Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Apr. 2016 - StB 5/16

published on 21/04/2016 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Apr. 2016 - StB 5/16
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 5/16
vom
21. April 2016
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Beihilfe zum Mord
ECLI:DE:BGH:2016:210416BSTB5.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 21. April 2016 gemäß § 304 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Haftfortdauerbeschluss des Oberlandesgerichts München vom 1. Oktober 2014 (7 St 5/14) wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

1
Der Angeklagte ist auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 4. Juni 2009 (3 BJs 19/08-2) und des zugrundeliegenden Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 18. Mai 2009 (1 BGs 118/09) am 17. April 2014 in Kroatien festgenommen und - bewilligt durch Beschluss des Bezirksgerichts Varazdin vom 27. März 2014 (Kv-eun 8/14) sowie durch Beschluss des Obersten Gerichts der Republik Kroatien vom 15. April 2014 (Kz-eun 20/14-6) - am 17. April 2014 an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert worden. Seit diesem Zeitpunkt befindet er sich im vorliegenden Strafverfahren ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Den Haftbefehl gegen den Angeklagten vom 18. Mai 2009 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs durch Beschluss vom 18. April 2014 (1 BGs 84/14) abgeändert und neu gefasst; zugleich hat er den Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet. Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, als Leiter eines Geheimdienstes des ehemaligen Jugoslawien seinen damaligen Untergebenen , den Mitangeklagten P. , damit beauftragt zu haben, den Mord an dem Exilkroaten D. , der am 28. Juli 1983 in W. getötet wurde, zu planen und logistisch vorzubereiten.
3
Unter dem 15. Juli 2014 hat der Generalbundesanwalt wegen des Vorwurfs der Beihilfe zum Mord bei dem Oberlandesgericht München gegen den Angeklagten Anklage erhoben, die am 22. Juli 2014 beim dortigen 7. Strafsenat eingegangen ist. Dieser Senat des Oberlandesgerichts hat am 1. September 2014 die Anklage des Generalbundesanwalts zur Hauptverhandlung zugelassen , das Hauptverfahren eröffnet und zugleich Haftfortdauer gegen den Angeklagten angeordnet (§ 207 Abs. 4 StPO). Erneut und bislang letztmalig hat der 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts München durch Beschluss vom 1. Oktober 2014 (7 St 5/14 (2)), mit dem die Akten dem Bundesgerichtshof im Haftprüfungsverfahren gemäß §§ 121, 122 StPO vorgelegt worden sind, Haftfortdauer gegen den Angeklagten angeordnet.
4
Am 17. Oktober 2014 hat die Hauptverhandlung vor dem 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts München begonnen, die bisher an insgesamt 99 Tagen durchgeführt worden ist. Derzeit sind weitere 27 Hauptverhandlungstage bis zum 2. August 2016 bestimmt.
5
Mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 16. März 2016 hat der Angeklagte Haftbeschwerde eingelegt und beantragt, den Haftbefehl aufzuheben.
6
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

7
Die Beschwerde ist in ihrer Auslegung durch den Senat gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO zulässig.
8
Der Schriftsatz der Verteidiger des Angeklagten vom 16. März 2016 ist als Beschwerde gegen die Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts München vom 1. Oktober 2014 anzusehen (§ 300 StPO). Diese Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft war die zeitlich letzte, den Bestand des Haftbefehls gegen den Angeklagten betreffende Entscheidung, gegen die eine Beschwerde zulässig erhoben werden kann. Der aus der Regelung des § 117 Abs. 2 StPO abgeleitete allgemeine Grundsatz, dass der Beschuldigte nur die jeweils letzte Haftentscheidung anfechten kann (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 117 Rn. 8 mwN), liegt die Erwägung zugrunde, dass es einem vernünftigen Verfahrensablauf widersprechen würde, wenn ein Beschwerdeführer in beliebiger Art und Weise auf frühere, möglicherweise in ihrer Begründung bereits überholte Haftentscheidungen zurückgreifen und es hierdurch im Ergebnis zu einander widersprechenden Entscheidungen verschiedener mit der Sache befasster Gerichte kommen könnte.

