Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juni 2016 - IX ZB 22/15

bei uns veröffentlicht am16.06.2016
vorgehend
Amtsgericht Unna, 16 C 598/13, 06.08.2014
Landgericht Dortmund, 11 S 122/14, 23.02.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 22/15
vom
16. Juni 2016
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:160616BIXZB22.15.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Pape und Dr. Schoppmeyer
am 16. Juni 2016
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 23. Februar 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.120,64 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Klägerin will erreichen, dass die Zwangsvollstreckung aus verschiedenen näher beschriebenen Titeln für unzulässig erklärt wird. In erster Instanz blieb ihre Klage erfolglos. Am letzten Tag der Berufungsfrist reichte ihr Pro- zessbevollmächtigter beim Berufungsgericht einen mit "Berufung gem. § 511 ff ZPO" überschriebenen Schriftsatz ein, in welchem es heißt: "In dem Rechtsstreit (…) legen wir gegen das Urteil (…) Berufung ein mit den Anträgen, 1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem in der Schlussverhandlung vom (…) klägerseits gestellten Antrag zu entscheiden. 2. Der Klägerin und Berufungsklägerin unter diesseitiger Beiordnung Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Eine Ablichtung des angefochtenen Urteils liegt bei. Das Rechtsmittel soll nur für den Fall bewilligter Prozesskostenhilfe durchgeführt werden. Das Urteil wird insgesamt angefochten …"
2
Der Schriftsatz enthielt zugleich eine Berufungsbegründung. Er wurde der Beklagten, die in erster Instanz nicht anwaltlich vertreten war, mit Postzustellungsurkunde unter dem Aktenzeichen 11 S 122/14 und dem weiteren Vermerk "bAbBer 08.09.2014" zugestellt. Etwa zwei Wochen später wies das Berufungsgericht die Parteien darauf hin, dass die Berufung nur für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingelegt worden sei, setzte der Beklagten eine Frist zur Stellungnahme zur "beabsichtigten Berufung" und wies die Klägerin auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung hin. Anträge auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den Titeln, die Gegenstand der Drittwiderklage waren, bezeichnete das Berufungsgericht in späteren Hinweisen und Entscheidungen als unzulässig, weil eine Berufung noch nicht eingelegt worden sei. Mit Beschluss vom 15. Dezember 2015 wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt. Dieser Beschluss ging dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin spätestens am 2. Januar 2015 zu. Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2015 bean- tragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin höchst vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist.
3
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit welcher sie die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses erreichen will.

II.


4
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO); denn der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), der es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Sie führt zur Aufhebung der Verwerfung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
5
1. Sind die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungs- oder Berufungsbegründungsschrift erfüllt, kann nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allenfalls dann von einer unzulässigen bedingten Berufung oder Berufungsbegründung ausgegangen werden, wenn dies den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit zu entnehmen ist (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2005 - XII ZB 33/05, BGHZ 165, 318, 320 f; vom 27. Mai 2009 - III ZB 30/09, FamRZ 2009, 1408 Rn. 7; ebenso BFHE 235, 151 Rn. 12).
6
2. Die Klägerin hat eine Berufungsschrift eingereicht, welche den Anforderungen des § 519 Abs. 2 ZPO genügt. Der Schriftsatz vom 8. September 2014 bezeichnet das angefochtene Urteil und enthält die unbedingte Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Der vom Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gerückte Satz, das Rechtsmittel solle nur für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durchgeführt werden, nimmt der zuvor unbedingt erklärten Berufungseinlegung - welche der angefochtene Beschluss nicht einmal erwähnt - nicht ihre Wirkung. Die Klägerin wollte mit ihm ersichtlich die Rücknahme der Berufung für den Fall einer ablehnenden Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe ankündigen. Damit sollte die Beklagte darauf hingewiesen werden, dass sie bis zur Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe keinen Anwalt zu bestellen brauchte. Anders als das Berufungsgericht meint, kommt es auf das spätere Verhalten der Klägerin und ihre Reaktion auf die gerichtlichen Hinweise nicht an. Hat eine Partei - wie im Streitfall - unbedingt und wirksam Berufung eingelegt, ändert ein späteres Prozessverhalten - mag es auch mit einem isoliert gestellten Prozesskostenhilfeantrag in Einklang zu bringen sein - nichts an der Wirksamkeit der vorherigen Prozesshandlung.
Kayser Vill Lohmann
Pape Schoppmeyer
Vorinstanzen:
AG Unna, Entscheidung vom 06.08.2014 - 16 C 598/13 -
LG Dortmund, Entscheidung vom 23.02.2015 - 11 S 122/14 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juni 2016 - IX ZB 22/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juni 2016 - IX ZB 22/15

