vorgehend
Landgericht Stendal, 23 O 369/09, 25.05.2010
Oberlandesgericht Naumburg, 2 U 57/10, 20.12.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 27/12
vom
31. Mai 2012
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Mai 2012 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Czub und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 20. Dezember 2011 wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe als unzulässig verworfen , dass der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist verworfen wird.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt bis 65.000 €.

Gründe:


I.

1
Der Beklagte ist von dem Landgericht zur Herausgabe eines Oldtimers verurteilt worden. Innerhalb der Berufungsfrist beantragte er für die beabsichtigte Berufung die Gewährung von Prozesskostenhilfe, die das Oberlandesgericht ihm mit am 23. September 2011 zugestelltem Beschluss bewilligte. Am 29. September 2011 stellte der beigeordnete Prozessbevollmächtigte des Be- klagten bei der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts den Antrag, ihm die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Gebühren des Berufungsverfahrens zu erstatten. Am 13. Oktober 2011 gingen die Berufung und die Berufungsbegründung des Beklagten bei dem Oberlandesgericht ein. Nach einem Hinweis des Vorsitzenden, dass die Berufung bis zum 7. Oktober 2011 hätte eingelegt werden müssen, hat der Beklagte, der diese Auffassung nicht teilte, mit einem am 28. Oktober 2011 eingegangenen Schriftsatz hilfsweise die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist beantragt. Er hat vorgetragen, dass sein Prozessbevollmächtigter die Fristen korrekt errechnet habe, bei Eintragung der Daten durch dessen sonst stets gewissenhaften Kanzleiangestellten aber fehlerhaft der 7. Oktober 2011 als Vorfrist und der 14. Oktober 2011 als Fristablauf notiert worden sei. Bei Vorlage der Handakte am 7. Oktober 2011 habe der Prozessbevollmächtigte geringfügige Änderungen an der schon gefertigten Berufungsschrift verfügt. Am nächsten Arbeitstag sei sie dann in den Postlauf gegeben worden.
2
Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist verworfen, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.


3
Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der Beklagte die versäumte Prozesshandlung, die Berufungseinlegung, nicht innerhalb der mit der Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses beginnenden zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist vorgenommen. Die beantragte Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist sei nicht zu gewähren, da die Frist nicht unverschuldet versäumt worden sei. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten habe es pflichtwidrig unterlassen, bei Vorlage der Handakten am 7. Oktober 2011 die Fristen zu überprüfen. Hätte er dies getan, wäre ihm der Fehler aufgefallen, und er hätte noch am selben Tag die Berufungsschrift fristwahrend per Fax an das Oberlandesgericht senden können.

III.


