenzten - Merkmals der Erfindung erzielt, sondern auch gerade diejenige, die anspruchsgemäß der zahlenmäßigen Eingrenzung dieses Merkmals zukommen soll. Fehlt es daran, ist auch eine objektiv und für den Fachmann erkennbar technisch ansonsten gleichwirkende Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents grundsätzlich nicht umfasst.
27
Wie bei anderen Elementen des Patentanspruchs darf deshalb die anspruchsgemäße Wirkung nicht unter Außerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maßangaben bestimmt werden. Es reicht daher für die Einbeziehung abweichender Ausführungsformen in den Schutzbereich grundsätzlich nicht aus, dass die erfindungsgemäße Wirkung im Übrigen aus fachmännischer Sicht unabhängig von der Einhaltung des Zahlenwertes eintritt. Erschließt sich kein abweichender Zahlenwert als im Sinne des anspruchsgemäßen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich insoweit nicht über den Sinngehalt des Patentanspruchs hinaus (BGHZ 150, 149, 158 f. - Schneidmesser I). Die anspruchsgemäße Wirkung des zahlenmäßig bestimmten Merkmals wird in diesem Fall durch die (genaue) Einhaltung eines Zahlenwertes bestimmt und kann daher notwendigerweise durch einen abweichenden Zahlenwert nicht erzielt werden. In einem solchen Fall genügt es nicht, dass aus fachmännischer Sicht auch eine von der Zahlenangabe abstrahierende Lehre als technisch sinnvoll erkennbar ist.
28
Der Senat hat in diesem Zusammenhang ferner hervorgehoben, dass der Anmelder nicht immer den vollen technischen Gehalt einer Erfindung erkennen und ausschöpfen wird. Beschränkt sich ein technisches Schutzrecht bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung, als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt gleichwohl darauf vertrauen, dass der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Schutzrechtsinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen (BGHZ 150, 149, 159 - Schneidmesser I).
29
Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass Gegenstand und Schutzbereich eines technischen Schutzrechts, die nicht unter Außerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maßangaben bestimmt werden können, ebenso wenig und erst recht nicht unter Außerachtlassung einzelner räumlichkörperlich oder funktional definierter Merkmale des Anspruchs bestimmt werden dürfen. Dies liefe darauf hinaus, der Schutzbereichsbestimmung nicht den erteilten Patentanspruch oder den der Eintragung zugrunde gelegten Schutzanspruch des Gebrauchsmusters zugrunde zu legen, sondern einen fiktiven Anspruch , der aus der Kombination lediglich einzelner Merkmale des Anspruchs besteht. Damit verlöre der Anspruch seine Bedeutung als maßgebliche Grundlage der Schutzbereichsbestimmung zugunsten eines aus der Beschreibung abgeleiteten allgemeineren Erfindungsgedankens alten Rechts. Mit Art. 69 EPÜ wäre dies ebenso wenig vereinbar wie mit den - in gleicher Weise auszulegenden - nationalen Schutzbereichsnormen in § 14 PatG und § 12a GebrMG.
30
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Senatsurteil vom 24. September 1991 (BGHZ 115, 204 - Beheizbarer Atemluftschlauch). Dort hat der Senat vielmehr ausdrücklich offengelassen, ob unter der Geltung des Art. 69 Abs. 1 EPÜ ein patentrechtlicher Teilschutz anzuerkennen ist (BGHZ 115, 204, 207).
31
Auf die vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob es sich bei der im Schutzanspruch 1 enthaltenen Anweisung, die Siebplatten jeweils mit einem außenseitig umlaufenden, durch den Schlitz getrennten Ring aus elektrisch leitfähigem Material zu versehen, um ein "wesentliches" Merkmal der Erfindung handelt, kommt es somit nicht an. Da der Schutzanspruch den Ring vorschreibt, kann er vielmehr nur durch eine Ausführungsform verletzt werden, die entweder - wie nicht - einen solchen Ring im Wortsinn des Anspruchs aufweist oder sich eines gleichwertigen Ersatzmittels bedient.
32
Ebenso unerheblich ist das Vorbringen der Revision, der umlaufende Ring diene lediglich der Erhöhung des Wirkungsgrades der Erfindung und sei für das Klagegebrauchsmuster "nicht kennzeichnend". Ebenso wenig wie eine zahlenmäßige Eingrenzung eines Merkmals der Erfindung darf ein Merkmal, das den Wirkungsgrad eines Elements der geschützten Lehre näher bestimmt, bei der Bestimmung des Gegenstands und des Schutzbereichs der Erfindung außer Acht bleiben.
33
c) Zu Recht bemängelt die Revision jedoch, dass das Berufungsgericht auch eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters mit vom Wortsinn des Anspruchs abweichenden Mitteln verneint, obwohl es andererseits zugunsten des Klägers unterstellt, dass die angegriffenen Ausführungsformen den erfindungsgemäßen Erfolg jedenfalls im Wesentlichen erreichen.