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juni 2016 - IX ZB 22/15 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 511 Statthaftigkeit der Berufung


(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt. (2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn1.der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder2.das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zu

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juni 2016 - IX ZB 22/15 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juni 2016 - IX ZB 22/15 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2005 - XII ZB 33/05

bei uns veröffentlicht am 21.12.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 33/05 vom 21. Dezember 2005 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO §§ 114, 520 Abs. 3 Ein mit "Berufungsbegründung" überschriebener Schriftsatz genügt den Anforderungen des § 520 A

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Mai 2009 - III ZB 30/09

bei uns veröffentlicht am 27.05.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 30/09 vom 27. Mai 2009 in dem Rechtsstreit Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Mai 2009 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Hucke beschloss
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juni 2016 - IX ZB 22/15.

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Mai 2017 - VIII ZB 15/17

bei uns veröffentlicht am 30.05.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZB 15/17 vom 30. Mai 2017 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 520 Abs. 3 Erfüllt ein Schriftsatz, mit dem um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht wird, z

Referenzen

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 33/05
vom
21. Dezember 2005
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Ein mit "Berufungsbegründung" überschriebener Schriftsatz genügt den Anforderungen
dann, wenn darin "zunächst" Prozesskostenhilfe beantragt und der Berufungsantrag
mit den Worten "Nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe werde ich
beantragen, …" angekündigt wird.
Nr. 2
Zur Zulässigkeit und Begründetheit einer Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss
, mit dem das Berufungsgericht den (hilfsweise) gestellten Antrag auf
Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wegen
Anwaltsverschuldens zurückgewiesen und sich die Verwerfung der Berufung
vorbehalten hat, wenn diese Frist in Wirklichkeit nicht versäumt ist.
Zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde in einem solchen
Fall.
BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2005 - XII ZB 33/05 - OLG Düsseldorf
AG Mönchengladbach
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Dezember 2005 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Sprick, die Richterin
Weber-Monecke, den Richter Fuchs und die Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 5. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. November 2004 aufgehoben. Der Antrag der Beklagten, ihnen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung und der Wiedereinsetzung zu gewähren, ist gegenstandslos. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgesehen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG). Die Entscheidung über die übrigen Kosten der Rechtsbeschwerde bleibt der Endentscheidung des Berufungsgerichts vorbehalten. Beschwerdewert: 16.689 €

Gründe:

I.

