Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Feb. 2016 - V ZB 23/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:180216BVZB23.15.0
bei uns veröffentlicht am18.02.2016
vorgehend
Amtsgericht Stuttgart, 209 XIV 187/15, 16.01.2015
Landgericht Stuttgart, 19 T 43/15, 16.02.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 23/15
vom
18. Februar 2016
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AufenthG § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 (Fassung bis 31.7.2015); Richtlinie
2008/115/EG Art. 3 Nr. 7
Der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG in der
bis zum 31. Juli 2015 geltenden Fassung war auch nach dem Ablauf der Frist
zur Umsetzung der Richtlinie 2008/115/EG (sog. Rückführungsrichtlinie) am
24. Dezember 2011 weiter anzuwenden.

a) Verfahrensfehler bei der Durchführung der persönlichen Anhörung des Betroffenen
verletzen § 420 FamFG und damit Art. 104 Abs. 1 GG nur, wenn
sie nicht nur den formal ordnungsmäßigen Ablauf der Anhörung, sondern
deren Grundlagen betreffen.

b) Die Grundlagen der Anhörung sind nicht schon betroffen, wenn dem Betroffenen
eine Kopie des Haftantrags oder von dessen Übersetzung nicht
ausgehändigt wird, sondern erst, wenn der Anhörung ein unzulässiger oder
ein unvollständiger Haftantrag zugrunde liegt, oder wenn der zulässige
Haftantrag bei der Anhörung nicht zumindest in den wesentlichen Grundzügen
sinngemäß mündlich in eine Sprache übersetzt wird, die der Betroffene
beherrscht.
BGH, Beschluss vom 18. Februar 2016 - V ZB 23/15 - LG Stuttgart
AG Stuttgart
ECLI:DE:BGH:2016:180216BVZB23.15.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16. Februar 2015 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:


I.


1
Der Betroffene ist kosovarischer Staatsangehöriger. Er wurde am 6. Dezember 2014 in Deutschland bei einer Polizeikontrolle festgenommen, weil er keine gültigen Papiere bei sich führte, und am 12. Dezember 2014 unter Befristung des Einreiseverbots auf zwei Jahre in den Kosovo abgeschoben. Am 15. Januar 2015 wurde er erneut in Deutschland bei einer Polizeikontrolle ohne gültige Einreise- und Aufenthaltspapiere angetroffen und festgenommen. Bei seiner Anhörung durch das Amtsgericht erklärte er, er beabsichtige, Asyl zu beantragen.

2
Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am Folgetag gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Abschiebung in den Kosovo bis zum 26. Februar 2015 angeordnet. Die mit einem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Haft verbundene Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, nach seiner Abschiebung in den Kosovo am 26. Februar 2015 mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festzustellen.

II.


3
Das Landgericht (LG Stuttgart, Beschluss vom 16. Februar 2015 - 19 T 43/15, juris) hält die Haftanordnung des Amtsgerichts im Ergebnis für rechtmäßig. Zwar könne sie mit Rücksicht auf den Asylantrag nicht mehr auf den Tatbestand der unerlaubten Einreise gestützt werden. Gegeben sei aber der von dem Amtsgericht ebenfalls angenommene Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG aF. Der Anwendung dieses Haftgrunds stehe die Richtlinie 2008/115/EG (des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedsstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger , ABl. EG Nr. L 348 S. 98 - sog. Rückführungsrichtlinie) nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof habe zwar entschieden, dass Haft zur Sicherung einer Rücküberstellung nach Maßgabe der Dublin-III-Verordnung nicht mehr auf diesen Haftgrund gestützt werden könne, weil er durch nationale gesetzliche Vorschriften näher ausgeformt werden müsse. Für die Abschiebungshaft gelte diese Rechtsfolge aber nicht. Zwar sehe die Rückführungsrichtlinie eine ähnliche Regelung für den dort bestimmten Haftgrund der Fluchtgefahr vor. Dieser sei aber, anders als der Haftgrund der Fluchtgefahr nach Art. 28 Abs. 2 der DublinIII -Verordnung, nicht abschließend, sondern nur einer von mehreren möglichen Haftgründen.

III.


4
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.
5
1. Gegen die Anordnung der Haft durch das Amtsgericht wendet der Betroffene zu Unrecht ein, sie habe wegen der unmittelbaren Wirkung der Rückführungsrichtlinie nicht auf den Haftgrund der Fluchtgefahr nach dem hier noch maßgeblichen § 62 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 AufenthG in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386) am 1. August 2015 geltenden Fassung gestützt werden können. Dieser Haftgrund war auch nach dem Ablauf der Frist zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie am 24. Dezember 2011 weiter anzuwenden.
6
a) Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Betroffenen.
7
aa) § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG genügte in der bis zum 31. Juli 2015 geltenden Fassung nicht den Anforderungen der Rückführungsrichtlinie. Diese Richtlinie lässt in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a unter näheren Voraussetzungen eine Inhaftierung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger zur Sicherung der Abschiebung unter anderem wegen Fluchtgefahr zu. Zur Umsetzung dieses Haftgrunds reichte es allerdings nicht aus, in den deutschen Umsetzungsvorschriften lediglich den Haftgrund der Fluchtgefahr zu wiederholen.

8
bb) Art. 3 Nr. 7 der Richtlinie bestimmt nämlich, dass unter Fluchtgefahr im Sinne der Richtlinie „das Vorliegen von Gründen im Einzelfall [zu verstehen ist], die auf objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich Drittstaatsangehörige einem Rückkehrverfahren durch Flucht entziehen könnten“. Die Vorschrift verlangt somit gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Gemeinschaftsrecht bestimmten Voraussetzung der „Fluchtgefahr“. Solche Kriterien sah das Aufenthaltsgesetz in der bis zum 31. Juli 2015 geltenden Fassung nicht vor. Es genügte deshalb in diesem Punkt nicht den Umsetzungsverpflichtungen der Richtlinie. Der Senat hat das für die wortgleiche Regelungsverpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausfüllung des Begriffs der Fluchtgefahr in Art. 28 Abs. 2 der Dublin-IIIVerordnung gemäß deren Art. 2 Buchst. n entschieden (Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14 NVwZ 2014, 1397 Rn. 14 und Beschluss vom 22. Oktober 2014 - V ZB 124/14, NVwZ 2015, 607 Rn. 10). Für Art. 3 Nr. 7 der Rückführungsrichtlinie gilt nichts anderes.
9
cc) Es trifft schließlich auch zu, dass sich Betroffene in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die die Rückkehrrichtlinie nicht bis zum Ablauf der in Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie geregelten Umsetzungsfrist am 24. Dezember 2011 fristgemäß und vollständig umgesetzt haben, auf inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen dieser Richtlinie berufen können, und dass Art. 15 (und 16) der Rückführungsrichtlinie solche unbedingten und hinreichend genauen Vorschriften enthält (EuGH, Urteil vom 28. April 2011, Rs. C-61/11 PPU - El Dridi, ECLI:EU:C:2011:268 Rn. 46 f).
10
b) Folge dessen ist aber nicht, dass die Anordnung von Abschiebungshaft in dem Zeitraum von dem Ablauf der Frist zur Umsetzung der Rückkehr- richtlinie bis zur Behebung des Umsetzungsdefizits mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386) am 1. August 2015 nicht auf den Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG in der bis dahin geltenden Fassung gestützt werden durfte.
11
aa) Das ergibt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts (ebenso LG Hannover, Beschluss vom 30. April 2015 - 8 T 16/15, juris Rn. 15) allerdings nicht schon daraus, dass Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Rückführungsrichtlinie die Anordnung von Haft zur Sicherung der Abschiebung auch aus anderen Gründen als der Fluchtgefahr zulässt. Dadurch wird der nationale Gesetzgeber der Mitgliedstaaten nur dazu ermächtigt, neben der Fluchtgefahr noch andere Haftgründe vorzusehen. An der Verpflichtung, den an sich zulässigen Haftgrund der Fluchtgefahr durch Kriterien gesetzlich näher auszuformen, anhand derer eben diese Fluchtgefahr festgestellt werden soll, ändert diese Ermächtigung indessen nichts.
12
bb) Der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Juli 2015 geltenden Fassung war vielmehr deshalb nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist weiterhin anwendbar, weil der deutsche Gesetzgeber eine Vorschrift der Richtlinie unzureichend umgesetzt hat, die keine unmittelbare Wirkung entfaltet.
13
(1) Die Kriterien, anhand derer Fluchtgefahr festzustellen ist, müssen zwar sowohl für die Rücküberstellungs- als auch für die Abschiebungshaft gesetzlich festgelegt werden. Insofern besteht zwischen den Regelungspflichten nach Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung einerseits und nach Art. 3 Nr. 7 der Rückführungsrichtlinie andererseits kein Unterschied. Unterschiedlich sind aber die Folgen, die das Versäumnis des deutschen Gesetzgebers hatte.
14
(a) Die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft zur Sicherung der Rücküberstellung nach der Dublin-III-Verordnung sind in deren Art. 28 abschließend und mit unmittelbarer Geltung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ausgenommen Dänemark, geregelt. Diese unionsrechtliche Regelung sperrt den Rückgriff auf die nationalen Haftgründe. Der unionsrechtliche Haftgrund der erheblichen Fluchtgefahr kann dessen ungeachtet erst angewendet werden, wenn die Mitgliedstaaten ihrer Konkretisierungspflicht nach Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung nachgekommen sind. Ohne diese Konkretisierung kann daher Haft zur Sicherung der Rücküberstellung nach dieser Verordnung nicht angeordnet werden. Das war in Deutschland in dem Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Juli 2015 der Fall.
15
(b) Die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft zur Sicherung der Abschiebung bestimmen sich demgegenüber nicht nach unmittelbar geltenden Unionsvorschriften, sondern nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten, in Deutschland nach § 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in der hier noch maßgeblichen bis zum 31. Juli 2015 geltenden Fassung. Allerdings dürfen sich Betroffene nach dem Ende der Frist zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie am 24. Dezember 2011 auf inhaltlich unbedingte und hinreichende genaue Bestimmungen der Richtlinie berufen, wenn sie in dem betreffenden Mitgliedstaat noch nicht umgesetzt worden sind. Nur insofern kommt der die Rückführungsrichtlinie in Deutschland unmittelbare Wirkung zu, die bei der Anordnung von Abschiebungshaft zur berücksichtigen war.
16
(1) Solche unmittelbare Wirkungen entfalten zwar, wie ausgeführt, die Regelungen in Art. 15 bis 17 der Rückführungsrichtlinie über die Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft und für ihre Durchführung (EuGH, Urt. v. 28. April 2011, Rs. C-61/11 PPU - El Dridi, ECLI:EU:C:2011:268 Rn. 40, 47 für Art. 15, 16 und Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 127/10, NVwZ 2010, 1318 Rn. 27 für Art. 17). Der deutsche Gesetzgeber hatte aber mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl. I S. 2258) nicht Art. 15 der Rückführungsrichtlinie unzureichend umgesetzt. Denn diese Vorschrift sieht gerade vor, dass Abschiebungshaft unter anderem wegen Fluchtgefahr angeordnet werden darf. Nicht umgesetzt hatte der deutsche Gesetzgeber vielmehr Art. 3 Nr. 7 der Rückführungsrichtlinie, wonach Kriterien zur Feststellung von Fluchtgefahr nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a dieser Richtlinie gesetzlich festzulegen sind.
17
(2) Diese Vorschrift der Richtlinie enthält keine hinreichend genaue Bestimmung , auf die sich ein Betroffener gegenüber dem Mitgliedsstaat berufen könnte, der sie nicht zulänglich umgesetzt hat. Dem nationalen Gesetzgeber der Mitgliedsstaaten wird nämlich mit Art. 3 Nr. 7 der Rückführungsrichtlinie nur vorgeschrieben, Kriterien zur Feststellung der Fluchtgefahr im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie festzulegen. Im Unterschied zu dieser Vorschrift legt Art. 3 Nr. 7 der Richtlinie keine inhaltlichen Vorgaben für solche Kriterien fest, auf die sich ein Betroffener berufen könnte. Damit fehlt dieser Vorschrift der Richtlinie das entscheidende Element, das dem Einzelnen eine Berufung auf die Vorschrift der Richtlinie nach Ablauf der Umsetzungsfrist ermöglicht. Sie entfaltet keine unmittelbare Wirkung (übersehen von AG Hannover, InfAuslR 2015, 149; AG Wennigsen, InfAuslR 2015, 150).
18
(3) Diese Frage kann der Senat ohne Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV entscheiden, weil sie sich anhand der Begründung klar und eindeutig beantworten lässt, die der Gerichtshof für die Annahme einer unmittelbaren Wirkung von Art. 15 derselben Richtlinie gegeben hat (sog. acte claire, EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 C.I.L.FI.T., ECLI:EU:C:1982:335 Rn. 14-16; Einzelheiten bei: Schmidt-Räntsch in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 3. Aufl., § 23 Rn. 27, 29). In seinem oben angesprochenen Urteil vom 28. April 2011 (Rs. C-61/11 PPU - El Dridi, ECLI:EU:C:2011:268 Rn. 40, 47) hat der Gerichtshof die unmittelbare Wirkung von Art. 15 der Rückführungsrichtlinie mit den konkreten Anforderungen begründet, die diese Vorschrift an die Ausgestaltung des nationalen Rechts stellt und die auch zur Änderung des § 62 AufenthG etwa durch die Einführung des heutigen Absatzes 1 dieser Vorschrift geführt haben. Solche konkreten Vorgaben enthält Art. 3 Nr. 7 der Richtlinie, wie ausgeführt, nicht. Der Mangel an inhaltlichen Vorgaben zur Ausformung des Haftgrunds der Fluchtgefahr legt, anders als der Betroffene meint, eine Vorlage an den Gerichtshof zur Klärung der Frage nach der unmittelbaren Wirkung auch nicht nahe, zumal der deutsche Gesetzgeber das Umsetzungsdefizit inzwischen erkannt und durch Erlass der erforderlichen Bestimmungen auch für die Abschiebungshaft vollständig behoben hat.
19
2. Auch die Beschwerdeentscheidung ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Betroffenen musste ihn das Beschwerdegericht nicht erneut anhören.
20
a) Die Aufrechterhaltung der angeordneten Haft durch das Beschwerdegericht wäre nur rechtsfehlerhaft, wenn das Beschwerdegericht den Betroffenen selbst persönlich anzuhören gehabt hätte. Denn in diesem Fall verletzte die Entscheidung des Beschwerdegerichts dessen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 GG (Senat, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - V ZB 67/15, InfAuslR 2016, 54 Rn. 6). Nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann das Beschwerdegericht von einer erneuten Anhörung des Betroffenen absehen, wenn eine ordnungsgemäße persönliche Anhörung in erster Instanz stattgefunden hat und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senatsbeschlüsse vom 17. Juni 2010 - V ZB 3/10, FGPrax 2010, 261 Rn. 8, vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 Rn. 13 und vom 29. Oktober 2015 - V ZB 67/15, juris Rn. 6 f.). Diese Voraussetzungen hat das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler angenommen.
21
b) Das Beschwerdegericht musste den Betroffenen auch nicht deshalb erneut anhören, weil ihm der Haftantrag der beteiligten Behörde bei der Anhörung durch den Haftrichter nicht ausgehändigt worden ist.
22
aa) Richtig ist allerdings, dass der Haftantrag der beteiligten Behörde einem Betroffenen bei der Anhörung durch den Haftrichter nicht nur „bekannt zu machen“, sondern in Ablichtung auszuhändigen ist und dass dieser Vorgang im Protokoll festgehalten werden muss (Senat, Beschluss vom 5. Dezember 2013 - V ZB 71/13, InfAuslR 2014, 150 Rn. 7). Fehlt es an einer entsprechenden Dokumentation im Protokoll über die persönliche Anhörung, ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren davon auszugehen, dass der Haftantrag nicht ausgehändigt worden ist. Die fehlende Aushändigung des Haftantrags führte nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats dazu, dass die Haftanordnung ohne weiteres rechtswidrig war (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 30. März 2012 - V ZB 59/12, juris Rn. 10 und vom 30. Oktober 2013 - V ZB 9/13, FGPrax 2014, 43 Rn. 10). Der Senat hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass sich ohne eine Aushändigung des Haftantrags die persönliche Anhörung des Betroffenen nicht ordnungsgemäß durchführen lasse (Beschluss vom 11. Oktober 2012 - V ZB 274/11, FGPrax 2013, 40 Rn. 7; ähnlich schon Senatsbeschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 Rn. 16).
23
bb) (1) An dieser Rechtsprechung hält der Senat, was der Betroffene nicht verkennt, im Hinblick auf die abweichende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 10. September 2013, Rs. C-383/13 - PPU - G. and R., EGLI:EU:C:2013:533 Rn. 44 f.) nicht mehr uneingeschränkt fest. Die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags führt nur dann zu einer Aufhebung der Haftanordnung oder der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit, wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 9). Die Verpflichtung, dem Betroffenen eine Ablichtung des Haftantrages auszuhändigen, ist nicht Teil der persönlichen Anhörung des Betroffenen, die als Verfahrensgarantie nach Art. 104 Abs. 1 GG unbedingt einzuhalten ist und deren Verletzung ohne Rücksicht auf die inhaltliche Richtigkeit der Haftanordnung zu ihrer Rechtswidrigkeit führt. Die Aushändigung des Haftantrags ist vielmehr Ausfluss der Verpflichtung, dem Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 GG). Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs führt nur dann zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung, wenn das Verfahren ohne den Verstoß zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (zum Ganzen: Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 8).
24
(2) Die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags erforderte keine erneute Anhörung des Betroffenen in der Beschwerdeinstanz.
25
(a) Verfahrensfehler bei der Durchführung der erstinstanzlichen Anhörung können zwar den Betroffenen nicht nur in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, sondern auch in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG verletzen. Ein solcher Fehler kann - mit Wirkung für die Zukunft - nicht schon dadurch geheilt werden, dass dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, sondern nur durch eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen nach § 420 FamFG (Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 192/13, juris Rn. 9 mwN). Daran hat sich durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nichts geändert. Denn die persönliche Anhörung des Betroffenen ist ebenso wie der zulässige Haftantrag eine Voraussetzung für die Anordnung von Sicherungshaft im Sinne von Art. 104 Abs. 1 GG, an deren Einführung der deutsche Gesetzgeber unionsrechtlich nicht gehindert ist.
26
(b) Nicht jeder Verfahrensfehler führt aber dazu, dass die durchgeführte Anhörung gewissermaßen als „Nichtanhörung“ anzusehen ist (Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 3/10, FGPrax 2010, 261 Rn. 22). Verfahrensfehler bei der Durchführung der persönlichen Anhörung des Betroffenen verletzen § 420 FamFG und damit Art. 104 Abs. 1 GG nur, wenn sie nicht nur den formal ordnungsmäßigen Ablauf der Anhörung, sondern deren Grundlagen betreffen (Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 192/13, juris Rn. 9 mwN; ähnlich BGH, Beschluss vom 2. März 2011 - XII ZB 346/10, NJW 2011, 2365 Rn. 14 „zwingende Vorschriften“, in casu die nach § 317 FamFG gebote- ne, aber unterbliebene Bestellung eines Verfahrenspflegers für die Anhörung im Unterbringungsverfahren, und diese Entscheidung aufgreifend: Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 127/12, FGPrax 2014, 39 Rn. 9 aE). Die Grundlagen der Anhörung sind im Zusammenhang mit einem Haftantrag nicht schon betroffen, wenn dem Betroffenen eine Kopie des Haftantrags oder von dessen Übersetzung nicht ausgehändigt wird, sondern erst, wenn der Anhörung ein unzulässiger (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13 InfAuslR 2014, 384 Rn. 19, 22) oder ein unvollständiger (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 16 f.) Haftantrag zugrunde liegt, oder wenn der zulässige Haftantrag bei der Anhörung nicht zumindest in den wesentlichen Grundzügen sinngemäß mündlich in eine Sprache übersetzt wird, die der Betroffene beherrscht (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2015 - V ZB 187/14, InfAuslR 2015, 301 Rn. 5 aE). Das Beschwerdegericht muss deshalb einen Betroffenen nicht allein wegen der unterlassenen Aushändigung des Haftantrags erneut persönlich anhören. Eine Anhörung ist auch nicht zur nachträglichen Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlich. Dieses kann, wie hier, etwa dadurch nachgeholt werden, dass dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen eine Kopie des Antrags zugeleitet wird.

