Oberlandesgericht München Urteil, 03. Aug. 2016 - 7 St 5/14 (2)

bei uns veröffentlicht am03.08.2016

Tenor

1. Die Angeklagten Z. M. und J. P. sind jeweils schuldig des Mordes.

2. Sie werden deswegen jeweils zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

3. Die in Kroatien erlittene Auslieferungshaft wird jeweils im Maßstab 1 zu 1 angerechnet.

4. Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens sowie gesamtschuldnerisch die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin.

Angewandte Vorschriften:

§§ 211, 212, 25 Abs. 1 und Abs. 2, 51 Abs. 1 Satz 1 StGB

Gründe

Das Urteil enthält eine Vielzahl von Namen kroatischen, serbischen oder bosnischherzegowinischen Ursprungs. Ebenso geht das Urteil mit einer Vielzahl von Institutionen um, die Bezeichnungen tragen, die des gleichen Ursprungs sind. Der Senat hat sich für eine deutsche Schreibweise dieser Namen und Institutionen entschieden. Zur Erleichterung hat der Senat den Urteilsgründen eine Gliederung sowie ein Abkürzungs- und Personenverzeichnis angefügt.

A. Allgemeines und Prozessgeschichte

I. Gegenstand des Verfahrens ist der Mord an dem Exil-Kroaten S. D., der am 28. Juli 1983 in Wolfratshausen bei München von durch den jugoslawischen Geheimdienst gedungenen Tätern mittels mehrerer Schüsse u. a. in den Oberkörper und durch Hiebe auf den Kopf getötet wurde. Die Tat fand in einer Garage statt, die zu einer Werkstatt/Druckerei umgebaut worden war. Der Eigentümer der Garage war der Informant des Staatssicherheitsdienstes (SDS) der Sozialistischen Republik Kroatien (SRH) K. P., der mit Urteil des Oberlandesgerichts München vom 16. Juli 2008, rechtskräftig seit dem 11. Februar 2009 (Aktenzeichen: 6 St 5/05 (2)), wegen dieses Mordes an S. D. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Der Angeklagte J. P. war zur Tatzeit Leiter der Abteilung II zur Bekämpfung der „feindlichen Emigration“ im Hauptsitz des SDS der SRH in Zagreb und führte als solcher den Informanten K. P. Der Angeklagte Z. M. war der politische Leiter des SDS der SRH und damit einer der Vorgesetzten des Angeklagten P.

II. Mit am 23. Mai 2014 eingegangener Anklageschrift vom 15. Mai 2014 hat der Generalbundesanwalt dem Angeklagten J. P. Beihilfe zum Mord an S. D. zur Last gelegt. Der Senat hat diese Anklageschrift mit Eröffnungsbeschluss vom 15. Juli 2015 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Zugleich hat er einen rechtlichen Hinweis erteilt, dass auch eine Verurteilung wegen gemeinschaftlichen Mordes in Betracht komme.

III. Mit am 22. Juli 2014 eingegangener Anklageschrift vom 15. Juli 2014 hat der Generalbundesanwalt dem Angeklagten Z. M. ebenfalls Beihilfe zum Mord an S. D. zur Last gelegt. Der Senat hat diese Anklageschrift mit Eröffnungsbeschluss vom 1. September 2014 zugelassen und denselben rechtlichen Hinweis erteilt. Zugleich hat der Senat beide Verfahren gem. §§ 3, 4 Abs. 1 StPO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

IV. Weitere rechtliche Hinweise wurden im Verlauf der Hauptverhandlung erteilt.

V. Der Angeklagte J. P. befand sich zunächst vom 1. bis 3. Januar 2014 in Kroatien in Auslieferungshaft und wurde aufgrund Beschlusses des Landgerichts Zagreb vom 8. Januar 2014 am 24. Januar 2014 von Kroatien nach Deutschland ausgeliefert. Seitdem befindet er sich ununterbrochen in Untersuchungshaft.

VI. Der Angeklagte Z. M. befand sich vom 1. bis 7. Januar 2014 in Kroatien in Auslieferungshaft und wurde aufgrund Beschlusses des Bezirksgerichts Varazdin vom 27. März 2014 am 27. April 2014 von Kroatien nach Deutschland ausgeliefert. Seitdem befindet er sich ununterbrochen in Untersuchungshaft.

VII. Dem Urteil ist keine Verständigung vorausgegangen.

VIII. Die relativ lange Dauer des Verfahrens beruhte vor allem darauf, dass eine Vielzahl von ausländischen, teilweise hochbetagten Zeugen vernommen wurde, wobei oftmals erst nach einer erfolglosen Ladung nach München Videovernehmungen mit Kroatien, Slowenien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Italien erfolgen konnten.

B. Geschichte und verfassungsmäßige Ordnung Jugoslawiens

I. Rahmendaten der Geschichte und der staatlichen Organisation der SFRJ.

1. Allgemeines

Die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (SFRJ) existierte zwischen 1945 und 1991. Das Land bestand aus sechs Teilrepubliken: Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro und Mazedonien. Innerhalb von Serbien gab es neben dem eigentlichen Kerngebiet zwei Provinzen mit wechselndem, zuletzt teilautonomen Status, Vojvodina und Kosovo.

Die Bevölkerung Jugoslawiens untergliederte sich in unterschiedliche Volksgruppen, die serbokroatisch sprechenden Serben, Kroaten und Bosniaken, die vornehmlich in den Teilrepubliken Serbien, Kroatien und Bosnien und Herzegowina leben, die slowenisch sprechenden Slowenen, die ganz überwiegend in Slowenien leben, die albanisch sprechenden Albaner, die vorwiegend in Südserbien mit dem Kosovo und in Mazedonien leben, und die mazedonisch sprechenden Mazedonier, die ganz überwiegend in der Teilrepublik Mazedonien leben. Weitere kleinere ethnische Gruppen (z.B. Roma und Ungarn) verteilen sich über das Staatsgebiet.

2. Der Einparteiencharakter der SFRJ

Die SFRJ war seit ihrer Gründung ein Einparteienstaat, der sich wie die übrigen „Volksrepubliken“ in Osteuropa durch eine enge Verflechtung der regierenden Partei mit den staatlichen Institutionen auszeichnete. Entsprechend kannte das Land auch keine freien Wahlen im westlichen Sinne. Die herrschende Partei nannte sich „Bund der Kommunisten Jugoslawiens“ (SKJ). Ausweislich der Präambel der Bundesverfassung von 1974 oblag alle Macht der Arbeiterklasse, als deren einzig legitime Vertreterin die kommunistische Partei galt.

Von der Gründung der SFRJ bis zu seinem Tod im Mai 1980 war Staatspräsident Josip Broz Tito der unbestrittene politische Führer des Landes. Nach dessen Tod wurde Jugoslawien bis zu seinem Zerfall in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts von einer kollektiven Präsidentschaft geführt.

Das vollständige Machtmonopol des SKJ kam darin zum Ausdruck, dass kein politisches Amt im Staat von einer Person bekleidet werden konnte, die nicht Parteimitglied war. Die Parteistruktur spiegelte die föderale Staatsstruktur wider. In jeder Teilrepublik und jeder autonomen Provinz gab es einen eigenständigen Bund der Kommunisten (Serbiens, Kroatiens, Sloweniens etc.). Diese wählten die Mitglieder des Zentralkomitees des Bundes, das seinerseits die Mitglieder der Präsidentschaft des SKJ wählte. Deren Präsident war bis zu seinem Tod Josip Broz Tito. Auch auf der Ebene der Teilrepubliken bestanden Zentralkomitees mit vergleichbaren Strukturen.

Ungeachtet des Einparteiencharakters des Staates bestand eine noch vor dem Tod Titos in einen Machtkampf ausartende Rivalität zwischen den Teilrepubliken und dem Zentralstaat. Zentralisten, die die zunehmende Eigenständigkeit der Teilrepubliken bekämpften, standen so genannten Liberalen gegenüber, die die eigenständigen Kompetenzen der Teilrepubliken bewahren und ggf. ausweiten wollten. Während erstere primär Loyalität zum Bundesstaat reklamierten, schätzten letztere vorrangig die Loyalität der jeweiligen Teilrepublik gegenüber.

3. Liberalisierungstendenzen während der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts

In den vierziger und fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde mit stalinistischen Methoden die massive Repression insbesondere der partikularnationalistischen Strömungen fortgesetzt, auch nachdem sich Jugoslawien dem unmittelbaren Einfluss der Sowjetunion Anfang der fünfziger Jahre des verflossenen Jahrhunderts entzogen hatte. Im Laufe der sechziger Jahre dieses Jahrhunderts gestattete das Regime eine gewisse Liberalisierung, die in dem Sturz des früheren Bundessekretärs für Innere Angelegenheiten und späteren Vizepräsidenten Jugoslawiens Aleksandar Rankovic im Jahr 1966 und der nachfolgend darzustellenden Umbenennung der Geheimpolizei ihren Ausdruck fand.

4. Entwicklung der Organisation der inneren Sicherheit

Fast seit der Gründung der SFRJ 1945 waren die Ministerien für innere Angelegenheiten des Bundes und der Republiken verantwortlich für die öffentliche und staatliche Sicherheit. Wie alle Ministerien in Jugoslawien und dessen Teilrepubliken wurden sie als Sekretariate für Innere Angelegenheiten bezeichnet. Der Minister führte entsprechend den Titel Sekretär, seine Stellvertreter den Titel Untersekretär.

Das Bundessekretariat für Innere Angelegenheiten war in zwei von Untersekretären geleitete Hauptabteilungen untergliedert, eine für den öffentlichen Sicherheitsdienst, der am ehesten der Polizei im westlichen Sinne entspricht, und eine andere für den staatlichen Sicherheitsdienst, vergleichbar etwa dem Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Die politische Leitung oblag dem Sekretär, die operative Leitung den beiden Untersekretären. Gleichwohl übten auch die Untersekretäre eine politische Funktion aus, zumal sie Mitglieder des SKJ waren. Eine vergleichbare Struktur fand sich auf der Ebene der Teilrepubliken.

Der Staatssicherheitsdienst erfuhr in der sozialistischen Epoche mehrere Umbenennungen. Von Mai 1944 bis März 1946 bestand er als Abteilung für den Schutz des Volkes (Odeljenje za zastitu naroda [OZN-a]), danach bis Mitte 1966 wurde er als Verwaltung der Staatssicherheit bezeichnet (Uprava drzavne bezbednosti). Die daraus gebildete Abkürzung UdBA war und blieb in der Umgangssprache die Bezeichnung für den kommunistisch dominierten Staatssicherheitsdienst bis heute. 1966 wurde der Dienst erneut umgenannt in Bundessicherheitsdienst (Sluzba drzavne bezbednosti [SDB]) und auch umstrukturiert. In Kroatien trug er nunmehr den kroatischen Namen Sluzba drzavne sigurnosti (SDS) (Staatssicherheitsdienst). Die Umstrukturierung beendete die zentralistische Struktur des Dienstes, die zu der von der Staatsgründung an vorgesehenen föderalen Struktur des Landes im Widerspruch stand. Im Zusammenhang mit dieser Umstrukturierung standen weitere Reformen, die eine begrenzte Liberalisierung und eine zunehmende Stärkung der Eigenständigkeit der Teilrepubliken zum Gegenstand hatten.

Der weiterhin auch auf Bundesebene bestehende und beim Bundessekretariat für Innere Angelegenheiten (Savezni Sekretariat unutrasnjih poslova [SSUP]) angesiedelte Staatssicherheitsdienst SDB blieb zuständig für Angelegenheiten, die von ihrem Charakter und ihrer Bedeutung für die Sicherheit des Landes her einer Ausführung auf der Ebene des Bundes bedurften. Konkret festzustellen ist dies für die Spionageabwehr, für den physischen Schutz der Bundesorgane und bestimmter Personen sowie für die Überwachung ausländischer diplomatischer Vertretungen. Der Bundessekretär des Inneren konnte außerdem die Richtlinien für die Arbeit der Staatssicherheitsdienste in den Teilrepubliken festlegen, wenn diese Arbeit von besonderer Bedeutung war. Vorwiegend war das Bundessekretariat des Inneren E. L.end, koordinierend und überwachend in die Arbeit der Staatssicherheitsdienste der Teilrepubliken involviert.

Hinsichtlich der Abgrenzung der Aufgaben der Staatssicherheitsdienste der Teilrepubliken gegenüber den Bundeszuständigkeiten bestanden noch 1970 zwischen den einzelnen Teilrepubliken Meinungsverschiedenheiten. Postuliert und wohl auch umgesetzt wurde die „materielle Verpflichtung“ des Bundes zur „Bekämpfung der Aktivitäten des äußeren Feindes“ zumindest teilweise. 1971 kam es zu einer Klarstellung, wonach der Bundesstaatssicherheitsdienst zuständig blieb insbesondere für die koordinierende Arbeit in Verbindung mit der Sabotage- und Terroraktivität des feindlichen Teils der Emigration sowie auch mit der subversivpolitischen Aktivität dieser Emigration, die auf dem Territorium mehrerer Teilrepubliken stattfinden sollte. Ausdrücklich dem Bundesstaatssicherheitsdienst vorbehalten blieb auch die Entscheidung über Aktionen des Dienstes im Ausland.

5. Der „kroatische Frühling.“

Der „Kroatische Frühling“ (Hrvatsko proljece) war eine politische Reformbewegung in den späten 1960ern und den frühen 1970ern, die für Kroatien mehr Rechte und Autonomie in Jugoslawien forderte. Von politischen Gegnern wurde er als maspok (masovni pokret; zu dt. Massenbewegung) bezeichnet.

Die Ereignisse kamen in Gang, als im März 1967 zahlreiche kroatische Literaten und Linguisten sowie der kroatische PEN-Club eine Deklaration über die Bezeichnung und Stellung der kroatischen Schriftsprache veröffentlichten. Aus dieser Deklaration entwickelte sich eine kroatische Nationalbewegung, die zunächst vor allem von Intellektuellen getragen und von vielen Studentenorganisationen unterstützt wurde. Ihrer Bezeichnung nach war diese Bewegung eine „Massenbewegung“, die unter nationalen Vorzeichen und unter weitgehender Beibehaltung sozialistischer Rhetorik die Interessen der SRH durchzusetzen suchte.

Zuerst richteten sich die Forderungen gegen den jugoslawischen „Unitarismus“. Gefordert wurde die Respektierung der kroatischen Tradition und Eigenständigkeit. Später wurde auch die Wiederherstellung der kroatischen staatlichen Selbständigkeit gefordert.

Zu den Hauptforderungen des „kroatischen Frühlings“ zählten Bürgerrechte für kroatische Bürger, besonders das Recht auf eine eigene kroatische Nationalität sowie der Gebrauch der heutigen kroatischen Staatsflagge.

1971 wurden Demonstrationen organisiert, bei denen Tausende von Studenten in Zagreb öffentlich für ihre Ziele eintraten, insbesondere für eine weitgehendere Unabhängigkeit des kroatischen Staates von der SFRJ. Im November blockierten Zagreber Studenten die Universität und riefen zum Generalstreik auf.

Insbesondere die in Kroatien lebende serbische nationale Minderheit fürchtete schon damals um ihre Rechte.

Auf Titos Intervention hin wurde die Parteiführung des Kommunisten-Bundes in Zagreb im Dezember 1971 abgesetzt und mit der Unterdrückung der „Massenbewegung“ begonnen.

Zahlreiche Anführer wurden inhaftiert, misshandelt und vom damaligen jugoslawischen kommunistischen Regime wegen verbaler Delikte zu jahrelangen Gefängnisstrafen verurteilt.

6. Die Verfassungsreform von 1974

Möglicherweise auch als Reaktion auf den „kroatischen Frühling“ wurde die Dezen tralisierung des jugoslawischen Staats mit der Verkündung einer neuen Verfassung der SFRJ im Februar 1974 weiter entwickelt. Zeitgleich wurde auch eine neue Verfassung der SRH verabschiedet. Die Teilrepubliken und die zwei autonomen Provinzen gewannen in allen Bereichen eine immer größer werdende Autonomie. Der Übernahme von Kompetenzen durch die Teilrepubliken entsprach eine Abwertung der Organe des Bundesstaates zu Koordinations- und Dokumentationsstellen. Die so beschriebene Entwicklung setzte sich auch nach Juli 1983 bis zum endgültigen Zusammenbruch Jugoslawiens in den Zerfallskriegen Anfang der Neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts fort. Bis zum Tod Titos hatten die Dezentralisierungstendenzen keine Auswirkung auf seine zentrale Funktion als letztentscheidender Faktor. Auch war mit der Dezentralisierung gerade kein Abbau des Machtmonopols des SKJ verbunden. Freilich entwickelten sich auch innerhalb des SKJ partikulare Strukturen, die die föderale Struktur des Gesamtstaates wiederspiegelten.

Die Bundesverfassung von 1974 war das wichtigste Rechtsinstrument Jugoslawiens. Parallel dazu gab es Verfassungen der Teilrepubliken, die ausschlaggebend für die jeweiligen Staatssicherheitsdienste der Teilrepubliken waren. Auf Bundesebene waren die drei wichtigsten Staatsorgane die Bundespräsidentschaft, die Bundesversammlung (eine Art Parlament) und der Bundesexekutivrat (die eigentliche Bundesregierung). Das Präsidentenamt der Bundespräsidentschaft war das höchste Amt im Staat, das zugleich den Oberbefehl über die Streitkräfte beinhaltete. Bis zu seinem Tod bekleidete Tito dieses Amt. Danach rotierte der Vorsitz in der Präsidentschaft jährlich. Darin wechselten sich die Vertreter der Teilrepubliken ab. Ausdrücklich war nach der Verfassung die Präsidentschaft beauftragt, die Lage im Land und im Ausland zu beobachten, um die verfassungsmäßige Ordnung bzw. synonym hierzu die Staatssicherheit zu schützen. Die Arbeit der Präsidentschaft war durch eine Geschäftsordnung geregelt. Ab Ende 1980 bediente sich die Präsidentschaft auch sogenannter „Dienste der Präsidentschaft“, die fachkundige und andere Angelegenheiten für die Präsidentschaft ausführen konnten, darunter auch analytische Aufgaben in Verbindung mit der Staatssicherheit. Zu den Aufgaben des Bundesstaates und seiner Organe rechneten auch der Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung und „die Koordination dieser Arbeit“.

Der Bundespräsidentschaft war ein Bundesrat zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung beigeordnet. Dieser sollte die für die Staatssicherheit zuständigen Organe kontrollieren und politisch leiten. Die Mitglieder dieses Bundesrats wurden von der Präsidentschaft bestimmt. Neben dem Vorsitzenden des Bundesexekutivrats und dem Bundessekretär für Innere Angelegenheiten waren immer auch der Sekretär für Äußere Angelegenheiten und der Sekretär für Volksverteidigung kraft Amtes Mitglied dieses Rats. Der Bundesexekutivrat, die Präsidentschaft des Bundes, aber auch die Präsidenten der Teilrepubliken konnten den Bundesrat zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung beauftragen, bestimmte Aufgaben auszuführen, um die Arbeit der Bundesorgane im Bereich der Staatssicherheit in Einklang zu bringen.

Das Bundessekretariat für Innere Angelegenheiten (SSUP) war das höchste Organ der Polizei und der zivilen Staatssicherheit. Sein Kompetenzbereich wurde vom Bundesexekutivrat bestimmt. Das SSUP wiederum konnte Befehle an die Staatssicherheitsdienste der Teilrepubliken und der autonomen Provinzen erteilen, die diese auszuführen hatten. Ferner hatten die Staatssicherheitsdienste der Teilrepubliken das SSUP laufend und rechtzeitig über alle Ereignisse, Erscheinungen und Erkenntnisse von Bedeutung für die Sicherheit der SFRJ zu informieren.

Freilich begannen die Staatssicherheitsdienste der Teilrepubliken und autonomen Provinzen im Lauf der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Befehle des SDB zu ignorieren.

Sekretär des SSUP, mithin Bundesinnenminister, war von Mai 1982 bis Mai 1984 der aus Slowenien stammende S. Do.

Die Teilrepubliken und autonomen Provinzen waren für den rechtmäßigen Schutz der Staatssicherheit auf ihren Territorien in Zusammenarbeit mit dem Bundesstaatssicherheitsdienst selbst verantwortlich Eine Einbindung des SSUP war nur dann vorgesehen, wenn es der Koordination mit anderen Teilrepubliken bedurfte oder außenpolitische Konsequenzen in Betracht kamen.

7. Zum Grundsatz der Gesetzlichkeit staatlichen Handelns in der SFRJ

Formal galt in der SFRJ - nicht anders als in modernen westlichen Demokratien - die Allgemeingültigkeit von Gesetzen, denen auch die staatlichen Organe unterworfen waren. Die Staatssicherheitsdienste Jugoslawiens trugen diesem Grundsatz freilich nur in eingeschränktem Umfang Rechnung. Selbst in den Unterrichtsmaterialien zur Ausbildung operativer Mitarbeiter finden sich neben dem Hinweis auf das Verbot gesetzeswidriger Tätigkeiten Darlegungen zu geheimen Durchsuchungen von Personen, Dingen und Räumen ohne den von Gesetzes und Verfassungs wegen hierfür erforderlichen richterlichen Durchsuchungsbeschluss, verbunden mit dem Hinweis auf das Erfordernis gründlicher Planung und Vorbereitung, da im Fall der Entdeckung mit der Einleitung von Strafverfahren gegen die beteiligten Personen und Komplikationen im Bereich der internationalen Beziehungen zu rechnen sei. Die nicht ausdrücklich als Maßnahme der Bekämpfung der feindlichen Emigration genannte Möglichkeit der Liquidierung von feindlichen Emigranten war ebenfalls als gesetzeswidrige Maßnahme angesehen worden.

Vorrang vor dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit hatte danach für die jugoslawischen Staatssicherheitsdienste faktisch die Erfüllung ihrer Aufgabe, die darin gesehen wurde, in einem Quasi-Kriegszustand echte oder eingebildete Feinde der sozialistischen Ordnung möglichst effektiv zu bekämpfen.

8. Die wirtschaftliche Situation der SFRJ zu Beginn der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts

Die jugoslawische Volkswirtschaft war durch den sogenannten Selbstverwaltungs-Sozialismus gekennzeichnet. Nach der bis 1948 erfolgten Verstaatlichung der Unternehmen erzwang der Bruch mit der Sowjetunion einen eigenständigen Weg der SFRJ in der Wirtschaft, der in der Einführung betrieblicher Arbeiterräte bestand. Diese hatten das Recht, die Geschäftsleitung des betroffenen Unternehmens zu wählen und innerhalb eines vorgegebenen Rahmens über Investitionen, Löhne und auch die Produktionsplanung zu entscheiden. Die Arbeiterselbstverwaltung führte im Verlaufe der Zeit zu einer überwiegend kreditfinanzierten industriellen Überkapazität verbunden mit nur begrenzt exportfähigen Produktionen. Anfang der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts begann das System zu kollabieren. Die SFRJ stand vor dem Staatsbankrott.

Teil der selbstverwalteten Wirtschaft war die kroatische Firma INA (Industrija nafte), die 1964 aus der Verschmelzung von Naftalin Zagreb mit den Raffinerien in Rijeka und in Sisak hervorging und in der in den folgenden Jahren weitere (kroatische) Unternehmen aus dem Bereich der Petrochemie aufgingen. 1983 handelte es sich bei dem INA-Kombinat oder der „Zusammengesetzten Organisation der vereinigten Arbeit“ der INA um eines der größten Wirtschaftsunternehmen der SFRJ. S. D. war dort bis zu seiner Flucht im leitenden Management beschäftigt.

In Folge des Ausbruchs des Krieges zwischen den erdölexportierenden Ländern Irak und Iran im Lauf des Jahres 1979 kam es weltweit zu einem drastischen Anstieg der Rohölpreise, landläufig hierzulande auch als zweite Ölkrise bekannt.

Jugoslawiens Volkswirtschaft war spätestens seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts vom Import von Rohöl bzw. Rohölderivaten abhängig, der für die Energieversorgung des Landes unerlässlich war. Eine herausragende Rolle bei der Generierung von Deviseneinnahmen, mit denen wiederum Rohöl und Rohölderivate finanziert werden mussten, spielte der Tourismus (wobei Touristen westdeutscher Herkunft einen wichtigen Anteil stellten), für dessen Organisation eine geregelte Treibstoffversorgung gewährleistet werden musste. Weitere Devisen erwirtschaftete die Volkswirtschaft durch den Export von Nahrungsmitteln, Haushaltsgeräten und Rüstungsgütern sowie unmittelbar und mittelbar durch die Entsendung von Gastarbeitern in die Industrienationen Westeuropas, insbesondere auch nach Westdeutschland. Die Handelsbilanz des Landes wies freilich strukturell grundsätzlich einen Überschuss von Importen gegenüber den Exporten aus. Das Land nutzte zum Ausgleich ausländische Kredite und hierfür auch politisch motivierte Bürgschaften wie beispielsweise die von der Bundesrepublik Deutschland bereit gestellten Hermesbürgschaften.

Der durch den Anstieg der Rohölpreise erheblich verschärfte Devisenmangel Anfang der Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Folge der zweiten Ölkrise führte in Jugoslawien zu schweren wirtschaftlichen Problemen, die im Verlust der Kaufkraft des jugoslawischen Dinar und im Anstieg der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Jugendarbeitslosigkeit, ihren Ausdruck fanden.

9. Unruhen im Kosovo

Im Lauf des Jahres 1980 brachen im Kosovo politische Unruhen aus, da sich die dortige albanische Bevölkerung gegen serbische Bevormundungen zur Wehr setzte und auf mehr politische Eigenständigkeit pochte. Die zunächst friedlichen Demonstrationen dauerten über 1983 hinaus an. Sie wurden von der jugoslawischen Staatsspitze als Infragestellung der Integrität Jugoslawiens wahrgenommen und entsprechend bekämpft. Angesichts der ohnehin problematischen wirtschaftlichen Situation des Landes stellten sie den nach außen hin sichtbarsten Umstand der schweren Staatskrise dar, der letztlich zum Auseinanderfallen Jugoslawiens führen sollte.

II. Die Organisation der Sicherheitsbehörden im Einzelnen

1. Der Aufbau des Bundessekretariats für Innere Angelegenheiten nach der Verfassungsreform Der SDB im SSUP untergliederte sich im Wesentlichen in folgende Abteilungen:

– Erste Verwaltung: Ausländische Nachrichtendienste

– Zweite Verwaltung: Feindliche Emigration

– Dritte Verwaltung: Innerer Feind

– Vierte Verwaltung: Übersetzungsarbeit

– Fünfte Verwaltung: Forschung, Analyse und Berichterstattung

– Siebte Verwaltung: Abwehrschutz von Bundesorganen und -organisationen

– Achte Verwaltung: Informatik

– Neunte Verwaltung: Operative Technik

– Zehnte Verwaltung: Überwachung von ausländischen diplomatischen und konsularischen Vertretungen in Belgrad

– Elfte Verwaltung: Geheime Verfolgung und Beobachtung

– Zwölfte Verwaltung: Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten

– Dreizehnte Verwaltung: Unabhängige Verwaltung - allgemeine Angelegenheiten

Die Arbeitsweise des SDB war nicht in förmlichen Gesetzen geregelt, sondern in spezifischen Dienstvorschriften, die als Staatsgeheimnis eingestuft waren. Diese Dienstvorschriften hatten auch Bindungswirkung für die Staatssicherheitsdienste in den Teilrepubliken und in den autonomen Provinzen.

Grundsätzlich wurde die Arbeit des SDB über den Bundeshaushalt finanziert. Daneben bediente sich dieser aber auch sogenannter schwarzer Kassen.

2. Weitere Nachrichtendienste auf Bundesebene mit Bezug zur „feindlichen Emigration.“

Neben dem SDB gab es weitere Sicherheitsdienste auf Bundesebene, die sich ebenfalls mit der so genannten „feindlichen Emigration“ befassten, insbesondere den dem Verteidigungsministerium unterstehenden unter der Bezeichnung Kontraobavjestajnu sluzbu (= KOS) bekannten militärischen Nachrichtendienst, die davon unabhängige II. Verwaltung des Generalstabs der Jugoslawischen Volksarmee (Jugoslovenska Narodna Armija [= JNA]) und den dem Außenministerium unterstehenden SID (Sluzba za IstravzI.je i Dokumentaciju [= SID]). Hierzu im Einzelnen:

Das jugoslawische Sekretariat für Volksverteidigung (Sekretarijat za Narodnu obranu [SSNO]) besaß eine Sicherheitsadministration und einen Abwehrdienst (im Folgenden KOS, da dies die umgangssprachliche Bezeichnung blieb, auch nachdem der Dienst umbenannt worden war). Daneben war im Generalstab der jugoslawischen Volksarmee die zweite Verwaltung angesiedelt, die ebenfalls nachrichtendienstliche Aufgaben und Kompetenzen besaß. Beide militärischen Sicherheitsdienste waren zuständig für alle Sicherheitsfragen, die direkt mit der JNA und mit militärischer Sicherheit zu tun hatten. Das betraf vor allem den Schutz militärischer Geheimnisse und Anlagen sowie den Schutz des militärischen Personalbestandes. Die gesetzlichen Befugnisse der Dienste bezogen sich auf Mitarbeiter des Militärs, also neben dessen Mitgliedern auch auf zivile Mitarbeiter des Militärs. Die Emigration war für diese Dienste dann von Belang, wenn sie terroristische Aktionen gegen Einrichtungen des Militärs in Jugoslawien vorbereitete, und dann, wenn seitens der Emigration der Versuch unternommen wurde, Mitarbeiter des Militärs für solche Zwecke zu rekrutieren. Bei den Diensten bestand die Überzeugung, dass die Emigranten in NATO-Ländern vom westlichen Militärbündnis militärisch organisiert wurden, um sie in einem befürchteten Krieg gegen Jugoslawien einsetzen zu können.

Zumindest der KOS unterhielt ein eigenes Netz von Mitarbeitern und inoffiziellen Mitarbeitern im Ausland. Diese konnten militärische Vertreter in den Konsulaten und Botschaften Jugoslawiens sein, aber auch andere jugoslawische Staatsangehörige, die vom KOS rekrutiert wurden. Der KOS beobachtete und analysierte die Emigrantenszene. Ziel war dabei immer, die Tätigkeit der Emigranten im Heer zu verhindern. Grundsätzlich galt, dass die militärischen Dienste alleine nicht gegen Zivilisten ermitteln oder Maßnahmen gegen sie ergreifen durften. Umgekehrt durften die Staatssicherheitsdienste nicht allein gegen Militärangehörige bzw. zivile Mitarbeiter des Militärs ermitteln oder Maßnahmen gegen sie ergreifen.

Das Bundessekretariat für Äußere Angelegenheiten unterhielt einen eigenen Nachrichtendienst, der als Dienst für Forschung und Dokumentation (= SID) bezeichnet wurde. Wie der KOS war der SID in die Arbeit gegen die feindliche Emigration eingebunden und arbeitete deswegen mit dem SDB zusammen. Auch der SID warb eigene informelle Mitarbeiter unter den Emigranten an. Alle Erkenntnisse über die feindliche Tätigkeit mussten an den SDB weiter geleitet werden.

Da neben den zivilen Staatssicherheitsdiensten auch KOS und SID im Ausland operativ tätig wurden und sich der Aufdeckung, Unterdrückung und Deaktivierung der Tätigkeit der feindlichen Emigration widmeten, bestand ein Bedürfnis zu besserer Zusammenarbeit und Koordination. Dem trugen entsprechende Dienstanweisungen Rechnung. Nach den Vorschriften waren die Staatssicherheitsdienste der Teilrepubliken nur dann befugt, mit dem KOS oder dem SID in Verbindung zu treten, wenn das SSUP bzw. der SDB derlei Kontakte bzw. die entsprechende Zusammenarbeit genehmigt hatte. Auch der Informationsaustausch lief über das SSUP.

3. Das Verhältnis des Staatssicherheitsdienstes zur allgemeinen Polizei

Sowohl auf der Ebene des Bundes als auch auf der Ebene der Teilrepubliken unterstanden dem Sekretariat für Innere Angelegenheiten sowohl der Staatssicherheitsdienst als auch der öffentliche Sicherheitsdienst, der die klassischen Polizeiaufgaben zu erfüllen hatte. Organisatorisch bestand insoweit Parität. In der Praxis jedoch war der Staatssicherheitsdienst dem öffentlichen Sicherheitsdienst überlegen, zumal er auf alle Unterlagen und Erkenntnisse des öffentlichen Sicherheitsdienstes zugreifen konnte, während umgekehrt der Polizei nur ein partieller und streng begrenzter Zugang zu den Unterlagen und Dateien des Staatssicherheitsdienstes ermöglicht wurde, wenn ein begründeter Informationsbedarf dargetan war.

4. Zur Verfassungs- und Verwaltungsstruktur der SRH

Wie jede Teilrepublik hatte auch Kroatien eine eigene Verfassung und eine eigene Verwaltungsstruktur. Die höchsten Gremien waren danach die Präsidentschaft, das in drei Kammern gegliederte Parlament, das in Kroatien auch heute noch Sabor genannt wird, und der Exekutivrat, der die Regierungsaufgaben wahrnahm.

Der Exekutivrat war in Sekretariate aufgeteilt, wobei die Sekretäre vom Sabor jeweils auf vier Jahre gewählt wurden. Der Sekretär für Innere Angelegenheiten hatte sich vor dem Exekutivrat für die Arbeit des SDS zu verantworten. Der Stellvertreter des Sekretärs, in der jugoslawischen Nomenklatur Untersekretär genannt, wurde von der gesellschaftspolitischen Kammer des Parlaments ernannt, wobei ungeachtet der eigenwilligen Bezeichnung die Stelle des Untersekretärs ausdrücklich als Führungsposition bezeichnet wurde. Sein Aufgabenbereich wurde folgendermaßen definiert: Der Untersekretär „hilft dem republikanischen Sekretariat bei der Verwaltung bestimmter Bereiche der Arbeit, führt die in den Vorschriften angewiesenen Aufgaben aus, die mit dem Betrieb und der inneren Organisation des Organs zu tun haben, und führt auch andere Aufgaben aus, mit welchen ihn der Sekretär betraut“.

Von 1980 bis 1989 war einer der beiden Untersekretäre des kroatischen Sekretariats für Innere Angelegenheiten zugleich der Leiter des kroatischen Sicherheitsdienstes.

Das Amt des Sekretärs für Innere Angelegenheiten der SRH bekleideten von 1979 bis 1982 Zlatko Uzelac, von 1982 bis 1983 P. G. und von 1983 bis 1990 Vilim Mulc. Das Amt des für die Leitung des SDS zuständigen Untersekretärs bekleideten von 1979 bis 1982 Vinko Bilic, von 1982 bis 1986 der Angeklagte Z. M. und von 1986 bis 1990 Djuro Pesut. Als Hilfssekretär für den SDS und damit faktisch dessen administrativer Leiter fungierten von 1979 bis 1985 S. S. und danach der Angeklagte J. P. bis 1990.

Der SDS Kroatiens war ähnlich wie der SDB in mehrere Abteilungen untergliedert, wobei diese Abteilungen, soweit die Aufgaben sich mit denen der Abteilung auf Bundesebene deckten, mit diesen im damaligen Verwaltungsjargon „entlang der Linie“ kommunizierten.

Gemäß einer Dienstvorschrift über die interne Organisation und Systematisierung des SDS von 1977 handelte es sich um folgende Abteilungen:

1. Abteilung für die Bearbeitung des inneren Feindes

2. Abteilung für die Bearbeitung der feindlichen Emigration

3. Abteilung für die Bearbeitung von ausländischen Nachrichtendiensten

4. Abteilung für die Angelegenheiten der operativen Technik

5. Abteilung für die Angelegenheiten der Akten, Statistik und Dokumentation

6. Abteilung für die Angelegenheiten des Personenschutzes und des Gebäudeschutzes

7. Abteilung für Analyse (bestand nur bis 1980)

8. Unabhängige Sektion für Verteidigungsvorbereitungen

Der kroatische SDS - gleiches gilt zumindest für die Staatssicherheitsdienste von Slowenien und Bosnien und Herzegowina - bestand neben einem zentralen Hauptsitz in der Republikhauptstadt aus regionalen Zentren, die geographisch abgegrenzt für Teilgebiete der Republik zuständig waren. Diese wiederum waren in vier Gruppen aufgeteilt:

Dabei handelte es sich in der SRH um

1. Gruppe: Zentrum Zagreb

2. Gruppe: Zentren Osijek, Split und Rijeka

3. Gruppe: Zentren Pula, Karlovac, Bjelovar und Varazdin

4. Gruppe: Zentren Sisak und Gospic

Auch innerhalb der Zentren gab es gesonderte Abteilungen, insbesondere eine Abteilung 2 für die Bearbeitung der feindlichen Emigration, weshalb die Zentren untereinander und mit dem Hauptsitz in Zagreb entlang der entsprechenden Linie kommunizierten.

Die Arbeit des SDS wurde von einem Rat zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung, einem Gremium, das der Präsidentschaft der SRH beigeordnet war, kontrolliert. Mitglieder des Rates waren von der Präsidentschaft bestimmte Präsidentschaftsmitglieder, der Präsident des Exekutivrats, der Kommandant des Stabs der territorialen Verteidigung, der Präsident der gesellschaftspolitischen Kammer des Sabors und der Sekretär für Innere Angelegenheiten. Von etwa 1978 bis etwa 1988 war Sekretär des Rats zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der Zeuge V. M. Zu den Sitzungen des Rats, die anlassbezogen und turnusgemäß einmal pro Monat stattfinden sollten, konnten auch weitere Personen eingeladen werden. So hat der Angeklagte M. während seiner Amtszeit als Untersekretär im Sekretariat für Innere Angelegenheiten der SRH wiederholt an solchen Sitzungen teilgenommen, ohne selbst Mitglied des Rates gewesen zu sein.

C. Die Situation der kroatischen Emigration

I. Geschichte und innere Struktur der kroatischen Emigration

Mit der Entstehung und Stabilisierung des sozialistischen Jugoslawiens entstand auch eine Szene der politischen Emigration, also von Personen, die Jugoslawien verließen oder dorthin nicht zurückkehrten, weil sie zum herrschenden Regime in Opposition standen. Davon zu trennen sind die ab den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts immer zahlreicher ins westliche Ausland kommenden Gastarbeiter, die - unabhängig von ihrer persönlichen politischen Überzeugung - den Aufenthalt im Ausland mit Duldung und Billigung der jugoslawischen Behörden aus wirtschaftlichen Motiven wählten. Die kroatische Emigrantenszene entwickelte sich dabei in drei voneinander unterscheidbaren Phasen:

1. Erste Phase

Die erste Phase ist gekennzeichnet durch die militärische Niederlage des Dritten Reiches und der mit ihm kollaborierenden Regime, auch und gerade in Kroatien. Die meisten Personen, die unmittelbar im Zusammenhang mit dem militärischen Zusammenbruch der Achsenmächte Kroatien verließen, waren Funktionäre des kroatischen Kollaborationsregimes, Anhänger der faschistischen Ustascha-Organisation und Angehörige der Streitkräfte des nominal unabhängigen Kroatien bzw. deren Familienangehörige. Jugoslawische Schätzungen gehen von insgesamt 120.000 Personen aus, die im Zusammenhang mit der sozialistischen Staatsgründung das Land verließen. Im Frühjahr 1946 befanden sich in Italien und Österreich nach Schätzungen der historischen Wissenschaft 16.000 solcher Personen. Mehreren hundert dieser Personen gelang es, Europa gänzlich zu verlassen. Es bildeten sich Diaspora Gemeinden in den USA, Kanada, Argentinien und Australien. Der größere Teil dieser Personengruppe wurde in den Jahren 1947/1948 unter Organisation der Internationalen Flüchtlingsorganisation aber in Österreich und Deutschland sesshaft. Dabei konzentrierte sich deren dezidiert antikommunistische politische Tätigkeit Anfang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts insbesondere auf München, Stuttgart und West-Berlin. Die prominenteste exilkroatische Organisation zu dieser Zeit war das Kroatische Volkskomitee (auch kroatisches Nationalkomitee genannt, Hrvatski Narodni Odbor, im folgenden HNO), das von Dr. B. J.geleitet wurde. Dieser orientierte sich in seinen ordnungspolitischen Vorstellungen an der damaligen westdeutschen CDU, deren Mitglied er auch war. Die Organisation wurde in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts aus Mitteln der öffentlichen Hand von westdeutschen Behörden unterstützt.

2. Zweite Phase

Die zweite Phase umfasst die zweite Hälfte der fünfziger Jahre und die erste Hälfte der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Immer mehr Menschen aus Jugoslawien verließen das Land in Richtung Westen. Dabei handelte es sich typischerweise um Menschen im heranwachsenden Alter, die in der SFRJ keine ausreichende Lebensperspektive sahen bzw. die aus Familien stammten, die Gewalt, Willkür und anderen Repressionen seitens des dortigen sozialistischen Regimes ausgesetzt und die teilweise auch selbst wegen oppositioneller Betätigungen inhaftiert waren. Ein weiteres Ausreisemotiv bestand darin, dass sie die Hindernisse, die diese Personen beim Zugang zu sozioökonomischen Ressourcen erfuhren oder dies zumindest so empfanden, mit ihrer Volkszugehörigkeit in Verbindung brachten. Die politisch motivierten Flüchtlinge aus Jugoslawien hatten in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich Anspruch auf Asyl.

3. Dritte Phase

Die dritte Phase umfasst die Zeit des „kroatischen Frühlings“ und insbesondere auch die Zeit unmittelbar nach seiner Niederschlagung Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Zahlreiche Aktivisten setzten sich nach der Unterdrückung des „kroatischen Frühlings“ in den „Westen“ ab, darunter auch der Zeuge K. P.

4. Situation Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts

Zu Beginn der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hielten sich in der Bundesrepublik Deutschland neben 632.000 jugoslawischen Staatsbürgern, die mit Billigung des Heimatlandes als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen waren, etwa 10.000 Kroaten auf, die der politischen Emigration zuzurechnen waren. Daneben befanden sich etwa 4.000 Serben und 1.000 Angehörige anderer Volksgruppen in der Bundesrepublik Deutschland, die als politische Emigranten anzusehen waren.

Die Emigrantenszene hatte sich in eine Vielzahl von Gruppierungen und Grüppchen aufgeteilt, die die unterschiedlichsten politischen Strömungen verkörperten. Gemeinsam war ihnen nur die Ablehnung der aktuellen Situation Jugoslawiens. Eine genaue Zahl der Gruppierungen lässt sich nicht mehr feststellen, da eine behördliche Erfassung nicht erfolgte. Unter Beobachtung des Bundesamts für Verfassungsschutz standen zehn Emigrantenorganisationen mit insgesamt 1.600 Mitgliedern mit jugoslawischem Hintergrund (davon sieben kroatische, zwei serbische und eine kosovarische), weil diesen extremistische bzw. militante Ziele zuzuordnen waren.

1974 hatte sich für die kroatische Emigration ein Dachverband gegründet, der Kroatische Nationalrat (Hrvatsko Narodno Vijece, im folgenden HNV) mit Sitz in New York. Diesem gehörten mehrere in der Bundesrepublik Deutschland aktive Organisationen an, die Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts insgesamt 7.000 Mitglieder umfassten. Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts war der HNV in der Bundesrepublik in 40 Ortsausschüssen mit insgesamt ca. 1.000 Mitgliedern organisiert. Eine Abspaltung des HNV mit eher links orientierter, gleichwohl nationalistischer und vor allem wesentlich militanterer Programmatik nannte sich Kroatische Staatsverwirklichende Bewegung (Hrvatski Drzavotvorni Pokret [HDP]). Eine weitere namhafte Organisation waren die Vereinten Kroaten (Ujedinjeni Hrvati [UH]) mit insgesamt maximal 200 Mitgliedern. Zu erwähnen ist noch die Kroatische Revolutionäre Bruderschaft (Hrvatsko Revolucionarno Bratstvo [HRB]), die vor terroristischen Anschlägen auf dem Staatsgebiet Jugoslawiens nicht zurückschreckte.

II. Staatliche Wahrnehmung der Emigrantenszene

1. In der Bundesrepublik Deutschland

Das Verhältnis der Behörden der Bundesrepublik Deutschland zur Emigrantenszene war ambivalent. Einerseits gewährten sie den Flüchtlingen aus Jugoslawien politisches Asyl und in der Anfangszeit auch finanzielle Unterstützung für deren politischen Aktivitäten. Andererseits nahmen die Behörden die Emigrantenszene als Gefahrenquelle für die Begehung von Straftaten wahr. Soweit Anhaltspunkte für Gewaltbereitschaft einzelner Organisationen bestanden, wurden die Organisationen vom Bundesamt für Verfassungsschutz überwacht und ggf. vom Bundesinnenminister auch verboten.

Ab 1966 und vermehrt ab 1969 bemühte sich die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Entspannungspolitik um ein freundschaftliches Verhältnis zur SFRJ. Die regimefeindlichen Aktivitäten der Emigranten wurden insoweit auch von der Bundesregierung eher als Störfaktor wahrgenommen.

Festzustellen ist, dass die Emigrantenszene in den späten siebziger Jahren und den frühen achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts weder in den öffentlichen Debatten der Bundesrepublik Deutschland noch bei der Analyse der Sicherheitslage eine besondere Rolle spielte und es ihr auch immer weniger gelang, ihre Themen in Deutschland einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln. Hauptursache dafür war die Zersplitterung in viele kleine Grüppchen.

2. In Jugoslawien

Am Ende des Zweiten Weltkrieges betrachtete das im Entstehen begriffene sozialistische Jugoslawien die Überreste des faschistischen Kollaborationsregimes insbesondere in Kroatien ebenso wie die Staaten des kapitalistischen Westens als seine äußeren Feinde. Nach dem Zerwürfnis mit der Sowjetunion 1948 wurden auch die UdSSR und ihre Satellitenstaaten als Feinde Jugoslawiens wahrgenommen und befürchtet, sowohl der Westen als auch der Warschauer Pakt würden versuchen, die Emigrantenorganisationen zu mobilisieren und zu unterstützen, um Jugoslawien zu untergraben. Es wurde davon ausgegangen, dass das gemeinsame Merkmal und Ziel aller kroatischen Emigrantenorganisationen der Kampf gegen das gesellschaft lichwirtschaftliche und politische System Jugoslawiens und dessen Zerschlagung sei.

Der Staatssicherheitsdienst traf entsprechend Vorkehrungen, dieser Gefahr zu begegnen. Beim SDB wurde deshalb 1957 ein Referat zur Überwachung der Emigranten eingerichtet, wobei sich dieses mit den Emigranten, die in sozialistische Länder geflohen waren, nicht befasste. 1962 erließ Jugoslawien eine Amnestie, um zu erreichen, dass Emigranten von den extremen Kreisen der Emigration Abstand nahmen.

1970 gingen die jugoslawischen Behörden davon aus, dass es im westlichen Ausland insgesamt 230.000 Emigranten gäbe, davon die Hälfte Kroaten, deren Ziel die Schaffung eines unabhängigen kroatischen Staates war. Die jugoslawischen Staatssicherheitsdienste rekrutierten unter den Emigranten informelle Mitarbeiter und schickten auch Agenten ins Ausland mit dem Auftrag, sich der sogenannten „feindlichen Emigration“ anzuschließen. Diese Informanten sollten Informationen über illegale feindliche Organisationen in Jugoslawien, aber auch Organisationen unter den Emigranten mit der gleichen Zielsetzung beschaffen. Sie sollten über deren Aktivitäten sowie über Kooperationen und Zusammenschlüsse verschiedener Organisationen, über Auseinandersetzungen und Konflikte unter den Organisationen und innerhalb derselben, über die finanzielle und materielle Unterstützung dieser Organisationen durch offizielle Organe und Behörden, Maßnahmen der Gastländer gegen die Organisationen und deren Mitglieder und deren Reaktion hierauf berichten.

Nach Einschätzung des SDB ging die größte Bedrohung Jugoslawiens dabei von der kroatischen Emigration aus. Bestätigt und verstärkt wurde die Sorge der jugoslawischen Behörden hinsichtlich der von der kroatischen Emigration ausgehenden Bedrohung durch terroristische Aktionen auf dem Staatsgebiet Jugoslawiens bzw. im Ausland gegen staatliche jugoslawische Einrichtungen. Im Übrigen verwandten die jugoslawischen Sicherheitsbehörden gerade in Hinsicht auf die Emigrantenszene einen völlig unbestimmt weiten Terror-Begriff, der es ihnen erlaubte, zum einen alle Emigranten-Organisationen und zum anderen jede der von ihnen ausgehenden politischen Aktivitäten zu erfassen.

In welchem Umfang die Emigrantenszene in solche Anschläge tatsächlich involviert war, ist aus Sicht des Senats für das vorliegende Verfahren nicht relevant. Jedenfalls gingen die Verantwortlichen für die Staatssicherheit in Jugoslawien unter Zugrunde24 legung des oben angeführten weiten Terror-Begriffs von der Verantwortlichkeit der Exilkroaten für Terroranschläge aus. Solche fanden nach Einschätzung der jugoslawischen Staatssicherheitsbehörden praktisch ab der Staatsgründung bis jedenfalls Ende 1983 statt. Exemplarisch seien folgende genannt:

– Der bewaffnete Überfall auf die diplomatische Vertretung der SFRJ bei Bonn durch Angehörige einer Kroatischen Kreuzbruderschaft, u.a. S. B., am 29. November 1962, bei dem ein Mitarbeiter der Botschaft getötet wurde.

– Der Mordanschlag auf den Konsul der SFRJ in Stuttgart S. M. am 30. August 1966, für den F. G. vom Landgericht Stuttgart zu 8 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

– Der Überfall auf das Konsulat der SFRJ in Göteborg durch B. M. und I. V. am 10. Februar 1971, deren Freilassung nach ihrer Verurteilung durch die schwedische Justiz am 15. September 1972 durch die Entführung eines schwedischen Flugzeugs erreicht wurde.

– Im Juni 1972 drang eine bewaffnete Gruppe der Kroatischen Revolutionären Bruderschaft (HRB) auf das Staatsgebiet der SFRJ vor mit dem Ziel, dort einen Partisanenkampf gegen das Regime zu eröffnen und einen Volksaufstand zu initiieren.

– Der Überfall vom 17. August 1978 auf das Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Chicago durch B. K. und M. K. mit dem Ziel, den in Deutschland inhaftierten S. B. freizupressen.

– Am 9. August 1981 wurde im Haus des Verlegers R. S. bei Starnberg unter Beteiligung des Zeugen P. P. eine Bombe gelegt, weil S. ein Buch über Tito herausbringen wollte.

– Am 4. April 1983 und am 25. Dezember 1983 wurden in V. jeweils Sprengstoffanschläge verübt.

Insgesamt ordneten die jugoslawischen Sicherheitskräfte weit über hundert Anschläge der von ihnen so bezeichneten „Ustascha-Emigration“ zu.

Eine als Staatsgeheimnis eingestufte, von Tito unterzeichnete Direktive vom 21. Juli 1972 ging von einem „Sonderkrieg“ aus, der gegen Jugoslawien geführt werde und auf den sich das Land vorbereiten müsse. Um jeden Versuch der Emigration, Aktivitäten in Jugoslawien zu entfalten, zu unterbinden, sollten robuste Stellungen in den Emigrationsstrukturen aufgebaut werden. Insbesondere um „den intellektuellen Teil der Emigration (wollte man sich) kümmern“. Nach Einschätzung des Staatssicherheitsdienstes war das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland das wichtigste Aufmarschgebiet der feindlichen Emigration. Dort sollte durch „offensivere“ Arbeit die Unterdrückung der Aktivitäten der Emigranten erreicht und die Deaktivierung bzw. „Passivierung“ (pasiviziranje) von Emigranten-Intellektuellen als Organisatoren dieser Aktivitäten und als Inspiration terroristischer Aktionen erreicht werden.

Das gesteigerte Interesse des Staatssicherheitsdienstes für die Emigration blieb bis zum Auseinanderfallen des jugoslawischen Staates bestehen.

D. Das Vorgehen der jugoslawischen Sicherheitsorgane gegen die „feindliche Emigration.“

I. Allgemeines

1. Sowohl auf der Ebene des Bundes als auch auf der kroatischen Republikebene war - wie bereits festgestellt - in den Staatssicherheitsdiensten SDB und SDS jeweils die Abteilungen 2 für die Bekämpfung der feindlichen Emigration zuständig. Diese Abteilungen organisierten die Beobachtung der im Ausland gegen das politische System Jugoslawiens agitierenden Emigranten, wozu die Lektüre der im Ausland gefertigten Presseerzeugnisse und Flugblätter ebenso zählte wie die Installation von Spitzeln, die als Informanten für die jugoslawischen Dienste arbeiteten. Ziel dieser Observation war neben der bloßen Informationsbeschaffung auch die sogenannte Passivierung von politisch aktiven Emigranten. Die dabei eingesetzten Mittel reichten von der bloßen Kontaktaufnahme mit dem Angebot der straflosen Rückkehr ins Heimatland über die Androhung von Repressalien gegen Familienangehörige in der Heimat und nächtliche Drohanrufe bis hin zur physischen Liquidierung. Unabhängig davon schürten die jugoslawischen Behörden das gegenseitige Misstrauen der Emigranten untereinander und starteten Desinformationskampagnen.

2. Als ein Mittel im Kampf gegen die feindliche Emigration setzten die Behörden der jugoslawischen Staatssicherheit auch die gezielte Liquidierung von Emigranten im Ausland ein.

II. Entscheidungsstrukturen bei Liquidierungen

Die Entscheidungsprozesse, die bei Liquidierungen im Ausland Anwendung fanden, waren für den Senat im Einzelnen nicht feststellbar. Aus der Natur der Sache ergibt sich jedoch, dass der Kreis der in die Entscheidung eingebundenen Personen so klein wie möglich gehalten sein musste.

In den Prozess der Entscheidungsfindung war jedenfalls der Bundessekretär für Inneres eingebunden. Dieser hatte die Verantwortung für den Staatssicherheitsdienst der SFRJ. Zudem fiel in seinen Kompetenzbereich die Entscheidung über die Organisation und Ausführung von „Sondereinsätzen“ im Ausland. Seine Einbindung war erforderlich, da die gezielte Tötung durch den Staatssicherheitsdienst zu ernsthaften Belastungen der außenpolitischen Beziehungen führen konnte. Nur durch seine Einbeziehung in den Entscheidungsprozess konnte sichergestellt werden, dass der Bundesdienst die in seinen Kompetenzbereich fallenden internationalen Konsultationen, z.B. im Rahmen des internationalen polizeilichen Informationsaustauschs, kurzfristig und sachgerecht wahrnehmen konnte. Hierdurch war er in der Lage den Bundesexekutivrat und den Bundessekretär für Äußere Angelegenheiten mit notwendigen Informationen zu versorgen.

In diesen Prozess waren auch die jeweilige Spitze der Republik-Sekretariate für Inneres und die in den Republiken installierten Staatssicherheitsdienste in einem beschränkten Personenkreis eingebunden.

Der zur Kontrolle des SDB installierte Bundesrat zur Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung war ebenso wie der zur Kontrolle des SDS installierte Republikrat zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung nicht Teil des Entscheidungsprozesses, der zu Liquidierungen führte.

E. Der informelle Mitarbeiter K. P.

1. Der 1949 geborene Zeuge K. P. wuchs in Kroatien auf und besuchte nach der Schulausbildung eine Verwaltungsschule in Zagreb. 1971 emigrierte er nach Deutschland, angeblich im Zusammenhang mit seiner Unterstützung des sogenannten „kroatischen Frühlings“. Als in diesem Zusammenhang Verhaftungen von Aktivisten erfolgten, habe er sich nach seinen Angaben zur Flucht nach Westdeutschland entschlossen. In West-Berlin, wo auch seine Schwester wohnte, begab er sich sofort zu B. J., der einen Teil der exilkroatischen Emigration anführte (HNO) und in dieser Funktion in der exilkroatischen Szene in Deutschland, aber auch in Jugoslawien bekannt war. P. kümmerte sich in der Folgezeit um die von der Organisation des B. J. („HNO“) herausgegebene exilkroatische Zeitung „Hravtska Drzava“ („Kroatischer Staat“). Als B. J. etwa ein Jahr später starb, übernahm dessen Bruder J. J. seine Rolle in der Emigration. Der Zeuge P. war nun für J. J. tätig und zog deshalb im Frühjahr 1973 nach Geretsried bei München, wo J. J. wohnte. Während J. J. Präsident des HNO war, fungierte P. als dessen Generalsekretär. Er kümmerte sich vor allem um die Vorbereitung des Drucks der Zeitung, gelegentlich schrieb er auch einen Artikel. Noch in Berlin heiratete er die Zeugin K. P. Diese arbeitete nach dem Umzug in oder bei München in einer Elektronikfirma.

1975 wurde die Zeugin K. P. in ihrer Heimatstadt Skopje von dem Angeklagten P. angesprochen, der sie unter Übergabe einer Telefonnummer aufforderte, ihrem Mann mitzuteilen, dass er Kontakt mit ihm aufnehmen sollte. Nachdem der Zeuge P. dies in der Folgezeit nicht tat, kam der Angeklagte P. zu der Wohnung der Eheleute P. nach Geretsried und warb den Zeugen P. für eine Zusammenarbeit mit dem SDS an, zu der der Zeuge P. auch bereit war. Er rief dann vereinbarungsgemäß mindestens alle zwei Wochen bei dem Angeklagten P. in Kroatien an und informierte ihn über die kroatische Exil-Szene, insbesondere über die Organisation des J. J. (HNO), später dann auch über S. D. dessen Verbindung zu J. J. und seine Tätigkeit als Autor. Es kam auch zu mehreren persönlichen Treffen mit dem Angeklagten P. außerhalb von München, so zunächst in Liège (Belgien), später in West-Berlin, Italien, Luxemburg, Spanien, insbesondere auf den Kanarischen Inseln und auf Mallorca. In der Regel trafen sie sich zweimal im Jahr. Der Zeuge P. erhielt vom Angeklagten P. jedenfalls seine Reisespesen und sonstige Auslagen ersetzt, darüber hinaus Geld, das er für den Druck der Zeitung „Hrvatska Drzava“ verwendete. Ab etwa 1989 liefen die Kontakte des Zeugen P. mit dem Angeklagten P. aus.

Neben seiner Tätigkeit für J. J. war der Zeuge P. selbstständig tätig, indem er sogenannte Plastifizierungen von Dokumenten übernahm. Hierzu mietete er 1981 in Wolfratshausen eine Garage an, die er 1982 kaufte. Bei dieser Garage, die aus drei ineinander übergehenden Räumen bestand und mit Maschinen und einem Kopierer vollgestellt war, handelt es sich um den späteren Tatort.

Dem späteren Opfer S. D. half der Zeuge P. beim Drucken seiner gegenüber Jugoslawien regime- und gesellschaftskritischen Bücher, beispielsweise durch Fertigen des Drucksatzes für vier Bücher und bei der Organisation des Drucks. Das letzte Buch des S. D. wurde in der Garage in Wolfratshausen gedruckt. Die so entstandenen Druckseiten wurden bis zum Tod von S. D. lediglich sortiert, aber nicht mehr gebunden.

2. Die Ermittlungsbehörden setzten auf den Zeugen P. von November 2004 bis Juni 2005 verdeckte Ermittler an, die unter der Legende aufgetreten waren, ein Buch des Zeugen P. über seine Agententätigkeit verlegen zu wollen. Am 7. Juli 2005 wurde der Zeuge P. aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs wegen des Verdachts der Beteiligung an dem Mord an S. D. in Untersuchungshaft genommen. Nach Anklageerhebung und Beginn der Hauptverhandlung vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München wurde der Haftbefehl am 18. Mai 2006 aufgehoben, da der 6.Senat Nachermittlungen durchführen ließ. Am 29. Januar 2008 erging erneut Haftbefehl gegen den Zeugen P., der am 31. Januar 2008 vollzogen wurde. Mit Urteil vom 16. Juli 2008, rechtskräftig seit 11. Februar 2009, hat der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München den Zeugen P. wegen Mordes an S. D. zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Maßgeblich für diesen Schuldspruch war insbesondere die Feststellung des Oberlandesgerichts, dass der hier Angeklagte J. P. und der Zeuge P. überein gekommen seien, S. D. in der Garage in Wolfratshausen durch dritte Personen töten zu lassen. Hierzu habe P. J. P. einen Nachschlüssel für die Garagenräume übergeben und ihm zwischen dem 25. und dem 27. Juli 1983 mitgeteilt, dass S. D. am 28. Juli 1983 in die Garage kommen wolle.

F. Die Person des Opfers S. D.

I. S. D. wurde als kroatischer Volkszugehöriger am … in Petrovaradin geboren. Petrovaradin gehörte damals zum „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ und liegt heute als Stadtteil von Novi Sad auf dem Gebiet der Republik Serbien. 1951 beendete er sein Studium an einer Ökonomischen Fakultät in Belgrad. Ab 1956 war er Finanzdirektor in der Raffinerie in Sisak.

II. Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt, wohl in den 1950-er Jahren, heiratete er. Mit seiner Ehefrau G., die sich dem Verfahren als Nebenklägerin angeschlossen hat, hatte er den am 10. Januar 1955 geborenen Sohn D. D. D. D. verstarb wenige Jahre nach dem Tod seines Vaters in Kanada.

Im Jahr 1964 wurde S. D. als kaufmännischer Direktor der neu geschaffenen INA-Abteilung „Handel“ berufen. Zu seinen Aufgaben gehörte es, die Produktion und den Absatz aller Raffinerieprodukte auf dem Inlandsmarkt sicherzustellen. Im Mai 1980 wurde S. D. die Position des Marketingdirektors in der Arbeitsorganisation INA anvertraut. Dort hatte er die Produktionspläne aller INA-Fabriken mit den Anforderungen des Marktes zu koordinieren. Auch die Vorbereitung der Beschaffung von Rohöl aus dem In- und Ausland in Gestalt von Aufstellung von Bedarfsplänen und Devisenbeschaffung aus den Republiken gehörte zu seinem Aufgabenbereich. Als Direktor war S. D. in der Hierarchie der INA sehr weit oben angesiedelt. Über ihm standen nur die Vizepräsidenten sowie der Präsident.

III. S. D. war von April 1975 bis Januar 1983 Informant des deutschen Bundesnachrichtendienstes. Diesem teilte er Informationen aus dem wirtschaftlichen, aber auch dem militärischen Bereich, soweit dieser insbesondere mit der Ölversorgung zusammenhing, mit. Für diese Informationen erhielt er mindestens 150.000 DM vom Bundesnachrichtendienst.

IV. Am Freitag, dem 23. April 1982, reiste S. D. gemeinsam mit seiner damaligen Geliebten, der Zeugin S. B., geborene J., aus Kroatien zunächst nach Österreich aus, wo er bis 12. Mai 1982 blieb. S. B. kehrte nach Jugoslawien zurück. S. D. reiste zunächst für zwei Wochen nach Teneriffa, bis er schließlich am 27. Mai 1982 nach München flog und dort am 1. Juni 1982 bei der Landeshauptstadt München einen Asylantrag stellte, der am 27. Oktober 1982 positiv verbeschieden wurde. Grund für die Flucht aus der SFRJ war unter anderem die Befürchtung, als hochrangiger Manager für die schlechte wirtschaftliche Lage in Jugoslawien persönlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Dies zeichnete sich für S. D. seit Anfang 1982 ab. Daneben hatte er bereits seit einigen Jahren die Absicht, Jugoslawien zu verlassen und seine regime- und gesellschaftskritischen Bücher zu veröffentlichen. Möglicherweise rechnete er auch damit, dass seine geheimdienstliche Tätigkeit in Kroatien für den deutschen Bundesnachrichtendienst bekannt geworden war, weil er kurze Zeit vorher einen anderen INA-Mitarbeiter als Agenten anwerben wollte. Am 22. April 1982 ging er zum letzten Mal in sein Büro und meldete sich gegen 12.00 Uhr krank.

V. Das „Verschwinden“ von S. D. wurde in einer Zagreber Tageszeitung vom 31. Juli 1982 thematisiert. Diese Zeitung berichtete über Gerüchte, wonach S. D. die Handelsorganisation INA um viele Millionen Dollar geschädigt, sogar einen Tanker mit Erdöl auf eigene Rechnung verkauft haben soll. Nach offiziellen Mitteilungen der Firma INA seien jedoch bei Kontrollen keine Unregelmäßigkeiten festgestellt worden.

VI. Der Sohn von S. D., D., war bereits im Juli 1981 aus Jugoslawien nach Deutschland geflohen, um dem Wehrdienst in Jugoslawien zu entgehen, und hatte Asyl beantragt. Vater und Sohn wohnten ab Mai 1982 zusammen in München. Geldprobleme hatte S. D. nicht. Auf deutschen, österreichischen und Schweizer Bankkonten standen ihm etwa 500.000 DM zur Verfügung.

VII. In München nahm S. D. Kontakt zu Exil-Kroaten und insbesondere zu Dr. J. J., der die Organisation HNO leitete, auf. Der HNO entstand 1950 in Deutschland unter der Führung von Dr. B. J.und sollte ein Zusammenschluss kroatischer Nationalisten und der kroatischen Intelligenz sein mit dem Ziel, eine Sammelbewegung aller parteilosen Kroaten zu sein, die die Errichtung eines vom Kommunismus befreiten, unabhängigen Staates Kroatien unter Ausschaltung der faschistischen Kräfte („Ustascha“) anstrebten. Dieses Ziel der Sammelbewegung erreichte der HNO aufgrund der Zersplitterung der kroatischen Exil-Kreise nicht. Die Arbeit des HNO beschränkte sich dann eher auf die Durchführung von Veranstaltungen und interne Sitzungen. 1972 starb Dr. B. J. Nachfolger im HNO wurde sein Bruder, Dr. J. J., der von Geretsried in der Nähe von München aus die Geschäfte des HNO führte. Presseorgan war seit 1955 die Zeitung „Hrvatska Drzava“ („Der Kroatische Staat“), für die S. D. in der Folgezeit etwa 5 Artikel verfasste. Terrorakte lehnte Dr. J. J. ab.