4
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO erfordert nicht eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.
5
1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Beklagte die Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist versäumt hat. Die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist begann mit der Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses (§ 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) und endete mit Ablauf des 7. Oktober 2011. Nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO die versäumte Prozesshandlung – hier die Berufungseinlegung – nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Die Berufung des Beklagten ist aber erst am 13. Oktober 2011, also nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist eingelegt worden. Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt der am 29. September 2011 von seinem Prozessbevollmächtigten gestellte Gebührenfestsetzungsantrag keine Berufungseinlegung dar. Dies folgt – neben den völlig unterschiedlichen Zielrichtungen von Rechtsmitteleinlegung und Vergütungsantrag – schon daraus, dass der Anwalt einen Antrag auf Festsetzung der ihm aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung nur im eigenen Namen stellt.
6
2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht auch die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist (vgl. § 233 ZPO) versagt.
7
a) Allerdings trifft den Prozessbevollmächtigten des Beklagten kein Verschulden an der Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist. Zwar nimmt das Berufungsgericht zutreffend an, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einem Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung obliegt, ob das von der Kanzleikraft notierte Fristende richtig ermittelt und eingetragen worden ist, wenn ihm die Akten - wie hier auf Vorfrist - zur Bearbeitung vorgelegt werden (vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. Juni 2008 - VI ZB 2/08, NJW 2008, 3439, 3440, mwN). Diese Prüfung muss aber nicht sofort erfolgen, weil die Vorfrist gerade den Sinn hat, dem Rechtsanwalt einen gewissen Spielraum zur Bearbeitung bis zum endgültigen Ablauf der Frist zu verschaffen. Sie kann daher auch noch am folgenden Tag vorgenommen werden (BGH, Beschluss vom 10. Juni 2008 – VI ZB 2/08, NJW 2008, 3439, 3440; Beschluss vom 24. Oktober 2001 – VIII ZB 19/01, VersR 2002, 1391, jeweils mwN). Es kann daher nicht beanstandet werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am Tag der Aktenvorlage, dem 7. Oktober 2011, die Frist nicht sofort überprüft hat. Dass er die notwendige Überprüfung am folgenden Arbeitstag möglicherweise ebenfalls nicht vorgenommen und die fehlerhafte Fristnotierung nicht bemerkt hat, muss außer Betracht bleiben. Denn dies ist für die Fristversäumung nicht ursächlich geworden, da zu diesem Zeitpunkt die Frist bereits abgelaufen war.
8
Ein Organisations- und Überwachungsverschulden ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht anzulasten. Der Beklagte hat glaubhaft gemacht , dass dieser seinen Pflichten zur Kontrolle seines ihm als zuverlässig bekannten Kanzleimitarbeiters nachgekommen ist.
9
b) Der Beklagte hat jedoch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO gestellt.
10
Nach § 234 Abs. 2 ZPO beginnt die Wiedereinsetzungsfrist mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist. Ein Hindernis ist nicht erst bei Kenntnis des wahren Sachverhalts entfallen; vielmehr ist es auch behoben, sobald das Fortbestehen der Ursache der Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist (BGH, Beschluss vom 16. September 2003 – X ZR 37/03, NJW-RR 2004, 282, 283, mwN). Hier hätte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, nachdem ihm die Akte aufgrund der notierten Vorfrist zur Bearbeitung vorgelegt worden war, spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag eine Kontrolle der von seinem Angestellten eingetragenen Fristen vornehmen und damit jedenfalls am Montag, dem 10. Oktober 2011, als die Berufung in den Postauslauf gegeben wurde, erkennen müssen, dass die Berufungseinlegungsfrist bereits abgelaufen war (vgl. BGH, aaO). Ab diesem Zeitpunkt war das Hindernis somit behoben, und die Zwei-Wochen-Frist des § 234 ZPO begann zu laufen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist ist jedoch nicht innerhalb der am 24. Oktober 2011 endenden Frist gestellt worden, sondern ging erst am 28. Oktober 2011 ein.
11
3. Da dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben war, hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten wegen Versäumung der Berufungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen.

IV.


12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Stresemann Czub Brückner Weinland

Vorinstanzen:
LG Stendal, Entscheidung vom 25.05.2010 - 23 O 369/09 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 20.12.2011 - 2 U 57/10 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

Zivilprozessordnung - ZPO | § 236 Wiedereinsetzungsantrag


(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten. (2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragste

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 2/08
vom
10. Juni 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Dem Rechtsanwalt obliegt eine Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das
Fristende von seiner Fachangestellten richtig ermittelt worden ist, wenn ihm die Akten
- etwa auf Vorfrist - zur Bearbeitung vorgelegt werden (Anschluss an Senat, Beschlüsse
vom 28. September 1998 - VI ZB 16/98 - BRAK-Mitt. 1998, 269 und vom
9. März 1999 - VI ZB 3/99 - VersR 1999, 866; BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 1994
- VIII ZB 12/94 - NJW 1994, 2831 und vom 24. Oktober 2001 - VIII ZB 19/01 - VersR
2002, 1391 f., jeweils m.w.N.).
BGH, Beschluss vom 10. Juni 2008 - VI ZB 2/08 - OLG Hamm
LG Detmold
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juni 2008 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und
die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. Dezember 2007 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 15.648,99 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger hat nach einem Verkehrsunfall von den Beklagten als Gesamtschuldnern Schmerzensgeld sowie Ersatz materiellen Schadens von insgesamt 16.072,05 € nebst Zinsen begehrt. Das Landgericht hat einen geringen Teilbetrag zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 14. September 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 15. Oktober 2007 Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 15. November 2007, beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tag, hat er die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis 17. Dezember 2007 wegen urlaubs- und krankheitsbedingter Ausfälle im Büro seines Prozessbevollmächtigten beantragt. Auf den Hinweis des Beru- fungsgerichts vom 19. November 2007 (zugegangen am 22. November 2007), dass der Antrag erst nach Ablauf der Frist zur Begründung der Berufung eingekommen sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich die Berufung begründet. Die seit Jahren beanstandungsfrei für seinen Prozessbevollmächtigten arbeitende Fachangestellte J. habe den Ablauf der Frist zur Berufungseinlegung auf 15. Oktober 2007, den der Frist zur Berufungsbegründung jedoch irrig auf 15. November 2007 notiert. Da in der einwöchigen Vorfrist vor Ablauf der notierten Berufungsbegründungfrist die Bearbeitung der Berufungsbegründung wegen einer nicht vorhersehbaren Arbeitsüberlastung durch krankheits- und urlaubsbedingte Ausfälle im Büro nicht habe erfolgen können, habe der Prozessbevollmächtigte am Tag des eingetragenen Fristablaufs die Mitarbeiterin G. angewiesen, die Begründungsfrist um einen Monat verlängern zu lassen. Diese habe irrtümlich den Auslauf der verlängerten Begründungsfrist auf Montag, den 17. Dezember 2007 angenommen.
2
Mit Beschluss vom 17. Dezember 2007 hat das Berufungsgericht den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte habe die von ihm selbst für erforderlich erachtete Kontrolle der mit der Notierung der Fristen beauftragten Fachangestellten nicht innerhalb der vorgesehenen Frist von zwei Monaten durchgeführt, sonst habe ihm der Falscheintrag im Fristenkalender zu dem Ablauf der Begründungsfrist am 14. November 2007 auffallen müssen. Aus welchem Grund dies unterblieben sei, trage der Kläger nicht vor. In Urlaubs - und Krankheitsfällen habe er jedoch die rechtzeitige Bearbeitung von Fristsachen sicherstellen müssen. Er habe auch nach Vorlage der Akten im Rahmen der Vorfrist nicht die notwendige Sorgfalt walten lassen. Wenn er schon die Mitarbeiterin J. nicht im Rahmen der vorgesehenen Frist habe überprüfen wollen, habe er doch die korrekte Fristnotierung prüfen müssen.
3
Gegen diesen, seinem Prozessbevollmächtigten am 21. Dezember 2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 3. Januar 2008 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 27. Februar 2008 begründet.