III.


27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 3 GNotKG.
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Stuttgart, Entscheidung vom 16.01.2015 - 209 XIV 187/15 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 16.02.2015 - 19 T 43/15 -

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 127/10 vom 17. Juni 2010 in der Freiheitsentziehungssache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmid

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Okt. 2015 - V ZB 67/15

bei uns veröffentlicht am 29.10.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 67/15 vom 29. Oktober 2015 in der Abschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 68 Abs. 3, § 420 Von der in Freiheitsentziehungssachen auch im Beschwerdeverfahren vorg

Landgericht Stuttgart Beschluss, 16. Feb. 2015 - 19 T 43/15

bei uns veröffentlicht am 16.02.2015

Tenor 1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 16.01.2015 - 209 XIV 187/15 - wird zurückgewiesen. 2. Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Raten bewilligt und

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2014 - V ZB 124/14

bei uns veröffentlicht am 22.10.2014

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Februar 2014 und der Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vo

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2014 - V ZB 80/13

bei uns veröffentlicht am 16.07.2014

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Lübeck, 7. Zivilkammer, vom 27. Mai 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juni 2014 - V ZB 31/14

bei uns veröffentlicht am 26.06.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 31/14 vom 26. Juni 2014 in der Überstellungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-Ver
12 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Feb. 2016 - V ZB 23/15.

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2016 - V ZB 106/15

bei uns veröffentlicht am 20.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 106/15 vom 20. Oktober 2016 in der Abschiebungshaftsache ECLI:DE:BGH:2016:201016BVZB106.15.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Oktober 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Ric

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2017 - V ZB 167/16

bei uns veröffentlicht am 11.10.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 167/16 vom 11. Oktober 2017 in der Rücküberstellungshaftsache ECLI:DE:BGH:2017:111017BVZB167.16.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Oktober 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann,

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Apr. 2016 - V ZB 15/15

bei uns veröffentlicht am 20.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 15/15 vom 20. April 2016 in der Abschiebungshaftsache ECLI:DE:BGH:2016:200416BVZB15.15.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. April 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richte

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2016 - V ZB 140/15

bei uns veröffentlicht am 20.05.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 140/15 vom 20. Mai 2016 in der Abschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GG Art. 104 Abs. 1; FamFG § 76 Abs. 1, § 78 Abs. 2, § 420 Abs. 1; Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlin

Referenzen

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung angeordnet werden. Das Gericht entscheidet hierüber durch nicht anfechtbaren Beschluss.

(2) Die persönliche Anhörung des Betroffenen kann unterbleiben, wenn nach ärztlichem Gutachten hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder wenn er an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes leidet.

(3) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten anzuhören. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn sie nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist.

(4) Die Freiheitsentziehung in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses darf nur nach Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen angeordnet werden. Die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat, soll ihrem Antrag ein ärztliches Gutachten beifügen.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 16.01.2015 - 209 XIV 187/15 - wird zurückgewiesen.

2. Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Raten bewilligt und Rechtsanwalt Fahlbusch, Hannover, beigeordnet.

3. Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Veranlassung für eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten besteht nicht.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: EUR 5.000,00