III.

9
Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
10
1. Gegen den Angeklagten besteht weiterhin der dringende Tatverdacht, an der Tötung von D. beteiligt gewesen zu sein. Sein Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Insofern gilt:
11
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (vgl. Beschlüsse vom 5. Februar 2015 - StB 1/15, BGHR StPO § 304 Abs. 4 Haftbefehl 3; vom 22. Oktober 2012 - StB 12/12, NJW 2013, 247, 248; vom 19. Dezember 2003 - StB 21/03, StV 2004, 143; vom 2. September 2003 - StB 11/03, NStZ-RR 2003, 368). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen, unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Allerdings muss das Beschwerdegericht in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den erhöhten Anforderungen , die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen zu stellen sind, ausreichend Rechnung getragen werden kann. Daraus folgt indes nicht, dass das Tatgericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffenden Ent- scheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das Oberlandesgericht und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - StB 14/15, juris Rn. 7 mwN).
12
b) Nach diesen Maßstäben ist die durch den Nichtabhilfebeschluss vom 17. März 2016 näher begründete Bewertung des Oberlandesgerichts, dass der dringende Tatverdacht der Beihilfe zum Mord gegen den Angeklagten weiterhin besteht, nicht zu beanstanden. Auf die Ausführungen in den Gründen dieser Nichtabhilfeentscheidung wird Bezug genommen. Wie sich daraus im Einzelnen ergibt, stellen die Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts der Beteiligung des Angeklagten an der Tötung von D. nach vorläufiger Bewertung nicht in Frage. Für den Senat besteht auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, das eine abweichende Bewertung des in der Hauptverhandlung zu erwartenden Beweisergebnisses vornimmt, kein greifbarer Anhaltspunkt, der es rechtfertigen würde, von der - keine ins Auge fallenden Unplausibilitäten enthaltenden - Bewertung des bisher erzielten Kenntnisstandes und der noch nicht erhobenen Beweise durch das Oberlandesgericht abzuweichen und in eigener Einschätzung der Beweislage den dringenden Tatverdacht zu verneinen.
13
2. Zutreffend ist das Oberlandesgericht auch davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten neben dem Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO auch der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO weiterhin vorliegt. Dem gegebenen erheblichen Fluchtanreiz stehen weiterhin keine privaten Bindungen und sozialen Beziehungen des Angeklagten in Deutschland gegenüber.
Diese Umstände schließen auch eine Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1 StPO aus. Mildere Maßnahmen, mit denen der Zweck der Untersuchungshaft ebenfalls zu erreichen wäre, sind nicht ersichtlich.
14
3. Die Untersuchungshaft hat mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Angeklagten und dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung bei Berücksichtigung und Abwägung der gegebenen Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens - auch angesichts der bereits nahezu zwei Jahre währenden Untersuchungshaft und der zu erwartenden Gesamtdauer des Verfahrens - fortzudauern. Ihr weiterer Vollzug steht angesichts der gegebenen Besonderheiten auch nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
15
a) Hierbei ist freilich das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit in besonderer Weise zu beachten. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung , die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist, nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt.
16
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass diese nicht außer Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen. Das Gewicht des Frei- heitsanspruchs vergrößert sich gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung regelmäßig mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft. Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu.
17
Das verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der etwaigen späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Bei absehbar umfangreicheren Verfahren ist daher stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit im Grundsatz durchschnittlich mehr als einem Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen. Bei der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsinteresse kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich. Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12 mwN, juris Rn. 39 ff.; BGH, Beschluss vom 19. März 2013 - StB 2/13, juris Rn. 12 ff.).
18
b) Daran gemessen ist der Haftbefehl gegen den Angeklagten aufrechtzuerhalten und die Untersuchungshaft weiter zu vollziehen. Der Generalbundesanwalt hat nach der Festnahme des Angeklagten in Kroatien und seiner Auslieferung am 17. April 2014 die Ermittlungen mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung abgeschlossen und bereits unter dem 15. Juli 2014 die Anklage gegen den Angeklagten erhoben. Auch die Durchführung des Zwischenverfahrens und der bisherige Verlauf der Hauptverhandlung lassen erhebliche vermeidbare Verzögerungen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2009 - 2 BvR 388/09, StV 2009, 479, 480 f.) nicht erkennen. Zwar ergibt die rein rechnerische Betrachtung der "Sitzungsfrequenz" mit Blick auf den seit Beginn der Hauptverhandlung am 17. Oktober 2014 verstrichenen Zeitraum und die Anzahl von bisher 99 Verhandlungstagen, dass das Oberlandesgericht die Hauptverhandlung im Durchschnitt an weniger als zwei Tagen pro Woche durchgeführt hat. Jedoch ist - auch ohne Darlegung des Verlaufs der bisherigen Hauptverhandlung im Detail und der Ursachen hierfür im Einzelnen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 19. März 2013 - StB 2/13, juris Rn. 18 ff.) - aus der Nichtabhilfeentscheidung vom 17. März 2016 hinreichend ersichtlich, dass das Oberlandesgericht seine Hauptverhandlung mit der in Haftsachen gebotenen zügigen Verfahrensweise durchgeführt hat, insbesondere eine höhere "Sitzungsfrequenz" wegen der Besonderheiten der vorliegenden Sache nicht möglich war. Hierfür war insbesondere deren Auslandsbezug verantwortlich , der mit Blick auf den Aufklärungsgrundsatz eine hohe Zahl neuer Rechtshilfeersuchen und schwierige Zeugenladungen notwendig machte. Auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts hierzu wird Bezug genommen. Anhaltspunkte dafür, dass diese den besonderen Verlauf der Hauptverhandlung nicht zu- treffend wiedergeben, bestehen nicht. Bedeutsame Verzögerungen oder Versäumnisse , die die Fortdauer der Untersuchungshaft mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hindern würden, sind nicht ersichtlich.
19
Nach alledem ist der weitere Vollzug der Untersuchungshaft angesichts der Bedeutung der Sache und der konkreten Erwartung einer hohen Freiheitsstrafe immer noch verhältnismäßig (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Becker Schäfer Tiemann
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(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll.