II.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die hier maßgeblichen Rechtsfragen durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs geklärt sind und das Berufungsgericht hiernach im Ergebnis zutreffend entschieden hat.
5
2. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zu Recht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Der Kläger hat die Berufungsbegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruht auf dem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
6
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Frist zur Berufungsbegründung schuldhaft versäumt, weil er die gebotene Fristenkontrolle nicht ausgeführt hat, als ihm die Akten zu der notierten Vorfrist (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2001 - VI ZB 43/01 - VersR 2002, 506, 507; BGH, Beschluss vom 25. Juni 1997 - XII ZB 61/97 - NJW-RR 1997, 1289; vom 6. Dezember 2006 - XII ZB 99/06 - FamRZ 2007, 275, 276) vorgelegt worden sind.
7
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegt einem Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und eingetragen worden ist, wenn ihm die Akten - wie hier auf Vorfrist - zur Bearbeitung vorgelegt werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 28. September 1998 - VI ZB 16/98 - juris Rn. 5 und vom 9. März 1999 - VI ZB 3/99 - VersR 1999, 866, 867; BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 12/94 - NJW 1994, 2831, 2832 und vom 24. Oktober 2001 - VIII ZB 19/01 - VersR 2002, 1391 f., jeweils m.w.N.). Diese Prüfung muss zwar nicht sofort erfolgen , weil die Vorfrist gerade den Sinn hat, dem Rechtsanwalt einen gewissen Spielraum zur Bearbeitung bis zum endgültigen Ablauf der Frist zu verschaffen. Sie kann daher auch noch am folgenden Tag vorgenommen werden (vgl. Senat , Beschlüsse vom 9. März 1999 - VI ZB 3/99 - aaO und vom 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99 - VersR 2000, 202, 204; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - VIII ZB 19/01 - aaO, S. 1392). Soll die Prüfung Sinn machen, darf sie jedoch nicht zurückgestellt werden, bis der Rechtsanwalt - ggf. erst am letzten Tag der Frist (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Mai 1997 - VI ZB 10/97 - VersR 1997, 1252, 1253) - die eigentliche Bearbeitung der Sache vornimmt. Vielmehr entsteht die Prüfungspflicht mit Vorlage der Akten unabhängig davon, ob sich der Rechtsanwalt daraufhin zur sofortigen Bearbeitung der Sache entschließt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 28. September 1998 - VI ZB 16/98 - aaO und vom 23. Januar 2007 - VI ZB 5/06 - VersR 2008, 233, 234; BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 1991 - VIII ZB 38/91 - NJW 1992, 841; vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 12/94 - aaO; vom 27. Februar 1997 - I ZB 50/96 - NJW 1997, 1708, 1709; vom 24. Oktober 2001 - VIII ZB 19/01 - aaO). Dementsprechend muss sich der Rechtsanwalt, der die eigentliche Sachbearbeitung zurückstellen will, bei der Vorlage auf Vorfrist davon überzeugen, ob ihm am Tag des Fristablaufs noch Zeit für die Anfertigung der Rechtsmittelbegründung oder für einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist verbleibt (Senat, Beschlüsse vom 27. Mai 1997 - VI ZB 10/97 - und vom 28. September 1998 - VI ZB 16/98 - aaO). Auch hat der Senat bereits früher ausgeführt, der Rechtsanwalt habe jedenfalls dann Anlass zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten sei, wenn ihm die Sache anlässlich des bevorstehenden Fristablaufs vorgelegt werde; dass diese Verpflichtung auch und gerade dann entstehe , wenn dem Rechtsanwalt die Akten auf Vorfrist zur Anfertigung der Rechtsmittelbegründung vorgelegt werden, sei im Hinblick auf die Warnfunktion der Vorfrist selbstverständlich und bedürfe deshalb keiner näheren Darlegungen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. September 1998 - VI ZB 16/98 - aaO).
8
Entscheidend ist, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers, nachdem ihm die Akte zur Vorfrist vorgelegt worden war, die Bearbeitung der Berufungsbegründung auf den letzten Tag der notierten Frist verschoben hat, ohne die notierte Frist auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

9
Da dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben war, hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen.
10
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Detmold, Entscheidung vom 06.09.2007 - 12 O 39/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 17.12.2007 - 13 U 159/07 -

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 37/03
vom
16. September 2003
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verspätete Berufungsbegründung
Wird Unkenntnis vom wahren Zeitpunkt der Berufungseinlegung geltend gemacht
, muß zur Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist
innerhalb der Zwei-Wochen-Frist dargelegt werden, warum nicht bereits vor
dem Zugang der gerichtlichen Mitteilung über den Zeitpunkt der Berufungseinlegung
der wahre Zeitpunkt hätte erkannt werden können.
BGH, Beschluß vom 16. September 2003 - X ZR 37/03 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Dr. Meier-Beck
und Asendorf
am 16. September 2003

beschlossen:
Die Berufung gegen das am 16. Januar 2003 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Gründe:


I. Die beklagte Patentinhaberin hat gegen das am 16. Januar 2003 verkündete und ihrem prozeßbevollmächtigten Patentanwalt am 3. März 2003 zugestellte Urteil des Bundespatentgerichts in einer Patentnichtigkeitssache am 31. März 2003 Berufung beim Bundesgerichtshof eingelegt. Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2003 hat sie "zu unserer am 31. März 2003 eingelegten Berufung ... gebeten , die Frist zur Einreichung einer Begründung um 14 Tage zu verlängern". Am 8. Mai 2003 hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten eine Mitteilung des Senats vom 6. Mai 2003 erhalten, daß die Berufungsbegründungsfrist versäumt sei.

Mit an diesem Tage beim Bundesgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom 21. Mai 2003 hat die Beklagte die Berufung begründet und Wiedereinset- zung in die Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Rechtfertigung dieses Antrags hat die Beklagte dabei geltend gemacht, die bei ihrem Prozeßbevollmächtigten mit der Berechnung und Überwachung von Fristen betraute, stichprobenartig überprüfte und bisher zuverlässige Kanzleiangestellte M. habe die Berufungsbegründungsfrist mit zwei Monaten ab Zustellung des angefochtenen Urteils berechnet und notiert, obwohl sie von allen Gesetzesänderungen, die Auswirkungen auf die Fristenberechnung hätten, unverzüglich in Kenntnis gesetzt worden sei. In einem Schriftsatz vom 10. Juni 2003 hat die Beklagte dann noch ergänzend geltend gemacht, ihr Prozeßbevollmächtigter sei bei der Unterzeichnung des Schriftsatzes vom 5. Mai 2003 davon ausgegangen und habe davon ausgehen dürfen, daß die Berufungsschrift vom 31. März 2003 erst am 3. April 2003 per Fax an den Bundesgerichtshof gesendet worden sei, weil fristwahrende Schriftstücke in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten generell erst am letzten Tag der zu beachtenden Frist herausgingen.
II. Die Berufung ist unzulässig und deshalb gemäß § 113 Abs. 1 PatG zu verwerfen.
1. Gemäß § 111 Abs. 2 Satz 2 PatG war die Berufung in einer Frist von einem Monat zu begründen, die mit der Einlegung der Berufung, also am 31. März 2003 begann. Innerhalb dieser Frist ist eine Berufungsbegründung nicht erfolgt. Die Berufungsbegründung der Beklagten ist erst am 21. Mai 2003 beim Bundesgerichtshof eingegangen.
2. Der Beklagten darf wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Auch die Antragsfrist für die Wiedereinsetzung ist nicht gewahrt.