Gründe

 
I.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 16.01.2015 wurde auf Antrag der Antragstellerin/Regierungspräsidium Karlsruhe gegen den Antragsgegner, kosovarischer Staatsangehöriger, sofort wirksam die Abschiebehaft gem. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG bis 26.02.2015 angeordnet.
Bereits zuvor war der Antragsgegner am 06.12.2014 in Bad Feilnach durch Beamte der Bundespolizeiinspektion Rosenheim kontrolliert worden, wobei er keinen Pass, Passersatz und keinen Aufenthaltstitel vorweisen konnte. Am 22.12.2014 war er hierauf in den Kosovo abgeschoben worden. Am 15.01.2015 gegen 10.20 Uhr wurde er im Rahmen einer Verkehrskontrolle erneut in der Cannstatter Straße in 70190 Stuttgart als Mitfahrer in einem Fahrzeug mit österreichischer Zulassung angetroffen. Auch hierbei konnte er sich nicht ausweisen. Bei seiner persönlichen Anhörung durch das Amtsgericht mit Hilfe des Dolmetschers für albanische Sprache gab er an, er sei vor sechzehn bis siebzehn Tagen aus dem Kosovo geflüchtet, vor zwei bis drei Tagen nach Deutschland gekommen und beabsichtige in Karlsruhe Asyl zu beantragen.
Gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 16.01.2015, der dem Antragsgegner im Anhörungstermin bekannt gegeben wurde, legte sein Verfahrensbevollmächtigter mit Telefax vom 22.01.2015 Beschwerde ein und beantragte,
festzustellen, dass der angefochtene Beschluss den Betroffenen in seinen Rechten verletzt habe, sowie die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.
Der Beschwerde half das Amtsgericht nicht ab und legte die Akten dem Beschwerdegericht, mit Eingang am 29.01.2015, zur Entscheidung vor.
Von der Antragstellerin wurde auf die Anfrage des Beschwerdegerichts mitgeteilt, der Antragsgegner befinde sich in Haft in der Gewahrsamseinrichtung für Ausländer in Ingelheim/Rheinland-Pfalz.
Mit der Beschwerdebegründung vom 03.02.2015 führt der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners aus, der Antragsgegner sei sofort freizulassen und die Rechtswidrigkeit des Beschlusses festzustellen. Gleichzeitig beantragt er, den angefochtenen Beschluss außer Vollzug zu setzen. Hierbei weist er auf den zwischenzeitlich am 26.01.2015 beim Bundesamt gestellten Asylantrag hin - über diesen ist noch nicht entschieden.
Zur Begründung bringt er im Wesentlichen vor, im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Beschlüssen vom 26.06.2014 - V ZB 31/14 - und vom 22.10.2014 - V ZB 124/14 - könne wie bei der Haft zur Sicherung von Überstellungsverfahren nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung die Abschiebehaft bei Rückführungsverfahren nach der Richtlinie 2008/15/EG nicht auf den Haftgrund der Fluchtgefahr der nationalen Regelung nach § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG gestützt werden. Infolge des Asylantrages entfalle nunmehr der Haftgrund der unerlaubten Einreise nach § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AufenthG. Die gemeinsame Unterbringung von Abzuschiebenden, die ein Asylbegehren gestellt haben, mit Betroffenen, bei denen dies nicht der Fall ist, sei im Hinblick auf Art. 10 der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU unzulässig. Die Ausführungen zur Haftdauer genügten nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Haftantrag sei dem Antragsgegner nicht ausgehändigt worden.
Mit weiterem per Fax beim Amtsgericht eingegangenem und an das Amtsgericht adressiertem Schriftsatz vom 06.02.2015 beantragt der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners festzustellen, dass die Ingewahrsamnahme des Antragsgegners vom 15.01.2015, 15.00 Uhr, bis zum Erlass des Haftbeschlusses am 16.01.2015 rechtswidrig gewesen sei.
10 
Auf die Stellungnahme der Antragstellerin vom 10.02.2015 und die hierzu erfolgte Äußerung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners vom 11.02.2015 wird Bezug genommen.
11 
Die Kammer hat die angeforderte Akte des Regierungspräsidium Karlsruhe 81-a15/425957 per Fax am 12.02.2015 übermittelt erhalten. Aus der Auswertung der behördlichen Akte ergeben sich keine Gesichtspunkte, die für die Beurteilung der Haftvoraussetzungen, insbesondere der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Haft, von Bedeutung sind, zumal die hier relevanten Verfügungen im Verfahren vorgelegt worden sind.
II.
12 
Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet.
13 
Die Kammer legt das Rechtsmittel des Antragsgegners gegen die Entscheidung des Amtsgerichts als Beschwerde gegen die andauernde Haftanordnung des Amtsgerichts aus sowie die Feststellung der Rechtswidrigkeit des bislang erfolgten Vollzugs der Haft.
14 
Auch der mit der Beschwerde erhobene Feststellungsantrag ist zulässig und kann unabhängig von einer Hauptsacheerledigung mit der Beschwerde gegen die Haftanordnung verbunden werden (BGH Beschluss v. 30.08.2012 - V ZB 12/12 - juris)
15 
Der Haftantrag ist ausreichend begründet gem. § 417 Abs. 2 S. 2 FamFG. Der Antrag legt Voraussetzungen, Durchführbarkeit und Dauer der beabsichtigten Abschiebung in das Kosovo im konkreten Fall hinreichend dar. Die Verfügung über die Abschiebungsandrohung der Bundespolizeiinspektion Rosenheim vom 06.12.2014 ist vorgelegt. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit Verfügung der Bundespolizeiinspektion Rosenheim vom 12.12.2014 - befristet bis 12.12.2016 - ist in Bezug genommen und mit dem Antrag vorgelegt. Der Empfang ist jeweils vom Antragsgegner unterschriftlich bestätigt.
16 
Auch die Abschiebungsandrohung der Antragstellerin vom 15.01.2015 ist vorgelegt und - nach der behördlichen Akte - der Erhalt gleichfalls unterschriftlich vom Antragsgegner bestätigt.
17 
Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft gem. § 72 Abs. 4 AufenthG liegt vor.
18 
Der Haftantrag wurde dem Antragsgegner ausweislich des Anhörungsprotokolls vom 16.01.2015 bekannt gegeben und mündlich mittels Dolmetscher in die albanische Sprache übersetzt. Auf Anforderung wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners die bislang angefallene Akte (einschließlich des Antrages mit Anlagen) durch das Beschwerdegericht zur Kenntnis übersandt, mithin konnte sich der Betroffene über seinen Verfahrensbevollmächtigten hierzu äußern und hat sich dieser geäußert.
19 
Grundsätzlich ist dem Betroffenen eine Ablichtung des Haftantrages zu übergeben, der erforderlichenfalls mündlich übersetzt werden muss; beides ist in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle zu vermerken (BGH Beschluss v. 16.07.2014 - V ZB 80/13 - juris).
20 
Die - möglicherweise hier - unterbliebene Aushändigung des Haftantrages führt allerdings nur dann zu einer Aufhebung der Haftanordnung, wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (BGH Beschluss v. 16.07.2014 - V ZB 80/13 - juris).
21 
Die Begründung des Haftantrages hier ist nicht so vielschichtig und umfangreich, dass sie bei einer mündlichen Übersetzung nicht hätte erfasst werden können. Dass der Antragsgegner - wenn ihm der Haftantrag bereits vor seiner Anhörung durch das Amtsgericht ausgehändigt worden wäre - tatsächliche oder rechtliche Umstände mit der Folge vorgebracht hätte, dass die Haftanordnung nicht ergangen wäre, wird mit der Beschwerde nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr ergibt die protokollierte Einlassung des Antragsgegners vor dem Amtsgericht, dass er sich bewusst war, dass er zweimal illegal eingereist ist und bereits zuvor einmal abgeschoben worden war. Die Beschwerde befasst sich im Wesentlichen mit prozessualen und europarechtlichen Vorgaben.
22 
Der Antragsgegner ist aufgrund der Abschiebungsandrohung vom 15.01.2015 vollziehbar ausreisepflichtig (§§ 58, 59 AufenthG).
23 
Der Haftgrund der unerlaubten Einreise gem. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AufenthG ist nicht - mehr - gegeben.
24 
Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf Ausländer, die bei ihrer unerlaubten Einreise an der Außengrenze oder nach ihrer unerlaubten Einreise im Bundesgebiet um Asyl nachsuchen und dadurch kraft Gesetzes die Aufenthaltsgestattung erwerben (Winkelmann in Renner, Ausländerrecht, 10. Aufl. § 62 Rn. 60 m.w.N.).
25 
Der Antragsgegner hat aus der Haft am 26.01.2015 einen Asylantrag gestellt.
26 
Zu Recht hat das Amtsgericht gem. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG die Sicherungshaft angeordnet, da es beim Antragsgegner aufgrund der vorliegenden Umstände einen begründeten Verdacht angenommen hat, der Antragsgegner werde sich der Abschiebung entziehen.
27 
Der begründete Verdacht, dass sich der Ausländer der Abschiebung entziehen will, kann sich aus entsprechenden Erklärungen oder aus dem Verhalten des Ausländers ergeben. Diese Voraussetzung ist nicht bereits dann erfüllt, wenn der Ausländer - wie hier - keine festen sozialen Bindungen im Bundesgebiet besitzt, keine verwandtschaftlichen Beziehung im Bundesgebiet hat oder mittellos ist. Hinzukommen müssen vielmehr konkrete Umstände, die den Verdacht der Absicht begründen, die Abschiebung zu verhindern oder ihr sonst zu entgehen (Winkelmann in Renner aaO Rn. 76, 77 m.w.N.).
28 
Solche weiteren konkreten Umstände sind hier gegeben. Der Antragsgegner ist - obgleich er kurz zuvor mit Sperrwirkung für eine erneute Einreise - bereits einmal abgeschoben worden war, erneut unerlaubt eingereist und hat sich illegal in Deutschland aufgehalten. Er ist nicht selbstständig und freiwillig nach dem Grenzübertritt bei der Ausländerbehörde erschienen. Bei einer Verkehrskontrolle konnte sein illegaler Aufenthalt festgestellt werden. Hierbei konnte er sich in keiner Weise ausweisen und war nicht im Besitz von Rückreisedokumenten. Nur mittels „FastID“ konnte seine Identität festgestellt werden. Mithin hat er durch Unterdrückung von Identitäts- oder Reisedokumenten über seine Identität getäuscht und muss unter Umgehung einer Grenzkontrolle eingereist sein. Diesem Sachverhalt tritt die Beschwerde auch nicht entgegen.
29 
Der Antragsgegner hat nicht glaubhaft gemacht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen wolle (§ 62 Abs. 3 S. 3 AufenthG).
30 
Der Anwendung der nationalen Vorschrift steht das Gemeinschaftsrecht hier nicht entgegen.
31 
Auf die Anwendbarkeit von Art. 28 Dublin-III-Verordnung und die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Sicherstellung des Überführungsverfahrens in den für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat mit Beschlüssen vom 26.06.2014 - V ZB 31/14 - und 22.10.2014 - V ZB 124/14 - (juris) kann sich der Antragsgegner direkt nicht berufen. Die Verordnung hat zwar gem. Art. 288 AEUV in der Fassung von 2012 allgemeine Geltung und ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Mithin enthält nunmehr das Gemeinschaftsrecht selbst Vorschriften für die Inhaftnahme von Ausländern zum Zwecke der Überstellung. Sie erfasst aber nach ihrem Regelungsgegenstand die vorliegende Konstellation einer Rückführung in den nicht dem Schengen-Abkommen unterliegenden Heimatstaat des Ausländers nicht, verlangt somit nicht für vorliegende Konstellation nach Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Gemeinschaftsrecht bestimmten Voraussetzungen der „Fluchtgefahr“, welche der Bundesgerichtshof in § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG nicht für gegeben erachtet.
32 
Die Rechtsgrundlage für die Abschiebungshaft im Rückführungsverfahren ergibt sich weiterhin aus dem nationalen Recht. Der Haftgrund der Fluchtgefahr bzw. Entziehungsabsicht ist im nationalen Recht auch durch die obergerichtliche Rechtsprechung hinreichend konkretisiert, objektiv und einzelfallbezogen definiert. Selbst das Strafrecht kennt in § 112 StPO den Begriff der „Fluchtgefahr“.
33 
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann sich, wenn ein Mitgliedstaat eine Richtlinie nicht fristgemäß oder unzulänglich umgesetzt hat, ein Einzelner gegenüber diesem Staat auf inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen der Richtlinie berufen (BGH, Beschluss vom 11.07.2013, V ZB 40/11; EuGH, Urteil vom 19.11.1991 in der Rechtssache C-6/90, Francovich u.a., Slg. 1991, I-5357 nach juris). Bei Art. 15 der Richtlinie 2008/115/EG handelt es sich um eine solche Bestimmung (Urteil vom 28.04.2011 in der Rechtssache C-61/11 PPU, El Dridi, Slg. 2011, I-3015 Rn. 47, zitiert nach juris).
34 
Zwar wurde durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex v. 22.11.2011 (BGBl. I 2258) eine deutsche Regelung zur Umsetzung der Richtlinienbestimmung getroffen. Mit dieser Regelung wurde die Richtlinienbestimmung zu Art. 15 jedoch nicht unzulänglich umgesetzt, indem die Haftgründe des § 62 Abs. 3 AufenthG beibehalten wurden.
35 
Die Inhaftnahme in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2008/15/EG ist offener als in der Dublin-III-Verordnung gestaltet. Die angeführten Haftgründe sind, wie die Einleitung „insbesondere“ zeigt, nicht abschließend, sondern lediglich angeführte Beispiele, bei deren Vorliegen eine Inhaftnahme möglich ist. Dass das Haftregime im gewöhnlichen Rückführungsverfahren weiter gestaltet ist, zeigt sich auch daran, dass die Rückführungsrichtlinie neben der Fluchtgefahr auch noch ausdrücklich den Haftgrund der Umgehung oder Behinderung der Vorbereitung der Rückkehr oder des Abschiebungsverfahrens in Art. 15 Abs. 1 Buchstabe b benennt. Es ist somit nicht davon auszugehen, dass der Bundesgesetzgeber seinen Umsetzungsspielraum überschritten hat, auch wenn in Art. 3 Ziff. 7 der Richtlinie 2008/114/EU eine Definition des in der Richtlinie verwendeten Ausdruckes der „Fluchtgefahr“ enthalten ist, die Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-VO entspricht.
36 
Wenn der Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern eines Gesetzes zur Neubestimmung der Aufenthaltsbeendigung und des Bleiberechts in Art. 1 (Änderung des Aufenthaltsgesetzes) zu Ziff. 1 Nr. 2 eine Konkretisierung des Begriffes der „Fluchtgefahr“ enthält, mithin wohl eine Angleichung an die Dublin-III-VO erfolgen soll, die auch eine Angleichung des Rückführungsgewahrsams beinhaltet, ist hieraus nicht der Rückschluss zwingend, das nationale Recht könne wegen eines Verstoßes gegen die Richtlinie gegenwärtig keine Anwendung mehr finden.
37 
Auf die in der Richtlinie 2013/33/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Aufnahmerichtlinie) zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, in Art. 10 Ziff. 3 erwähnte getrennte Unterbringung von in Haft genommenen Personen, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben und solchen, die keinen Antrag gestellt haben, kann sich der Antragsgegner nicht berufen.
38 
Nach Art. 31 der Aufnahmerichtlinie haben die Mitgliedstaaten bis zum 20.07.2015 Zeit, die Vorgaben der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Vor Ablauf der Umsetzungsfrist und vor Umsetzung im innerstaatlichen Raum entfalten Richtlinien - wie ausgeführt - für den Einzelnen keine Rechtswirkungen, mit der Folge, dass er sich unmittelbar auf die Bestimmungen einer EU-Richtlinie berufen könnte.
39 
Der in der Haft gestellte Asylantrag steht der Haft gem. § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AsylVfG nicht entgegen. Danach entsteht durch Asylantragstellung abweichend von § 55 Abs. 1 AsylVfG kein gesetzliches Aufenthaltsrecht, wenn der Ausländer sich bei Antragstellung - wie hier - in Sicherungshaft nach § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG befindet. Die vierwöchige Frist des § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG ist im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch nicht ergebnislos abgelaufen.
40 
Die Haftdauer ist im Antrag ausreichend begründet und ist verhältnismäßig. Wie ausgeführt, war für den Antragsgegner die Zustimmung zur Rückübernahme seitens der kosovarischen Behörden einzuholen, die auch bereits seit 21.01.2015 vorliegt. Zu berücksichtigen ist die Bearbeitungsdauer der daraufhin folgenden Ausstellung des Passersatzpapieres mit ca. weiteren 10 Tagen. Sodann ist ein Flug zu buchen. Mithin ist die vom Amtsgerichts antragsgemäß für erforderlich und verhältnismäßig erachtete Dauer der Abschiebehaft von sechs Wochen nicht zu beanstanden.
41 
Von einer persönlichen Anhörung des Antragsgegners hat die Kammer ausnahmsweise abgesehen, da das Amtsgericht den Antragsgegner bereits persönlich angehört hat, eine weitere Anhörung keine neuen Erkenntnisse verspricht und der Betroffene sich durch seinen Verfahrensbevollmächtigten äußern konnte und zum Sachverhalt keine neuen Tatsachen vorgetragen worden sind.
42 
Soweit der Antragsgegner die Kostenentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts angreift, ist die Beschwerde in diesem Punkt schon mangels Beschwer nicht zulässig.
43 
Das Amtsgericht hat zwar in der angegriffenen Entscheidung im Tenor eine Gebühr in Höhe von EUR 18,00 (in der Begründung nach der KostO, die seit 31.07.2013 außer Kraft ist) festgesetzt. Die Gerichtskosten im freiheitsentziehenden Verfahren richten sich dagegen nach dem seit 01.08.2013 geltenden GNotKG. Gemäß KVfG 15212 Ziff. 4 beträgt die Gebühr 0,5 nach dem Gegenstandswert in § 34 Tabelle A. Da der Gegenstandswert nach § 36 Abs. 3 GNotKG auf EUR 5.000,00 festzusetzen wäre, ergibt sich aus diesem Geschäftswert eine volle Gebühr in Höhe von EUR 146,00, mithin eine 0,5 Gebühr mit einem Betrag in Höhe von EUR 73,00. Dieser festgesetzte Betrag liegt weit über dem vom Amtsgericht genannten Betrag.
44 
Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 FamFG und berücksichtigt die Verfahrenskostenhilfebewilligung.
45 
Die Rechtsbeschwerde war gem. § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG zuzulassen, denn der Frage, wie Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2008/15/EG auszulegen ist und dies Wirkung auf das nationale Recht entfaltet, kommt grundsätzliche Bedeutung zu.
46 
Wegen der Zulassung der Rechtsbeschwerde war die Kammer nicht verpflichtet, vor Erlass der Entscheidung die Sache dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV vorzulegen.
47 
Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 36 Abs. 3, 61 GNotKG.
48 
Über den dem Landgericht vom Amtsgericht zur Akte weitergeleiteten, an das Amtsgericht adressierten Antrag hinsichtlich der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Gewahrsams bis zum Erlass der Haftanordnung hat die Beschwerdekammer nicht zu entscheiden.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

14
a) Danach ist unter einer „Fluchtgefahr“ das Vorliegen von Gründen im Einzelfall zu verstehen, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, sich diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Februar 2014 und der Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 11. Februar 2014 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene wurde in der Nacht des 3. Februar 2014 von Beamten der beteiligten Behörde in dem Berlin-Warschau-Expresszug auf der Fahrt nach Berlin ohne Reisedokumente und ohne Aufenthaltstitel für Deutschland angetroffen und festgenommen. Eine Recherche im EURODAC-Register ergab, dass er schon im Jahr 2013 in Schweden Asyl beantragt hatte. Die beteiligte Behörde verfügte daraufhin mit Bescheid vom 4. Februar 2014 die Zurückschiebung des Betroffenen nach Schweden. Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 11. Februar 2014 an. Aus der Haft beantragte der Betroffene am 5. Februar schriftlich Asyl. Das zuständige Bundesamt richtete am 7. Februar 2014 ein Wiederaufnahmeersuchen an die polnischen Behörden.