34
Die Einbeziehung einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführungsform in den Schutzbereich eines Patents setzt nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I) dreierlei voraus: 1. Das der Erfindung zu Grunde liegende Problem muss mit zwar abgewandelten , aber objektiv gleichwirkenden Mitteln gelöst werden. 2. Seine Fachkenntnisse müssen den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. 3. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht. Diese Voraussetzungen gelten für eine Gebrauchsmusterverletzung mit gleichwertigen Mitteln gleichermaßen.
35
Die erste Voraussetzung hat das Berufungsgericht zugunsten des Klägers unterstellt, die beiden weiteren hat es nicht geprüft. Für die Verneinung einer äquivalenten Verletzung bietet das Berufungsurteil damit keine ausreichende Grundlage.
36
5. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar. Weder kann ausgeschlossen werden, dass die - unterstellt - gleichwirkende Lösung für den Fachmann auffindbar war, noch lässt sich die notwendige Orientierung am Schutzanspruch verneinen, da dessen Sinngehalt nicht ermittelt ist (dazu nachfolgend zu 6).
37
6. Ebenso wenig kann der Senat selbst im Sinne einer Klageabweisung entscheiden. Auch dem steht entgegen, dass das Berufungsgericht den Sinngehalt des Patentanspruchs nicht ermittelt hat.
38
Zwar kann das Revisionsgericht die Auslegung eines Schutzanspruchs grundsätzlich selbst vornehmen, weil die Auslegung Rechterkenntnis und demgemäß nicht dem Tatrichter vorbehalten ist (BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild BGHZ 160, 204, 212 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; Sen.Urt. v. 13.2.2007 - X ZR 74/05, Tz. 18 - Kettenradanordnung, für BGHZ bestimmt). Wie jede Auslegung wird jedoch auch die Auslegung des Schutzanspruchs auf tatsächlicher Grundlage getroffen, zu der neben den objektiven technischen Gegebenheiten auch ein bestimmtes Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen sowie Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und methodische Herangehensweise dieser Fachleute gehören, die das Verständnis des Anspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können (BGHZ 164, 261, 268 - Seitenspiegel). Denn zu ermitteln ist, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt (Sen.Urt. "Kettenradanordnung", aaO; Sen.Beschl. v. 17.4.2007 - X ZB 9/06, Tz. 13 - Informationsübermittlungsverfahren I, für BGHZ bestimmt; Melullis, Festschrift für Eike Ullmann, S. 503, 512 f.).
39
Hat der Tatrichter keine eigene Auslegung des Patentanspruchs oder Schutzanspruchs vorgenommen, fehlt dem Revisionsgericht regelmäßig die Grundlage für die Prüfung, ob sämtliche notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Auslegung rechtsfehlerfrei festgestellt sind und ob bei erneuter Prüfung durch das Berufungsgericht ergänzende tatrichterliche Feststellungen zu erwar- ten sind. Auch ist den Parteien in einem solchen Fall die Möglichkeit verschlossen , die für die Anspruchsauslegung relevanten tatsächlichen Annahmen als verfahrensfehlerhaft getroffen oder unvollständig zu rügen. Die fehlende Auslegung des Anspruchs durch das Berufungsgericht erfordert daher in der Regel die Zurückverweisung der Sache.
40
Im Streitfall enthält das Berufungsurteil keine hinreichenden Ausführungen zu der Frage, welche technische Funktion das Klagegebrauchsmuster dem die Siebplatten umlaufenden Ring einerseits und dem Kontaktgerüst mit mindestens drei Kontaktpunkten zur Kontaktierung des umlaufenden Ringes andererseits beimisst. Das Berufungsgericht bemerkt lediglich, der angestrebte Erfolg werde im Wesentlichen erreicht, wenn der Schwimmer mit einem Ring anstatt mit einer flächigen Kontaktplatte ausgestattet werde, und führt im Zusammenhang mit der Erörterung eines Teilschutzes aus, der die Siebplatten umlaufende Ring diene dazu, von den Kontaktpunkten kontaktiert zu werden. Damit bleibt unklar, ob die erfindungsgemäße Ausgestaltung von Siebplattenring und Kontaktpunkten lediglich der zuverlässigen Ausgestaltung des elektrischen Kontaktes oder auch der Herstellung eines Freiraumes zwischen Schwimmer und Siebplatte zur Aufnahme des Tablettenfilms dient und welche Vorgaben der Schutzanspruch an die räumlich-körperliche Ausgestaltung der diesem Zweck oder diesen Zwecken dienenden Mittel stellt. Der Senat kann nicht ausschließen , dass bei der Klärung dieser Fragen tatrichterliche Feststellungen Bedeutung gewinnen.