1
Die Beklagten sind die Töchter des Klägers. Dieser war durch Versäumnisurteil des Amtsgerichts vom 22. November 1994 verurteilt worden, ihnen rückständigen und laufenden Unterhalt zu zahlen.
2
Der Vollstreckungsabwehrklage des Klägers, die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil wegen der für den Zeitraum vom 22. November 1994 bis 2. März 1997 titulierten Ansprüche in Höhe von 32.640 DM für unzulässig zu erklären, gab das Amtsgericht statt und wies die auf Zahlung weiteren Unterhalts gerichtete Widerklage der Beklagten ab.
3
Gegen dieses ihnen am 2. April 2004 zugestellte Urteil legten die Beklagten am 30. April 2004 Berufung ein. Am letzten Tag der auf ihren Antrag bis zum 1. Juli 2004 verlängerten Berufungsbegründungsfrist reichte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten einen mit "Berufungsbegründung" überschriebenen Schriftsatz ein, in dem es eingangs heißt: "stelle ich hiermit zunächst Prozesskostenhilfeantrag…" und sodann: "Nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe werde ich beantragen, das Urteil des Amtsgerichts … betreffend die ausgeurteilte Klageforderung aufzuheben und die Klage kostenpflichtig abzuweisen."
4
In dem folgenden, mit "Begründung" überschriebenen Abschnitt, der sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzt , heißt es auf Seite 7:
5
"Es ist daher wie diesseits beantragt zu entscheiden."
6
Mit Beschluss vom 24. September 2004, den Beklagten zugestellt am 6. Oktober 2004, bewilligte das Berufungsgericht die begehrte Prozesskostenhilfe.
7
Auf den Hinweis des Berufungsgerichts vom 10. November 2004, bislang liege weder ein Antrag auf Wiedereinsetzung noch eine - unbedingte - Berufungsbegründung nebst Berufungsantrag vor, beantragten die Beklagten vorsorglich , ihnen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung sowie der Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren.
8
Diesen Antrag wies das Gericht mit Beschluss vom 19. November 2004 zurück und behielt sich vor, die Berufung der Beklagten demnächst als unzulässig zu verwerfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