2

Auf weiteren Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht im Hauptsacheverfahren mit Beschluss vom 11. Februar 2014 weitere Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 20. März 2014 angeordnet und diese Anordnung auf die Haftgründe der unerlaubten Einreise und der Fluchtgefahr gestützt. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Haft nur bis zum 18. März 2014 angeordnet werde, dem Tag, an dem die Zurückschiebung des Betroffenen erfolgen sollte und auch erfolgt ist. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Feststellung beantragt, durch die angeordnete Haft in seinen Rechten verletzt worden zu sein.

II.

3

Das Beschwerdegericht meint, der Haftanordnung habe ein zulässiger Haftantrag zugrunde gelegen. Der Haftgrund der Entziehungsabsicht nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG liege vor. Einer Anwendung dieser Vorschrift stehe Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung) (ABl. Nr. L 180 S. 31 - fortan Dublin-III-Verordnung) nicht entgegen.

III.

4

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis nicht stand. Die Haftanordnung des Amtsgerichts und ihre eingeschränkte Aufrechterhaltung durch das Beschwerdegericht haben den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil die Anordnung von Haft zur Sicherung der Zurückschiebung im Anwendungsbereich der Dublin-III-Verordnung bis zu einer gesetzlichen Neuordnung der Haftgründe weder auf den Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG noch auf den der unerlaubten Einreise nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gestützt werden kann.

5

1. Die Dublin-III-Verordnung ist auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Sie gilt nach ihrem Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 auch, wenn das Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurde, hier mit dem Wiederaufnahmeersuchen des zuständigen Bundesamts an Polen am 7. Februar 2014.

6

2. Die Gründe für die Anordnung von Haft zur Sicherung einer Aufnahme oder Wiederaufnahme eines Betroffenen durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (Überstellungshaft) regelt Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung mit unmittelbarer Geltung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ausgenommen Dänemark (Erwägungsgründe 41 f.), eigenständig und abschließend. Zugelassen ist die Haft nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur, wenn Fluchtgefahr besteht, nicht aus anderen Gründen (Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 – V ZB 31/14, NVwZ 2014, 1397 Rn. 11 f.).

7

3. Fluchtgefahr ist nach Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, dem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Diese objektiven Gründe sind nach der genannten Vorschrift durch den nationalen Gesetzgeber selbst festzulegen.

8

a) Den Zweck dieser Festlegung hat die Europäische Kommission in der Begründung des Entwurfs der Verordnung wie folgt beschrieben (veröffentlicht in BR-Drucks. 965/08 S. 6):

„Um sicherzustellen, dass die Ingewahrsamnahme von Asylbewerbern auf der Grundlage des Dublin-Verfahrens nicht willkürlich erfolgt, wird eine begrenzte Zahl von Gründen für die Ingewahrsamnahme vorgeschlagen.“

9

Damit sind aber nicht unterschiedliche Haftgründe nach dem Modell des § 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gemeint. Vielmehr soll der nationale Gesetzgeber Tatbestände festlegen, die die Fluchtgefahr als einzigen unionsrechtlich anerkannten Haftgrund zur Sicherung der (Wieder-) Aufnahme Betroffener durch andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union konkretisieren und so eine gleichmäßige Anwendung sicherstellen (Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14, NVwZ 2014, 1397 Rn. 14).

10

b) Dieser Aufgabe kann der nationale Gesetzgeber nicht nur durch die Schaffung neuer gesetzlicher Tatbestände, sondern auch durch die Beibehaltung bestehender Tatbestände genügen. Das setzt aber voraus, dass die bestehenden Haftgründe im nationalen Recht so ausgestaltet sind, dass sie nur bei Vorliegen von objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien verwirklicht werden, welche die Annahme einer Fluchtgefahr begründen (Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14, NVwZ 2014, 1397 Rn. 31). Diese Eignung hat der Senat bei den Haftgründen nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 AufenthG bejaht, bei dem - nicht näher konkretisierten - Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG dagegen verneint (Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14, NVwZ 2014, 1397 Rn. 23, 31).

11

c) Auch der Haftgrund der unerlaubten Einreise nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist, was der Senat bislang offen gelassen hat (Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14, NVwZ 2014, 1397 Rn. 29 f.) und jetzt entscheidet, zur Konkretisierung der Fluchtgefahr nach Art. 28 und Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung ungeeignet, weshalb die von der beteiligten Behörde aufgeworfene Frage, ob der Asylantrag des Betroffenen die Annahme einer unerlaubten Einreise hinderte, dahinstehen kann.

12

Allerdings können die Umstände einer unerlaubten Einreise im Sinne von Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung zu der Annahme Anlass geben, der Betroffene könnte sich der Aufnahme oder Wiederaufnahme durch den ersuchten Mitgliedstaat durch Flucht entziehen. Darauf stellt § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aber gerade nicht ab. Unerlaubt ist eine Einreise nach § 14 Abs. 1 AufenthG vielmehr, wenn sie ohne gültigen Pass oder Passersatz (Nummer 1), ohne den nach § 4 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel (Nummer 2), mit einem erschlichenen Visum (Nummer 2a) oder entgegen einem Einreiseverbot (Nummer 3) erfolgt. Die näheren tatsächlichen Umstände der Einreise spielen keine Rolle. § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann auch nicht mit der Maßgabe angewendet werden, dass die näheren Umstände der Einreise, etwa der Einsatz von Schleusern, erwarten lassen, dass sich der Betroffene der Zurückschiebung durch Flucht entzieht. Welche Umstände dafür maßgeblich sein sollen, soll nach Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung gerade nicht der Richter im Einzelfall, sondern der Gesetzgeber durch (typisierende) Beschreibung von Fallgruppen festlegen.

13

4. Der Senat ist nicht verpflichtet, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV vorzulegen. Der dem nationalen Gesetzgeber mit Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung erteilte Konkretisierungsauftrag ergibt sich aus der Vorschrift klar und eindeutig. Bei solchen Vorschriften besteht eine unionsrechtliche Pflicht zur Vorlage nicht (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – Rs. 283/81 - C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415 Rn. 16; weitere Nachweise bei Schmidt-Räntsch in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl., § 23 Rn. 31).

14

5. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Stresemann                      Schmidt-Räntsch                    Czub

                    Weinland                                Kazele

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

27
(2) Die Haftanordnung führte nämlich dazu, dass der Betroffene weiterhin von E. B. und von ihrem minderjährigen Sohn getrennt blieb. Das ist zwar im Interesse der Durchsetzung der Ausreisepflicht grundsätzlich gerechtfertigt, wenn ein Haftgrund vorliegt. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass hierin ein Eingriff in das Recht auf den Schutz des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK liegt. Dafür ist es unerheblich, dass der Betroffene mit E. B. allenfalls kirchlich getraut ist. Denn auch faktische Beziehungen zwischen Erwachsenen genießen den Schutz des Art. 8 EMRK, wenn Elemente einer Abhängigkeit dargelegt werden, die über die üblichen gefühlsmäßigen Bindungen hinausgehen (EGMR, Urt. v. 17. April 2003, 52853/99 - Yilmaz gegen Deutschland, NJW 2004, 2147, 2148 Rdn. 44). Solche Bindungen zu E. B. hat der Betroffene hier dargelegt. Dem Schutz, den er, wenn die Darlegungen zu seiner Beziehung zu E. B. zutreffen, auch nach Art. 8 EMRK genießt, wird die Anordnung von Sicherungshaft nur gerecht, wenn es keine andere Möglichkeit gibt und wenn die Abschiebung mit größtmöglicher Beschleunigung betrieben wird. Aus diesem Grund lässt Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 (ABl. L 348/98) die Anordnung von Sicherungshaft bei Familien mit minderjährigen Kindern nur im äußersten Fall und für die kürzestmögliche angemessene Dauer zu. Das ist nicht erst nach Ablauf der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie am 24. Dezember 2010, sondern nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit schon jetzt geboten.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

6
aa) Nicht jeder Verstoß gegen Verfahrensvorschriften verletzt schon als solcher die Grundrechte des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 GG. Zwar gehört die persönliche Anhörung vor Anordnung der Haft zu den mit grundrechtlichem Schutz versehenen grundlegenden Verfahrensgarantien (hierzu BVerfGK 9, 132 Rn. 20; Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 9/10, InfAuslR 2010, 384 Rn. 8). Für die erneute Anhörung in der Beschwerdeinstanz gilt dies aber nicht in gleichem Maße, da von ihr - verfassungsrechtlich unbedenklich - unter den in § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG genannten Voraussetzungen abgesehen werden kann. Unterbleibt die Anhörung ohne eine zureichende Begründung, ist die Haft daher nur dann rechtswidrig, wenn die erneute Anhörung zwingend geboten war. Ist letzteres anzunehmen, sind die Rechte des Betroffenen gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 127/12, FGPrax 2014, 39 Rn. 9; Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 192/13, juris Rn. 9 mwN) und es kommt nicht darauf an, ob die Haft in der Sache zu Recht aufrechterhalten worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 9/10, InfAuslR 2010, 384 Rn. 9 mwN).

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

8
aa) Die persönliche Anhörung des Betroffenen ist nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG (dazu: BVerfG NVwZ-RR 2009, 304, 305; BVerfG, Beschl. v. 1. April 2008, 2 BvR 1925/04, juris Rdn. 18) auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zwingend vorgeschrieben. Hiervon darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur absehen, wenn eine ordnungsgemäße persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 11. Mai 1995, V ZB 13/95, NJW 1995, 2226, insoweit in BGHZ 129, 383 nicht abgedruckt ; Beschl. v. 28. Januar 2010, V ZB 2/10, juris Rdn. 7; Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246 = juris Rdn. 13). Diese Voraussetzungen lagen hier ersichtlich nicht vor.
6
aa) Nicht jeder Verstoß gegen Verfahrensvorschriften verletzt schon als solcher die Grundrechte des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 GG. Zwar gehört die persönliche Anhörung vor Anordnung der Haft zu den mit grundrechtlichem Schutz versehenen grundlegenden Verfahrensgarantien (hierzu BVerfGK 9, 132 Rn. 20; Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 9/10, InfAuslR 2010, 384 Rn. 8). Für die erneute Anhörung in der Beschwerdeinstanz gilt dies aber nicht in gleichem Maße, da von ihr - verfassungsrechtlich unbedenklich - unter den in § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG genannten Voraussetzungen abgesehen werden kann. Unterbleibt die Anhörung ohne eine zureichende Begründung, ist die Haft daher nur dann rechtswidrig, wenn die erneute Anhörung zwingend geboten war. Ist letzteres anzunehmen, sind die Rechte des Betroffenen gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 127/12, FGPrax 2014, 39 Rn. 9; Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 192/13, juris Rn. 9 mwN) und es kommt nicht darauf an, ob die Haft in der Sache zu Recht aufrechterhalten worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 9/10, InfAuslR 2010, 384 Rn. 9 mwN).
10
2. Zudem dürfte die Rechtsbeschwerde Erfolg haben, weil dem Betroffenen der Haftantrag nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist (§ 23 Abs. 2 FamFG).
10
2. Die Beschwerde ist begründet. Die Haftanordnung durfte nicht ergehen , weil der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen nach dem maßgeblichen Inhalt des Protokolls nicht, wie aber geboten (Senat, Beschlüsse vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 330 f. Rn. 16 f., vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257, 258 Rn. 8 f. und vom 14. Juni 2012 - V ZB 48/12, juris Rn. 10), zu Beginn der Anhörung in Kopie ausgehändigt und (mündlich) übersetzt worden ist.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Lübeck, 7. Zivilkammer, vom 27. Mai 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts Oldenburg in Holstein vom 26. September 2012 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste am 24. September 2012 ohne gültige Papiere mit einem Zugticket für eine Fahrt von A.      nach K.         in das Bundesgebiet ein. Er wurde erstmals von Beamten der Bundespolizei in B.       aufgegriffen. Eine EURODAC Anfrage ergab zwei Treffer für Großbritannien (aus dem Jahr 2006) und Italien (aus dem Jahr 2010). Der Betroffene gab an, dass er in den für seinen Schutzantrag zuständigen Mitgliedstaat zurückreisen werde. Die Beamten stellten für den Betroffenen eine Anlaufbescheinigung für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Br.          aus und besorgten dem Betroffenen mit dessen Mitteln eine Bahnfahrkarte dorthin.

2

Der Betroffene setzte jedoch am Folgetag seine Bahnfahrt in Richtung D.      fort. Er wurde in P.       erneut von Beamten der Bundespolizei (der beteiligten Behörde) aufgegriffen. Die beteiligte Behörde beantragte bei dem Amtsgericht für die Dauer von zwei Monaten die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach Italien oder Großbritannien mit der Angabe, dass diese gemäß der VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-Verordnung) für dessen Schutzantrag zuständig seien.

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 26. September 2012 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 25. November 2012 angeordnet. Der Betroffene hat hiergegen Beschwerde eingelegt und nach seiner Überstellung nach Italien am 5. November 2012 beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung für die Haftzeit vom 26. September 2012 bis zum 5. November 2012 festzustellen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, dass die Haftanordnung den Betroffenen nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe. Zwar sei der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen nicht ausgehändigt, sondern erst unmittelbar vor seiner Anhörung mündlich eröffnet worden. Das habe hier aber deshalb ausgereicht, weil der Betroffene auf Grund seiner am Tag zuvor erfolgten Festnahme in B.         zu den Haftvoraussetzungen im engeren Sinne auskunftsfähig gewesen sei. Der Betroffene habe nicht nur gewusst, dass er sich illegal im Bundesgebiet aufhalte; er habe zudem - da er nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, sich freiwillig bei dem Bundesamt zu stellen - mit der Anordnung von Haft im Falle seines erneuten Aufgreifens im Bundesgebiet rechnen müssen.