VIII. Mit Dr. J. J. besprach S. D. die Möglichkeit des Druckes der von ihm bereits in Kroatien geschriebenen Bücher. Dr. J. J. vermittelte ihm den Kontakt zu K. P., der nicht nur die rechte Hand von Dr. J. J. bei dem HNO war, sondern auch unter anderem eine kleine Druckerei in Wolfratshausen (erst ab Frühjahr 1983) betrieb, in der S. D. später getötet wurde. K. P. fertigte dort gegen Bezahlung von S. D. für vier seiner Bücher den Drucksatz einschließlich der Druckplatten. Der eigentliche Druck wurde von einer größeren Druckerei gefertigt. Lediglich der Druck des letzten Buches wurde in Eigenregie durchgeführt. Mit K. P. traf S. D. sich öfter in Geretsried, um sich mit ihm wegen der Druckvorbereitungen oder Korrekturen zu besprechen. 1983 meldete S. D. in Wolfratshausen eine Firma mit dem Namen „Das kroatische Buch“ an und mietete hierzu bei der Post in Wolfratshausen ein Postfach.

IX. Seit November 1982 hatten S. und D. D. das Gefühl, dass ihre Wohnung beobachtet werde. Da sich dieser Eindruck im Juni 1983 verstärkte, zogen sie am 14. Juli 1983 in eine neue Wohnung in München um, wobei sie die neue Anschrift nur der Polizei mitteilten. Kurz nach dem Umzug ging in den Kreisen der Exilkroaten das Gerücht um, S. D. sei in Frankfurt einem Anschlag zum Opfer gefallen. Auch im Übrigen hatte S. D. Angst vor dem jugoslawischen Geheimdienst. Insbesondere befürchtete er, dass dieser ihn wegen der Veröffentlichung seiner Bücher töten oder entführen könnte. Gegenüber seiner Münchner Freundin, der Zeugin H. S., die er im Mai 1983 kennen gelernt hatte, gab er an, dass auf ihn ein Kopfgeld von 500.000 DM ausgesetzt sei.

X. In der Bild am Sonntag vom 5. Dezember 1982 erschien ein Interview mit S. D., bei dem er über seine damalige Stellung in der INA sowie darüber berichtete, dass er mehrere Bücher geschrieben habe, die sich mit der politischen Spitze in Jugoslawien kritisch auseinandersetzten. Das Buch „Kommunismus - der große Betrug“ wird erwähnt, aus dem Buch „Ich, Josip Broz Tito“ wird eine Passage über eine Auseinandersetzung zwischen Tito und seiner Frau Jovanka dargestellt. Auf die Frage, woher er seine Informationen habe, sagte S. D.: „Ich bin zwanzig Jahre lang bei den jugoslawischen Machthabern ein- und ausgegangen. Ich habe viel gesehen und gehört, viel zu viel.“ Augenblicklich stempele ihn die jugoslawische Parteipresse als Kreatur ab, die der Volkswirtschaft einen Schaden von 250 Millionen Mark zugefügt habe, er solle einen ganzen Tanker mit Erdöl von den Weltmeeren haben verschwinden lassen und das Öl zur eigenen Bereicherung verkauft haben. Das sei aber alles Lüge. Diesen Lügen seien deshalb verbreitet worden, weil der jugoslawische Geheimdienst hinter ihm her sei, da er zu viele Staatsgeheimnisse wisse. Sie würden ihn und seinen Sohn jagen, „bis sie uns getötet haben.“

In der Ausgabe 24/1982 der in London erschienenen Zeitung „Nova Hrvatska“ („Neues Kroatien“, dem „Kroatischen Nationalrat - Hrvatsko Narodno Vijece“ (HNV) nahestehend) führte S. D. aus, dass die Reserven von Erdölprodukten in Jugoslawien im Kriegsfall „katastrophal gering“ seien, sie reichten lediglich für einen Zeitraum von 15,5 Tagen. Die Armee bewahre ihren Brennstoff in unterirdischen Lagern auf, wobei er mehrere Orte nannte. Auch die Orte der Lager für Erdölderivate der Bundesdirektion für die Reserve von Industrieprodukten erwähnte er. Diese Kenntnisse habe er, weil er Mitglied des Stabs für die Versorgung mit Kraft- und Schmierstoffen unter Kriegsbedingungen für das gesamte Kroatien gewesen sei. Er habe zwar keinerlei Kriegs- oder sonstige Pläne mitgenommen, aber er habe ein gutes Gedächtnis.

XI. Den Erkenntnissen des SDS bereits im Dezember 1982 zufolge hatte S. D. bereits vor seiner Flucht die regimekritischen Bücher „Ich, Josip Broz Tito“, „Kommunismus - der große Betrug“, „Die roten Manager“ und „Fehlschlag der Selbstverwaltung“ geschrieben und die Manuskripte in ausländischen Bank-Tresoren hinterlegt.

S. D. ließ auf eigene Kosten die Bücher „Kommunismus - der große Betrug“ (4.000 Exemplare), „Ich, Josip Broz Tito“ (4.000 Exemplare), „Die Söhne des Adlers“ (3.000 Exemplare), „Rote Manager“ (3.000 Exemplare), „Zusammenbruch der Ideale“ (4.000 Exemplare) und „Fehlschlag der Selbstverwaltung“ (Anzahl der Exemplare unbekannt) in kroatischer Sprache drucken, wobei nur das Buch „Rote Manager“ in der Druckerei von K. P. gedruckt wurde. Die Bücher versandte S. D. nach Jugoslawien an hohe Funktionäre und an Journalisten, im Übrigen verkaufte er sie an Exil-Kroaten.

Der SDS brachte am 11. Oktober 1982 eine achtseitige Spezial-Information zu dem Buch „Kommunismus - der große Betrug“ zu Papier: Danach habe sich die Auflage auf 3.000 Exemplare belaufen. Den Druck habe S. D. finanziert. Das Buch verkaufe sich gut. Auf der Buchmesse in Frankfurt habe S. D. eine größere Anzahl extremster Emigranten kennen gelernt. Das Buch mit dem Untertitel „Roman“ habe ein kleines Format mit sehr kleinen Buchstaben auf 133 Seiten, um es (nach Behauptung des Autors) leichter nach Jugoslawien bringen zu können. Das Ziel des Buches sei, den Eindruck des Zerfalls der sozialistischen Gesellschaft von innen zu erwecken. „Sich der Technik des Romanschreibens bedienend verdreht der Autor auf die gröbste und perfideste Art und Weise das Bild der Wirklichkeit, um über das schlimme Schicksal der Arbeiter im kommunistischen Regime zu schreiben.“ Die Grundthesen des Buches seien unter anderem: „Der Kommunismus ist ein sehr ungerechtes und verdorbenes System“ und „Der Kommunismus ist der Todfeind der Menschheit“. Die Rolle der Partei liege darin, die Menschen der Polizei auszuliefern und sie einzuschüchtern, so dass sie sich nicht trauten, die Wahrheit zu sagen. Im Übrigen stellt die Spezial-Information den Inhalt des „Romans“ dar und hebt die Angriffe gegen das Gesellschaftssystem Jugoslawiens hervor.

Über das zweite Buch „Ich, Josip Broz Tito“ verfasste der SDS am 26. November 1982 ebenfalls eine siebenseitige Spezial-Information: Wiederum habe S. D. den Druck von 3.000 Exemplaren finanziert. Die ersten Exemplare seien „dreist an vereinzelte höchste politische Funktionäre der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien und der Sozialistischen Republik Kroatien geschickt“ worden. In Briefen an Freunde, denen er dieses Buch geschickt habe, habe S. D. angekündigt, dass er auch noch weitere Romane senden werde, die noch im Druck seien und die „kein bisschen weniger sensationell seien als die ersten zwei.“ S. D. habe gesagt, dass er das Material für dieses und alle anderen Bücher während der Jagd und der Abendessen mit den höchsten politischen und wirtschaftlichen Funktionären Jugoslawiens gesammelt habe. Das Buch habe 368 Seiten. Das Ziel des Buches sei die Diskreditierung der Persönlichkeit des Präsiden ten Tito, der anderen führenden politischen Persönlichkeiten Jugoslawiens, seiner gesellschaftlichen Ordnung, aller staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen und die Zerstörung des internationalen Ansehens. Tito werde als sittenlose und verdorbene Person geschildert, der das Volk betrüge. Alle Errungenschaften in der Entwicklung Jugoslawiens werte das Buch fortwährend ab. So seien die Selbstverwaltung ebenso wie die Landwirtschaftsreform gescheitert. Die „Ustascha“ bezeichne er als das Symbol des neuen unabhängigen Staates, elitäre Einzelpersonen, die gegen den Kommunismus kämpften, kämen in die Heimat, um eine Erhebung des Volkes gegen den Kommunismus zu erreichen, während er den Namen und Begriffen aus dem aktuellen gesellschaftspolitischen Leben Jugoslawiens vulgäre Kommentare und tendenziöse Angaben beigefügt habe.

XII. S. D. strebte eine führende Stellung unter den Exilkroaten an. Ihm wurde auch von verschiedenen Gruppierungen angetragen, die zersplitterte Emigration zu einen. Dr. J. J. schlug ihn demzufolge mit seiner Zustimmung als Kandidat für den „Kroatischen Nationalrat“ (HNV) zur Wahl vor. Der HNV war die Dachorganisation mehrerer exilkroatischer Organisationen mit Sitz in New York. Seine Bekanntheit als ehemaliger jugoslawische Direktor und Autor wollte S. D. nutzen, um alle exilkroatischen Organisationen unter seiner Führung zu einen. Um auf sich aufmerksam zu machen, propagierte er die Installation eines Radiosenders auf einem Schiff in der Adria.

G. Die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten

I. Persönliche Verhältnisse des Angeklagten Z. M.

1. Der Angeklagte M. wurde am … in … geboren. Er ist kroatischer Staatsangehöriger. Er ist verheiratet mit der am … geborenen J. R.-M. Bis zu seiner Verhaftung in dieser Sache bewohnte er ein im Eigentum seiner Ehefrau stehendes Anwesen in Kroatien unter der Adresse …. Das Ehepaar hat zwei Söhne. Der jüngere, am … geborene A. M. leidet an einer psychischen Erkrankung und steht unter der Vormundschaft seiner Eltern. Er erhält als Behinderter Sozialhilfe. Der ältere Sohn M. lebt und arbeitet seit Mitte 2014 in Kanada.

Der Angeklagte hat gesundheitliche Problem, die keiner Dauermedikation bedürfen.

Der Angeklagte bezieht eine monatliche (netto) Altersrente in Höhe von … HRK (kroatische Kuna), umgerechnet ca. … €.

2. Nach Abschluss eines Studiums im Jahre 1964 war der Angeklagte M. ununterbrochen bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1993 beim Staatssicherheitsdienst im ehemaligen Jugoslawien als Angestellter beschäftigt. Von 1964 bis August 1979 war er operativer Mitarbeiter des SDS der SRH im SDS-Zentrum Zagreb. Im Anschluss war er bis Juni 1982 Leiter dieses Zentrums. Vom 17. Juni 1982 bis September 1985 war der Angeklagte Stellvertreter des Republiksekretärs für Innere Angelegenheiten der SRH, das heißt stellvertretender Innenminister, und damit zugleich politischer Leiter des SDS der SRH. Ab Oktober 1985 bis zum 31. März 1991 arbeitete der Angeklagte M. bei dem beim SSUP angesiedelten SDB in Belgrad. Zunächst war er Assistent des Bundessekretärs und hierbei zuständig für analytische Informatik. Nach einem Jahr wurde er zum Untersekretär, das heißt stellvertretenden Minister und damit politischen Leiter des SDB in Belgrad befördert. Im April 1991, als sich abzuzeichnen begann, dass die SFRJ auseinanderbricht, wurde er Sicherheitsberater des neu gewählten Staatspräsidenten von Kroatien F. T.. Nach sechs Monaten wechselte er zum neu gegründeten Amt für Verfassungsschutz. Dort bekleidete er das Amt des stellvertretenden Leiters des Amtes. Er verblieb dort bis zu seiner Verrentung Ende 1993.

3. Der Angeklagte M. ist bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

II. Persönliche Verhältnisse des Angeklagten J. P.

1. Der Angeklagte J. P. wurde am … in …, in Kroatien geboren. Er ist kroatischer Staatsangehöriger. Er ist verheiratet mit der am … geborenen D. P. Das Ehepaar hat den am … geborenen Sohn S.P. Bis zu seiner Verhaftung wohnte der Angeklagte mit seiner Ehefrau in der im Eigentum seiner Ehefrau und seines Sohnes stehenden Eigentumswohnung in Zagreb, …

Der Angeklagte bezieht eine monatliche Altersrente in Höhe von … HRK (kroatische Kuna), umgerechnet ca. … €. Seine Ehefrau bezieht eine eigene Altersrente.

Er hat verschiedene gesundheitliche Probleme. Er leidet u.a. an … Er wird deswegen medikamentös behandelt.

2. Der Angeklagte P. erhielt im Jahre 1969 sein Diplom als Ökonom von der Wirtschaftsfakultät in Osijek. Er war in der Folgezeit insgesamt ca. 20 Jahre im SDS der ehemaligen SRH tätig. Ab dem 15. Januar 1970 arbeitete er beim SDS der SRH im Zentrum Osijek u.a. als Inspektor in der Abteilung II, die sich auch mit dem Problem der Emigration beschäftigte. Diese Tätigkeit unterbrach er in den Jahren 1971 und 1972 zur Ableistung des Wehrdienstes. Diesen leistete er als einfacher Soldat bei der Garnison Doboj (Bosnien und Herzegowina) ab. Am 5. September 1979 wurde er zum Leiter der Abteilung II im Hauptsitz des SDS der SRH in Zagreb ernannt. Diese Tätigkeit übte er bis zur Ernennung zum Helfer des Republiksekretärs für Innere Angelegenheiten der SRH (fachlicher Leiter) im Jahre 1986 aus. Im April 1990 wurde er zum Untersekretär im Sekretariat für Innere Angelegenheiten der SRH und damit zum politischen Leiter des SDS berufen. Im März 1991, als sich das Zusammenbrechen des sozialistischen Jugoslawiens und die Unabhängigkeit Kroatiens abzuzeichnen begannen, wechselte der Angeklagte in das Verteidigungsministerium der Republik Kroatien. In der Folgezeit war er bis zu seiner Pensionierung 1995 mit dem Rang eines Brigadiers der kroatischen Armee in verschiedenen kroatischen Nachrichtendiensten, zunächst beim Sicherheits- und Informationsdienstes (SIS) in Zagreb tätig. Anfang 1992 war er Assistent des Verteidigungsministers der Republik Kroatien und Leiter des Sicherheits- und Informationsdienstes (SIS). Ende 1994 wechselte er zum kroatischen Nachrichtendienst (HIS).

Seit dem Jahre 1995 ist der Angeklagte Rentner.

3. Der Angeklagte P. ist bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

III. Einsichts- und Sterungsfähigkeit der Angeklagten

Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit der Angeklagten war zur Tatzeit weder aufgehoben noch erheblich eingeschränkt.

H. Vorgeschichte der Geschehnisse vom 28. Juli 1983

I. Desinformationskampagne

1. Nicht nur die Sicherheitsdienste der früheren sozialistischen Republiken und autonomen Provinzen der SFRJ beobachteten die Exiljugoslawen im Ausland, sondern auch der SDB, der deren politisches Wirken zu bekämpfen suchte. Ein Mittel dieser Auseinandersetzungen waren Desinformationskampagnen, die dazu dienten, das Ansehen einzelner Mitglieder der Emigrantenszene im Ausland in Frage zu stellen und innerhalb dieser Emigrantengemeinden Misstrauen und Unfrieden zu säen. Zu diesen Kampagnen zählte auch die seit 1981 laufende Aktion „Pismo“ (= Brief). Diese Desinformationskampagne wurde vom SDB der SFRJ koordiniert und unter Beteiligung mehrerer Staatssicherheitsdienste der ehemaligen Republiken und Provinzen Jugoslawiens umgesetzt, insbesondere mit Unterstützung des Staatssicherheitsdienstes der Sozialistischen Republik Bosnien-Herzegowina.

Nachdem bekannt geworden war, dass S. D. am 23. April 1982 das Land verlassen und sich in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassen hatte, entschieden der seinerzeitige Bundessekretär für Innere Angelegenheiten S. D. und der Leiter der Abteilung II des SDB, S. C., „Pismo“ auch auf S. D. zu erstrecken. Hintergrund dessen war, dass S. D. in Deutschland innerhalb der exilkroatischen Szene politisch aktiv geworden war und sich in der zweiten Jahreshälfte 1982 einen Namen gemacht hatte. Die Exilkroaten in Deutschland begannen, in ihm einen Hoffnungsträger zu sehen. Auslöser der Desinformationskampagne gegen ihn waren aber auch die publizistischen Aktivitäten von S. D. nicht zuletzt die von ihm nach seiner Flucht veröffentlichten regime- und gesellschaftskritischen Bücher (vgl. auch oben die Darstellung im Lebenslauf von S. D. im Abschnitt F). Mit der Umsetzung wurde B. S., ein operativer Mitarbeiter in der Abteilung II des SDB, beauftragt. Notwendige Informationen zur Durchführung etwaiger Desinformationsmaßnahmen bezog B. S. von den Staatssicherheitsdiensten der Republiken und autonomen Provinzen der SFRJ, so aus Bosnien-Herzegowina und Slowenien, vor allem aber aus Kroatien. S. selbst hatte keine Informanten im Ausland, die er hätte abschöpfen können.

2. B. S. fälschte im Rahmen der Aktion „Pismo“ gegen S. D. eine Ansichtskarte, bei der auf der Vorderseite die kroatische Gedenkstätte Bleiburg/Österreich abgebildet war. Auf deren rechten Seite fügte er ein Lichtbild des S. D. hinzu. Auf der Rückseite der Ansichtskarte schrieb er unter der Anschrift „Kroatische Buch, Postfach 1213, 8190 Wolfratshausen, WDeutschland“ ein Angebot des S. D., bei einer Buchbestellung von dort aufgeführten, von S. D. verfassten Büchern einen 30-%-igen Rabatt zu gewähren. B. S. ließ in der Druckerei des SDB eine Vielzahl dieser Ansichtskarten anfertigen und adressierte sie an jugoslawische Emigranten in Europa, auch in Westdeutschland. Er verbrachte diese Ansichtskarten anlässlich der Leipziger Frühjahrsmesse im März 1983 über Leipzig nach Braunschweig und verschickte sie von dort mit der Post.

3. Das Motiv der Gedenkstätte in Bleiburg wählten der SDB und S. deshalb aus, weil sie wussten, dass die Gedenkstätte bei Exilkroaten besondere Emotionen auslöste. In den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde sie von kroatischen Emigranten auch aus Deutschland zu politischen Versammlungen und Gedenkveranstaltungen aufgesucht.

Die Gründung der SFRJ fällt zeitlich zusammen mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. An die von Tito gegen die Achsenmächte und deren Kollaborateure auf dem Staatsgebiet Jugoslawiens geführten Kämpfe schlossen sich Repressionsmaßnahmen gegen Anhänger der nach dem deutschen Überfall auf Jugoslawien formierten Kollaborationsregime, insbesondere die kroatische Ustascha und die serbische Tschetnik, an.

Für die Desinformationskampagne von besonderer Relevanz sind dabei die namentlich in den Kreisen der jugoslawischen Emigranten so genannten „Bleiburg-Massaker“. Kroatische Truppen des faschistischen Unabhängigen Staates Kroatien (Nezavisna Drzava Hrvatska [NDH]), serbische und montenegrinische Tschetniks und Truppen der slowenischen Heimwehr, die noch nach dem 8./9. Mai 1945 die Kampfhandlungen gegen die jugoslawische Volksbefreiungsarmee Titos fortgesetzt hatten, wurden nach ihrer Kapitulation und Entwaffnung ohne jedes Gerichtsverfahren Opfer von Massenerschießungen oder auf „Todesmärsche“ geschickt. In Slowenien werden diese Ereignisse als „Tragödie von Viktring“, in Kroatien als „Tragödie von Bleiburg“ bezeichnet. In der sozialistischen jugoslawischen Erinnerungskultur waren sie als „Endkesselschlachten“, „abschließende militärische Operationen“ oder „das große Finale in Kärnten“ bekannt. Die geschlagenen Verbände des Unabhängigen Staates Kroatien hatten versucht, das von alliierten Truppen besetzte Österreich zu erreichen. Kärnten war aber sowohl von britischen Truppen als auch von der Jugoslawischen Volksarmee besetzt, wodurch es dort noch nach Kriegsende zu Gefechten mit Partisanen kam. In Bleiburg kapitulierte die Führung der kroatischen Verbände vor britischen Truppen bedingungslos und musste danach ihre Auslieferung an die Jugoslawische Volksarmee akzeptieren.

4. B. S. fälschte im Zuge der Desinformationskampagne gegen S. D. darüber hinaus die Ausgabe Nr. 14 der am 17. Juli 1983 in London erschienenen Zeitung „Nova Hrvatska“ (Neues Kroatien) unter anderem mit einem fingiertem Interview mit S. D. unter der Überschrift auf dem Deckblatt der Zeitung: „S. D.: Ich werde nicht für das Parlament, Kroatischer Nationalrat, kandidieren“. Diese Zeitung ließ S. in der Druckerei des SDB in einer Auflage von 5.000 Stück fertigen. B. S. verbrachte Exemplare der gefälschten Zeitung nach Dortmund, von wo aus sie wie das Original der Zeitung verteilt wurden. Weitere Exemplare brachte er an deutschen Bahnhöfen in Umlauf, an welchen auch die Originalzeitung verkauft wurde. Einen Teil der gefälschten Zeitungen schickte er nach London oder an jugoslawische Exilanten.

5. Bei der auch gegen S. D. gerichteten Aktion „Pismo“ handelte es sich um Kontra-Propaganda gegen die von den exjugoslawischen Sicherheitsbehörden als faschistisch bezeichnete Emigration. Ziel der Aktion war auch im konkreten Fall nicht zuletzt eine Verunsicherung der Emigrantenszene. Die Verunsicherung bezweckte bei den Emigranten u. a. den Eindruck, dass Urheber der Postkarte nicht der dort genannte Absender, sondern der ehemalige jugoslawische Staatssicherheitsdienst war. Durch die Zusendung dieses Postkarten bzw. Zeitungen an ihre Adressen sollte den Emigranten vor Augen geführt werden, dass der jugoslawische Staatssicherheitsdienst viel über sie wisse.

Ziel der Aktion war aber auch die Diffamierung einzelner Emigranten, so des S. D. Bei jugoslawischen Emigranten, die nicht erkannten, dass der wirkliche Absender der jugoslawische Staatssicherheitsdienst war, sollte der Eindruck entstehen, S. D. verknüpfe das Gedenken an Bleiburg mit eigenen wirtschaftlichen Interessen. Dadurch sollte sein Ansehen in der Emigration leiden. Wie auch beabsichtigt, musste sich S. D. nach Eingang der Buchbestellungen und in diesem Zusammenhang eingehenden Geldüberweisungen unter Abzug eines von ihm nicht gewährten Rabatts von 30% um Richtigstellung bemühen. Um den beabsichtigten Schaden von sich abzuwenden, war S. D. auch gezwungen, zu publizistischen Mitteln zu greifen, indem er an kroatische Printmedien Leserbriefe schrieb. Nicht zuletzt verstärkten die Desinformationsmaßnahmen bei S. D. (und bei seinem Sohn D.) das Gefühl persönlicher Gefährdung, indem sie beiden zeigten, im Fokus der jugoslawischen Sicherheitsbehörden zu stehen.

6. Durch die Fälschung von Zeitung und Postkarten sollte zudem vorbereitet werden, später die Tötung des S. D. als Abrechnung unter rivalisierenden Exilkroaten darstellen zu können.

II. Operative Bearbeitung des S. D.: Aktion „Brk.“

1. Nachdem S. D. am 23. April 1982 Jugoslawien verlassen hatte, veranlasste der Angeklagte J. P. in seiner Eigenschaft als Leiter der Abteilung II des SDS der SRH im Mai 1982, dass Untersuchungen gegen S. D. eingeleitet wurden. Auch diese Untersuchungen liefen - wie etwa die auf Bundesebene verantwortete Desinformationskampagne „Pismo“ - unter einem Aktionsnamen. Da S. D. einen auffälligen Schnurrbart trug, erhielt die gegen ihn gerichtete Aktion die Bezeichnung „Brk“. Die Aktion wurde vom SDS-Zentrum Zagreb geführt, weil Zagreb der letzte Wohnort von S. D. war.

2. Am 7. Juli 1982 genehmigte der Leiter des SDS der SRH die Aktion. Leiter des Republik-SDS war zu dieser Zeit der Angeklagte Z. M. Der Genehmigung ging ein mehrstufiges Verfahren voraus. Der Vorschlag zur Aktion „Brk“ stammte aus der Abteilung II des SDS-Zentrums Zagreb. Dessen Leiter F. V. legte den Vorschlag auf dem Dienstweg dem Republik-SDS vor. Der Leiter der dortigen Abteilung II, der Angeklagte J. P., stimmte dem Vorschlag zu, bevor der Behördenchef Z. M. ihn förmlich genehmigte. Mit dieser Genehmigung gingen etwaige Untersuchungen gegen S. D. in die „operative Bearbeitung“ über. Die operative Bearbeitung war die höchste Stufe von Untersuchungen des SDS. Ziele der operativen Bearbeitung waren unter anderem, die zwischenzeitlich im SDS bekannt gewordenen Aktivitäten des S. D. in der Emigration in Deutschland zu beobachten. Darüber hinaus sollte erforscht werden, ob D. Informant ausländischer Nachrichtendienste war. Die Tatsache, dass S. D. tatsächlich schon seit Jahren dem Bundesnachrichtendienst Informationen geliefert hatte, war den jugoslawischen Sicherheitsbehörden bis dahin verborgen geblieben. Letztlich sollten die Untersuchungen klären, ob S. D. sich im Rahmen seiner früheren Tätigkeit innerhalb der INA-Organisation zum Nachteil seines Arbeitgebers unrechtmäßig bereichert hatte. Entsprechende Nachrichten kursierten nämlich in den jugoslawischen Massenmedien dieser Zeit.

3. Der Angeklagte J. P. war an der Aktion „Brk“ in besonderer Weise beteiligt. Da bekannt war, zu wem innerhalb der Emigrantenszene S. D. in München Kontakt hatte oder aufzubauen suchte, kam K. P. ins Spiel. J. P. hatte diesen schon im Verlauf seiner früheren Tätigkeit als Leiter der Abteilung II im SDS-Zentrum in Osijek als Informanten für die Emigrantenszene um den HNO und Dr. J. J. gewonnen. Mit seinem Wechsel als Leiter der Abteilung II im Republik-SDS in Zagreb hatte J. P. K. P. als Führungsoffizier mitgenommen und ihn weiter unter den Decknamen „Boem“ und „Stiv“ eingesetzt. P. befand sich in unmittelbarer Nähe von Dr. J. J. und dessen Aktivitäten als Präsident des HNO. Zu ihm war S. D. gestoßen.

Im Übrigen aber verantwortete G. L. als Inspektor der Abteilung II des SDS-Zentrums in Zagreb neben weiteren Mitarbeitern der Abteilungen I und II dieses Zentrums die Aktion „Brk“. Hierbei arbeiteten die SDS-Abteilungen auch mit anderen Behörden zusammen, u. a. mit der Finanzaufsicht und der Bundesdevisenbehörde.

4. Am 16. Februar 1983 erstattete das SDS-Zentrum Zagreb Strafanzeige wegen Straftaten gegen die Grundlagen der sozialistischen selbstverwalteten Gesellschaftsordnung und die Sicherheit der SFRJ (Verstoß gegen Art. 131 und Art. 133 Abs. 1 und 2 StGB der SFRJ) gegen S. D. bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Zagreb. Zur Begründung wurde ausgeführt, S. D. sei mit Führungskräften extremer faschistischer Emigrantenorganisationen, unter anderem der des HNO und mit Dr. J. J., in Kontakt getreten. Er wirke feindlich gegen die SFRJ. Zudem habe er mit seinen Artikeln in der Presse der faschistischen Emigration und mit den Büchern, die er im Ausland herausgegeben habe, zum Sturz der Regierung und zu verfassungswidrigen Änderungen der Gesellschaftsordnung in Jugoslawien aufgerufen und diese Umtriebe gefördert. Zudem habe er die gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten im Land böswillig unzutreffend dargestellt. Aus feindlicher Position heraus beleidige und greife er Josip Broz Tito und andere Funktionäre in der SFRJ an.

III. Strafanzeige der Dienststelle des staatlichen Finanzverkehrs in der Sozialistischen Republik Kroatien

Die Finanzaufsichtsbzw. Devisenaufsichtsbehörde erstattete bei der Staatsanwaltschaft Zagreb unter dem 27. Dezember 1982 Strafanzeige gegen S. D. Der Vorwurf lautete auf Vermögensbeschädigung des früheren Arbeitgebers gemäß Art. 107 Abs. 2 des kroatischen Strafgesetzbuchs. Es soll zu Unregelmäßigkeiten bei dem Abschluss von Verträgen über den Ankauf des Antikorrosionsmittels Tectyl in den Jahren 1978 und 1979 gekommen sein. Hieraus sei der Arbeitsorganisation INA-Trgovina, als deren Direktor S. D. seinerzeit handelte, ein Schaden von 2.313.198,40 Dinar entstanden.

I. Mord an S. D.

I. Entscheidung über die Ermordung des S. D., Mordmotiv

1. S. D. wurde am 28. Juli 1983 Opfer einer von den ehemaligen jugoslawischen Geheimdiensten veranlassten Liquidierung. In die Entscheidungsfindung waren neben dem Angeklagten M. weitere nicht näher bekannte hochrangige Funktionäre in Partei und Staat der SRH eingebunden. In Kroatien fiel die Entscheidung kurze Zeit nach dem 15. April 1983. Die Liquidierung wurde anschließend vom Bundessekretär des Innern, S. D., genehmigt und danach vom SDS der SRH umgesetzt.

2. Die Motive für die Ermordung von S. D. lagen in der Bekämpfung der feindlichen Emigration sowie in der Bedeutung von S. D. für den SDS/SDB.

S. D. wurde von den Behörden der Staatssicherheit als Regimekritiker angesehen, der vom Ausland aus ohne Einsatz gewaltsamer Maßnahmen die Selbstständigkeit Kroatiens anstrebte und die bestehende Ordnung des sozialistischen Jugoslawiens und dessen Politik kritisierte und bekämpfte. Hinsichtlich seiner Stellung und Aktivitäten innerhalb der Emigration wird auf die Ausführungen zu seinem Lebenslauf verwiesen. Nachfolgend werden lediglich noch einmal einzelne Punkte hervorgehoben:

Er hatte nach seiner Flucht aus Jugoslawien im April 1982 in München Kontakt zu dem Exilkroaten Dr. J. J. aufgenommen, der Präsident des HNO war und die Monatszeitung „Der kroatische Staat“ herausgab. Der Sitz des HNO und der Druckerei, in der die Zeitung gedruckt wurde, befand sich in Geretsried, … Das Komitee war zugleich Mitglied im „Kroatischen Nationalrat“ (HNV), der seinen Sitz in New York hatte. Dessen politisches Ziel war die Errichtung eines vom Kommunismus befreiten, unabhängigen Staates Kroatien. S. D. sollte eine führende Stellung unter den Exilkroaten einnehmen. Darauf ließ er sich ein. Dr. J. J. schlug ihn mit seiner Zustimmung als Kandidaten für den HNV vor. S. D. beabsichtigte, die zersplitterte Emigration zu einen, den Sitz des HNV nach Europa zu verlegen und einen Radiosender im Ausland zu installieren, der nach Jugoslawien Beiträge senden sollte, welche die jugoslawischen Staatsbürger über Missstände in Jugoslawien aufklären sollten. Er hatte bereits mehrere Bücher veröffentlicht, die sich kritisch mit dem jugoslawischen System, dessen politischer und wirtschaftlicher Lage, den Machenschaften jugoslawischer Politiker und deren Familienangehörigen auseinandersetzten. Weitere Bücher waren geplant. Alle diese Aktivitäten waren dem SDS und dem SDB bekannt.

Neben dieser Rolle von D. in der Emigration hatte er für den SDS/SDB auch innerdienstlich eine große Bedeutung. So war er ständig Gesprächsthema bei dienstlichen Besprechungen. Er wurde in ein Register eingetragen, in dem alle Personen von besonderer Bedeutung enthalten waren. Die Aktion „Pismo“ wurde mit einem hohen personellen und finanziellen Aufwand durchgeführt. D. wurde auch deshalb argwöhnisch betrachtet, weil er Kontakte zu der vom SDS/SDB als terroristisch eingestuften Augsburger Gruppe um L. K. hatte. Schließlich führten die Aktivitäten dem SDS immer wieder vor Augen, dass es diesem nicht gelungen war, D. rechtzeitig „auf die Schliche“ zu kommen und ihn an seiner Ausreise zu hindern.

Alle diese Probleme sollten durch die Liquidierung von S. D. ein Ende finden.

3. Daneben war der Tod von S. D. auch mit Blick auf die Ermittlungen bei der INA von Vorteil, ohne dass allerdings festgestellt werden konnte, dass dieser Umstand für die Liquidierungsentscheidung ausschlaggebend war. Durch den Tod des S. D. konnte versucht werden, die Ermittlungen bei der INA und die dadurch bestehenden Behinderungen bei der täglichen Arbeit dort zu beenden. Zugleich konnte S. D. weiterhin vom jugoslawischen Staat als Mitverantwortlicher für die Wirtschaftskrise genannt werden, ohne dass er sich dagegen wehren konnte. Zu den Hintergründen:

In Folge des Ausbruchs des Krieges zwischen den erdölexportierenden Ländern Irak und Iran kam es im Lauf des Jahres 1979 weltweit zu einem drastischen Anstieg der Rohölpreise (sogenannte 2. Ölkrise). Jugoslawiens im Übrigen sowieso schwache Volkswirtschaft war vom Import von Rohöl bzw. Rohölderivaten abhängig, die für die Energieversorgung des Landes unerlässlich waren. Die Handelsbilanz des Landes wies strukturell einen Überschuss von Importen gegenüber den Exporten aus. Das Land nutzte zum Ausgleich ausländische Kredite und hierfür auch politisch motivierte Bürgschaften. Die Kreditzinsen stiegen in dieser Zeit stark an. Zugleich musste das Land Altkredite zurückzahlen. Der Anfang der Achtziger Jahre durch den Anstieg der Rohölpreise und der Kreditzinsen verursachte oder zumindest erheblich verschärfte Devisenmangel in Folge der zweiten Ölkrise führte in Jugoslawien zu schweren wirtschaftlichen Problemen, die im Verlust der Kaufkraft des Dinars und des Anstieges der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Jugendarbeitslosigkeit, ihren Ausdruck fanden. Durch den Devisenmangel konnten die für den inländischen Markt und für den volkswirtschaftlich bedeutsamen Tourismus erforderlichen Mengen an Rohöl nicht eingeführt werden.

Dadurch konnte unter anderem die Arbeitsorganisation INA, das führende Unternehmen Jugoslawiens und Kroatiens, das unter anderem die Versorgung Jugoslawiens mit Erdöl und seinen Derivaten zum Gegenstand hatte, die für den inländischen Markt erforderliche Menge an Erdölderivaten nicht mehr herstellen. Der Bedarf konnte nur zu 60% gedeckt werden. Anfang 1980 erstellte INA-Marketing Listen von Abnehmern, die Erdölderivate gegen Devisen abnehmen konnten. Nur diese wurden vorrangig beliefert. Insbesondere außerhalb der Republik Kroatien gelegene Tankstellen wurden ohne Devisenzahlungen nicht mehr beliefert. INA und die Republik Kroatien wurden von der jugoslawischen Staatsführung und den anderen Republiken Jugoslawiens der Selbstsüchtigkeit bezichtigt.

Die bei der Herstellung ihrer Produkte von Erdölderivaten abhängigen Firmen mussten deshalb die Produktion drosseln. Es wurden Bons für den Bezug mit Benzin eingeführt. Fahrzeuge mit geraden und ungeraden amtlichen Kennzeichen konnten nur noch an bestimmten Tagen tanken. Dies alles führte zu großen politischen Spannungen in Jugoslawien. Dadurch bestand aus Sicht der Staatsicherheitsdienste auch die Gefahr, dass die Unabhängigkeitsbestrebungen von Emigrantenvereinigungen wie des Kroatischen Nationalkomitees (HNO) und des Kroatischen Nationalrats (HNV) neuen Aufwind erhielten.

Während dieser Wirtschaftskrise wurde im Jahre 1980 vom SDB die operative Aktion „Lugano“ eingeleitet. Diese bezog sich auch auf die Aufklärung möglicher Untreuehandlungen bei der Arbeitsorganisation INA im Zusammenhang mit Außenhandelsgeschäften. Ermittlungen unter anderem der Bundesdeviseninspektion bei der INA wurden im September 1982 intensiviert und führten Ende September 1982 zu Festnahmen von Managern der INA. Durch die Ermittlungen wurde die Erledigung der Tagesarbeit in der Arbeitsorganisation INA erheblich erschwert. 20% der INA-Mitarbeiter waren mit Arbeiten für die Ermittlungsbehörden beschäftigt. Der Bundessekretär für Innere Angelegenheiten der SFRJ S. Do. äußerte im September 1982 in einem Fernsehinterview, bei der INA-Organisation seien von den dortigen Verantwortlichen durch Devisengeschäfte 4 Milliarden US-Dollar veruntreut worden. Die politische Führung der SRH sah dies als einen Versuch der Bundesbehörden der SFRJ an, das wirtschaftsliberalere Kroatien für die gesamtjugoslawische Wirtschaftskrise verantwortlich zu machen und zugleich die von Kroatien geforderten Reformen für eine Öffnung der Wirtschaft nach Westen zu verhindern. S. D. arbeitete bis zu seiner Flucht im April 1982 in der INA-Zentrale als Marketingdirektor. Er wurde ab Mitte 1982 in den Fokus der Ermittlungen bei der INA gerückt, ohne dass hierfür entsprechende Anhaltspunkte bestanden.

Die politische Lage Gesamtjugoslawiens war nach dem Tod Marschall Titos im Frühjahr 1980 prekär sowohl in Hinsicht auf die Führungsfrage als auch in Bezug auf den gesamtstaatlichen Zusammenhalt. Diese offenen Fragen bildeten den Hintergrund der zuvor geschilderten wirtschaftlichen Lage und verschärften Letztere. Mit seinen politischen Aktivitäten für ein unabhängiges Kroatien erschien S. D. jedenfalls in den Augen der Bundesbehörden als gefährlicher Separatist. Die Unruhen im Kosovo verstärkten diese Sichtweise.

Die zuvor geschilderten wirtschafts- und gesellschaftlichen Probleme Jugoslawiens in den beginnenden 80-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stießen auf den im Grunde nie gelösten Konflikt zwischen den verschiedenen Nationalitäten des Vielvölkerstaates. Zwar gelang es Staats- und Parteipräsident Marschall Tito Anfang der 70-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, durch repressive Maßnahmen die letzte freiheitliche Bewegung Jugoslawiens, den „Kroatischen Frühling“, welcher auch nationale und nationalistische Elemente enthielt, zu beenden. Trotz der Verfassungsreform von 1974, die zu einer Stärkung der Republiken und zu einer Schwächung der Bundesstrukturen geführt hatte, schwelte der Grundkonflikt innerhalb Jugoslawiens weiter und kulminierte dann im Zusammenbruch des Gesamtstaats in den beginnenden 90-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Bis zu seinem Tod im Mai 1980 verhinderte die überragende Persönlichkeit des Marschalls ein erneutes Aufbrechen der Nationalitätenkonflikte. Die Kosovo-Unruhen waren Zeichen dafür, dass es nach dem Tod des Staatspräsidenten zu einer Zeitenwende gekommen war. Da mit den verdeckten, aber nun aufbrechenden Konflikten auch Neidelemente zwischen den prosperierenden und den unterentwickelten Republiken einhergingen, stellte sich die politische Situation Jugoslawiens am Anfang der 80-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts als einem Pulverfass ähnlich dar, bei dem es fast eine Frage des Zufalls war, wer als erster die Lunte anzündete: die meist serbisch eingefärbten, auf die Belgrader Zentralinstitutionen blickenden Zentristen oder die slowenisch und kroatisch eingefärbten Separatisten, die mit einem historisch sehr eingeengten Blickfeld der Auffassung waren, nie in einem Staatswesen mit der von Tito sehr betonten „Brüde rlichkeit zwischen den Nationalitäten“ angekommen zu sein.

Hinzu trat ein Generationenwechsel in der Nomenklatura, der die Situation verschärfte. Diejenigen politischen Kader, die mit Marschall Tito gemeinsam im Kampf gegen den kroatischen und Hitler-Faschismus standen und mit ihm die Ideen über die Jugoslawien tragenden Staats- und Gesellschaftsprinzipien teilten, starben oder traten in den Hintergrund zurück. Die nachrückende Generation war für nationalistische Ideologien auch radikaler Prägungen empfänglicher. Die späteren Staatspräsidenten von Serbien und Kroatien Slobodan Milosevic in Serbien und F. T. standen Anfang der 80-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts stellvertretend für diese Änderungen.

II. Beteiligung der Angeklagten M. und P. an der Ermordung von S. D.

Die Angeklagten M. und P. waren an der Ermordung von S. D. maßgeblich beteiligt.

1. Der Angeklagte M. hatte im kroatischen Staatssekretariat des Innern die reibungslose Durchführung der Ermordung zu verantworten. Hierzu gab er als politischer Leiter des kroatischen SDS (Zentrale) kurze Zeit nach der Entscheidung über die Ermordung von S. D. die Anweisung zu deren Durchführung an den Angeklagten P. weiter. Er achtete darauf, dass seine Anweisung befolgt wurde, und ließ sich regelmäßig von dem Angeklagten P. über den Stand der Operation berichten.

2. Der Angeklagte P. kam als Leiter der Abteilung II (feindliche Emigration) der Zentrale des kroatischen SDS dieser Anweisung und der Berichtspflicht nach. Bei der Ausführung stützte er sich auf seinen in Deutschland lebenden Informanten K. P., der seit Sommer 1982 engen Kontakt zu dem Mordopfer hatte.

3. Mit Wissen und Wollen beider Angeklagten wurde entschieden, dass als Tatort für die Ermordung des S. D. die als Druckerei genutzte Garage des K. P. in der … Straße in Wolfratshausen in Betracht kommt. Zur Verwirklichung der Liquidierungsentscheidung übergab K. P. Anfang Juni 1983 dem Angeklagten J. P., seinem damaligen Führungsoffizier, bei einem Treffen in Luxemburg einen in seinem Auftrag angefertigten Nachschlüssel zu dem Garagentor seiner Druckereiräume in der … Straße in Wolfratshausen, dem späteren Tatort.

4. Diesen Nachschlüssel gab der Angeklagte P. entweder direkt an die unmittelbar handelnden Personen oder über Mittelsmänner zur Durchführung des Mordes weiter. Diese unmittelbaren Täter waren als ausführendes Organ in eine Hierarchie eingebunden, in der ihre Rolle festgelegt war. Ob die Auswahl dieser Täter durch den Angeklagten P. oder durch Mitarbeiter des SDB oder durch Mitarbeiter des Staatssekretariats des Innern der SFRJ erfolgt ist, konnte der Senat nicht feststellen. Die unmittelbar handelnden Täter waren jedoch dem SDS bzw. SDB gegenüber weisungsabhängig. Die Stellung dieser Täter war den beiden Angeklagten bekannt.

5. Der Angeklagte P. war in der Folgezeit nach der Übergabe des Nachschlüssels in engem telefonischen Kontakt mit K. P., um den geeigneten Zeitpunkt für die Ermordung des S. D. in Wolfratshausen zu finden.

6. Die endgültige Entscheidung, die Liquidierung des S. D. in der Garage des K. P. in der … Straße in Wolfratshausen auszuführen, fiel, als sich am Sonntag, dem 24. Juli 1983, abzeichnete, dass S. D. diesen Ort in Kürze aufsuchen werde, um einen zur Veröffentlichung in der von dem HNO herausgegebenen Zeitung „Der kroatische Staat“ bestimmten Artikel bis zum darauffolgenden Donnerstag, dem 28. Juli 1983, zu hinterlegen. D. hatte am 24. Juli 1983 bei einer Zusammenkunft in der Gaststätte „Simbacher Hof“ in der … Straße in München Dr. J. J. mitgeteilt, dass er bis Donnerstag, 28. Juli 1983, einen Artikel in die Druckerei des K. P. in Wolfratshausen bringen werde. Dieser Artikel sollte in der nächsten, Anfang August 1983 erscheinenden Ausgabe der Zeitschrift „Der Kroatische Staat“, deren Chefredakteur K. P. war, abgedruckt werden. Diese Informationen gab K. P. an den Angeklagten P. unverzüglich weiter. Dieser kümmerte sich darum, dass sich die unmittelbar handeln49 den Täter bereithielten, um S. D. in der Garage in Wolfratshausen auflauern zu können.

7. Für Donnerstag, den 28. Juli 1983, verabredete sich S. D. mit seiner Freundin H. S. zu einer Bootsfahrt auf der Isar bei Wolfratshausen. Bei einem Telefonat zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt zwischen dem 24. und dem 27. Juli 1983, 24.00 Uhr, teilte S. D. K. P. mit, er werde am späten Vormittag des 28. Juli 1983 den zur Veröffentlichung bestimmten Artikel auf dem im Mittelraum der Druckerei in Wolfratshausen stehenden Kopiergerät vor dem mit seiner damaligen Freundin H. S. an diesem Tag um 11:30 Uhr in Wolfratshausen beabsichtigten Treffen in Wolfratshausen hinterlegen. K. P. gab diese Informationen an den Angeklagten P. unverzüglich telefonisch weiter. Dieser informierte die tatausführenden Personen vom geplanten Eintreffen des S. D. in der Druckerei oder leitete die Information über Dritte an die Tatausführenden weiter, damit diese die Ermordung durchführen konnten. Auch den Angeklagten M. informierte er. Dieser war mit dem geplanten Verlauf der Ermordung einverstanden.

Beide Angeklagte wussten, dass S. D. davon ausging, dass sich in der Garage keine Personen, die einen Angriff auf ihn beabsichtigten, aufhielten und dass er sich auch wegen seines Vertrauens gegenüber K. P. dort sicher fühlte. Den Angeklagten war auch bewusst, dass er sich wegen dieser Ahnungslosigkeit gegen einen Angriff mit Schuss- und Hiebwaffen nicht zur Wehr setzen konnte. Dies wollten sie ausnutzen.

8. Den Tod von S. D. wollten beide Angeklagte als Ergebnis ihres eigenen Handelns. Die Gründe für die Anordnung der Liquidierung waren ihnen bekannt. Sie billigten diese.

III. Die Ausführung des Mordes

1. Mit Hilfe des von K. P. dem Angeklagten P. übergebenen Nachschlüssels gelangten mindestens zwei der (unmittelbar tatausführenden) Täter im Laufe des Vormittags des 28. Juli 1983 jedenfalls nach 5:30 Uhr und vor 11:30 Uhr in die Druckereiräume in Wolfratshausen und warteten verborgen im hintersten der drei Räume der Druckerei (Druckereiraum) auf das Eintreffen des S. D., so dass er sie beim Betreten der Garage durch das hölzerne Tor nicht bemerkte. Dort sollte der sich nicht eines Angriffs versehende S. D., wie auch die Angeklagten beabsichtigten, von den Angriffen der unmittelbar Tatausführenden überrascht werden, so dass er dem Angriff auf sein Leben nicht begegnen konnte.

2. S. D. verließ am 28. Juli 1983 im Laufe des Vormittags seine Wohnung in München und fuhr mit Zwischenhalten mit seinem PKW nach Wolfratshausen. Mit Blick auf die von ihm angenommene Beobachtung durch jugoslawische Sicherheitsbehörden stellte er seinen PKW aus Sicherheitsgründen auf einem etwas entfernt von der Druckerei befindlichen Parkplatz ab. In der … Straße angekommen öffnete S. D. mit dem ihm von K. P. überlassenen Schlüssel den wie immer zweifach versperrten hölzernen Türflügel des Garagentores und betrat durch diesen den Garagenraum. Da sich ein Lichtschalter nur im mittleren der drei Räume der Garage befand, ließ er die Tür offenstehen, um das Garageninnere auszuleuchten.

3. S. D. begab sich zu dem am Ende des Mittelraums befindlichen Kopiergerät, wo er, wie mit K. P. verabredet, ein dreiseitiges maschinenschriftliches Dokument mit handschriftlichen Anmerkungen mit dem Titel „Warum ich für den HNV kandidiere“ in kroatischer Sprache hinterlegte. Unmittelbar nach dem Ablegen dieses Schriftstücks schickte sich S. D. an, die Druckereiräume zu verlassen, und wandte sich in Richtung Ausgang.

4. Zwei der unmittelbar Tatausführenden, die sich zuvor im hintersten Druckereiraum verborgen hatten, schossen von hinten mit Tötungsabsicht jeweils mit einer Selbstladepistole, zum einen mit einer tschechoslowakischen Selbstladepistole „Ceska“ mit Geschossen des Kalibers 7,65 mm und zum anderen mit einer Selbstladewaffe mit Geschossen des Kalibers 22 mm, möglicherweise einer italienischen Selbstladepistole „Beretta“, auf den sich am Beginn dieses Angriffs eines solchen nicht versehenden D. S. D. flüchtete in Richtung des rechten Torflügels des Garagentores, durch den er die Räume betreten hatte. Noch im Mittelraum befindlich wurde er mindestens vom ersten Geschoss am oder im Körper getroffen und erlitt hierdurch eine blutende Verletzung. Während seiner Flucht in den vorderen (Garagen-) Raum schossen die Täter weiter auf ihn. Die Täter gaben bei der Tat insgesamt acht Schüsse ab: sieben Schüsse mit der Pistole mit Geschossen des Kaliber 22 mm und einen Schuss mit einem Geschoss des Kaliber 7,65 mm. Im Garagenraum kurz vor dem rechten Torflügel stürzte S. D. Als er sich schon nicht mehr in einer aufrechten Körperposition befand und als er möglicherweise im weiteren Verlauf hinter dem rechten Torflügel direkt neben einer durch das Tatgeschehen umgestürzten Holzpalette am Estrichboden lag, gaben die Täter weitere Schüsse auf das Opfer ab. Insgesamt mindestens fünf Schüsse trafen S. D. von hinten.

5. Im Anschluss versetzte ein dritter Täter dem am Boden Liegenden mit einem scharfen Schlagwerkzeug, wahrscheinlich einem Haumesser oder Kampfmesser, in Tötungsabsicht mehrere Schläge gegen den Kopf. Hierdurch erlitt S. D. mehrfache glattrandige Durchtrennungen der Kopfschwarte und der Schädeldecke sowie der seitlichen Anteile des knöchernen Schädels mit tiefgreifenden Verletzungen der linken Kleinhirnhälfte und einer tiefgreifenden Verletzung des linken Schläfenlappens.

6. S. D. verstarb infolge der ihm beigebrachten Verletzungen an einer durch die Hiebe verursachten zentralen Hirnlähmung und einer starken Einblutung in den Brustraum infolge eines Lungenschusses am 28. Juli 1983 gegen 11:30 Uhr.

7. Die an dieser Tat Beteiligten verließen unerkannt den Tatort unter Mitnahme des Garagentorschlüssels des Opfers und konnten bis heute nicht ermittelt werden. Das Garagentor zogen sie zu, so dass die Tat und das Tatopfer nicht ohne weiteres entdeckt werden konnten.

J. Nachtatgeschehen

I. Telefongespräche zwischen dem Angeklagten P. und K. P. nach dem Tod von S. D.

1. Nach seiner Anwerbung als Informant des SDS der SRH rief K. P. den Angeklagten P. mindestens alle zwei Wochen aus öffentlichen Telefonzellen an, wobei der Angeklagte P. Wert darauflegte, dass P. Telefonzellen auswählte, die in München lagen. Der Angeklagte P. hatte P. seine private Telefonnummer hinterlassen. Für den Fall, dass der Angeklagte P. mit seinem Informanten P. Kontakt aufzunehmen wünschte, hatten beide ein Telefonklingelzeichen - zwei Klingeltöne zur vollen Stunde - verabredet. Der Angeklagte P. ließ das Klingelzeichen am Privatanschluss des P. in Geretsried erklingen. P. begab sich sodann nach München zu unterschiedlichen Telefonzellen, von denen Auslandsgespräche möglich waren.

Am Abend des 28. Juli 1983 bat der Angeklagte P. seinen Informanten P. mehrfach in seiner Wohnung in Geretsried unter Verwendung des Klingelzeichens um einen telefonischen Rückruf. P. kam allerdings erst gegen 22:00 Uhr in seiner Wohnung an, nachdem er den ganzen Tag zum einen in Zirndorf beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und danach zum anderen zum Ausbauen von Ersatzteilen aus Schrottfahrzeugen unterwegs gewesen war. Bei seiner Rückkehr teilte ihm seine Frau mit, an diesem Abend habe das Telefon öfters mit zwei Klingeltönen geläutet, beim Abheben habe sich aber niemand gemeldet. Als das mit dem Angeklagten P. vereinbarte Klingelzeichen erneut, aber entgegen der Vereinbarung zur halben Stunde ertönte, rief K. P., obwohl er erschöpft und sehr müde war, entgegen den Anweisungen von P. aus einer öffentlichen Telefonzelle in Geretsried beim Angeklagten P. unter dessen privater Telefonnummer an. Der Angeklagte P. erkundigte sich im Rahmen dieses Telefongesprächs danach, wo er sich an diesem Tag aufgehalten habe und ob es etwas Neues gäbe.

2. Am Nachmittag des 30. Juli 1983 wurde K. P. in seiner Wohnung in Geretsried polizeilich als Zeuge vernommen. Während der Vernehmung gab der Angeklagte P. durch das vereinbarte Klingelzeichen zur vollen Stunde zwei Mal zu erkennen, dass er mit P. zu sprechen wünsche.

3. Diese telefonischen Kontakte dienten dem Angeklagten P. dazu, Informationen zum Geschehen und zu den in Deutschland nach Entdeckung der Leiche durchgeführten Ermittlungen zu erhalten. Gleichzeitig wollte der Angeklagte P. dadurch früh53 zeitig feststellen, ob die deutschen Ermittlungsbehörden eine Verbindung zwischen den Tatausführenden und dem Eigentümer der Räume in Wolfratshausen (Tatort) und zugleich Informanten des Staatssicherheitsdienstes K. P. und damit dem SDS der SRH herstellen konnten. Die Frage des Angeklagten P. nach dem Aufenthalt von K. P. am Tattag diente der Feststellung, ob P. für diesen Tag tatsächlich ein „wasserdichtes“ Alibi hatte. Im Übrigen waren tatzeitnahe Informationen auch für die „Mannschaft“ wichtig, die zu entscheiden hatte, zu welchem Zeitpunkt es für sie am ungefährlichsten war, Deutschland in Richtung des sicheren Jugoslawiens zu verlassen.

II. Reaktionen im SDB nach Mitteilung der Ermordung des S. D.

Wenige Tage nach der Ermordung des S. D. teilte S. A., Leiter der II. Abteilung im Bundessekretariat des Äußeren, dem Leiter der II. Abteilung des SDB I. L. telefonisch mit: „Du hast einen weniger.“ Auf dessen Nachfrage ergänzte A., der INA-Direktor sei in München umgebracht worden. Die deutschen Behörden würden dies den jugoslawischen Staatssicherheitsdiensten anlasten. I. L. unterrichtete umgehend seinen eigenen Vorgesetzten, den Untersekretär S. A. Als I. L. anschließend auch den Bundessekretär für Innere Angelegenheiten S. Do. in Kenntnis setzte, erkundigte dieser sich spontan danach, was mit der Mannschaft sei. Darüber hinaus führte er aus, es sei kein Wunder, dass die deutschen Behörden den Vorfall an die große Glocke hingen. Denn dies sei nicht das erste Mal. Weiter äußerte er: „Wir müssen damit aufhören. Ich habe das dem F. (= F. H., Bundessekretär des Innern a. D. und Vorgänger von S. Do.) schon gesagt, aber er hat nicht auf mich gehört. Ich habe F. gewarnt. Wir haben uns schon mit dem Kind in Italien blamiert.“ Als I. L. ca. eine Stunde nach diesem Gespräch S. C., der mit ihm zeitgleich die Abteilung II des SDB leitete, unterrichtete, erkundigte sich dieser danach, ob L. Kontakt zu J. P. aufgenommen hätte. Als dieser verneinte, äußerte C., er werde P. informieren. Ein paar Tage danach unterrichtete S. C. seinen Vorgesetzten S. A. darüber, die Mannschaft sei komplett.

III. Öffentliche Darstellung der Ermordung als Abrechnung innerhalb der Emigration durch die jugoslawischen Sicherheitsdienste

1. Die Ermordung des S. D. wurde von den jugoslawischen Sicherheitsdiensten unmittelbar nach der Tat als Abrechnung unter Emigranten dargestellt. In Fortsetzung der vor der Tat begonnenen Desinformationskampagne versuchte der SDB in Belgrad Anfang September 1983 über den inoffiziellen Mitarbeiter „Viktor“ entsprechende Informationen an einen operativen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes weiterzuleiten. In einem Schreiben des Untersekretärs im Bundessekretariat für Innere Angelegenheiten S. A.vom 2. September 1983 an den SDS der SRH mit dem Betreff: „Platzieren von Informationen und Desinformationen an ausländische Nachrichtendienste“ unterbreitete er den Vorschlag, über den inoffiziellen Mitarbeiter „Viktor“ bei einem bevorstehenden Kontakt mit einem Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes die Idee einfließen zu lassen, die Tötung wäre nicht im Interesse der SFRJ gewesen, die solide Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland unterhalte und an deren Aufrechterhaltung interessiert sei. Deswegen sei eine Darstellung viel plausibler, D. sei Opfer einer internen Abrechnung unter Exil-Jugoslawen geworden. Für den Mord müsste nach anderen Motiven gesucht werden wie etwa Geld, kleinere Auseinandersetzungen unter den Emigranten oder ähnliches, aber keinesfalls nach politischen Motiven. Diesen Vorschlag leitete der Angeklagte M. mit Schreiben vom 2. September 1983 in leicht modifizierter Form an den Leiter des SDS-Zentrums in Zagreb F. V. weiter.

2. Ein Treffen des inoffiziellen Mitarbeiters „Viktor“ mit dem Mitarbeiter des BND N. fand am 19. und 20. September 1983 statt. Bei diesem Treffen leitete Viktor die vom Staatssicherheitsdienst vorgeschlagenen Desinformationen über die Ermordung des S. D. an den BND Mitarbeiter weiter. Die weitergegebenen Informationen erzielten nach Einschätzung des inoffiziellen Mitarbeiters das gewünschte Resultat. Dieser äußerte hierbei, dass er davon ausgehe, dass zwar die Idee D. unschädlich zu machen aus Jugoslawien stammen könne, er jedoch davon ausgehe, dass andere Emigranten, die um die Vormachtstellungen an der Spitze der Emigration kämpften, hierfür mehr Gründe gehabt hätten.

K. Angaben der Angeklagten im Strafverfahren

I. Der Angeklagte P. hat sich in der Hauptverhandlung zur Sache nicht geäußert. In seinem an den 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München gerichteten Schreiben vom 24. Juni 2008, das eine Reaktion auf seine Ladung als Zeuge im Strafverfahren gegen K. P. darstellt, hat er ausgeführt, der SDS der SRH habe die Liquidierung des S. D. weder geplant noch sei er an deren Umsetzung beteiligt gewesen. Auch in Gesprächen mit dem Zeugen T. M. Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hat der Angeklagte bestritten, etwas mit dessen Ermordung zu tun zu haben. Vielmehr habe dessen Tötung der SDB instruiert. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen M.

II. Der Angeklagte M. hat in der Hauptverhandlung die Teilnahme an der Sitzung des Rates zum Schutz der Verfassung der SRH vom 15. April 1983 bestätigt, sich jedoch ansonsten zur Sache nicht geäußert. Bei seiner ermittlungsrichterlichen Rechtshilfevernehmung beim Komitatsgericht in Zagreb am 4. Mai 2006 im Strafverfahren gegen K. P. hat er ausgeführt, er sei im Jahre 1983 Leiter des SDS der SRH gewesen. Er habe die volle Kontrolle über den Dienst gehabt und könne daher sicher ausschließen, dass dieser Dienst die Liquidierung des S. D. veranlasst oder an ihr mitgewirkt habe. Dies steht fest aufgrund der glaubwürdigen Angaben der Zeugin R. M., die als Ermittlungsrichterin die Vernehmung durchführte. Auch in Gesprächen Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts mit dem Zeugen T. M. hat der Angeklagte M. bestritten, etwas mit der Ermordung des S. D. zu tun zu haben.

L. Beweiswürdigung

I. Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu B.

Die Feststellungen unter und I.2. beruhen, soweit sie nicht ohnehin allgemeinkundig sind, auf den Angaben des Sachverständigen N.

Die Angaben des Sachverständigen erachtet der Senat für wissenschaftlich fundiert und durchweg zutreffend. Über die lange Verhandlung hinweg wurde eine Vielzahl von Zeugen vernommen, die die Geschichte Jugoslawiens als für ihr eigenes Leben prägend wahrgenommen haben. Zu den hier dargestellten Feststellungen - ohne die nachfolgend zu erörternde Frage der gezielten Tötung von Emigranten im Ausland -hat keiner der Zeugen Angaben gemacht, die zu den Angaben des Sachverständigen in Widerspruch stehen.

An der fachlichen Kompetenz des Sachverständigen N. hat der Senat keine Zweifel. Prof. C. A. N. bekleidet eine außerordentliche Professur an der Universität Aarhus/Königreich Dänemark für die Geschichte Osteuropas und war in mehreren Verfahren des ICTY in Den Haag und des Staatsgerichts von Bosnien und Herzegowina in Sarajevo, die sich mit Kriegsverbrechen während der Zerfallskriege in Jugoslawien befasst hatten, als historischer Gutachter tätig. Er spricht, wovon sich der Senat im Lauf der Verhandlung überzeugen konnte, fließend serbokroatisch und konnte die beigezogenen und diejenigen Urkunden im Original zur Kenntnis nehmen, auf die er während seiner Suche in den Archiven der Nachfolgestaaten der SFRJ stieß.

Beim Sachverständigen vermag der Senat kein persönliches Interesse am Ausgang des Verfahrens zu erkennen.

Der Konflikt zwischen den Zentralisten und den sogenannten Liberalen wurde auch von den Zeugen P. F. und P. G. anschaulich dargestellt.

F. stand von 1978 bis 1982 an der Spitze der Regierung der SRH und hatte damit eine Stellung, die mit einem bundesdeutschen Landes-Ministerpräsidenten vergleichbar ist. Er schilderte sein Bemühen um die Eigenständigkeit Kroatiens, das mit wirtschaftlichen Reformen einherging. Ebenso erläuterte er den Widerstand, den die Bundesregierung in Belgrad diesen Bemühungen entgegensetzte.

G. bekleidete von 1982 bis 1983 das Amt des Sekretärs für Innere Angelegenheiten der SRH, nachdem er zuvor ein Wirtschaftsfunktionär im Bundesexekutivrat der SFRJ gewesen war. Er beschrieb das Bemühen um die Beibehaltung einheitlicher, von Belgrad geleiteter Strukturen und seine Schwierigkeiten mit den Machteliten in Kroatien, die auf mehr Eigenständigkeit pochten. Letztlich führten diese Konflikte seinen Angaben zufolge auch zu seinem Rücktritt, dem eine Aufforderung des Bundessekretärs für Innere Angelegenheiten S. Do. vorausgegangen war.

Zweifel an der Belastbarkeit der Angaben der beiden Zeugen hierzu sieht der Senat nicht. Zwar waren beide Zeugen sichtlich bemüht, ihre eigene Tätigkeit in einem möglichst günstigen Licht darzustellen. Dem hochbetagten Zeugen G. war es auch ein sichtliches Anliegen, seine eigene Rolle möglichst positiv darzustellen, was sich daraus erklärt, dass er eine Beteiligung an der verfahrensgegenständlichen Tat oder auch nur Kenntnis hiervon weit von sich wies. Seine Angaben zur Aufgabenaufteilung innerhalb des Sekretariats für Innere Angelegenheiten der SRH, namentlich dazu, welche Aufgaben seine beiden Stellvertreter wahrzunehmen hatten, waren schwammig und unpräzise. Im Gegensatz zu allen anderen hierzu gehörten Zeugen widersprach er beispielsweise der Annahme, dass die beiden ihm zugeordneten Untersekretäre klar definierte Kompetenzbereiche hatten, der Angeklagte M. für den SDS, sein Kollege für die allgemeine Polizei. Vielmehr seien die Aufgaben ad hoc zugeteilt worden. Das hindert nach Einschätzung des Senats die Feststellung, dass seine Schilderungen der Konflikte innerhalb der Führungselite (mehr Eigenständigkeit und weitergehende wirtschaftliche Reformen einerseits, Beibehaltung der zentralen Führungskompetenz Belgrads und der planwirtschaftlichen Organisation der Ökonomie andererseits) glaubhaft waren, indes nicht.

Die Feststellungen unter I.3. ergeben sich aus den Ausführungen des Sachverständigen N.. Dazu in Widerspruch stehende Angaben hat keiner der Zeugen gemacht.