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III. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
42
1. Die Prüfung, ob eine angegriffene Ausführungsform das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit gleichwertigen Mitteln löst, erfordert zu- nächst die Ermittlung des Sinngehalts der Schutzansprüche und der Wirkungen , die mit den anspruchsgemäßen Merkmalen - je für sich und in ihrer Gesamtheit - erzielt werden, sowie die tatrichterliche Feststellung, ob und gegebenenfalls mit welchen konkreten, vom Wortsinn des Anspruchs abweichenden Mitteln diese Wirkungen von der angegriffenen Ausführungsform erreicht werden (BGHZ 150, 149, 153 - Schneidmesser I; Sen.Urt. v. 25.10.2005 - X ZR 136/03, GRUR 2006, 311, 312 - Baumscheibenabdeckung; Sen.Urt. v. 22.11.2005 - X ZR 81/01, GRUR 2006, 313, 315 - Stapeltrockner).
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2. Das Berufungsgericht wird daher zunächst den Sinngehalt des Schutzanspruchs zu klären haben.
44
Das Landgericht hat angenommen, die im Schutzanspruch genannten mindestens drei Kontaktpunkte des Kontaktgerüstes könnten auch durch eine Vielzahl von Kontaktpunkten verwirklicht werden, die "am Ende sogar einen Ring darstellen" könnten. Es hat dabei jedoch den Gesamtinhalt der Gebrauchsmusterunterlagen nicht erkennbar berücksichtigt. In der Beschreibung wird die erfindungsgemäße Lösung dahin erläutert, dass die mindestens drei möglichen "Auflagepunkte" auf dem umlaufenden Ring durch "Kontaktärmchen" an den Enden des Kontaktgerüstes gebildet werden, die aufgrund ihrer geringen Auflagefläche in der Lage seien, sich durch die Folie zu drücken. Auch wenn die Kontaktärmchen erst in Schutzanspruch 2 genannt werden, so könnte die Verwendung dieses Begriffs und die Zuweisung der Funktion, sich durch die Filmreste drücken zu können, in der allgemeinen Beschreibung der Erfindung doch darauf hindeuten, dass die Erfindung eine begrenzte Anzahl diskreter Kontaktpunkte voraussetzt, die durch einen umlaufenden Ring nicht bereitgestellt werden.
45
3. Sodann wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die angegriffenen Ausführungsformen oder auch nur diejenige, bei der der am Schwimmer angeordnete Ring mit Kontaktspitzen versehen ist, den erfindungsgemäßen Erfolg mit abweichenden, jedoch gleichwertigen Mitteln herbeiführen.
46
Bei dieser Prüfung wird zu beachten sein, dass unter erfindungsgemäßem Erfolg diejenige technische Wirkung zu verstehen ist, die aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns mit den einzelnen Merkmalen der Erfindung für sich und in ihrem funktionalem Zusammenwirken erzielt werden soll. Der erfindungsgemäße Erfolg darf daher nicht auf einen "Haupteffekt" reduziert werden, sondern kann gegebenenfalls einen komple xen Zusammenhang unterschiedlicher technischer Wirkungen umfassen. In diesem Zusammenhang wird sich das Berufungsgericht insbesondere mit der Wirkung und dem Zusammenwirken der Kontaktpunkte des Kontaktgerüsts und dem umlaufenden Ring um die Siebplatte zu befassen haben.
47
Sollte hiernach bei der einen oder anderen angegriffenen Ausführungsform die erforderliche Gleichwirkung zu bejahen sein, wird sich das Berufungsgericht die oben erwähnten beiden weiteren, zur Annahme der Gleichwertigkeit erforderlichen Fragen zu stellen haben.
Melullis Scharen Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 20.02.2003 - 315 O 370/02 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 30.09.2004 - 3 U 202/03 -
20
Dass das Protokoll nachträglich hergestellt worden ist, ergibt sich aus der Akte, nämlich aus dem im Anschluss hieran eingehefteten Urteil, das erst am 7. Oktober 2008 zur Geschäftsstelle gelangt ist. Zu diesem Zeitpunkt war die Fünfmonatsfrist bereits abgelaufen, wenn am 13. Februar 2008 ein Urteil verkündet worden war. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es indessen unverzichtbar , dass innerhalb der Fünfmonatsfrist ein beweiskräftiges Protokoll über die Verkündung eines Urteils auf der Grundlage einer schriftlich fixierten Urteilsformel erstellt wird (offen gelassen in BGH Urteil vom 31. Mai 2007 - X ZR 172/04 - BGHZ 172, 298 = NJW 2007, 3210 Rn. 13). Denn allein durch das Protokoll kann bewiesen werden, dass und mit welchem Inhalt ein Urteil verkündet worden ist. Vom Zeitpunkt der Verkündung hängt wiederum der Beginn der Berufungsfrist ab, falls das Urteil - wie hier - erst nach Ablauf der Fünfmonatsfrist zugestellt worden ist. Hierüber muss vor Ablauf der Fünfmonatsfrist aus den Akten Gewissheit zu gewinnen sein. Ebenso muss feststellbar sein, ob das Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, weil nicht innerhalb der spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung beginnenden Rechtsmittelfrist Berufung eingelegt worden ist.