5

Die Voraussetzungen für die Anordnung von Zurückschiebungshaft nach § 57 Abs. 2, § 62 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG hätten vorgelegen. Ob sich eine andere Beurteilung nach § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG auf Grund der Erklärung des Betroffenen in der Beschwerdebegründung ergeben hätte, er sei in der Haft zu der Überzeugung gelangt, dass er sich den Behörden zur Rückkehr nach Italien zur Verfügung halten müsse, könne dahinstehen, da das allenfalls für die Zukunft hätte berücksichtigt werden können.

III.

6

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

7

1. Im Ergebnis ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dass gegen den Betroffenen Zurückschiebungshaft nach § 57 Abs. 2 i.V.m. § 62 AufenthG zur Überstellung nach Italien gemäß Art. 19, 20 Dublin-II-Verordnung (zur Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung - VO [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013, ABl. Nr. L 180, S. 31 - Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14, zur Veröffentlichung vorgesehen) schon deshalb nicht hätte angeordnet werden dürfen, weil dem Betroffenen vor dem Beginn seiner Anhörung nach § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine Abschrift des Haftantrags der beteiligten Behörde nicht ausgehändigt worden war.

8

a) Das Vorgehen des Haftrichters verletzte allerdings den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Haftrichter darf - auch wenn der Betroffene zu den Angaben im Haftantrag auskunftsfähig ist - sich nicht darauf beschränken, den Inhalt des Haftantrags mündlich vorzutragen. Dem Betroffenen ist in jedem Fall eine Ablichtung des Haftantrags zu übergeben, der erforderlichenfalls mündlich übersetzt werden muss; beides ist in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle zu vermerken (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, FGPrax 2012, 227 Rn. 9; Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 127/12, FGPrax 2014, 39 Rn. 5). Die Aushändigung des Haftantrags soll sicherstellen, dass sich der Betroffene zu sämtlichen (tatsächlichen und rechtlichen) Angaben der die Haft beantragenden Behörde äußern kann (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257 Rn. 8; Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 224/11, FGPrax 2013, 87 Rn. 13). Der Betroffene, der zumeist schon auf Grund der Situation nicht in der Lage sein wird, einen ihm nur mündlich übermittelten Haftantrag zu erfassen, muss im weiteren Verlauf der Anhörung in ein Exemplar des Haftantrags einsehen und dieses gegebenenfalls später einem Rechtsanwalt vorlegen können (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 281/11, FGPrax 2012, 227 Rn. 9; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 6/13, juris Rn. 5). Die Aushändigung des Haftantrags soll dem Betroffenen - insbesondere bei einem nicht einfach gelagerten Sachverhalt, von dessen Vorliegen hier auch das Beschwerdegericht ausgeht - ermöglichen, sich gegenüber dem Haftantrag der Behörde zu verteidigen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 Rn. 16; Beschluss vom 26. April 2012 - V ZB 17/12, juris Rn. 5).

9

b) Die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags führt allerdings nur dann zu einer Aufhebung der Haftanordnung (bzw. nach einer Erledigung der Hauptsache zur Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit), wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Soweit der Senat dies bisher anders gesehen hat (u.a. Beschluss vom 30. März 2012 - V ZB 59/12, juris Rn. 10 ff.; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 9/13, FGPrax 2014, 43 Rn. 10 mwN), hält er daran nicht fest.

10

Ausschlaggebend dafür ist eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union für die Fälle der Inhaftnahme zum Zweck der Abschiebung nach Art. 15 der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 348, S. 98). Nach dessen Urteil vom 10. September 2013 (C - 383/13 - PPU, veröffentlicht u.a. in BayVBl. 2014, 140 ff.) muss bei einer richterlichen Kontrolle der von dem Drittstaatsangehörigen gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Entscheidungen zur Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung nach Art. 15 der Rückführungsrichtlinie anhand der speziellen tatsächlichen und rechtlichen Umstände des jeweiligen Falles geprüft werden, ob der Verfahrensfehler dem Betroffenen tatsächlich die Möglichkeit genommen hat, sich in solchem Maß besser zu verteidigen, dass das Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (EuGH, aaO, Rn. 44). Ein nationales Gericht, das mit der Rechtmäßigkeit einer im Verwaltungsverfahren unter Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beschlossenen Verlängerung einer Haftmaßnahme betraut ist, darf die Haftmaßnahme nur dann aufheben, wenn es der Ansicht ist, dass das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (EuGH, aaO, Rn. 45).

11

Die Entscheidung betrifft zwar einen Fall aus einem Mitgliedstaat (Niederlande), in dem die Abschiebungshaft nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 Buchstabe a der Rückführungsrichtlinie durch eine Verwaltungsbehörde angeordnet und danach durch ein Gericht überprüft wird, also nicht wie in Deutschland bereits durch das Gericht angeordnet wird. Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofs ist zudem die Haft zur Vollstreckung der Rückkehrentscheidung durch Abschiebung (Art. 3 Abs. 3, 5 der Rückführungsrichtlinie) und nicht - wie hier - die Anordnung von Zurückschiebungshaft zur Sicherung der Überstellung des Ausländers in einen anderen Mitgliedstaat nach Art. 16 ff. Dublin-II-Verordnung. Die von dem Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Grundsätze erlauben aber keine unterschiedliche Behandlung der Verletzung von Verteidigungsrechten, wenn es um eine Anordnung von Haft zur Beendigung eines illegalen Aufenthalts eines Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union geht. Entscheidend ist, dass nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs eine Verletzung von Verteidigungsrechten (insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör) nicht automatisch, sondern nur dann zur Beendigung der Haft führt, wenn das Verfahren auch zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

12

Die Wirkung, die der Senat der fehlenden Aushändigung des Haftantrags bislang beigemessen hat, lässt sich auch nicht mit Art. 4 Abs. 3 Rückführungsrichtlinie rechtfertigen. Danach dürfen die Mitgliedsstaaten Vorschriften beibehalten oder erlassen, die - wie das Erfordernis der Aushändigung des Haftantrags oder die Begründungsanforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG - für die Personen, auf die Richtlinie Anwendung findet, günstiger sind. Vorschriften der Mitgliedstaaten (hier über die Mitteilung des Haftantrags nach § 23 Abs. 2 FamFG) und ihre Auslegung müssen aber mit der Richtlinie in Einklang stehen und dürfen die effektive Durchführung von Rückführungen nicht gefährden. Das lässt sich jedoch nicht gewährleisten, wenn die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit und damit auch dann nach § 426 FamFG zur Aufhebung einer angeordneten Zurückschiebungshaft führt, wenn die Vermeidung dieses Fehlers nicht zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

13

c) Dass der Betroffene - wenn ihm der Haftantrag bereits vor seiner Anhörung durch das Amtsgericht ausgehändigt worden wäre - tatsächliche oder rechtliche Umstände mit der Folge vorgebracht hätte, dass die Haftanordnung nicht ergangen oder von dem Beschwerdegericht aufgehoben worden wäre, wird von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Verstoß gegen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör durch die Nichtaushändigung des Haftantrags führt danach hier nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung (vgl. EuGH, aaO Rn. 39).

14

2. a) Der Feststellungsantrag hat jedoch aus einem anderen Grund Erfolg. Die Zurückschiebungshaft gegen den Betroffenen nach § 57 Abs. 2 i.V.m. § 62 AufenthG und mit Art.19, 20 Dublin-II-Verordnung hätte nämlich deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.

15

aa) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, InfAuslR 2012, 328 Rn. 10; vom 6. Dezember 2012 - V ZB 118/12, juris Rn. 4; vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 15, jeweils mwN).

16

bb) In Haftanträgen zur Sicherung einer Zurückschiebung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf der Grundlage eines Aufnahme oder Wiederaufnahmeersuchens nach Art. 16 ff. der Dublin-II-Verordnung muss ausgeführt werden, dass und weshalb der Zielstaat (hier Großbritannien oder Italien) nach der Verordnung zur Rücknahme verpflichtet ist (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10; Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132, 133 Rn. 10). Hierzu muss die Behörde auch angeben, in welchem Verfahren die Überstellung erfolgen und in welcher Reihenfolge bei den in Betracht kommenden Staaten nachgefragt werden soll. Dass die Entscheidung darüber nicht bei der beteiligten Behörde, sondern bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge liegt, macht solche Darlegungen nicht entbehrlich. Notfalls muss die Behörde zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 427 Abs. 1 FamFG beantragen und den Antrag auf Anordnung ordentlicher Sicherungshaft bis zum Eingang der Unterrichtung durch das Bundesamt zurückstellen (Senat, Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132 Rn. 11).

17

cc) Der Haftantrag der beteiligten Behörde vom 25. September 2012 entspricht - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - diesen Anforderungen nicht. In ihm ist nur davon die Rede, dass auf Grund von zwei EURODAC-Treffern dem Betroffenen die Zurückschiebung nach Italien oder nach Großbritannien eröffnet worden sei. Ausführungen dazu, welcher Staat zunächst angefragt werden soll, und aus welchen Gründen dieser zur Zurücknahme des Betroffenen verpflichtet ist, fehlen jedoch.

18

b) Mängel in der Antragsbegründung wegen fehlender Angaben zur erforderlichen Haftdauer und zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG) führen zur Rechtswidrigkeit der auf Grund eines solchen Antrags erlassenen Haftanordnung.

19

aa) Dies ist eine Folge dessen, dass das Begründungserfordernis als eine Verfahrensgarantie im Sinne des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ausgestaltet worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 19; Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 11). Diese Garantie dient nicht nur dem Zweck, dem Betroffenen eine bessere Verteidigung im Verfahren zu ermöglichen. Mit den besonderen Begründungsanforderungen will der Gesetzgeber vor allem erreichen, dass dem Gericht durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für seine Entscheidung zugänglich wird (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zum FGG-ReformG, BT-Drucks. 16/9733, S. 299; Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 9; Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 13). Die Begründung des Haftantrags ist nach Auffassung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags eine unverzichtbare Voraussetzung für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für die Entscheidung des Richters über den Haftantrag. Unvollständige, auch nicht auf richterliche Aufforderung ergänzte Haftanträge sind von dem Haftrichter als unzulässig zurückzuweisen (BT-Drucks. 16/9733, S. 299).

20

bb) Die in § 417 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG bestimmten Anforderungen an die Begründung sollen gewährleisten, dass die Haft nach § 62 AufenthG nur angeordnet wird, wenn die antragstellende Behörde das Vorliegen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführbarkeit einer Ab- oder Zurückschiebung und für das Betreiben des Verfahrens darlegt, zu deren Sicherung der Richter die Haft anordnen soll. Das Begründungserfordernis sichert damit die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Haftanordnung nach § 62 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 4 AufenthG sowie Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Rückführungsrichtlinie. Bedingung für die Inhaftnahme des Ausländers ist nach der Richtlinie nämlich nicht nur die Fluchtgefahr oder ein Umgehen oder eine Verhinderung der Abschiebung; die Haft muss zudem so kurz wie möglich sein und sich auf die Dauer der laufenden Abschiebungsvorkehrungen beschränken, solange diese mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden. Das Vorliegen dieser Umstände ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Inhaftnahme (Art. 15 Abs. 2 Satz 4 Rückführungsrichtlinie) und für die Aufrechterhaltung einer einmal angeordneten Haft (Art. 15 Abs. 3 und 4 Rückführungsrichtlinie).

21

c) Die Mängel des Haftantrags können allerdings in dem gerichtlichen Verfahren mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden. Das ist hier jedoch nicht geschehen.

22

aa) Eine Behebung der Mängel des Haftantrags kann zunächst dadurch geschehen, dass die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt, dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt und der Betroffene dazu Stellung nehmen kann (Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11, Rn. 11 juris; Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 15).

23

Die Möglichkeiten zur Behebung des Mangels sind im Hinblick darauf, dass die Auslegung nationalstaatlicher Vorschriften die praktische Wirksamkeit der Rückführungsrichtlinie nicht infrage stellen darf (EuGH, Urteil vom 10. September 2013 - C-383/13 - PPU, Rn. 36, veröffentlicht u.a. in BayVBl. 2014, 140 ff.), dahin zu ergänzen, dass auch das Gericht das Vorliegen der an sich seitens der Behörde nach § 417 Abs. 2 FamFG vorzutragenden Tatsachen auf Grund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG) in dem Beschluss feststellen kann. Damit wird dem Zweck des Begründungserfordernisses in § 417 Abs. 2 FamFG ebenfalls genügt. Die Begründung soll dem Haftrichter eine hinreichende Tatsachengrundlage verschaffen. Die Zurückweisung eines Haftantrags oder die Aufhebung einer bereits angeordneten Haft auch in den Fällen, in denen nach den eigenen Ermittlungen des Haftrichters die in § 417 Abs. 2 Nr. 4 und 5 FamFG von der Behörde darzulegenden Tatsachen vorliegen und sich danach die beantragte Haft als erforderlich und verhältnismäßig darstellt, ist dagegen nach dem Zweck des Begründungserfordernisses nicht gefordert und widerspricht dem bereits erwähnten Gebot (siehe oben 1. b)), die praktische Wirksamkeit der Rückführungsrichtlinie nicht durch eine zu enge Auslegung nationalstaatlicher Verfahrensvorschriften infrage zu stellen.

24

Die Behebung des Mangels durch den Haftrichter setzt jedoch voraus, dass dieser die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt. Nur dann ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen tatsächlich vorgelegen haben, unter denen die Haft angeordnet werden darf. Fehlt es an solchen Feststellungen, verletzt eine dennoch ergehende Haftanordnung den Betroffenen in seinen Rechten.

25

bb) So verhält es sich hier, weil die Mängel des Haftantrags der beteiligten Behörde in dem gesamten Verfahren nicht behoben worden sind. Das Beschwerdegericht befasst sich in seiner Entscheidung nur mit der - seiner Meinung nach entbehrlichen - Aushändigung des Haftantrags, aber nicht mit dessen Inhalt. Das Amtsgericht hat lediglich ausgeführt, dass die Dauer der Haft deshalb nicht unverhältnismäßig sei, weil Abschiebungen nach Italien erfahrungsgemäß innerhalb von zwei Monaten vollzogen werden könnten. Feststellungen zu einer Verpflichtung Italiens, den Betroffenen wieder aufzunehmen, fehlen jedoch sowohl im Haftantrag als auch in dem die Haft anordnenden Beschluss.