Dass die Entwicklung der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts als gravierender Umbruch empfunden wurde, brachte der Zeuge M. K., nach eigenem Bekunden kroatischer SDS-Mitarbeiter im Zentrum Split von 1972 bis 1990, dadurch zum Ausdruck, dass er auf Frage nach einem G. G.: antwortete, dieser sei ein alter UdBA-Kader gewesen und zwischen SDS und der (früheren) UdBA habe ein gravierender Unterschied bestanden. Völlig unabhängig davon, ob diese Angabe betreffend G. nun zutreffend war oder nicht, spiegelt diese Bekundung den vom Sachverständigen beschriebenen Umschwung während der sechziger Jahre anschaulich wider.

Belegt werden diese Feststellungen auch durch die Äußerung des Vorsitzenden des Bundesexekutivrats der SFRJ V. D. gegenüber Bundeskanzler H. S., die sich aus dem später noch eingehend darzustellenden Auszug aus dem Zusatzvermerk über die Gespräche der beiden am 10. Februar 1981 und 12. Februar 1981 ergibt. V. D. hatte auf die Vorhaltung des Bundeskanzlers, die jugoslawische Regierung in Belgrad möge sich einen Überblick über die Aktivitäten jugoslawischer Geheimdienste auf deutschem Boden verschaffen, erwidert, über diese Aktivitäten sei die jugoslawische Bundesregierung sehr wohl unterrichtet. Die Situation sei anders als 1966.

Die Feststellungen unter I.4. beruhen auf den Ausführungen und Erläuterungen des Sachverständigen N.

Sowohl die der Emigrantenszene zuzurechnenden Zeugen als auch die Angehörigen des Dienstes selbst benutzten in ihren Aussagen vor dem Senat intuitiv den Begriff „UdBA“, um Unklarheiten hinsichtlich der Organisation, von der die Rede sein sollte, zu beseitigen.

Im Widerspruch zu diesen Feststellungen stehende Angaben hat mit Ausnahme des Zeugen G. kein weiterer Zeuge getätigt. Dessen Darstellung, die Aufgaben seiner Untersekretäre sei nicht klar geregelt, ist nicht geeignet, Zweifel an der Aufgabenteilung der Untersekretäre im SRH-Sekretariat für Innere Angelegenheiten zu begründen. Es ist schlicht nicht vorstellbar, dass die großen Sicherheitsapparate Jugoslawiens ohne personale Zuordnung zu den einzelnen Untersekretären quasi auf Zuruf auf einer adhoc-Basis geleitet worden sein sollen.

Die Feststellungen unter I.5. beinhalten allgemeinkundige Tatsachen, worauf der Senat die Verfahrensbeteiligten hingewiesen hat. Die Sachverständigen N. und R. haben die Feststellungen ihrerseits geprüft und für historisch zutreffend erachtet.

Die Feststellungen unter I.6. beruhen auf den Ausführungen des Sachverständigen N.. Hierzu in Widerspruch stehende Angaben hat keiner der vom Senat einvernommenen Zeugen getätigt.

Die Feststellungen unter I.7. beruhen auf den Ausführungen der Sachverständigen N. und R.

Auch die Angaben des Sachverständigen R. erachtet der Senat für wissenschaftlich fundiert und durchweg zutreffend. Bezeichnend erscheint insoweit die Aussage des Zeugen I. L., selbst zunächst in Bosnien und Herzegowina SDS-Funktionär und danach als Assistent des Bundessekretärs im SSUP in Belgrad mit der Organisation der Staatssicherheit betraut, der den Sachverständigen R. für dessen Feststellungen, die er dem „P.-Urteil“ habe entnehmen können, ausdrücklich lobte und meinte, dieser kenne sich besser aus als er selbst. Dass die Sachverständigen in der Bewertung einzelner Fragen, etwa der Rolle des Rats zum Schutz der Verfassungsmäßigen Ordnung, teilweise divergierende Schlussfolgerungen gezogen haben, ändert an der Belastbarkeit der von beiden übereinstimmend dargestellten Faktenlage nichts.

M. A. B. R. ist an der FU Berlin als Dozent tätig (Forschungsschwerpunkt osteuropäische Geschichte). Er wirkte bereits im Verfahren gegen K. P. vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München (Az.: 6 St 5/05 [2]) als Gutachter mit. Auch er beherrscht die serbokroatische Sprache ausweislich des Gangs der Hauptverhandlung fließend und konnte die beigezogenen und diejenigen Urkunden im Original zur Kenntnis nehmen, die er bei Archivsuchen zu Gesicht bekam.

Auch beim Sachverständigen R. vermag der Senat kein persönliches Interesse am Ausgang des Verfahrens zu erkennen.

Der Senat verkennt nicht, dass die Zeugen F., G., S. G., I. E. und B. B. mehr oder weniger entschieden die Praxis von Liquidierungen von Emigranten durch jugoslawische Geheimdienste in Abrede stellten und dabei auf das geschriebene Recht Jugoslawiens verwiesen. Die Würdigung ihrer Aussagen erfolgt im Zusammenhang mit der Feststellung, dass Liquidierungen von Emigranten Teil staatlicher jugoslawischer Praxis waren.

Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass die vom Sachverständigen N. zitierte Ausbildungsliteratur für Geheimdienstmitarbeiter ausdrücklich ungesetzliche Maßnahmen als Teil der Praxis ansprach und forderte, die Durchführung müsse möglichst unentdeckt bleiben, da andernfalls die Mitarbeiter mit staatlichen Sanktionen rechnen müssten. Entsprechend rechtfertigen auch ebenso wenig die Äußerungen des jugoslawischen Regierungschefs D. gegenüber Bundeskanzler Schmidt, die jugoslawische Regierung sorge dafür, dass die jugoslawischen Sicherheitsdienste nicht gegen die Gesetze anderer Länder verstoßen, und die vom Sachverständigen R. referierte Äußerung Titos gegenüber dem sowjetischen Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjet Leonid Breschnew, in Jugoslawien hielten sich die Behörden an die Gesetze, Zweifel daran, dass dies nicht durchweg der Fall war. Bei den Äußerungen von Politikern im diplomatischen Verkehr ist ohnehin nicht zu erwarten, dass die Verantwortlichen eines Staates gesetzeswidrige Praktiken ihrer eigenen Behörden freimütig einräumen würden.

Veranschaulicht wird dies wiederum durch die von dem Zeugen G. B. geschilderte Unterredung, die er in seiner damaligen Eigenschaft als Bundesinnenminister mit dem Bundessekretär für Innere Angelegenheiten F. H. in Belgrad Anfang der 1980er Jahre geführt hatte. Bei dieser Gelegenheit habe ihm H. im Zusammenhang mit dem Tod der in Stuttgart-Stammheim inhaftierten RAF-Terroristen - quasi gratulierend -gesagt, das hätte man in Jugoslawien ebenso gehandhabt. Hierüber war der Zeuge B. auch nach über dreißig Jahren noch sichtlich empört. Zweifel an seiner lebhaften Schilderung hat der Senat nicht. Sein Aussageverhalten wird nachfolgend bei den Feststellungen zu C) noch eingehender gewürdigt.

Dass die jugoslawischen Staatssicherheitsdienste illegale Methoden zur Erreichung ihrer Ziele bewusst einsetzten, folgt auch aus den Ausführungen des Sachverständigen N. zur Planung und Durchführung der Entführung des in Deutschland lebenden B. T. Dieser wurde am 25. Februar 1975 nach Ljubljana verschleppt, bevor die jugoslawischen Behörden im Oktober 1975 seine Verschleppung „legalisierten“, indem sie ihm wegen Wirtschaftsdelikten den Prozess gemacht hätten. Hier wiesen von dem Sachverständigen eingesehene historische Dokumente aus, dass sich die Führungen der slowenischen und serbischen Sekretariate für Innere Angelegenheiten im Mai 1974 in Belgrad zur Besprechung des Falles trafen.

Durchgeführt worden sei die Entführung vom slowenischen Staatssicherheitsdienst, wobei nach den Unterlagen acht seiner Mitarbeiter direkt an der Entführung und sieben weitere an der Organisation, Dokumentation und Observierung beteiligt gewesen sein sollen.

Der Sachverständige berichtete weiterhin von der geplanten Entführung des V. S. aus Italien, die zunächst für August 1975 vorgesehen gewesen sei. In den entsprechenden von ihm eingesehenen Unterlagen des SDB, die im kroatischen Staatsarchiv aufgefunden worden seien, sei dieses Vorhaben explizit als „illegale Verschiebung“ bezeichnet worden. Angesichts des fortgeschrittenen Alters und möglicher Erkrankungen hätten die Planer auch mit dem Tod des Entführungsopfers gerechnet, zumal dieses von einem eigens hierfür mitgebrachten professionellen Anästhesisten betäubt und dann als vermeintlich betrunkener Mitreisender über die italienisch/slowenische Grenze verbracht werden sollte.

Die Feststellungen unter I.8. beinhalten allgemein kundige Tatsachen. Veranschaulicht wurden diese Feststellungen durch die Bekundungen des Zeugen V. S. Dieser wurde Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts Leiter der INA-Marketing, die für die INA die Beschaffung von Rohöl für die kroatische Volkswirtschaft gewährleisten sollte. Er schilderte anschaulich die durch den drastischen Preisanstieg entstandenen Schwierigkeiten, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Danach bezog Gesamtjugoslawien sein Rohöl zum Teil durch Importe aus den RWE-Staaten (= Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe), zum Teil von arabischen Ländern im Austausch gegen jugoslawische Produkte. Zum Teil musste das Rohöl aber auch von westlichen Mineralölkonzernen bezogen werden. Die beiden letztgenannten Lieferquellen rechneten das Rohöl zu den gestiegenen Weltmarktpreisen ab, was wegen der chronischen Devisenknappheit der jugoslawischen Volkswirtschaft zu Engpässen führte. Die Angaben des Zeugen hierzu sind glaubhaft.

Die Feststellungen unter I.9. beruhen, soweit es sich nicht um allgemeinkundige Tatsachen handelt, auf den Angaben der Sachverständigen N. und R.

Die Feststellungen unter - II.3. beruhen auf den Ausführungen und Erläuterungen der Sachverständigen N. und R.

Im Hinblick auf die beiden Militärgeheimdienste hat der Zeuge M. D., Soldat und Mitarbeiter im Bundessekretariat für Verteidigung in der Zeit von jedenfalls 1975 bis 1991, nähere Angaben gemacht und dem Senat ein Organigramm zur Verfügung gestellt. Der Zeuge legte dar, dass der militärische Abschirmdienst nur eingeschränkte Zuständigkeiten hatte (Schutz der militärischen Einrichtungen auf dem Staatsgebiet der SFRJ und der Militärangehörigen; Spionageabwehr auf dem Gebiet der SFRJ).

Seine vom sichtlichen Bemühen um Exaktheit getragenen Ausführungen legt der Senat insoweit zu Grunde. Ein Motiv des Zeugen, insoweit unzutreffende Angaben zu machen, ist nicht erkennbar. Der von der Verteidigung des Angeklagten P. beigebrachte Zeuge war sichtlich bemüht, historisch zutreffende Angaben zu machen. Eine Belastungsbzw. Entlastungstendenz war seinen Ausführungen nicht anzumerken.

Die Feststellungen unter II.4 beruhen auf den Angaben des Sachverständigen N. Dieser hat dabei in Bezug auf die Organisationsstruktur des kroatischen SDS eine als Rekonstruktion bezeichnete schriftliche Ausarbeitung herangezogen, die Mitte der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts der Zeuge J. G. gemeinsam mit dem Angeklagten P. erstellte. Soweit mit dieser Rekonstruktion der Versuch unternommen worden sein mag, die Verantwortlichkeit des SSUP bzw. des SDB gegenüber der Verantwortlichkeit des kroatischen SDS zu überzeichnen, spielt dies für die Frage der inneren Organisationsstruktur keine Rolle. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verfasser der Rekonstruktion insoweit unzutreffende Angaben gemacht haben, zumal zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Rekonstruktion - wie auch heute noch - zu viele Zeitzeugen existierten, die inhaltliche Unrichtigkeiten insoweit hätten aufdecken können.

Hinsichtlich der Organisation und Arbeitsweise des Rats zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der SRH beruhen die Feststellungen zusätzlich auf den Angaben des Zeugen V. M. Dieser Zeuge hat angegeben:

Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts habe dieser Rat sieben bis acht Mitglieder gehabt, nämlich den Präsidenten der SRH, Vertreter des SKJ, des Gewerkschaftsbundes, den Sekretär für Innere Angelegenheiten sowie einige weitere hochrangige Funktionäre. Die Sitzungen hätten einmal pro Monat stattgefunden, 63 bei aktuellen Situationen manchmal öfter. Der Ratsvorsitzende habe die Sitzungen einberufen und darüber entschieden, wer dazu geladen werde. Manchmal seien anlassbezogen weitere Personen hinzugezogen worden. Z. M. (der Angeklagte) sei damals als stellvertretender Sekretär im Sekretariat des Innern der SRH und damit als Leiter des SDS bei den Sitzungen regelmäßig anwesend gewesen. Stimmrecht habe er allerdings nicht gehabt.

Es kann auf sich beruhen, ob seine Angaben zur inhaltlichen Arbeit des Rates und zu seiner Kenntnis des Beratungsinhalts einzelner Sitzungen wirklich belastbar sind. Seine Angaben zur formalen Arbeitsweise und zur Zusammensetzung des Gremiums erscheinen dem Senat schon vor dem Hintergrund der ebenfalls eingeführten schriftlichen Unterlagen hierüber zutreffend.

Aus den genannten Protokollen ist auch die wiederholte Teilnahme des Angeklagten M. an Sitzungen des Rats zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung ersichtlich.

II. Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu C

Die Feststellungen zu C fußen wie im nachfolgenden dargelegt auf den Ausführungen der Sachverständigen N. und R., wobei der Senat die zusätzlichen Feststellungen, die sich so nicht aus deren mündlich erläuterten Gutachten gewinnen ließen, aufgrund der nachfolgend dargelegten Beweismittel gewonnen hat.

Die Feststellungen zu bis I.3. beruhen auf den Ausführungen der Sachverständigen R. und N., die sie im Rahmen der Hauptverhandlung mündlich erläuterten.

Die von dem Sachverständigen N. referierte Schätzung von 120.000 Emigranten in der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde vom slowenischen Sekretariat für Innere Angelegenheiten 1970 vorgenommen, wobei sich keine Anhaltspunkte finden, wonach diese Zahl aus politischen Motiven heraus nach oben oder unten manipuliert worden sein soll. Die Zahl von 16.000 Emigranten in Österreich und Italien 1946 stellt ebenfalls nur eine Schätzung dar, die sich auf das umfangreiche Umsiedlungsprogramm der Internationalen Flüchtlingsorganisation in den Jahren 1947/1948 stützt.

Bestätigt und veranschaulicht werden die Feststellungen der Sachverständigen insoweit durch die Angaben des Zeugen A. J., Sohn des J. J. bzw. Neffe des B. J. J. J. folgte seinem Bruder B. nach dessen Tod im Vorsitz des HNO nach. A. J. verdeutlichte dem Senat ausführlich anhand der Geschichte seiner Familie die Entwicklung der politischen Emigration in Deutschland. Er gab an, seine Eltern hätten mit Kriegsende Kroatien verlassen und in Meran geheiratet. Als Fluchtgrund gab er an, die Familie habe zur kroatischen Oberschicht gehört und mehrere Familienangehörige seien im formal unabhängigen Kroatien während des Krieges in staatlicher Funktion tätig gewesen. Die Mutter habe aus einer sehr begüterten Familie gestammt. Alle hätten im Falle eines Verbleibens in Kroatien um ihr Leben gefürchtet. Sie seien dann nach Argentinien ausgewandert, wo er zur Welt gekommen sei. Sein Onkel Dr. B. J. sei bei Kriegsausbruch auf der Rückkehr von einer Vortragsreise durch die USA auf dem Schiffsweg von den britischen Behörden aufgegriffen und bis Kriegsende in Großbritannien interniert worden. Nach dem Krieg habe sich dieser als Arzt in West-Berlin niedergelassen und dort den HNO gegründet, der von bundesdeutscher Seite finanziell unterstützt worden sei. Der Onkel, der Mitglied der CDU geworden sei, habe namens des HNO auch eine Zeitschrift herausgebracht. Auf Drängen seines Onkels sei die Familie in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. Sein Vater habe ein Unternehmen des Onkels in Geretsried geführt.

Die detaillierten Angaben des Zeugen beruhen freilich für die Zeit bis Ende der sechziger Jahre weitgehend auf Hören-Sagen, was der Zeuge so auch selbst kundtat. Zweifel an diesen Angaben sieht der Senat nicht. Zwar mag die Schilderung insoweit von einer gewissen Tendenz zur Idealisierung geprägt gewesen sein. Die hier interessierenden Details fügen sich ihrerseits aber nahtlos in das historische Gesamtbild der damaligen Zeit ein. Ein Motiv des Zeugen, den Senat insoweit mit der Unwahrheit zu bedienen, ist nicht erkennbar. Die Angaben wirkten glaubhaft.

Dass in Folge der Niederschlagung des „kroatischen Frühlings“ zahlreiche Aktivisten den Weg in die Emigration wählten, ergibt sich aus der Analyse des Bundesnachrichtendienstes vom 7. September 1981 „Der „kroatische Frühling“ und seine Rejektionen in der Emigration“, die sich mit den Konflikten zwischen den Neuankömmlingen und der bereits etablierten Emigrantenszene befasst. Damit in Einklang stehen die Bekundungen des Zeugen K. P. hinsichtlich seiner Flucht aus Jugoslawien 1971 und seiner Motive hierfür. K. P. gab insoweit an, er habe in seiner Heimatstadt Plakate aufgehängt, die für die Ziele des „kroatischen Frühlings“ warben, und sei deshalb von der örtlichen Polizei vorübergehend festgenommen worden. Um weiteren Repressalien zu entgehen, habe er sich entschlossen, nach Deutschland zu fliehen, zumal eine Schwester von ihm in Westberlin lebte.

Die Feststellungen zu I.4. beruhen auf den Ausführungen der Sachverständigen N. und R. Der Sachverständige R. hat insbesondere die Zahlen der sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhaltenden jugoslawischen Staatsangehörigen bekundet, wobei er sich auf Erhebungen des Bundesinnenministeriums bezog. Die Situation der zersplitterten Emigrantenszene wurde mit freilich unterschiedlichen Blickwinkeln namentlich vom Zeugen K. P. einerseits und vom Zeugen A. J.andererseits dargestellt.

K. P. hatte sich nach seinen eigenen, mit seinen Ausweispapieren und den Feststellungen im gegen ihn ergangenen Urteil des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts München vom 16. Juli 2008 (Az.: 6 St 5/05 [2]) in Einklang stehenden Angaben während der Niederschlagung des „kroatischen Frühlings“ nach Westberlin begeben und politisches Asyl beantragt. Hier schloss er sich Dr. B. J.an und war von diesem als vorwiegend technisch beschäftigter Mitarbeiter für die Zeitschrift eingestellt worden. Nach dem Tod des Dr. B. J. sei er nach Geretsried umgezogen und habe für J. J., der die Leitung des HNO übernahm und dessen Zeitschrift „Der kroatische Staat“ (Hrvatski drzavni) nunmehr in Geretsried druckte, zuletzt als Generalsekretär des HNO gearbeitet. Die Emigrantenszene beschrieb er als miteinander rivalisierende Kleingruppen, die zu einer wirksamen Kooperation nicht bereit gewesen seien. J. J. sei im Gegensatz zu Dr. B. J. sehr spröde gewesen, weswegen die Zahl der Mitglieder des HNO kontinuierlich abgenommen habe. Der HNO habe gewalttätige Aktionen strikt abgelehnt. J. J. habe nach einem Kontakt zu B. B. von sich aus das Bundesamt für Verfassungsschutz über dessen Gewaltbereitschaft verständigt.

Auch der Zeuge A. J. schilderte, dass sein Vater J. J. nach dem Tod des Dr. B. J.die Leitung des HNO übernommen, er über wenig Charisma verfügt habe und unter den Emigranten zahlreiche Konflikte bestanden hätten. Wie P. gab auch er an, dass die Emigranten sich häufig gegenseitig verdächtigt hätten, als Informanten für den jugoslawischen Geheimdienst zu arbeiten. Das gesellschaftliche Ansehen der Emigranten in der Bundesrepublik Deutschland sei nicht gut gewesen. Nach einem Sprengstoff-Anschlag auf seinen Onkel B. J. sei er in der Schule von einem Lehrer auch entsprechend bloß gestellt worden. Er selbst habe zwar Fahrdienste für den Onkel geleistet und sollte auch einmal auf einer Gedenkveranstaltung am Mahnmal in Bleiburg sprechen, sei daran aber von den österreichischen Behörden gehindert worden. Er habe sich zunehmend weniger politisch als Emigrant betätigt und sich seinem Studium der Rechtswissenschaft gewidmet.

Der Zeuge G. B. gab an, er habe als damaliger Bundesinnenminister (von 1978 bis 1982) mehrere Emigrantenorganisationen vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachten lassen und auch vom Mittel des Vereinsverbots Gebrauch gemacht.

Die Angaben der Zeugen P., J. und B. zu diesen Feststellungen sind jeweils in sich widerspruchsfrei und wirkten insoweit glaubhaft. Anlass, insoweit die Unwahrheit zu sagen, hatte insoweit keiner der Zeugen. Das gilt namentlich auch für den Zeugen K. P., der zwar zum eigentlichen Tatgeschehen Angaben machte, die seine strafrechtliche Beteiligung in Zweifel ziehen sollten. Gleichwohl erachtet der Senat seine Schilderungen der Verhältnisse der Emigration von seinem Eintreffen in Deutschland bis zum Beginn der achtziger Jahre für zutreffend. Es ergibt aus seiner Sicht keinen Sinn, die einem größeren Personenkreis bekannten Verhältnisse dem Senat unzutreffend darzustellen, da dies seinem Anliegen, seine Beteiligung an der verfahrensgegenständlichen Tat glaubhaft leugnen zu wollen, nur abträglich sein könnte.

Anhaltspunkte dafür, dem Zeugen G. B. im Hinblick auf die hier getroffenen Feststellungen keinen Glauben zu schenken, sieht der Senat nicht.

Der Zeuge B. hat lebhaft seine Rolle in der damaligen Bundesregierung geschildert, wobei ein sichtliches Bemühen, Kritik an deren Verhalten, insbesondere deren Passivität gegenüber den an Emigranten in Deutschland verübten Gewaltdelikten, entgegenzutreten, unverkennbar war. Bezeichnend insoweit waren sein Verweis auf die Zuständigkeit der Justiz der Länder für die Verfolgung von Tötungsdelikten gegen Exil-Jugoslawen und der Umstand, dass er im Nachgang hierzu auf die Zuständigkeit des Bundesjustizministeriums verwies. Dass die Aussage des Zeugen auch nicht mit der des Zeugen K. von D. abgesprochen war, wird verdeutlicht durch den Umstand, dass der Zeuge B. klar zum Ausdruck brachte, dass man von der Verantwortlichkeit der jugoslawischen Sicherheitsbehörden für Anschläge auf Exiljugoslawen ausging, während der Zeuge von D. demgegenüber angab, es habe insoweit nur vage Anhaltspunkte gegeben und keine stichhaltigen Beweise, die eine diplomatische Intervention gerechtfertigt hätten. Anhaltspunkte, dass der zum Zeitpunkt seiner Vernehmung 82-jährige Zeuge B. in seiner Erinnerungsfähigkeit oder seiner intellektuellen Leistungsfähigkeit eingeschränkt wäre, ergaben sich nicht.

Die Feststellungen zu II.1 beruhen auf den Angaben der Zeugen K. von D., G. G. und B. L. sowie dem Auszug aus dem Zusatzvermerk über die Gespräche des Bundeskanzlers H. S. mit dem Vorsitzenden des Bundesexekutivrats der SFRJ V. D. am 10. und 12. Februar 1981. Der Zeuge von D. war von 1976 bis 1981 Staatsminister im Auswärtigen Amt. Er schilderte die Wahrnehmung Jugoslawiens durch die Bundesregierung. Danach war diese an guten Beziehungen zu Jugoslawien sowie daran interessiert, dass sich das Land nicht destabilisiere. Man betrachtete den Umstand, dass das sozialistische Land nicht dem Warschauer Pakt angehörte, als politisch vorteilhaft. Die Bemühungen um gute Beziehungen zu Jugoslawien standen einer Unterstützung der exilkroatischen Bewegungen in dem bis in die sechziger Jahre hinein gepflegten Umfang entgegen. Von Mordanschlägen des Regimes gegen Emigranten auf dem Gebiet der Bundesrepublik habe man keine konkrete Kenntnis gehabt. Für die Verfolgung solcher Verbrechen seien auch die Bundesländer zuständig gewesen.

Der Zeuge B. räumte demgegenüber ein, dass er zumindest gegen Ende seiner Amtszeit davon ausgegangen sei, dass von der jugoslawischen Regierung Mordanschläge in der Bundesrepublik initiiert worden seien. Wörtlich sagte er in Bezug auf den „Anschlag in Stuttgart“ 1981, dem drei kosovarische Aktivisten zum Opfer fielen: „Das war eindeutig Staatsterrorismus“. Damit bezog er sich offenkundig auf den Mordanschlag auf J. G., B. G. und Z. K. in Untergruppenbach bei Heilbronn. Der Zeuge schilderte die Bemühungen der Bundesregierung, die Auslieferung einer Gruppe RAF-Terroristen um B. M., die sich während seiner Amtszeit in Jugoslawien aufhielt, zu erlangen. Die jugoslawische Seite habe dies von der Auslieferung des S. B. abhängig gemacht, zu der sich die Bundesregierung aber nicht bereitgefunden habe, da ein menschenwürdiger Umgang der jugoslawischen Behörden mit B. nicht gewährleistet gewesen sei. Dass die Bundesregierung sich im Zusammenhang mit der Geiselnahme im deutschen Konsulat in Chicago den Attentätern gegenüber in den Verhandlungen mit diesen verpflichtet habe, B. nicht nach Jugoslawien auszuliefern, stellte er dezidiert in Abrede. Die in der Bundesrepublik Deutschland aktiven Emigrantenorganisationen hätten unter sicherheitspolitischen Aspekten kaum eine Rolle gespielt, zumal die öffentliche Wahrnehmung des Links-Terrorismus alles andere überschattet habe.

Der Zeuge B. L., Botschafter Jugoslawiens in der Bundesrepublik Deutschland von 1973 bis 1977, bestätigte die Darstellung der beiden anderen Zeugen. Insbesondere beschrieb er das Verhältnis Jugoslawiens zur Bundesrepublik Deutschland als herzlich. Er berichtete von den gegen Jugoslawien gerichteten terroristischen Aktivitäten zu jener Zeit und von dem Bemühen um eine Zusammenarbeit der Polizeibehörden beider Staaten in diesem Zusammenhang. Mit der tatsächlichen Abwicklung der Zusammenarbeit der Polizeibehörden sei er aber nicht befasst gewesen.

Ausweislich des Auszugs aus dem Zusatzvermerk über die Gespräche des damaligen Bundeskanzlers S. mit dem damaligen jugoslawischen Regierungschef D. am 10. und 12. Februar 1981 wies der Bundeskanzler darauf hin, dass die Bundesregierung und auch er persönlich das Mögliche täten, um antijugoslawische Aktivitäten aus Emigrantenkreisen in der Bundesrepublik Deutschland zu unterbinden. Die Bundesregierung habe sich vor zwei Jahren Mühe gegeben, bestimmte Personen nach Jugoslawien auszuliefern, was durch die Entscheidung der Gerichte unmöglich gemacht worden sei. Dabei sei für die Gerichte maßgeblich gewesen, dass die auszuliefernden Personen in Jugoslawien gefährdet seien, was wiederum dadurch glaubhaft erscheine, weil auch auf deutschem Boden deren Leben gefährdet gewesen sei. Es sei der Eindruck entstanden, dass jugoslawische Dienste auf deutschem Boden Dinge täten, die mit „unseren Gesetzen“ nicht in Einklang stünden. In letzter Zeit seien wieder mehrere Personen Opfer von Anschlägen auf deutschem Boden geworden. Kein deutscher Politiker wolle öffentlich Verdächtigungen aussprechen, weil niemand die deutschjugoslawischen Beziehungen gefährden wolle. Der Bundeskanzler regte an, der jugoslawische Regierungschef möge sich in Belgrad einen Überblick über das verschaffen, was die jugoslawischen Geheimdienste auf deutschem Boden tun. Eine mögliche Gefährdung des guten Einvernehmens zwischen beiden Ländern solle im Keim erstickt werden. D. erwiderte, dass es das Problem seit dem Bestehen beider Länder gebe. Es habe terroristische Aktivitäten gegen Jugoslawien von deutschem Boden aus gegeben, die das politische Klima in Jugoslawien negativ beeinflussten. Es bestehe die Gefahr, dass Deutsche und Jugoslawen mit zweierlei Maßstäben messten. Jugoslawien betrachte die Täter als Terroristen, die morden und Bomben legen. Die Bundesregierung habe in zwei Fällen die Auslieferung nicht angeordnet, obwohl das nach Gerichtsentscheidungen möglich gewesen sei. Insoweit wies der Bundeskanzler darauf hin, dass dann mit einer Intervention des Bundesverfassungsgerichts zu rechnen gewesen wäre. Der jugoslawische Regierungschef sagte, seine Regierung sorge dafür, dass ihre Sicherheitsdienste nicht gegen die Gesetze anderer Länder verstoßen. Er selbst sei seit vier Jahren Mitglied im Rat zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung unter dem Vorsitz von V. B., der nie die Genehmigung zu solchen Aktivitäten geben würde. Der Bundeskanzler sagte hierzu, davon sei er überzeugt.

D. wies noch darauf hin, dass entgegen der Annahme des Bundeskanzlers die jugoslawische Führung über die Aktivitäten der Dienste sehr wohl unterrichtet sei. Die Situation sei anders als bis 1966.

Hinsichtlich der Belastbarkeit der Angaben des Zeugen B. gilt das bereits Gesagte, wobei seine Schilderungen durch den Zusatzvermerk über das Gespräch des Bundeskanzlers mit dem jugoslawischen Regierungschef weitgehend untermauert werden.

Hinsichtlich des Zeugen von D. gilt im Grundsatz dasselbe, von der bereits erwähnten Diskrepanz seiner Darstellung zu der des Zeugen B. hinsichtlich des Kenntnisstandes bezüglich der Verwicklung staatlicher jugoslawischer Stellen in Mordanschläge auf dem Bundesgebiet abgesehen. Soweit er angab, man habe nur eine vage Ahnung von den Verwicklungen jugoslawischer Dienste in Mordanschläge auf dem Bundesgebiet gehabt, steht dies in Widerspruch auch zu den bereits dargestellten Aussagen des Bundeskanzlers bei seinen Gesprächen mit dem jugoslawischen Regierungschef am 10. und 12. Februar 1981. Zu erklären ist diese Diskrepanz mit der bereits beim Zeugen B. festgestellten Beschönigungstendenz. Dass seine übrigen Angaben belastbar und zutreffend waren, steht für den Senat jedoch aufgrund ihrer Übereinstimmung mit den Aussagen von B. und L. außer Frage.

Auch dieser zum Zeitpunkt seiner Einvernahme 87-jährige Zeuge von D. zeigte keine altersbedingten Einschränkungen seiner Aussagetüchtigkeit. Erinnerungslücken bezeichnete er von sich aus als solche. Diese sind aufgrund des langen Zeitablaufs erklärbar. Auch bei der Aussage dieses Zeugen war das Bemühen, jeglicher Kritik am Verhalten der Bundesregierung entgegenzuwirken, erkennbar. Dies ändert an der Belastbarkeit der Angaben, soweit sie hier den Feststellungen des Senats mit zugrunde gelegt wurden, jedoch nach Einschätzung des Senats nichts, zumal sich aus dem dargestellten Gesprächsinhalt zwischen dem Bundeskanzler und dem jugoslawischen Regierungschef ersehen lässt, dass sowohl die Bundesregierung als auch die jugoslawische Bundesregierung die Aufrechterhaltung guter Beziehungen für wichtiger erachteten als die Auseinandersetzung um die Situation der Emigranten.

Auch der zum Zeitpunkt der Einvernahme 92-jährige Zeuge B. L. zeigte keine altersbedingten Einschränkungen seiner Aussagetüchtigkeit. Freilich verwies er, soweit es um Detailfragen ging, häufiger auf den zwischenzeitlichen Zeitablauf. Sein Aussageverhalten war vom Bemühen um eine Idealisierung der damaligen Verhältnisse geprägt, was für die Erinnerungsschwächen bei Details mitursächlich gewesen sein kann. Zweifel an der Darstellung der von ihm geschilderten Fakten ergeben sich daraus jedoch nicht, sieht man von der Behauptung, jugoslawische Behörden seien nicht an subversiven Aktivitäten in fremden Ländern beteiligt gewesen, ab. Insoweit geht aber der Senat davon aus, dass sich diese Aussage - auch dann noch idealisierend - lediglich auf die diplomatischen Dienste bezog.

Der Senat hegt keine Zweifel an der Authentizität des Auszugs aus dem Zusatzvermerk über die Gespräche des Bundeskanzlers H. S. mit dem jugoslawischen Regierungschef. Er ist sich dabei bewusst, dass dieser in den amtlichen Unterlagen des Bundesinnenministeriums tradierte Vermerk lediglich einen Auszug aus dem - vollständig dem Senat nicht vorgelegten - Zusatzvermerk darstellt. Anhaltspunkte dafür, dass jemand den Inhalt dieses amtlichen Dokuments manipulierte oder dass bereits bei dessen Erstellung die Gesprächsinhalte absichtlich unrichtig wiedergegeben wurden, sind nicht erkennbar. Das Dokument fügt sich in die zeitgeschichtliche Situation nahtlos ein. Motive für eine Verfälschung der Gesprächsinhalte sind nicht erkennbar.

Dass die Hauptursache für die kaum vorhandene öffentliche Wahrnehmung ihrer Anliegen die Zersplitterung der Emigrantenszene darstellt, ist eine Schlussfolgerung des Senats, wobei die bereits angesprochene Analyse des Bundesnachrichtendienstes vom 7. September 1981 „Der „Kroatische Frühling“ und seine Reflektionen in der Emigration“ diese anhand der dargestellten Konflikte zwischen den jüngeren Emigranten und den bereits seit Kriegsende im Ausland weilenden Emigranten veranschaulicht.

Die Feststellungen unter II.2. beruhen im Wesentlichen auf den Ausführungen des Sachverständigen R.

Die konkret bezeichneten Anschläge gegen jugoslawische Einrichtungen ergeben sich aus einer Zusammenstellung, die der Zeuge B. S. unter dem Titel „Die schwerwiegendsten diversionistischterroristischen Aktionen der Jugo-Emigration zwischen 1945 und 1982; Der Tod ist ihr Handwerk“ publiziert hat. Teilweise werden die Anschläge auch vom Sachverständigen R. erwähnt. Der Zeuge P. P hat seine Beteiligung an dem Anschlag auf R. S und seine Verurteilung durch die deutsche Justiz hierfür auch eingeräumt. Gegen F. G. wurde später ein Mordanschlag verübt, für den die Täter von der Justiz zur Rechenschaft gezogen wurden. Das diesbezügliche Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 23. Juli 1981 (Az.: 29 Js 54/80) traf zur Tötung des Konsuls M. durch G. folgende Feststellungen:

„Der Zeuge F. G. kam im Jahre 1962 als Gastarbeiter aus Jugoslawien in die Bundesrepublik, nachdem er in seiner Heimat mehrfach mit den dortigen Behörden in Konflikt geraten war. Gegen das Versprechen, für den jugoslawischen Geheimdienst, die UdBA, zu arbeiten, war ihm eine Bestätigung bisheriger Straflosigkeit zur Erlangung der Einreisegenehmigung nach Deutschland ausgestellt worden. Im Juli 1966 wurden ihm durch Angehörige der UdBA für die Ermordung führender Männer der kroatischen Emigrationsorganisation MRB jeweils 20.000 DM angeboten. Der Zeuge G. erklärte sich hierzu bereit, meldete den ihm erteilten Auftrag aber der Polizei in Karlsruhe am 22.7.1966. Am 24.8.1966 erhielt er von dem jugoslawischen Vizekonsul M. eine Pistole mit Munition für die Durchführung von Attentaten. Der Zeuge G. brachte diese Waffe zum Landeskriminalamt Baden-Württemberg. Mit einer anderen illegal erworbenen Schusswaffe ging er am 30.08.1966 zu einem erneuten Treffen mit dem Vizekonsul. Nachdem er wiederholt auf seinen Auftrag angesprochen worden war, und Ausflüchte gebrauchte, drohte M. ihm, er und seine Familie würden bei weiterer Weigerung umgebracht werden. Darauf erschoss G. den Vizekonsul M. und ließ sich am Tatort widerstandslos festnehmen. Hierfür wurde er durch Urteil des Schwurgerichts in Stuttgart vom 21.4.1967 -Az: Ks 18/66 wegen Totschlags zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt.“

Diese Feststellungen entsprechen denjenigen des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 21. April 1967 (Az.: Ks 18/66).

Bei B. S. konnte im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme durch den Senat ein übersteigertes Geltungsbedürfnis festgestellt werden. Er legte Wert darauf, auf seine Tätigkeit für den SDB und die Bekämpfung der „feindlichen Emigration“ nach wie vor stolz zu sein. Geradezu feixend berichtete er von den nächtlichen Drohanrufen bei Emigranten im Rahmen der von ihm zu verantwortenden „Kontrapropaganda“. Der von ihm gefertigten Zusammenstellung von Terroranschlägen, die Emigranten zugerechnet wurden, kann daher eine Tendenz zur Aufbauschung unterstellt werden. So rechtfertigen die Feststellungen des Landgerichts Stuttgart zur Tötung des Vizekonsuls M. durch G. die Darstellung als Terrorakt kaum. Andererseits hält es der Senat für ausgeschlossen, dass S. bei dieser Zusammenstellung Anschläge frei erfunden hat. Seine Darstellung spiegelt jedenfalls die Wahrnehmung der von der Emigration ausgehenden Bedrohung durch die jugoslawischen Sicherheitsbehörden und Politiker zutreffend wieder.

Wie es tatsächlich zu den Aktionen kam, ist aus Sicht des Senats für das vorliegende Verfahren unerheblich. Für den vorliegenden Fall kommt es nicht darauf an, ob die Zuordnung dieser Anschläge zu exilkroatischen Kreisen objektiv zutrifft oder nicht. Erst recht kommt es nicht darauf an, ob die Einstufung der Taten als terroristisch sachlich zutreffend ist. Entscheidend ist vielmehr, dass die jugoslawischen Sicherheitskräfte diese Zuordnung vornahmen und von einer entsprechenden Bedrohung ausgingen und diese dann auch gegenüber den politisch Verantwortlichen zum Ausdruck brachten. Entsprechend ist die Größenordnung der Zahl der verübten Anschläge zu würdigen, wobei sich der Senat auch insoweit auf die Darstellung des Zeugen S. bezieht. Dass die Angaben des Zeugen S. nicht völlig aus der Luft gegriffen waren, ergibt sich aus den Bekundungen des Zeugen P. und dem Urteil bezüglich des Anschlags auf G. Der Zeuge P. hatte auch kein erkennbares Motiv, seine strafrechtliche Verurteilung Anfang der Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts und deren Hintergründe zu erfinden. Dass die jugoslawischen Behörden von einer akuten terroristischen Bedrohungslage für ihr Land ausgingen, wurde auch vom Zeugen L. bekräftigt, der nach seiner Zeit als Botschafter Jugoslawiens in Bonn für vier Jahre das Amt des Botschafters Jugoslawiens in den Vereinigten Staaten von Amerika bekleidete und in der Spätphase Jugoslawiens zum Außenminister aufstieg. Dieser schilderte die von ihm so wahrgenommene Bedrohung Jugoslawiens durch die terroristische Bedrohung plastisch und insoweit in sich widerspruchsfrei.

Dass die jugoslawischen Behörden von einer durch die Emigranten bedingten terroristischen Bedrohungslage ihres Landes ausgingen, ergibt sich aus den Protokollen über die Sitzungen des Rats zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung Kroatiens. So informierte der Angeklagte M. am 12. Oktober 1982 den Rat darüber, dass die bisherigen Ermittlungsergebnisse darauf hinwiesen, dass ein gefasster Terrorist, der in verschiedene Toiletten in Kroatien Sprengstoffe gelegt habe, durch die Emigrantenkreise von S. B. geleitet worden sei. Am 1. Juni 1983 setzte der Angeklagte M. die Ratsmitglieder über Erkenntnisse des Dienstes über die Bestrebungen extremistischer Organisationen in Kenntnis. Diese beabsichtigten, eine ganze Reihe von „diversantischterroristischen und anderweitigen Aktionen im Ausland und im Lande (insbesondere im touristischem Bereich) auszuführen“, um die touristische Saison zu stören. In diesem Zusammenhang informierte er den Rat auch über die Maßnahmen und Aktivitäten, die die Organe für innere Angelegenheiten, zusammen mit anderen Faktoren des Systems des gesellschaftlichen Selbstschutzes, unternommen hätten und weiter unternähmen, um diesen Aktionen vorzubeugen.

Die von Tito unterzeichnete Direktive vom 21. Juli 1972 hat auszugsweise folgenden Wortlaut: „Staatsgeheimnis … Als Folge der bekannten negativen Ereignisse in der Welt im letzten Jahrzehnt, neben lokalen und begrenzten Kriegen und Interventionen, sind kleine und blockfreie Staaten einem „speziellen Krieg“ ausgesetzt, der ge gen sie geführt wird, mit politischem, wirtschaftlichem und militärischem Druck und Interventionen, mit nachrichtendienstlichsubversiven, psychologischpropagandistischen und anderen umstürzlerischen Aktionen, durch die Schaffung einer zeitgenössischen „fünften Kolonne“ und die Erzeugung von innerem Zwist, Staatsstreichen und anderen Aktivitäten. Dieser „spezielle Krieg“ wird in der Regel mit Unterstützung „innerer Kräfte“ dieser Länder geführt. Für seine Organisation und Durchführung wurden spezielle Konzepte, Doktrinen und Strategien erarbeitet und es wurden spezielle Kräfte und Mittel organisiert und Maßnahmen auf der Ebene der Entwicklung spezieller Bewaffnung und Ausrüstung unternommen. Schon seit mehreren Jahren wenden antikommunistische und Antiselbstverwaltungs-Kräfte die unterschiedlichsten Formen und Methoden eben dieses „speziellen Krieges“ an, im Rahmen derer der innere Feind und die extreme politische Emigration die Intensität der kontrarevolutionären Aktivität gegen unsere sozialistische Selbstgemeinschaft verstärken. Während ihr Schwerpunkt früher mehr auf psychologischpropagandistischen Aktivitäten lag, sind sie später zu umstürzlerischen Aktivitäten übergegangen, vor allem zu Versuchen, die Einheit Jugoslawiens durch separatistischnationalistische und ähnliche Bewegungen zu zerstören, wobei diese Aktivität in der letzten Zeit eskaliert ist, indem auch brutalste Formen der Vorgehensweise benutzt wurden: Terror, Diversion, Einschleusen bewaffneter Banden, u.ä. Es werden nahezu alle Bereiche unserer gesellschaftlichpolitischen Aktivitäten angegriffen: Innen-, Außen-, Verteidigungs-, Wirtschafts-, Kulturpolitik usw. Die Intensität, der Umfang und die möglichen Folgen von alldem verlangen nach effizienten, organisierten und langfristigen Maßnahmen in allen Gesellschaftsstrukturen, insbesondere auf der Ebene von politischen Ideen, der Volksverteidigung, der Sicherheits- und Außenpolitik. … Brioni, 21. Juli 1972.“

Dass die terroristische Bedrohung durch die Emigranten auch über die verfahrensgegenständliche Tat hinaus von jugoslawischen Behörden unverändert angenommen wurde, zeigt die 22-seitige Ausarbeitung des Republiksekretariats des Innern der Sozialistischen Republik Bosnien-Herzegowina vom April 1987 mit der Überschrift: „Bekämpfung der Tätigkeit ausländischer Nachrichtendienste und feindlicher Emigration“ mit den Themen: „Maßnahmen des psychischen Drucks, der Belästigung, Einschüchterung und Desinformation gegen Extremisten zwecks Zersetzung und Zerschlagung von Emigrantengruppen“, „Die Aufgaben des SDB gegenüber einigen „geschlossenen“ Gruppierungen und Brennpunkten der Ustascha-Emigration.“ und „Formen, Methoden und Ziele der subversiven Propagandatätigkeit der Emigration, Tätigkeit und Maßnahmen des SDB“.

III. Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu D

1. Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu D.I.1

Die Feststellungen zu D.I.1 beruhen auf den Angaben der Sachverständigen N. und R. Belegt werden deren Angaben hinsichtlich des Anwerbens und des Einsatzes von informellen Mitarbeitern unter den Emigranten durch die Angaben der Zeugen B. S., S. M., P. G., J. M., I. S., V. B. und K. P., wobei nur der Zeuge M. vom SID angeworben wurde, während die übrigen Zeugen über ihre Anwerbung durch Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes ganz überwiegend durch den kroatischen SDS berichteten. Allen Aussagen war wesensimmanent, dass die Zeugen die Relevanz der von ihnen den jugoslawischen Behörden zur Verfügung gestellten Informationen als gering einstuften.

Belegt wird die Arbeitsweise namentlich des kroatischen SDS, Informanten in der Emigrantenszene zu platzieren, durch die Angaben des Zeugen K. P., der schilderte, wie der Angeklagte P. den Kontakt zu ihm aufbaute. Die Ehefrau des P., die Zeugin K. P., sei während eines Heimaturlaubs in Makedonien Mitte der Siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zu Gesprächen in die örtliche Polizei verbracht worden und dort vom Angeklagten P. angesprochen worden, der ihr eröffnete, er wisse über die Aktivitäten ihres Mannes Bescheid, und bitte darum, dass dieser telefonischen Kontakt zu ihm aufnehme. Seine Frau habe ihm nach der Rückkehr nach Deutschland einen ihr vom Angeklagten P. ausgehändigten Zettel mit dessen Telefonnummer gegeben. Er habe zunächst vorgehabt, sich deutschen Diensten zu offenbaren, dieses Vorhaben dann aber aufgegeben. Der Zettel sei in einem Hemd von ihm versehentlich verblieben und bei einem Waschvorgang verloren gegangen. Er habe das als Wink des Schicksals betrachtet und nichts weiter unternommen. Bald darauf sei unangekündigt der Angeklagte P. bei ihm vor der Wohnung aufgetaucht und habe ihn zu regelmäßiger Kontaktaufnahme aufgefordert. Bei einem wiederum nicht viel später stattgefundenen Treffen in Lüttich in Belgien, zu dem er von seiner Frau begleitet worden sei, habe er P. und einen weiteren Mann getroffen. Ergebnis dieses Treffens sei gewesen, dass er regelmäßig mit P. von einer Telefonzelle aus Gespräche geführt und über die Entwicklungen im HNO berichtet habe. Er habe von P. bei verschiedenen Treffen Geld als Spesenersatz erhalten.

Diesen Angaben des Zeugen P. schenkt der Senat Glauben, da sie mit dessen Angaben übereinstimmen, die er als Angeklagter in dem gegen ihn geführten Verfahren ebenso gemacht hatte, und sie auch seinen Angaben gegenüber den verdeckten Ermittlern entsprechen. Dass der Zeuge hinsichtlich der Datierung der Ereignisse nur ungenaue Angaben machte, erscheint dem Senat aufgrund des Zeitablaufs nachvollziehbar und spielt für die Frage, ob sich solches grundsätzlich zugetragen hat, keine Rolle. Die Zeugin K. P., die - kaum glaubwürdig - weitgehend Erinnerungslücken für diese Ereignisse vorgab, bestätigte immerhin das Treffen mit einem Mann auf einer Polizeistation in Makedonien, der P. gewesen sein könnte, und den Umstand, dass sie mit ihrem Mann eine Reise nach Lüttich/Liege unternommen habe. Ihre Behauptung, sie sei nach Lüttich gereist, um diese schöne Stadt einmal sehen zu können, hält der Senat in Kenntnis des allgemeinkundigen Umstands, dass es sich dabei um eine in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts von der Schwerindustrie geprägte belgische Industriestadt handelt, für einen Vorwand, um nähere Erläuterungen zum Reisegrund nicht angeben zu müssen.

Auch die Angaben des verstorbenen Zeugen J. M. (hierzu näher bei der Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu D.I.2. unter L.III.2.c.dd) hinsichtlich seiner Anwerbung durch den Angeklagten P., der ihn während seiner Inhaftierung in einem kroatischen Gefängnis aufsuchte und ihm gegen das Versprechen der Mitarbeit eine vorzeitige Haftentlassung in Aussicht stellte, belegen die Arbeitsweise der jugoslawischen Geheimdienste.

Dass neben der individuellen Passivierung einzelner Emigranten im Rahmen einer „psychologischen Kriegsführung“ seitens der jugoslawischen Geheimdienste auch Desinformationskampagnen innerhalb der Emigrantenszene gestartet wurden, berichtete der Zeuge S. Dieser hat von ihm so bezeichnete Aktionen der „Kontrapropaganda“, für die er als Mitarbeiter des SDB zuständig gewesen sei, näher beschrieben. Neben einer Postkartenaktion, mit der der Eindruck erweckt werden sollte, S. D. missbrauche das Andenken an die Ereignisse in Bleiburg nach dem Zweiten Weltkrieg für private Geschäftemacherei, berichtete er auch davon, dass eine komplette Ausgabe einer in London erscheinenden kroatischen Emigrantenzeitung (Nova Hrvatska [Neues Kroatien]) fingiert worden sei, insbesondere mit einem gefälschten, erfundenen Interview mit S. D. Beide Aktionen hätten neben der Diskreditierung des S. D. auch das Ziel verfolgt, unter den Emigranten den Eindruck zu erwecken, ihre Wohnanschriften seien Dritten, die sie nicht kennen, bekannt. Damit habe man die Empfänger der Postkarten ebenso verunsichern wollen wie diejenigen Emigranten, die die gefälschte Ausgabe der Nova Hrvatska als solche erkannten. S. berichtete auch davon, dass er wiederholt bei Emigranten nachts angerufen habe bzw. habe anrufen lassen, um diese zu verunsichern.

Zweifel an der Richtigkeit dieser Schilderungen des Zeugen S. sieht der Senat nicht. Die Einzelheiten der sich auf S. D. beziehenden Desinformationskampagne sowie die weiteren Ziele der Kampagne werden als zum eigentlichen Tatgeschehen gehörend nachfolgend bei der Beweiswürdigung zu H.I. dargestellt. Dass die Angaben des Zeugen S. von dessen übersteigertem Geltungsbedürfnis geprägt sind, ist aus Sicht des Senats kein Grund, ihm im Kern seiner Angaben keinen Glauben zu schenken. Sie stimmen insoweit mit den Feststellungen überein, die aus anderen Quellen stammen, die die gegen S. D. geführte Desinformationskampagne belegen (vgl. hierzu die Beweiswürdigung zu H.I.).

2. Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu D.I.2.

Die Feststellungen zu D.I.2 beruhen auf den nachfolgend darzustellenden Beweismitteln:

a) Zu den Zeugen aus den jugoslawischen Sicherheitsbehörden

Zwar hat keiner der als Zeugen einvernommenen Mitarbeiter der jugoslawischen Staatssicherheitsorgane eingeräumt, selbst an der Planung oder Umsetzung von Liquidierungen mitgewirkt zu haben. Die meisten Zeugen stellten aber nicht in Abrede, dass Liquidierungen Teil der staatlichen Maßnahmen gegen die Emigration darstellten. Dass keiner von diesen Zeugen mit solchen Operationen befasst war, hält der Senat für nicht plausibel. Dass die Zeugen trotzdem eine eigene Beteiligung oder auch nur konkrete Kenntnisse von Liquidierungen nicht berichteten, erklärt sich zum einen dadurch, dass diese Zeugen ersichtlich kein Interesse daran haben konnten, sich selbst zu belasten, zumal sie - neben der möglichen strafrechtlichen Konsequenzen - auch mit Repressionen für ein solches Aussageverhalten in ihren Heimatländern rechnen müssten. Hinzu kommt, dass die Planung und Umsetzung konkreter Liquidierungen regelmäßig nur einer überschaubaren Zahl von Personen bekannt waren und es deshalb als möglich erscheint, dass einzelne der einvernommenen Mitarbeiter der Staatssicherheitsorgane tatsächlich darin nicht involviert waren.

Im Einzelnen handelt es sich hierbei um die Zeugen

– J. G., während der Tatzeit nach eigenen Angaben in der Abteilung Analytik des kroatischen SDS und erst von 1985 bis 1990 Mitarbeiter der II. Abteilung,

E. G., während der Tatzeit nach eigenen Angaben Mitarbeiter in der vom Angeklagten P. geführten Abteilung II des kroatischen SDS,

M. D., Mitarbeiter des militärischen Geheimdienstes, der nach der Flucht S. D. dessen nachrichtendienstlichen Aktivitäten aufklären sollte,

Mi. D., zur Tatzeit Leiter der Abteilung II im SDS-Zentrum für die Stadt Zagreb,

P. F., von 1978 bis 1982 Präsident der kroatischen Regierung, unmittelbar im Anschluss daran bis 1990 Präsident des Geschäftsausschusses der IN-A,

S. G., in seiner Eigenschaft als stellvertretender Innenminister (= Untersekretär im Sekretariat für Innere Angelegenheiten der Sozialistischen Republik Slowenien) Leiter des slowenischen Staatssicherheitsdienstes von 1966 bis 1968, Innenminister Sloweniens von 1969 bis 1972 und danach stellvertretender Bundesinnenminister mit der Zuständigkeit für die Leitung des SDB,

B. T., zur Tatzeit Mitarbeiter in der vom Angeklagten P. geleiteten Abteilung II im SDS Kroatiens, später dessen Nachfolger als Leiter der Abteilung II,

B. S., nach eigenen Angaben Inspektor in der Abteilung II des SDB, zuständig für Kontra-Propaganda,

– P. G., vom 1.7.1982 bis September 1983 Sekretär für Innere Angelegenheiten der SRH und damit der unmittelbare Vorgesetzte des Angeklagten M. zur Tatzeit,

– G. L., zur Tatzeit Mitarbeiter in der Abteilung II des für die Stadt Zagreb zuständigen SDS-Zentrums,

– M. M., von 1976 bis 1986 Mitarbeiter der II. Abteilung im SDS-Zentrum Rijeka,

– M. K., Leiter der IX. Abteilung des Staatssicherheitsdienstes der Volksarmee in Ljubljana,

– I. E., ab 1985 Leiter des slowenischen Staatssicherheitsdienstes,

– B. K., Leiter der Abteilung I im SDS-Zentrum für die Stadt Zagreb,

– D. K., Leiter des SDS-Zentrums Osijek von 1972 bis 1979 und danach bis 1982 dort stellvertretender Leiter,

– Dr. P. P., von 1978 bis 1982 dem ZK verantwortlicher Exekutivsekretär, zuständig für das Schulwesen, das Gesundheitssystem und die Medien,

– V. M., Sekretär des Rates zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der Republik Kroatien von 1978 bis 1988,

– S. B., ab September 1979 Leiter der I. Abteilung, also der Abteilung für die innere Problematik im SDS auf Republikebene,

– I. C., Leiter des SDS-Zentrums der Stadt Sarajevo nach eigenen Angaben von 1967 bis ungefähr 1972,

– M. R., Mitarbeiter im SDS-Zentrum Zagreb während der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts,

– M. K., Mitarbeiter der Abteilung II im SDS-Zentrum Split nach eigenen Angaben von 1987 bis 1980,

– B. B., von etwa 1980 bis 1984 nach eigenen Angaben Leiter des slowenischen Staatssicherheitsdienstes,

– I. P., von 1980 bis 1985 Mitarbeiter des slowenischen Staatssicherheitsdienstes,

– D. S., Leiter des SDB-Zentrums für die Stadt Belgrad Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts,

– I. L., zunächst Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes für die Republik Bosnien-Herzegowina in Sarajevo und von 1983 bis 1985 Leiter der Abteilung II des SDB,

– S. S., von etwa 1973 an bis über den Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Tat hinaus Chef der Operative des Republik-Sekretariats der SRH und damit administrativer Leiter des kroatischen SDS,

– M. M., seit 1978 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand am 1. Januar 1980 Hauptinspektor im SDS der SRH, tätig in Abteilung II,

– J. D., 5 bis 6 Jahre lang, jedenfalls während der Ermordung des B. B. 1978, Leiter des SDS-Zentrums Zagreb.

G. bezeichnete die Praxis der Liquidierungen von Emigranten als allgemein bekannt, behauptete jedoch, dass der kroatische SDS damit nicht befasst gewesen sei, da dies allein vom SDB verantwortet und durchgeführt worden sei, der hierfür auch ein eigenes Agentennetz im Ausland unterhalten habe. Geprägt ist diese Aussage durch das Bemühen, den Angeklagten P. zu entlasten, mit dem der Zeuge gemeinsam Anfang der Neunziger Jahre die sogenannte Rekonstruktion, eine Darstellung der Organisation der jugoslawischen Staatssicherheitsdienste, verfasst hat.

G. gab zur Frage von Liquidierungen folgendes an: Erkenntnisse über eine Organisation oder Stoßtruppe, die mit Liquidierungen betraut war, habe er konkret nicht. Er kenne Geschichten über einen Dienst im Bundessekretariat, der mit Belgrader Kriminellen zusammengearbeitet habe. Dass der kroatische Dienst an Liquidierungen beteiligt war, könne er nicht bestätigen. Das seien konspirative Angelegenheiten. Geheimhaltung sei die Regel gewesen. Darüber habe man nicht gesprochen und keine Kommentare abgegeben. Das sei die Verhaltensregel gewesen. Erkenntnisse über Beratungen nach Liquidierungen habe er nicht.

D. legte Wert auf die Feststellung, dass der militärische Geheimdienst in Liquidierungen, die er als staatliche Praxis unterstellte, nie beteiligt gewesen sei.

D. räumte ein, dass seine Abteilung an der operativen Bearbeitung des S. D. im Rahmen der Aktion „Brk“ beteiligt war. Von Liquidierungen wisse er nichts. Im Widerspruch dazu steht seine Bekundung, die Nachricht vom Mord an S. D. habe ihn überrascht, und er habe deshalb F. V. zur Rede gestellt, weil „S. D. und sein Profil die Ermordung nicht rechtfertige“.

F. gab an, er habe keine Kenntnisse über konkrete Aktivitäten des SDS gehabt, und gab die angesichts seiner - übertragen auf bundesdeutsche Verhältnisse einem Ministerpräsidenten vergleichbare - Stellung schlicht unstimmige Erklärung ab, er habe zum SDS überhaupt keinen Kontakt unterhalten.

G. gab auf die Frage nach Liquidierungen an, er verstehe die Frage nicht. Während seiner Dienstzeit, insbesondere während er den slowenischen SDS geleitet habe, sei es nicht zu solchen Aktionen gekommen. Diese wären auch nicht gesetzmäßig gewesen. Es sei immer sein Bestreben gewesen, gesetzmäßig zu handeln. Auch während seiner Zeit beim SDB habe es keine solchen Gewalttaten gegeben.

T. gab - auf Liquidierungen von Emigranten durch jugoslawische Staatssicherheitsorgane angesprochen - sinngemäß folgendes an: Bei den Angehörigen der II. Abteilung des SDS habe es Geschichten und Stories über Liquidierungen gegeben. Das seien Kaffee-Haus-Geschichten. Wenn ein Emigrant starb, hätten die Angehörigen des Zentrums halb im Scherz gesagt: Ja, wir waren das. Er schließe Morde durch den SDS nicht aus. Eine derartige Form der Aktivitäten sei aber jedenfalls im Dienst nicht normal gewesen. Es sei nicht möglich gewesen, darüber etwas zu erfahren. Darüber habe er keine konkreten Erkenntnisse. Es könnte doch auch gegenseitige Abrechnungen unter den verschiedenen Emigrantengruppen gegeben haben. Es hätte viele Konflikte unter den Emigranten gegeben, bei denen es weniger um Ideologie als vielmehr ums Geld gegangen sei. Hinsichtlich des Zeugen T. wird im Übrigen auf die Ausführungen unter IX.1.a.aa.(1) verwiesen.

S. gab sinngemäß folgendes an: Wie sollte denn ein operativer Mitarbeiter des SDB wissen, wie es zu dem Mord in Wolfratshausen kam? Wer das System der Arbeit der Geheimdienste in Jugoslawien kenne, wisse genau, dass es keine Mordaufträge von oben gegeben habe. So etwas würde von unten vorbereitet. Man habe beim Dienst sehr genau gewusst, dass S. D. ein Spion war. Er war kein Terrorist. Anhand seiner Verbindung mit merkwürdigen Personen und seinem Benehmen in der Öffentlichkeit und seinem Kontakt zu kriminellen und terroristischen Personen in der Emigration sowie seiner Publikationen in extremistischen Zeitschriften habe man darauf schließen können. Wie solle er wissen, wie D. den Auftrag gegeben hat? Richtig sei aber, dass dann, wenn es einen Liquidierungsauftrag gab, der Bundesinnenminister diesen erteilt haben müsse. Er wisse aber nicht, ob der Rat zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung oder der Minister einen solchen Liquidierungsauftrag im Falle des S. D. erteilt hat.

G. gab an, über Liquidierungen im Ausland nur aus der Presse zu wissen. Wörtlich: „Wenn jemand aus dem damaligen Staat für den Mord verantwortlich war, wäre das schrecklich. Noch schlimmer, wenn das aus einem Dienst begangen wurde, dem ich vorstand.“

L. gab an, vom Tod des S. D. nur privat, nicht aber dienstlich erfahren zu haben. Als er 1983 nach seinem Urlaub wieder ins Büro gekommen sei, seien die verschiedensten Geschichten erzählt worden. Man habe immer behauptet, das sei eine Abrechnung unter Emigranten gewesen, zumal S. D. ja ein Parteifunktionär und Partisan gewesen sei. Aus professioneller Sicht habe man nicht darüber sprechen dürfen, ob es vielleicht auch der Dienst getan hat.

M. gab als Zeuge vor dem Senat an, über Liquidierungen im Auftrag des SDS könne er nichts weiter sagen als das, was er in den Medien gelesen hätte. Er sei damals ja gar nicht in der Position gewesen, solche Feststellungen zu treffen. Er habe auch nicht gewusst, wenn sein Zentrum für eine Liquidierung jemanden nominiert habe. An solchen Besprechungen sei er nicht beteiligt gewesen. Demgegenüber sagte er am 7. Januar 1993 vor dem Landgericht Zagreb in dem Verfahren wegen des Todes von B. B. aus, dass der „Dienst“ durchaus feindliche Emigran83 ten ermordet bzw. deren Ermordung im Ausland organisiert habe. Damit sei er damals nicht einverstanden gewesen.

K. gab an, dass er keine dienstlichen Erkenntnisse darüber habe, ob die zivilen Dienste bei Arbeit der Beobachtung von Emigranten auch Maßnahmen bis hin zur Liquidierung ergriffen hätten.

E. gab an, von Liquidierungen habe man gehört oder gelesen. Konkretes wisse er nicht. Das habe man in Slowenien nicht gemacht.

K. gab an, vom Tod des S. D. habe er aus den Medien erfahren. Die von ihm geführte Abteilung habe gegen S. D. keine offensiven Maßnahmen ergriffen.

K. gab an, gehört zu haben, dass es zu Liquidierungen gekommen sei. Es habe wohl welche gegeben, aber nicht sehr viele. Er habe darüber aber keine Beweise.

Dr. P. gab an, vom Mord an S. D. wie alle in Kroatien aus der Zeitung erfahren zu haben. Über diesen Mord verfüge er über keine Erkenntnisse. Über die Liquidierungen im Allgemeinen könne er sagen, dass diese nie Gegenstand der Sitzungen im Zentralkomitee des SKJ waren. An Sitzungen, bei denen es um die feindliche Emigration gegangen sei, habe er nie teilgenommen. Er habe nie gehört, dass eine Liquidierung vorbereitet wurde.

M. gab an, dass im offiziellen oder inoffiziellen Teil der Sitzungen des Rats zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der SRH niemals die Zustimmung zu einer Liquidierung verlangt worden sei.

B. gab an, aus eigener Anschauung während seiner Tätigkeit im Dienst verfüge er über keine Erkenntnisse hinsichtlich der Liquidierung von Emigranten im Ausland.

C. gab an, er habe an Liquidierungen nicht mitgewirkt. Man habe immer davon gehört. Ein „Pitagora“ (= einer der Decknamen des Zeugen V. S.) sei ein Killer gewesen, den C. als Mitarbeiter des SDB geführt habe. Genaueres wisse er aber nicht.

R. gab an, er persönlich wisse nichts von Liquidierungen durch jugoslawische Dienste.

K. gab auf Liquidierungen angesprochen an, alles was wichtig gewesen sei, sei nach Belgrad gegangen. Kroatien habe nichts selbständig unternehmen können. Verantwortlich seien die Politiker gewesen, die auch den Dienst führten. Es habe auch Kommissionen der Partei gegeben, die den Dienst beauftragt hätten. H. sei der Chef gewesen. Auch das Zentralkomitee sei eingebunden worden. Liquidierungen habe es gegeben. Diese seien in Belgrad entschieden worden. Dort habe es Gremien gegeben, die solche Entscheidungen getroffen hätten. P. und M. hätten selbständig gar nichts machen können.

B. gab an, sein Dienst habe die Arbeit der feindlichen Emigration begleitet. Sie hätten keine Liquidierungen durchgeführt. Sie hätten das nicht geplant und auch nicht durchgeführt. Bereits während der Belehrung durch den Vorsitzenden hatte er erklärt, „bei keiner Liquidierung beschäftigt“ gewesen zu sein.