(2) Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit welchen Änderungen es die Anklage zur Hauptverhandlung zuläßt, wenn

1.
wegen mehrerer Taten Anklage erhoben ist und wegen einzelner von ihnen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird,
2.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne abtrennbare Teile einer Tat beschränkt wird oder solche Teile in das Verfahren wieder einbezogen werden,
3.
die Tat rechtlich abweichend von der Anklageschrift gewürdigt wird oder
4.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Straftat begangen worden sind, beschränkt wird oder solche Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbezogen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 und 2 reicht die Staatsanwaltschaft eine dem Beschluß entsprechende neue Anklageschrift ein. Von der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen kann abgesehen werden.

(4) Das Gericht beschließt zugleich von Amts wegen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

(1) Solange der Beschuldigte in Untersuchungshaft ist, kann er jederzeit die gerichtliche Prüfung beantragen, ob der Haftbefehl aufzuheben oder dessen Vollzug nach § 116 auszusetzen ist (Haftprüfung).

(2) Neben dem Antrag auf Haftprüfung ist die Beschwerde unzulässig. Das Recht der Beschwerde gegen die Entscheidung, die auf den Antrag ergeht, wird dadurch nicht berührt.

(3) Der Richter kann einzelne Ermittlungen anordnen, die für die künftige Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft von Bedeutung sind, und nach Durchführung dieser Ermittlungen eine neue Prüfung vornehmen.

(4) (weggefallen)

(5) (weggefallen)

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.