26

cc) Die Haftanordnung stellt sich schließlich auch nicht deshalb im Nachhinein als rechtmäßig dar, weil die Zurückschiebung des Betroffenen innerhalb der von der beteiligten Behörde beantragten Frist durchgeführt wurde. Der Senat hat zwar entschieden, dass sich Prognosefehler des Gerichts nicht auswirken, wenn es in der angeordneten Haftzeit zu der Ab- oder Zurückschiebung kommt (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 19). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Mängel des Haftantrags übertragen werden. Die Ordnungsmäßigkeit des Haftantrags ist eine Verfahrensgarantie, deren Beachtung von Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG gefordert ist (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 11; Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZB 70/11, juris Rn. 8; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - V ZB 162/12, InfAuslR 2014, 51 Rn. 9). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, weil die Freiheitsentziehung nicht angeordnet werden darf, solange es an einer Darlegung der Behörde oder einer richterlichen Ermittlung der für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung erforderlichen Tatsachen fehlt.

IV.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, § 128 Abs. 3 Satz 2 KostO, Art. 5 EMRK. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 3 Satz 2, § 30 Abs. 2 KostO. Die Vorschriften der Kostenordnung sind hier auf Grund der Übergangsvorschrift in § 134 Abs. 1, 2 GNotKG noch anzuwenden.

Stresemann                        Lemke                        Schmidt-Räntsch

                       Czub                        Kazele

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Lübeck, 7. Zivilkammer, vom 27. Mai 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts Oldenburg in Holstein vom 26. September 2012 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste am 24. September 2012 ohne gültige Papiere mit einem Zugticket für eine Fahrt von A.      nach K.         in das Bundesgebiet ein. Er wurde erstmals von Beamten der Bundespolizei in B.       aufgegriffen. Eine EURODAC Anfrage ergab zwei Treffer für Großbritannien (aus dem Jahr 2006) und Italien (aus dem Jahr 2010). Der Betroffene gab an, dass er in den für seinen Schutzantrag zuständigen Mitgliedstaat zurückreisen werde. Die Beamten stellten für den Betroffenen eine Anlaufbescheinigung für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Br.          aus und besorgten dem Betroffenen mit dessen Mitteln eine Bahnfahrkarte dorthin.

2

Der Betroffene setzte jedoch am Folgetag seine Bahnfahrt in Richtung D.      fort. Er wurde in P.       erneut von Beamten der Bundespolizei (der beteiligten Behörde) aufgegriffen. Die beteiligte Behörde beantragte bei dem Amtsgericht für die Dauer von zwei Monaten die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach Italien oder Großbritannien mit der Angabe, dass diese gemäß der VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-Verordnung) für dessen Schutzantrag zuständig seien.

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 26. September 2012 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 25. November 2012 angeordnet. Der Betroffene hat hiergegen Beschwerde eingelegt und nach seiner Überstellung nach Italien am 5. November 2012 beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung für die Haftzeit vom 26. September 2012 bis zum 5. November 2012 festzustellen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, dass die Haftanordnung den Betroffenen nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe. Zwar sei der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen nicht ausgehändigt, sondern erst unmittelbar vor seiner Anhörung mündlich eröffnet worden. Das habe hier aber deshalb ausgereicht, weil der Betroffene auf Grund seiner am Tag zuvor erfolgten Festnahme in B.         zu den Haftvoraussetzungen im engeren Sinne auskunftsfähig gewesen sei. Der Betroffene habe nicht nur gewusst, dass er sich illegal im Bundesgebiet aufhalte; er habe zudem - da er nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, sich freiwillig bei dem Bundesamt zu stellen - mit der Anordnung von Haft im Falle seines erneuten Aufgreifens im Bundesgebiet rechnen müssen.

5

Die Voraussetzungen für die Anordnung von Zurückschiebungshaft nach § 57 Abs. 2, § 62 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG hätten vorgelegen. Ob sich eine andere Beurteilung nach § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG auf Grund der Erklärung des Betroffenen in der Beschwerdebegründung ergeben hätte, er sei in der Haft zu der Überzeugung gelangt, dass er sich den Behörden zur Rückkehr nach Italien zur Verfügung halten müsse, könne dahinstehen, da das allenfalls für die Zukunft hätte berücksichtigt werden können.

III.

6

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

7

1. Im Ergebnis ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dass gegen den Betroffenen Zurückschiebungshaft nach § 57 Abs. 2 i.V.m. § 62 AufenthG zur Überstellung nach Italien gemäß Art. 19, 20 Dublin-II-Verordnung (zur Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung - VO [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013, ABl. Nr. L 180, S. 31 - Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14, zur Veröffentlichung vorgesehen) schon deshalb nicht hätte angeordnet werden dürfen, weil dem Betroffenen vor dem Beginn seiner Anhörung nach § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine Abschrift des Haftantrags der beteiligten Behörde nicht ausgehändigt worden war.

8

a) Das Vorgehen des Haftrichters verletzte allerdings den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Haftrichter darf - auch wenn der Betroffene zu den Angaben im Haftantrag auskunftsfähig ist - sich nicht darauf beschränken, den Inhalt des Haftantrags mündlich vorzutragen. Dem Betroffenen ist in jedem Fall eine Ablichtung des Haftantrags zu übergeben, der erforderlichenfalls mündlich übersetzt werden muss; beides ist in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle zu vermerken (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, FGPrax 2012, 227 Rn. 9; Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 127/12, FGPrax 2014, 39 Rn. 5). Die Aushändigung des Haftantrags soll sicherstellen, dass sich der Betroffene zu sämtlichen (tatsächlichen und rechtlichen) Angaben der die Haft beantragenden Behörde äußern kann (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257 Rn. 8; Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 224/11, FGPrax 2013, 87 Rn. 13). Der Betroffene, der zumeist schon auf Grund der Situation nicht in der Lage sein wird, einen ihm nur mündlich übermittelten Haftantrag zu erfassen, muss im weiteren Verlauf der Anhörung in ein Exemplar des Haftantrags einsehen und dieses gegebenenfalls später einem Rechtsanwalt vorlegen können (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 281/11, FGPrax 2012, 227 Rn. 9; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 6/13, juris Rn. 5). Die Aushändigung des Haftantrags soll dem Betroffenen - insbesondere bei einem nicht einfach gelagerten Sachverhalt, von dessen Vorliegen hier auch das Beschwerdegericht ausgeht - ermöglichen, sich gegenüber dem Haftantrag der Behörde zu verteidigen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 Rn. 16; Beschluss vom 26. April 2012 - V ZB 17/12, juris Rn. 5).

9

b) Die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags führt allerdings nur dann zu einer Aufhebung der Haftanordnung (bzw. nach einer Erledigung der Hauptsache zur Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit), wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Soweit der Senat dies bisher anders gesehen hat (u.a. Beschluss vom 30. März 2012 - V ZB 59/12, juris Rn. 10 ff.; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 9/13, FGPrax 2014, 43 Rn. 10 mwN), hält er daran nicht fest.

10

Ausschlaggebend dafür ist eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union für die Fälle der Inhaftnahme zum Zweck der Abschiebung nach Art. 15 der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 348, S. 98). Nach dessen Urteil vom 10. September 2013 (C - 383/13 - PPU, veröffentlicht u.a. in BayVBl. 2014, 140 ff.) muss bei einer richterlichen Kontrolle der von dem Drittstaatsangehörigen gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Entscheidungen zur Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung nach Art. 15 der Rückführungsrichtlinie anhand der speziellen tatsächlichen und rechtlichen Umstände des jeweiligen Falles geprüft werden, ob der Verfahrensfehler dem Betroffenen tatsächlich die Möglichkeit genommen hat, sich in solchem Maß besser zu verteidigen, dass das Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (EuGH, aaO, Rn. 44). Ein nationales Gericht, das mit der Rechtmäßigkeit einer im Verwaltungsverfahren unter Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beschlossenen Verlängerung einer Haftmaßnahme betraut ist, darf die Haftmaßnahme nur dann aufheben, wenn es der Ansicht ist, dass das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (EuGH, aaO, Rn. 45).

11

Die Entscheidung betrifft zwar einen Fall aus einem Mitgliedstaat (Niederlande), in dem die Abschiebungshaft nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 Buchstabe a der Rückführungsrichtlinie durch eine Verwaltungsbehörde angeordnet und danach durch ein Gericht überprüft wird, also nicht wie in Deutschland bereits durch das Gericht angeordnet wird. Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofs ist zudem die Haft zur Vollstreckung der Rückkehrentscheidung durch Abschiebung (Art. 3 Abs. 3, 5 der Rückführungsrichtlinie) und nicht - wie hier - die Anordnung von Zurückschiebungshaft zur Sicherung der Überstellung des Ausländers in einen anderen Mitgliedstaat nach Art. 16 ff. Dublin-II-Verordnung. Die von dem Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Grundsätze erlauben aber keine unterschiedliche Behandlung der Verletzung von Verteidigungsrechten, wenn es um eine Anordnung von Haft zur Beendigung eines illegalen Aufenthalts eines Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union geht. Entscheidend ist, dass nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs eine Verletzung von Verteidigungsrechten (insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör) nicht automatisch, sondern nur dann zur Beendigung der Haft führt, wenn das Verfahren auch zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

12

Die Wirkung, die der Senat der fehlenden Aushändigung des Haftantrags bislang beigemessen hat, lässt sich auch nicht mit Art. 4 Abs. 3 Rückführungsrichtlinie rechtfertigen. Danach dürfen die Mitgliedsstaaten Vorschriften beibehalten oder erlassen, die - wie das Erfordernis der Aushändigung des Haftantrags oder die Begründungsanforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG - für die Personen, auf die Richtlinie Anwendung findet, günstiger sind. Vorschriften der Mitgliedstaaten (hier über die Mitteilung des Haftantrags nach § 23 Abs. 2 FamFG) und ihre Auslegung müssen aber mit der Richtlinie in Einklang stehen und dürfen die effektive Durchführung von Rückführungen nicht gefährden. Das lässt sich jedoch nicht gewährleisten, wenn die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit und damit auch dann nach § 426 FamFG zur Aufhebung einer angeordneten Zurückschiebungshaft führt, wenn die Vermeidung dieses Fehlers nicht zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

13

c) Dass der Betroffene - wenn ihm der Haftantrag bereits vor seiner Anhörung durch das Amtsgericht ausgehändigt worden wäre - tatsächliche oder rechtliche Umstände mit der Folge vorgebracht hätte, dass die Haftanordnung nicht ergangen oder von dem Beschwerdegericht aufgehoben worden wäre, wird von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Verstoß gegen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör durch die Nichtaushändigung des Haftantrags führt danach hier nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung (vgl. EuGH, aaO Rn. 39).

14

2. a) Der Feststellungsantrag hat jedoch aus einem anderen Grund Erfolg. Die Zurückschiebungshaft gegen den Betroffenen nach § 57 Abs. 2 i.V.m. § 62 AufenthG und mit Art.19, 20 Dublin-II-Verordnung hätte nämlich deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.

15

aa) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, InfAuslR 2012, 328 Rn. 10; vom 6. Dezember 2012 - V ZB 118/12, juris Rn. 4; vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 15, jeweils mwN).

16

bb) In Haftanträgen zur Sicherung einer Zurückschiebung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf der Grundlage eines Aufnahme oder Wiederaufnahmeersuchens nach Art. 16 ff. der Dublin-II-Verordnung muss ausgeführt werden, dass und weshalb der Zielstaat (hier Großbritannien oder Italien) nach der Verordnung zur Rücknahme verpflichtet ist (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10; Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132, 133 Rn. 10). Hierzu muss die Behörde auch angeben, in welchem Verfahren die Überstellung erfolgen und in welcher Reihenfolge bei den in Betracht kommenden Staaten nachgefragt werden soll. Dass die Entscheidung darüber nicht bei der beteiligten Behörde, sondern bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge liegt, macht solche Darlegungen nicht entbehrlich. Notfalls muss die Behörde zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 427 Abs. 1 FamFG beantragen und den Antrag auf Anordnung ordentlicher Sicherungshaft bis zum Eingang der Unterrichtung durch das Bundesamt zurückstellen (Senat, Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132 Rn. 11).

17

cc) Der Haftantrag der beteiligten Behörde vom 25. September 2012 entspricht - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - diesen Anforderungen nicht. In ihm ist nur davon die Rede, dass auf Grund von zwei EURODAC-Treffern dem Betroffenen die Zurückschiebung nach Italien oder nach Großbritannien eröffnet worden sei. Ausführungen dazu, welcher Staat zunächst angefragt werden soll, und aus welchen Gründen dieser zur Zurücknahme des Betroffenen verpflichtet ist, fehlen jedoch.

18

b) Mängel in der Antragsbegründung wegen fehlender Angaben zur erforderlichen Haftdauer und zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG) führen zur Rechtswidrigkeit der auf Grund eines solchen Antrags erlassenen Haftanordnung.

19

aa) Dies ist eine Folge dessen, dass das Begründungserfordernis als eine Verfahrensgarantie im Sinne des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ausgestaltet worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 19; Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 11). Diese Garantie dient nicht nur dem Zweck, dem Betroffenen eine bessere Verteidigung im Verfahren zu ermöglichen. Mit den besonderen Begründungsanforderungen will der Gesetzgeber vor allem erreichen, dass dem Gericht durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für seine Entscheidung zugänglich wird (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zum FGG-ReformG, BT-Drucks. 16/9733, S. 299; Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 9; Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 13). Die Begründung des Haftantrags ist nach Auffassung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags eine unverzichtbare Voraussetzung für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für die Entscheidung des Richters über den Haftantrag. Unvollständige, auch nicht auf richterliche Aufforderung ergänzte Haftanträge sind von dem Haftrichter als unzulässig zurückzuweisen (BT-Drucks. 16/9733, S. 299).