P. gab an, er wisse nicht, ob es damals üblich war, „solche Leute“ (gemeint waren Regimegegner) zu liquidieren.

S. gab an, über Liquidierungen von Auslandsjugoslawen durch die Geheimdienste habe er Kenntnisse erlangt. Er sei gleichzeitig Professor an der Universität Belgrad gewesen und habe dort Staatssicherheit gelehrt. In dieser Funktion habe er darüber Bescheid wissen müssen. Ihm sei bekannt, dass der Dienst solche Methoden angewendet habe.

L. hat eingehend die administrative Vorgehensweise bei Liquidierungen und das Zusammenwirken zwischen den Staatssicherheitsdiensten der Teilrepubliken und den Bundesbehörden dargestellt, ohne eine eigene Verwicklung in Liquidierungen einzuräumen. Die Aussage des Zeugen L., der die Abläufe auf Bundesebene im Zusammenhang mit der verfahrensgegenständlichen Tat schilderte, ist bei der Darstellung des eigentlichen Tatgeschehens zu erörtern und zu würdigen.

S. hatte in seinen Zeugenvernehmungen, die im Rahmen kroatischer Ermittlungen im Zusammenhang mit der Ermordung des B. B. geführt worden waren, Kenntnisse über Liquidierungen von Emigranten bestritten. Er sei bei keiner Sitzung anwesend gewesen, in der als eine der operativen Maßnahmen die physische Liquidierung angeordnet worden wäre. Ob so etwas von Seiten der anderen Republiken, dem SSUP, dem militärischen Dienst oder einem ähnlichen Dienst des Äußeren gemacht worden sei, wisse er nicht. Darüber sei einfach nicht gesprochen worden.

M. hatte in seiner Vernehmung, ebenfalls im Zusammenhang mit der Ermordung des B. B., bekundet, seine Abteilung sei mit der Beschaffung von Informationen über Aktivitäten der feindlichen Emigration befasst gewesen, nicht mit deren Verhinderung. Wenn es Liquidierungen gegeben habe, von denen er nichts wisse, dann seien sie auf Bundesebene organisiert worden. Er sei öfter in der unangenehmen Lage gewesen, dass Vertreter ausländischer Polizeibehörden ihm „unter die Nase rieben, dass unsere Dienste nach ihrer Einschätzung damit zu tun haben.“

Berücksichtigt man, dass die Zeugen S. und G., die am freimütigsten die Praxis von Liquidierungen von Emigranten im Ausland bestätigten, erkennbar bemüht waren, die Angeklagten von jeder Verantwortung hierfür freizusprechen, und die Aussage des Zeugen S. ersichtlich von dessen überbordendem Selbstdarstellungsbedürfnis geprägt war, lässt sich aus diesen Aussagen noch kein eindeutiger Schluss ziehen. Gleiches gilt für die ohnehin eher diffuse Aussage des Zeugen K.

Die Bekundungen der Zeugen F., G., E. und B., die sich dahingehend zusammenfassen lassen, dass es Liquidierungen schon deshalb nicht gegeben habe, weil so etwas nach dem geschriebenen Recht Jugoslawiens illegal war, rechtfertigen umgekehrt weder für sich genommen noch in einer Gesamtschau Zweifel an der Feststellung, dass es zur staatlichen Praxis Jugoslawiens gehörte, Emigranten im Ausland zu liquidieren. Das Aussageverhalten der Zeugen zu diesem Punkt war ersichtlich vom Bemühen getragen, sich selbst von jeder Verantwortung für solche Vorkommnisse frei zu zeichnen.

Angesichts der beruflichen Stellung, die diese Zeugen zu unterschiedlichen Zeiten in Jugoslawien bekleideten, hält es der Senat für ausgeschlossen, dass sie von der Praxis der Liquidierung von im Ausland lebenden Regimegegnern keine Kenntnis erlangt haben, wenn es diese gegeben hat.

Der Zeuge F., der eine dem Amt eines deutschen Ministerpräsidenten vergleichbare Position in der SRH bekleidete, gibt vor, zum Staatssicherheitsdienst keine Kontakte gehabt zu haben, auch wenn er an anderer Stelle einräumt, von dessen Gründung 1980 an Mitglied im Rat zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der SRH gewesen zu sein. Selbst wenn man unterstellt, dass - wie vom Zeugen M., der für die Abfassung der diesbezüglichen Protokolle verantwortlich war, geschildert - auf den eigentlichen Ratssitzungen über Liquidierungen nicht gesprochen wurde, ist es aus Sicht des Senats ausgeschlossen, dass ein so hochrangiger Funktionär über diese Ereignisse nicht im Grunde im Bilde war.

Der Zeuge G., dessen Aussage davon gekennzeichnet war, dass er schon die Aufgaben des Angeklagten M. als seines Stellvertreters unzutreffend und als nicht klar definiert beschrieb, konnte auch den Widerspruch seiner Behauptung, über Liquidierungen nur aus der Presse zu wissen, zu seiner InterviewÄußerung, der Mord an S. D. sei „außerhalb des Protokolls“ erfolgt, nur damit erklären, dass er das Interview nicht gegengezeichnet habe und die dort wiedergegebene Äußerung Ausdruck journalistischer Freiheit gewesen sei. Der Zeuge hatte am 26. März 1985 - also vergleichsweise zeitnah zu den verfahrensgegenständlichen Ereignissen und dem Ausscheiden des Zeugen aus dem Amt des Sekretärs für Innere Angelegenheiten der SRH - ein Schreiben an den Präsidenten des Präsidiums der SRH, J. P., geschickt und dabei folgendes formuliert: „Gleich zu Beginn des Ermittlungsverfahrens gegen INA-COMERC habe ich sogleich meinem Stellvertreter, dem Leiter des Staatssicherheitsdienstes (SDS), die Koordinierung und Kontrolle der Tätigkeit aller operativen Dienste im Städtischen Sekretariat für Innere Angelegenheiten (GSUP) und im Republiksekretariat für Innere Angelegenheiten (RSUP) übertragen. Ich habe das auch aus dem Grunde gemacht, weil zur gleichen Zeit auch mit dem Fall S. D. begonnen wurde.“

Angesichts des Umstands, dass G. nur wenig mehr als ein Jahr das Amt des Sekretärs für Innere Angelegenheiten der SRH bekleidet hat und denkbar erscheint, dass sein Sturz auch damit zu erklären ist, dass er den mit diesem Amt verbundenen Aufgaben schlicht nicht gewachsen war, ein Eindruck, der sich durch das persönliche Auftreten des Zeugen in der Hauptverhandlung wie auch den weiteren Wortlaut des zitierten Schreibens vom 26. März 1985 erhärtet, ist der Senat überzeugt, dass die Entscheidungen über Liquidierungen an seiner Person vorbei getroffen wurden.

Die Zeugen G., E. und B. verhehlten ihren Widerwillen, Angaben zur Sache machen zu müssen, nicht. Vorhalte von von ihnen gezeichneten Unterlagen begegneten sie mit dem Verweis darauf, in ihrer Position sehr viele Unterschriften geleistet zu haben. Die von E. angedeutete Sichtweise, „jedenfalls in Slowenien“ habe es diese Praxis nicht gegeben, widerspricht der totalitären Struktur des damaligen Jugoslawiens.

Der Zeuge M., der Unkenntnis von einer solchen Praxis vorgab, konnte nicht schlüssig erklären, warum er in mehreren Vernehmungen gegenüber kroatischen Dienststellen konkrete Angaben über die Liquidierungspraxis getätigt hatte.

Die Angabe des Zeugen L., man habe formal im Dienst über Liquidierungen nicht offen sprechen dürfen, hält der Senat demgegenüber für glaubwürdig. Dass die Thematik vor diesem Hintergrund das Kursieren von Gerüchten aller Art bedingte, liegt ebenfalls auf der Hand. Das spiegelt sich in den Aussagen von E., G., K. und C. ebenso wider wie in der Formulierung des B., „aus eigener Anschauung“ keine Erkenntnisse über die Liquidierungspraxis zu haben.

Die Aussage des Zeugen T. wird im Zusammenhang mit den Feststellungen zur Schlüsselübergabe von dem Zeugen P. an den Angeklagten P. gesondert gewürdigt. Vorab erfolgt insoweit nur die Feststellung des Senats, dass er im Hinblick auf die Verneinung von Liquidierungen auch in seinem persönlichen Aussageverhalten keinen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat.

Der Umstand, dass S. und M. gegenüber kroatischen Gerichten Kenntnisse von Liquidierungen durch den kroatischen SDS in Abrede stellten, die ihnen aufgrund ihrer beruflichen Stellung nicht verborgen geblieben sein können, wenn es sie gegeben hat, rechtfertigt Zweifel an deren Vorkommen ebenfalls nicht. Die Aussage M. wird durch den Umstand geprägt, dass er schon den Umstand bestritt, in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Ermordung des B. gemeinsam mit D. und Z. in Paris gewesen zu sein, was nicht nur von D. und Z. in deren nachfolgend noch zu erörternden Vernehmungen so bekundet wurde, sondern insbesondere auch von S., dem damaligen Vorgesetzten des M. Deutlich wird hier die Motivation des Zeugen M., jede eigene Beteiligung an Liquidierungen abzustreiten, was er durch das Leugnen, dass diese überhaupt auf der Republikebene zur staatlichen Praxis zählten, bewerkstelligen will. Untermauert wird dieser Befund durch die im Widerspruch zu den Bekundungen der übrigen Zeugen stehende Behauptung, die Abteilung II, deren Aufgabe von den anderen Zeugen durchweg als „Bekämpfung der feindlichen Emigration“ dargestellt wird, sei nur mit der Informationsbeschaffung befasst gewesen und nicht mit der -wie auch immer gearteten - Passivierung feindlicher Aktivisten.

S. Aussage ist geprägt vom erkennbaren Willen, nicht nur seine eigene Rolle, sondern die des SDS insgesamt zu bagatellisieren. Freilich gab er ausdrücklich an, dass die Hauptaufgabe der drei Personen, die sich im SDS der SRH mit der Emigration befassten, D. L., Z. V. und M. M., die Verhinderung terroristischer Akte gewesen sei. Bezeichnend ist für die Aussagen beider Zeugen, dass sie Liquidierungen nicht grundsätzlich ausschlossen, sondern nur die Verantwortlichkeit des kroatischen Dienstes für solche. Hinsichtlich der Vernehmung des S. am 2. Februar 2000 ist noch festzustellen, dass der Vertreter der Kantonsstaatsanwaltschaft ausweislich des darüber gefertigten Protokolls noch in der Vernehmung der Aussage des S. widersprochen und darauf hingewiesen hat, dass der Zeuge aufgrund seiner Stellung im Dienst, seiner hohen Position und seinen detailreichen Angaben zu anderen Aktionen im Hinblick auf die im Zusammenhang mit der Ermordung des B. geltend gemachten Erinnerungslücken nicht glaubhaft sei. Unabhängig davon ist festzustellen, dass S. eingeräumt hatte, dass dann, wenn es Liquidierungen unter Beteiligung des kroatischen SDS gegeben haben sollte, die diesbezüglichen Vorgänge zwangsläufig über seinen Schreibtisch abgewickelt worden wären. Geht man davon aus, dass der Zeuge als administrativer Leiter des kroatischen SDS zum Zeitpunkt seiner Aussage dies glaubhaft auch gar nicht hätte in Abrede stellen können, drängt sich auf, dass ihm nur die Leugnung von Liquidierungen durch den SDS generell blieb, wenn er sich nicht selbst belasten wollte.

D. gab in seiner ersten Vernehmung 1993 an, das Zentrum Zagreb habe sich mit B. nicht zu befassen gehabt. Er wisse nichts über eine Aktion mit dem Ziel der Liquidierung des B. Er habe sich bemüht, sein Zentrum aus solchen Aktionen auszunehmen, da er nicht an Staatsterror geglaubt habe. Auf Nachfrage des Ermittlungsrichters gab er an, er habe nichts davon gehört, dass der Dienst Liquidierungen durchführte. Er wiederholte, dass das Zentrum Zagreb so etwas vermieden habe. In der zweiten Vernehmung 1999 gab er an, er habe nie von Liquidierungen durch den Dienst gehört. So etwas habe es in Zagreb nicht gegeben und Zagreb habe sich an so etwas nicht beteiligt. Wörtlich: „Wir haben uns aus eventuellen Versuchen herausgewunden“. Den Widerspruch dieser Aussage konnte der Zeuge ausweislich des Protokolls über seine Vernehmung vom 7. Dezember 1999 nicht schlüssig erklären. Es macht keinen Sinn, die Beteiligung an Liquidierungen zu vermeiden bzw. „sich herauszuwinden“, wenn andererseits niemand eine solche Beteiligung verlangt. Ersichtlich war dem Zeugen bei beiden Vernehmungen daran gelegen, jede eigene Beteiligung in Abrede zu stellen.

b) Schriftliche Äußerung des Angeklagten P.

In einer Stellungnahme des Angeklagten P. in einem Schreiben vom 17. September 1992 an den damaligen Präsidenten der Republik Kroatien F. T. heißt es:

„Ich könnte nicht dezidiert irgendetwas über politische oder körperliche Eliminierungen einzelner Personen in einem früheren Zeitraum sagen. Alle meine Erkenntnisse sind im Rahmen allgemein bekannter Geschichten und möglicher Ableitungen ohne konkrete Beweise. Mein Eindruck ist, dass das nicht allgemein akzeptierte Methoden im Staatssicherheitsdienst in Kroatien waren, und, sollten sie angewendet worden sein, dann wurden sie von Einzelpersonen ausgeführt.“

Dieses Schreiben war einem vom Staatspräsidenten angeforderten Bericht über die Arbeit und den Aufbau des SDS beigefügt. Zweifel an der Authentizität dieses Schreibens sieht der Senat nicht. Dass der Angeklagte P. in diesem Schreiben jegliche Eigenbeteiligung an Liquidierungen in Abrede stellte, leuchtet vor dem Hintergrund der historischen Situation in Kroatien im September 1992 unmittelbar ein. Auch wenn Kroatien für seinen erfolgreichen Weg in die staatliche Unabhängigkeit sich der Hilfe von ehemaligen Funktionären des sozialistischen Systems bediente, sahen sich diese Funktionäre gleichwohl dem Vorwurf der Verstrickung in das überwundene totalitäre System ausgesetzt. Davon berichtet P. in diesem Schreiben selbst, in dem er sich plausibel gegen den Vorwurf zur Wehr setzt, an der Planung oder Durchführung der Liquidierung des B. B. beteiligt gewesen zu sein. Bemerkenswert ist, dass er zwar die Beteiligung des kroatischen SDS an Liquidierungen als „nicht allgemein akzeptierte Methoden“ bezeichnete, aber auch nicht grundsätzlich in Abrede stellte, dass es zur Anwendung solcher Methoden kam. Seine Darstellung, es habe sich um Aktionen von „Einzelpersonen“ gehandelt, wertet der Senat als schon in sich nicht schlüssige offenkundige Schutzbehauptung.

c) Maßgebliche Indizien für eine staatliche Praxis der Liquidierung

Für den Senat ausschlaggebend für die Feststellung, dass die Liquidierung von Emigranten im Ausland Teil der staatlichen jugoslawischen Praxis war, sind folgende Umstände:

aa) Am 15. Februar 1982 erstellte das Referat P I 1 im deutschen Bundesinnenministerium in Reaktion auf eine Kleine parlamentarische Anfrage der Bundestagsabgeordneten Dr. D., S., E. u.a. in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt eine Aufstellung über getötete Exiljugoslawen in der Bundesrepublik Deutschland ab 1968, soweit für die Tötung eine politische Motivation erkannt wurde oder zu vermuten war. Daraus ergibt sich, dass

– am 26. Oktober 1968 M. R., K. T. und V. M.,

– am 9. April 1969 M. C.,

– am 17. April 1969 R. O.,

– am 1.März 1971 M. P.

– am 9. März 1972 J. S.

– am 8. Juli 1974 J. L.

– am 6. Juni 1975 I. V.

– am 19. April 1979 J. M.

– am 13. Januar 1980 N. M.

– am 9. Oktober 1981 A. K.

– am 17. Januar 1982 B. G., J. G. und Z. K. jeweils von unbekannten Tätern ermordet wurden.

Weiterhin wurden

– am 26. bzw. 27. September 1968 H. U. von M. V. und

– am 28. Juni 1969 N. K. von I. G. ermordet.

– Am 27. November 1974 wurde M. J. ermordet, wobei die Tatverdächtigen

P. K. und B. D. sich nach Jugoslawien absetzten.

– Am 16. April 1980 wurde D. S. ermodert, wobei die Tatverdächtigen B. S. und J. O. aus der Vollzugsanstalt Wuppertal freigesprengt wurden.

Unbekannte Täter verübten folgende versuchte Mordanschläge:

– am 6. Mai 1969 auf M. V.,

– am 21. Oktober 1969 auf A. V. nebst Ehefrau und Sohn,

– am 10. September 1970 und am 5. Mai 1971 auf Dr. B. J.,

– am 30. Oktober 1975 auf R. P., wobei vermutet wird, dass der Anschlag S. B. galt,

– am 23. August 1969 verübte V. J. einen gescheiterten Anschlag auf M. G.,

– am 28. Dezember 1973 verübte V. M. einen gescheiterten Anschlag auf G. B.,

– am 13. Dezember 1980 fand der bereits erwähnte gescheiterte Anschlag auf F. G. statt,

– am 14. Mai 1981 fand der nachfolgend näher beschriebene gescheiterte Anschlag auf R. Z.

Im Ausland wurden folgende Anschläge auf deutsche Staatsbürger mit Bezug zu Jugoslawien verübt:

– Am 24. August 1972 wurden in Italien S. S., T. S. und R. B. ermordet. Mit diesem Mord stehen die Äußerungen des Bundessekretärs für Innere Angelegenheiten S. Do. kurz nach Bekanntwerden des gewaltsamen Ablebens von S. D. in Zusammenhang. Das Opfer R. B. war noch ein Kind. Das ist das Kind mit dem sich der Sicherheitsdienst „in Italien blamiert“ habe.

– Am 17. Juli 1975 scheiterte ein Mordanschlag auf D. S. in Frankreich. In beiden Fällen konnte kein Täter ermittelt werden.

– Am 17. Dezember 1977 fiel J. O. in Südafrika einem Mordanschlag zum Opfer, wobei als Tatverdächtige V. P. und B. C. genannt wurden.

bb) Im Bundesinnenministerium wurde in Reaktion auf einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion im deutschen Bundestag, die Bundesregierung durch Parlamentsbeschluss aufzufordern, von Jugoslawien die Einstellung von Anschlägen auf deutschem Boden zu verlangen, eine Übersicht über dort bekannt gewordene Straftaten gegen Exiljugoslawen auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland bzw. gegen Exiljugoslawen mit deutschem Pass in der Zeit seit 1. Januar 1978 erstellt.

Danach beruht der Verdacht, dass jugoslawische Stellen an der Ermordung des J. M. am 19. April 1979 in Horrem beteiligt gewesen sein könnten, darauf, dass Zeugen entsprechende Vermutungen geäußert hatten, der Getötete habe intensive Kontakte zu exiljugoslawischen Organisationen gehabt und darüber hinaus kurz vor seinem Tod geäußert, er müsse Deutschland binnen 24 Stunden verlassen. Weiteres Verdachtsmoment ist, dass M. durch Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 7. Mai 1973 zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe wegen eines Mordanschlags auf den jugoslawischen Konsul in Stuttgart verurteilt worden war.

Der Verdacht, dass jugoslawische Stellen an der Ermordung des N. M. am 13. Januar 1980 in Frankfurt am Main beteiligt waren, beruht darauf, dass M. Vorsitzender der militanten Emigrantenorganisation „Vereinigte Kroaten Europas“ (UHE) war, er auch mehrfach wegen Waffenbesitzes u. a. vorbestraft war und kurz vor der Tat gegenüber Zeugen erklärt habe, er werde vom jugoslawischen Geheimdienst UdBA bespitzelt und fühle sich bedroht.

Der Verdacht, dass jugoslawische Stellen an der Ermordung des D. S. am 16. April 1980 in Düsseldorf beteiligt waren, beruht auf der Begehungsweise (Maskierung, Schalldämpfer). Hinzu kommt, dass das Opfer in führender Position in exiljugoslawischen Kreisen tätig gewesen sei, der jugoslawische Geheimdienst nach Zeugenaussagen ein erhebliches Interesse am Wirken des Opfers in der Bundesrepublik Deutschland gezeigt habe und nach vertraulichen Zeugenaussagen laut Bundeskriminalamt der Jugoslawe O. sich in Jugoslawien der Tat berühmte.

Der Mordanschlag auf F. G. 1980 in Saarbrücken führte zur Verurteilung der Täter D. B., G. H. und A. L., wobei die Verurteilung auf glaubwürdigen Geständnissen der Angeklagten beruhten, die angegeben hatten, vom jugoslawischen Geheimdienst UdBA mit dem Mord beauftragt worden zu sein, wofür ihnen eine Belohnung in Höhe von 1 Million Dinar versprochen worden sei.

Der Verdacht auf einer Beteiligung des jugoslawischen Geheimdienstes am Mordanschlag vom 17. Januar 1982 in Untergruppenbach bei Heilbronn auf Y. G., B. G. und Z. K. beruht darauf, dass einer der Getöteten vor seinem Ableben den Polizeibehörden gegenüber erklärt habe, der Anschlag sei vom jugoslawischen Geheimdienst UdBA ausgeführt worden, alle drei Opfer seien maßgeblich an der exiljugoslawischen Bewegung „Befreiung für Kosovo“ beteiligt gewesen und die Tatausführung dafür spreche, dass die Tat von geschulten Killern durchgeführt wurde.

Die Anlage 1 zum Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 6. Januar 1982 enthält eine Aufstellung über Anschläge und sonstige Gewaltaktionen in der Zeit vom 1. Januar 1978 bis 31. Dezember 1981 gegen Einrichtungen und Repräsentanten Jugoslawiens sowie gegen jugoslawische Emigranten. Zum Mordanschlag auf A. K. ist dort vermerkt, dass das Amtsgericht München K. am 20. Februar 1978 wegen eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz im Zusammenhang mit Buchbombenanschlägen am 4. September 1975 und 17. Oktober 1975 auf das jugoslawische Generalkonsulat in München zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und fünf Monaten verurteilt hat. K. habe sich seit seiner Haftentlassung am 14. Dezember 1978 durch den jugoslawischen Geheimdienst bedroht und überwacht gefühlt.

Aus dem bereits dargestellten Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. April 1967 (Az.: Ks 18/66) gegen G. wegen Totschlags ergibt sich, dass dieser angab, der von ihm getötete M. habe ihm in seiner Eigenschaft als Vizekonsul Jugoslawiens eine Schusswaffe zur Durchführung von Attentaten übergeben. Diese gab G. beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg ab. Bei einem weiteren Treffen von G. mit M. drohte ihm dieser mit Repressalien gegen seine Familie, falls er nicht bereit sei, sich an Attentaten auf Emigranten zu beteiligen.

Aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28. Januar 1985 (Az.: 9 Ks 38/84) gegen B. R. M. C. ergibt sich folgendes:

Die Angeklagte wurde wegen Beihilfe zum Mord an M. S. zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen handelte es sich bei dem Opfer um einen Aktivisten der Kroatischen Revolutionären Bruderschaft (HRB). S. war 1963 daran beteiligt, neun Mitglieder der HRB über Mailand nach Jugoslawien einzuschleusen. Diese waren mit Waffen und Sprengstoff für die Verübung von Terroranschlägen in Jugoslawien ausgerüstet. Den Mord hatte den Feststellungen zufolge C. ausgeführt, nachdem die Angeklagte das Mordopfer unter Vorspiegelung amouröser Absichten in der Nacht vom 12. September 1967 auf den 13. September 1967 auf einen Feld Weg gelockt hatte, wo die Tat unbemerkt von Unbeteiligten begangen werden konnte. C., ein linientreuer Kommunist und Anhänger Titos, befand sich seit 1960 als Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland, wo er die Angeklagte 1964 kennenlernte und eine Beziehung mit ihr aufnahm. Im Sommer 1967 trat der jugoslawische Staatssicherheitsdienst an C. heran und fragte ihn, ob er bereit sei, gegen ein Kopfgeld oder andere Vergünstigungen M. S. aus politischen Gründen zu töten. Dazu war der mit S. persönlich bekannte C. bereit. Unmittelbar nach der Tatausführung fuhr die Angeklagte mit C. nach Split. Die Angeklagte lebte daraufhin in Split und erwarb unter Mithilfe des Cvitanovic 1971 oder 1972 die jugoslawische Staatsangehörigkeit. Ein von den deutschen Ermittlungsbehörden bereits 1970 an Jugoslawien gerichtetes Auslieferungsersuchen blieb ergebnislos.

C. und die Angeklagte lebten in Jugoslawien völlig unbehelligt, obwohl den dortigen Ermittlungsbehörden die Tat bekannt war. Zu einer Festnahme der Angeklagten kam es erst, als diese freiwillig aus Jugoslawien nach Deutschland reiste.

Aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. Juli 1984 (Az.: 50 Js 12.797/81), mit dem u.a. die Angeklagten I. D. und Z. A. des versuchten Mordes zum Nachteil des R. Z. schuldig gesprochen wurden, ergibt sich folgendes:

Z., ein jugoslawischer Staatsbürger albanischer Volkszugehörigkeit, war ein engagierter Gegner des jugoslawischen Staates, der in der 1978 offiziell gegründeten Widerstandsorganisation Beselidhja Shqiptare ( = Albanische Treue), die sich eine freiheitliche, von Jugoslawien unabhängige Republik Kosovo zum Ziel gesetzt hatte, eine führende Position einnahm. Er fungierte als Schatzmeister, organisierte einen in Frankfurt durchgeführten Kongress im europäischen Ausland ansässiger albanischer Widerstandsgruppen und mehrere Demonstrationsveranstaltungen. Der Angeklagte D. wurde ebenfalls Mitglied der Beselidhja Shqiptare und unterhielt zu Z. Kontakt. So unternahmen die beiden Fahrten in andere Städte zu politischen Veranstaltungen. In Wahrheit war er aber kein Gesinnungsgenosse des Z., sondern vom jugoslawischen Geheimdienst angeworben und in die Organisation eingeschleust worden, um den Geheimdienst über geplante Aktivitäten der Emigrantengruppe zu informieren. Vom jugoslawischen Geheimdienst, möglicherweise von dessen Führung, die wohl Z. als Mitverantwortlichen für die im März 1981 im Kosovo ausgebrochenen Unruhen ansah, erhielt D. den Auftrag, Z. zu töten.

Von diesem Plan hatte der gesondert verfolgte Zeuge R. S. Kenntnis. Bei der im April 1981 erfolgten Einstellung des D. in die von S. geleitete Firma Sideta Bau handelte es sich um kein echtes Arbeitsverhältnis, sondern um ein Scheinarbeitsverhältnis, das dazu begründet wurde, beiden die Gelegenheit zu verschaffen, ohne besonderes Aufsehen zu erregen, häufig zusammenzutreffen und den Auftrag des jugoslawischen Geheimdienstes zu verwirklichen. Es besteht eine hohe Plausibilität dafür, dass einzelne Bedienstete des jugoslawischen Generalkonsulats in Frankfurt am Main über den Tötungsauftrag unterrichtet waren und die Aktion förderten. D. trat an die Angeklagte A., von der er wusste, dass sie eine intime Beziehung mit Z. unterhalten hatte, heran und teilte ihr mit, nach seinen Informationen müsse sie wegen ihres Verhältnisses mit dem Regimegegner Z. mit Schwierigkeiten rechnen, wenn sie nach Jugoslawien zurückkehre. Sie käme in Jugoslawien in eines der schlimmsten Gefängnisse auf der Insel Goli Otok.

Am 8. Mai 1981 teilte D. A. mit, dass er den Auftrag habe, Z. umzubringen. Sie sei die einzige Person, die ohne Verdacht zu erregen, an diesen herankommen könne. Aus diesem Grund müsse sie ihn töten. Er werde alles planen und ein Treffen mit Z. arrangieren. Sie wisse jetzt alles und könne nicht mehr zurück. Die Behörden in Jugoslawien hätten sie wegen ihres Verhältnisses mit Z. ohnehin in der Hand. Wenn sie jetzt nicht mitmache, käme sie auf jeden Fall nach Goli Otok. Spätestens bei dieser Gelegenheit offenbarte sich D. der A. gegenüber als Mitarbeiter des jugoslawischen Geheimdienstes. Am darauffolgenden Montag brachte D. der A. eine Pistole, die wahrscheinlich vom jugoslawischen Generalkonsulat stammte, und erklärte deren Funktion. Er bedrängte sie weiterhin, die Tat auszuführen. Die Angeklagte gab dem Drängen des D. schließlich nach und schoss bei einem vom Angeklagten D. arrangierten Treffen mit Z. am 14. Mai 1981 auf diesen vier Mal. Bei ihrem anschließenden Versuch, über den Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt am Main nach Jugoslawien auszureisen, wurde sie festgenommen.

cc) Ausweislich der bereits zitierten Anlage 1 zum Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 6. Januar 1982, die eine Aufstellung über Anschläge und sonstige Gewaltaktionen in der Zeit vom 1. Januar 1978 bis 31. Dezember 1981 gegen Einrichtungen und Repräsentanten Jugoslawiens sowie gegen jugoslawische Emigranten enthält, wurde einer der führenden Köpfe des „Kroatischen Frühlings“ B. B., der gleichzeitig in der Bundesrepublik Deutschland mit Haftbefehl gesucht wurde, am 16. Oktober 1978 in Paris erschossen.

Diesbezüglich führten die kroatischen Ermittlungsbehörden in den Neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts umfangreiche Ermittlungen durch, die zu einer Anklage gegen den Zeugen V. S. führten. Dies ergibt sich aus dem Urteil des Landgerichts Zagreb vom 23. März 2000, durch das der Zeuge vom Vorwurf des Mordes an B. B. freigesprochen wurde. Dieser Freispruch wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts der Republik Kroatien vom 14. April 2000 rechtskräftig.

Die im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen von kroatischen Behörden einvernommenen Zeugen D. und Z. schilderten - insoweit übereinstimmend -, dass sie kurz vor dem Mord an B. den Auftrag erhalten hätten, nach Paris zu reisen, wo sich auch M. M. und S. C. aufhielten. Beide gaben übereinstimmend an, sie seien davon ausgegangen, sie hätten den Auftrag, B. zu observieren, und stellten in Abrede, in Pläne zur Liquidierung des B. eingebunden gewesen zu sein. Beide beschrieben auch übereinstimmend, aus Paris überstürzt abgereist zu sein und nach ihrer Rückkunft in Zagreb vom damaligen Amtsvorgänger des Angeklagten M. als Untersekretär im Republiksekretariat für Innere Angelegenheiten B., dem politischen Leiter des kroatischen SDS, bereits am Flughafen in Empfang genommen worden zu sein.

Die Aussagen stehen jedoch zu einander in erkennbarem Widerspruch im Hinblick darauf, dass Z. angab, D. habe gegen die Anordnung des C., Paris umgehend zu verlassen und über Amsterdam die Heimreise anzutreten, protestiert, weil er erst habe wissen wollen, was aus seinem Mitarbeiter geworden sei. Z. schlussfolgerte, dass es sich bei diesem Mitarbeiter um den Zeugen S. gehandelt habe, den er - zumindest indirekt damit als den Ausführenden des kurz nach der Abreise der drei Personen (M., Z. und D.) stattfindenden Mordes ansah. D. dagegen bestritt diese Darstellung. Er selbst habe keinen weiteren Mitarbeiter in Paris dabei gehabt. Er habe vielmehr Z. als die Hauptfigur des gemeinsamen Auftrags betrachtet. Er habe zwar vom Eintreffen C. in Paris erfahren, diesen aber persönlich nicht getroffen. Die Anordnung zur Rückreise habe ihm M. erteilt. Zur damaligen Zeit habe D. nach eigenen Angaben das Amt des Leiters der Operativabteilung im SDS-Zentrum Rijeka bekleidet. Z. sei nach eigenen Angaben zu dieser Zeit Leiter der Operativabteilung im SDS-Zentrum Split gewesen. C. sei nach Angaben des Z. zu dieser Zeit Leiter der II. Abteilung des SDB gewesen. M. sei nach den Angaben des Z. Mitarbeiter der II. Abteilung des kroatischen SDS auf Republikebene gewesen. Die Angaben zu den Positionen, die M. und C. bekleideten, decken sich insbesondere mit den Aussagen des Zeugen L. und den Angaben des S. hierzu.

Der Senat geht davon aus, dass der übereinstimmende Teil der Angaben der Zeugen Z. und D., der in keinem Punkt von anderen Zeugen (abgesehen von M. M.) in Frage gestellt wurde, zutreffend ist. Er verkennt dabei nicht, dass ungeachtet der diesbezüglichen Feststellungen das Landgericht Zagreb schon nicht als sicher feststellen wollte, dass B. Opfer eines vom jugoslawischen Geheimdienst veranlassten Tötungsdelikts geworden ist. Der Senat vermag eine solche Betrachtungsweise indes nicht nachzuvollziehen. Ein Motiv der Zeugen, die sich im Übrigen gegenseitig belasteten, übereinstimmend zu dieser Frage falsche Angaben zu machen, ist nicht erkennbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum die Zeugen einen Paris-Aufenthalt zum Zwecke der nachrichtendienstlichen Observation des B. B. in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dessen Ermordung, der sie zwangsläufig selbst belastete, erfinden sollten, wenn er nicht so stattgefunden hätte. Die Darstellungen des Paris-Aufenthalts durch die beiden mehrfach vernommenen Zeugen sind jeweils in sich stimmig, geben die Gepflogenheiten von Geheimdienstmitarbeitern, die sich im Ausland aufhalten, plastisch und lebensnah wieder, und insoweit bleiben die Aussagen, die im Laufe der Zeit - aus welchen Gründen auch immer - immer unpräziser und vager wurden, auffallend konstant. Dass die personalintensive Bearbeitung des B. durch eher hochrangige Mitarbeiter der jugoslawischen Staatssicherheitsdienste gerade in der Zeit unmittelbar vor der Ermordung des B. stattfand und die Mitarbeiter abrupt ihren Aufenthalt in Paris wenige Stunden vor dem eigentlichen Mord abbrachen, lässt Zweifel an der Verantwortlichkeit der jugoslawischen Geheimdienste für die Tötung des B. nicht zu, auch wenn die Person des die eigentliche Tat Ausführenden nicht festzustellen ist. Dass M. M seinen Aufenthalt in Paris im Zusammenhang mit gegen B. B. gerichteten nachrichtendienstlichen Tätigkeiten abstritt, vermag dieses Ergebnis nicht in Zweifel zu ziehen, da kein Grund ersichtlich ist, warum die Zeugen Z., D. und S. bei allen Widersprüchen in ihren Aussagen sonst in diesem Punkt übereinstimmten.

dd) Der zwischenzeitlich verstorbene Zeuge J. M. wurde zwischen dem 26. November 1975 und dem 8. Dezember 1977 mehrfach als Beschuldiger bzw. als Zeuge einvernommen und berichtete dabei sukzessive zu den von ihm geschilderten Begebenheiten folgendes:

Er sei 1965 aus seinem Geburtsland Jugoslawien emigriert und habe 1966 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. 1973 sei er wegen Goldschmuggels in Jugoslawien zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Während der Verbüßung dieser Strafe wurde er im Gefängnis von einem Geheimdienstmitarbeiter kontaktiert, der ihm gegen seine Zusage, für den jugoslawischen Geheimdienst zu arbeiten, eine vorzeitige Haftentlassung und die Möglichkeit, nach Deutschland zurückzukehren, in Aussicht stellte. Bei diesem Geheimdienstmitarbeiter handelte es sich um den Angeklagten P., auch wenn in den ersten Vernehmungsprotokollen von einem Pa. die Rede war. Aus den späteren Angaben des M. über seinen Führungsoffizier ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass sich seine ursprünglichen Angaben auf den später als J. P. bezeichneten Mann bezogen. M. sei auf dieses Angebot eingegangen und wenige Tage später freigekommen. Im Oktober 1975 sei er zu einem Treffen mit seinem Führungsoffizier, dem Angeklagten J. P., nach Zürich gereist, der ihm offenbart habe, er solle einen Mann in Stuttgart „erledigen“. Bei einem zweiten Treffen mit P. seien beide in Zürich von der Schweizer Polizei festgenommen worden. Er sei erst am nächsten Tag wieder entlassen worden. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland sei M. erneut festgenommen worden und habe seine Mitarbeit für den jugoslawischen Geheimdienst der deutschen Polizei offenbart. Die beim zweiten Treffen in Zürich geplante Übergabe einer Schusswaffe an ihn sei durch den zu frühen Zugriff der Schweizer Polizei verhindert worden. P. habe ihm in Zürich eine Belohnung in Höhe von 40.000 DM in Aussicht gestellt. In der Folgezeit habe P. zu M. telefonischen und brieflichen Kontakt gehalten, über den dieser die deutschen Behörden in Kenntnis gesetzt habe. Ein geplantes Treffen mit P. in Triest 1976 sei gescheitert. Bei einem weiteren Treffen in Triest 1977 habe er von P. den Auftrag erhalten, F. G. und S.B. zu töten, wobei ihm für G. eine Belohnung von 50.000 DM und für B. eine Belohnung von 60.000 DM in Aussicht gestellt worden sei. Er habe in der Folge P. davon informiert, dass G. abgetaucht sei, weswegen P. ihm die Anweisung gegeben habe, er solle sich auf B. konzentrieren. Am 22. November 1977 habe sich M. mit P. in Ms Wohnort Ludwigshafen treffen sollen, wovon M. die deutschen Behörden verständigt habe. Diese hätten bei dem Treffen zugegriffen, wobei es ihnen nur gelungen sei, I. S. festzunehmen, während P. geflüchtet sei.

Der Senat hält diese Angaben für zuverlässig, zumal sowohl hinsichtlich der Festnahme in Zürich 1975 als auch hinsichtlich des Zugriffs 1977 in Ludwigshafen in den Archiven des kroatischen SDS schriftliche Berichte aufgefunden wurden, die die Vorkommnisse aus der Sicht von P., A. D. und S. darstellen, und zwar folgende:

– Berichte des J. P. vom 3. Dezember 1975 und vom 24. November 1977,

– Bericht des A. D. vom 3. Dezember 1975 und

– Bericht des I. S. vom 18. Mai 1978.

Aus diesen Berichten ist zwar nicht zu entnehmen, was genau der Zweck der mit M. von P. vereinbarten Treffen gewesen sein sollte. Der äußere Ablauf der Ereignisse stimmt aber mit den Darstellungen des J. M. inhaltlich überein. Zweifel an der Authentizität der Berichte von P. und S. sieht der Senat nicht, da kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich ist, solche Berichte ohne erkennbares Motiv zu verfassen und in einem Archiv eines Geheimdienstes abzulegen. Auf die gleichfalls vorliegende Darstellung des Begleiters des P. in Zürich, D., die ebenfalls keine relevanten Widersprüche zur Darstellung M.s enthält, kommt es nicht an.

Seine Aussagen traf M. zu einem Zeitpunkt, als deren Relevanz namentlich auch für das vorliegende Verfahren niemand erkennen konnte. Mag man M. auch unterstellen, dass er durch freiwilliges Offenbaren von Wissen über den jugoslawischen Geheimdienst Konsequenzen für eigene strafbare Handlungen abwenden wollte, so ist doch kein Motiv dafür erkennbar, warum er selbst bekunden sollte, er wisse, dass die Treffen der Vorbereitung eines Mordanschlags dienten, und gleichwohl weitere Treffen aufsuchte. Andere Erkenntnisquellen, aus denen die deutschen Behörden damals dem Zeugen M. eine Beteiligung an mehr als nur Spitzeldiensten hätten nachweisen können, lagen offenkundig nicht vor. Auch das von M. den deutschen Ermittlungsbehörden am 22. November 1977 übergebene Bargeld in Höhe von 2.000,-DM, das er von S. zuvor kurz vor dem Zugriff erhalten haben will, belegt die Belastbarkeit seiner Angaben, zumal dieser Betrag aus Mitteln jugoslawischer Dienststellen, die auch damals schon mit Devisen haushalten mussten, nicht in Einklang mit bloßen Informanten-Diensten zu bringen ist.

Der Senat verkennt nicht, dass trotz der Angaben M.s die deutschen Behörden S. damals nicht anklagten, sondern freiließen. Vor dem Hintergrund der damals in der deutschen Öffentlichkeit - ausweislich eines Spiegel-Artikels (4/78) angestellten Behauptung, S. sei gegen einen deutschen Staatsbürger, der in Jugoslawien - aus welchen Gründen auch immer - festgenommen worden war, ausgetauscht worden, lassen sich aus dem Umstand, dass gegen S. nicht Anklage erhoben wurde, keine durchgreifenden Zweifel an der Belastbarkeit der Angaben des M. ableiten.

d) Zusammenfassende Würdigung

In einer Gesamtschau der hier einzeln angesprochenen Beweise ist der Senat davon überzeugt, dass die Liquidierung von Emigranten im Ausland staatliche Praxis des ehemaligen sozialistischen Jugoslawien war. Die Vielzahl der Tötungsdelikte auf deutschem Boden und der Umstand, dass Tatverdächtige in Jugoslawien unbehelligt leben konnten, bilden ein schwerwiegendes Indiz für diese Feststellung, auch wenn dem Senat bewusst ist, dass die von anderen deutschen Gerichten zu ihrer Zeit getroffenen Feststellungen nicht zwingend zutreffend gewesen sein müssen. Erst recht gilt dies für die Einschätzungen der damals zuständigen Stellen bei Polizei und Verfassungsschutz. Gleichwohl drängt schon die Häufung der Ereignisse zu dem Schluss, dass Liquidierungen, wovon auch die meisten der als Zeugen einvernommenen Mitarbeiter jugoslawischer Staatssicherheitsdienste ausgingen, Teil jugoslawischer Praxis waren. Besonders deutlich wird dies im Fall des Mordanschlags auf B. B. in Paris, der genau dann stattfand, als mehrere hochrangige Mitarbeiter des kroatischen Staatssicherheitsdienstes (M., D. und Z.) bzw. des SDB (C.) mit dem Auftrag, B. zu observieren, ebenfalls in Paris weilten und noch vor Bekanntwerden des ausgeführten Mordes die Anweisung an M., D. und Z. erging, Paris umgehend zu verlassen, um dann in Zagreb vom politischen Leiter des kroatischen SDS B. empfangen zu werden.

Auch die Angaben des Zeugen M., die sich hinsichtlich der Vorgehensweise des jugoslawischen Geheimdienstes von der Anwerbung bis hin zur konspirativen Kontaktaufnahme nahtlos in das Gesamtbild der Arbeitsweise des jugoslawischen Geheimdienstes fügen, wertet der Senat als deutliches Indiz. Dass über die Spezialaktionen, die Liquidierungen zum Gegenstand hatten, kaum schriftliche Unterlagen auffindbar sind, erklärt sich zwanglos dadurch, dass die Archive in Zagreb, wie der Sachverständige N. berichtete, nicht lückenlos tradiert wurden und die serbischen Behörden ihrerseits Wissenschaftlern wie dem Sachverständigen N. nur in eingeschränktem Umfang und der deutschen Justiz im Rahmen der Rechtshilfe nur in ausgewählter Form Einblick in die dort vorhandenen Archivbestände gewährten. Dass die Akten schon während des Bestehens der SFRJ ausgedünnt wurden, hat der Zeuge G., insoweit zuverlässig, beschrieben. Das ergibt sich zudem aus den Feststellungen des Sachverständigen R., der berichtet hat, dass Dossiers paginiert worden seien und daraus zu ersehen sei, dass teilweise Aktenbestandteile entfernt worden sein müssen. Unabhängig davon geht der Senat davon aus, dass Liquidierungen, die dem geschriebenen Recht Jugoslawiens auch in sozialistischer Zeit widersprachen, ohnehin von vornherein nicht lückenlos in den Archiven dokumentiert wurden. Belegt wird dies durch die vom Angeklagten P. über seine Treffen mit M. verfassten Berichte, die die Vorgänge insbesondere im Zusammenhang mit seiner Festnahme in Zürich detailgenau beschrieben, aber nähere Angaben zum Zweck des Treffens nicht enthalten.

Die Feststellung, dass Liquidierungen von Emigranten Teil der staatlichen jugoslawischen Praxis waren, steht auch zu keiner anderen hier nicht angesprochenen Urkunde und auch zu keiner der hier nicht erörterten Zeugenaussage in Widerspruch.

3. Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu D.II.

Die Feststellungen zu D.II beruhen auf den Ausführungen des Sachverständigen R. Dieser führte aus, dass seit den frühen 70er Jahren des vorherigen Jahrhunderts den Republikdiensten die Initiative, Organisierung und Ausführung von Liquidierungen oblag. Dem SDB und dem SSUP oblag demgegenüber eine Ausschlag gebende Rolle bei der Genehmigung der Liquidierung. Wegen der gesteigerten Diskretionswahrung bei der Planung gezielter Tötungen im Ausland sei in diesen Entscheidungsprozess lediglich ein kleiner Personenkreis eingebunden gewesen. Es erscheine als plausibel, dass in die Entscheidungsfindung lediglich die jugoslawischen Innensekretäre des Bundes und der jeweils mit der Sache befassten Republik eingebunden gewesen seien.

Die Einbindung des Bundesinnenministers in den Entscheidungsprozess der Liquidierung des S. D. belegt dessen Nachfrage nach dessen Ermordung, ob die Mannschaft komplett sei. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Punkt J. II. verwiesen.

IV. Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu E

Die Feststellungen zu 1. beruhen auf den Angaben des Zeugen K. P., die insoweit glaubwürdig waren, zumal kein Grund zu erkennen ist, warum er in diesen Punkten die Unwahrheit sagen sollte. Soweit die Feststellungen auch die Ehefrau des Zeugen P. betreffen, ergeben sie sich nicht nur aus der Aussage des Zeugen P., sondern auch aus der Aussage der Zeugin K. P.

Die Feststellungen zu 2. gründen auf dem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 16. Juli 2008 (Az.: 6 St 5/05).

V. Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu F

Die Feststellungen zu F.I. und F.II. (persönlicher und beruflicher Werdegang von S. D.) beruhen auf zwei verfassten Beschreibungen von S. D. über seine „Laufbahn“ sowie über seinen „Tätigkeitsbereich bei der INA“, außerdem auf den Angaben des Zeugen D. D.

Die Tätigkeit S. D.s für den Bundesnachrichtendienst (F.III.) ergibt sich aus der Aussage des Zeugen W. sowie der zusammengestellten „Dokumentation des Bundesnachrichtendienstes über seine Sicherheitslage“. Hieraus erschloss sich auch, dass S. D. 1982 150.000 DM auf einem Hinterlegungskonto (HLK) des BND hatte, über das er nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland frei verfügen konnte.

Die Feststellungen über die Ausreise aus Jugoslawien (F.IV.) beruhen zunächst auf der Aussage der Zeugin S. B., die den Ablauf so geschildert hat, wie er dargestellt ist. Außerdem enthält der Asylantrag des S. D. Angaben über den Reiseweg und die genauen Daten seiner Ausreise. Schließlich finden sich in der bereits genannten BND-Dokumentation die geschilderten Motive für die Ausreise. Seine letzte Anwesenheit im Büro beruht auf der „Amtlichen Notiz“ des SDS, Zentrum Zagreb vom 2. September 1982. Die Tatsache seiner Anerkennung als Asylbewerber beruht auf der Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27. Oktober 1982.

F. V. gründet auf dem Artikel „Nema manjkova“ (Es gibt keine Fehlbeträge) aus der Zagreber Tageszeitung „Vjesnki“ vom 31. Juli 1982.

Die Feststellungen zu D. D. (F.VI.) stammen aus dessen Aussage. Die Höhe des Vermögens von S. D. hat der Zeuge KHK K. dem Senat mitgeteilt.

Dass S. D. Kontakt zur Exilkroatischen Organisation „HNO“ aufnahm (F.VII.) hat der Zeuge K. P. glaubwürdig geschildert. Die weiteren Ausführungen in F.VII. über diese Organisation und die Zeitung „Hravtska Drzava“ beruhen auf dem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 29. August 1975. Dass S. D. für diese Zeitung etwa 5 Artikel verfasst und Dr. J. J. Terrorakte abgelehnt hatte, hat der Zeuge K. P. ausgesagt.

Die Feststellungen in F.VIII. (Druck der Bücher durch S. D.) stammen ebenfalls aus der Aussage des Zeugen K. P., der diese Tatsachen mitgeteilt hat.

Das Gefühl einer Beobachtung, der Umzug in eine neue Wohnung und das Gerücht über einen Mordanschlag (F.IX) ergeben sich aus den Aussagen des Zeugen D. D. Das Gerücht über einen Mordanschlag haben auch die Zeugen Dr. J. J. und K. P. berichtet. Die weiteren Feststellungen über die Angst des S. D. und seine Angabe hinsichtlich eines Kopfgeldes entspringen der Aussage der Zeugin H. S.

Die zusammengefassten Zeitungsinterviews (F.X) sind der Bild am Sonntag vom 5. Dezember 1982 und der Ausgabe 24/1982 der „Nova Hrvatska“ entnommen.

Die geschilderten Erkenntnisse des SDS über die Bücher von S. D. (F.XI.) beruhen auf einem Resümee des SDS, Zentrum Zagreb, vom 18. Dezember 1982, auf der Spezial-Information Nr. 11 des SDS, Zentrum Zagreb, vom 11. Oktober 1982 und der Spezial-Information Nr. 21 des SDS, Zentrum Zagreb, vom 26. November 1982. Die Angaben über die Auflagen der Bücher und die Verbreitung stammen aus den Aussagen des 1987 verstorbenen Zeugen D. D.

Die politischen Ambitionen von S. D. (F.XII.) haben die Zeugen Dr. J. J. sowie D. D. geschildert. Der Zeuge K. P. hat diese Ambitionen bestätigt und darüber hinaus über die beabsichtigte Installation eines Radiosenders berichtet. Außerdem hat er die Funktion und den Sitz des „Kroatischen Nationalrats“ (HNV), New York, geschildert.

VI. Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu G.

1. Der Angeklagte Z. M. hat zu seinen persönlichen Verhältnissen geschwiegen.

Die Feststellungen zu G.I.1. hinsichtlich der Einkünfte des Angeklagten M. beruhen auf der Rentenbenachrichtigung der kroatischen Anstalt für Rentenversicherung vom 1. Dezember 2014. Die Feststellungen zu Name, Volkszugehörigkeit und Geburtsdatum sowie vormaliger Wohnanschrift ergeben sich aus den Angaben des Angeklagten M. bei der Feststellung seiner Personalien. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Angeklagten beruhen auf den schriftlichen Angaben der Frau Dr. R. vom 4. September 2014. Im Übrigen beruhen die Feststellungen zu Punkt G.I.1. auf zwei Schreiben des Angeklagten an den Senat aus dem Jahre 2016 und dem Vorvertrag zu einem Kaufvertrag vom 2. Februar 2016.

Die Feststellungen zu G.I.2. (beruflicher Werdegang des Angeklagten M.) ergeben sich aus den Angaben der Zeugen R. M. und D. K. sowie der Rekonstruktion des Staatssicherheitsdienstes.

Die Feststellungen zu G.I.3. beruhen auf den Auskünften aus dem deutschen Bundeszentralregister und dem kroatischen Strafregister.

2. Der Angeklagte J. P. hat zu seinen persönlichen Verhältnissen keine Angaben gemacht.

Die Feststellungen zu G.II.1. beruhen auf den Angaben der Zeugin Dr. Y. O. und den Angaben des Angeklagten in seinem Schreiben vom 17. September 1992 an das Verteidigungsministerium. Die Feststellungen zu Name, Volkszugehörigkeit und Geburtsdatum sowie vormaliger Wohnanschrift ergeben sich aus den Angaben des Angeklagten bei der Feststellung seiner Personalien. Die Feststellungen zu G.II.2 beruhen auf dem Schreiben des Angeklagten vom 17. September 1992 an das Verteidigungsministerium, dem Schreiben des Angeklagten an den 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München vom 24. Juni 2008, dem Schreiben des Angeklagten an den Deutschen Bundestag vom 22. Juni 2010, den Angaben der Zeugen D. K., A. L., G. D. und der Zeugin Dr. Y. O.

Die Feststellungen zu G.II.3. beruhen auf den Auskünften aus dem deutschen Bundeszentralregister und dem kroatischen Strafregister.

3. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Angeklagten zur Tatzeit in ihrer Schuldfähigkeit nicht beeinträchtigt waren. Es haben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bei den Angeklagten zum Tatzeitpunkt die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit eingeschränkt waren. Beide Angeklagte haben bis zu ihrer Pensionierung über Jahrzehnte Tätigkeiten im Staatssicherheitsdienst und anderen Behörden in Jugoslawien und Kroatien in hohen Positionen ausgeübt. Aus den Aussagen der vernommenen Zeugen, die mit den Angeklagten in Kontakt standen, haben sich keine Hinweise für Auffälligkeiten ergeben, die vor dem Hintergrund der §§ 20, 21 StGB beachtlich wären.

VII. Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu H.

1. Desinformationskampagne (Feststellungen zu H.I.)

a) Die Feststellungen zu H.I.1. beruhen auf den Angaben des Zeugen B. S. Dieser gab an, nach der Flucht des S. D. habe die Emigrantenpresse viele positive Berichte über ihn veröffentlicht. Er habe Informationen erhalten, dass S. D. eine führende Rolle in der Emigration anstrebe. Er habe etwa für den kroatischen Nationalrat kandidiert. Vor diesem Hintergrund habe er im Rahmen der Aktion „Pismo“ die Desinformationskampagne gegen D. durchgeführt. Dem schenkt der Senat Glauben, zumal der weitere Zeuge I. L. bestätigte, die Desinformationskampagne gegen S. D. sei von B. S. geleitet worden. Diese Aktion sei bereits vor Aufnahme seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter der Abteilung II im SDB zum 1. März 1983 eingeleitet worden.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Einleitung der Aktion „Pismo“ vom Leiter der Abteilung II des SDB S. C., wenn nicht sogar von S. Do., dem Bundessekretär für Innere Angelegenheiten, veranlasst wurde. Der Angeklagte P. war über diese Aktion informiert, wie die Zeugen S. und L. bekundeten.

Soweit der Zeuge S. angab, er allein habe die Idee gehabt, seine Arbeit gegen diesen zu richten, als er die im vorherigen Absatz beschriebenen Informationen erhalten hatte, schenkt der Senat diesem Teil seiner Angaben keinen Glauben. Nach Überzeugung des Senats handelt es sich nicht um einen „Alleingang des Zeugen S.“. Dies ist nach Überzeugung des Senats nicht vereinbar mit der beruflichen Stellung des Zeugen im Gefüge des SDB. Er war bloßer operativer Mitarbeiter. Die Aktion „Pismo“ sollte ihre Wirkungen im Ausland entfalten, und zwar unter einer Vie lzahl von Exilkroaten. Schon wegen der außenpolitischen Wirkung war es im auf Hierarchie ausgelegten Staatssystem der SFRJ undenkbar, dass eine solche Entscheidung auf der „Arbeitsebene“ fiel. Dieser Wirkungen waren sich die politischen Führungen in Belgrad und in den Hauptstädten der Republiken bewusst.

Der Senat konnte bei der Vernehmung des Zeugen feststellen, dass er die Neigung hat, seine frühere Rolle zu überschätzen. Diese Überschätzung steht im Zusammenhang mit der publizistischen Tätigkeit des Zeugen, der sich schriftstellerisch mit den Sicherheitsdiensten Jugoslawiens und seiner eigenen überhöht angesehenen Rolle betätigte. Bei der Vernehmung wurde bei dem Zeugen zudem eine verklärende „Jugoslawien-Nostalgie“ spürbar. Er rühmte die Sicherheitsdienste in ihrem Kampf gegen die „Terroristen“ und hob immer wieder hervor, wie erfolgreich insbesondere auch er gewesen sei, um die Destabilisierungsbemühungen des Bundesnachrichtendienstes abzuwehren.

Ein Alleingang des Zeugen S. passt auch nicht zur Zielrichtung der Aktion. Denn Ziel dieser geplanten und organisierten Gegenpropagandamaßnahme gegen die extreme Emigration war die Schwächung ihrer Aktions- und Organisationsstärken auf dem Gebiet politischideologischer Sabotage, des Terrorismus und der subversiven Propaganda. Dies ergibt sich für den Senat nachvollziehbar aus dem Gutachten des Sachverständigen Professor Dr. N. und zudem aus der Dokumentation des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Sozialistischen Republik Bosnien-Herzegowina aus dem April 1987 mit dem Titel „Bekämpfung der Tätigkeit ausländischer Nachrichtendienste und feindliche Emigration“. Die von B. S. im Einzelnen umgesetzten Maßnahmen sind nach Überzeugung des Senats im Gesamtkontext der Bekämpfung der sogenannten feindlichen Emigration durch die Abteilung II des SDB zu sehen, die in enger Koordination mit der Abteilung II des SDS der SRH erfolgten und auch nicht getrennt von der vom SDS im Juli 1982 eingeleiteten operativen Bearbeitung des S. D. in der Aktion „Brk“ gesehen werden dürfen.

b) Die Feststellungen zu H.I.2 beruhen auf den Angaben des Zeugen B. S., W. H. und H. S. sowie der Ansichtskarte. Der Zeuge B. S. räumte freimütig ein, die „Bleiburg-Karten“ hergestellt und in Umlauf gebracht zu haben. Aus seinen Bekundungen ergibt sich ferner auch, dass der Gedenkort Bleiburg, der wegen seiner Erinnerungskultur für die Exilkroaten den jugoslawischen Behörden ein Ärgernis war, bewusst als Motiv ausgewählt worden war, weil er gegen S. D. den bestmöglichen Effekt versprach. Der Zeuge W. H. gab an, S. D. habe am 7. April 1983 auf seiner damaligen Dienststelle im Polizeipräsidium München unter Vorlage der Ansichtskarte vorgesprochen. Er habe angegeben, dass eine unbekannte Person diese Postkarte angefertigt habe, um ihn zu diskreditieren und als skrupellosen Geschäftsmann darzustellen. Die Postkarte solle den Eindruck erwecken, dass er mit einem Denkmal für kroatische Freiheitskämpfer in Bleiburg Werbung für seine Bücher mache. Die Zeugin H. S. berichtete, S. D. habe ihr von der gegen ihn gerichteten Ansichtskartenkampagne des jugoslawischen Staatssicherheitsdienstes berichtet. Er habe ihr das Aussehen der Postkarte geschildert, nämlich dass auf der Vorderseite der Postkarte sein Lichtbild und ein kroatisches Denkmal in Österreich abgebildet seien. Der Senat sieht keinen Grund, den Aussagen der Zeugen nicht zu folgen, die am Ausgang des Verfahrens kein persönliches Interesse haben.

c) Die Feststellungen zu H.I.3, was die Vorkommnisse zum Kriegsende nach der Kapitulation der kroatischen Truppen in Kärnten anbelangt, enthalten allgemeinkundige Tatsachen, auf die der Senat hingewiesen hat. Die Sachverständigen Prof. N. und R. haben diese Feststellungen überprüft und bestätigt. Dass die Kroaten das Mahnmal in Bleiburg für Gedenkveranstaltungen nutzten und dieses einen hohen Stellenwert in ihrer Erinnerungskultur hatte, ergibt sich darüber hinaus aus der Darstellung des Zeugen A. J. Dieser ist der Sohn von J. J., der seinem Bruder B. im Vorsitz der HNO nach dessen Tod nachfolgte. Er schilderte dem Senat nachvollziehbar sein Vorhaben, als Stellvertreter seines Vaters bei einer solchen Veranstaltung zu sprechen, was zu seinem Bedauern von den österreichischen Behörden verhindert worden sei.

d) Die Feststellungen zu H.I.4 beruhen auf der Zeugenaussage von B. S., der die Herstellung der Zeitung freimütig und mit einem gewissen Stolz einräumte. Insbesondere war ihm wichtig, dem Senat mitzuteilen, wieviel Zeit und Mühe er darauf verwendet hat. Seine Angaben werden bestätigt durch Folgendes:

Der Zeuge D. D. bestätigte, dass die Ausgabe der Nova Hrvatska Nr. 14 in zwei unterschiedlichen Fassungen erschienen sei. Das Original dieser Ausgabe sei in London erschienen und trage ein Datum. Die Ausgabe Nr. 14 mit hellgrüner Farbe sei eine Fälschung. Diese enthalte ein Interview mit seinem Vater, das nie stattgefunden habe. Sein Vater sei aufgefordert worden und habe auch beabsichtigt, sich für die Präsidentschaftswahl des HNV (kroatischer Nationalrat) zu bewerben.

Der Zeuge Dr. J. J. gab an, er habe S. D. als Kandidaten zum Kroatischen Nationalrat vorgeschlagen und sämtliche Dokumente für dessen Kandidatur bereits nach New York verschickt. Er habe zwei gefälschte Ausgaben der Zeitung Nova Hrvatska mit einem Interview mit S. D., das dessen Vergangenheit negativ darstellte, und mit der Aufschrift auf der Titelseite, S. D. werde nicht für den Nationalrat kandidieren, an zwei hintereinander folgenden Tagen im Juli erhalten. Die Originalzeitung habe er zusammen mit dem zweiten gefälschten Exemplar der Zeitung erhalten. Eine gefälschte Ausgabe sei in London, die andere in Dortmund verschickt worden. Die ebenso wie die Originalfassung in kroatischer Sprache abgefasste Ausgabe mit dem Text auf dem Deckblatt, S. D. werde nicht für den Nationalrat kandidieren, stamme von einem Serben. Hiervon gehe er aufgrund der in den Texten verwendeten Sprache und dem Stil aus. Daher handele es sich um eine Fälschung, die seiner Meinung nach vom jugoslawischen Geheimdienst hergestellt worden sei.

Der Zeuge B. S. ist serbischer Staatsangehöriger und Volkszugehöriger. Für den Senat ist es daher stimmig, dass die von dem Zeugen Dr. J. angeführte Auffälligkeiten in der inkorrekten Sprache in der Ausgabe mit dem hellgrünen Deckblatt dafür sprechen, dass diese Ausgabe tatsächlich, wie der Zeuge S. angegeben hat, von ihm angefertigt worden ist. Zudem hat S. plastisch dargestellt, dass es ihn Mühe gekostet habe, „kroatisch“ zu schreiben. Er war allerdings der Auffassung, dies sei ihm bestens gelungen.

Die Zeugin H. S. bekundete, S. D. habe ihr von der Fälschung einer in London erscheinenden Zeitung durch den jugoslawischen Staatssicherheitsdienst berichtet. Es seien Artikel eingefügt worden. In einem dieser Artikel würde seine Person diffamiert. Wie auch bei der Ansichtskartenkampagne sei Ziel dieser Aktion, seinem Ansehen Schaden zuzufügen. S. D. habe ihr weiter berichtet, dass er beabsichtige, für ein internationales kroatisches Parlament oder Gremium zu kandidieren.

Beide Ausgaben der Nova Hrvatska unterscheiden sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild und Inhalt. Dies steht fest aufgrund eines Vergleichs der beiden Ausgaben Nr. 14 der Zeitschrift Nova Hrvatska und deren Übersetzung. Auf dem Deckblatt der Ausgabe Nr. 14 in hellgrüner Farbe ist unter anderem lediglich die Jahreszahl 1983 abgedruckt. Dort befindet sich in einem Querbalken eine Aufschrift beginnend mit S. D. Dort befindet sich der Text:„S. D.: Ich Werde Nicht Für Das Parlament, Kroatischer Nationalrat, Kandidieren“. Auf Seite 8 und 9 ist neben einem Lichtbild des S. D. und seines Sohnes D. ein Interview mit S. D. abgedruckt. Im Gegensatz hierzu enthält die Ausgabe Nr. 14 mit einem Deckblatt in dunkelgrüner Farbe den Aufdruck 17.VII.1983. In dieser Ausgabe sind insbesondere die oben genannten Beiträge nicht enthalten.

Dass es sich bei der Ausgabe Nr. 14 mit dem hellgrünen Deckblatt um eine Fälschung handelt, wird bestätigt durch die Ausführungen des Sachverständigen H., welchen der Senat gefolgt ist. Der Sachverständige führte aus, das Exemplar dieser Ausgabe Nr. 14 mit der Aufschrift 17.VII.1983. auf dem Deckblatt und die Ausgabe mit hellgrünen Deckblatt und der Aufschrift 1983 unterscheide sich trotz Gemeinsamkeiten (unter anderem Heftformat, Offsetdruckverfahren, Seitenumfang von 20 Seiten, Verwendung einer Schmuckfarbe für die Umschlagaußenseite, Gestaltung des Umschlags, dreispaltige Texte, Ausrichtung der Seitenüberschriften, Hinweise auf Fortsetzung auf der nächsten Seite durch Pfeile, Druckbildfehler) mehr oder weniger gravierend: Papierqualität des Umschlags, Reproduktions- und Montagefehler bei der Impressumsspalte auf Seite 3, mangelhafte Druckqualität in Bezug auf Satz und Bild. Der Sachverständige kam daher zu dem Ergebnis, die Befunde sprächen in erheblichem Maße dafür, dass das Heft mit dem hellgrünen Deckblatt nicht in derselben Druckerei wie das andere Heft mit dem Datum 17.VII.1983 und die ihm zum Vergleich vorliegenden weiteren Heftnummern Nr. 11 (5.VI.1983.), Nr. 12 (19.VI.1983.), Nr. 13 (3.VII.1983.), Nr. 15 (31.VI.1983.), Nr. 17 (11.IX.1983.), Nr. 18 (25.IX.1983) und Nr. 2 (29.1. bis 12.11.1984.) dieser Zeitung hergestellt worden sei.

e) Die Feststellungen zu H.I.5 beruhen auf den Angaben des Zeugen B. S., der entsprechende Angaben machte. Die allgemeinen Ziele der Aktion „Pismo“ stehen fest aufgrund der Dokumentation des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Sozialistischen Republik Bosnien-Herzegowina vom April 1987. Danach war eines der Ziele der Aktion „Pismo“, ein Klima des Argwohns und Misstrauens und der gegenseitigen Verdächtigung zu schaffen. Die Emigranten sollten dadurch gezwungen werden, sich mit sich selbst zu beschäftigen, und bedingt dadurch ihre feindlichen Aktivitäten verringern.