a) Im Falle der Berufung in Patentnichtigkeitssachen muß das Wiedereinsetzungsgesuch in entsprechender Anwendung von § 234 Abs. 1 und 2 ZPO (Sen.Urt. v. 31.05.2000 - X ZR 154/99, GRUR 2000, 1010 - Schaltmechanismus ) bei dem Bundesgerichtshof innerhalb einer Frist von zwei Wochen angebracht werden, die mit dem Tage beginnt, an dem das Hindernis behoben ist, das der rechtzeitigen Begründung der Berufung entgegenstand. Der Antrag muß die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten (§ 236 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung). Hierzu gehört auch der Sachvortrag, aus dem sich entnehmen läßt, daß der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses gestellt ist (BGH, Beschl. v. 18.10.2000 - XII ZB 163/00, FamRZ 2001, 416 m.w.N.). Da nach ständiger Rechtsprechung (z.B. Sen.Beschl. v. 12.06.2001 - X ZB 14/01, BGHReport 2001, 982) die Nachholung von die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Angaben oder ein Nachschieben neuer Begründung nach Ablauf der Frist grundsätzlich nicht möglich ist, steht auch hierzu - wenn es sich nicht um bloße Ergänzungen ergänzungsbedürftiger Angaben handelt - nur die Frist von zwei Wochen zur Verfügung.
Diesen Anforderungen genügt der Schriftsatz vom 21. Mai 2003 nicht.
Ursache der Verhinderung der Beklagten, die Berufung rechtzeitig zu begründen, war im Streitfall - wie die Beklagte geltend macht - ihre Unkenntnis, daß die Berufung bereits am 31. März 2003 eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist einen Monat ab diesem Zeitpunkt beträgt. Der Sachvortrag
der Beklagten im Schriftsatz vom 21. Mai 2003 befaßt sich demgegenüber vor- nehmlich im Hinblick auf die Voraussetzung des § 233 ZPO, daß eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten , mit der Frage, warum es zu dieser Unkenntnis gekommen ist. Zu dem für die Fristberechnung maßgeblichen Wegfall der Verhinderung heißt es dort nur, durch den am 8. Mai 2003 eingegangenen Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2003 sei man von dem Fristversäumnis in Kenntnis gesetzt worden. Das allein vermag die Wahrung der Frist jedoch nicht darzutun. Denn ein Hindernis ist nicht erst bei Kenntnis des wahren Sachverhalts entfallen; ein Hindernis ist im Sinne von § 234 Abs. 2 ZPO auch behoben, sobald das Fortbestehen der Ursache der Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist (BGH, Beschl. v. 18.10.2000 - XII ZB 163/00, FamRZ 2001, 416; Beschl. v. 13.12.1999 - II ZR 225/98, NJW 2000, 592 m.w.N.). Das hätte im Streitfall ein Eingehen innerhalb der Zwei-Wochen-Frist darauf erforderlich gemacht, warum die Beklagte nicht bereits vor dem Zugang der Mitteilung des Senats vom 6. Mai 2003 hätte erkennen können, daß die Berufung bereits am 31. März 2003 eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist einen Monat beträgt. Hiermit befaßt sich jedoch erst der ergänzende Schriftsatz vom 10. Juni 2003.

b) Aber auch dann, wenn man die dortigen Angaben der Beklagten mitberücksichtigt , verbleibt es bei der Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs.
Nach ständiger Rechtsprechung muß ein Rechtsanwalt bei fristwahrenden Prozeßhandlungen selbständig und eigenverantwortlich überprüfen, ob die betreffende Frist richtig ermittelt und eingetragen ist (z.B. BGH, Beschl. v. 05.03.2002 - VI ZR 286/01, MDR 2002, 841; Urt. v. 04.05.2001 - V ZR 434/00, NJW 2001, 2336). Zu diesen Prozeßhandlungen gehört auch der Antrag auf
Verlängerung der betreffenden Frist. An einen Patentanwalt, der in einem Nichtigkeitsberufungsverfahren als Prozeßbevollmächtigter auftritt, sind dieselben Anforderungen zu stellen (Sen.Beschl. v. 19.12.2000 - X ZR 128/00, GRUR 2001, 411 - Wiedereinsetzung V). Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hätte sich mithin bei der Unterzeichnung des Verlängerungsantrags vom 5. Mai 2003 nicht auf eine geübte Praxis verlassen dürfen, daß Fristen bis zum letzten Tag genutzt worden sind, sondern selbst überprüfen müssen, wann die Berufung eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist ablief.
Danach hätte der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten bereits am 5. Mai 2003 erkennen müssen, daß die Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen war. Das muß sich die Beklagte zurechnen lassen (Senat aaO). Innerhalb der damit ab dem 5. Mai 2003 laufenden Zwei-Wochen-Frist ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist jedoch nicht gestellt worden.
3. Angesichts dieser Umstände kommt auch eine Wiedereinsetzung nach § 236 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO nicht in Betracht.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, § 121 Abs. 2 PatG.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Meier-Beck Asendorf

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)