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bb) Die in § 417 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG bestimmten Anforderungen an die Begründung sollen gewährleisten, dass die Haft nach § 62 AufenthG nur angeordnet wird, wenn die antragstellende Behörde das Vorliegen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführbarkeit einer Ab- oder Zurückschiebung und für das Betreiben des Verfahrens darlegt, zu deren Sicherung der Richter die Haft anordnen soll. Das Begründungserfordernis sichert damit die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Haftanordnung nach § 62 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 4 AufenthG sowie Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Rückführungsrichtlinie. Bedingung für die Inhaftnahme des Ausländers ist nach der Richtlinie nämlich nicht nur die Fluchtgefahr oder ein Umgehen oder eine Verhinderung der Abschiebung; die Haft muss zudem so kurz wie möglich sein und sich auf die Dauer der laufenden Abschiebungsvorkehrungen beschränken, solange diese mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden. Das Vorliegen dieser Umstände ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Inhaftnahme (Art. 15 Abs. 2 Satz 4 Rückführungsrichtlinie) und für die Aufrechterhaltung einer einmal angeordneten Haft (Art. 15 Abs. 3 und 4 Rückführungsrichtlinie).

21

c) Die Mängel des Haftantrags können allerdings in dem gerichtlichen Verfahren mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden. Das ist hier jedoch nicht geschehen.

22

aa) Eine Behebung der Mängel des Haftantrags kann zunächst dadurch geschehen, dass die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt, dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt und der Betroffene dazu Stellung nehmen kann (Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11, Rn. 11 juris; Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 15).

23

Die Möglichkeiten zur Behebung des Mangels sind im Hinblick darauf, dass die Auslegung nationalstaatlicher Vorschriften die praktische Wirksamkeit der Rückführungsrichtlinie nicht infrage stellen darf (EuGH, Urteil vom 10. September 2013 - C-383/13 - PPU, Rn. 36, veröffentlicht u.a. in BayVBl. 2014, 140 ff.), dahin zu ergänzen, dass auch das Gericht das Vorliegen der an sich seitens der Behörde nach § 417 Abs. 2 FamFG vorzutragenden Tatsachen auf Grund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG) in dem Beschluss feststellen kann. Damit wird dem Zweck des Begründungserfordernisses in § 417 Abs. 2 FamFG ebenfalls genügt. Die Begründung soll dem Haftrichter eine hinreichende Tatsachengrundlage verschaffen. Die Zurückweisung eines Haftantrags oder die Aufhebung einer bereits angeordneten Haft auch in den Fällen, in denen nach den eigenen Ermittlungen des Haftrichters die in § 417 Abs. 2 Nr. 4 und 5 FamFG von der Behörde darzulegenden Tatsachen vorliegen und sich danach die beantragte Haft als erforderlich und verhältnismäßig darstellt, ist dagegen nach dem Zweck des Begründungserfordernisses nicht gefordert und widerspricht dem bereits erwähnten Gebot (siehe oben 1. b)), die praktische Wirksamkeit der Rückführungsrichtlinie nicht durch eine zu enge Auslegung nationalstaatlicher Verfahrensvorschriften infrage zu stellen.

24

Die Behebung des Mangels durch den Haftrichter setzt jedoch voraus, dass dieser die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt. Nur dann ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen tatsächlich vorgelegen haben, unter denen die Haft angeordnet werden darf. Fehlt es an solchen Feststellungen, verletzt eine dennoch ergehende Haftanordnung den Betroffenen in seinen Rechten.

25

bb) So verhält es sich hier, weil die Mängel des Haftantrags der beteiligten Behörde in dem gesamten Verfahren nicht behoben worden sind. Das Beschwerdegericht befasst sich in seiner Entscheidung nur mit der - seiner Meinung nach entbehrlichen - Aushändigung des Haftantrags, aber nicht mit dessen Inhalt. Das Amtsgericht hat lediglich ausgeführt, dass die Dauer der Haft deshalb nicht unverhältnismäßig sei, weil Abschiebungen nach Italien erfahrungsgemäß innerhalb von zwei Monaten vollzogen werden könnten. Feststellungen zu einer Verpflichtung Italiens, den Betroffenen wieder aufzunehmen, fehlen jedoch sowohl im Haftantrag als auch in dem die Haft anordnenden Beschluss.

26

cc) Die Haftanordnung stellt sich schließlich auch nicht deshalb im Nachhinein als rechtmäßig dar, weil die Zurückschiebung des Betroffenen innerhalb der von der beteiligten Behörde beantragten Frist durchgeführt wurde. Der Senat hat zwar entschieden, dass sich Prognosefehler des Gerichts nicht auswirken, wenn es in der angeordneten Haftzeit zu der Ab- oder Zurückschiebung kommt (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 19). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Mängel des Haftantrags übertragen werden. Die Ordnungsmäßigkeit des Haftantrags ist eine Verfahrensgarantie, deren Beachtung von Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG gefordert ist (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 11; Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZB 70/11, juris Rn. 8; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - V ZB 162/12, InfAuslR 2014, 51 Rn. 9). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, weil die Freiheitsentziehung nicht angeordnet werden darf, solange es an einer Darlegung der Behörde oder einer richterlichen Ermittlung der für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung erforderlichen Tatsachen fehlt.

IV.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, § 128 Abs. 3 Satz 2 KostO, Art. 5 EMRK. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 3 Satz 2, § 30 Abs. 2 KostO. Die Vorschriften der Kostenordnung sind hier auf Grund der Übergangsvorschrift in § 134 Abs. 1, 2 GNotKG noch anzuwenden.

Stresemann                        Lemke                        Schmidt-Räntsch

                       Czub                        Kazele

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung angeordnet werden. Das Gericht entscheidet hierüber durch nicht anfechtbaren Beschluss.

(2) Die persönliche Anhörung des Betroffenen kann unterbleiben, wenn nach ärztlichem Gutachten hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder wenn er an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes leidet.

(3) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten anzuhören. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn sie nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist.

(4) Die Freiheitsentziehung in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses darf nur nach Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen angeordnet werden. Die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat, soll ihrem Antrag ein ärztliches Gutachten beifügen.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

8
aa) Die persönliche Anhörung des Betroffenen ist nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG (dazu: BVerfG NVwZ-RR 2009, 304, 305; BVerfG, Beschl. v. 1. April 2008, 2 BvR 1925/04, juris Rdn. 18) auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zwingend vorgeschrieben. Hiervon darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur absehen, wenn eine ordnungsgemäße persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 11. Mai 1995, V ZB 13/95, NJW 1995, 2226, insoweit in BGHZ 129, 383 nicht abgedruckt ; Beschl. v. 28. Januar 2010, V ZB 2/10, juris Rdn. 7; Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246 = juris Rdn. 13). Diese Voraussetzungen lagen hier ersichtlich nicht vor.

(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung angeordnet werden. Das Gericht entscheidet hierüber durch nicht anfechtbaren Beschluss.

(2) Die persönliche Anhörung des Betroffenen kann unterbleiben, wenn nach ärztlichem Gutachten hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder wenn er an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes leidet.

(3) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten anzuhören. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn sie nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist.

(4) Die Freiheitsentziehung in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses darf nur nach Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen angeordnet werden. Die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat, soll ihrem Antrag ein ärztliches Gutachten beifügen.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

14
bb) Im Beschwerdeverfahren kann allerdings nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat (Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 68 Rn. 57). In diesem Fall muss das Beschwerdegericht, vorbehaltlich der Möglichkeiten nach § 69 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG, den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen oder das gesamte Verfahren wiederholen (Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 68 Rn. 57; Gutjahr in BeckOK FamFG [Stand: 1. August 2010] § 68 Rn. 40). Dies gilt insbesondere dann, wenn das erstinstanzliche Gericht bei der Anhörung des Betroffenen zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat (Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. § 68 Rn. 8; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2000, 494, 495 zu §§ 69 i Abs. 6, 69 g Abs. 5 Satz 1, 68 Abs. 1 FGG). Die Anhörung des Betroffenen in Unterbringungsverfahren nach § 319 Abs. 1 FamFG dient der Verwirklichung der in Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Rechte eines Betroffenen in Freiheitsentziehungssachen. Danach darf die Freiheit einer Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Die Anhörung des Betroffenen nach § 319 Abs. 1 FamFG vor der Entscheidung über die Unterbringung gehört zu den wesentlichen Förmlichkeiten i.S.v. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. Keidel/Budde FamFG 16. Aufl. § 319 Rn. 1). Verfahrensfehler bei der Durchführung der Anhörung verletzen den Betroffenen deshalb nicht nur in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, sondern auch in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG.

(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist insbesondere erforderlich, wenn von einer Anhörung des Betroffenen abgesehen werden soll. Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers stets erforderlich.

(2) Bestellt das Gericht dem Betroffenen keinen Verfahrenspfleger, ist dies in der Entscheidung, durch die eine Unterbringungsmaßnahme genehmigt oder angeordnet wird, zu begründen.

(3) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.

(4) Als Verfahrenspfleger ist eine natürliche Person zu bestellen. Wer Verfahrenspflegschaften im Rahmen seiner Berufsausübung führt, soll nur dann zum Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Verfahrenspflegschaft bereit ist.

(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.

(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft der Endentscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.

(7) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

(8) Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.

9
Allerdings kann in einem Beschwerdeverfahren nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat (BGH, Beschluss vom 2. März 2011 - XII ZB 346/10, aaO Rn. 15 mwN; Senat, Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 119/10, juris Rn. 13; Beschluss vom 8. Februar 2012 - V ZB 260/11, juris Rn. 6). In diesem Fall muss das Beschwerdegericht - vorbehaltlich der Möglichkeiten nach § 69 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG, die in Haftsachen wegen des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Beschleunigungsgrundsatzes (BVerfGE 20, 45, 49 f.; 46, 194, 195) praktisch nicht zum Tragen kommen - den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das erstinstanzliche Gericht bei der Anhörung des Betroffenen zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat (zum Unterbringungsverfahren: BGH, Beschluss vom 2. März 2011 - XII ZB 346/10, aaO Rn. 14 mwN). Die Anhörung des Betroffenen in Freiheitsentziehungssachen nach § 420 Abs. 1 FamFG dient der Verwirklichung der in Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Rechte eines Betroffenen. Danach darf die Freiheit einer Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Verfahrensfehler bei der Durchführung der Anhörung verletzen den Betroffenen deshalb nicht nur in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, sondern auch in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2011 - XII ZB 346/10, aaO Rn. 15 mwN).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Lübeck, 7. Zivilkammer, vom 27. Mai 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts Oldenburg in Holstein vom 26. September 2012 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste am 24. September 2012 ohne gültige Papiere mit einem Zugticket für eine Fahrt von A.      nach K.         in das Bundesgebiet ein. Er wurde erstmals von Beamten der Bundespolizei in B.       aufgegriffen. Eine EURODAC Anfrage ergab zwei Treffer für Großbritannien (aus dem Jahr 2006) und Italien (aus dem Jahr 2010). Der Betroffene gab an, dass er in den für seinen Schutzantrag zuständigen Mitgliedstaat zurückreisen werde. Die Beamten stellten für den Betroffenen eine Anlaufbescheinigung für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Br.          aus und besorgten dem Betroffenen mit dessen Mitteln eine Bahnfahrkarte dorthin.

2

Der Betroffene setzte jedoch am Folgetag seine Bahnfahrt in Richtung D.      fort. Er wurde in P.       erneut von Beamten der Bundespolizei (der beteiligten Behörde) aufgegriffen. Die beteiligte Behörde beantragte bei dem Amtsgericht für die Dauer von zwei Monaten die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach Italien oder Großbritannien mit der Angabe, dass diese gemäß der VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-Verordnung) für dessen Schutzantrag zuständig seien.

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 26. September 2012 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 25. November 2012 angeordnet. Der Betroffene hat hiergegen Beschwerde eingelegt und nach seiner Überstellung nach Italien am 5. November 2012 beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung für die Haftzeit vom 26. September 2012 bis zum 5. November 2012 festzustellen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, dass die Haftanordnung den Betroffenen nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe. Zwar sei der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen nicht ausgehändigt, sondern erst unmittelbar vor seiner Anhörung mündlich eröffnet worden. Das habe hier aber deshalb ausgereicht, weil der Betroffene auf Grund seiner am Tag zuvor erfolgten Festnahme in B.         zu den Haftvoraussetzungen im engeren Sinne auskunftsfähig gewesen sei. Der Betroffene habe nicht nur gewusst, dass er sich illegal im Bundesgebiet aufhalte; er habe zudem - da er nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, sich freiwillig bei dem Bundesamt zu stellen - mit der Anordnung von Haft im Falle seines erneuten Aufgreifens im Bundesgebiet rechnen müssen.

5

Die Voraussetzungen für die Anordnung von Zurückschiebungshaft nach § 57 Abs. 2, § 62 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG hätten vorgelegen. Ob sich eine andere Beurteilung nach § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG auf Grund der Erklärung des Betroffenen in der Beschwerdebegründung ergeben hätte, er sei in der Haft zu der Überzeugung gelangt, dass er sich den Behörden zur Rückkehr nach Italien zur Verfügung halten müsse, könne dahinstehen, da das allenfalls für die Zukunft hätte berücksichtigt werden können.

III.

6

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

7

1. Im Ergebnis ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dass gegen den Betroffenen Zurückschiebungshaft nach § 57 Abs. 2 i.V.m. § 62 AufenthG zur Überstellung nach Italien gemäß Art. 19, 20 Dublin-II-Verordnung (zur Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung - VO [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013, ABl. Nr. L 180, S. 31 - Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14, zur Veröffentlichung vorgesehen) schon deshalb nicht hätte angeordnet werden dürfen, weil dem Betroffenen vor dem Beginn seiner Anhörung nach § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine Abschrift des Haftantrags der beteiligten Behörde nicht ausgehändigt worden war.

8

a) Das Vorgehen des Haftrichters verletzte allerdings den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Haftrichter darf - auch wenn der Betroffene zu den Angaben im Haftantrag auskunftsfähig ist - sich nicht darauf beschränken, den Inhalt des Haftantrags mündlich vorzutragen. Dem Betroffenen ist in jedem Fall eine Ablichtung des Haftantrags zu übergeben, der erforderlichenfalls mündlich übersetzt werden muss; beides ist in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle zu vermerken (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, FGPrax 2012, 227 Rn. 9; Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 127/12, FGPrax 2014, 39 Rn. 5). Die Aushändigung des Haftantrags soll sicherstellen, dass sich der Betroffene zu sämtlichen (tatsächlichen und rechtlichen) Angaben der die Haft beantragenden Behörde äußern kann (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257 Rn. 8; Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 224/11, FGPrax 2013, 87 Rn. 13). Der Betroffene, der zumeist schon auf Grund der Situation nicht in der Lage sein wird, einen ihm nur mündlich übermittelten Haftantrag zu erfassen, muss im weiteren Verlauf der Anhörung in ein Exemplar des Haftantrags einsehen und dieses gegebenenfalls später einem Rechtsanwalt vorlegen können (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 281/11, FGPrax 2012, 227 Rn. 9; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 6/13, juris Rn. 5). Die Aushändigung des Haftantrags soll dem Betroffenen - insbesondere bei einem nicht einfach gelagerten Sachverhalt, von dessen Vorliegen hier auch das Beschwerdegericht ausgeht - ermöglichen, sich gegenüber dem Haftantrag der Behörde zu verteidigen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 Rn. 16; Beschluss vom 26. April 2012 - V ZB 17/12, juris Rn. 5).