Das geschilderte Verhalten des S. D. nach Versendung der Postkarten ergibt sich aus den Angaben des Zeugen W. H.

f) Die Feststellungen zu H.I.6 beruhen auf den Angaben des Zeugen I. L. Dieser gab an, ab März 1983 die Aufgaben eines Leiters der Abteilung II des SDB der SFRJ (Abteilung für Bekämpfung der feindlichen Emigration und Terrorismus) in Belgrad übernommen zu haben. Seine förmliche Ernennung zum Abteilungsleiter sei jedoch erst einige Monate später, erinnerlich zum 1. Juni 1983, erfolgt. Diese Position habe er bis zu seiner tatsächlichen Verrentung im Jahre 1986 innegehabt. Sein Vorgänger S. C. sei zeitgleich mit der eigenen förmlichen Ernennung zum Berater des Ministers ernannt worden. Da sich seine Ernennung und die Beförderung seines Vorgängers verzögert hätten, habe er die Funktion des Abteilungsleiters zunächst am Beginn zusammen mit S. C. ausgeübt. S. C. habe vor dem Tod des S. D. auf den Zweck des in der gefälschten Zeitung abgedruckten, unzutreffenden Interviews mit diesem angesprochen geäußert, dass dieses Interview Groll der Emigranten gegen S. D. E. L.en sollte. Er habe geäußert, „vielleicht gibt jemand S. D. eine Ohrfeige.“ Nach der Ermordung des S. D. habe der Zeuge L. aus den Gesamtumständen den Schluss gezogen, die gefälschte Zeitung habe den Verdacht auf die Emigranten E. L.en sollen. Auch der Zeuge R. bestätigte in seinem Schreiben vom 25. März 1983 an S. D., dass derartige Desinformationskampagnen zur Vorbereitung von Morden vom Staatssicherheitsdienst eingesetzt wurden.

Der Senat ist in der Gesamtschau mit dem unter Punkt J.III. dargestellten Nachtatverhalten davon überzeugt, dass die gegen S. D. gerichtete Desinformationskampagne den Zweck verfolgte, die Tötung des S. D. durch den Staatssicherheitsdienst als Ergebnis einer Abrechnung rivalisierender Exilkroaten darstellen zu können.

2. Operative Bearbeitung des S. D.: Aktion „Brk“ (Feststellungen zu H.II.)

a) Die Feststellungen zu H.II.1 beruhen auf den Angaben des Zeugen G. L. Dieser gab an, ab 15. Dezember 1978 bis im Jahre 1984 als Inspektor in der II. Abteilung des SDS-Zentrum Zagreb gearbeitet zu haben. Im Jahre 1982 sei M. D. Leiter dieser Abteilung gewesen. Die Aktion gegen S. D. sei im Mai 1982 auf Veranlassung der Führungsebene im Sekretariat für Innere Angelegenheiten der SRH - entweder von M. oder P. - eingeleitet worden, als bekannt geworden war, dass einer der Leiter der INA das Land verlassen habe. Das SDS-Zentrum Zagreb habe die Aktion ausgeführt. Allerdings habe der Dienst zu diesem Zeitpunkt noch keine Erkenntnisse besessen, in welchem Land sich S. D. aufhielt.

Wie der Sachverständige Prof. N. ausführte, ergibt sich aus den Unterlagen der Aktion „Brk“, dass ca. einen Monat nach der Flucht von S. D. Ermittlungen des SDS der SRH gegen ihn eingeleitet wurden. Sein Aufenthalt in Deutschland wurde dagegen erst Anfang Juli 1982 dem SDS der SRH bekannt.

Die operative Bearbeitung von S. D. bestätigt auch der Zeuge B. T. Dieser gab an, ab Ende 1981 zunächst operativer Mitarbeiter in der Abteilung II des SDS der SRH und nach dem Weggang von J. P. im Jahre 1985 deren Leiter gewesen zu sein. J. P. sei bis 1985 sein Abteilungsleiter gewesen. Die Führungsebene der SRH habe die Abteilung II angegriffen, weil sie erst nach einem Monat von der Flucht des S. D. erfahren hätte. Daraufhin sei die Bearbeitung des S. D. unter dem Codenamen „Brk“ (da dieser einen prominenten Schnauzer hatte) eingeleitet worden. Auch der Zeuge M. D. bestätigte, dass die Bearbeitung der Aktion durch „seine“ Abteilung II mitgeführt worden sei. Er gab an, ab Anfang 1981 Leiter der Abteilung II des SDS-Zentrum Zagreb gewesen zu sein. Der Angeklagte P. sei Leiter der entsprechenden Abteilung des Republikdienstes und damit auf der Tätigkeitslinie sein Vorgesetzter gewesen. 1982 hätten sie zunächst erfahren, dass ein wichtiger INA-Manager in München aufgetaucht sei und sich mit der Emigration in Verbindung gesetzt habe. Kurze Zeit später hätten sie erfahren, dass es sich hierbei um S. D. handelte.

Aus der Tatsache, dass der Angeklagte Z. M. im Mai 1982 nicht im kroatischen Innenministerium beschäftigt war, schließt der Senat, dass die Aktion „Brk“ auf Veranlassung des Angeklagten P. eingeleitet wurde.

b) Die Feststellungen zu H.II.2 beruhen zunächst auf der Urkunde zur Einleitung der operativen Bearbeitung durch den SDS vom 7. Juli 1982 und sodann auf den Angaben der Zeugen M. D., B. T., G. L., B. K. und J. G., die die festgestellten Angaben über den Gegenstand der Operation gemacht haben. Dass die operative Bearbeitung damals die höchste Stufe der Bearbeitung darstellte, ergibt sich wiederum aus den Angaben des Zeugen M. D.

c) Die Feststellungen zu H.II.3 beruhen auf der Urkunde zur Einleitung der operativen Bearbeitung durch den SDS. In dieser Urkunde ist G. L. als operativer Mitarbeiter der Aktion eingetragen. Hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen dem Angeklagten P. und K. P. wird auf die Ausführungen unter E. und der Beweiswürdigung hierzu verwiesen. Zudem beruhen die Feststellungen hinsichtlich der Bearbeitung der Aktion auf den glaubwürdigen Angaben der Zeugen G. L., M. D. und B. K. Die Feststellungen zur Zusammenarbeit mit anderen Behörden außerhalb des Dienstes beruhen auf den glaubwürdigen Angaben der Zeugen M. D. und J. G., welchen der Senat gefolgt ist.

d) Die Feststellungen zu H.II.4. beruhen auf der Strafanzeige vom 16. Februar 1983 und der Information Nr. 206, unterschrieben von F. V. als Leiter des SDS Zentrums Zagreb der SRH. Der Zeuge G. L. bestätigte, seine Abteilung habe die Strafanzeige erstattetet.

3. Strafanzeige der Dienststelle des staatlichen Finanzverkehrs in der Sozialistischen Republik Kroatien mit Sitz in Zagreb (H.III.)

Die Feststellungen beruhen auf der Strafanzeige der Dienststelle des Finanzverkehrs vom 27. Dezember 1982.

VIII. Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu I.I. (Entscheidung über die Ermordung des S. D.)

1. Dass der ehemalige jugoslawische Staatsapparat die Ermordung von S. D. zu verantworten hat, ergibt sich aus folgender Würdigung:

a) Der Angeklagte P. war durch die Kontakte zu seiner Quelle P. und die Besorgung und Weitergabe des Nachschlüssels maßgeblich in die Ausführung der Ermordung eingebunden (dazu unten unter IX.). Es liegt fern anzunehmen, dass es sich bei dieser Tätigkeit des Angeklagten P. um eine private Aktion handelte, die mit seiner Stellung als Mitarbeiter des SDS nichts zu tun hatte. Vielmehr deutet die Beschäftigung des SDS mit der Person des S. D. auf einen amtlichen Auftrag an den Angeklagten P.

b) Eine schriftliche Liquidierungsentscheidung oder ein Protokoll über eine mündliche Anordnung hat der Senat nicht feststellen können. Dies hindert jedoch nicht die Annahme, dass die Ermordung von staatlicher Seite veranlasst war. Auch im Rahmen der Gesetze der SFRJ handelte es sich um illegales Vorgehen, dessen sich alle Beteiligten bewusst waren. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, sondern naheliegend, dass keine schriftlichen Aufzeichnungen angefertigt oder diese später vernichtet wurden, wenn es sie denn jemals gab. Der Sachverständige N. hat darüber hinaus berichtet, dass auch die Unterlagen des SDS zu S. D. bereinigt worden seien. Es könne festgestellt werden, dass diese nicht vollständig seien, inbesondere fehlten einige Dossiers.

c) Die Motive, die zur Ermordung führten (dazu unten), zeigen ein deutliches Interesse, D. zu beseitigen.

d) Die Ermordung kritischer Exil-Jugoslawen war im Übrigen gängige Praxis (vgl. D.I.2 und L.III.2).

d) Im Übrigen wird auf die Gesamtwürdigung (XIII.) verwiesen.

2. Der Senat konnte lediglich den Angeklagten M. und den damaligen Bundessekretär des Innern S. Do. als diejenigen Personen namentlich benennen, welche an der Entscheidung über die Ermordung von S. D. mitgewirkt haben.

a) Hinsichtlich S. Do. ergibt sich dies zum einen aus seiner Funktion als Bundessekretär des Innern.

Der Sachverständige R. hat ausgeführt, dass die Liquidierungsentscheidungen in einer verschwiegenen Umgebung gefällt wurden und deshalb nicht über den personellen Kreis jugoslawischer Innensekretariate hinausreichten. Da gezielte Tötungen im Ausland die Gefahr in sich bargen, ernsthafte Belastungen der außenpolitischen Beziehungen der SFRJ nach sich zu ziehen, habe es im Interesse der SFRJ gelegen, durch Bundesorgane der SFRJ über die Liquidierungen im Ausland zu entscheiden.

Diese Ausführungen des Sachverständigen sind nachvollziehbar. Sie passen auch zu der Aussage des Zeugen L., wonach S. Do., nachdem er von der erfolgten Ermordung des S. D. erfahren hatte, gefragt habe, was mit der Mannschaft sei (vgl. dazu unter J.II. sowie L.XI.2). S. Do. war demnach über die geplante Ermordung informiert. Hieraus sowie aus seiner herausragenden Funktion als Bundessekretär des Innern schließt der Senat, dass er die Genehmigung für die Ermordung erteilt hat. Aus den vom Zeugen L. wiedergegebenen spontanen Äußerungen von S. Do. über Gespräche mit seinem Amtsvorgänger F. H., als L. ihn von der Ermordung des S. D. in Kenntnis setzte, hat der Senat geschlossen, dass für Do. Liquidierungen keine ungewöhnlichen Vorgänge darstellten. Auch wenn S. Do. im Zusammenhang mit der Ermordung von S. D. sagte, „wir müssen damit aufhören“, bedeutet dies zur Überzeugung des Senats nicht, dass dies der Appell eines Unbeteiligten war. Vielmehr zeigt diese Bemerkung das schlechte Gewissen und ein gewisses Maß an Reflexion.

Auch einige ehemalige Mitarbeiter des SDS bzw. SDB, die Zeugen C., K., G. und S., haben davon berichtet, dass die endgültige Entscheidungsbefugnis bei Liquidierungen beim Bundessekretär des Innern lag.

b) Hinsichtlich des Angeklagten M. ergibt sich seine Beteiligung aus seiner Funktion als politischer Leiter des SDS der SRH. Der SDS der SRH war die maßgebliche Stelle bei der Beobachtung von S. D. Darüber hinaus hatte der SDS die politische Sicherheit im Innern zu gewährleisten. Der SDS sah in den Aktivitäten von S. D. in der Emigration ein erhebliches Gefährdungsmoment für die innere Sicherheit nicht nur Kroatiens, sondern für Jugoslawien als solches. Die ureigene Zuständigkeit des SDS der SRH war somit betroffen.

Der Angeklagte M. nahm als politischer Leiter des SDS der SRH an Sitzungen des Rates zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der SRH teil. Bei den Sitzungen vom 12. Oktober 1982 stellte er die Fälle INA und des S. D. als die wichtigsten aktuellen Sicherheitsfragen heraus. Dabei berichtete er über dessen sehr intensive feindliche Aktivitäten in Deutschland.

Die Liquidierung des S. D. bot dem Angeklagten M. auch die persönliche Gelegenheit, insbesondere gegenüber Belgrad und dem dort agierenden S. Do. den Beweis anzutreten, dass wenigstens er die politische Verantwortung für Sicherheitsfragen in Kroatien ausfüllen konnte, die der SRH-Sekretär für Inneres P. G. nicht in der Lage zu tragen war. Dieser war nämlich trotz seiner Funktion nicht in die Entscheidungsfindung eingebunden. Dies beruht nicht nur auf seiner Aussage, sondern auch darauf, dass er keinen Rückhalt in Partei und Staat hatte. So schrieb er am 26. März 1985 an den Präsidenten des Präsidiums der SRH unter Zurückweisung von Vorwürfen gegen seine Amtsführung, dass er bereits Anfang 1983 nach nur 8 Monaten im Amt seinen Rücktritt angeboten habe. Dieser sei jedoch erst im September 1983 angenommen worden. Bei der Erörterung über sein Rücktrittsgesuch im kroatischen Parlament heißt es im Protokoll vom 28. September 1983, dass er in seiner Funktion als Republiksekretär seine Unbeholfenheit bei der Ausrichtung der Tätigkeit der Organe für innere Angelegenheiten im Zusammenhang mit einigen fachspezifischen Aufgaben, insbesondere in Bezug auf Wirtschaftskriminalität, gezeigt habe. Diese Kritik nur kurz nach der Ermordung von D. zeigt, dass sein Ansehen gering war. Obwohl G. als Republik-Sekretär für Inneres „geborenes“ Mitglied des Rats zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der SRH war, ergaben die diesbezüglichen Sitzungsprotokolle, dass in der Regel nur der Angeklagte M. in den Jahren 1982 und 1983 den Ratssitzungen beiwohnte und die Sicherheitspolitik des Innen-Sekretariats der SRH erläuterte. G. war auch kein Politiker der Innneren Sicherheit - ganz im Unterschied zum Angeklagten M., der über viele Jahre in den kroatischen Sicherheitsbehörden Erfahrung sammelte, bevor er 1982 mit leitenden (auch politischen) Funktionen betraut wurde.

Infolge der schwachen Stellung des P. G. wurde der Angeklagte M. als politischer Leiter des SDS zum natürlichen Ansprechpartner auch der Bundesorgane der SFRJ, insbesondere bei delikaten Liquidierungsentscheidungen, die eine verschwiegene, aber verlässliche Kommunikation entlang der „politischen Linie“ mit S. Do. erforderten, die nur der Angeklagte M., nicht aber P. G. zu leisten in der Lage war, dem nach eigenen Bekunden selbst die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen seinen beiden Untersekretären nicht klar war. Diese Berichte/Unterrichtungen/Gespräche zwischen Z. M. und S. Do. entlang der „politischen Linie“ belegen Äußerungen des Angeklagten M. in der Sitzung des Rats zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der SRH am 15. April 1983. M. berichtet von zwei „Vier-Augen-Gesprächen“ mit S. Do., welche sich mit S. D. (und INA) befassten.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter IX.1.b sowie auf die Gesamtwürdigung (XIII.) verwiesen.

c) Der Senat geht davon aus, dass neben dem Angeklagten M. weitere hochrangige Funktionsträger in Partei und Staat in Kroatien in die Entscheidungsfindung eingebunden waren. Die Entscheidung war zu wichtig, als dass sie dem politischen Leiter des SDS überlassen bleiben konnte. Wer allerdings die Entscheidung noch mitgetragen hat, konnte der Senat nicht feststellen.

3. Die festgestellten Motive für die Ermordung ergeben sich aus folgenden Überlegungen:

a) Bekämpfung der feindlichen Emigration und Bedeutung von S. D. (Feststellungen zu I.I.2):

aa) Der Sachverständige Prof. N. hat ausgeführt:

Der SDS der SRH und der SDB hätten S. D. als eine ernsthafte Gefahr für Jugoslawien angesehen. Nach Einschätzung des SDB habe er das Potential gehabt, die bis dahin zersplitterte extreme Emigration zu einen und sie als vielseitiger Kenner aller Strukturen und der allgemeinen Lage im Land für die Durchführung konkreter Aktionen zu mobilisieren. Daher seien seine Kandidatur für den HNV und seine Pläne, die zersplitterte Emigration zu einen, für die Stabilität der SFRJ bedrohlich geworden. Seine publizistischen Aktivitäten in Deutschland seien hinzugetreten. In ihnen habe der SDB einen bedeutenden Anstoß für die propagandistischsubversive Tätigkeit der Ustascha-Emigration gesehen. Der SDB und der SDS der SRH seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass weitere Enthüllungen von Machenschaften jugoslawischer Politiker und ihrer Familien, die bisher nicht in Büchern oder Zeitungsartikeln des S. D. veröffentlicht worden waren, folgen würden. Sie hätten weitere systemkritische Veröffentlichungen befürchtet.

Er führte weiter aus, bereits einen Monat nach der Flucht des S. D. habe sich der SDS mit ihm befasst. Wegen seiner beruflichen Stellung als Marketing-Direktor der Arbeitsorganisation INA habe der SDS überprüft, ob S. D. Erkenntnisse über militärische Geheimnisse besessen und einem ausländischen Nachrichtendienst offenbart habe. Denn die INA habe als größte Ölfirma Jugoslawiens eine große Bedeutung für die Sicherheit des Landes und die Versorgung der Armee besessen. Die Überprüfungen hätten jedoch ergeben, dass er keine Unterlagen der INA an sich genommen habe. Nach der Einschätzung des SDS habe aber dennoch die Gefahr der Weitergabe von Daten über die Reserven von Rohöl und Rohölderivaten im zivilen und militärischen Bereich bestanden, weil S. D. diese auswendig gekannt habe. Am 7. Juli 1982 habe der Leiter des SDS-Zentrums Zagreb F. V. die operative Bearbeitung des S. D. beantragt. Als Leiter der II. Abteilung des Republik-SDS habe J. P. den Vorschlag unterstützt und Z. M. die operative Bearbeitung genehmigt.

Bereits im September 1982 habe der SDS der SRH ein klares Feindbild von S. D. gezeichnet. In einem vom Leiter des Zentrums F. V. unterzeichneten Vermerk des SDS-Zentrum Zagreb vom 6. September 1982 ist festgehalten, dass S. D. einige in Jugoslawien verfasste Bücher, die die Lage und Persönlichkeiten in Jugoslawien negativ darstellten, herausgeben wolle. Diese hätten Informationen über das Privatleben hochrangiger Führungskräfte, unter anderem des verstorbenen Staatspräsidenten Tito, enthalten. Er habe mit einem der „extremsten Emigranten“ der Ustascha -Gefolgschaft hierfür Kontakt aufgenommen. Daraus sei der Schluss gezogen worden, dass er sich der Tätigkeit extremer Organisationen anschließe und subversiv propagandistisch tätig sei. Er plane auch die Errichtung eines Radiosenders.

Am 28. September 1982 habe der Angeklagte M. im erweiterten Fachkollegium des SDS der SRH darauf hingewiesen, dass wegen der delikaten politischen Situation sowie der kritischen Wirtschaftslage vor allem von Seiten der extremen Emigration mit intensiven Angriffen gerechnet werden müsse. Er habe betont, der externe und interne Feind müssten bekämpft werden. Er habe hierbei unter Hinweis auf S. D. darauf aufmerksam gemacht, dass gewisse Formen der wirtschaftlichen Kriminalität parallel mit feindlicher politischer Aktivität liefen. Die vom SDS der SRH in regelmäßigen Abständen verfassten Sonderberichte zur Information der politischen Führung der Republik über die aktuellsten Sicherheitsfragen hätten sich ebenfalls mit S. D. beschäftigt.

Die große Bedeutung des Falles S. D. für den SDS ergäbe sich aus der großen Anzahl der Berichte, die über ihn in einem kurzen zeitlichen Rahmen verfasst worden waren. Bei der Sitzung des Rates zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung vom 15. April 1983 erklärte Z. M., er habe zweimal unter vier Augen mit Do. gesprochen. Dieser habe sich besonders für D. interessiert. Beide hätten sich darüber unterhalten, in welche Richtung D. sich als Problem in der Emigration entwickeln könnte. Z. M. äußerte hierbei, er sei wie von Anfang an sehr pessimistisch. D. würde sich dort extremistisch entwickeln. Die Ermittlungen des SDS der SRH würden sich auch weiterhin mit dessen Büchern befassen. M. habe dabei berichtet, dass Do. geäußert habe, alle seine Bücher gelesen zu haben. Dieser habe sich danach erkundigt, wer die Quelle für die in den Büchern enthaltenen Informationen, die Normalsterblichen nicht zugänglich wären, gewesen sei. Am 9. Juni 1983 habe der SDS der SRH berichtet, dass S. D. noch immer über Material für weitere Publikationen verfüge. Ende Juni 1983 habe er vom SDS-Zentrum Split erfahren, S. D. habe vertrauliche Informationen über militärische Ölreserven Jugoslawiens verraten.

Diese Ausführungen des Sachverständigen Prof. N. sind nachvollziehbar. Der Senat schließt sich ihnen an. Sie passen zu den Feststellungen zur Person von S. D. (vgl. oben F) sowie zur Aktion „Brk“. Auch dort wird die große Bedeutung von S. D. für die Emigration, die Beobachtung durch den SDS und die große Bedrohung, die der SDS fürchtete, deutlich.

bb) Die Bedeutung, die der SDB und die Dienste der Republiken S. D. im Rahmen des Kampfes gegen die „feindliche Emigration“ zumaßen, kommt auch durch folgende Punkte zum Ausdruck:

(1) Bei allen dienstlichen Besprechungen seit seiner Flucht war D. Gesprächsthema. Dies steht fest aufgrund der Angaben des Zeugen I. L. Dieser gab an, S. D. sei der „Mann des Jahres gewesen“. Über diesen seien „entlang der Linien“ Besprechungen des Staatssicherheitsdienstes und innerhalb des Dienste wie auch Besprechungen mit dem KOS geführt worden.

(2) Ausweislich der Aussage des Zeugen L. wurde S. D. vom SDB nach März 1983 in einem allen Staatssicherheitsdiensten in Jugoslawien zugänglichen Register, in welchem alle Personen von besonderer Bedeutung enthalten waren, eingetragen. In dieses Register war er aufgenommen worden, weil S. D. nach Einschätzung des Staatssicherheitsdienstes Anführer oder einer der Führungsmitglieder der kroatischen Emigration werden würde. Durch die Eintragung in das Register sollten alle Staatssicherheitsdienste über seine besondere Bedeutung in Kenntnis gesetzt und hierdurch sichergestellt werden, dass alle ihn betreffenden Informationen unverzüglich an den SDB weitergeleitet werden würden.

(3) Darüber hinaus hat der Sachverständige R. angegeben, die Ermordung sei Ausdruck einer vorbeugenden Terrorismusbekämpfung gewesen. Der SDS/SDB habe mit Sorge die Kontakte zwischen S. D. und der Augsburger Gruppe um L. K. beobachtet, die vom SDS/SDB als terroristisch eingestuft worden sei.

Dieser Einschätzung des Sachverständigen R. schließt sich der Senat an. Sie wird im Übrigen durch eine vom SDB unter anderem an den SDS der SRH mit Schreiben vom 22. November 1982 gesteuerte Information bestätigt, worin es heißt, dass „die terroristische Ustascha-Gruppierung aus Augsburg, an der Spitze mit L. K. und A. S., über ihre Verbindungen eine bestimmte Menge von Sprengstoffvorrichtungen und sonstige Sabotagemittel mit dem Ziel der Durchführung terroristischer Aktivitäten auf das Gebiet der Herzegowina“ zu verbringen plane. In Informationen des SDS vom 4. April 1983 und des SDB vom 22. April 1983 werden Kontakte zwischen S. D. und L. K. beschrieben. Darüber hinaus heißt es in einer Quellenmeldung des Zentrums Mostar des SDS der SRBiH vom 11. Mai 1983, D. habe K. seine Bereitschaft versprochen, die Emigration finanziell zu unterstützen, insbesondere bei der Beschaffung und dem Betrieb eines Radiosenders, wofür er - wie er sagt - eine bis zwei Millionen DM geben würde. Einige Sätze später ist davon die Rede, dass K. gegenüber der Quelle geäußert habe, es müssten gewisse konkrete Aktionen durchgeführt werden. Außerdem habe K. die Notwendigkeit der Beschaffung oder Herstellung von Schalldämpfern für Pistolen betont.

Dass D. nach Ansicht des SDS der SRH Kontakte zu als Terroristen eingestuften Personen hatte, machte ihn damit für den SDS nicht nur als Publizisten und wegen seiner Nähe zu der Organisation des Dr. J. (HNO) gefährlich.

(4) Der SDB entfaltete einen hohen personellen und finanziellen Aufwand im Rahmen der Aktion „Pismo“ durch die Fälschung einer Postkarte sowie einer ganzen Zeitung.

(5) Für den kroatischen SDS war S. D. vor seiner Emigration „unauffällig“. Der SDS musste sich deshalb Vorhaltungen gefallen lassen. So heißt es im Protokoll des Rats zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung vom 15. April 1983 über einen Wortbeitrag des Angeklagten M.:

„Es ist bekannt, dass wir D. nicht auf der Spur waren, während er im Land war. Er hat sich bis zum letzten Moment gut versteckt. (M.: das war offensichtlich ein Versäumnis … er entkam uns.) Wir nehmen eine solche Kritik an, aber man sollte sich mit dem Realen auseinandersetzen … ein bisschen D., und dann kann man wieder zum zentralen Problem kommen. Es stimmt, dass man ihn in seiner unmittelbaren Umgebung nicht als politisch verdächtigt hielt.“

In derselben Sitzung berichtete der Angeklagte M. über eine Äußerung des Bundessekretärs des Innern, S. Do.:

„Er war sehr kritisch darüber, dass wir ihn nicht früher im Mittelpunkt des operativen Interesses hatten.“

Sein dem SDS bekanntes Streben nach herausgehobenen Funktionen innerhalb der Emigration und seine überwiegend noch in Kroatien geschriebenen und dann im Lande wie auch im restlichen Jugoslawien verteilten Publikationen führten dem SDS schlagend vor Augen, wie sehr der kroatische Sicherheitsapparat in der Vergangen heit „versagt“ hatte. S. D. erhielt dadurch eine besondere Bedeutung im Rahmen des Kampfes gegen die „feindliche Emigration“.

cc) Schon allein diese Gründe in ihrer Gesamtschau veranlassten die oben genannten Personen zur Entscheidung, ihn zu beseitigen.

b) In der INA-Affäre liegt ein weiterer möglicher Grund für die Ermordung. Der Senat hat hierbei folgende Gesichtspunkte in Erwägung gezogen:

aa) Wirtschaftliche Situation Jugoslawiens zu Beginn der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts Insoweit wird zunächst auf die Ausführungen unter B.I.8. sowie die sich hierauf beziehende Beweiswürdigung unter L.I. Bezug genommen.

Der Devisenmangel in der SFRJ am Anfang der 1980-er Jahre bewirkte eine Verknappung der Treibstoffsituation auf dem inländischen Markt und gefährdete den volkswirtschaftlich bedeutsamen Tourismus. Infolge gesunkener Erdöleinfuhren vom freien Weltmarkt war es unter anderem der INA-Arbeitsorganisation, der größten Ölfirma Jugoslawiens, nicht mehr möglich, die für den inländischen Markt erforderliche Menge an Erdölderivaten her- oder bereitzustellen. Dies traf insbesondere außerhalb der SRH gelegene Tankstellen. Die bei der Herstellung ihrer Produkte von Erdölderivaten abhängigen anderen Arbeitsorganisationen in der SFRJ mussten infolge der Versorgungsengpässe ihre Produktion drosseln - mit den entsprechenden gesamtwirtschaftlichen Folgen. Es wurden Bons für den Bezug mit Benzin eingeführt. Fahrzeuge mit geraden und ungeraden amtlichen Kennzeichen konnten nur noch an bestimmten Tagen tanken. Dies alles führte zu großen politischen Spannungen in Jugoslawien. Die Arbeitsorganisation INA und die SRH sahen sich Vorwürfen der Selbstsucht ausgesetzt, die die Bundespolitik und die benachteiligten Republiken der SFRJ erhoben.

Dies steht fest aufgrund der Angaben der Zeugen V. S. und P. F. V. S. war mit Unterbrechungen ab dem Jahre 1968 bis zum Jahre 1987 bei der Arbeitsorganisation INA beschäftigt, unter anderem im Zeitraum vom 1. September 1981 bis 1. September 1983 als Assistent des Generaldirektors von INA-Kommerz. Er hatte Einsicht in die Versorgungsnöte der SFRJ und seines Arbeitgebers. Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage sind insoweit nicht vorhanden.

Der Zeuge P. F. war von 1978 bis 1982 Präsident des Exekutivrats der SRH und vom 1. Juni 1982 bis im September 1990 Präsident des Geschäftsausschusses der Arbeitsorganisation INA. Er bestätigte V. S. und schilderte dem Senat die (wirtschafts-) politische Situation der SFRJ und SRH in den 1980-er Jahren. Seine Schilderungen waren stimmig, des Zeugen Gedächtnis zuverlässig, so dass der Senat ihm folgen konnte.

bb) Reformbewegungen Kroatiens; Öffnung der Wirtschaft nach Westen Die Feststellungen zu den Reformbewegungen in Kroatien, den bei der Arbeitsorganisation INA durchgeführten Ermittlungen und ihren Auswirkungen, den Äußerungen des Bundessekretärs für Innere Angelegenheiten der SFRJ und ihrer Deutung durch die politische Führung in Kroatien beruhen wiederum auf den Angaben der Zeugen P. F. und V. S. Auf die vorstehenden Glaubhaftigkeitserwägungen wird verwiesen. Der Zeuge F. führte ergänzend aus, dass nach dem Tod Titos in Jugoslawien ein Kampf geführt worden sei zwischen dem Bund, der das bisherige zentralistische System beibehalten wollte, und einigen Republiken, unter anderem Kroatien, die sich um Reformen und eine Öffnung der Wirtschaft nach Westen bemühten. Die Zentralisten hätte behauptet, dass die Reformer das zentralistische System zerstörten, wodurch die wirtschaftlichen Probleme erst hervorgerufen worden seien. Ein starker Verfechter des zentralistischen Systems sei der Bundessekretär für Innere Angelegenheiten S. Do. gewesen. Dieser habe eine Bundesdeviseninspektion nach Kroatien entsandt, die in sechzehn Unternehmen, unter anderem bei der Arbeitsorganisation INA, Ermittlungen durchführte. Diese seien im September 1982 intensiviert worden und hätten Ende September 1982 zu Festnahmen von Managern der Arbeitsorganisation INA geführt.

Die Untersuchungen hätten die Arbeit bei der INA, der größten jugoslawischen Firma mit einem Umsatz von 4 Milliarden Dollar, erheblich erschwert. 20% der Mitarbeiter seien mit Zuarbeiten für die Ermittlungsbehörden beschäftigt gewesen. Noch während der laufenden Ermittlungen habe S. Do. im September 1982 im Belgrader Fernsehen geäußert, dass die größte jugoslawische Firma das Devisensystem um 4 Milliarden Dollar geschädigt habe. Das Geld sei im Ausland gelandet. Do. habe um jeden Preis einen Schuldigen für die Wirtschaftskrise gesucht. Dessen Botschaft an das Volk, das keinen Kaffee und kein Waschpulver hatte, sei gewesen, die Manager hätten die Krise verschuldet. Die Untersuchung der Geschäfte, die 1983 abgeschlossen worden sei, habe ergeben, dass diese korrekt abgewickelt worden seien. Der politischen Führung in Kroatien sei klar gewesen, dass der Bundessekretär des Innern S. Do. durch seine Äußerungen deren Reformkurs für die Wirtschaftskrise verantwortlich machen wollte, um seine Forderung nach mehr Zentralismus zu unterstreichen.

Der Zeuge S. bestätigte, die Ermittlungen gegen die INA hätten lediglich kleinere Unregelmäßigkeiten, etwa bei der Abrechnung der Spesen, ergeben.

cc) Zuspitzung der INA-Affäre, Bedeutung

Die Ermittlungen beim größten Unternehmen Kroatiens und der Fall des S. D. hatten für die politische Führung der SRH in ihren Auseinandersetzungen mit Belgrad und ihrer Darstellung in der Öffentlichkeit einen besonderen Stellenwert. Wenigstens die INA-Arbeitsorganisation sollte zur Ruhe kommen. Deswegen bestand erhebliches Interesse daran, die gegen sie gerichteten Ermittlungen zu einem baldigen Ende zu bringen.

Grundlage dieser Einschätzung ist das Gutachten von Prof. N. Dieser führte aus, der SDS der SRH habe regelmäßig Sonderinformationsberichte herausgegeben, die der politischen Führung der SRH einen Überblick über die aktuellsten Sicherheitsprobleme geboten hätten. Die sehr große Bedeutung der Ermittlungen bei der Arbeitsorganisation INA und des Falls D. für den SDS ergäbe sich aus der Anzahl dieser Berichte in einem engen Zeitfenster deutlich. Seit Anfang 1982 bis September 1982 seien nur sieben Berichte erstellt worden. Im Zeitraum zwischen 9. September und dem 4. November 1982 seien demgegenüber neun Sonderberichte erstattet worden, wovon sich allein fünf mit der INA und S. D. beschäftigt hatten. Teilweise seien diese Sonderberichte an die höchsten Staats- und Parteiorgane weitergereicht worden. In der Sitzung des Rates zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der SRH vom 14. Dezember 1982 sei beschlossen worden, eine Information über die feindliche und anderweitige kriminelle Aktivität von S. D. an das Präsidium des Zentralkomitees des kroatischen Kommunisten-Bundes zuzuleiten. Ein weiterer Sonderinformationsbericht mit den sensibelsten Erkenntnissen des Dienstes habe ausschließlich an den Präsidenten der SRH, an den Präsidenten und Sekretär des Zentralkomitees des Bundes der Kommunisten Kroatiens und an den Präsidenten des Rates zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der SRH versandt werden sollen.

Die sich zuspitzende Entwicklung lässt sich auch anhand der Sitzungsprotokolle des Rates zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der SRH aus den Jahren 1982 und 1983 nachvollziehen. In den Sitzungen vom 12. Oktober 1982, 1. November 1982, 10. November 1982, 14. Dezember 1982, 15. April 1983 und 1. Juni 1983 wurden jeweils beide Fälle genannt und zum Ausdruck gebracht, dass die jeweiligen Ermittlungen schnellstmöglich zu Ende geführt werden sollten. An diesen Sitzungen nahm der Angeklagte Z. M. auch wortergreifend teil.

dd) S. D. als Sündenbock/Bauernopfer

Der SDS der SRH zog S. D. in den Strudel der Ermittlungen bei der Arbeitsorganisation INA. Die Anschuldigungen wegen angeblicher Unterschlagung von Geld durch Devisenmanipulationen waren jedoch haltlos und erbrachten keine Nachweise.

Dies steht fest aufgrund der Angaben der Zeugen P. F., P. G. und B. T.

Der Zeuge F. gab an, D. sei grundlos beschuldigt worden. Er habe die Art der verdächtigen Geschäfte mangels Zuständigkeit überhaupt nicht abwickeln können. Er habe keinerlei geschäftliche Beziehungen unterhalten, die einen Handel mit Devisen erforderten. In seiner beruflichen Position als Marketing Direktor habe er für derartige Geschäfte allenfalls Lobbyarbeit leisten können. In der Öffentlichkeit und in konservativen Kreisen sei S. D. daher unberechtigt mit den Ermittlungen der Bundesdeviseninspektion in Verbindung gebracht worden. Der Zeuge T. bestätigte, dass ein Zusammenhang zwischen den Ermittlungen der Bundesdeviseninspektion und dem Fall D. nicht bestanden habe.

Der Zeuge P. G., damals als Sekretär des Innern der SRH für die Ermittlungen gegen S. D. politisch verantwortlich, erläuterte, S. D. sei nach seiner Flucht ohne entsprechende Anhaltspunkte in den Fokus der Ermittlungen gerückt worden. Es habe die Idee gegeben, dass S. D. das Problem der INA gewesen sei und mit seinem Fall das ganze Problem gelöst werde.

Hierbei war es gerade der Angeklagte M., der bei der 8. Sitzung des Rates zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der SRH am 15. April 1983 darlegte, operative Erkenntnisse begründeten den Verdacht, dass S. D. bei der Firma INA acht Millionen US-Dollar unterschlagen habe, die Anklage wegen wirtschaftlicher Kriminalität sei allerdings im Unterschied zu der Anklage wegen staatsfeindlicher Kriminalität weniger fundiert.

Hieraus ergibt sich, dass der Tod von S. D. auch mit Blick auf die Ermittlungen bei der INA von Vorteil war. Die Entscheidungsträger in Partei und Staat konnten durch den Vorwurf der Devisenunterschlagung gegenüber S. D. dazu bewegt werden, leichter ihre Zustimmung zu dessen Ermordung zu geben. Hierdurch wäre nämlich zum einen die Unterschlagung von Volksvermögen „gerächt“, zum anderen könnte gegenüber der Bundesdeviseninspektion gesagt werden, der eigentlich Schuldige sei tot, weshalb keine weiteren Ermittlungen gegen andere Personen mehr durchzuführen seien. Ob diese Argumente bei der Entscheidungsfindung tatsächlich zum Tragen kamen, kann der Senat allerdings mangels anderer Anhaltspunkte nicht definitiv feststellen. Günstig waren sie auf jeden Fall.

4. Der Zeitpunkt der Liquidierungsentscheidung erfolgte vor Anfang Juni 1983. Anfang Juni 1983 erhielt nämlich der Angeklagte P. von K. P. den Nachschlüssel für den späteren Tatort zum Zwecke der Ermordung von S. D. Zu diesem Zeitpunkt stand deshalb dessen beabsichtigte Ermordung fest.

Wann genau vorher die Entscheidung gefasst wurde, ist nicht bekannt. Aus der umfangreichen Besprechung am 15. April 1983 im Rat zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der SRH, bei der S. D. und die INA-Affäre Hauptgegenstand waren, schließt der Senat, dass die dort besprochenen Streitigkeiten zum Anlass genommen wurden, den Fall D. durch seine Tötung zu beenden. Die Entscheidung wurde allerdings nicht während dieser Sitzung, sondern kurze Zeit später getroffen. Die Probleme mit S. D. waren nun klar geworden.

IX. Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu I.II. (Beteiligung der Angeklagten M. und P. an der Ermordung von S. D.)

1. Dass die Angeklagten M. und P. in dem beschriebenen Umfang an der Ermordung von S. D. beteiligt waren, ergibt sich aus folgenden Indizien:

a) Der Angeklagte P.

aa) Der Angeklagte P. ließ sich von seinem Informanten K. P. in Luxemburg Anfang Juni 1983 zum Zwecke der Ermordung von S. D. einen Nachschlüssel für den späteren Tatort, die Druckerei in Wolfratshausen, übergeben.

Dieses Indiz beruht auf folgenden Erwägungen:

(1) Der Zeuge T.:

(a) In einem Bericht eines Mitarbeiters der Sicherheitsorgane des 5. Korps der jugoslawischen Luftwaffe und Luftabwehr vom 28. Mai 1991 heißt es über die Angaben der Quelle „S-3“:

„Den P. sollte man durch die Presse diskreditieren, denn er ist der Gefährlichste und betätigt sich ganz frei. Im Bundesinnenministerium befindet sich alles über die Sachen, an denen er bei der Liquidierung von Emigranten teilgenommen hat. Er hat direkt bei der Vorbereitung der Liquidierung von D. teilgenommen. P.s Mitarbeiter L. hat ihm die Schlüssel in Belgien gegeben. Er, P., und ich sind nach Belgien gefahren, um die Schlüssel der Druckerei bzw. der Wohnung, wo D. getötet wurde, abzuholen. Diese Schlüssel hat nur K. P. im Besitz gehabt. Er hat diese Druckerei auch geleitet.“

Dass die im Bericht vom 28. Mai 1991 genannte „Quelle S-3“ B. T. ist, beruht auf den Angaben des Zeuge I. D. Er sei vom 1. Juli 1992 bis Anfang des Jahres 2000 Chef der operativen Abteilung im militärischen Nachrichtendienst gewesen. Dieser Bericht eines Mitarbeiters der Sicherheitsorgane des 5. Korps der Luftwaffe und Luftabwehr vom 28. Mai 1991 sei während des jugoslawischen Krieges Anfang der 90-er Jahre des 20. Jahrhunderts bei der Einnahme einer Kaserne, in der der 5. Korps der Luftwaffe und Luftabwehr seinen Sitz gehabt habe, durch Angehörige von polizeilichen und militärischen Einheiten sichergestellt worden. Die von seiner Dienststelle durchgeführten Ermittlungen hätten ergeben, dass es sich bei der Quelle S3 um den Zeugen B. T. gehandelt habe.

Diese Angaben des Zeugen D., bei dem kein Interesse an dem Ausgang des Verfahrens festzustellen ist, sind glaubhaft. Sie werden zudem teilweise durch die insoweit glaubhafte Aussage des Zeugen T. bestätigt, er habe gegenüber einem Mitarbeiter der jugoslawischen Volksarmee Angaben über die Beteiligung des Angeklagten P. an Liquidierungen von Emigranten im Jahre 1991 getätigt. Auch erklärte er, hierbei auf J. P. belastendes Material im Bundesinnenministerium hingewiesen zu haben. Er könne sich lediglich nicht daran erinnern, ob er in diesem Zuge auch über eine Schlüsselübergabe berichtet habe.

Die teilweise unrichtigen Sachverhaltsschilderungen beruhen nach Überzeugung des Senats darauf, dass der Berichtsverfasser die zutreffenden Informationen seines Informanten B. T. nicht richtig erfasst hat. So wird im Bericht der Mitarbeiter des Angeklagten P. falsch als L. (statt: P.) bezeichnet und als Übergabeort unrichtig Brüssel vermerkt. Hinsichtlich des Übergabeortes hat der Verfasser des Berichtes die auch im Rahmen des nachfolgend dargestellten Interviews von B. T. angegebene Reiseroute über Brüssel nach Luxemburg nicht vollständig erfasst.

(b) Außerdem führte der Zeuge B. T. im Jahr 1992 im Rahmen eines Interviews gegenüber dem Redakteur der serbischen Zeitschrift „Duga“, M. M., aus:

„Frage: Wurden Sie durch die Entscheidung, dass D. getötet wird, überrascht?

Das war so: Damals war ich noch ein operativer Bediensteter in der Linie Emigration. J. P. war mein Vorgesetzter. Es folgten S. S., damaliger Chef des kroatischen Dienstes, P., Leiter der Linie Emigration, und S. C., welcher aus Belgrad kam. Sie saßen ziemlich lange und haben sich unterhalten. Danach folgte der Auftrag durch P.: Man musste diese ganze Dokumentation durchkämmen von Fotos bis hin zu Adressen noch einmal alles überprüfen, worüber wir verfügen. Am Ende wurde ich aufgerufen: man hat mir mitgeteilt, dass ich bald mit P. zu einer dienstlichen Aufgabe ins Ausland reisen werde. Wir sind an einem Freitag im Juni 1983 aus Zagreb über Brüssel gereist, mit gefälschten Reisepässen, zu einem abgesprochenen Kontakt mit Herrn P. in Luxemburg, in der Nähe des Bahnhofs. … Wir haben uns gegenseitig begleitet, um zu sehen, ob es jemanden hinter uns oder hinter ihm gibt und nach einer Stunde von solchen Überprüfungen, nach dem Gang durch die Straßen, habe ich mich abgezweigt und bin sozusagen in den Schutz übergegangen. Die zwei sind in ein Restaurant gegangen, ich in ein anderes. Da ich überhaupt keinen Kontakt mit P. hatte, sagte mir P. später, um was es sich handelt: Dass man die Tötung von D. plant und dass ihm P. den Schlüssel seiner Druckerei übergeben hat, in welche D. wegen des Druckes von Büchern häufig kommt. Und somit war unser Teil der Aufgabe abgeschlossen. Wir hatten den Schlüssel, wir sind in das Land zurückgekehrt. Das Datum der Exekution war noch nicht festgelegt.“

Der Zeuge T. gab an, dieses Interview in der Zeitung nach der Veröffentlichung gelesen zu haben. Seine Angaben im Zusammenhang mit dem genannten Treffen in Luxemburg seien zutreffend widergegeben.

Allerdings entsprächen diese Angaben nicht der Wahrheit. Er habe hinsichtlich der Schlüsselübergabe gegenüber dem Journalisten falsche Angaben gemacht, um J. P. aus persönlichen Gründen zu kompromittieren. Er habe sich damit wegen eines am 28. Februar 1992 erfolgten körperlichen Angriffs gegen seinen Vater durch Unbekannte, vermutlich kroatische Separatisten, rächen wollen. Tatsächlich sei er zu keinem Zeitpunkt mit seinem damaligen Vorgesetzten P. ins Ausland gereist.

Auch in einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 21. Januar 2008 im Strafverfahren gegen den Angeklagten K. P. hat er behauptet, er habe keinerlei Erkenntnisse über die Ermordung des S. D., insbesondere nicht über eine Schlüsselübergabe. Er sei zu keinem Zeitpunkt in Brüssel gewesen und deshalb auch nie von dort oder einem anderen Ort aus dem Ausland nach Zagreb eingereist. Sein damaliger Vorgesetzter J. P. habe ihm auch nie von einer Begegnung mit K. P. berichtet.

(c) Soweit der Zeuge T. nunmehr abgestritten hat, etwas mit einer Schlüsselübergabe von P. an den Angeklagten P. zu tun gehabt zu haben, schenkt der Senat ihm keinen Glauben.

(aa) Der Zeuge T. hat im Rahmen seiner Vernehmung angegeben:

Im SDS habe er 1974 begonnen im Zentrum Zagreb. 1980 sei er in das kroatische Sekretariat des Innern gewechselt, auch dort zum Staatssicherheitsdienst. Ende 1981 sei er in die Abteilung II gewechselt, deren Leiter damals P. gewesen sei.

Dort sei er bis 1990 bzw. 1991 geblieben, als er in Kroatien am Arbeitsplatz festgenommen worden sei. Gegen ihn sei Anklage erhoben worden wegen feindlicher Tätigkeit gegen die junge kroatische Demokratie. 1991 sei er nach zwei Monaten ausgetauscht worden. Seither befinde er sich in Serbien.

Innerhalb des Dienstes habe es eine Hierarchie innerhalb des Ministeriums gegeben. P. sei Abteilungsleiter gewesen. Er sei für die Emigration zuständig gewesen.

Er gab weiter an, dass er Morde durch den SDS nicht ausschließe. Eine derartige Form der Aktivitäten sei aber jedenfalls nicht normal gewesen.

Ihm seien die Aktivitäten des Dienstes im Zusammenhang mit S. D. bekannt. Sie seien von der Führungsebene angegriffen worden, weil sie erst einen Monat nach seiner Flucht davon erfahren hätten. Einer der Informanten habe sie wohl darüber ins Bild gesetzt. Danach hätten sie wie in allen anderen Fällen die Bearbeitung eingeleitet. Geführt worden sei diese vom Zentrum Zagreb, weil Zagreb S. D.s letzter Wohnsitz gewesen sei.

S. D. habe in Emigrantenkreisen großes Interesse hervorgerufen. Der Dienst habe die Aktivitäten des S. D. im Ausland beobachtet und von den von ihm verfassten und publizierten Büchern gewusst. Sie hätten auch von seinem Vorhaben gewusst, einen Radiosender auf einem Schiff zu installieren.

Dass P. einen Informanten geführt habe, der sich in der Umgebung des D. aufgehalten habe, sei ihm bekannt gewesen. Er habe gewusst, dass P. einen qualitativ guten Informanten in der Struktur des HNO von B. J.gehabt habe. Er habe nicht gewusst, wer die Quelle „Stiv“ oder „Boem“ gewesen sei, auch nicht welche Funktion er im HNO bekleidet habe. Er habe auch später über die Identität der Informanten nicht Bescheid gewusst. Er habe P. nie ins Ausland begleitet. Richtig sei allerdings, dass er das in der „Duga“ erschienene Interview gegeben habe. Sein Versuch, P. zu kompromittieren, habe auf den Ereignissen beruht, die sich damals in Kroatien zugetragen hätten. Er sei jugoslawischer Patriot gewesen. Die kroatischen Separatisten hätten zwei Monate nach seinem Austausch seinen Vater angegriffen und mit einem Metallgegenstand geschlagen und mit einem Messer mehrfach verletzt. Deshalb sei bei ihm der Wunsch entstanden, P. zu kompromittieren. Er sei davon ausgegangen, dass der kroatische Dienst sich an ihm habe rächen wollen. Seine Erklärung sei eine Kombination von Wahrheit und Unwahrheit gewesen.

Das, was in dem Interview steht, habe er damals so gesagt. Er habe die ihm bekannten Elemente aus der Arbeit des Dienstes eingefügt. Über den Schlüssel sei in der Emigrantenpresse schon spekuliert worden. Die Schlüsselübergabe wirke konstruiert. Für ihn als Geheimdienstmitarbeiter sei es einfach gewesen, sich so eine Geschichte auszudenken. Man achte darauf, dass 90% der Geschichte wahr seien. Den Rest konstruiere man rein.

Er habe vor seiner Festnahme in Kroatien sein Wissen über P. Vertretern des jugoslawischen Staates mitgeteilt. Er habe einem Unteroffizier der JNA Mitteilungen gemacht. Dieser sei daran interessiert gewesen, P. zu kompromittieren. Der Krieg habe bevorgestanden, der nachrichtendienstliche Krieg habe bereits getobt. P. habe im März 1991 in den militärischen Apparat gewechselt. P. sei mit der Unterdrückung des KOS befasst gewesen. Deshalb habe man ihn kompromittieren wollen. Er habe darauf hingewiesen, dass im Bundesinnenministerium solches Material vorhanden gewesen sein muss. Es sei dabei auch um die Liquidierung von Emigranten gegangen. Ob er damals schon die Geschichte mit der Schlüsselübergabe berichtet habe, wisse er nicht.

(bb) Die Angaben des Zeugen T., seine früheren Erkärungen über eine Schlüsselübergabe seien erfunden gewesen, hält der Senat für unzutreffend. Vielmehr ist der Senat davon überzeugt, dass die Angaben des Zeugen T. gegenüber der Luftwaffe im Jahr 1991 sowie im Rahmen des Interviews im Jahr 1992 zur Fahrt nach Luxemburg und zu der dort erfolgten Schlüsselübergabe zutreffend sind.

Es mag sein, dass der Zeuge T. das Interview für die Zeitschrift „Duga“ deshalb gegeben hat, um den Angeklagten P. aus persönlichen Gründen wegen des Angriffs gegen seinen Vater zu belasten. Es mag auch sein, dass in der Emigrantenpresse über eine Schlüsselübergabe damals spekuliert wurde. Allerdings enthält eine Quellennachricht vom 19. Dezember 1983 (Information Nr. 598 des Mitarbeiter „Stric“) die Information, dass in Emigrantenkreisen erzählt werde, P. habe bei dem Attentat an S. D. mitgewirkt. Er habe angeblich den Schlüssel von der Druckerei gehabt, in der D. ermordet wurde.

Den Angaben des Zeugen, der Inhalt des Interviews sei deshalb erfunden gewesen, folgt der Senat jedoch nicht.

Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

(aaa) Wie sich aus dem Bericht vom 28. Mai 1991 ergibt, sollte P. diskreditiert werden. Dies hat auch der Zeuge T. insoweit glaubhaft bestätigt. Er sei an der zu diesem Zeitpunkt laufenden serbischen Operation „Labrador“ zur Unterwanderung der kroatischen Unabhängigkeitsbestrebungen beteiligt gewesen. Nach seiner Ansicht und der Ansicht der Beteiligten dieser Operation habe J. P. dagegen die kroatischen Unabhängigkeitsbestrebungen unterstützt. J. P. habe daher öffentlich durch Enthüllungen über seine Vergangenheit diskreditiert werden sollen. Dass es sich bei diesen Angaben in dem Bericht vom 28. Mai 1991 um bewusste Falschinformationen gehandelt hat, kann der Senat nicht erkennen. Wahrheitsgemäße Informationen eignen sich eher dafür, andere Personen zu diskreditieren, als erfundene.

(bbb) Zudem passt die Angabe der Schlüsselübergabe zur Ermordung von S. D. im Jahr 1991 an den entscheidenden Stellen mit dem Inhalt des Interviews für die Zeitschrift „Duga“ im Jahr 1992 zusammen. Der Anschlag auf seinen Vater am 28. Februar 1992 kann keinen Einfluss auf den Inhalt der Angaben im Jahr 1991 gehabt haben.

(ccc) Die Beschreibung der äußeren Abläufe des Treffens durch den Zeugen T. im Rahmen des Interviews stimmt auch mit den Angaben des K. P. hierzu überein. Dieser bestritt zwar eine Schlüsselübergabe, schilderte jedoch ein Treffen zwischen ihm und P. in Luxemburg Anfang Juni 1983, das durch eine dritte Person im Hintergrund abgesichert wurde.

(ddd) Deutlich wird der Wahrheitsgehalt der Angaben in dem Interview darüber hinaus dadurch, dass T. hierbei mehrere Details geschildert hat, die für eigene Wahrnehmungen sprechen. So berichtet er ausführlich über die Absicherung des Treffens zwischen P. und P. Die Druckerei und den Druck der Bücher von D. erwähnt er. Auch die Schlüsselübergabe und die beabsichtigte Tötung stellt er nachdrücklich und nachvollziehbar dar. Sogar der richtige Name „P.“, der sonst in geheimdienstlichen Unterlagen lediglich mit seinen Decknamen „Stiv“ oder „Boem“ genannten Quelle wird preisgegeben.

(eee) Gegen die Reise des T. nach Luxemburg spricht nach Überzeugung des Senats nicht, dass der Angeklagte M. im Rahmen seiner unter Punkt K.II. genannten ermittlungsrichterlichen Zeugeneinvernahme angab, ihm sei bekannt, dass J. P. und sein damaliger Stellvertreter B. T. nie zusammen ins Ausland gereist seien. Der Senat ist insoweit davon überzeugt, dass er insoweit unrichtige Angaben getätigt hat, zumal ihm das Interview in der „Duga“ aus dem Jahr 1992 als maßgebliches Indiz für die Täterschaft des kroatischen Geheimdienstes an dem Mord an S. D. sicher bekannt war.

(fff) Die persönliche Überzeugung des Zeugen S., ein Nachschlüssel sei nicht von K. P. an den Angeklagten P. übergeben worden, steht der beschriebenen Übergabe des Nachschlüssels ebenfalls nicht entgegen, denn der Zeuge bekundete, selbst keine Erkenntnisse aus eigener Wahrnehmung zu der Ermordung des S. D. zu haben.

(2) Angaben des Zeugen K. P.:

(a) Der Zeuge K. P. gab bereits im Rahmen der „Lektorensitzung“ vom 25. Februar 2005 gegenüber verdeckten Ermittlern, die auf ihn angesetzt waren, an, dem Angeklagten P. auf dessen Bitten hin einen „Doppelschlüssel“ für die Räume in Wolfratshausen übergeben zu haben. Er habe den Schlüssel jedoch nicht bei dem Treffen in Luxemburg, sondern bei einer anderen, früheren Gelegenheit vor der Flucht und dem Eintreffen des S. D. in Deutschland (23. April 1982) und nach der Beförderung des Angeklagten P. zum Chef der Abteilung II des Republik-SDS in Zagreb (5. September 1979) ausgehändigt. Der Angeklagte P. habe den Schlüssel mit der Begründung gefordert, er könne sich möglicherweise nicht mehr mit ihm im Ausland treffen, weil er nach seiner Ernennung zum Chef der Abteilung II nicht mehr so frei reisen könne und daher einen anderen Mitarbeiter schicken müsse. Der Schlüssel könne dann als Erkennungszeichen verwendet werden. Zudem könne P. in der Druckerei zur Abholung bestimmte Unterlagen hinterlegen, um deren Verschickung zu vermeiden. Die Angaben des B. T. in einem Zeitungsartikel der Belgrader Zeitschrift „Duga“, P. habe diesen Schlüssel in Luxemburg dem Angeklagten P. zum Zwecke der Ermordung von S. D. übergeben, sei demgegenüber unzutreffend.

Der Inhalt des „Literatengesprächs“ steht fest aufgrund der Audio-Aufzeichnungen des Lauschangriffs am 25. Februar 2005 und den Angaben des Zeugen K. P. Der Zeuge bestätigte, seine aufgezeichneten Äußerungen im Rahmen der Lektorensitzung gemacht zu haben.

(b) Die Schlüsselübergabe bestätigte der Zeuge K. P. auch bei seiner ermittlungsrichterlichen Beschuldigtenvernehmung am 7. Juli 2005 anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls vom 6. Juli 2005, wie der damalige Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof Dr. D. B. als Zeuge berichtete. K. P. habe als Beschuldigter ausgeführt, den Schlüssel für seine Druckerei, den späteren Tatort, auf Bitten des Angeklagten P. diesem persönlich zu einem aus dem Gedächtnis nicht mehr genau anzugebenden Zeitpunkt vermutlich einige Monate vor der Ermordung des S. D., ausgehändigt zu haben. Die Übergabe des Schlüssels habe entweder in Luxemburg oder Belgien stattgefunden. Der Angeklagte P. habe als Grund für seine Forderung angegeben, diesen Schlüssel als Zeichen der Loyalität des Zeugen zu benötigen. Der Schüssel sollte dagegen nicht als Erkennungszeichen dienen. Dies habe er lediglich gegenüber den verdeckten Ermittlern angegeben, um die Sache etwas spannender zu machen.

Dies steht fest aufgrund der Angaben der Zeugen Dr. D. B., der entsprechende Angaben machte. K. P. bestätigte als Zeuge, sich vor dem Ermittlungsrichter in der geschilderten Weise eingelassen zu haben.

(c) Auch in seiner Beschuldigtenvernehmung am 1. August 2005 schilderte K. P. die Schlüsselweitergabe an seinen damaligen Führungsoffizier, 135 den Angeklagten J. P., bei einem Treffen in Luxemburg oder Brüssel, vermutlich Brüssel. Er habe den Nachschlüssel möglicherweise im Kaufhof am Stachus in München anfertigen lassen. Ergänzend führte er aus, diesen Schlüssel habe er dem Angeklagten P. in einem Lokal in der Nähe eines Bahnhofs in Luxemburg als Loyalitätszeichen ausgehändigt. Die Geheimdienstmitarbeiter hätten sich so jederzeit in seinen Druckereiräumen umsehen können. Den Schlüssel habe er höchstens ein bis zwei Monate vor der Tat an einem sehr heißen Tag im Sommer 1983 übergeben.

Bei diesen Feststellungen konnte sich der Senat auf die Angaben des Zeugen A. F. stützen, der als Ermittlungsbeamter beim Bayerischen Landeskriminalamt sowohl die Ermittlungen gegen K. P. als auch diejenigen gegen die beiden Angeklagten führte. Er bestätigte, dass sich K. P. in der geschilderten Weise eingelassen hatte.

(d) In dem gegen ihn geführten Strafverfahren vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München wegen seiner Beteiligung an der auch hier verfahrensgegenständlichen Tat äußerte sich K. P. zum Nachschlüssel. Er habe P. einen Nachschlüssel für den Tatort ausgehändigt. Die Schlüsselübergabe habe in Luxemburg Anfang Juni 1983 stattgefunden. Wiederum sei es um den Schlüssel als Loyalitätszeichen gegangen, der es dem Angeklagten P. ermöglichen sollte, jederzeit die Garagenräume zu betreten, um sich ein Bild zu machen, ob die Berichte des Zeugen K. P. zutreffend seien. Zudem sollte der Nachschlüssel als Erkennungszeichen dienen für den Fall, dass P. seine Stelle wechseln würde und sein Nachfolger im Staatssicherheitsdienst ein Treffen mit dem Zeugen durchführte. Durch ein Aufeinanderlegen von Nachschlüssel und Originalschlüssel zu der Garage sollte der Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, sich von der Identität des K. P. vergewissern zu können.

Diese Tatsachen stehen fest aufgrund der Angaben der Zeugen Dr. B. S. Dr. S. war im Strafverfahren gegen K. P. Beisitzer und Berichterstatter. Der Zeugen K. P. seinerseits bestätigte, diese Angaben als Beschuldigter gemacht zu haben. Auch die Zeugin N. A., zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls Beisitzerin im Strafverfahren gegen K. P., schilderte die Einlassungen von P. zur Schlüsselübergabe in derselben Weise.

(e) Soweit der Zeuge K. P. nunmehr in der Hauptverhandlung vor dem erkennenden Senat angegeben hat, das beschriebene Treffen in Luxemburg habe zwar Anfang Juni 1983 stattgefunden, er habe jedoch zu keinem Zeitpunkt dem Angeklagten P. einen Nachschlüssel für seine Räume übergeben, sind die Angaben des Zeugen nicht glaubhaft.

(aa) Er ließ sich dahingehend ein, er habe die Schlüsselübergabe gegenüber den verdeckten Ermittlern lediglich angegeben, um wie bei einem Kriminalroman Spannung aufzubauen. Die verdeckten Ermittler hätten in der Geschichte einen Bezug zu seiner Person gefordert. Sie hätten eine spannende Geschichte eingefordert. B. S. und B. V. hätten bereits davor in Büchern von einer Schlüsselübergabe berichtet. Auch sei wenige Tage nach dem Mord an S. D. in einer Emigrantenzeitung davon berichtet worden, er habe einen Schlüssel für die Durchführung der Ermordung des S. D. übergeben. Daher habe er diese erfundene Geschichte erzählt. Er habe eigentlich beabsichtigt, seinen Bericht über die Schlüsselübergabe später gegenüber den verdeckten Ermittlern zu berichtigen. Hierzu habe er wegen des vorzeitigen Abbruchs der Gespräche mit diesen keine Gelegenheit gehabt. Er habe seinem Verteidiger R. in einem Beratungsgespräch dies alles mitgeteilt. Er habe in dem gegen ihn geführten Strafverfahren seine Angaben berichtigen wollen. R. habe ihm davon abgeraten, da ihm sonst niemand mehr glauben würde. Daher sei er in dem gegen ihn geführten Strafverfahren bei seinen früheren Angaben geblieben.

(bb) Diese Darstellung des Zeugen K. P., die im vorliegenden Strafverfahren erstmals erfolgte, ist nach Überzeugung des Senats unzutreffend. Der Senat geht davon aus, dass K. P. seinem seinerzeitigen Führungsoffizier, dem Angeklagten J. P., bei einem Anfang Juni 1983 stattgefundenen Treffen in Luxemburg einen Nachschlüssel übergab, welchen er im Auftrag des Angeklagten P. hatte anfertigen lassen. Die eingesetzten verdeckten Ermittler haben K. P. zu keinem Zeitpunkt einen Anreiz gegeben, seine Erzählungen mit Unwahrheiten auszuschmücken. Vielmehr haben sie K. P. von Beginn der Gespräche an zu verstehen gegeben, dass sie nur authentische, belastbare Informationen benötigen würden. Denn es sollte ein durch überprüfbare Fakten untermauerter Bericht eines geheimdienstlichen Insiders geschrieben werden. Um dies zu untermauern, haben die verdeckten Ermittler in Anwesenheit des K. P. dessen Angaben stichprobenartig im Internet überprüft.

Dies ergibt sich aus den Angaben der Zeugen U. H. und K. R., den beiden Führungsbeamten der eingesetzten verdeckten Ermittler. Beide Führungsbeamte gaben an, diese Informationen durch die Gespräche mit den von ihnen geführten verdeckten Ermittlern jeweils nach den einzelnen Treffen zwischen K. P. und aufgrund der Lektüre der verschrifteten Tonbandmitschnitte der Gespräche erlangt zu haben.

Auch gegenüber einem seiner beiden ehemaligen Verteidiger, Rechtsanwalt H. R., hat K. P. zu keinem Zeitpunkt angegeben, dass seine Angaben über die Schlüsselübergabe erfunden gewesen seien. Der Zeuge R. hat derartige Angaben verneint und wirkte, als ihm die neue Darstellung des K. P. vorgehalten wurde, regelrecht überrascht. R. hob hervor, in einem solchen Fall hätte er seinem Mandanten P. dazu geraten, die Wahrheit zu sagen. Er habe lediglich routinemäßig bei der Übernahme der Verteidigung diesen darauf hingewiesen, dass dem Gericht eine überzeugende Erklärung geliefert werden müsse, wenn man von früheren Angaben abweichen wolle. Denn zu dem damaligen Zeitpunkt hätten bereits umfassende frühere Angaben seines Mandanten vorgelegen.

Der seinerzeitige Mit-Verteidiger des Zeugen K. P., Rechtsanwalt R. S., bestätigte, dass K. P. ihm gegenüber nie bekundet habe, die Schlüsselübergabe sei erfunden gewesen. Auch sein Kollege Rechtsanwalt R. habe ihm zu keinem Zeitpunkt davon berichtet, dass ihr gemeinsamer damaliger Mandant P. etwas in dieser Richtung geäußert habe.

K. P. machte die oben unter Punkt (2) (b) wiedergegebenen Angaben zur Übergabe des Nachschlüssels zudem, wie der Zeuge Dr. B. glaubhaft bekundete, spontan nach dem Durchlesen des Haftbefehls zu einem Zeitpunkt, als er noch unverteidigt war.

Der Einlassung des Zeugen P. ist insoweit auch deshalb kein Glauben zu schenken, weil der Zeuge bei nachfolgenden Vernehmungen von seinen vorausgehenden Angaben gegenüber den verdeckten Ermittlern abgewichen ist. Den von dem Angeklagten P. angegebenen Zweck für die Übergabe des Nachschlüssels stellte der Zeuge K. P. unterschiedlich dar. So hat er bei seiner ermittlungsrichterlichen Beschuldigtenvernehmung am 7. Juli 2005 seine früheren Angaben dahingehend abgewandelt, dass der übergebene Schlüssel nicht als Erkennungszeichen dienen sollte. Zur Erklärung für die Abweichung gab er an, dies lediglich gegenüber den verdeckten Ermittlern angegeben zu haben, um die Sache etwas spannender zu machen. In der gegen ihn geführten Hauptverhandlung ist er als Angeklagter davon wiederum abgewichen und hat seine Angaben gegenüber den verdeckten Ermittlern zu dem von P. angegebenen Grund der Schlüsselübergabe vollständig aufrechterhalten. Auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Schlüsselübergabe wich er in späteren Vernehmungen gegenüber den Darstellungen, die er den verdeckten Ermittlern gab, ab. Hierbei verschob er den Zeitpunkt in die Nähe des Todeszeitpunkts des S. D. Auch hinsichtlich des Übergabeortes machte er in den einzelnen Vernehmungen unterschiedliche Angaben.

Außerdem spielte die Übergabe des Nachschlüssels im Rahmen des Ermittlungsund Strafverfahrens gegen den damaligen Angeklagten K. P. eine zentrale Rolle. Denn K. P. wurde vorgeworfen, durch die Übergabe des Nachschlüssels an seinen Führungsoffizier P. unbekannten Tätern Beihilfe zum Mord geleistet zu haben. Mit Hilfe des Nachschlüssels sollen sich die Täter Zugang zum späteren Tatort verschafft haben. Es wurde ihm zur Last gelegt, Kenntnis von der bevorstehenden Liquidierung des S. D. durch den ehemaligen jugoslawischen Sicherheitsdienst gehabt zu haben. Nach Überzeugung des erkennenden Senats war K. P. auch im Zeitpunkt seiner Angaben im Ermittlungs- und Strafverfahren bekannt, dass er durch die Schlüsselübergabe vor dem Hintergrund einer andauernden Mordserie gegen Exiljugoslawen, von welcher er Kenntnis hatte, einen Baustein zur Ermordung des S. D. beigetragen haben konnte. Seine Kenntnis von dieser Mordserie ergibt sich aus seinen Äußerungen im Rahmen der „Lektorensitzung“ vom 25. Februar 2005. Auch wenn, wie der damalige Verteidiger, der Zeuge R. bekundete, die Verteidigungsstrategie damals in erster Linie darauf gerichtet war zu belegen, dass die Täter sich ohne einen Schlüssel Zugang zum Tatort verschafft haben konnten, ist der Senat davon überzeugt, dass der damalige Angeklagte eine tatsächlich nicht stattgefundene Übergabe des Nachschlüssels gegenüber seinen seinerzeitigen Verteidigern offengelegt hätte. Dass der damalige Angeklagte K. P. nicht nur auf die beschriebene Verteidigungsstrategie seiner Verteidiger vertraute, belegt auch, dass er in seinem Strafverfahren behauptete, kurze Zeit vor der Ermordnung des S. D. das Schloss zum rechten Torflügel nachträglich ausgebaut zu haben, so dass die Täter sich keinen Zugang mit dem seinem Führungsoffizier P. übergebenen Nachschlüssel verschafft haben konnten. Der Senat stützt sich insoweit auf die Angaben des Zeugen Dr. B. S.

(3) Schließlich werden die Feststellungen zu einer Schlüsselübergabe auch durch die Angaben des Zeugen L. bestätigt. Er hat in diesem Zusammenhang ausgesagt, er habe einige Zeit nach dem Mord, vielleicht Monate später, den Angeklagten P. gefragt, ob er deshalb Probleme erwarte. Er habe geantwortet, das sehe er nicht, allenfalls wegen des Schlüssels, aber den hätten mehrere Personen gehabt, unter anderem auch die Geliebte des D. Der Schlüssel sei als Möglichkeit angesehen worden, dass die Polizei Ermittlungen aufnimmt. Es sei um den Schlüssel für eine Druckerei gegangen, in der D. sein Propagandamaterial hergestellt habe. Der Dienst habe oft solche Schlüssel beschafft, ohne dass das gleich um Mord habe gehen müssen.

Diese Aussage ist, wie schon an anderer Stelle gewürdigt (vgl. L.XI.2.), zuverlässig. Auch wenn der Angeklagte damals nicht deutlich gesagt hat, er habe von P. einen Schlüssel erhalten, so zeigt diese Aussage doch, dass ein Schlüssel im Zusammenhang mit der Ermordung eine Rolle spielte. Letztlich stützt diese Aussage des Zeugen L. die Angaben des Zeugen T. gegenüber einem Soldaten der Jugoslawischen Volksarmee und gegenüber der Zeitung „Duga“ sowie die Angaben des Zeugen P. gegenüber den verdeckten Ermittlern.

bb) Auch das Nachtatgeschehen (Punkt J) stellt ein Indiz für die Beteiligung des Angeklagten P. an dem Mord dar.

(1) Die vom Zeugen P. geschilderten Telefongespräche zwischen ihm und dem Angeklagten P. sowie dessen Anrufversuche am Tag, an dem die Leiche gefunden wurde, sprechen ebenfalls für die Beteiligung des Angeklagten P. Diese Vorgänge zeigen, dass beide sehr nervös waren und eine Aufdeckung der Hintergründe des Mordes befürchteten. Zwar kann der Angeklagte P. auch auf einem anderen Weg (als durch Tatbeteiligte) von dem Mord an S. D. erfahren und dies zum Anlass genommen haben, bei P. nachzufragen. Dies erklärt jedoch die häufigen Anrufversuche des Angeklagten P. in den Abendstunden bei P. nicht. Wären der Angeklagte P. und P. nicht an dem Mord beteiligt, so hätte kein Erfordernis für ein derart hartnäckiges Vorgehen bestanden.

(2) Außerdem erkundigte sich der Leiter der Abteilung II des SDB, S. C., bei I. L. kurze Zeit, nachdem er von dem Mord an D. erfahren hatte, ob L. Kontakt zu J. P. aufgenommen habe. Als dieser verneinte, äußerte C., er werde mit P. Kontakt aufnehmen. Dieser Vorgang zeigt, dass der Angeklagte P. in die Ermordung eingebunden war. Zwar ist es möglich, dass der Angeklagte P. nur deshalb kontaktiert werden sollte, weil S. D. aus Kroatien stammte und ihn der kroatische Geheimdienst SDS im Rahmen der Aktion „Brk“ unter Beobachtung hatte. Für die Beteiligung an der Ermordung spricht jedoch, dass das Bundessekretariat des Innern und der SDB genau wussten, dass die Ermordung durch den jugoslawischen Geheimdienst durchgeführt wurde. Dafür spricht die Nachfrage des Bundessekretärs für Inneres, S. Do., ob die Mannschaft komplett sei. War demzufolge der SDB über die Hintergründe des Mordes jedenfalls teilweise informiert, so spricht die Nachfrage von C. bei dem Angeklagten P. kurze Zeit nach dem Mord dafür, dass dies auch für den Angeklagten P. gilt, der zudem den Nachschlüssel für den Tatort zur Verfügung gestellt hatte.

b) Der Angeklagte M.

Dass der Angeklagte M. innerhalb des kroatischen Geheimdienstes die Durchführung der Ermordung des S. D. zu verantworten hatte und maßgeblich hierin eingebunden war, ergibt sich aus folgenden Indizien:

aa) Der Angeklagte M. war der politische Leiter des SDS der SRH. Hinsichtlich dieser beruflichen Stellung wird auf die Ausführungen unter Punkt G verwiesen.

Da der Senat hinsichtlich einer Tatbeteiligung des Mitangeklagten P. in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter des SDS überzeugt ist, stellt dies ein gewichtiges Indiz für eine Einbindung des Leiters des SDS dar. Erfolgt nämlich die Entscheidung auf Bundesebene unter Einbeziehung des Dienstes der Teilrepublik, so schließt der Senat aus der hierarchischen Struktur des SDS, dass dies über den Leiter des Teilrepublik-Dienstes (hier: Kroatien) geschah.

Die Sachverständigen Prof. N. und R. haben die hierarchische Struktur des kroatischen Geheimdienstes und seine Einbindung in den jugoslawischen Sicherheitsapparat aufgezeigt. Auch wenn die Sachverständigen nicht angeben konnten, wer im konkreten Fall für die Liquidierung von S. D. federführend war (der jugoslawische SDB oder der SDS), so führte beispielsweise Prof. N. Folgendes aus: Es sei kaum vorstellbar, dass Entscheidungen über Liquidierungen nur auf der Ebene der Teilrepubliken erfolgt seien. Jedenfalls sei es aber möglich, dass der Staatssicherheitsdienst einer Teilrepublik in die Planung und Durchführung solcher Operationen miteingebunden war.

bb) Der Angeklagte M. war an der Einleitung der operativen Bearbeitung durch den SDS am 7. Juli 1982 beteiligt, indem er die Genehmigung hierzu erteilt hat. Dies ergibt sich aus dem Antrag auf operative Bearbeitung vom 7. Juli 1982 (Aktion „Brk“), den der Angeklagte M. abgezeichnet hat.

cc) Weiter war der Angeklagte M. ausweislich des Protokolls der Sitzung des Rates zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung vom 3. Februar 1983 dort anwesend und wies auf die besondere Bedeutung von Publikationen hin. Er verhielt sich demnach aktiv bei der operativen Bearbeitung von D.

dd) Außerdem war der Angeklagte M. ausweislich des Protokolls der Diskussion im Republikrat zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung am 15. April 1983 dort beteiligt, bei der S. D. und die INA-Affäre Gegenstand waren. Der Angeklagte M. berichtete hier über seine Gespräche mit dem damaligen Bundessekretär für Innere Angelegenheiten S. Do.:

„Ich hatte zweimal die Gelegenheit, mit dem Genossen Do. zu sprechen. Genossen, ich möchte sagen, dass wir über die Probleme der Staatssicherheit gesprochen haben, über alle Probleme, auch über INA. Sein Interesse lag aber bei D. Er war besorgt darüber, dass wir nur wenig über den Geheimdienst-Hintergrund des Falls D. wissen. Er war sehr kritisch darüber, dass wir ihn nicht früher im Mittelpunkt des operativen Interesses hatten. Er hat gefragt, wie wir den Dienst systematisch so aufstellen können, dass solche Sachen in großen Systemen nicht ermöglicht werden. Wir sprachen auch darüber, wie sich D. in der Emigration, als Problem weiterentwickeln kann. Ich war sehr pessimistisch, und der Meinung bin ich immer noch, dass er sich sehr extrem entwickeln wird, wie er es uns auch zeigt.“

Hieraus schließt der Senat darauf, dass der Angeklagte M. umfänglich in die Operation zum Nachteil von S. D. eingebunden war.

ee) Auch seine Einbindung in die Organisationsabläufe nach der Ermordung von D. zeigt zum einen, dass er eine maßgebliche Rolle spielte, zum anderen, dass er selbst Einfluss genommen und nicht lediglich ungelesen Anweisungen aus Belgrad weitergegeben hat. So übernimmt er zwar ein Schreiben des Untersekretärs des Bundessekretariats des Innern vom 1. September 1983 über eine Desinformationskampagne anlässlich des Todes von S. D. im Wesentlichen wörtlich in einem eigenen Schreiben vom 2. September 1983 an das untergeordnete Zentrum für Staatssicherheit Zagreb. Allerdings entfernte er den Hinweis auf einen Agenten. Dass diese Änderung von dem Angeklagten M. und nicht bereits von dem Verfasser des Schreibens in Belgrad vorgenommen wurde, ergibt sich daraus, dass nach dem im Schreiben vom 2. September 1983 nicht übernommenen Eingangssatz sowie am Ende jeweils ein Zeichen (zwei Striche mit einem Pfeil) enthalten ist, aus dem zu schließen ist, dass es sich um einen markierten Text handelt, der von der Schreibkraft in ein anderes Schreiben einzurücken war. Entsprechende Änderungen des Textes wurden sodann handschriftlich eingefügt. Dies zeigt, dass der Angeklagte M., der das Schreiben vom 2. September 1983 unterschrieben hat, selbst maßgeblich bewusst an der Operation zum Nachteil von S. D. mitgewirkt hat. Zwar kam die Vorgabe aus Belgrad, die Umsetzung erfolgte jedoch mit seinem Wissen und seiner Billigung.

ff) Auch aus dem sonstigen Inhalt der Schreiben vom 1./2. September 1983 schließt der Senat, dass die Staatssicherheitsdienste des Bundes und der Republik Kroatien die Ermordung von S. D. in die Wege geleitet haben. Das Schreiben des Bundes enthält die Überschrift „Platzieren von Informationen und Desinformationen an ausländische Nachrichtendienst“. Das Schreiben des Angeklagten M. bezieht sich auf „Informationen - Desinformationen“. Einem operativen Mitarbeiter des BND sollte gesagt werden, „es sei schwierig, davon zu sprechen, dass hinter dem Mord an S. D. in der Bundesrepublik Deutschland die jugoslawische Polizei steckt, wie dies die westdeutsche Presse darstellt.“ Da Jugoslawien an soliden Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland interessiert sei, wäre der Mord „nicht zu Gunsten Jugoslawiens“. Vielmehr handele es sich um eine reine Abrechnung der Ustascha-Unterwelt und für den Mord an S. D. müssten „andere Motive gesucht werden - Geld, kleinere Auseinandersetzungen unter den Emigranten und Ähnliches - und keineswegs irgendwelche politischen Gründe“. Zwar ist es möglich, dass auch Personen und Organisationen, die nichts mit dem Mord zu tun haben, versuchen, den Verdacht von sich abzuE. L.en, wenn dieser auf sie fällt. Jedoch schließt der Senat aus der Bezeichnung „Desinformation“ sowie aus den anderen genannten Indizien darauf, dass von der Wahrheit, nämlich der Beteiligung der jugoslawischen Staatssicherheitsdienste, abgeE. L.t werden sollte.

gg) Ein weiterer, allerdings nicht ausschlaggebender Gesichtspunkt ist die Parallele zum Fall B. B. Dieser Fall zeigt die Einbindung des politischen Leiters des SDS in die Ermordung. So holte der Amtsvorgänger des Angeklagten M. diejenigen Personen vom Flughafen in Zagreb ab, die kurz zuvor im Auftrag des SDS B. B. observiert hatten. Diese Observation stand jedenfalls im zeitlichen Zusammenhang mit dessen Ermordung, die dem SDS zuzurechnen ist (vgl. zum Fall B. oben unter L.III.2.c.cc.).

c) Im Übrigen wird auf die Gesamtwürdigung unter XIII. verwiesen.

2. Aufgrund der dargestellten Verantwortlichkeit der Angeklagten M. und P. ergeben sich die weiteren Feststellungen (I.II.2.-5.):

a) Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte P. seinen Vorgesetzten, den Angeklagten M., als politischen Leiter des SDS der SRH fortlaufend über die weitere Planung informierte und diese mit ihm abstimmte. Auch die konkrete Tatausführung wurde zwischen beiden abgestimmt. Dies ergibt sich zum einen aufgrund der bestehenden Berichtspflichten gegenüber Vorgesetzen bei der Durchführung von Operationen; vor allem aber daraus, dass eine nach den geltenden Gesetzen unzulässige Spezialaktion im Ausland durchgeführt werden sollte, die außenpolitisch weitreichende Folgen haben konnte.

Diese Überlegungen werden gestützt durch die Tatsache, dass nach der Verfassungsreform von 1974 die auswärtigen Beziehungen (neben der Landesverteidigung) in die Bundeskompetenz der SFRJ fiel. Stehen Störungen dieser gewichtigen Kompetenz im jugoslawischen Innenverhältnis zu befürchten, wird die Angelegenheit zwingend zur „Chefsache“ und verlässt die Ebene schlichter technischer Operationen, die der Angeklagte J. P. zu verantworten hatte. Mit Blick auf die schon dargestellte krisenhafte Situation des Landes in den Jahren 1982/1983 verlangte ein solcher Blickwinkel umso größere Beachtung. Jugoslawien war auf ausländische Unterstützung und damit das Wohlwollen der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Dies einzuwerben, war Aufgabe des Bundesexekutivrats der SFRJ. Als (politischer) Leiter des SDS der SRH war der Angeklagte M. das Scharnier zwischen dem Bundesexekutivrat und der Ebene der Republikbehörden. Der Angeklagte M. war der erste in der Berichtspflicht, um über den Bundessekretär des Innern dessen Kollegen für Äußeres in den Stand zu versetzen, Schadensbegrenzungen dem Ausland gegenüber zu „verkaufen“.

b) Als die Liquidierung des S. D. beschlossen war, oblag deren Umsetzung zumindest teilweise dem SDS der SRH. Dieser war zuständig, da S. D. vor seiner Flucht nach Deutschland im Frühjahr 1982 zuletzt in Kroatien wohnhaft war (hierzu: Punkt F). Zudem verfügte der Angeklagte P. als Leiter der dortigen Abteilung II aufgrund seines im unmittelbaren Umfeld des späteren Opfers befindlichen Informanten K. P. über die beste Position zu deren Ausführung (hierzu: Punkt E).

Die Zuständigkeit des SDS der SRH ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. N. Er führte aus, dass die Zuständigkeit für die Umsetzung der operativen Bearbeitung gegen die feindliche Emigration im Ausland sich grundsätzlich nach dem Geburtsort oder dem letzten Wohnsitz des Emigranten in der SFRJ bestimmt habe. Im Einzelfall habe von dieser Regel abweichend derjenige Dienst die Umsetzung vornehmen, der hierfür die beste Position aufgewiesen habe, etwa aufgrund eines Informanten im unmittelbaren Umfeld der Zielperson. Das traf wegen K. P. auf den kroatischen SDS zu.

c) Die Übergabe des Nachschlüssels zur Durchführung des Mordes entweder direkt oder über andere Personen an die unmittelbar handelnden Täter, ergibt sich daraus, dass der Mord schließlich an der von P. bereits in Luxemburg ins Auge gefassten Tatörtlichkeit (Interview des Zeugen T.) geschah. Außerdem wurde der Nachschlüssel zur Ausführung der Tat auch verwendet (hierzu näher unten).

d) Wer konkret die unmittelbar handelnden Täter ausgewählt hat, war für den Senat nicht feststellbar. Vieles spricht für den Angeklagten J. P. und/oder S. C., waren beide doch für Operationen innerhalb von SDS und SDB verantwortlich und auch bekannt. Bei der Größe der Sicherheitsapparate der SFRJ können es auch andere Personen gewesen sein, was jedoch den Kreis der Verschwiegenen zu groß hätte werden lassen. Da den Tatausführenden jedoch Tatortkenntnisse vermittelt werden mussten, über die wegen seines Informanten P. nur der Angeklagte P., nicht aber S. C. verfügte, deutet vieles auf ihn hin, ohne dass sich der Senat diesbezüglich eine abschließende Überzeugung bilden konnte.

Dass diese unmittelbar handelnden Täter gegenüber ihren Auftraggebern, dem jugoslawischen Staatssicherheitsdienst, weisungsabhängig waren, und die Angeklagten dies wussten, ergibt sich aus der bereits geschilderten Hierarchie des jugoslawischen Staatssicherheitsdienstes.

e) Dass der Angeklagte P. in der Folgezeit nach der Übergabe des Nachschlüssels in engem telefonischen Kontakt mit P. stand, um den geeigneten Zeitpunkt für die Durchführung des Mordes zu finden (I.II.5), ergibt sich zum einen ebenfalls aus dem geschilderten Mordplan, zum anderen daraus, dass der Angeklagte P., wie oben geschildert, regelmäßigen telefonischen Kontakt mit seiner Quelle P. hatte.

3. Die Feststellungen zu I.II.6 (endgültige Entscheidung über Ort und Zeitpunkt des Mordes, Informationsweitergabe) beruhen auf folgenden Erwägungen:

a) Am Sonntag, den 24. Juli 1983 fand am Nachmittag ein zwischen S. D. und Dr. J. J. vereinbartes Treffen in der von S. M. geführten Gaststätte „Simbacher Hof“ in der … Straße in München statt, bei dem D. angab, er werde bis zum 28. Juli 1983 einen Artikel in die Druckerei des P. in Wolfratshausen bringen, wobei K. P. dies wahrnahm.

aa) Die Anwesenheit von S. D. und K. P. an diesem Tag in dieser Gaststätte beruht auf folgenden Zeugenangaben:

Der Zeuge Dr. J. J. gab in seiner polizeilichen Zeugenvernehmung vom 29. Juli 1983 an, am 24. Juli 1983 habe im Gasthaus „Simbacher Hof“ " in der … Straße in München ein Treffen mit S. D. stattgefunden. Da der Zeuge diese Angaben in zeitlicher Nähe zu dem Ereignis und dem Ableben von S. D. tätigte, ist der Senat davon überzeugt, dass er den Zeitpunkt richtig erinnerte.

Der Zeuge S. K. bestätigte diese Aussage von Dr. J. Er habe S. D. gesehen, als er selbst am Sonntag vor dessen Tod die Gaststätte betrat. Auch S. M., der Gastwirt, sei anwesend gewesen. S. D. habe zusammen mit etwa sechs bis zehn Leuten an einem Tisch in der Ecke des Lokals gesessen. Er habe sich nach Betreten der Gasträume an deren Tisch begeben und die am Tisch sitzenden Personen begrüßt. Der ebenfalls am Tisch sitzende Dr. J. J. habe ihm S. D. vorgestellt. Nur bei dieser Gelegenheit habe er direkten persönlichen Kontakt zu S. D. gehabt.

Ähnlich äußerte sich S. M. Er gab in seiner polizeilichen Vernehmung vom 8. September 1983 an, S. D. sei an einem Sonntag Mitte Juli 1983 in seinem Lokal „Simbacher Hof“ gewesen, wo er zu Mittag gegessen und sich mit ihm in der Küche unterhalten habe. Bei dieser Gelegenheit habe er S. D. zum letzten Mal gesehen.

Auch dem Zeugen J. V. zufolge habe sich am Sonntag vor dem Tod des S. D. unter anderem S. D. und Dr. J. J. im „Simbacher Hof“ aufgehalten, und zwar an einem Tisch, an dem mehr als sechs Personen platz hätten finden können.

Der Zeuge P. Ke. bestätigte die Anwesenheit von S. D. und Dr. J. J. am Sonntag, den 24. Juli 1983. Bei seinem Eintreffen im Lokal am frühen Nachmittag des 24. Juli 1983 hätten sich an dem 3. und zugleich letzten Tisch vom Eingang aus gesehen in der rechten Ecke des Gastraums sieben Personen befunden, unter anderem Dr. J. J. und S. D.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die übereinstimmenden Beobachtungen der Zeugen sich auf ein und dasselbe Treffen am 24. Juli 1983 beziehen. Ihnen ist der Senat deshalb gefolgt.

K. P. war Teil der Tischgesellschaft um Dr. J. J. und S. D. Dies haben die Zeugen P. Ke., S. K. und J. V. übereinstimmend ausgesagt. J. V. nannte K. C. und M. G.und weitere Personen als Tischgäste. Auch der Zeuge Ke. nannte diese weiteren Tischgäste neben D. D. Er konnte sogar die Sitzpositionen der einzelnen beschreiben. Hauptthema der Gesellschaft sei die Kandidatur S. D.s zum HNV gewesen.

Das vom Zeugen Ke. angegebene Gesprächsthema, die beabsichtigte Wahl S. D.s für den HNV, und das vom Zeugen K. angegebene Gesprächsthema, die gefälschte Ausgabe der „Nova Hrvatska“, stehen daher im Zusammenhang mit den im zeitlichen Zusammenhang zu diesem Treffen vorliegenden Geschehnissen. Sie sind auch ein Beleg dafür, dass sich die Zeugen an die damaligen Geschehnisse trotz des Zeitablaufs zuverlässig erinnern konnten.

Den Angaben des Zeugen K. P., er sei nicht anwesend gewesen, könne sich jedenfalls daran nicht erinnern, hält der Senat für eine Schutzbehauptung, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt. Zwar hat K. P. auch behauptet, S. D. am 21. Juli 1983 in der Druckerei zum letzten Mal gesehen zu haben. Das Treffen mag stattgefunden haben, es handelt sich nach Überzeugung des Senats dabei aber nicht um das letzte persönliche Zusammentreffen zwischen beiden.

bb) Im Rahmen dieses Treffens teilte S. D. Dr. J. J. mit, dass er bis Donnerstag, 28. Juli 1983, einen von ihm zu verfassenden Artikel in die Druckerei des K. P. in Wolfratshausen bringen werde. Dieser Artikel sollte in der nächsten Ausgabe der kroatischen Zeitung „Der Kroatische Staat“ abgedruckt werden. K. P. saß zum Zeitpunkt dieser Ankündigung des S. D. „Simbacher Hof“ am Tisch des Dr. J. J. und nahm diese Äußerung wahr.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund folgender Zeugenangaben:

Der Zeuge P. Ke. gab an, S. D. habe zusammen mit seinem Sohn das Lokal verlassen. Der Zeuge habe beide aus Sicherheitsgründen zu ihrem PKW begleitet. Als sie sich bereits vor dem Lokal befanden, habe S. D. geäußert, er habe vergessen, etwas Wichtiges zu sagen. Deshalb seien sie zu dritt zu dem Tisch im Lokal, an dem alle übrigen Personen noch gesessen hätten, zurückgegangen. S. D. habe am Tisch stehend und für alle am Tisch befindlichen Personen hörbar zu Dr. J. J. geäußert, er werde bis Donnerstag etwas geschrieben haben und in die Druckerei nach Wolfratshausen bringen. Er bitte darum, das Geschriebene auf der ersten Seite abzudrucken. Ke. selbst sei hierbei ca. einen Meter entfernt hinter S. D. gestanden. K. P. habe sich in einer Entfernung von ca. eineinhalb Meter von S. D. befunden. Der Lärmpegel in der Gastwirtschaft sei nicht hoch gewesen. Dr. J. J. habe auf die Bitte geäußert, „ja ist gut“.

Diese Angaben des Zeugen Ke., S. D. habe geäußert, er werde bis Donnerstag, den 28. Juli 1983, ein von ihm noch zu verfassendes Schriftstück in der Druckerei in Wolfratshausen hinterlegen, werden indirekt durch D. D. bestätigt. Denn er gab zu Protokoll der Polizei, sein Vater habe am Donnerstagvormittag, dem 28. Juli 1983, die gemeinsame Wohnung in München verlassen, um mit dem PKW nach Wolfratshausen zu fahren. Er habe unter anderem in der dort gelegenen Druckerei einen Artikel für K. P. hinterlegen wollen. Sein Vater habe seiner Meinung nach an diesem Tag, bevor er die gemeinsame Wohnung verließ, etwas geschrieben.

Der Zeuge S. K. gab an, es habe ein gewisser Lärmpegel geherrscht. Man habe sich jedoch verständigen können.

Der Senat ist davon überzeugt, dass K. P., diese Ankündigung des S. D. wahrgenommen hat. Es war nach den Angaben der Zeugen Ke. und K. möglich, sich zu verständigen. Zudem war die Äußerung des S. D., wie der Zeuge Ke. angab, für alle am Tisch befindlichen Personen hörbar.

Die Äußerung des S. D., er werde einen von ihm verfassten schriftlichen Beitrag nach Wolfratshausen bringen, verstand nach Überzeugung des Senats sowohl K. P. als auch Dr. J. J. dahingehend, dass S. D. das Schriftstück in der Druckerei des K. P. in Wolfratshausen zu hinterlegen beabsichtigte.

Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Ke. spricht nach Überzeugung des Senats nicht, dass die Zeugen K. und V. nichts dazu sagten, dass S. D. das Lokal verließ, es wieder betrat und sich an Dr. J. wandte. Denn nach ihrem Bekunden saßen sie in anderen Bereichen der Gaststätte und schenkten dem Geschehen am Tisch von Dr. J. keine weitere Beachtung.

Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Ke. spricht nach Überzeugung des Senats ferner nicht, dass die Zeugen Dr. J. J. und S. M. einen entsprechenden Sachverhalt bei ihrer Vernehmung kurze Zeit nach der Ermordung des S. D. nicht schilderten. Der Zeuge Dr. J. schilderte sein Treffen mit S. D. ohne Angabe von Details, etwa über die Vorgänge, Gespräche, die anwesenden Personen in der Gastwirtschaft, und wann und aus welchem Grund S. D. die Gastwirtschaft an diesem Tag verlassen hatte. Er berichtete lediglich davon, dass S. D. ihm eine Gegendarstellung in Form eines an den Redakteur S. der Zeitschrift „Danas“ gerichteten Briefes zeigen wollte und ihm auch am 24. Juli 1983 gezeigt habe. Auch der Zeuge M. machte keinerlei Angaben hierzu. Er schilderte lediglich eine kurze Unterhaltung mit S. D., ohne weitere Details des Aufenthalts des S. D. in seiner Gastwirtschaft mitzuteilen.

Gegen die Glaubwürdigkeit der Angaben des Zeugen Ke. spricht nach Überzeugung des Senats ferner nicht, dass S. D. diese Äußerung gegenüber Dr. J. J. tätigte, obgleich, wie ihm bekannt war, dieser nicht im Besitz eines Schlüssels für die Druckereiräume des P. war. Dr. J. als Herausgeber der Zeitung oblag die Entscheidung, welcher Artikel in der Zeitung abgedruckt werden sollten, und er erteilte dann auch seine Zustimmung. K. P. war, wie S. D. wusste, im Besitz eines Schlüssels für seine Druckereiräume. Der Senat ist davon überzeugt, dass dies auch Dr. J. J. bekannt war. K. P. war nach seiner eigenen Darstellung dafür zuständig, die in der Zeitung zu veröffentlichenden Texte technisch für den Druck der Zeitung vorzubereiten.

Da nach der Darstellung von K. P. die technische Bearbeitung binnen eines Tages erfolgen konnte, der Druck der (gesamten) Zeitung einen weiteren Tag in Anspruch nahm, es ausreichend war, wenn die Artikel kurz vor dem Druck vorlagen und keine festen Zeiten für die Abgabe existierten, ist der Senat überzeugt, dass bei Hinterlegung eines Artikels bis Donnerstag, 28. Juli 1983, ein Abdruck dieses Beitrags noch in der Augustausgabe möglich gewesen war.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Erinnerung des Zeugen Ke. an die Details des Treffens mit Ausnahme der nach der Begrüßung andauernden Anwesenheit des Zeugen S. K. zuverlässig ist. Nach den Angaben des Zeugen handelte es sich um das letzte Zusammentreffen mit S. D., den er sehr bewunderte, vor dessen unmittelbar danach erfolgten Ermordung. Die Erinnerungsfähigkeit an derartige Vorgänge in ihrem Kerngehalt auch nach Jahrzehnten aufgrund dieser Besonderheiten ist nachvollziehbar. Durch seine Zeugenvernehmungen in der Vergangenheit wurde die Erinnerung zudem jeweils aufgefrischt.

Davon ist der Senat auch hinsichtlich der Angaben des Zeugen dazu, ob er an diesem Tag dort als Kellner tätig war, überzeugt. Der Zeuge Ke. gab wie schon bei anderen Vernehmungen glaubhaft an, am 24. Juli 1983 als Kellner tätig gewesen zu sein. Lediglich bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 25. September 2007 hatte er angegeben, 14 Tage zuvor seine Aushilfstätigkeit als Kellner jeweils am Freitag, Samstag und Sonntag dort beendet zu haben. Dass der Zeuge Ke. in dieser Gaststätte als Kellner tätig war, bestätigten die Zeugen J. V. und S. K.

Gegen die Glaubhaftigkeit der oben behandelten Angaben des Zeugen Ke. spricht die Tatsache nicht, dass er in seiner polizeilichen Zeugeneinvernahme am 7. September 1983 keinerlei Angaben zu diesem Vorfall am 24. Juli 1983 machte. Wie sich aus dem Protokoll über seine Vernehmung ergibt, gab der Zeuge lediglich an, S. D. viermal getroffen zu haben, ohne weitere Details dieser Treffen zu benennen. Hauptsächlich beantwortete er die Frage nach seinem Aufenthalt am 28. Juli 1983, seiner Kenntniserlangung vom Tod des S. D., seiner daraufhin getätigten Anrufe unter anderem mit K. P. und nach seiner Kenntnis über geplante Racheakte wegen der Ermordung des S. D.

b) Der Senat ist davon überzeugt, dass K. P. den Angeklagten P. nach dieser Zusammenkunft im Lokal „Simbacher Hof“ telefonisch davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass S. D. in der folgenden Zeit bis Donnerstag, den 28. Juli 1983, seine Druckereiräume in Wolfratshausen aufsuchen werde, um dort ein Schriftstück zu hinterlegen. Dies ergibt sich aus den oben geschilderten häufigen telefonischen Kontakten zwischen ihnen sowie aus dem Mordplan, die Druckereiräume als Tatort zu nutzen. Dass der Angeklagte P. den sich bereit haltenden Tätern die Information übermittelte, ergibt sich aus dem dargelegten Tatplan.

4. Mitteilung des Eintreffens des S. D. am Tattag, 28. Juli 1983 (Feststellungen zu I.II.7.)

a) Die Fahrt des S. D. nach Wolfratshausen am Vormittag des 28. Juli 1983 stand spätestens seit dem 26. Juli 1983 fest. Denn S. D. hatte sich am 26. Juli 1983 mit seiner Freundin H. S. zu einer Schlauchbootfahrt auf der Isar für den 28. Juli 1983 verabredet. Sie hatten hierbei verabredet, sich an diesem Tag um 11:30 Uhr auf einer Brücke in Wolfratshausen zwischen Wolfratshausen und der Ortschaft Puppling zu treffen.

Dies ergibt sich aus der Darstellung der Zeugin H. S. Die Zeugin gab an, die Vereinbarung einen Tag vor diesem beabsichtigten Treffen in Wolfratshausen mit S. D. getroffen zu haben. Sie räumte aber auf Vorhalt ihrer Angaben in ihrer polizeilichen Zeugeneinvernahme vom 30. Juli 1983 - sie habe sich am 26. Juli 1983 verabredet-, ein, dass sie sich damals besser an die Geschehnisse habe erinnern können. Sie habe damals alle Geschehnisse in ihren Kalender eingetragen und diesen bei ihrer polizeilichen Vernehmung zu Rate gezogen. Zudem habe sie jede einzelne Seite des Protokolls ihrer polizeilichen Vernehmung durchgelesen und hätte etwaige Unrichtigkeiten sofort berichtigen lassen, bevor sie die einzelnen Seiten mit einem Namenskürzel abzeichnete. Wenn sie damals angegeben habe, sich am 26. Juli 1983 zu einer Schlauchbootfahrt verabredet zu haben, sei dieser Zeitpunkt zutreffend. Wie die Zeugin H. S. in ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung vom 30. Juli 1983 angab, vereinbarten beide diese Schlauchbootfahrt am 26. Juli 1983 während des Besuchs des S. D. in ihrer Wohnung in der Zeit von 16:30 bis ca. 22:00 Uhr. Von der Bootsfahrt auf der Isar berichtete auch D. D.

b) Nach Überzeugung des Senats fasste S. D. am 26. Juli 1983 nach der Vereinbarung der Bootsfahrt den Entschluss, den Dr. J. und K. P. angekündigten Artikel vor dem Zusammentreffen mit seiner Freundin H. S. in die Druckereiräume des K. P. nach Wolfratshausen zu bringen.

Dass S. D. vor dem Treffen mit H. S. einen Artikel in diese Druckereiräume verbringen wollte, ergibt sich aus den Angaben des Zeugen D. D. Der Zeuge D. D. gab an, sein Vater habe am Morgen des 28. Juli 1983 die gemeinsame Wohnung in München verlassen, um mit dem PKW nach Wolfratshausen zu fahren. Er habe, wie er ihm mitgeteilt habe, vor dem Treffen mit seiner Freundin Herta zu einer Bootsfahrt auf der Isar beabsichtigt, zur Post zu gehen und einen Artikel für Herrn P. in der Druckerei zu hinterlegen

c) S. D. teilte K. P. nach Überzeugung des Senats im Rahmen eines Telefongesprächs nach der Verabredung zu dieser Schlauchbootfahrt in der Zeit von Sonntag, den 24. Juli 1983, bis einschließlich Mittwoch, den 27. Juli 1983, 24.00 Uhr, mit, er werde den zur Veröffentlichung in der Zeitung „Der kroatische Staat“ bestimmten Artikel am Donnerstag, den 28. Juli 1983, unmittelbar vor dem mit seiner damaligen Freundin H. S. um 11:30 Uhr vereinbarten Treffen in Wolfratshausen auf dem im Mittelraum der Druckerei in der … Straße in Wolfratshausen stehenden Kopiergerät der Marke Gestettner hinterlegen.

Die Verabredung zur Schlauchbootfahrt und dem Treffen am 28. Juli 1983 um 11:30 Uhr erfolgte zwar erst am 26. Juli 1983 während des Besuchs des S. D. bei seiner Freundin H. S. in der Zeit von 16:30 bis ca. 22:00 Uhr, wie diese angab. Allerdings kann S. D. beabsichtigt haben, seinen bereits zuvor geplanten Besuch in Wolfratshausen mit einer Bootsfahrt mit Frau H. S. zu verbinden. Die am 26. Juli 1983 erfolgte Verabredung mit Frau H. S. spielt daher keine Rolle für die Frage, wann genau S. D. sich entschlossen hatte, den Artikel in Wolfratshausen zu hinterlegen.

Da K. P. nach seinen Angaben am Donnerstag, den 28. Juli 1983, bereits in den frühen Morgenstunden gegen 5:00 Uhr seine Wohnung in Geretsried verlassen hatte, um nach Zirndorf zu fahren, ist der Senat davon überzeugt, dass das Telefonat spätestens im Laufe des 27. Juli 1983 erfolgte.

K. P. hielt sich seinen insoweit glaubhaften Angaben in dieser Zeit nur selten in seinen Druckereiräumen in Wolfratshausen auf. Hauptsächlicher Arbeitsplatz war die Druckerei des Dr. J. J. in Geretsried. In Wolfratshausen war er nur, wenn er plastifizierte. Er suchte die Räume meistens am Abend nach seiner Tätigkeit in der Druckerei des Dr. J. auf. So hat es K. P. vor dem erkennenden Senat geschildert. Die seltene Anwesenheit des K. P. in Wolfratshausen bestätigte auch die Zeugin E. K., indem sie ihr Bemühen schilderte, den Lohn für die Sortierarbeiten zu bekommen. Sie sei dem Lohn wochenlang hinterhergelaufen. In den Druckereiräumen in Wolfratshausen habe sie aber nie jemanden angetroffen.

Den Angaben des Zeugen K. P., er habe zuletzt mit S. D. am Samstag, den 23. Juli 1983, telefonischen Kontakt gehabt, schenkt der Senat keinen Glauben. Es mag sein, dass dieses Telefonat tatsächlich stattfand. Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass dies nicht der letzte telefonische Kontakt zwischen P. und S. D. war, sondern ein weiterer vielmehr im oben angeführten Zeitraum stattfand.

S. D. wollte unbedingt, dass der von ihm geschriebene Artikel in der Augustausgabe der Zeitung „Der kroatische Staat“ erscheint. Dies ergibt sich aus der Aktualität seines Artikels im Zusammenhang mit der Fälschung der anderen Zeitung. Auch hatte er gegenüber Dr. J. diesen Artikel angekündigt. Das Erscheinungsdatum der Augustausgabe der Zeitung „Der kroatische Staat“, nach den übereinstimmenden Darstellungen der Zeugen K. P. und Dr. J. J. eine Monatszeitung, stand allerdings unmittelbar bevor. Denn diese Zeitung erschien jeweils am Monatsanfang, wie der Zeuge K. P. angab. Diese Umstände waren S. D. bekannt. S. D. kannte die Zeitung, in der er mehrfach veröffentlicht hatte, und damit auch das Erscheinungsdatum. Im Übrigen haben sich die Zeugen K. P. und Dr. J. J. entsprechend geäußert.

S. D. wusste auch von der seltenen Anwesenheit von K. P. in Wolfratshausen, was sich daraus ergibt, dass er in engem Kontakt mit diesem stand und sich die Wochen zuvor anlässlich des Drucks seines Buches sehr häufig in den Räumen der Druckerei aufgehalten hatte.

Um daher zu erreichen, dass P. den Artikel rechtzeitig erhält und ihn in der Augustausgabe der Zeitung veröffentlichen konnte, war es zur Überzeugung des Senats erforderlich, dass D. P. vor der Hinterlegung des Artikels hierüber informierte. Es ist auch möglich, dass P. D. hierauf nach dem Treffen in der Gaststätte „Simbacher Hof“ telefonisch kontaktierte, um den genauen Zeitpunkt der Abgabe des Artikels zu erfahren. Der Senat hat auch erwogen, dass S. D. vorgehabt haben könnte, K. P. nachträglich von der Hinterlegung des Artikels zu unterrichten. Da S. D. jedoch beabsichtigte, den Nachmittag mit Frau H. S. zu verbringen und er nicht wissen konnte, ob er P. als bald nach der Hinterlegung erreichen konnte, ihm die baldige Veröffentlichung des Inhalts darüber hinaus wichtig war, zieht der Senat den Schluss, dass P. über den Zeitpunkt der Hinterlegung des Artikels in der Druckerei in Wolfratshausen unterrichtet war.

d) Unmittelbar im Anschluss an dieses Telefonat mit S. D. setzte K. P. nach Überzeugung des Senats den Angeklagten P. telefonisch vom Eintreffen des S. D. am Vormittag des 28. Juli 1983 unmittelbar vor dem um 11:30 Uhr vereinbarten Treffen mit seiner Freundin H. S. in Kenntnis. Der Angeklagte P. informierte die unmittelbar tatausführenden Personen vom geplanten Eintreffen des S. D. oder leitete die Information über Dritte an die unmittelbar Tatausführenden, die sich bereits im Großraum München aufhielten, weiter.

Dieser Tag bot sich auch deshalb an, weil K. P. ganztägig nicht in der Nähe von Wolfratshausen sein würde. Ca. vierzehn Tage vorher hatte er für den 28. Juli 1983 in einer Asylsache unter anderem mit Rechtsanwalt S., der beide Asylbewerber anwaltlich vertrat, und dessen damaligen Rechtsreferendar A. J.(Sohn des Dr. J. J.) eine Fahrt nach Zirndorf zum Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vereinbart. Dort sollte er bei der persönlichen Anhörung der beiden kroatischen Staatsangehörigen I. M. und S. S. Dolmetscherdienste erbringen. Die Anhörung war an diesem Tag auf 8:00 Uhr festgesetzt worden. Im Zusammenhang mit diesem schon seit ca. zwei Wochen lang feststehenden Termin vereinbarte K. P. einen weiteren Termin zur Abholung von Auto-Ersatzteilen. Im Anschluss an die Anhörungen wollte er nämlich Ersatzteile für einen PKW in der Nähe von Nürnberg abholen, die noch vor Ort aus einem Schrottfahrzeug ausgebaut werden mussten. Des Weiteren plante er, am Abend auf dem Rückweg den vor der Fahrt nach Zirndorf in den frühen Morgenstunden in seinen Druckereiräumen abgeholten plastifizierten Plan zur Fa. TKT in München zu verbringen.

Der Ablauf des 28. Juli 1983 ergibt sich aus den Angaben des Zeugen K. P.

Der Zeuge A. J.bestätigte, dass er diese Fahrt nach Zirndorf ca. ein bis zwei Wochen vorher mit K. P. vereinbart hatte. Ferner gab er an, dass die Anhörung der beiden Asylsuchenden in Zirndorf an diesem Tag um 8:00 Uhr stattfinden sollte und auch an diesem Vormittag stattgefunden hat. Aus den vom Zeugen A. J. übergebenen Ladungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ergibt sich, dass Termin zur persönlichen Anhörung der beiden Asylbewerber mit Verfügungen vom 20. Juni 1983, die am 22. Juni 1983 in der Kanzlei des Zeugen S. eingegangen sind, bestimmt wurde: bezüglich I. M. auf den 22. Juli 1983, 8:00 Uhr, und bezüglich S. S. auf den 28. Juli 1983, 8:00 Uhr. Mindestens zwei Wochen vorher wurden beide Termine der Aussage des Zeugen A. J. zufolge auf den 28. Juli 1983, 8:00 Uhr, zusammengelegt.

Auch diesen Umstand der weiten Abwesenheit vom Tatort am Vormittag des 28. Juli 1983 teilte P. dem Angeklagten P. zur Überzeugung des Senats mit. Auch diese Information war nämlich für ihn wichtig, da K. P. hierdurch ein Alibi erhielt und seine Verbindung zum SDS nicht drohte, aufgedeckt zu werden.

e) Die Feststellungen über die Weitergabe der Information, dass D. sich am Vormittag des 28. Juli 1983 in die Druckerei begeben werde, von dem Angeklagten P. an die unmittelbaren Täter sowie die Vorstellungen der Angeklagten hinsichtlich der Ahnungslosigkeit von S. D. beruhen darauf, dass der Angeklagte P. von seiner Quelle K. P., wie oben geschildert, zum Zwecke der Ermordung genaue Informationen über S. D. und sein Verhalten einzog. Wie sich aus dem Tatgeschehen ergibt, war die Ahnungslosigkeit von D. Teil des Mordplans, bei dem der Nachschlüssel eine zentrale Rolle spielte.

5. Die Gesamtwürdigung hinsichtlich der Beteiligung der Angeklagten M. und P. an dem Mord an S. D. erfolgt am Ende der Beweiswürdigung unter XIII.

X. Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu I.III (Ausführung des Mordes)

1. Feststellungen zu Dass die unmittelbar tatausführenden Täter mit Hilfe des genannten Nachschlüssels den Tatort betraten und dort am Vormittag des 28. Juli 1983 auf ihr Opfer warteten ergibt sich aufgrund folgender Überlegungen:

a) Der Tatort war angesichts seiner Unübersichtlichkeit und der Möglichkeit, dass sich die Täter dort verbergen konnten, sowie der Tatsache, dass S. D. sich wegen seiner Vertrautheit mit dem Ort eines Angriffs nicht versah, zur Ausführung der Tat gut geeignet.

aa) Die von K. P. zunächst 1981 angemieteten und schließlich gekauften Räume in der … Straße in Wolfratshausen befanden sich im Kellergeschoß eines mehrstöckigen Wohn- und Geschäftshauses, das sich seinerseits in einem aus mehreren Häusern bestehenden Gebäudekomplex befand. Auf der Rückseite des Gebäudes auf der Nordseite befanden sich neben mehreren Garagen die Räume des K. P. Davor lag ein Garagenhof, der von außen durch einen Fuß- und Zufahrtsweg von der … Straße an der Westseite des Gebäudes für jedermann zugänglich war. Bei den Räumen des K. P. handelte sich um eine ehemalige Garage mit anschließenden Kellerräumen, die u. a. zu einer Druckerei umgebaut worden waren: drei in Nord-/Südrichtung liegende, ineinander übergehende Räume ohne Tür und Zwischenmauern im Inneren; und zwar beginnend vom Hofraum vor den Garagen die rechteckige ehemalige Garage (im Folgenden als Garagenraum bezeichnet), danach der etwas seitlich nach links versetzte rechteckige etwa gleichgroße Mittelraum (im Folgenden als Mittelraum bezeichnet) und im Anschluss daran der dazu quer liegende größte der drei Räume (im Folgenden als Druckereiraum bezeichnet), in dem sich an der Außenmauer unter anderem zwei Pressen zum Plastifizieren von Druckerzeugnissen befanden. In diesem hintersten Raum befand sich vom Garagenraum aus gesehen in der linken hinteren Ecke (Südosten) ein kleiner, nur von diesem Raum aus zu betretender Toilettenraum, der noch nicht fertig ausgebaut war.

In diesem Toilettenraum befand sich ein zweiflügeliges Kellergitterfenster. Drei weitere zweiflügelige Kellergitterfenster waren in der Außenmauer des Druckereiraumes eingebaut. Nur durch diese Fenster gelangte natürliches Licht in die drei Räume. Wegen ihrer Konstruktion und ihrer Verschmutzung war der Lichteinfall sehr spärlich.

Alle drei Räume waren vollgestellt mit Geräten, gestapelten Druckereierzeugnissen, gestapelten Papierpaketen und Kartons. Dadurch ergab sich eine Durchgangsbreite im Garagen- und Mittelraum von ca. 1 bis 1,5 Metern. Künstliche Lichtquellen befanden sich nur an den Decken des Mittel- und rückwärtigen Druckereiraumes. Ca. in der Mitte des Mittelraumes befand sich vom Garagenraum aus gesehen auf der rechten Seite (Westen) eine Stahltür. Links neben der Stahltür befand sich der Lichtschalter für die Beleuchtung des Mittel- und Garagenraumes.

Die Räumlichkeiten konnten vom Hof aus ebenerdig durch ein doppelflügeliges Holztor betreten werden. Die beiden Torflügel ließen sich nur nach innen öffnen. Von außen vom Hofraum aus gesehen hatte der rechte Torflügel einen festen Türknauf und einen Schließzylinder der Marke Häfele. Von innen besaß dieser Torflügel eine Türklinke. Dieser Torflügel konnte nur mit einem Schlüssel geöffnet werden. Der linke Türflügel war mit einem Stangenverriegelungsverschluss zum Inneren des Raumes verschlossen. Dieser besaß oben und unten Verankerungen und konnte nur über einen Hebelgriff von Innen geöffnet werden. Zusätzlich konnte der Mittelraum vom Kellergeschoss des Treppenhauses aus durch die mit Hilfe eines Buntbartschlüssels zu öffnende Stahltür betreten werden. Neben dem Garagentor befand sich zum Hof hin die Tür zum Treppenhaus. Eine Treppe führte dort zum Erdgeschoss und zur Haustür.

Seit der Anmietung und dem späteren Kauf führte K. P. in der … Straße Plastifizierungsarbeiten durch. Hauptsächlich aber hielt sich K. P. an seinem Arbeitsplatz in der Druckerei des Dr. J. J. in Geretsried auf. Seine Räume in Wolfratshausen suchte er in unregelmäßigen Abständen, je nach Auftragslage, dann meistens am Abend nach seiner Tätigkeit in der Druckerei des Dr. J. auf.

Die Feststellungen zur Anmietung/dem Ankauf des Objekts sowie zum Zugang zum Treppenhaus ergeben sich aus den Angaben des Zeugen G., des früheren Eigentümers der Räume, dem der Senat schon deswegen Glauben schenkt, weil bei ihm kein Interesse am Ausgang des Verfahrens erkennbar ist. Die Tätigkeiten des K. P. ergeben sich aus dessen Angaben. Im Übrigen ergeben sich die Feststellungen aus den zuverlässigen Angaben der Zeugen F. und Di., die als Polizeibeamte die Tatortabsuche ab dem 29. Juli 1983 vorgenommen hatten, sowie aus den Lichtbildern und Skizzen des Tatortes, die im Rahmen der Tatortaufnahme gefertigt wurden.

Die Feststellungen zur Zugangsmöglichkeit durch den rechten Torflügel des Garagentores stehen zusätzlich fest aufgrund der nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen K., der mit der Erstellung eines Gutachtens u. a. zur Frage, ob das Schloss in dem Torflügel ausgetauscht worden war, beauftragt war und der deshalb sachverständige Kenntnis über die Zugangsmöglichkeiten hatte. Der Abstellort der beiden Pressen und deren Verwendung stehen fest aufgrund der Angaben des Zeugen K. P., welchen der Senat insoweit gefolgt ist.

bb) Ab April 1983 nach Aufstellung der Druckmaschinen wurde in den Räumen des K. P. das Manuskript des S. D. zu seinem Buch „Crveni Manageri“ (Rote Manager) gedruckt, das in einer Auflage von 3.000 Stück erscheinen sollte. Nachdem zunächst E. L. bis ca. Anfang Juni 1983 Einzelblätter dieses Buches gedruckt hatte, sortierten Schülerinnen, zuletzt E. K., die gedruckten Einzelblätter als Vorbereitung zum Buchbinden. Spätestens zwei Wochen vor dem Tod des S. D. waren diese Arbeiten abgeschlossen. Die zum Tatzeitpunkt in den Räumen lagernden Papierstapel mit sortierten Einzelblättern wollte S. D. verpacken und in eine Buchbinderei bringen.

Diese Feststellungen stützt der Senat auf die Angaben der Zeugen K. P., E. L. und E. K., die dies so übereinstimmend angegeben haben.

K. P. und S. D. hatten seit 1982 bis zu dessen Tod regelmäßigen telefonischen und persönlichen Kontakt. K. P. unterstützte S. D. beim Druck der von ihm verfassten fünf Bücher. Er fertigte den Drucksatz und die Druckplatten für diese Bücher. Jeweils während der Durchführung der Arbeiten im Zusammenhang mit dem Druck der Bücher suchte S. D. K. P. persönlich zwei bis dreimal pro Woche auf, unter anderem um die von K. P. vorbereiteten Arbeiten Probe zu lesen und notwendige Korrekturen mit diesem zu besprechen. Diese Kontakte fanden in Geretsried statt. Während des Drucks des Buches „Crveni Manageri“, der in der Druckerei des P. in Wolfratshausen durchgeführt wurde, kamen die beiden (auch) dort zusammen.

So hat sich K. P. eingelassen.

Die regelmäßigen telefonischen Kontakte zwischen K. P. und S. D. folgen aus der Zeugenaussage des K. P. Nichts anderes berichtete der Sohn des Opfers, D. D.

Nach Überzeugung des Senats kannte K. P. somit die in seinen Räumen anfallenden Arbeiten und ihren jeweiligen Stand.

b) Dass die Täter mit dem von P. an den Angeklagten P. übergebenen Nachschlüssel in die Druckereiräume eindrangen, beruht auf folgender Würdigung:

aa) Anhaltspunkte dafür, dass Personen, die irgendwann einen Originalschlüssel zu dem Objekt hatten, diesen oder einen gefertigten Nachschlüssel dazu benutzten, um S. D. aufzulauern, bestehen nicht.

(1) Für die Zugangstüren gab es zur Tatzeit keine zentrale Schließanlage. Vielmehr existierten drei separate Schlüssel: ein Buntbartschlüssel für die Stahltür, ein Schlüssel für die hintere und zugleich vordere Tür zum Treppenhaus und weitere Schlüssel für den rechten Garagentorflügel.

Dies ergibt sich aus den Angaben der Zeugen K. P. und G. G.

(2) K. P. besaß zunächst drei Schlüssel für den rechten Torflügel der Garage, zwei weitere Schlüssel für die Stahltür und einen weiteren Schlüssel für die vordere und hintere Tür zum Treppenhaus. Diese Schlüssel hatte er von dem Vorbesitzer G. erhalten, der selbst keine Schlüssel zurückbehielt.

Dies ergibt sich aus den Angaben des Zeugen K. P. Der Zeuge G. konnte sich allerdings nicht mehr an die genaue Anzahl der K. P. übergebenen Schlüssel erinnern. Er habe immer drei Schlüssel besessen. Er schätze, dies sei auch vorliegend so gewesen. Dann habe er wohl einen für die Stahltür und zwei für die Türen der Garage P. übergeben. Er habe jedenfalls keinen Schlüssel zurückbehalten. Bei Eintritt eines Wasserschadens im Jahre 1982 sei er nicht mehr im Besitz eines Schlüssels für diese Räume gewesen, so dass die Stahltür von der Feuerwehr geöffnet werden musste. Auch bei einer Nachschau unmittelbar vor seiner Zeugeneinvernahme vor dem erkennenden Senat habe er keine entsprechenden Schlüssel mehr aufgefunden.

Im Frühjahr 1983 vor Beginn der Arbeiten zum Druck des von S. D. verfassten Buches mit dem Titel „Crveni Manageri“ (Rote Manager) übergab K. P. zwei seiner Schlüssel für das hölzerne Garagentor S. D. Einen weiteren Schlüssel für dieses Tor behielt er für sich. Dies steht fest aufgrund der Angaben von K. P.

Einen dieser Schlüssel übergab S. D. bei Beginn des Drucks dem Drucker E. L. Den zweiten Schlüssel behielt er für sich. Nachdem E. L. seine Arbeiten fertiggestellt hatte, gab er seinen Schlüssel an dort tätige Aushilfskräfte weiter, die die vom Zeugen E. L. gedruckten Einzelblätter zum Binden des Buchs zusammensortierten. Zunächst erhielt die Aushilfskraft C. K. diesen Schlüssel, die ihn an die weitere Aushilfskraft E. K. weitergab. Zuletzt war die Aushilfskraft E. K. im Besitz dieses Schlüssels, den sie nach dem Tod des S. D. den ermittelnden Polizeibeamten übergab.

Dies steht fest aufgrund der Angaben folgender Zeugen: Der Zeuge K. P. gab an, S. D. habe einen der ihm übergebenen Schlüssel bei Beginn der Arbeiten in seiner Druckerei dem Drucker E. L. ausgehändigt. Der Zeuge E. L. bestätigte, diesen Schlüssel bei Beginn seiner Arbeiten von S. D. erhalten und nach deren Beendigung zurückgegeben zu haben. Diesen Schlüssel habe danach seine damalige Freundin Claudia Keller zur Ausführung von Sortierarbeiten erhalten, die ihn an die weitere Aushilfskraft E. K. weitergegeben habe. Die Zeugin E. K. bestätigte, den Schlüssel von Claudia Keller erhalten und nach dem Tod des S. D. den ermittelnden Polizeibeamten übergeben zu haben. Der Zeuge D. D. seinerseits bestätigte, dass am 28. Juli 1983 K. P., E. K. und sein Vater einen Schlüssel gehabt hätten. D. D. bekundete ferner, sein Vater habe Schlüssel zu den Türen zum Treppenhaus nicht besessen.

(3) Die verstorbene Hausmeisterin des Wohn- und Geschäftshauses E. G. war seit 1982 im Besitz eines Schlüssels für die Stahltür zum Treppenhaus. Auch dies hat K. P. bekundet und erläutert, nach einem Wasserschaden im Jahre 1982 in einem Brillengeschäft oder einer Apotheke im Erdgeschoss der … Straße einen seiner beiden Schlüssel für die Stahltür der Hausmeisterin dieses Anwesens überlassen zu haben. Dieser habe sich auch am 28. Juli 1983 in ihrem Besitz befunden. Die beiden Erstzugriffsbeamten der Polizeiinspektion Wolfratshausen, die Zeugen G. und S., bestätigten dies. Sie berichteten, sie hätten am 29. Juli 1983 mit Hilfe eines im Besitz der Zeugin G. befindlichen Schlüssels die Stahltür geöffnet, nachdem diese Zeugin ihre damalige Dienststelle telefonisch über das Auffinden einer toten Person in den Garagenräumen informiert habe.

Der weitere Schlüssel für diese Stahltür wurde ständig im Inneren des Mittelraumes auf einem Lichtschalter links von dieser Tür verwahrt und nur benutzt, um Post aus dem im Hausflur befindlichen Briefkasten zu entnehmen. Dies steht fest aufgrund der übereinstimmenden Angaben der Zeugen K. P. und D. D. Sonst war diese Tür verschlossen. Dieser Schlüssel wurde am Tatort sichergestellt. Dies steht fest aufgrund der glaubhaften Angaben des Zeugen K. P.

(4) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugen E. L., E. K. oder eine andere Person, die den Schlüssel zur Garagentür eine Zeitlang in Besitz hatte, diesen oder einen Nachschlüssel zur Begehung des Mordes an S. D. genutzt haben. Dasselbe gilt hinsichtlich der Zeugin G., die im Besitz des Schlüssels zur Stahltüre war.

bb) Der von K. P. in Luxemburg Anfang Juni 1983 dem Angeklagten P. übergebene Nachschlüssel ermöglichte nach Überzeugung des Senats den Tätern den Zugang zum Tatort. Der Schließzylinder zum hölzernen Garagentor wurde nach der Schlüsselübergabe in Luxemburg nicht ausgetauscht.

Die Angaben des Zeugen K. P. zur Frage des Schließzylinderaustauschs sind nach Überzeugung des Senats nicht glaubhaft. Das Aussageverhalten des Zeugen ist in diesem Punkt widersprüchlich und passt sich der jeweiligen Beweislage an.

(1) Im Rahmen der „Literaturgespräche“ mit den verdeckten Ermittlern am 11. Februar 2005 schilderte K. P., er habe sich zwar in Luxemburg mit P. getroffen, wie dies B. T. in einem in der serbischen Zeitschrift „Duga“ abgedruckten Interview behauptete. Bei dieser Gelegenheit habe er jedoch keinen Nachschlüssel für das Garagentor übergeben. Vielmehr habe P. schon zu einem früheren Zeitpunkt vor der Flucht des S. D. einen Nachschlüssel erhalten. Nach dessen Flucht habe er, wie er glaube, das Schloss zum hölzernen Garagentor auf dessen Bitten ausgetauscht, so dass dieses Tor mit dem P. übergebenen Nachschlüssel nicht mehr geöffnet werden konnte.

Dies steht fest aufgrund der Tonbandaufzeichnung des Lauschangriffs vom 25. Februar 2005. Der Zeuge K. P. bestätigte im Übrigen den Inhalt der Aufzeichnung als richtig.

(2) Dagegen erwähnte der Zeuge K. P. einen Austausch des Schließzylinders weder bei seinen polizeilichen Vernehmungen als Zeuge und Beschuldigter noch bei seiner ermittlungsrichterlichen Beschuldigtenvernehmung in dem gegen ihn gerichteten Ermittlungsbzw. Strafverfahren wegen der Ermordung des S. D.

Dies beruht auf der Aussage des Zeugen Dr. D. B., der angab, K. P. habe bei der ermittlungsrichterlichen Beschuldigtenvernehmung, als ihm der Haftbefehl eröffnet wurde, keine Angaben hierzu gemacht. Ähnlich äußerte sich der polizeiliche Sachbearbeiter des Bayerischen Landeskriminalamts A. F. als Zeuge, was die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung vom 1. August 2005 anbelangt. Diese Angaben hat K. P. nicht bestritten, aber erklärt, er habe dies bei diesen Vernehmungen nicht angegeben, weil er dachte, es gäbe keine Beweise hierfür, und er Angst gehabt habe, dass ihm deshalb nicht geglaubt werde. Erst als er von aufgefundenen Messingspänen erfahren habe, habe er sich an herausgefallene Bohrzähne erinnert. Da er sah, dass es Beweise für einen Schließzylinderaustausch gegeben habe, habe er dann Angaben zum Austausch des Schließzylinders gemacht.

(3) Vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München trug K. P. als Angeklagter vor, er habe nach dem Treffen in Luxemburg auf Wunsch von S. D. den Schließzylinder ausgetauscht und in der Folgezeit P. keinen neuen Schlüssel für das hölzerne Garagentor überlassen. S. D. sei zu dieser Zeit besonders ängstlich gewesen, weil er den Eindruck gehabt habe, beobachtet zu werden. Er habe daher mit der Begründung, der Schlüssel sei durch zu viele Hände gegangen, einen Schlossaustausch verlangt. Er habe noch einen alten Schließzylinder von dem Vorbesitzer G. besessen und diesen eingebaut.

Er habe die rechte Flügeltür des Garagentores vollständig in Richtung Innenraum der Garage geöffnet und die Tür gegen die Innenwand der Garage gedrückt, um Widerstand beim Bohren zu haben. Im Anschluss habe er den Zylinder an der Außenseite der Tür angebohrt und dann herausgezogen. Dieses Vorgehen beim behaupteten Zylinderaustausch demonstrierte er auch beim Augenschein des Tatortes während des Laufs der damaligen Hauptverhandlung gegen ihn.

Diese Einlassung hat der Zeuge Dr. S. geschildert, der damalige Berichterstatter des Verfahrens. Auch das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 16. Juli 2008 (Az.: 6 St 5/05 (2)) belegt diese Einlassungsvariante. Dass K. P. in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren bekundet hatte, er habe den Schließzylinder ausgetauscht, der an P. übergebene Schlüssel sei daher wertlos gewesen, bestätigte auch die Zeugin N. A., damals beisitzende Richterin im Strafverfahren gegen K. P.

(4) Als der Zeuge G. im damaligen Strafverfahren (und im Übrigen auch im vorliegenden Strafverfahren vor dem erkennenden Senat) aussagte, er sei sich sicher, K. P. keinen Schließzylinder überlassen zu haben, berichtigte K. P. seine Einlassung als Angeklagter in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren dahingehend, er sei sich nunmehr nicht mehr sicher, den Zylinder von dem Vorbesitzer erhalten zu haben. Der seinerzeitige Berichterstatter Dr. B. S. bestätigte diese Aussageänderung.

(5) Nach den Ausführungen des Sachverständigen KHK K., der als ausgebildeter Maschinenbauingenieur beim Bayerischen Landeskriminalamt als Sachverständiger tätig ist und dessen Tätigkeitsbereich dort auch die Untersuchung von Schlössern nach Bohrspuren umfasst, widerspricht diese unter Punkt X.1.b) bb) (3) wiedergegebene Schilderung des Schließzylinderaustauschs der objektiven Spurenlage am Garagenschloss, welches er am 10. April 2006 untersucht habe. Der Sachverständige führte aus, er habe in der Schlosstasche Späne aufgefunden, die von einem Bohrvorgang an einem Schließzylinder herrührten. Das Einsteckschloss habe an der nach außen ins Freie weisenden Seite keinerlei Beschädigungen aufgewiesen, jedoch zwei Bohrspuren an der zum Garageninnenraum weisenden Seite an den Kanten der Schließzylinderausnehmung. Das Schloss sei danach mit einem handelsüblichen Spiralbohrer mit einem Bohrdurchmesser von 8 bis 10 mm mit zwei Bohrungen schräg von oben nach unten angebohrt worden, wobei beide Bohrungen an der Schlossgehäusewandung beendet wurden. Die Bohrungen seien von der Innenseite des Schlosses, d.h. von der Innenseite der Garage, ausgeführt worden.