9

b) Die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags führt allerdings nur dann zu einer Aufhebung der Haftanordnung (bzw. nach einer Erledigung der Hauptsache zur Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit), wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Soweit der Senat dies bisher anders gesehen hat (u.a. Beschluss vom 30. März 2012 - V ZB 59/12, juris Rn. 10 ff.; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 9/13, FGPrax 2014, 43 Rn. 10 mwN), hält er daran nicht fest.

10

Ausschlaggebend dafür ist eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union für die Fälle der Inhaftnahme zum Zweck der Abschiebung nach Art. 15 der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 348, S. 98). Nach dessen Urteil vom 10. September 2013 (C - 383/13 - PPU, veröffentlicht u.a. in BayVBl. 2014, 140 ff.) muss bei einer richterlichen Kontrolle der von dem Drittstaatsangehörigen gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Entscheidungen zur Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung nach Art. 15 der Rückführungsrichtlinie anhand der speziellen tatsächlichen und rechtlichen Umstände des jeweiligen Falles geprüft werden, ob der Verfahrensfehler dem Betroffenen tatsächlich die Möglichkeit genommen hat, sich in solchem Maß besser zu verteidigen, dass das Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (EuGH, aaO, Rn. 44). Ein nationales Gericht, das mit der Rechtmäßigkeit einer im Verwaltungsverfahren unter Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beschlossenen Verlängerung einer Haftmaßnahme betraut ist, darf die Haftmaßnahme nur dann aufheben, wenn es der Ansicht ist, dass das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (EuGH, aaO, Rn. 45).

11

Die Entscheidung betrifft zwar einen Fall aus einem Mitgliedstaat (Niederlande), in dem die Abschiebungshaft nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 Buchstabe a der Rückführungsrichtlinie durch eine Verwaltungsbehörde angeordnet und danach durch ein Gericht überprüft wird, also nicht wie in Deutschland bereits durch das Gericht angeordnet wird. Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofs ist zudem die Haft zur Vollstreckung der Rückkehrentscheidung durch Abschiebung (Art. 3 Abs. 3, 5 der Rückführungsrichtlinie) und nicht - wie hier - die Anordnung von Zurückschiebungshaft zur Sicherung der Überstellung des Ausländers in einen anderen Mitgliedstaat nach Art. 16 ff. Dublin-II-Verordnung. Die von dem Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Grundsätze erlauben aber keine unterschiedliche Behandlung der Verletzung von Verteidigungsrechten, wenn es um eine Anordnung von Haft zur Beendigung eines illegalen Aufenthalts eines Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union geht. Entscheidend ist, dass nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs eine Verletzung von Verteidigungsrechten (insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör) nicht automatisch, sondern nur dann zur Beendigung der Haft führt, wenn das Verfahren auch zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

12

Die Wirkung, die der Senat der fehlenden Aushändigung des Haftantrags bislang beigemessen hat, lässt sich auch nicht mit Art. 4 Abs. 3 Rückführungsrichtlinie rechtfertigen. Danach dürfen die Mitgliedsstaaten Vorschriften beibehalten oder erlassen, die - wie das Erfordernis der Aushändigung des Haftantrags oder die Begründungsanforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG - für die Personen, auf die Richtlinie Anwendung findet, günstiger sind. Vorschriften der Mitgliedstaaten (hier über die Mitteilung des Haftantrags nach § 23 Abs. 2 FamFG) und ihre Auslegung müssen aber mit der Richtlinie in Einklang stehen und dürfen die effektive Durchführung von Rückführungen nicht gefährden. Das lässt sich jedoch nicht gewährleisten, wenn die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit und damit auch dann nach § 426 FamFG zur Aufhebung einer angeordneten Zurückschiebungshaft führt, wenn die Vermeidung dieses Fehlers nicht zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

13

c) Dass der Betroffene - wenn ihm der Haftantrag bereits vor seiner Anhörung durch das Amtsgericht ausgehändigt worden wäre - tatsächliche oder rechtliche Umstände mit der Folge vorgebracht hätte, dass die Haftanordnung nicht ergangen oder von dem Beschwerdegericht aufgehoben worden wäre, wird von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Verstoß gegen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör durch die Nichtaushändigung des Haftantrags führt danach hier nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung (vgl. EuGH, aaO Rn. 39).

14

2. a) Der Feststellungsantrag hat jedoch aus einem anderen Grund Erfolg. Die Zurückschiebungshaft gegen den Betroffenen nach § 57 Abs. 2 i.V.m. § 62 AufenthG und mit Art.19, 20 Dublin-II-Verordnung hätte nämlich deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.

15

aa) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, InfAuslR 2012, 328 Rn. 10; vom 6. Dezember 2012 - V ZB 118/12, juris Rn. 4; vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 15, jeweils mwN).

16

bb) In Haftanträgen zur Sicherung einer Zurückschiebung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf der Grundlage eines Aufnahme oder Wiederaufnahmeersuchens nach Art. 16 ff. der Dublin-II-Verordnung muss ausgeführt werden, dass und weshalb der Zielstaat (hier Großbritannien oder Italien) nach der Verordnung zur Rücknahme verpflichtet ist (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10; Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132, 133 Rn. 10). Hierzu muss die Behörde auch angeben, in welchem Verfahren die Überstellung erfolgen und in welcher Reihenfolge bei den in Betracht kommenden Staaten nachgefragt werden soll. Dass die Entscheidung darüber nicht bei der beteiligten Behörde, sondern bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge liegt, macht solche Darlegungen nicht entbehrlich. Notfalls muss die Behörde zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 427 Abs. 1 FamFG beantragen und den Antrag auf Anordnung ordentlicher Sicherungshaft bis zum Eingang der Unterrichtung durch das Bundesamt zurückstellen (Senat, Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132 Rn. 11).

17

cc) Der Haftantrag der beteiligten Behörde vom 25. September 2012 entspricht - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - diesen Anforderungen nicht. In ihm ist nur davon die Rede, dass auf Grund von zwei EURODAC-Treffern dem Betroffenen die Zurückschiebung nach Italien oder nach Großbritannien eröffnet worden sei. Ausführungen dazu, welcher Staat zunächst angefragt werden soll, und aus welchen Gründen dieser zur Zurücknahme des Betroffenen verpflichtet ist, fehlen jedoch.

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b) Mängel in der Antragsbegründung wegen fehlender Angaben zur erforderlichen Haftdauer und zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG) führen zur Rechtswidrigkeit der auf Grund eines solchen Antrags erlassenen Haftanordnung.

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aa) Dies ist eine Folge dessen, dass das Begründungserfordernis als eine Verfahrensgarantie im Sinne des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ausgestaltet worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 19; Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 11). Diese Garantie dient nicht nur dem Zweck, dem Betroffenen eine bessere Verteidigung im Verfahren zu ermöglichen. Mit den besonderen Begründungsanforderungen will der Gesetzgeber vor allem erreichen, dass dem Gericht durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für seine Entscheidung zugänglich wird (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zum FGG-ReformG, BT-Drucks. 16/9733, S. 299; Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 9; Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 13). Die Begründung des Haftantrags ist nach Auffassung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags eine unverzichtbare Voraussetzung für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für die Entscheidung des Richters über den Haftantrag. Unvollständige, auch nicht auf richterliche Aufforderung ergänzte Haftanträge sind von dem Haftrichter als unzulässig zurückzuweisen (BT-Drucks. 16/9733, S. 299).

20

bb) Die in § 417 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG bestimmten Anforderungen an die Begründung sollen gewährleisten, dass die Haft nach § 62 AufenthG nur angeordnet wird, wenn die antragstellende Behörde das Vorliegen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführbarkeit einer Ab- oder Zurückschiebung und für das Betreiben des Verfahrens darlegt, zu deren Sicherung der Richter die Haft anordnen soll. Das Begründungserfordernis sichert damit die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Haftanordnung nach § 62 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 4 AufenthG sowie Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Rückführungsrichtlinie. Bedingung für die Inhaftnahme des Ausländers ist nach der Richtlinie nämlich nicht nur die Fluchtgefahr oder ein Umgehen oder eine Verhinderung der Abschiebung; die Haft muss zudem so kurz wie möglich sein und sich auf die Dauer der laufenden Abschiebungsvorkehrungen beschränken, solange diese mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden. Das Vorliegen dieser Umstände ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Inhaftnahme (Art. 15 Abs. 2 Satz 4 Rückführungsrichtlinie) und für die Aufrechterhaltung einer einmal angeordneten Haft (Art. 15 Abs. 3 und 4 Rückführungsrichtlinie).

21

c) Die Mängel des Haftantrags können allerdings in dem gerichtlichen Verfahren mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden. Das ist hier jedoch nicht geschehen.

22

aa) Eine Behebung der Mängel des Haftantrags kann zunächst dadurch geschehen, dass die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt, dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt und der Betroffene dazu Stellung nehmen kann (Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11, Rn. 11 juris; Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 15).

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Die Möglichkeiten zur Behebung des Mangels sind im Hinblick darauf, dass die Auslegung nationalstaatlicher Vorschriften die praktische Wirksamkeit der Rückführungsrichtlinie nicht infrage stellen darf (EuGH, Urteil vom 10. September 2013 - C-383/13 - PPU, Rn. 36, veröffentlicht u.a. in BayVBl. 2014, 140 ff.), dahin zu ergänzen, dass auch das Gericht das Vorliegen der an sich seitens der Behörde nach § 417 Abs. 2 FamFG vorzutragenden Tatsachen auf Grund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG) in dem Beschluss feststellen kann. Damit wird dem Zweck des Begründungserfordernisses in § 417 Abs. 2 FamFG ebenfalls genügt. Die Begründung soll dem Haftrichter eine hinreichende Tatsachengrundlage verschaffen. Die Zurückweisung eines Haftantrags oder die Aufhebung einer bereits angeordneten Haft auch in den Fällen, in denen nach den eigenen Ermittlungen des Haftrichters die in § 417 Abs. 2 Nr. 4 und 5 FamFG von der Behörde darzulegenden Tatsachen vorliegen und sich danach die beantragte Haft als erforderlich und verhältnismäßig darstellt, ist dagegen nach dem Zweck des Begründungserfordernisses nicht gefordert und widerspricht dem bereits erwähnten Gebot (siehe oben 1. b)), die praktische Wirksamkeit der Rückführungsrichtlinie nicht durch eine zu enge Auslegung nationalstaatlicher Verfahrensvorschriften infrage zu stellen.

24

Die Behebung des Mangels durch den Haftrichter setzt jedoch voraus, dass dieser die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt. Nur dann ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen tatsächlich vorgelegen haben, unter denen die Haft angeordnet werden darf. Fehlt es an solchen Feststellungen, verletzt eine dennoch ergehende Haftanordnung den Betroffenen in seinen Rechten.

25

bb) So verhält es sich hier, weil die Mängel des Haftantrags der beteiligten Behörde in dem gesamten Verfahren nicht behoben worden sind. Das Beschwerdegericht befasst sich in seiner Entscheidung nur mit der - seiner Meinung nach entbehrlichen - Aushändigung des Haftantrags, aber nicht mit dessen Inhalt. Das Amtsgericht hat lediglich ausgeführt, dass die Dauer der Haft deshalb nicht unverhältnismäßig sei, weil Abschiebungen nach Italien erfahrungsgemäß innerhalb von zwei Monaten vollzogen werden könnten. Feststellungen zu einer Verpflichtung Italiens, den Betroffenen wieder aufzunehmen, fehlen jedoch sowohl im Haftantrag als auch in dem die Haft anordnenden Beschluss.

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cc) Die Haftanordnung stellt sich schließlich auch nicht deshalb im Nachhinein als rechtmäßig dar, weil die Zurückschiebung des Betroffenen innerhalb der von der beteiligten Behörde beantragten Frist durchgeführt wurde. Der Senat hat zwar entschieden, dass sich Prognosefehler des Gerichts nicht auswirken, wenn es in der angeordneten Haftzeit zu der Ab- oder Zurückschiebung kommt (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 19). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Mängel des Haftantrags übertragen werden. Die Ordnungsmäßigkeit des Haftantrags ist eine Verfahrensgarantie, deren Beachtung von Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG gefordert ist (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 11; Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZB 70/11, juris Rn. 8; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - V ZB 162/12, InfAuslR 2014, 51 Rn. 9). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, weil die Freiheitsentziehung nicht angeordnet werden darf, solange es an einer Darlegung der Behörde oder einer richterlichen Ermittlung der für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung erforderlichen Tatsachen fehlt.

IV.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, § 128 Abs. 3 Satz 2 KostO, Art. 5 EMRK. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 3 Satz 2, § 30 Abs. 2 KostO. Die Vorschriften der Kostenordnung sind hier auf Grund der Übergangsvorschrift in § 134 Abs. 1, 2 GNotKG noch anzuwenden.

Stresemann                        Lemke                        Schmidt-Räntsch

                       Czub                        Kazele

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(1) Aus dem per Telefax übersandten Antragsfragment und den zusätzlich überreichten Unterlagen ergaben sich die Identität des Betroffenen, die unerlaubte Einreise über den Flughafen Berlin-Tegel am 19. Oktober 2009 und das Fehlen eines festen Wohnsitzes im Bundesgebiet. Hieraus konnte der Haftrichter zu den Voraussetzungen der Haft, zu ihrer Verhältnismäßigkeit sowie zu der Erforderlichkeit der Haftdauer keine Anhaltspunkte für eine Überprüfung und weitere Aufklärung des Sachverhalts entnehmen. Über die fehlende Antragsbegründung können die Angaben des Betroffenen in seiner Anhörung nicht hinweghelfen.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.

(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.