(6) Als der Zeuge P. hiermit in seinem Strafverfahren konfrontiert worden war, bezeichnete er dies als Irrtum des Sachverständigen. Die Reaktion des damaligen Angeklagten P. auf die Ausführungen des Sachverständigen ergeben sich aus den Angaben des Zeugen Dr. S. und den Feststellungen im Urteil des Oberlandesgericht München vom 16. Juli 2008 gegen K. P.

(7) Nach Verkündung des Urteils gegen ihn am 16. Juli 2008 änderte K. P. seine Darstellung zur Schlossauswechslung erneut. In seinem an den Sachverständigen K. gerichteten Schreiben mit dem offensichtlich unzutreffenden Datum 8. Februar 2008 berichtigte er seinen Sachvortrag dahingehend, dass er zunächst versucht habe, durch Aufbohren von der Innenseite der Garage den Zylinder zu entfernen. Da ihm dies nicht gelungen sei, habe er durch horizontales Aufbohren von der Außenseite ohne Beschädigung des Einsteckschlosses einen erneuten Versuch unternommen. Er habe hierzu den rechten Flügel des Garagentores nach innen vollständig geöffnet und gegen die Innenwand gedrückt, um einen Widerstand zu haben. Hiermit habe er Erfolg gehabt. Er habe die Vorgänge nicht mehr zutreffend in Erinnerung gehabt und nach 25 Jahren vergessen, dass er zunächst einen Versuch, den Zylinder zu entfernen, von der Innenseite unternommen habe.

Dies steht fest aufgrund des Schreibens des K. P. an den Sachverständigen K. mit dem Datum 8. Februar 2008. Der Zeuge K. P. bestätigte, dieses Schreiben an den Sachverständigen verfasst und an diesen verschickt zu haben.

(8) In einem an den Sachverständigen K. gerichteten Schreiben vom 4. November 2014 wiederholte der Zeuge K. P. zunächst, einen Aufbohrversuch von der Innenseite des Tores unternommen zu haben, der scheiterte. Im Anschluss habe er den Zylinder von der Außenseite ausgebohrt. Dies ergibt sich aus dem Schreiben vom 4. November 2014.

(9) Diesen Sachvortrag wiederholte K. P. als Zeuge vor dem erkennenden Senat. Er gab hierbei zudem erstmals an, beim Auswechseln habe S. D. geholfen. Zunächst habe er versucht, den Zylinder durch Ziehen von außen herauszubekommen. Dann habe er den Bohrversuch von der Innenseite unternommen. S. D. habe hierbei die Tür festgehalten. Dieser Versuch sei misslungen, da es zu dunkel gewesen sei. Daraufhin habe er die Tür nach innen gegen die Wand gedrückt und mit der Bohrmaschine horizontal von der Außenseite gebohrt. Den auf Wunsch des S. D. vorgenommen Zylinderwechsel habe er vorgenommen, als alle in den Räumen durchzuführenden Arbeiten für die Bücher erledigt gewesen seien. S. D. habe nur noch die sortierten Papierstapel zum Binden bringen müssen. Den Zylinderwechsel habe er beim Ermittlungsrichter nicht angegeben, da seinem Sachvortrag, die Bücher seien fertig gewesen, der Vertreter des Generalbundesanwalts keinen Glauben geschenkt hatte. Er habe Angst gehabt, dass ihm ohne Beweise keiner Glauben schenken würde. Nach dem Schließzylinderaustausch habe er S. D. zwei zum neuen Schließzylinder gehörende Schlüssel überlassen. Er habe einen weiteren Schlüssel in seinem Besitz gehabt, so dass sich wie zuvor drei Schlüssel für das Holztor im Umlauf befunden hätten.

(10) Auch wenn der nunmehrige Sachvortrag des Zeugen hinsichtlich des Zylinderaustauschs mit der vom Sachverständigen KHK K. beschriebenen objektiven Spurenlage vereinbar ist, schenkt der Senat den Angaben des Zeugen insoweit keinen Glauben.

Das Aussageverhalten des Zeugen ist in diesem Punkt widersprüchlich und passt sich der jeweiligen Beweislage an. Die Zugangsmöglichkeit der Täter zum Tatort spielte im Ermittlungs- und später auch im Strafverfahren gegen K. P. eine zentrale Rolle. Gleichwohl brachte K. P. die Problematik erst in der damaligen Hauptverhandlung auf und änderte sie danach. Die vom Zeugen K. P. geltend gemachten Erinnerungslücken lässt der Senat nicht gelten, denn P. entwertete sie, indem er immer wieder mit neuen Details kam.

Der Zeuge D. D. machte bei seiner Befragung wenige Tage nach der Ermordung seines Vaters auf die Frage, wer im Besitz von Schlüsseln zum Tatort ist, keine Angaben zu einem kurze Zeit vorher erfolgten Austausch von Schlüsseln oder einem Austausch eines dazugehörigen Schließzylinders des Garagentores. Vielmehr gab er an, dass K. P., sein Vater und E. K. im Besitz eines Schlüssels zum hölzernen Garagentor seien. Weitere Schlüssel existierten bei ihnen nicht. Da es auch für den Zeugen erkennbar bei dieser Fragestellung darum ging, wer zum Tatort Zugang hatte, ist der Senat davon überzeugt, dass der Zeuge einen Schließzylinderwechsel erwähnt hätte, so er stattgefunden hätte. S. D. hätte dies auch seinem Sohn erzählt, da er den Angaben von D. D. zufolge mit diesem in einer gemeinsamen Wohnung lebte und sich bedroht fühlte.

E. K. gab zudem an, nach Abschluss der Sortierarbeiten die Garagenräume mit dem in ihrem Besitz befindlichen Schlüssel geöffnet zu haben, weil sie jemanden auf ihre ausstehende Vergütung habe ansprechen wollen.

c) Die Feststellung darüber, dass mindestens zwei der Tatausführenden im Laufe des Vormittags des 28. Juli 1983 nach 5:30 Uhr und vor 11:30 Uhr den Tatort betraten, beruht darauf, dass der Zeuge P. angegeben hat, um 5.30 Uhr zuletzt dort gewesen zu sein. Da der Tod von S. D. gegen 11.30 Uhr eintrat, schließt der Senat aus diesen Umständen, dass in der Zwischenzeit die Täter sich Zutritt zur Druckerei verschafft hatten.

Da K. P. zusammen mit seinem Bruder zuletzt am Tattag gegen 5:30 Uhr die Räume betreten hatte, ohne dort Veränderungen oder Personen festzustellen, ist der Senat davon überzeugt, dass die Täter erst nach diesem Zeitpunkt die Räume betreten haben.

d) Einen anderweitigen Zutritt in die Garagenräume als mittels eines (Zweit-) Schlüssels für das Garagentor hält der Senat angesichts der Spuren an dem Schloss des Garagentors für nicht plausibel.

Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

aa) Der Zeuge K. P. hatte das Garagentor zweifach in den frühen Morgenstunden des 28. Juli 1983 versperrt, als er die Räume verließ. Danach betrat er diese Räume am 28. Juli 1983 nicht mehr. Dieser Befund ergibt sich aus den Bekundungen von K. P.

bb) Eine verkehrsübliche (Plastik-) Scheckkarte als Öffnungswerkzeug scheidet schon deshalb aus, weil der Schließriegel mit 22 mm zu tief in die Schlossfalle dringt.

Dieser Befund ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen K., die der Senat zugrunde legt.

cc) Auch die Öffnung mittels eines Schlitzschraubenziehers, der von außen angesetzt und unter dem Türblatt durchgeschoben wird, um den Türflügel und das Ende des Stangenriegels anzuheben, scheidet aus.

Der Zeuge K. P. hat vor dem erkennenden Senat eine solche Möglichkeit der Öffnung behauptet, um die sachverständig begründete Version, das Tor ließe sich nur mit einem Schlüssel oder einem Nachschlüssel öffnen, zu entkräften. Der Zeuge führte aus, er habe unter Verwendung eines ca. 30 cm langen Schlitzschraubenziehers aus seinem Werkzeugkasten das Tor auch ohne Schlüssel öffnen können, selbst wenn dieses mit einem Schlüssel versperrt gewesen sei. Dies habe er gelegentlich gemacht, wenn er den Schlüssel vergessen hatte. Er sei mit dem Schraubenzieher unter dem Türflügel durchgefahren, habe Druck gegen beide Türflügel ausgeübt, den Riegel unten in dem Loch im Boden erfühlt und diesen dann hochgeschoben. Der in der Mitte befindliche Hebel der Stangenverriegelung habe sich dann mitbewegt.

Der Senat ist den Angaben von K. P. nicht gefolgt. Der Sachverständige Dipl Ing. K. erläuterte demgegenüber, dass eine Öffnung des Garagentores mit einem Schraubenzieher, wie dies der Zeuge K. P. beschrieben hatte, technisch nicht möglich sei. Anhand der vorhanden Lichtbilder der Tatortbefundberichte aus dem Jahre 1983 und der im Jahre 2006 gefertigten Lichtbilder sowie der eigenen Erkenntnisse anlässlich der am 10. April 2006 durchgeführten Besichtigung des Originaltores im Zusammenhang mit der Erstellung seines Gutachtens zum Austausch des Schließzylinders habe er ein Modell des jetzt nicht mehr vorhandenen Garagentores angefertigt, das er im Sitzungszimmer aufgebaut hatte. Der Senat und die Verfahrensbeteiligten konnten den Zeugen P. dabei beobachten, wie er versuchte, an dem vom Sachverständigen angebotenen Modell seine neueste Öffnungsversion umzusetzen und damit scheiterte.

Der Sachverständige führte weiter aus: Wenn man einen Schraubenzieher zwischen der im Boden befindlichen Metallschwelle und der Unterkante des Torblattes hindurchschiebe und dann versuche, das Ende des Riegels in der Vertiefung am Boden zu erreichen, würde das Gewicht des Türflügels auf dem Schraubenzieher lasten.

Man müsse dann die Tür heben und versuchen das Ende des Riegels zu erreichen, das man nicht sehe. Dies zu erreichen sei nicht möglich, da man zwei rechte Winkel überwinden müsse. Selbst wenn man das Ende des Riegels mit dem Schraubenzieher erreichen würde, könne man den Riegel wegen des auf den Schraubenzieher wirkenden Gewichts der Torflügel nicht mehr anheben. Der Senat ist diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen gefolgt.

dd) Am 29. Juli 1983 waren weder an der Stahltür zum Treppenhaus noch an dem Garagentor Aufbruchspuren vorhanden. Dies steht fest aufgrund der Angaben des Zeugen F., damals Polizeibeamter der KPI Weilheim, und der in Augenschein genommenen Lichtbilder von beiden Türen.

Der im rechten Garagentor eingebaute Schließzylinder der Marke Häfele war nach dem damaligen Stand der Technik einbruchssicher. Es handelte sich dabei nicht um einen mit einer Sicherungskarte geschützten Schließzylinder. Der Profilzylinder und die Schlüsseleinführkanäle der Zylinderkerne hatten von außen keine gebrauchsuntypischen Spuren.

Dies steht fest aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. W., denen sich der Senat angeschlossen hat. Der seit Jahren gerichtsbekannte Sachverständige, von dessen Sachkunde der Senat überzeugt ist, hat ausgeführt, er sei auch schon im Jahre 1983 mit der Untersuchung von Schlössern als Sachverständiger befasst gewesen und habe zwischenzeitlich über 1.000 Schlösser untersucht. Im Jahre 1983 habe er die Gutachtensaufträge in Zusammenarbeit mit seinem auf diesem Gebiet sehr erfahren Ausbilder R. K. bearbeitet. Der Sachverständige machte entsprechend den obigen Feststellungen Ausführungen. Er führte aus, die Firma Häfele habe hochwertige Zylinder hergestellt. Der Zylinder wie auch das Einsteckschloss seien ihm am 12. August 1983 von einer Kriminalbeamtin des Bayrischen Landeskriminalamtes im Ermittlungsverfahren Mord zum Nachteil des S. D. übergeben worden.

ee) Das Garagentorschloss wurde mindestens einmal mittels eines Nachschlüssel geöffnet. Der im rechten Flügel des Garagentores eingebaute Schließzylinder der Marke Häfele wies Riefen an den Kernstiftkuppen auf, die bei der Verwendung eines Nachschlüssels entstehen. Da außer diesen Beschädigungen andere Schäden im Inneren des Schlosses fehlten, wurden diese durch die Verwendung eines Nachschlüssels verursacht.

Dieser Befund ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen W. Der Sachverständige führte aus, bei der Untersuchung der Kernstifte unter dem Mikroskop habe er festgestellt, dass die vom Schlüssel betätigten Kernstiftkuppen außer den üblichen Verschleißspuren vom Sperrvorgang Riefen zeigten. Da weitere Schäden nicht vorlägen, könnten diese Riefen nur durch die Verwendung eines nicht zum Zylinder gehörenden Schlüssels entstanden sein. Diese seien typisch bei der Verwendung eines Nachschlüssels. Dieser habe scharfe Ränder, die an den Kernstichkuppen ganz individuelle Beschädigungen verursachten. Die Originalschlüssel hingegen seien entgratet und geschliffen. Insbesondere die Firma Häfele arbeite hierbei sehr sauber. All dies sei bei dem eingesetzten Nachschlüssel nicht der Fall gewesen. Auch ein unsorgfältig geschliffener Nachschlüssel würde die Sperrfunktion erfüllen, höchstens etwas haken.

Die Schäden an den Kernstiftkuppen könnten zwar auch durch andere Vorgänge entstehen, etwa bei Arbeiten mit mechanischen oder elektrischen Sperrwerkzeugen oder dem Einsatz von Geräten zur Erstellung eines Nachschlüssels. In einem solchen Fall würden aber auch weitere Schäden eintreten, die hier nicht vorlägen. Bei der Arbeit mit mechanischen oder elektrischen Sperrwerkzeugen entstünden zusätzlich Schäden an den Kernstiftwänden und den Kernstiftkanälen, die hier nicht vorlägen. Wenn ein beschädigter Originalschlüssel die Schäden an den Kernstiftkuppen verursacht hätte, müsste dieser auch Beschädigungen an den Schlüsselkanalwänden verursachen, die hier nicht vorlagen.

ff) Zur Überzeugung des Senats sind diese Nachschlüsselspuren nicht durch einen Schlüssel entstanden, den K. P. bei der Übergabe des Objekts an ihn im Jahr 1981 erhalten hat. Vielmehr handelte es sich bei allen drei erhaltenen Schlüsseln um Originalschlüssel.

Dies ergibt sich daraus, dass üblicherweise bei der Übergabe eines Objekts Originalschlüssel ausgehändigt werden. Der neue Nutzer legt üblicherweise hierauf auch Wert, da er das Objekt vor einem unbefugten Zugriff schützen will. Der Vorbesitzer, der Zeuge G., hat auch nichts Gegenteiliges ausgesagt.

Diesem Schluss des Senats stehen auch nicht folgende Umstände entgegen:

(1) Soweit in einem Sicherstellungsverzeichnis die Herausgabe von sichergestellten Sicherheitsschlüsseln der „Firma Hafele“ an K. P. verzeichnet ist, handelt es sich nach Überzeugung des Senats um ein offensichtliches Schreibversehen (statt „Häfele“). Aus der Falschbezeichnung „Hafele“ schließt der Senat nicht darauf, dass es sich um Nachschlüssel aus einer Produktpiraterie handelte.

(2) Dass in diesem Sicherstellungsverzeichnis von Sicherheitsschlüsseln ohne Nummer die Rede ist, lässt ebenfalls nicht darauf schließen, dass es sich um Nachschlüssel handelte. Vielmehr fand sich auch auf den Originalschlüsseln des Garagentores keine Nummer.

Dies beruht zunächst auf den Angaben des Zeugen E. H. Dieser gab an, vor seiner Pensionierung lange Jahre für die Firma Häfele tätig gewesen zu sein. Er führte aus, dass sich auf einem Schlüssel keine Nummer befinden würde, wenn der Zylinder nicht mit einer Sicherungskarte geschützt ist. Nur auf einem Schlüssel für einen mit Sicherungskarte geschützten Zylinder befände sich eine Nummer. Ein Schlüssel könne für einen solchen Zylinder nur unter Vorlage der Sicherungskarte nachbestellt werden. Auf einem solchen Schlüssel würde dieselben Nummern aufgedruckt wie auf den ursprünglich für diesen gesicherten Zylinder ausgegeben Schlüsseln.

Dass es für den Schließzylinder des Garagentores keine Sicherungskarte gab, hat der Zeuge K. P. bekundet.

e) Der Senat hält es auch nicht für plausibel, dass die Täter durch die Stahltür in die Druckereiräume eindrangen.

aa) An der Stahltür waren keine maßgeblichen Aufbruchspuren vorhanden. Das in dieser Tür eingebauter Buntbartschloss wies im Schlossinneren Schürf- und Kratzspuren auf, die bei der Öffnung dieser Tür mit einem Drahthaken im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes im Jahre 1982 entstanden sind, worüber der Zeuge G. berichtet hat. Die Feststellungen zu den Schäden am Buntbartschloss beruhen auf den Ausführungen des Sachverständigen W., denen sich der Senat angeschlossen hat.

Es ist zwar möglich, dass ein Aufbruch der Täter an dem Schloss der Stahltür keine weiteren feststellbaren Spuren hinterlassen hat. Jedoch nimmt der Senat diese Möglichkeit nicht an. Die Täter hätten nämlich nicht nur diese Tür überwinden müssen, sondern auch die Treppenhaustür. Das Entdeckungsrisiko wäre groß gewesen. Zudem hätten die Täter wissen müssen, dass es neben der Garagentür noch eine weitere Zugangsmöglichkeit in die Druckereiräume gab.

bb) Die Stahltür stand auch nicht offen. Dass die Stahltür am 28. Juli 1983 gegen 5:30 Uhr geschlossen war, beruht auf den Angaben des Zeugen K. P. Dieser gab an, er habe zu diesem Zeitpunkt die Räume betreten und einen am Vortag plastifizierten Plan abgeholt. Dabei habe er in den Räumen keine Besonderheiten festgestellt. Da die Stahltür immer geschlossen war, nur zum Holen der Post geöffnet wurde und K. P. unmittelbar an dieser Tür vorbeigehen musste, ist der Senat davon überzeugt, dass er bemerkt hätte, wenn diese entgegen der sonstigen Übung offen gestanden wäre.

2. Feststellungen zu I.III.2. a) Im Laufe des Vormittags des 28. Juli 1983 verließ S. D. die gemeinsam mit seinem Sohn bewohnte Wohnung in der … Straße in München, um mit seinem PKW nach Wolfratshausen zu fahren. Er beabsichtigte, in der dortigen Postfiliale Post aus dem Postfach des Verlages „Kroatisches Buch“ zu holen, in den Druckereiräumen des K. P. in Wolfratshausen Schriftstücke zu hinterlegen und sich im Anschluss mit seiner Freundin zu einer Bootsfahrt auf der Isar zu treffen.

Dies steht fest aufgrund der Angaben des Zeugen D. D. Sein Vater und er hätten im Postamt in Wolfratshausen im September oder Oktober 1982 ein Postfach für ihren Verlag „Kroatisches Buch“ angemietet. Sie leerten das Postfach nur alle ein bis drei Tage zu unterschiedlichen Zeiten.

Dass S. D. beabsichtigte, vor dem Treffen mit seiner Freundin um 11:30 Uhr auf einer Brücke in Wolfratshausen Post aus dem Postfach in Wolfratshausen zu holen und die Druckereiräume in Wolfratshausen aufzusuchen, ergeben auch die Schilderungen der Zeugin H. S.. Sie gab an, S. D. habe sie bei einem Telefonat am 28. Juli 1983 um eine Verschiebung des Treffens auf 12:00 Uhr gebeten mit der Begründung, er wisse nicht, ob er seine Arbeiten in Wolfratshausen in seinem dortigen Büro bis 11:30 Uhr schaffen werde.

b) Vor dem mit seiner Freundin um 11:30 Uhr beabsichtigten Treffen stellte S. D. seinen PKW auf dem etwas von den Druckereiräumen entfernt gelegenen Parkplatz vor der Loisach-Halle in Wolfratshausen ab.

Der PKW wurde nach dem Auffinden der Leiche des Stjepan S. D. in den Druckereiräumen am 29. Juli 1983 gegen 13:30 Uhr durch K. P. und der Aufnahme der Ermittlungsarbeit durch Polizeikräfte auf diesem Parkplatz versperrt vorgefunden.

Nach den glaubwürdigen Angaben des Zeugen F2. wurde der PKW im Rahmen der Tatortabsuche am 29. Juli 1983 auf diesem Parkplatz aufgefunden. Dass der PKW versperrt war, ergibt sich aus dem Aktenvermerk des Polizeibeamten M. vom 29. Juli 1983. Ferner ergibt sich aus diesem Aktenvermerk, dass der PKW bei Öffnung des PKWs am 29. Juli 1983 um 16:55 Uhr vollständig ausgekühlt war.

Der Senat ist davon überzeugt, dass S. D. den PKW vor seinem Tod am 28. Juli 1983 dort abgestellt hatte. Zudem gab die Zeugin H. S. an, dass beide verabredet hatten, jeder von ihnen solle mit seinem PKW nach Wolfratshausen fahren. Denn sie hatten, wie die Zeugin glaubwürdig bekundete, beabsichtigt, einen ihrer PKWs in Wolfratshausen stehen zu lassen und mit dem anderen nach Bad Tölz zu fahren, um nach der Schlauchbootfahrt von dort nach Wolfratshausen mit einem PKW wieder den in Bad Tölz abgestellten PKW abholen zu können.

c) S. D. öffnete mit dem ihm von K. P. überlassenen Schlüssel die wie immer zweifach versperrte Tür des rechten Garagentores und betrat durch dieses den Garagenraum.

aa) S. D. war nur im Besitz eines Schlüssels für diese Tür. Aus diesem Grunde versuchte er nicht, die Räume durch die Stahltür, die nur über den Zugang durch die Tür zum Treppenhaus zugänglich war, zu betreten.

bb) Der Senat ist davon überzeugt, dass der Türflügel des Garagentores bei Eintreffen des S. D. wie auch sonst üblich zweifach versperrt war. Insoweit folgt der Senat dem Zeugen K. P., der bekundete, der Flügel sei regelmäßig zweifach versperrt und so habe er es am 28. Juli 1983 beim Verlassen der Garage gehalten. S. D. war das zweifache Versperren der Tür aufgrund seiner Aufenthalte in der Druckerei bekannt. Da S. D. Angst vor Anschlägen des jugoslawischen Geheimdienstes hatte, hätte er die Räume nach Überzeugung des Senats nicht betreten, wenn er irgendwelche Veränderungen im üblichen Verschließzustand dieser Zugangstür festgestellt hätte. Er hätte die Räume auch dann nicht betreten, wenn die Tür bei seiner Ankunft offen gestanden hätte. Er hätte die Tür schon nicht aufgesperrt, wenn ihm jemand gefolgt wäre oder sich Personen im Garagenhof des Anwesens aufgehalten hätten, die ihm unbekannt waren. Aus diesen Gründen ist der Senat davon überzeugt, dass die unmittelbar Tatausführenden die Tür des Garagentores wieder zweifach verschlossen hatten, um das zu einem späteren Zeitpunkt hinzukommende Tatopfer nicht vom Eintreten „abzuschrecken“.

Die Anwesenheit des S. D. in den Druckereiräumen des K. P. wurde geheim gehalten. Dieser Umstand war nur einem kleinen Personenkreis bekannt, (u.a. dem Drucker E. L., den mit Sortierarbeiten beschäftigten Schülerinnen, K. P. und seinen Brüdern Z. und H.), wie der Zeuge D. D. angab. Die Adresse dieser Räume war selbst der Freundin H. S. nicht bekannt, wie sie berichtete Zudem war S. D. bei seinen Fahrten vorsichtig, blickte sich nach Verfolgern um und fuhr aus Angst vor Anschlägen nie den direkten Weg zu seiner Wohnung, wie die Zeugin H. S. glaubwürdig angab. Auch wenn S. D. die Druckereiräume des Dr. J. J. aufsuchte, parkte er regelmäßig nicht vor diesen Räumen, sondern irgendwo in der Ortschaft, wie der Zeuge Dr. J. bekundete.

cc) Da S. D. lediglich, wie mit K. P. besprochen, den zur Veröffentlichung bestimmten Artikel auf dem am Ende des Mittelraumes auf der linken Seite (vom Zugang durch den Garagenraum aus gesehen) befindlichen Kopiergerät der Marke „Gestettner FB 12“ ablegen wollte, ließ er diese Tür nach Überzeugung des Senats offenstehen.

Denn ein solcher Vorgang nahm nur geringe Zeit in Anspruch. Das fragliche Kopiergerät befand sich ca. 12 Meter vom Eingang entfernt. Die Lichtverhältnisse waren beschränkt. Der vordere Garagenraum hatte keine künstliche Beleuchtung. Natürliche Lichtquellen fanden sich im geöffneten rechten Torflügel im vorderen Bereich und in den Lichtschächten im hinteren Druckereiraum, durch die allerdings kaum Licht eindrang. Der Lichtschalter für die Beleuchtungseinrichtungen im Mittelraum und Druckereiraum befand sich im Mittelraum links neben der Stahltür. Bis dorthin musste S. D. sich somit ohne künstliches Licht bewegen. Zudem befand sich der Kopierer, auf dem S. D. die Schriftstücke hinterlegen wollte, nur wenige Schritte vom Zugang des Garagenraumes aus gesehen hinter dieser Stahltür. Aus diesen Gründen ließ er nach Überzeugung des Senats die Tür geöffnet und begab sich zum Kopiergerät. Trotz seines vorsichtigen Verhaltens ließ er den Schlüssel im Schließzylinder des Garagentorflügels stecken.

Die Feststellungen zu den örtlichen Gegebenheiten und dem Standort des Kopiergerätes ergeben sich aus den Angaben der Zeugen KOK Di. und KHK F., den Tatortlichtbildern und den Tatortskizzen.

Am Tattag herrschte sonniges klares Sommerwetter, wie die Zeugen K. P. und die Zeugin H. S. glaubwürdig bekundeten. Bereits bei einem Öffnungswinkel des rechten Torflügels des Garagentores von lediglich 45 Grad sind die Räume derart beleuchtet, dass die Konturen von dort befindlichen Gegenständen deutlich erkennbar wurden, der Gang zwischen den Gegenständen für S. D. erkennbar war und er sich in den Räumen bis zum Ende des Mittelraumes bewegen konnte.

Dies steht fest aufgrund der in Augenschein genommenen 3-D-Rekonstruktion des Tatortes unter Beteiligung des Sachverständigen B. Der Sachverständige demonstrierte die sich bei Eingabe dieser Grunddaten im verwandten Programm ergebenden Lichtverhältnisse.

3. Hinterlegung eines Schriftstücks auf dem Kopiergerät im Mittelraum (Feststellungen zu I.III.3)

Nach Überzeugung des Senats legte S. D., wie mit K. P. vereinbart, auf dem Kopiergerät im Mittelraum einen von ihm nach dem Treffen am 24. Juli 1983 in der Gaststätte „Simbacher Hof“ verfassten Artikel ab. Es handelt sich hierbei um ein dreiseitiges maschinenschriftliches Dokument mit handschriftlichen Anmerkungen mit dem Titel „Warum ich für den HNV kandidiere“ (im kroatisch sprachigen Original „ZASTO SAM SE KANDIDRAO ZA HNV“).

a) Im Rahmen der Tatortarbeit vom 29. Juli bis zum 2. August 1983 wurden auf dem Kopiergerät mit einer Heftklammer zusammengehaltene DIN-A-4-Blätter mit einem maschinenschriftlich abgefassten Manuskript von acht Seiten in serbokroatischer Sprache und mit handschriftlichen Verbesserungen aufgefunden. Auf der ersten Seite am Beginn des Textes findet sich mit einem Kugelschreiber geschrieben der Name „S. D.“.

Dies steht fest aufgrund der Angaben des Zeugen KOK Di. und den Tatortlichtbildern.

b) Nur S. D. konnte diese DIN-A-4-Blätter abgelegt haben. Dies folgt schon aus ihrer Vorgeschichte und den Angaben des Zeugen D. D., auf die schon eingegangen worden ist. Dritte oder gar die Täter scheiden hierfür aus.

c) Nach Überzeugung des Senats handelt es sich bei diesem Schriftstück um einen Teil des Asservats Nr. 1 des Asservatenbandes 2 - eines dreiseitigen maschinenschriftlichen Schriftstückes, auf dem mit blauem Kugelschreiber handschriftlich Korrekturen angebracht wurden; dieses Schreiben trägt die mit einem blauen Kugelschreiber angebrachte Überschrift „S. D.:„und in der nächsten Zeile die maschinenschriftlichen Worte „ZASTO SAM SE KANDIDIRAO ZA HNV“ (Warum ich für den HNV kandidiere).

Wie ein Vergleich des Deckblattes dieses Asservats mit dem auf dem Lichtbild Nr. 13 des Tatortbefundberichtes des KOK Di. erkennbaren Deckblatt des Schreibens, das auf dem Kopierer abgelegt ist, ergibt, sind beide Deckblätter identisch:

Am Beginn des Textes befindet sich jeweils ein handschriftlich angebrachter Text. Beide Deckblätter haben fünf identisch lange Absätze, wobei am Beginn des jeweiligen Absatzes der maschinenschriftliche Textanfang im Vergleich zum Seitenrand des sonstigen Textes nach rechts versetzt beginnt. Der linke und rechte Seitenrand ist bei beiden Deckblättern identisch angeordnet. Bei beiden Deckblättern sind identische maschinenschriftliche Korrekturen in Form von Durchstreichungen von maschinenschriftlich abgefassten Worten erkennbar. Des Weiteren sind in beiden Texten identische handschriftliche Korrekturen erkennbar.

Der Artikel beschäftigt sich ausweislich der Übersetzung mit den Gründen der Kandidatur des S. D. für den HNV und erläutert auch dessen weitere geplante Aktivitäten.

Dieses Schreiben wurde von S. D. nach Überzeugung des Senats nach dem Treffen im Lokal M. am 24. Juli 1983 angefertigt, und zwar als Reaktion auf das fingierte Interview in der gefälschten Ausgabe Nr. 14 der Zeitschrift „Nova Hrvatska“.

4. Tathandlungen in den Räumen des K. P. in Wolfratshausen zum Nachteil des S. D. (Feststellungen zu I.III.4 und 5)

a) Zwei Täter schossen mit Selbstladepistolen

Zwei Täter verwendeten nach Überzeugung des Senats bei der Tat halbautomatische Selbstladewaffen: eine tschechoslowakische Selbstladepistole „Ceska“ Modell 50 oder 70 mit Geschossen des Kalibers 7,65 mm und eine Selbstladepistole mit Geschossen des Kalibers 22 mm, möglicherweise eine italienische Selbstladewaffe „Beretta“ Modell 71 oder eine Variation hiervon (Modelle 70 S, 74, 75 oder 76), wobei auch andere Waffentypen nicht ausschließbar sind. Sie gaben insgesamt in den Räumen bei dem Vorfall acht Schüsse ab, sieben Schüsse mit der Waffe des Kalibers 22 mm und einen Schuss mit der Waffe des Kalibers 7,65 mm.

Die Anzahl der abgegebenen Schüsse (acht) ergibt sich aus den in den Räumen bei der Tatortabsuche vorgefundenen Patronenhülsen, über die die Zeugen Di. und F. berichteten, sowie aus den Lichtbildern.

Die Feststellungen über die Art der verwendeten Waffen beruhen zunächst auf den Ausführungen des Sachverständigen Dr. J. E., Sachverständiger für Schusswaffen und Schusswaffenspuren beim Bundeskriminalamt. Der Sachverständige A. M., Ingenieur für Waffentechnik im Kriminaltechnischen Institut des Sachgebietes für Waffen beim Bayerischen Landeskriminalamt, hat die Angaben des Dr. E. dahin ergänzt, dass neben dem Modell 71 die weiteren Modelle 70 S, 74, 75 und 76 der Pistole Beretta oder ein anderer Waffentyp in Betracht kämen.

b) Schussverletzungen und Kaliberzuordnung:

Mindestens fünf der abgegebenen Schüsse trafen S. D. Zwei Einschüsse erfolgten an der Rückseite des Rumpfes, ein Streifschuss traf seinen Hinterkopf, zwei Einschüsse drangen an den Armen von hinten in diese ein. Dies ergibt sich aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E., Facharzt für Rechtsmedizin, Obduzent und langjähriger Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Universität in München, der der Justiz in München aus zahlreichen Strafverfahren bekannt ist und an dessen Sachkunde keinerlei Zweifel bestehen. Seine Angaben werden bestätigt durch die Ausführungen des Sachverständigen I., der bei Hautstücken Ein- und Ausschusslöcher sowie teilweise Bleianhaftungen, darüber hinaus an der Kleidung des Opfers Schusslöcher mit teilweisen Bleianhaftungen festgestellt hat. Anhand der Lichtbilder, die im Rahmen der Obduktion angefertigt wurden, sowie der Schädeldecke des Opfers, die der Sachverständige Prof. Dr. E. dem Senat vorlegte und im Beisein der Verfahrensbeteiligten hinsichtlich der knöchernen Verletzungen erläuterte, konnte der Senat diese Schlüsse der Sachverständigen nachvollziehen.

Drei Verletzungen wurden durch Geschosse des Kalibers 22 mm verursacht. Die weiteren Verletzungen können keinem Kaliber zugeordnet werden, so dass möglicherweise das Geschoss des Kalibers 7,65 mm keine Verletzung hervorgerufen hat. Dies beruht auf den Ausführungen des Sachverständigen A. M., Ingenieur für Waffentechnik im Kriminaltechnischen Institut des Sachgebietes für Waffen beim Bayerischen Landeskriminalamt.

c) Hiebverletzungen

Nachdem S. D. gestürzt war, versetzte ein dritter Täter ihm, der schließlich im Garagenraum in unmittelbarer Nähe hinter der Türöffnung des rechten Torflügels neben einer durch das Tatgeschehen umgestürzten Holzpalette auf dem Estrichboden zum Liegen kam, mehrfach Schläge mit einem scharfkantigen Schlagwerkzeug, wie einem Haumesser oder einem Kampfmesser, auf den Kopf. Er erlitt hierdurch unter anderem mehrfache, glattrandige Durchtrennungen der Kopfschwarte und der Schädeldecke sowie seitlicher Anteile des knöchernen Schädels mit tiefgreifenden Verletzungen der linken Kleinhirnhälfte und einer tiefgreifenden Verletzung des linken Schläfenlappens.

Dies steht fest aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. Da an der linken Kleinhirnrinde und dem linken Schläfenlappen tiefgreifende dünne Durchtrennungen vorhanden seien, käme unter Berücksichtigung der festgestellten Knochendefekte als Tatwerkzeug nur ein scharfkantiges Tatwerkzeug in Betracht, wie ein Haumesser oder ein Kampfmesser. Ein Spaten oder Klappspaten sei eher nicht geeignet, derartige Verletzungen zu verursachen, da dessen Kante zu breit sei. Die Verwendung eines Eispickels könne er ausschließen. Dessen Spitze sei nicht geeignet, diese Durchtrennungen wie einen Schnitt zu verursachen. Die durch die Hiebe verursachten Verletzungen im Bereich der linken hinteren Schläfen- und Hinterhauptregion seien dem Opfer zugefügt worden, als er am Boden gelegen habe. Dies ergäbe sich aus dem Grad und der Lage der Verletzungen.

Der Senat ist davon überzeugt, dass kein weiteres knüppelartiges Holzschlagwerkzeug von den Tätern verwendet wurde. Bei den im Rahmen der Obduktion festgestellten Partikeln in der Platzwunde handelt es sich nicht um Holz. Zwar hat der Sachverständige Prof. Dr. E. ausgeführt, dass er unter Berücksichtigung der von ihm im Rahmen der Obduktion in der über der hohen Hinterhauptmitte befindlichen sternförmigen Platzwunde vorgefundenen Partikel, die möglicherweise aus Holz bestünden, nicht ausschließen könne, dass zusätzlich mit einen derartigen Schlagwerkzeug auf das Opfer eingeschlagen worden sei. Die Untersuchung der in dieser Platzwunde im Rahmen der Obduktion sichergestellten Fremdpartikel hat jedoch ergeben, dass es sich hierbei um einige mittelrote Lacksplitter handelt. Dies ergibt sich aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Bauoberrat Dr. B. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass diese Lacksplitter von dem scharfkantigen Schlagwerkzeug stammen.

Dass ein dritter Täter das Hauwerkzeug führte, ergibt sich daraus, dass ausweislich der Blutübertragungsspuren (zu diesen nachfolgend) am Tatort drei Täter anwesend waren. Dass dieser dritte Täter das Hauwerkzeug benutzte, ist naheliegend.

d) Reihenfolge der Zufügung der Verletzungen:

aa) S. D. wurden zuerst die Schussverletzungen und dann die durch Hiebe mit einem scharfkantigen Schlagwerkzeug verursachten Kopfverletzungen durch die Täter zugefügt. Danach hat er sich nicht mehr bewegt.

Dies beruht auf den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. Dass die Schussverletzungen vor den Hiebverletzungen dem Opfer zugefügt wurden, ergäbe sich daraus, dass die Wunden am Schädel im Bereich der durch die Hiebe verursachten glattrandigen Kopfschwartendurchtrennung nur geringe Unterblutungen aufgezeigt hätten. Dies sei Folge des durch die Schussverletzungen eingetretenen Blutverlustes. Trotz der erlittenen Schussverletzungen sei S. D. noch viele Minuten handlungs- und bewegungsfähig gewesen. Erst nachdem er die durch die Hiebe verursachten massiven Kopf- und Gehirnverletzungen erlitten habe, habe er sicher nicht mehr gehen und stehen können. Er sei in der Lage von den Hieben getroffen worden, in der er auch im Garagenraum aufgefunden worden sei.

bb) S. D. erlitt die erste durch Schüsse der Täter verursachte blutende Verletzung, als er sich im Mittelraum befand. Er bewegte sich von dort in den Garagenraum (zurück) in Richtung auf die Tür des Garagentores, wobei ihm weitere Schussverletzungen zugefügt wurden. Kurz vor der Tür des Garagentores stürzte er und kam schließlich quer zum Garagentor auf dem Estrichboden zum Liegen. Dort wurden ihm Hiebe mit einem Schlagwerkzeug versetzt. Dabei lag er am Boden, wobei der Kopf zur rechten Seite geneigt war und das Gesicht schräg zur linken Seite Richtung Boden.

Dies steht fest aufgrund der in den Räumen durch die Tat verursachten, vom Opfer stammenden Blutspuren, die eine Richtungskomponente in Richtung Garagentor aufwiesen. Hierzu im Einzelnen:

(1) Keine Blutspuren im Druckereiraum

Aufgrund der glaubwürdigen Angaben des Zeugen J. Di., der nach der Tat die Tatortabsuche durchgeführt hatte, steht fest, dass sich im Druckereiraum keine blutigen Spuren befanden. Zwar hat der Zeuge Di. auch ausgesagt, dass er an der Deichsel eines in diesem Raum befindlichen Kompressors einen roten Fleck festgestellt habe. Der Zeuge gab jedoch auch an, sich nicht mehr daran erinnern zu können, ob er hierbei von einem Bluttropfen ausgegangen sei. Der bei der Tatortabsuche ebenfalls beteiligte Zeuge F. konnte keine Angaben hierzu machen, da er keine Erinnerung an einen derartigen Fleck hatte. Angesichts der geringen Größe (Fleck) und fehlender Tatortaufnahme zu dem Fleck ist der Senat der Überzeugung, dass es sich bei dem roten Fleck nicht um einen Blutstropfen des Opfers handelte.

(2) Blutspuren im Mittelraum An der im Mittelraum stehenden Werkbank befanden sich links und rechts von dem dort angebrachten Schraubstock auf der hölzernen Werkbankoberseite und auf dem Schraubstock selbst mehrere getrocknete Bluttropfen. Es handelt sich hierbei um Schleudertropfen, die eine Richtungskomponente vom Mittelraum in Richtung Garagenraum aufwiesen. Im weiteren Verlauf in Richtung Garagenraum befanden sich auf dem Estrichboden direkt neben dem Teppich, an der östlichen Seite des Ganges hintereinander liegend, zwei getrocknete Bluttropfen. Es handelte sich auch hier um Schleudertropfen, die eine Richtungskomponente vom Mittelraum in Richtung des Garagenraumes aufwiesen.

(3) Blutspuren im Garagenraum:

An einer mit Plastikfolien abgedeckten drucktechnischen Maschine befanden sich an der rechten Vorderkante auf der dortigen Plastikabdeckung zahlreiche, meist von oben nach unten verlaufende Bluttropfen. An einem direkt vor diesen beiden Maschinen stehenden Karton befanden sich an der Innenseite dieses offenstehenden Kartons mehrere meist von oben nach unten verlaufende Bluttropfen. Ferner befanden sich auf dem Estrichboden zwischen den beiden Maschinen mehrere Bluttropfen. Alle Blutspuren wiesen eine Richtung vom Innenraum in Richtung Garagentor auf.

Auf einem Teil der neunzehn Papierstapel befanden sich Bluttropfen und Blutspritzer. Diese Papierstapel reichten bis an den Rand des Teppichbodens, an dem die Leiche des S. D. aufgefunden wurde. Alle Blutspuren wiesen eine Richtung vom Innenraum in Richtung Garagentor auf. Am intensivsten waren diese Blutspuren auf den am nordwestlichen Randbereich des Teppichs abgelegten Druckerzeugnissen.

Auf dem Estrichboden im Garagenraum befanden sich vor den Füßen der am Boden liegenden Leiche mehrere große, dicht nebeneinander liegende eingetrocknete Bluttropfen.

An der östlichen Garagenwand befand sich an der nordöstlichen Ecke dieses Raumes bis in einer Höhe von 150 cm eine größere Menge von Blutspritzern, die schräg von links oben nach rechts unten verliefen.

(4) Diese Feststellungen zu den Blutspuren gründen auf den Angaben der Zeugen Di. und F. sowie auf den Lichtbildern, die im Rahmen der Tatortabsuche gemacht wurden. Der Senat ist davon überzeugt, dass die beiden Spurenbeamten Di. und F. zuverlässig nach dem äußeren Anschein beurteilt haben, dass es sich bei den von ihnen festgestellten Spuren um Blut gehandelt hat. Der Zeuge F. übte nach seinen Angaben seit dem Jahre 1974 bis zu seiner Pensionierung als Kriminalbeamter erkennungsdienstliche Tätigkeiten, wie Spurensicherung und Tatortarbeit, aus. Er erteilte in diesem Bereich auch Kollegen Fachunterricht. Einige Jahre war er Leiter des Erkennungsdienstes. Er war am 29. Juli 1983 mit der ersten Tatortabsuche und Spurensicherung am Tatort betraut. Bei der vom 31. Juli bis 2. August 1983 fortgesetzten Tatortabsuche und Spurensicherung war er am 1. und 2. August 1983 zusammen mit dem Zeugen Di., zum damaligen Zeitpunkt Kriminalbeamter beim Bayerischen Landeskriminalamt, wie der Zeuge Di. angab, tätig.

Der Senat ist zudem davon überzeugt, dass diese Spuren dem Tatgeschehen zuzuordnen sind und aus den Verletzungen des S. D. stammen. Dies gründet auf den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. Der Sachverständige Prof. Dr. P., Facharzt für Rechtsmedizin, führte aus, dass er bei der Auswertung der Spuren keine Hinweise auf Spuren erhalten habe, die nicht zwanglos unter Berücksichtigung der Angaben der Zeugen zu den am Tatort vorhandenen Spuren, der Endlage der Leiche, der Lichtbilder und der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. insbesondere zu den Verletzungen des Opfers, den verwendeten Tatwerkzeugen und der Todesursache zuzuordnen seien. Zudem habe er dabei keine Hinweise erlangt, dass diese tatbezogenen Spuren von den Tätern oder Dritten herrührten.

Diese Spurenlage belegt einen im Mittelraum beginnenden Tatablauf, der sich nach vorne in den Garagenraum zum Auffindeort der Leiche verlagerte. S. D. bewegte sich bis in den Garagenraum in aufrechter Körperhaltung bis unmittelbar vor das Garagentor. Als das Opfer am Boden lag, in der Position, wie er verstorben und aufgefunden wurde, wurden ihm mehrfach Schläge gegen den Kopf versetzt.

Dies steht fest aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P., Facharzt für Rechtsmedizin, an dessen Sachkunde keinerlei Zweifel bestehen. Der Sachverständige hat neben seiner Ausbildung zum Facharzt für Rechtsmedizin, bei der die Grundlagen der Blutspurenanalyse im Ausbildungsprogramm integriert sind, an Speziallehrgängen in den USA für Blutspurenanalyse teilgenommen. Seit Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist er forensisch auf diesem Gebiet tätig. Seit zehn Jahren ist er Leiter der Arbeitsgemeinschaft für die Blutspurenanalyse bei der Universität in München und hat auch das Ausbildungsprogramm hierzu erstellt.

Der Sachverständige führte aus, die Blutspurenanalyse habe er auf der Grundlage der im Rahmen der Tatortabsuche gefertigten Lichtbilder vom Tatort, der 3-D-Simulation vom Tatort unter Verwendung dieser Lichtbilder und der Obduktions- und Verletzungsbefunde unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. und unter Berücksichtigung der gehörten Zeugenaussagen erstellt. Berücksichtigt habe er dabei, dass die im Jahre 1983 angefertigten Lichtbilder von der Tatortabsuche nicht nach heutigen Maßstäben gefertigt worden seien. Diese seien nicht maßstabsgerecht gefertigt. Eine Randverzerrung sei nicht auszuschließen. Er sei zunächst von der Ausgangshypothese ausgegangen, dass alles, was wie Blut aussehe, auch Blut des Opfers sei und einen Tatortbezug habe. Diese Ausgangshypothese habe er bei Anfertigung der Blutspurenanalyse auf ihre Belastbarkeit überprüft. So habe er den Tropfen an der Deichsel aufgrund der Erkenntnisse der Beweisaufnahme nicht als valide angesehen und für seine Überlegungen für den Geschehensablauf nicht berücksichtigt.

Die Spurenlage spreche für einen Tatablauf, der im hinteren Bereich begonnen und sich dann nach vorne zum Auffindeort der Leiche verlagert habe. Dies ergebe sich daraus, dass Blutantragungen eine entsprechende Richtungskomponente aufgewiesen hätten und zudem die Größe und Anzahl der Blutspuren in Annäherung an den Auffindeort der Leiche zugenommen hätten. Nur am Auffindeort der Leiche sei die Anwendung von halbscharfer/stumpfer Gewalt nachweisbar. Hierbei habe S. D. bis kurz vor dem Auffindeort eine aufrechte Körperhaltung eingenommen. Falle ein Bluttropfen von oben nach unten, entstehe auf horizontaler Fläche ein runder Fleck, da sich Blut im freien Fall kugelförmig forme. Befinde sich die verletzte Person in Bewegung entstünden in der Richtung, in die sie sich bewege, spinnenförmig Einzelspritzer. Die im Mittelraum auf dem Schraubstock und auf dem Boden in unmittelbarer Nähe befindlichen Blutspuren hätten eindeutig eine Richtungskompetente. Sie belegten die Bewegung des Opfers vom Mittelraum in Richtung Ausgang.

Nachdem sich im Mittelraum nur einzelne Blutspuren auf der Werkbank, dem Schraubstock und auf dem Boden in unmittelbarer Nähe befunden hätten, sei im weiteren Verlauf in Richtung Ausgang festzustellen, dass die Anzahl der Blutspuren und deren Größe zunähmen. Die Blutspuren auf den einzelnen Papierstapeln im Garagenraum nähmen, je näher sich diese zum Garagentor und damit zur Endlage des Opfers befänden, deutlich in Anzahl und Größe zu. Auch die Blutspuren auf der östlichen Seite an einer Plastikabdeckung, einem Karton und am Boden in unmittelbarer Nähe zu diesen Gegenständen im Garagenraum hätten ebenso wie die Blutspuren auf den Papierstapeln eine Richtungskomponente. Auch sie seien ein Beleg für die Bewegung des S. D. vom Rauminnern in Richtung des Garagentores. Nur die Blutspuren an der Wand über dem Kopf der Leiche ließen sich eindeutig den Hieben gegen den Kopf zuordnen. Es handele sich hierbei um Abschleuderspuren, die vom Tatwerkzeug herstammten. Ableiten ließe sich daraus, dass es mehrfach zu Schlägen in bereits blutende Verletzungen am Kopf gekommen sei. Mit den vorgefundenen Blutspuren vereinbar wäre, dass S. D. zunächst die Schussverletzungen in den Rücken und dann die Verletzungen an den Händen erlitten habe.

e) Der Senat ist bei Gesamtwürdigung aller Umstände davon überzeugt, dass mindestens zwei Täter verborgen im Druckereiraum auf S. D. warteten und dort der Schütze den ersten Schuss auf S. D., der ihn traf, abgab. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

aa) S. D. hatte bereits, als er sich im Mittelraum - aus seiner Gehrichtung gesehen -direkt hinter der Stahltür befand, jedenfalls eine blutende Verletzung durch einen Schuss erlitten. Dies belegen die dort vorgefundenen Blutspuren: die Blutübertragungsspur direkt hinter der Stahltür, auf der rechten Seite des Ganges die Blutspuren auf der Werkbank sowie auf dem dort angebrachten Schraubstock und im Anschluss die auf dem Estrichboden befindlichen Bluttropfen. Alle während des Tatablaufs abgefeuerten Geschosse drangen auf dessen Körperrückseite ein.

bb) Der Umstand, dass S. D. den Artikel auf dem an der südöstlichen Ecke des Mittelraumes stehenden Kopiergerät abgelegt hatte, belegt, dass er bis zu diesem Zeitpunkt weder angegriffen worden war noch die Täter bemerkt hatte.

cc) Da das Opfer - durch die Blutspuren belegt - bereits unmittelbar nach der Stahltür in der Nähe des Ablageorts des Artikels eine durch einen Schuss verursachte blutende Verletzung von hinten (alle Schüsse kamen von hinten) erlitten hatte, ist der Senat aufgrund der Gesamtumstände davon überzeugt, dass sich zu diesem Zeitpunkt jedenfalls einer der Täter mit seiner Schusswaffe hinter S. D. befunden hatte.

dd) Der querliegende Druckereiraum befand sich weit von der Lichtquelle des geöffneten Garagentores entfernt. Vom schmaleren Mittelraum aus gesehen weitete sich der Druckereiraum aus. Bei diesen Gegebenheiten konnte S. D. die im Druckereiraum aufhältlichen Täter nicht sehen. Diese Gegebenheiten waren ideal für einen Überraschungsangriff. Sie konnten dort auf ihr Opfer warten, ohne dass es Verdacht schöpfte.

Der Senat ist davon überzeugt, dass der erste Schuss S. D. traf, als er sich zum Gehen umwandte. Er wollte seine Verabredung mit Frau H. S. einhalten. Beabsichtigte weitere Tätigkeiten in der Garage sind nicht bekannt und zudem völlig unplausibel, nachdem die Vorbereitungen für den Druck des Buches abgeschlossen waren.

ee) Es ist zwar denkbar, dass der erste Schuss S. D. traf, als er sich noch nicht zum Gehen umgewandt hatte. Dies würde jedoch voraussetzen, dass der Schuss aus Richtung des Garagentores kam. Dazu passen die schon erörterten Spuren nicht. In diesem Fall wäre D. entweder in den Druckereiraum geflüchtet, wo jedoch Blutspuren nicht gefunden wurden. Oder er wäre zum offenen Ausgang auf die Täter zu oder an ihnen vorbei geflüchtet, was noch unplausibler ist. Denn kein Opfer läuft auf schießende Täter zu und verringert damit die Schussentfernung. Dieser Weg ist zwar anhand der Blutspuren nachvollziehbar. Jedoch erfolgten alle mindestens fünf Schüsse von hinten. Dass alle diese Schüsse nur zu dem Zeitpunkt abgegeben wurden, als D. an dem Kopierer - mit dem Rücken zum Ausgang - stand, aber nicht später, als er flüchtete, hält der Senat für äußerst unplausibel. Zudem fehlen Kampfspuren auf diesem Weg, die plausibel wären, wenn sich das Opfer auf die Täter zubewegt hätte. Die im dortigen Bereich lagernden Druckerzeugnisse (gestapelte, nicht geheftete DIN A 4 Blätter) blieben während des Tatgeschehens nahezu unberührt. Dies ergibt sich aus folgendem:

Zwischen den an der West- und Ostseite des Mittelraumes abgestellten Gegenständen befand sich lediglich ein ca. 1 bis 1,5 m breiter Gang. Es war nur eine geringe Unordnung bei den Papierstapeln feststellbar, während die übrigen Gegenstände (Kanister, Schreibtischprovisorium, Stuhl, Papier) keine Unordnung aufwiesen, die auf einen Kampf deuteten. Der Senat ist davon überzeugt, dass die geringe Unordnung nicht auf eine bei einem derartigen Geschehen zu erwartende körperliche Auseinandersetzung hindeutet. Vielmehr ist diese geringe Unordnung bei dem Geschehen nach Beginn der Tathandlung verursacht worden, als das Opfer vor den Tätern, die sich zuvor im Druckereiraum verborgen aufgehalten hatten, flüchtete und dieser oder die Täter diese Stapel beim Vorbeigehen/-laufen geringfügig berührten.

Die Feststellungen zur Beschaffenheit des Ganges und dessen Verlauf sowie der Beschaffenheit der dort befindlichen Gegenstände beruhen auf den Angaben des Zeugen Di. und den Lichtbildern vom Tatort.

ff) Auch nimmt der Senat nicht an, dass sich der weitere Mittäter, der eine Schusswaffe bei der Tat einsetzte, zunächst außerhalb der Räume aufgehalten hatte. Denn es hätte sonst die Gefahr bestanden, dass ein Täter den anderen beim zu erwartenden Schusswechsel verletzte oder gar tötete. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass auch der zweite Täter mit seiner Tatwaffe im Druckereiraum verborgen auf das Eintreffen des Opfers gewartet hatte.

gg) Es erscheint zwar möglich, dass der dritte Täter, der mit einem Schlagwerkzeug dem am Boden liegenden Opfer im weiteren Verlauf Schläge gegen den Kopf versetzt hatte, ebenfalls im Druckereiraum zusammen mit seinen beiden Mittätern verborgen auf das Eintreffen des Opfers gewartet hatte, um Verletzungen bei einer bei Eintreffen des Opfers abgesprochenen Schussabgabe seiner Mittäter in Richtung des Opfers zu vermeiden. Der Senat kann aber nicht ausschließen, dass sich dieser Täter zunächst außerhalb der Räume in näherer Umgebung des Gebäudes aufgehalten, den Vorgang von außen beobachtet, abgesichert und erst in das Geschehen eingegriffen hatte, als S. D. sich im Garagenraum befand.

f) Bei der unmittelbaren Tatausführung in den Räumen des K. P. waren drei Täter beteiligt. Dies ergibt sich aufgrund der am Tatort vorgefundenen Blutübertragungspuren und der bei der Tatausführung verwendeten Tatwaffen, zwei Pistolen und einem scharfkantigen Schlagwerkzeug.

Direkt hinter der Stahltür befand sich auf dem Estrichboden ein Fragment einer blutigen Schuhspur. Weitere blutige Schuhspuren befanden sich im Garagenraum auf dem Teppichboden an der westlichen Wand vor dort liegenden Papierstapeln und vor dem Garagentor. Dies steht fest aufgrund der Angaben des Zeugen F.

Diese Fußspuren stammen von den Tätern. Sie wurden nicht von anderen Personen verursacht.

Der Zeuge M. S., ein Erstzugriffsbeamter der PI Wolfratshausen, gab zuverlässig an, er habe zusammen mit dem Notarzt Dr. A. die Räume durch die Stahltür betreten. Beide hätten darauf geachtet, keine Spuren zu setzen oder zu vernichten. Hierzu habe er auch den Notarzt angehalten. Er habe blutige Fußspuren bemerkt und seine Kollegen hierüber ausdrücklich verständigt. Er habe die Schuhe von K. P. und seinem Bruder H. auf Blutanhaftungen untersucht, aber keine festgestellt.

Der Zeuge Dr. A. gab glaubwürdig an, er habe die Räume zusammen mit einem Polizeibeamten betreten. Er habe darauf geachtet, keine Spuren zu veranlassen. Er habe blutige Schuhabdrücke von Turnschuhen bemerkt und die Polizeibeamten hierauf aufmerksam gemacht. Diese seien nicht frisch gewesen. Er sei sich sicher, dass diese nicht von den in den Räumen befindlichen Personen stammen könnten. Er selbst habe keine Turnschuhe getragen.

Der Zeuge F. gab zuverlässig an, die Leiche habe in einer Blutlache gelegen. Der Randbereich der Blutlache habe begonnen zu trocknen. Innerhalb der Räume habe er im Mittelraum in Höhe der Stahltür sowie im Garagenraum vor dem Garagentor und auf dem Teppich unter den Druckerzeugnissen blutige Schuhspuren gesichert. Es habe sich um zwei kleine Schuhfragmente und eine große Schuhspur gehandelt. Außerhalb der Räume habe er keine Spuren festgestellt.

Diese Blutübertragungsspuren sind drei unterschiedlichen Turnschuhen zuzuordnen. Dies steht fest aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. K., Maschinenbauingenieur, Kriminalbeamter beim Bayerischen Landeskriminalamt im Kriminaltechnischen Institut.

g) Der Senat ist zwar davon überzeugt, dass sich am 28. Juli 1983 drei Täterpersonen am und im Tatort aufhielten. Wie der Sachverständige Prof. N. hinsichtlich eines anderen Passivierungsfalls durch Entführung nach seiner Archivsuche berichtete, ist es allerdings plausibler, dass die Zahl der operativ tätigen Personen größer war, selbst wenn der Senat davon ausgeht, dass die Liquidierung von S. D. zielgerichtet und nicht „nur“ Ergebnis einer missglückten Entführung war. Für eine höhere Anzahl streiten schon logistische Überlegungen (Fahrer, Ersatzleute).

Indessen war es dem Senat versagt, die genaue Zahl der „Mannschaft“ festzustellen. Ebenso war es ihm versagt festzustellen, wer die „Mannschaft“ ausgewählt und zusammengestellt hat und woher die Personen stammten. Möglich ist sogar, dass diese erst in Deutschland aus der Diaspora der Emigranten ausgewählt wurden. Da dies mit Unsicherheitsrisiken verbunden war, weil die Mitglieder der Mannschaft sich hätten erst kennenlernen müssen, geht der Senat aber davon aus, dass es sich um „verlässliches Personal“ handelte, das SDB und SDS sicher einschätzen konnten. Das schließt es aus, dass Angehörige des seinerzeit in der SFRJ existierenden kriminellen Milieus ausgewählt wurden. Solche sind nicht - wie gefordert - punktgenau steuerbar. Es hätte auch die Gefahr bestanden, dass solche Täter, bei welchen immer die Gefahr einer Festnahme wo und durch wen auch immer bestand, sich aus eigennützigen Motiven heraus der Tatbeteiligung berühmten oder sich schlicht verplapperten. Dies alles spricht für „verlässliches“, steuerbares Personal.

Dem Senat war es auch nicht möglich festzustellen, wie lange vor dem erst mit Ablauf des 27. Juli 1983 feststehenden Tatzeitpunkt die „Mannschaft“ sich in München aufhielt. Der Senat ist sich allerdings sicher, dass die „Mannschaft“ in Jugoslawien nicht erst losfuhr, als K. P. mit Ablauf des 27. Juli 1983 dem Angeklagten P. die Absichten des Mordopfers am Vormittag des 28. Juli 1983 mitgeteilt hatte. Offene Grenzen gab es seinerzeit nicht. Das Risiko war zu groß, dass die „Mannschaft“ oder Teile von ihr beim Grenzübertritt in Österreich oder Deutschland angehalten würden. Daher geht der Senat als sicher davon aus, dass sich die Täter schon in München aufhielten.

5. Todesursache und Todeszeitpunkt (Feststellungen zu I.II.6)

Die Feststellungen zur Todesursache beruhen auf den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E., dessen Angaben sich der Senat angeschlossen hat. Der Sachverständige führte aus, dass der Tod durch einen Blutverlust nach innen und außen infolge der durch einen Schuss verursachten Lungenverletzung und durch die aufgrund der Hiebe verursachte Hirnlähmung eingetreten sei. Beide Ursachen seien für sich gesehen letal gewesen.

Der Todeszeitpunkt, zu dem S. D. verstorben ist, ergibt sich ebenfalls aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. und den Angaben der Zeugen R. F., E. H., H. S. und D. D. sowie den Lichtbildern vom Tatort. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. trat der Tod des S. D. am 28. Juli 1983 in der Zeit zwischen 9:30 Uhr und 13:30 Uhr, wahrscheinlicher zwischen 10:30 Uhr und 11:30 Uhr im Garagenraum in Wolfratshausen ein. Wesentliche Anknüpfungspunkte für die Bestimmung der Todeszeit seien die zu Beginn der Obduktion beschriebenen Temperaturverhältnisse an der Auffindungsstelle und im Körper des Toten, dessen Körpergewicht und die Ausprägung der Totenstarre. Da die Totenstarre bei Beginn der Untersuchung am 29. Juli 1983 bereits voll ausgeprägt war, ergäbe sich, dass sicher mehr als acht Stunden zwischen Todeseintritt und Bruch der Totenstarre vergangen seien. Seitdem sei noch kein Zeitraum von mehr als 48 Stunden vergangen, da die Totenstarre noch keine Anzeichen für eine beginnende Lösung aufgezeigt habe. Die Übertragung der relevanten Daten - bei Messung am 29. Juli 1983 um ca.16:30 Uhr Umgebungstemperatur 20,6 Grad; Enddarmtemperatur 24,7 Grad; Körpergewicht 78 kg - ergäbe für ein Körpergewicht von 70 bis 80 kg einen wahrscheinlichen Todeszeitpunkt 27 Stunden, bei einem Körpergewicht von 70 kg und bis zu 31 Stunden bei einem Körpergewicht von 80 kg vor der Messung, somit ein Zeitraum am 28. Juli 1983 zwischen 9:30 und 13:30 Uhr. Da das Körpergewicht 78 kg betragen habe, läge der Zeitpunkt näher an dem früheren Zeitpunkt. Der wahrscheinliche Todeszeitpunkt läge am 28. Juli 1983 in der Zeit zwischen 10:30 Uhr und 11:30 Uhr.

Nachdem S. D. durch die Hiebe die massiven Schädelverletzungen erlitten habe, sei er nicht mehr in der Lage gewesen, zu gehen oder zu stehen. Der Tod sei frühestens zwei Minuten und spätestens ca. 15 Minuten nach der Zufügung der Verletzungen eingetreten. Dies lasse sich aufgrund der ausgetretenen Blutmenge bestimmen.

Dass die Leiche des S. D. auf dem Estrichboden lag, mit einem kurzärmeligen Sommerhemd (ohne Unterhemd), einer Hose, Socken und Halbschuhen bekleidet war, ergibt sich aus den Lichtbildern vom Tatort. Dass am 29. Juli 1983 hochsommerliche Temperaturen herrschten, ergibt sich aus den Angaben der Zeugen F3 und E. H. Dass auch am 28. Juli 1983 hochsommerliche Temperaturen herrschten beruht auf den Angaben der Zeugen K. P. und H. S. Ferner ergibt sich aus den Angaben des Zeugen F., dass die Leiche auf dem Estrichboden lag.

5. D. verließ im Laufe des Vormittags seine Wohnung in München, um sich mit seiner Freundin zu treffen, wie der Zeuge D. D. angab. Er wollte sich an diesem Tag um 11:30 Uhr auf einer Brücke in Wolfratshausen mit seiner Freundin H. S. treffen, wie sich aus den Angaben der Zeugin H. S. ergibt. Vor diesem Treffen wollte er in den Räumen des K. P. in Wolfratshausen einen Artikel hinterlegen. Zuletzt telefonierte er am 28. Juli 1983 gegen 10:50 Uhr mit seiner Freundin H. S.

Das Telefonat steht fest aufgrund der Angaben der Zeugin H. S., die sie im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung und in der Hauptverhandlung gemacht hat.

6. Dass die unmittelbar Tatausführenden unerkannt vom Tatort flüchteten und bis zum heutigen Tag nicht ermittelt werden konnten, ergibt sich aus dem Bericht des Zeugen F., einem der seinerzeitigen Ermittlungsbeamten des Bayerischen Landeskriminalamtes. Aufgrund der Angaben des Zeugen D. D. steht fest, dass der Schlüssel des Opfers zur Tür des Garagentores nach der Tat fehlte. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Täter diesen beim Verlassen der Räume nach der Tat aus dem Schließzylinder herauszogen und an sich nahmen, als sie diese Tür schlossen, um einer frühzeitigen Entdeckung der Tat entgegenzuwirken.

XI. Beweiswürdigung Nachtatgeschehen (Feststellungen zu J)

1. Telefongespräche zwischen dem Angeklagten P. und K. P. (Feststellungen zu J.I.)

a) Telefonkontakt zwischen K. P. und dem Angeklagten P. am Abend des 28. Juli 1983 (Feststellungen zu J.I.1)

Die Feststellungen beruhen auf den Angaben des Zeugen K. P., der entsprechende Angaben machte. Er führte aus, er sei im Anschluss an die gegen Mittag beendete Anhörung der beiden Asylbewerber in Zirndorf mit seinem Bruder in einen Ort in die Nähe von Nürnberg gefahren. Dort habe er bis in die Abendstunden aus einem Schrottfahrzeug Ersatzteile für einen PKW ausgebaut. Auf der Rückfahrt habe er in München den Plan, den er in den frühen Morgenstunden in seinen Räumen in Wolfratshausen abgeholt hatte, bei der Firma TKT abgegeben und bei McDonalds zu Abend gegessen. Als er gegen 22:00 Uhr in seiner Wohnung in Geretsried angekommen sei, habe ihm seine Frau von mehreren Telefonanrufen, bei denen zwei Klingeltöne hintereinander zu hören gewesen seien, berichtet. Es habe sich, wenn sie den Telefonhörer abgehoben habe, niemand gemeldet. Das Klingelzeichen sei nach seiner Heimkehr entgegen der Vereinbarung zur halben Stunde erneut ertönt. Er habe deshalb angenommen, dass sein Verbindungsoffizier P. nervös sei und ihn dringend sprechen wolle. Aus diesem Grund habe er, obwohl er sehr erschöpft und müde gewesen sei, den Angeklagten P. von einer öffentlichen Telefonzelle in Geretsried aus angerufen. P. habe zunächst wissen wollen, warum er an diesem Abend nicht auf seine mehrfachen Klingelzeichen reagiert habe. Auch habe er sich danach erkundigt, wo er sich an diesem Tag aufgehalten habe und ob es etwas Neues gäbe. Er habe auch nachgefragt, warum er sich nicht wie vereinbart innerhalb der letzten beiden Wochen telefonisch gemeldet habe. Tatsächlich habe er sich mindestens zwei Wochen nicht bei seinem Verbindungsoffizier gemeldet, da er anderweitig zu sehr beschäftigt gewesen sei. Er habe P. von seinem Tagesablauf unterrichtet.

b) Telefongespräch zwischen K. P. und dem Angeklagten P. am 30. Juli 1983 (Feststellungen zu J.I.2)

Die Feststellungen beruhen auf den Angaben des Zeugen K. P., der entsprechende Angaben machte. Er gab an, er habe P. an diesem Tag aus einer öffentlichen Telefonzelle aus München angerufen. Dieser habe sich nach den Reisedaten des Zeugen für das für August auf Mallorca bereits vor Monaten vereinbarte Treffen erkundigt und das Datum und die Uhrzeit des Treffens dort mit ihm vereinbart. Diese Daten habe er diesem bei dem Telefonat am 28. Juli 1983 nicht mitteilen können, weil er erst danach den Flug gebucht habe. P. sei von der Ermordung des S. D. bereits informiert gewesen. Er habe sich danach erkundigt, ob bei ihm alles in Ordnung sei.

c) Würdigung der Telefonate (Feststellungen zu J.I.3.)

Der Senat ist davon überzeugt, dass diese telefonischen Kontakte dem Angeklagten P. dazu dienten, die bei den Feststellungen zu J.I.3 genannten Informationen zu erhalten. Dieses Vorgehen passt in den Tatplan und basiert auf dem Vorhaben, die Tatausführenden zu schützen und Probleme für den SDS und K. P. aufgrund von Ermittlungen zu vermeiden.

Den Angaben des Zeugen P., er habe sich absprachewidrig über zwei Wochen telefonisch nicht mit seinem Verbindungsoffizier P. in Verbindung gesetzt, da er anderweitig zu beschäftigt gewesen sei, schenkt der Senat keinen Glauben. Vielmehr ist der Senat davon überzeugt, dass sich der Zeuge aus Angst vor erheblichen Konsequenzen an alle Vorgaben seines Führungsoffiziers hielt. Aus Angst um sein Leben hatte er das „Angebot zur Zusammenarbeit mit dem Staatsicherheitsdienst“ nicht ausgeschlagen. Auch schenkt der Senat seinen Angaben keinen Glauben, was den Grund für die Rückrufbitte des Angeklagten P. anbelangt. Vielmehr ging es dem Angeklagten P. um den tatsächlichen Aufenthalt von K. P. am 28. Juli 1983 und um den Stand der deutschen Ermittlungen.

2. Reaktionen im SDB nach Mitteilung der Ermordung des S. D. in Deutschland (Feststellungen zu J.II.)

Die Feststellungen beruhen auf den Angaben des Zeugen I. L., der folgendes ausgesagt hat:

„Ab März 1983 war ich etwa ein halbes Jahr Vorsteher der II. Abteilung des SDB. Den Mord an D. habe ich am Tag danach erfahren. Aus dem Außenministerium wurde ich angerufen, der dortige Rangkollege von mir sagte: „Du hast einen weniger“. Ich fragte nach, was das bedeute. Er sagte, der wurde in München umgebracht. Die Deutschen würden das dem Dienst zur Last legen. Davon war ich geschockt. Ich fragte, um wen es sich handelt. Er sagte, ein INA-Direktor. Damit war in unseren Kreisen klar, wer gemeint war. Ich verständigte meinen Vorgesetzten S. A. Der tigerte in seinem Büro umher. Er sagte: „Wir müssen das sofort dem Minister mitteilen“. Er hatte freien Zugang zu Do. So gingen wir direkt zum Minister. Er sagte Do., ich hätte eine Mitteilung zu machen. Ich machte meine Meldung, auch dass die Deutschen unseren Dienst offen beschuldigten. Do. fragte mich offen, was mit der Mannschaft los sei. Das war mein zweiter Schock. Ich sagte, dass ich nicht mehr wisse, und ihn sofort unterrichten werde, wenn ich mehr wisse. Do. sagte, dass die Deutschen das an die große Glocke hängten, weil sie auch bisher das gemacht hätten. Do. sagte: „Wir müssen damit aufhören. Ich habe den F. gewarnt, dass wir damit aufhören müssen. Wir haben uns schon mit dem Kind in Italien blamiert.“ Mit F. war H., der Vorgänger des Do., gemeint. C. wusste wohl mehr über die Einzelheiten. An diesen verwies mich mein Vorgesetzter.

In den nachfolgenden Tagen war ich nicht bestrebt, neue Informationen zu erlangen außer denen, die ohnehin den Dienst erreichten. Mit C. habe ich etwa eine Stunde nach dem Gespräch mit dem Minister gesprochen. Er sagte, er habe gehört, dass ich beim Minister gewesen sei. Er meinte, ich solle nicht überrascht sein. C. fragte mich, ob ich Kontakt zu P. gehabt habe, was ich verneinte. Er setzte sich nicht einmal hin und ging dann in sein Büro.

Auf Vorhalt früherer Angaben: Es ist richtig, dass ich im Büro von S. A. einige Tage später den Ausspruch von C. hörte: Die Mannschaft ist komplett. Ich kann aber nicht sagen, dass es sich auf die von Do. angesprochene Mannschaft bezog. Ich traf C. und S. A. an, wenn sie gemeinsam das Dienstgebäude morgens verlassen haben. Vielleicht war das, um die Mannschaft zu treffen. Ich kann das aber nicht mit Sicherheit auf D. beziehen.

Mit P. habe ich auch in den folgenden Tagen, vielleicht auch Monate nicht gesprochen. Danach war ich dienstlich bei einem Treffen in Zagreb. Ich hatte das Gespräch initiiert. Ich sprach ihn auf den Fall D. an. Ich wies darauf hin, dass die Deutschen offen gegen uns ermittelten. Ich fragte ihn, ob er Probleme erwarte. Er zuckte und fragte, warum er denn Probleme bekommen solle. Ich sagte, ich meinte wegen seiner Mitarbeiter. Er entgegnete, das sehe er nicht, allenfalls wegen des Schlüssels, aber den hätten mehrere Personen, u.a. auch die Geliebte des D. Der Schlüssel sei als Möglichkeit angesehen worden, dass die Polizei Ermittlungen aufnimmt. Es ging um den Schlüssel für eine Druckerei, in der D. sein Propagandamaterial herstellte. Der Dienst hat oft solche Schlüssel beschafft, ohne dass das gleich um Mord gehen musste.“

Der Senat hält den Inhalt dieser Aussage, soweit er auf eigenen Wahrnehmungen des Zeugen beruht, für vollumfänglich zutreffend. Der Zeuge war zwar ersichtlich bemüht, seine eigene Rolle und seine Kenntnis herunterzuspielen. Es ist daher durchaus möglich, dass der Zeuge mehr weiß, als er angegeben hat. Die von ihm getroffene Aussage ist jedoch in sich stimmig, führt Details auf und passt in das Bild, das sich der Senat vom jugoslawischen Geheimdienst machen konnte. Auch die Erwähnung des Schlüssels durch den Angeklagten P. gegenüber dem Zeugen L. fügt sich in die obige Darstellung zur Schlüsselübergabe durch den Zeugen P. an den Angeklagten P. ein. Es ist auch kein Grund erkennbar, warum der Zeuge L. den SDB und den Angeklagten P. zu Unrecht mit der Ermordung des S. D. in Verbindung hätte bringen sollen.

3. Öffentliche Darstellung der Ermordung als Abrechnung innerhalb der Emigration durch den jugoslawischen Staatsicherheitsdienst (Feststellungen zu J.III.)

a) Die Feststellungen zu Punkt J.III.1. beruhen auf den beiden Schreiben vom 1. und 2. September 1983 und den Ausführungen des Sachverständigen Prof. N., denen sich der Senat angeschlossen hat. Der Sachverständige führte aus, diese Unterlagen seien Teil der Aktion „Kvadrat“. Wie sich aus den Unterlagen dieser Aktion ergäbe, handele es sich dabei um eine operative Aktion des SDB zur Überwachung des Zentrums des Bundesnachrichtendienstes in Pullach.

b) Die Feststellungen zu Punkt J.III.2. beruhen auf dem Bericht des M. V. vom 28. September 1983 über die Angaben des inoffiziellen Mitarbeiters Viktor über das Treffen mit dem Mitarbeiter N. des BND vom 19. und 20. September 1983 in Graz. Auch dieser Bericht ist nach den Angaben des Sachverständigen Prof. N. Teil der Aktion „Kvadrat“, über die sich Unterlagen im kroatischen Nationalarchiv finden.

XII. Würdigung der Zeugenaussagen

Der Senat hat eine Vielzahl von Zeugen vernommen, teils unmittelbar im Sitzungszimmer, teils per Videolink. Letzteres war nicht von Nachteil bei der Glaubwürdigkeitseinschätzung, denn die Übertragungen waren von einer solchen Qualität, dass die betroffenen Personen in ihrem Aussageverhalten bestens von allen Verfahrensbeteiligten beobachtet werden konnten.

Infolge der zwischen Tat und Hauptverhandlung verstrichenen Zeit von deutlich über 30 Jahren traten bei Zeugen Erinnerungslücken zu Tage. Ihnen konnte in der Regel durch Vorhalte abgeholfen werden, die dazu führten, dass den Zeugen ihre früheren Aussagen wieder vorgestellt wurden. Erinnerungslücken waren daher nur in einem geringen Umfang Anlass, Zeugen nicht zu folgen. Wo es dazu kam, wird dies im Urteil verdeutlicht. Der Senat ist im Übrigen den aus der unmittelbaren Umgebung des Mordopfers und den aus dem Kreis der eingesetzten Ermittlungsbeamten stammenden Zeugen schon deshalb gefolgt (auf die Ausnahmen wird noch eingegangen werden), weil spätestens mit Vorhalten deren Aussagen zuverlässig wurden und bei diesen Zeugen ein Interesse am Ausgang des Verfahrens nicht erkennbar war. Viele der vernommenen Polizeibeamten befanden sich schon im Ruhestand.

Die verstrichene Zeit zwischen Tat und Hauptverhandlung ist an den Zeugen nicht vorüber gegangen. Sie haben ihr Leben gelebt und es hingenommen, dass das Tatund Ermittlungserlebnis aus dem Jahr 1983 Teil ihrer persönlichen Vergangenheit geworden ist. Insoweit gibt es aus dem Kreis der Personen im Umfeld von S. D. nur die Ausnahme des Zeugen A. J., dessen eigene und die Geschichte seiner Familie mit ihrer Verwobenheit mit kroatischen Emigranten und der Entwicklung Kroatiens in der SFRJ dazu führte, dass er einen eher nostalgischen Blick auf seinen Onkel B. und seinen Vater J. entwickelte. An der Glaubhaftigkeit seiner Wahrnehmungen hat diese Eigenheit jedoch nichts geändert. Zusammenfassend stellt der Senat heraus, dass er den vernommenen Zeugen aus dem Umfeld des Opfers oder aus dem Kreis jahrzehntelang geführter Ermittlungen gefolgt ist, ohne dass er es als notwendig erachtete, bei jedem Zeugen im Einzelnen darzulegen, warum ihren Aussagen geglaubt worden ist.

Unter B, C und D hat das Urteil Tatsachen festgestellt, die zur Geschichte Jugoslawiens und Kroatiens, der Sicherheitsstrukturen im Sozialismus und der Emigration zählen. Wie sich aus der Beweiswürdigung unter L.III.2. ergibt, wurde zu diesen Feststellungskomplexen eine Vielzahl von Zeugen aus Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Serbien vernommen. Über die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen sind allgemeine Feststellungen dort getroffen, wo die Aussagen relevant wurden. Das gilt auch für den Zeugen T., dessen Bekundungen zum engeren Tatgeschehen gehören. Eine Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit ist dort getroffen, wo seine Aussagen es erzwangen. Dies gilt auch für den Zeugen B. S.

Eine zusammenfassende Würdigung ist aber bei dem Zeugen K. P. angezeigt. Schon in seinem eigenen Strafverfahren hat K. P. zu solchen Tatsachenfeststellungen zuverlässig ausgesagt, die er vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München für sich als „ungefährlich“ erachtete. So hat er von Anfang an seine Informantentätigkeit freimütig eingeräumt, weil ihm bewusst war, dass insoweit zwischenzeitlich Verfolgungsverjährung eingetreten war. Auch zu „Nebenschauplätzen“ der Vor-, Tat- und Nachtatgeschichte waren seine Angaben zuverlässig, belastbar und häufig durch andere Beweismittel gestützt. Dies betraf sein Verhältnis zu Dr. J. J. (und Familie) sowie zum HNO und seinen eigenen dortigen Aktivitäten. Das betraf sein Verhältnis zu J. P. insbesondere in der Zeit der Jugoslawienkriege. Den Angeklagten Z. M. hat K. P. erst im Verlauf der Hauptverhandlung vor dem erkennenden Senat kennengelernt. Zuverlässig und offen waren seine Angaben auch hinsichtlich seines Verhältnisses zum Tatopfer, zu dessen Aktivitäten und ihrer gegenseitigen Zusammenarbeit. Durchaus ähnlich war sein Aussageverhalten nunmehr vor dem erkennenden Senat. In diesen „ungefährlichen“ Bereichen seiner Aussagen ist der Senat ihm gefolgt.

K. P. hat es aber bis heute nicht akzeptiert, geschweige denn verwunden, dass er am 16. Juli 2008 vom 6. Strafsenat wegen Mordes an S. D. zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Er hofft, wie er dem erkennenden Senat vorgestellt hat, auf ein Wiederaufnahmeverfahren und er sucht nach Möglichkeiten, einen solchen Wiederaufnahmeantrag zu begründen. Vor diesem Hintergrund finden sich Aussagebereiche, bei welchen K. P. in seiner Glaubwürdigkeit problematisch ist (Schlüsselfrage, Frage, wann D. am 28. Juli 1983 die Garage aufsuchen werde, seine diesbezügliche Kommunikation mit dem Angeklagten P.). In diesen Bereichen hatte der Senat seine Aussage auf ihre Belastbarkeit und Glaubhaftigkeit zu prüfen. Diese Prüfung ist erfolgt und sie ist gegen K. P. ausgefallen. Zwar betreffen diese Aussagebereiche das Kerngeschehen der Beweisführung gegen die Angeklagten. Der Senat hat jedoch die erforderlichen Schuldfeststellungen in Auseinandersetzung mit den problematischen Aussagen des Zeugen P. treffen können.

XIII. Gesamtwürdigung

Der Senat ist aufgrund der Abwägung aller Umstände davon überzeugt, dass S. D. am 28. Juli 1983 Opfer einer vom jugoslawischen Staatsapparat veranlassten Liquidierung wurde, bei der die beiden Angeklagten beteiligt waren.

Dieses oben näher dargestellte Ergebnis ergibt sich aufgrund einer Gesamtabwägung aller Umstände:

1. Für dieses Ergebnis sprechen die im Rahmen der Beweiswürdigung genannten Punkte, von denen nachfolgend die wichtigsten herausgegriffen sowie einige weitere genannt werden:

a) Ausgehend von der Tat in Wolfratshausen ist festzustellen, dass außer K. P. allenfalls D. D. von S. D. über seine Anwesenheit am Tatort zur Tatzeit informiert worden war.

H. S. wusste zwar, dass S. D. vor ihrem geplanten Treffen in Wolfratshausen noch etwas erledigen wollte, sie kannte allerdings die Lage der Druckerei nicht.

Weder bei D. D. noch bei H. S. ist ein Motiv dafür festzustellen, dass sie Mörder beauftragt hätten, um S. D. zu töten.

b) War es aus den oben im Rahmen der Einzelbeweiswürdigung geschilderten Gründen naheliegend, dass S. D. K. P. über seine geplante Anwesenheit in der Druckerei in Wolfratshausen informierte, und ist sonst keine andere Person erkennbar, die Gelegenheit und Motiv zur Ermordung hatte, so fügen sich die übrigen Umstände, von denen hier nur die wichtigsten genannt werden sollen, ohne Widerspruch in ein Gesamtbild ein:

aa) Der SDS der SRH ermittelte mit höchster Intensität nach dessen Flucht gegen S. D. Der Angeklagte M. als politischer Leiter dieses Dienstes und der Angeklagte P. als Leiter der Abteilung II (feindliche Emigration) waren für die Durchführung der Ermittlungen verantwortlich. S. D. war bereits kurze Zeit nach seiner Flucht zu einer herausragenden Person in der kroatischen Emigration geworden und schickte sich durch seine Kandidatur für den HNV an, weiteren Einfluss zu gewinnen. Darüber hinaus provozierte er die Machthaber in der SFRJ durch seine kritischen Bücher.

bb) Der Angeklagte M. hatte durch die Darstellung der durch den SDS zusammengetragenen Ermittlungsergebnisse gegenüber den in Kroatien unter anderem im Rat zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung vertretenen politischen Entscheidungsträgern ein klares Feindbild S. D. gezeichnet. S. Do. tat das Seine in den jugoslawischen Medien, indem er die INA-Affäre und die Rolle von S. D. in ihr völlig überzogen darstellte.

cc) Der inoffizielle Mitarbeiter des SDS K. P. war eine der wenigen Personen, denen S. D. vertraute. Er unterstützte diesen bei der Herausgabe seiner Bücher und bei der Erstellung von Artikeln in der vom HNO herausgegebenen Zeitung, deren Chefredakteur er war. Er war Eigentümer der Druckerei, des Tatorts.

dd) Der Angeklagte P. war der Führungsoffizier des K. P.

K. P. übergab seinem Führungsoffizier P. einen Nachschlüssel für den Tatort.

ee) P. teilte dem Angeklagten P. mit, wann S. D. am Tatort erscheinen werde. Hierüber war K. P. von S. D. informiert worden, da er einen von ihm verfassten Artikel, der in der Zeitschrift des HNO abgedruckt werden sollte, am späteren Tatort für K. P. zu hinterlegen beabsichtigte.

ff) Diese Information leitete der Angeklagte P. unmittelbar oder über Dritte an die Tatausführenden weiter.

gg) Diese gelangten unter Benützung des Nachschlüssels in die Räume des K. P. und lauerten ihrem Opfer am Tatort auf. Am Schloss wurden Spuren der Verwendung eines Nachschlüssels gefunden. Das Spurenbild in der Garage lässt darauf schließen, dass die Täter sich dort verborgen hielten und auf ihr Opfer warteten.

hh) Die Maßnahmen wurden begleitet durch vom SDB vor und nach der Tat organisierte Desinformationen, die auch den Zweck hatten, die Tötung des S. D. als Abrechnung zwischen Emigranten darzustellen und damit die Verantwortlichkeit des SDB und des SDS leugnen zu können.

ii) K. P. hatte für die Tatzeit ein von vielen Personen bestätigtes Alibi. So bestand nicht die Gefahr, dass Ermittlungen über ihn angestellt und seine Kontakte zum SDS aufgedeckt werden.

jj) Die am Abend des Tattages vor Auffinden der Leiche beginnenden und einen Tag nach deren Auffinden fortgesetzten telefonischen Kontakte zwischen dem Angeklagten P. und K. P. belegen ebenfalls, dass beide an der Tatausführung beteiligt waren. Die Frage nach dem Aufenthalt des K. P., der im Besitz eines der drei offiziell im Umlauf befindlichen Schlüssel für das Holztor war, war insoweit von zentraler Bedeutung. Denn im Rahmen der Ermittlungen war entscheidend, ob und insbesondere wie es den Tätern gelungen war, ohne Aufbruchspuren an der Stahltür und dem Garagentor zu hinterlassen, in die Räume zu gelangen. Es ist daher nachvollziehbar, dass der Angeklagte P. im Zusammenhang mit der Tat noch nach 22:00 Uhr Kontakt zu K. P. aufgenommen hatte. Eine frühzeitige Information über Lücken in seinem Alibi und die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn waren von entscheidender Bedeutung für den SDS und SDB. Denn es bestand die Gefahr, dass im Rahmen eventuell eingeleiteter Ermittlungen auch seine Tätigkeit für den SDS und letztlich seine Mitwirkung an der Ermordung aufgedeckt werden könnten. Bei frühzeitigen Informationen über eingeleitete Ermittlungen gegen ihre Mittäter wären die Angeklagten, aber auch S. Do. in die Lage versetzt worden, bei dieser sensiblen Auslandsaktivität Gegenmaßnahmen zu treffen und dadurch außenpolitische Schäden zu verhindern oder mindestens zu verringern. Derartige Informationen waren für den Zeitpunkt des GrenzÜbertritts der „Mannschaft“ auch wichtig.

kk) Der Bundessekretär des Innern, S. Do., sorgte sich nach Auffinden der Leiche von D. um die „Mannschaft“, womit er die Täter meinte. S. C. (SDB) nahm Kontakt zu dem Angeklagten P. auf. Hierzu passt die vom Zeugen T. im Rahmen des Interviews bei der Zeitschrift „Duga“ geschilderte Situation vor der Reise nach Luxemburg zur Übergabe des Nachschlüssels (vgl. unter L.IX.1.a.aa.(1)(b)). Danach saß S. C. mit dem Angeklagten P. ziemlich lange in Zagreb zusammen, worauf der Zeuge T. den Auftrag zum „Durchkämmen“ der Dokumentation hinsichtlich S. D. erhielt und im Anschluss die Reise nach Luxemburg zur Nachschlüsselübergabe erfolgte. Die Kontakte zwischen S. C. (SDB) und dem Angeklagten P. im Zusammenhang mit S. D. und dessen Ermordung belegen deren Einbindung in diese.

ll) Die Planung der Ermordung eines Emigranten war für den SDS/SDB und insbesondere für den Angeklagten P. keine einmalige Aktion.

Zum einen hatte bereits zuvor der Angeklagte P. dem J. M. den Auftrag zur Ermordung eines Emigranten erteilt (vgl. unter L.III.2.c.dd). Da dieses Geschehen trotz Aufdeckung durch die deutschen Ermittlungsbehörden glimpflich ausging und der Mitarbeiter des SDS im Wege des Austausches in die SFRJ zurückkehren konnte, kann von einer Abschreckung nicht gesprochen werden.

Zum anderen passt die Ermordung des D. auch in die Serie von Morden, die auf deutschem Boden durch staatliche Organe der SFRJ begangen wurden (vgl. hierzu D.I.2. sowie L.III.2).

2. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung stehen außer den bereits im Rahmen der Würdigung zu einzelnen Indizien genannten Umständen die folgenden Gesichtspunkte einer Täterschaft nicht entgegen:

a) Es konnte nicht ermittelt werden, wie viele Schlüssel ursprünglich für die in der Stahltür und im Garagentor zur Tatzeit eingebauten Schließzylinder ausgegeben worden waren. Fest steht, dass zur Tatzeit vier Schlüssel für das Garagentor (einen Schlüssel hatten jeweils K. P., E. K. und S. D. sowie einen Nachschlüssel die Tatausführenden) und zwei Schlüssel für die Stahltür (ein Schlüssel lag im Mittelraum, einen hatte die Hausmeisterin für Notfälle) im Umlauf waren. Die Originalschlüssel hatte K. P. vom Vorbesitzer, dem Zeugen G. erhalten. Da aber - wie ausgeführt - Anhaltspunkte für die Begehung des Mordes durch andere Personen nicht vorhanden sind, kommt dem Umstand, dass weitere Schlüssel oder Nachschlüssel existiert haben können, keine entscheidende Bedeutung zu.

b) Es haben sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Tötung des S. D. durch einen anderen Geheimdienst veranlasst wurde, insbesondere durch nachfolgend genannte Geheimdienste:

aa) Nach Überzeugung des Senats scheidet eine Tötung durch den deutschen Bundesnachrichtendienst aus, weil kein Motiv erkennbar ist. S. D. war von April 1975 bis Januar 1983 Informant des BND. Die Zusammenarbeit wurde im Januar 1983 im gegenseitigen Einvernehmen beendet, wie sich aus dem Treffbericht des BND vom 14. Januar 1983 ergibt. Grund für die Beendigung der Zusammenarbeit war für den BND, dass sich S. D. nicht an die Vorgaben gehalten hatte. Er hatte entgegen den Vorgaben des BND seine regimekritischen Bücher herausgegeben. S. D. seinerseits hatte die Zusammenarbeit aus Furcht vor Anschlägen des jugoslawischen Geheimdienstes oder sonstiger Organisationen beendet. Dies steht fest aufgrund des Behördengutachtens des BND vom 3. März 2015.

bb) Ebenfalls ist eine Tötung durch militärische Nachrichtendienste Jugoslawiens fernliegend - etwa wegen des durch das Opfer begangenen Verrats von militärischen Geheimnissen Jugoslawiens an den BND.

(1) Die II. Verwaltung des Generalstabs des Bundessekretariats für Volksverteidigung scheidet bereits deshalb aus, weil Operationen im Zusammenhang mit dem Verrat von militärischen Geheimnissen nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehörten. Die II. Verwaltung des Generalstabs hatte die Aufgabe, Informationen über bewaffnete Streitkräfte potentieller Aggressoren zu ermitteln, um einen Überraschungsangriff zu verhindern.

Die Feststellungen zum Aufgabenbereich beruhen auf den Angaben des Zeugen M. D. Der Zeuge war seinen Angaben zufolge nach Abschluss seiner militärischen Ausbildung von 1975 bis 1991 Soldat bei der jugoslawischen Volksarmee. Im Zeitraum von 1978 bis 1983 war er Luftwaffen-Attache in London in der Botschaft der SFRJ. Zuletzt war er im operativen Zentrum in Belgrad in der II. Verwaltung des Generalstabs tätig. Mit dem militärischen Rang eines Obersts verließ er auf persönlichen Antrag im Jahre 1991 die Streitkräfte.

(2) Der KOS war zuständig für den Schutz der militärischen Einrichtungen, den Schutz des Staatspräsidenten auf Auslandsreisen und den Schutz und die Kontrolle der Militärangehörigen und der zivilen Mitarbeiter des Militärs. Der KOS durfte dagegen keine Maßnahmen oder Ermittlungen gegen Zivilisten wegen des Verrats von militärischen Geheimnissen ergreifen. Hierfür waren ausschließlich die Staatssicherheitsdienste zuständig. Daher scheidet auch eine Verwicklung des KOS in die Liquidierung aus, auch wenn er ein eigenes Netz von Mitarbeitern und Informanten im Ausland unterhielt.

Die Feststellungen zum Aufgabenbereich des KOS beruhen auf den Angaben des Zeugen M. K., der seit 1962 bei der Sicherheitsverwaltung der JNA beschäftigt war, und zwar von 1984 bis 1987 als Leiter einer dortigen Abteilung. Ferner beruhen diese Feststellungen auf den Angaben des Zeugen A. V., der seit 1965 bis 1988 bei der Sicherheitsverwaltung der JNA beschäftigt war. Den Zuständigkeiten entsprechend erstreckte sich die vom Angeklagten M. als Leiter des SDS der SRH am 7. Juli 1982 genehmigte operative Bearbeitung „Brk“ gegen S. D. auch auf die Erforschung, ob dieser Informant eines ausländischen Nachrichtendienstes war.

Nach Bekanntwerden von Verdachtsmomenten hinsichtlich eines eventuellen Verrats von Militärgeheimnissen Ende 1982 konzentrierte sich der KOS darauf, die möglicherweise entstandenen Schäden festzustellen, durch geeignete Maßnahmen zu beseitigen und präventiv Maßnahmen zu ergreifen, um künftige Schäden zu vermeiden. Auf Befehl des Bundessekretärs für Verteidigung, B. M., leitete der KOS und die Sicherheitsverwaltung Ende 1982 Ermittlungen zur Feststellung des durch den möglichen Verrat eingetretenen Schadens für die JNA ein. Hierbei war unter anderem bekannt geworden, dass S. D. technische Datails über militärische Öltanks verraten hatte, so dass dem BND bekannt geworden war, wie lange die Vorräte der jugoslawischen Volksarmee im Kriegsfall ausreichen würden. Die Spionageabwehr des unterirdischen Flughafens Bihac wurde verstärkt und ein neues Treibstoffterminal angelegt.

Diese Feststellungen beruhen auf den Angaben des Zeugen M. D. Er gab an, seine Erkenntnisse in Gesprächen mit dem militärischen Vorsteher des militärischen Nachrichtendienstes Admiral D. erlangt zu haben.

Was die Auswirkungen des möglichen Geheimnisverrats auf die Arbeitsorganisation INA anbelangt, schließt sich der Senat den Ausführungen des Sachverständigen Prof. N. an. Der Sachverständige führte aus, dass im März 1984 ein Treffen bei INA abgehalten wurde, an dem Vertreter der JNA und des RSUP (Sekretariat des Innern der SRH), unter anderem der Angeklagte M. als Leiter des SDS, teilnahmen. Zweck des Treffens war, ein Abkommen über eine Absicherung der Tätigkeitsbereiche, in denen die Arbeitsorganisation INA für die JNA tätig war, zu erreichen.

cc) Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Liquidierung durch den Nachrichtendienst des Bundessekretariats für Äußere Angelegenheiten (SID) in Auftrag gegeben wurde. Ein Motiv für die Tötung ist zudem nicht ersichtlich.

c) Nach Überzeugung des Senats war von den Tätern ursprünglich keine Entführung geplant, die bei der Durchführung der Tat scheiterte.

Der Zeuge Du. S. gab an, der verstorbene Z. R., genannt „Arkan“, habe ihm erzählt, er sei an der Tat beteiligt gewesen. Es sei eine Entführung des S. D. von Deutschland nach Jugoslawien geplant gewesen. Diese sei jedoch eskaliert. Der Zeuge gab weiter an, er habe von einer Person, deren Name er nicht bereit war mittzuteilen, erfahren, dass der verstorbene D. B., genannt „Giska“, ihm auch mitgeteilt habe, an der geplanten Entführung beteiligt gewesen sei. Diese sei eskaliert.

Eine eskalierte Entführung - etwa, um S. D. den Prozess wegen Landesverrates zu machen, - ist nach dem Tatablauf und der dem Opfer zugefügten Verletzungen nicht nachvollziehbar. Der Einsatz von zwei Schusswaffen und einem Schlagwerkzeug sowie der gesamte Tatablauf sprechen gegen eine geplante Entführung. Der erste Angriff erfolgte bereits durch einen Schuss von hinten auf das Opfer, unmittelbar, nachdem D. den Artikel auf dem Kopierer abgelegt hatte. Schüsse trafen das Opfer unter anderem am Hinterkopf und im Rumpfbereich (am Oberkörper in Bereich der linken Lunge und in der Lendenregion). Selbst wenn die Täter ihr Opfer zunächst nur an den Armen getroffen haben sollten, lag zur Überzeugung des Senats eine geplante Entführung nicht vor. Vielmehr wären Mittel zur Betäubung des Opfers eingesetzt worden und Waffen lediglich als Drohmittel zur Anwendung gelangt.

Dass die Verwendung eines Klappspatens als Tatwerkzeug nicht ausgeschlossen werden kann, belegt weder die Entführungshypothese noch eine Spontantat. Vielmehr ist der Senat insbesondere angesichts des Spurenbildes und des Einsatzes der Schusswaffen aufgrund einer Gesamtwürdigung von einer geplanten Ermordung überzeugt.

d) Der Umstand, dass die gegen S. D. eingeleiteten Untersuchungen im Rahmen der operativen Bearbeitung der Aktion „Brk“, die vom SDS-Zentrum Zagreb geführt wurde, nicht sofort nach dessen Tod eingestellt wurden, spricht nicht gegen die vom SDS der SRH unter Beteiligung der Angeklagten im Einvernehmen mit dem zuständigen Bundessekretariat des Innern veranlasste Liquidierung. Denn diese Untersuchung beschränkte sich nicht nur auf S. D. Vielmehr umfasste sie eine breitere Gruppe von Menschen und Organisationen, zu denen er Kontakt hatte, um deren Verflechtungen in die Geschehnisse aufzuklären.

Dies steht fest aufgrund der glaubwürdigen Angaben des Zeugen M. D., Sachbearbeiter der Aktion „Brk“ im SDS-Zentrum Zagreb. Im Übrigen ergibt sich dies aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. N. Er führte aus, dass das SDS-Zentrum Zagreb im März 1984 einen Plan zur Durchführung weiterer Maßnahmen gegen 34 Personen erstellt hatte, die mit S. D. in Verbindung standen. Gegen diese wurden verschiedene Maßnahmen, u.a. Verhöre, Durchsuchungen und Lauschangriffe veranlasst, um Kollaborateure des S. D. in Jugoslawien zu ermitteln.

e) Dass der Angeklagte J. P. nach der Ermordung des S. D. einen dem Senat nicht vorliegenden und seinem Inhalt nach daher nicht bekannten Protestbrief an den SDB schickte, schließt seine und des Angeklagten M. Täterschaft nicht aus. In diesem Brief soll es um Medienberichte und kursierende Gerüchte gehen, wonach der SDB Kriminelle als unmittelbar Tatausführende ausgewählt haben soll Dies steht fest aufgrund der glaubwürdigen Angaben der Zeugen T. M., J. G. und B. T. Der Zeuge B. T. gab an, nach der Tat seien informatorische Gespräche mit Personen aus dem kriminellen Milieu geführt worden. Einer habe berichtet, dass eine Gruppe Krimineller in Belgrad sich der Tatausführung rühme. Ausgelöst hierdurch habe er zusammen mit dem Angeklagten P. ein Protestschreiben an das Bundessekretariat des Inneren verfasst, an dessen genauen Inhalt er sich nicht mehr habe erinnern können. P. sei sehr böse gewesen über das Vorgehen des Bundesdienstes, durch das sein Informant gefährdet worden sei. Der Zeuge T. M. gab an, der Angeklagte P. habe ihm bei einem Gespräch über die Ermordung des S. D. berichtet, er habe nach dessen Ermordung ein Protestschreiben zum Bundes-SDB nach Belgrad geschickt. Auch der Zeuge J. G. gab an, P. habe ihm von einem Protestschreiben berichtet. Gesehen habe er dieses jedoch nicht.

Dem Angeklagten P. ging es zur Überzeugung des Senats lediglich um die durch diese Medienberichte und Gerüchte ausgelöste Wirkung auf die jugoslawische Öffentlichkeit, weil die Berichte und Gerüchte vermuten ließen, das sie nährende Leck liege im SDB. Hierdurch bestand die Gefahr, dass eine Verbindung der Tat zum kroatischen Staatssicherheitsdienst hergestellt und dadurch dessen informeller Mitarbeiter K. P. in den Fokus der Ermittlungen geraten konnte. Eine fehlende eigene Beteiligung an der Tat ergibt sich aus dem Schreiben nicht.

f) Der Umstand, dass außer dem Zeugen T. (dieser allerdings auch nicht vor Gericht) kein ehemaliger Mitarbeiter des SDS (wie zum Beispiel die Zeugen B., D. und L.) über die Pläne zur und die Durchführung der Ermordung von S. D. berichtet hat, steht einer Veranlassung der Liquidierung durch den SDS nicht entgegen. Liquidierungen waren nach den zur Tatzeit in Jugoslawien geltenden gesetzlichen Regelungen nicht erlaubt. In derartige Aktionen wurde lediglich ein kleiner Kreis von für die Durchführung Verantwortlicher eingeweiht. Darüber hinaus ist es nicht ausgeschlossen, dass die vernommenen Zeugen ihre Kenntnisse deshalb nicht preisgaben, um ihre ehemaligen Kollegen oder den SDS zu schützen oder um eine eigene strafrechtliche Verfolgung zu vermeiden.

g) Es haben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Tat aus persönlichen Gründen begangen wurde. Es sind keine Personen mit einem Motiv ersichtlich. D. D., der Sohn des Opfers, berichtete nicht von Streitigkeiten im persönlichen Umfeld des Opfers. Auch kein anderer Zeuge aus dem persönlichen Umfeld des Opfers hat Entsprechendes berichtet. Vielmehr kann ihren Aussagen entnommen werden, dass S. D. sich nach seiner Ankunft in Deutschland ohne jeden Konflikt und problemlos in deutsche Gesellschaftsverhältnisse einschließlich der kroatischen Emigration integriert hat.

h) Es war für den Senat auch nicht erkennbar, dass S. D. als Folge oder Ergebnis von Auseinandersetzungen innerhalb der exilkroatischen Emigration von Personen aus dieser Gemeinde ermordet worden ist. Es haben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es überhaupt um ihn oder mit ihm solche Auseinandersetzungen gab. Vielmehr erwarb sich S. D. unmittelbar nach seiner Kontaktaufnahme zu Dr. J. J. in der kroatischen Exilgemeinde einen von Sympathie und Bewunderung getragenen Ruf. Finanzielle Angelegenheiten hatte er mit der Exilgemeinde nicht zu regeln. Er war abgesichert. Politisch vertrat er eine gemäßigte Position, die auch Dr. J. J. zu teilen in der Lage war. Seine Bücher und seine sonstigen publizistischen Aktivitäten verstärkten in der Folgezeit die Sympathie- und Bewunderungsgrundlagen innerhalb der Exilkroaten, sichtbar etwa an seinem Erfolg bei der Frankfurter Buchmesse und in seiner angekündigten Kandidatur für den HNV. Er war spätestens 1983 nicht nur Sympathie-, sondern Hoffnungsträger für die Exilkroaten, die ihm zutrauten, was etwa der wenig charismatische Dr. J. J. über Jahre nicht geschafft hatte, nämlich die Atomisierung der Exilkroaten in Kleinstgruppen zu überwinden. Dabei mag eine Rolle gespielt haben, dass sie dem früheren Wirtschaftsmanager in einer großen Arbeitsorganisation auch Organisationstalent zugetraut haben. Auch nach Jahrzehnten nach seinem Tod schwang die Sympathie und Bewunderung bei vernommenen Zeugen aus der früheren Exilkroatengemeinde noch mit.

Soweit einzelne Personen die Nähe zu S. D. gesucht haben und diesen oder D. D. zum Beispiel wegen des Anfertigens von Fotoaufnahmen verdächtig vorkamen, so liegt die Annahme nahe, dass es sich bei diesen Personen um offizielle oder inoffizielle Mitarbeiter eines der jugoslawischen Sicherheitsdienste handelte. Anhaltspunkte für Aggressionen gegen S. D. aus der Emigration heraus hat der Senat jedenfalls nicht feststellen können.

i) Der von der Verteidigung genannten Möglichkeit, dass S. D. sich mit den Tätern deshalb in Wolfratshausen verabredet habe, weil er jemand benötigt ha be, der sein Auto vom Ausgangspunkt der Schlauchbootfahrt abholen solle, tritt der Senat nicht näher. Die Verteidigung will diese Möglichkeit daraus schließen, dass unter der Leiche des Opfers sein Autoschlüssel gefunden wurde und es Anhaltspunkte dafür gebe, dass das Auto - mittels des von D. mitgebrachten Zweitschlüssels - nach der Tat bewegt und anschließend von Fremdspuren gesäubert worden sein soll.

Zum einen lautete die Verabredung zwischen S. D. und H. S. deren Angaben zufolge so, dass jeder mit seinem Fahrzeug nach Wolfratshausen fahren solle, wodurch leicht das Auto vom Ausgangspunkt der Schlauchbootfahrt hätte abgeholt werden können. Ein Bedürfnis für die Übergabe eines Zweitschlüssels an andere Personen bestand daher nicht.

Zum anderen kann es sein, dass D. aus anderen Gründen zwei Autoschlüssel mit sich führte und der zweite Autoschlüssel von den Tätern entwendet und mit diesem das Fahrzeug bewegt wurde, ohne dass zuvor eine Verabredung mit S. D. erfolgt war. Immerhin wurde der Garagenschlüssel des Opfers von den Tätern nach der Tat entwendet, weshalb es möglich ist, dass an demselben Schlüsselbund sich ein Autoschlüssel befand.

j) Für die von der Verteidigung aufgeworfene Variante, dass sich S. D. mit seinen Mördern an der Garage in Wolfratshausen verabredet habe, um dort ein Schlauchboot sowie eventuell weitere Utensilien für einen Bootsausflug mit anschließendem Grillen in Empfang zu nehmen, gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte.

Daraus, dass in dem Auto von D. weder ein Schlauchboot noch ein Grill gefunden wurden, schließt der Senat nicht auf eine Verabredung mit seinen Mördern zur Übergabe dieser Gegenstände. Vielmehr ist es eher plausibel, dass D. beabsichtigte -unabhängig davon, ob dies möglich war -, sich zum Beispiel in Bad Tölz ein Schlauchboot zu leihen und mittels eines geliehenen Grills oder auf offenem Feuer zu grillen.

M. Rechtliche Würdigung:

Die Angeklagten sind jeweils schuldig des Mordes in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 211, 212, 25 Abs. 1 und 2 StGB.

I. Mittelbare Täterschaft

1. Der BGH hat in seiner Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Mitgliedern des Nationalen Verteidigungsrats der DDR für vorsätzliche Tötungen von Flüchtlingen durch Grenzsoldaten der DDR (BGHSt. 40, 218 ff.) ausgeführt:

„(1) Handelt jemand irrtumsfrei und uneingeschränkt schuldfähig, so ist sein Hintermann regelmäßig nicht mittelbarer Täter. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen der unmittelbar handelnde Täter nicht nur rechtlich, sondern vor allem tatsächlich das Geschehen umfassend beherrscht und auch beherrschen will. Dann hat der Hintermann in der Regel keine Tatherrschaft.

(2) Es gibt aber Fallgruppen, bei denen trotz eines uneingeschränkt verantwortlich handelnden Tatmittlers der Beitrag des Hintermannes nahezu automatisch zu der von diesem Hintermann erstrebten Tatbestandsverwirklichung führt. Solches kann vorliegen, wenn der Hintermann durch Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen ausnutzt, innerhalb derer sein Tatbeitrag regelhafte Abläufe auslöst. Derartige Rahmenbedingungen mit regelhaften Abläufen kommen insbesondere bei staatlichen, unternehmerischen oder geschäftsähnlichen Organisationsstrukturen und bei Befehlshierarchien in Betracht. Handelt in einem solchen Fall der Hintermann in Kenntnis dieser Umstände, nutzt er insbesondere auch die unbedingte Bereitschaft des unmittelbar Handelnden, den Tatbestand zu erfüllen, aus und will der Hintermann den Erfolg als Ergebnis seines eigenen Handelns, ist er Täter in der Form mittelbarer Täterschaft.

Er besitzt die Tatherrschaft. Er beherrscht das Geschehen tatsächlich weit mehr, als dies bei anderen Fallgruppen erforderlich ist, bei denen mittelbare Täterschaft ohne Bedenken angenommen wird, etwa bei Einsatz eines uneingeschränkt verantwortlichen Werkzeugs, das lediglich mangels einer besonderen persönlichen Pflichtenstellung oder mangels einer besonderen, vom Tatbestand verlangten Absicht nicht Täter sein kann. Auch bei Einsatz irrender oder schuldunfähiger Werkzeuge sind Fallgestaltungen häufig, bei denen der mittelbare Täter den Erfolgseintritt weit weniger in der Hand hat als bei Fällen der beschriebenen Art.

Der Hintermann hat in Fällen der hier zu entscheidenden Art auch den umfassenden Willen zur Tatherrschaft, wenn er weiß, daß die vom Tatmittler noch zu treffende, aber durch die Rahmenbedingungen vorgegebene Entscheidung gegen das Recht kein Hindernis bei der Verwirklichung des von ihm gewollten Erfolgs darstellt.

Den Hintermann in solchen Fällen nicht als Täter zu behandeln, würde dem objektiven Gewicht seines Tatbeitrags nicht gerecht, zumal häufig die Verantwortlichkeit mit größerem Abstand zum Tatort nicht ab-, sondern zunimmt (F.-C. Schroeder, Der Täter hinter dem Täter, 1965, S. 166).

Eine so verstandene mittelbare Täterschaft wird nicht nur beim Missbrauch staatlicher Machtbefugnisse, sondern auch in Fällen mafiaähnlich organisierten Verbrechens in Betracht kommen, bei denen der räumliche, zeitliche und hierarchische Abstand zwischen der die Befehle verantwortenden Organisationsspitze und den unmittelbar Handelnden gegen arbeitsteilige Mittäterschaft spricht. Auch das Problem der Verantwortlichkeit beim Betrieb wirtschaftlicher Unternehmen läßt sich so lösen. Darüber hinaus kommt eine so verstandene mittelbare Täterschaft auch in Fällen in Betracht, in denen, wie in dem der Entscheidung BGHSt 3, 110 zugrundeliegenden Sachverhalt, der Täter bewußt einen rechtswidrig handelnden Staatsapparat für die Verfolgung eigener Ziele ausnutzt.

Auf die im Einzelfall möglicherweise nur schwer zu beantwortende Frage der Gutoder Bösgläubigkeit des unmittelbar Handelnden kommt es bei dieser Lösung nicht an.“ (BGHSt. 40, 218, 236 f.).

Danach müssen folgende Voraussetzungen für die Annahme mittelbarer Täterschaft vorliegen:

a) Aufgrund von Organisationsstrukturen entstehen regelhafte Abläufe.

b) Der Hintermann löst als Mitglied der Organisation diese regelhaften Abläufe aus.

c) Der Hintermann will den Erfolg als Ergebnis seines eigenen Handelns.

2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt:

a) Der kroatische SDS ebenso wie der SDB waren hierarchisch geprägte Organisationen mit regelhaften Abläufen. Sie standen sich auf zwei Ebenen angesiedelt in einer Hierarchie gegenüber, jedenfalls dann, wenn es um Liquidierungen im Ausland ging. Eine solche konnte nur im Einvernehmen mit dem Bundessekretariat für Inneres erfolgen, in dem der SDB angesiedelt war. Es bestanden Weisungsmöglichkeiten von den Spitzen des Bundesinnensekretariats zum SDB bzw. im Falle der SRH von der Spitze des Innensekretariats über die Zentrale des SDS bis zu den jeweiligen örtlichen Zentren. Dass die unmittelbar vor Ort tätigen Personen, die den Mord an S. D. ausübten, fest angestellte Mitarbeiter des kroatischen SDS waren, konnte der Senat zwar nicht feststellen. Allerdings bestand jedenfalls gegenüber den für den Mord an S. D. gedungenen Auftragsmördern eine Weisungsbefugnis durch den SDB oder SDS-Mitarbeiter, der entweder diesen den Mord in Auftrag gab oder die Mannschaft zusammenstellte und beaufsichtigte. Dies schlug sich nieder in Entscheidungen, wann die gedungenen Mörder die SFRJ verlassen, wo sie sich bis zur Tat aufhalten und wann sie ohne Entdeckungsrisiko die Heimfahrt nach Jugoslawien nach der Tat antraten. Durch den Auftrag, die Übergabe des Schlüssels und die Anweisung sowohl hinsichtlich des Orts als auch des Zeitpunkts des Mordes, wurden die Auftragsmörder daher in die Organisation eingebunden. Auf ein offizielles Beschäftigungsverhältnis zwischen den Auftragsmördern und dem SDS oder dem gesamtjugoslawischen SDB kommt es nicht an. Bereits in einer Vielzahl von Fällen zuvor erfolgten aufgrund der Veranlassung des SDB/SDS Mordanschläge auf Exil-Kroaten in Europa. Diese Anschläge waren zwar nicht immer erfolgreich, insgesamt kann jedoch von einem regelhaften Vorgehen von der Entscheidungsbildung auf Bundesund Republikebene über die Vorbereitung der Tatausführung durch den SDB/SDS (Ausspähung des Opfers, Finden des geeigneten Tatorts und der geeigneten Tatzeit) bis hin zur unmittelbaren Tatausführung durch entsprechend eingeweihte Täter gesprochen werden.

b) Die Angeklagten lösten als Mitglieder des kroatischen SDS diesen regelhaften Ablauf zur Ermordung von D. aus.

Der Angeklagte M. gab als politischer Leiter des SDS die Entscheidung über die Ermordung von S. D. an den Angeklagten P. weiter und gab diesem die Anweisung, die Entscheidung umzusetzen, nachdem das Einvernehmen mit dem Bundessekretariat für Inneres und dem dort angesiedelten SDB hergestellt war.

Der Angeklagte P. kam als Leiter der Abteilung II (feindliche Emigration) der Zentrale des SDS dieser Anweisung nach. Er erteilte den Mordauftrag entweder direkt an die unmittelbar handelnden Personen oder über Mittelsmänner und gab hierzu insbesondere die von seiner Quelle, dem Zeugen P., erhaltenen Informationen, die eine Ausführung der Tat hinsichtlich Ort und Zeit ermöglichten, sowie den Schlüssel zur Garage, dem späteren Tatort, weiter.

Die unmittelbar tätigen Personen handelten lediglich als ausführendes Organ in einer Hierarchie, in der ihre Rolle festgelegt war.

c) Die Angeklagten wollten auch den Erfolg als Ergebnis ihres eigenen Handelns.

Beim Angeklagten P. wird dies darin deutlich, dass er den Schlüssel zur Garage, dem späteren Tatort, sowie die Informationen beschafft hatte, die hinsichtlich Ort und Zeit die Ermordung ermöglichten. Er war in der Hierarchie des SDS fest eingebunden und bereits auf einer recht hohen Karrierestufe (Abteilungsleiter in der Zentrale) angelangt. Er zeigte besonderen Einsatz, indem er nach wie vor den Zeugen P. als Quelle führte, auch nachdem er das Amt des Abteilungsleiters in der Zentrale des SDS übernommen hatte. Die vollständige „Passivierung“ durch Liquidierung eines regimekritischen Exil-Kroaten konnte und wollte er als Erfolg des kroatischen SDS und insbesondere seiner Person verbuchen, da die entscheidenden Mittel zur Ermöglichung des Mordes von seiner Quelle P. kamen.

Der SDS der SRH war 1982 in Kritik geraten, weil es Wochen dauerte, bis das Verschwinden von S. D. dort amtlich bekannt wurde, und es sodann weitere geraume Zeit in Anspruch nahm, S. D. in München zu verorten. Die Aktion „Brk“ war nicht sonderlich erfolgreich. Die Ermittlungen gegen S. D. wegen strafbaren Verhaltens gegenüber der INA erbrachten die erhofften Resultate nicht. Die Liquidierung des S. D. eröffnete somit dem Angeklagten P. auch persönlich die Gelegenheit, die „Scharte“ auszuwetzen, insbesondere aber unter Beweis zu stellen, dass seine Abteilung II die Kritik von 1982 als Lehre verstanden hatte.

Der Angeklagte M. war seit Juni 1982 politischer Leiter des SDS der SRH. Die Kritik am SDS hinsichtlich des Verschwindens von S. D. traf ihn nicht minder als den Angeklagten P., da er 1982/1983 hinsichtlich seiner politischen Leitungsfunktion im Republiksekretariat des Innern als „Neuling“ einem besonderen Anforderungsprofil au sgesetzt war. Er versuchte, diesem Druck nach der Genehmigung der Operation „Brk“ in den Institutionen und gegenüber den Bundesbehörden gerecht zu werden. Da die Aktion „Brk“ nicht liefern konnte, was erwartet worden war, geriet der Angeklagte M. insbesondere gegenüber dem Bundessekretär des Innern, S. Do., der sich seinerseits in den Medien hinsichtlich S. D. „weit aus dem Fenster gelehnt“ hatte, in Bedrängnis. So bot ihm die Liquidierung des S. D. auch die persönliche Gelegenheit, insbesondere gegenüber Belgrad und dem dort agierenden S. Do., den Beweis anzutreten, dass wenigstens er die politische Verantwortung für Sicherheitsfragen ausfüllen konnte, die der SRH-Sekretär für Inneres P. G. nicht in der Lage zu tragen war.

Der Angeklagte M. war zwar nicht ebenso intensiv in die Ausführung des Mordes eingebunden. Gleichwohl nahm er regen Anteil an der Person von S. D. und der INA-Affäre. So vertrat er den SDS in der Sitzung des Rates zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung vom 15. April 1983, bei der die Person D. und die INA-Affäre behandelt wurden, und verantwortete auch in der Folgezeit die Tätigkeit des kroatischen SDS gegenüber den Spitzen von Partei und Staat. Die Ausführung der Entscheidung über die Ermordung von D. durch den SDS war für dessen Leiter wichtig, um die Organisation als schlagkräftig und linientreu erscheinen zu lassen. Der Angeklagte M. selbst zeigte sich dadurch als zuverlässig. Damit hatte er ebenfalls ein eigenes Interesse an der „Passivierung“ von D., die nach der Entscheidung auf Bundesebene durch dessen Ermordung gelingen sollte. In Anbetracht der politischen Schwäche des Republiksekretärs für Inneres P. G. war er auch das unabdingbare Scharnier zum Bundessekretär für Inneres S. Do.

II. Mordmerkmale

Die Angeklagten haben sowohl heimtückisch als auch aus niedrigen Beweggründen gehandelt.

1. Heimtücke

Aus der geschilderten Tatausführung (Auflauern in der Garage) ergibt sich die Heimtücke. S. D. war arglos und aufgrund dieser Arglosigkeit auch wehrlos. Die Garage in Wolfratshausen war für ihn ein gefahrloser Ort. Diese Garage gehörte K. P., zu dem er Vertrauen hatte. Schließlich war dieser die rechte Hand von Dr. J. J. K. P. half ihm darüber hinaus in der Garage bei dem Druck seines letzten dann nicht mehr veröffentlichten Buches. S. D. rechnete daher nicht damit, dass ihm gerade aus dieser Garage der Tod drohte. Deshalb war er auch nicht in der Lage, den mit Pistolen bewaffneten Angreifern sich wirksam zu erwehren. Dies war den Angeklagten auch bewusst. Der Angeklagte P. besorgte den Schlüssel zu der Garage und gab ihn an die Täter weiter. Der Schlüssel ermöglichte nach der Planung den ausführenden Tätern die heimtückische Ermordung. Der Angeklagte M. war in die Umstände der geplanten Tötung eingeweiht und billigte diese.

Dass S. D. allgemein mit einem Anschlag des jugoslawischen Geheimdienstes auf seine Person rechnete, steht seiner Arglosigkeit nicht entgegen. Eine latente Angst des Opfers hebt seine Arglosigkeit erst dann auf, wenn es deshalb im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnet. Die Rechtsprechung hat daher auch bei Opfern, die aufgrund von bestehenden Konfliktsituationen oder früheren Bedrohungen dauerhaft Angst um ihr Leben haben, einen Wegfall der Arglosigkeit erst dann in Betracht gezogen, wenn für sie ein akuter Anlass für die Annahme bestand, dass der ständig befürchtete schwerwiegende Angriff auf ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit nun unmittelbar bevorsteht (BGH NStZ 2013, 337 m. w. Nachw.). Davon kann erst die Rede sein, sobald S. D. die Täter und ihre Tötungsabsicht in der Garage erkennt. Dann war es jedoch für ihn zu spät, zumal er keine Abwehrwaffe bei sich führte. Die auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit des Opfers eines Tötungsdelikts kann allerdings auch dann bestehen, wenn der Täter ihm zwar offen entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (BGH, NStZ 2006, 96). Ein derartiger Fall liegt hier vor.

2. Niedrige Beweggründe

Niedrige Beweggründe liegen vor, wenn die Motive der Tötung nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert sind und auf tiefster Stufe stehen. Bei der Bewertung sind die Umstände der Tat sowie die Lebensverhältnisse und die Persönlichkeit des Täters in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen (BGHSt 35, 116, 127; 47, 128, 130).

a) Bei einem Motivbündel ist maßgeblich, durch welches Motiv die Tat ihre wesentliche Kennzeichnung, ihr Gepräge erhält (BGH, NStZ 1993, 341). Vorliegend hat das Motiv, einen aufstrebenden Regimegegner und Agitator zu beseitigen, seinen Hintergrund in der Absicht, das jugoslawische und kroatische sozialistische Regime durch die Liquidierung gegnerischer Personen zu erhalten. Hiermit im Zusammenhang steht auch das Motiv, das in der Bedeutung des S. D. für den SDS/SDB zu sehen ist, da es hierbei letztlich um die Bekämpfung der „feindlichen Emigration“ und damit um die Funktionsfähigkeit des sozialistischen Regimes geht. Das Mordmotiv ist somit dadurch gekennzeichnet, dass S. D. als Regimegegner getötet werden sollte.

b) Damit handelte es sich letztlich um ein politisches Motiv. Ein politisches Motiv ist nicht allein deshalb als ein niedriger Beweggrund anzusehen. Vielmehr sind die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen.

aa) Die bisherige Rechtsprechung zu politischen Motiven erging vor allem mit Blick auf einen rassistischen Hintergrund der Taten (z. B. BGHSt 2, 250, 254: „aus politischer und rassischer Unduldsamkeit und Überhebung sowie zur Abschreckung politischer Gegner der NSDAP“). Ein solcher Hintergrund ist hier nicht vorhanden.

bb) Mitunter wird vertreten, dass bei einem Handeln in (tatsächlichem oder zumindest vertretbar vermeintlichem) Allgemeininteresse die Verwerflichkeit in der Regel zu verneinen sei (vgl. Schönke-Schröder unter Verweis auf OGH für die Britische Zone, OGHSt 1, 98), vor allem dann, wenn der Täter sogar zur Selbstaufopferung bereit ist. Diese Auffassung ist zu allgemein. Es ist nur schwer vorstellbar, dass außerhalb der Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe der §§ 32 ff. StGB ein tat sächliches Allgemeininteresse an der Tötung einer Person bestehen kann. Eine derartige Annahme wäre vielmehr ein Widerspruch in sich selbst: Die rechtswidrige und schuldhafte Tötung einer Person verletzt die Rechtsordnung des Rechtsstaates und verstößt bereits deshalb gegen das Allgemeininteresse. Umso weniger kann ein „vertretbar vermeintliches“ Allgemeininteresse ein Argument sein, einen niedrigen Beweggrund zu verneinen. Zudem kann eine derartige Beurteilung nicht einem System überlassen bleiben, das - wie bei kommunistischen Systemen üblich - einer wirksamen Rechtskontrolle nicht unterliegt.

cc) Einen Anhaltspunkt für die Beurteilung des vorliegenden Falles gibt vielmehr die Auffassung, dass niedrige Beweggründe dann vorliegen können, wenn dem Opfer das Lebensrecht allein wegen seiner Zugehörigkeit zu einer politischen, sozialen oder ethnischen Gruppe abgesprochen wird und es in entpersönlichter Weise quasi als Repräsentant einer Gruppe getötet werden soll (vgl. BGH, NStZ 2004, 89). Darüber hinaus sollen niedrige Beweggründe dann vorliegen, wenn die politische Überzeugung, der der Angeklagte diente, schlechthin die Verneinung von Menschenwert und Menschenwürde bei jedem politischen Gegner bedeutete und der politische Grund durch die selbstsüchtige Erwartung ergänzt wurde, die Tat werde ihm Anerkennung und Belohnung einbringen (OGH für die britische Zone, NJW 1950, 434).

c) Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die Tötung von S. D. als von niedrigen Beweggründen getragen anzusehen.

Die Angeklagten sahen in S. D. einen Staatsfeind Jugoslawiens, der aus politischen Gründen liquidiert werden musste. Sie wollten als Mitarbeiter des kroatischen Geheimdienstes dadurch das sozialistische jugoslawische und kroatische Regime erhalten, das sich nach dem Tod von Staatspräsident Tito am 4. Mai 1980 in einer schweren Krise befand. S. D., der sich öffentlich gegen die dieser Gesellschaftsordnung zugrunde liegende Ideologie des Selbstverwaltungssozialismus stellte, sollte zum Schweigen gebracht werden. Er hatte sich bislang nicht als Terrorist betätigt. Anhaltspunkte dafür, dass er im Rahmen der politischen Auseinandersetzung zu gewalttätigen Mitteln greifen würde, lagen damals nicht vor. Etwaige Befürchtungen wegen seiner Kontakte zur Gruppe um L. K. in Augsburg waren allenfalls vorgeschoben, hatten aber keinen realen Hintergrund und lassen eine Tötung nicht in besserem Licht erscheinen. Das maßgebliche Motiv, einen Regimekritiker, der vom Ausland aus eine Selbstständigkeit Kroatiens vertritt und gegen den sozialistischen Staat Jugoslawien agitiert, deshalb zu töten, steht auf niedrigster Stufe. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Angeklagten überzeugt waren, zum Besten ihres Staates zu handeln. Auffassungen, die mit den Vorstellungen eines Rechtsstaates nicht vereinbar sind, können nicht in Betracht genommen werden.

Hinzu kommt der Vertrauensbruch (vgl. hierzu: BGHSt 52, 96), den die Angeklagten mit Hilfe ihres Komplizen K. P. begangen haben. S. D. vertraute K. P. Er ging davon aus, in ihm, der sich als treuer und zuverlässiger Streiter für die kroatische Sache gerierte, einen loyalen Helfer bei seinen regimekritischen Buchveröffentlichungen zu haben. Dass dieser insgeheim im Zusammenwirken mit anderen plante, ihn zu töten, und hierfür einen Zweitschlüssel für die Garage an den kroatischen Geheimdienst aushändigte, lag außerhalb seiner Vorstellungswelt.

Insgesamt lässt das Motiv der Angeklagten eine eklatante Missachtung des Lebens und der Persönlichkeit eines anderen Menschen erkennen, die nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert ist (vgl. BGH, NStZ 2004, 89).

N. Strafzumessung

Der Straftatbestand des § 211 Abs. 1 StGB sieht lebenslange Freiheitsstrafe vor.

Eine Strafrahmenverschiebung kommt nicht in Betracht, da die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit bei den Angeklagten zum Tatzeitpunkt voll erhalten war.

Der Senat kam bei einer zusammenfassenden Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit nicht zu der Bewertung, dass die Schuld der Angeklagten besonders schwer wiegt im Sinne des § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB. Zur Überzeugung des Senats haben sich keine Anhaltspunkte für Umstände von besonderem Gewicht, die eine Würdigung der Schuld als besonders schwer in Betracht kommen ließen, ergeben.

O. Anrechnungsentscheidung

Die Anrechnung der in Kroatien erlittenen Auslieferungshaft erfolgt im Maßstab 1 zu 1, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass bei den kroatischen Angeklagten besondere Umstände vorliegen.

P. Kostenentscheidung

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 465, 472 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 in Verbindung mit § 471 Abs. 4 Satz 2 StPO.

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Oberlandesgericht München Urteil, 03. Aug. 2016 - 7 St 5/14 (2) zitiert 13 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 57a Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe


(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,2. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und3

Strafprozeßordnung - StPO | § 4 Verbindung und Trennung rechtshängiger Strafsachen


(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 3 Begriff des Zusammenhanges


Ein Zusammenhang ist vorhanden, wenn eine Person mehrerer Straftaten beschuldigt wird oder wenn bei einer Tat mehrere Personen als Täter, Teilnehmer oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beschuldigt werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 471 Kosten bei Privatklage


(1) In einem Verfahren auf erhobene Privatklage hat der Verurteilte auch die dem Privatkläger erwachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten. (2) Wird die Klage gegen den Beschuldigten zurückgewiesen oder wird dieser freigesprochen oder wird das V

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(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Ein Zusammenhang ist vorhanden, wenn eine Person mehrerer Straftaten beschuldigt wird oder wenn bei einer Tat mehrere Personen als Täter, Teilnehmer oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beschuldigt werden.

(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.

(2) Zuständig für den Beschluß ist das Gericht höherer Ordnung, wenn die übrigen Gerichte zu seinem Bezirk gehören. Fehlt ein solches Gericht, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 gilt entsprechend.

(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.

(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.

(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) In einem Verfahren auf erhobene Privatklage hat der Verurteilte auch die dem Privatkläger erwachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

(2) Wird die Klage gegen den Beschuldigten zurückgewiesen oder wird dieser freigesprochen oder wird das Verfahren eingestellt, so fallen dem Privatkläger die Kosten des Verfahrens sowie die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen zur Last.

(3) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Beteiligten angemessen verteilen oder nach pflichtgemäßem Ermessen einem der Beteiligten auferlegen, wenn

1.
es den Anträgen des Privatklägers nur zum Teil entsprochen hat;
2.
es das Verfahren nach § 383 Abs. 2390 Abs. 5) wegen Geringfügigkeit eingestellt hat;
3.
Widerklage erhoben worden ist.

(4) Mehrere Privatkläger haften als Gesamtschuldner. Das gleiche gilt hinsichtlich der Haftung mehrerer Beschuldigter für die dem Privatkläger erwachsenen notwendigen Auslagen.