9
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO statthaft (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 155, 21, 22) und zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (vgl. BGHZ 151, 221, 227 f.). Sie ist auch begründet, weil das Berufungsgericht die Anforderungen an eine zulässige Berufungsbegründung überspannt hat.
10
1. Die Beklagten haben die Frist zur Begründung ihrer Berufung gewahrt, so dass sich die Frage der Wiedereinsetzung und auch der Wahrung der Wiedereinsetzungsfrist nicht stellt.
11
Der hier innerhalb verlängerter Begründungsfrist eingegangene, eingangs als "Berufungsbegründung" (und nicht etwa als Entwurf einer solchen) bezeichnete und von einem beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschriebene Schriftsatz genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO.
12
a) Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass nicht nur eine bedingt eingelegte Berufung unzulässig ist, sondern auch eine unbedingt eingelegte Berufung, wenn innerhalb der Begründungsfrist nur ein Schriftsatz eingeht, dem nicht mit hinreichender Klarheit zu entnehmen ist, ob er zur Begründung der Berufung bestimmt ist. Das ist auch dann der Fall, wenn von einer Bedingung abhängig gemacht wird, ob er als Berufungsbegründung gelten soll.
13
Wird ein Rechtsmittel oder seine Begründung zulässigerweise mit einem Antrag auf Prozesskostenhilfe verbunden, muss der Rechtsmittelführer zwar alles vermeiden, was den Eindruck erweckt, er wolle eine (künftige) Prozesshandlung nur ankündigen und sie von der Gewährung von Prozesskostenhilfe abhängig machen (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Juli 1986 - IVb ZB 55/86 - FamRZ 1986, 1987). Sind aber - wie hier - die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsbegründungsschrift erfüllt, kommt die Deutung, dass der Schriftsatz nicht als unbedingte Berufungsbegründung bestimmt war, nur in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Januar 1990 - XII ZB 134/89 - FamRZ 1990, 995 und vom 20. Juli 2005 - XII ZB 31/05 - FamRZ 2005, 1537). Mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen einer bedingten und damit unzulässigen Berufungsbegründung ist für die Annahme einer derartigen Bedingung eine ausdrückliche zweifelsfreie Erklärung erforderlich , die beispielsweise darin gesehen werden kann, dass der Schriftsatz als "Entwurf einer Berufungsbegründung" oder als "Begründung zunächst nur des Prozesskostenhilfegesuchs" bezeichnet wird, von einer "beabsichtigten Berufungsbegründung" die Rede ist oder angekündigt wird, dass die Berufung "nach Gewährung der Prozesskostenhilfe" begründet werde (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04 - FamRZ 2004, 1553, 1554 m.N.).
14
Demgegenüber ist dem hier zu beurteilenden Schriftsatz eine solche eindeutige , jeden vernünftigen Zweifel ausschließende Bedingung nicht zu entnehmen. Er ist im Gegenteil mit "Berufungsbegründung" überschrieben und enthält auch im Folgenden keine Einschränkung dahin, dass er entgegen dieser Überschrift nicht oder noch nicht oder nur unter einer bestimmten Bedingung als solche gelten solle. Die Wendung "Es ist daher wie diesseits beantragt zu entscheiden" bezieht sich ersichtlich nicht nur auf den gestellten Prozesskostenhilfeantrag , sondern lässt im Gegenteil erkennen, dass die Beklagten eine Entscheidung in der Sache erstreben und die prozessualen Voraussetzungen hierfür als erfüllt ansehen.
15
Zu einer gegenteiligen Auslegung des Schriftsatzes besteht auch schon deshalb kein Anlass, weil bei einer bereits eingelegten Berufung keine plausiblen Gründe ersichtlich sind, die den Prozessbevollmächtigten hätten bewegen können, einen den Anforderungen an eine Berufungsbegründung genügenden Schriftsatz nicht als solche einzureichen. Für die Frage, ob neben einem Antrag auf Prozesskostenhilfe zugleich auch schon das Rechtsmittel eingelegt werden soll oder nicht, mögen zwar regelmäßig Kostengesichtspunkte eine Rolle spielen. Ist das Rechtsmittel bereits eingelegt, erübrigen sich derartige Überlegungen regelmäßig. Im hier vorliegenden Fall würden Kostengesichtspunkte sogar - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - gegen dessen Auslegung sprechen. Denn bei Einlegung der Berufung der Beklagten entsprach der Streitwert deren erstinstanzlicher Beschwer (einschließlich der Abweisung ihrer Widerklage). Dabei wäre es bei der notwendigen Verwerfung der Berufung geblieben, wenn der hier zu beurteilende Schriftsatz nicht dazu bestimmt gewesen wäre, die Berufung zu begründen und den Umfang der Anfechtung zu kennzeichnen. Allein als Berufungsbegründung konnte dieser Schriftsatz demgegenüber infolge des eingeschränkten Berufungsantrages, mit dem die Abweisung der Widerklage hingenommen wurde, zu einem geringeren Streitwert und damit zu geringeren Kosten führen.
16
Jedenfalls ist vernünftigerweise nicht davon auszugehen, dass eine Partei Prozesskostenhilfe für eine bereits eingelegte Berufung begehrt, zugleich aber die mit der Versäumung einer Rechtsmittelbegründungsfrist verbundenen Nachteile in Kauf nehmen will. Vielmehr ist im Zweifel anzunehmen, dass ein inhaltlich den Anforderungen an eine Berufungsbegründung genügender Schriftsatz auch als Berufungsbegründung dienen soll, wenn eine solche erforderlich und nicht ein anderer Wille des Rechtsmittelführers erkennbar ist (vgl. zur Berufungsschrift Senatsbeschlüsse vom 19. Mai 2004 aaO S. 1554 und vom 20. Juli 2005 aaO).
17
b) Dem steht - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - insbesondere nicht entgegen, dass in diesem Schriftsatz "zunächst" Prozesskostenhilfe beantragt und der - eingeschränkte - Berufungsantrag mit den Worten "Nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe werde ich beantragen" eingeleitet wird.
18
aa) Selbst wenn darin mit dem Berufungsgericht ein bedingter Berufungsantrag zu sehen wäre, könnte zumindest in Zweifel gezogen werden, ob eine Berufungsbegründung allein wegen eines solchen Antrages nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügt. Denn diese Vorschrift regelt nur, auch soweit sie einen Berufungsantrag verlangt, die formellen Anforderungen an die Berufungsbegründungsschrift. Deshalb erscheint fraglich, ob dieser Antrag auch schon bei Ablauf der Berufungsbegründungsfrist einen in jeder Hinsicht zulässigen Inhalt haben muss. Ob eine Berufung mit einem von der Ge- währung von Prozesskostenhilfe abhängig gemachten Berufungsantrag auch dann zulässig ist, wenn diese Bedingung erst nach Ablauf der Frist eintritt oder fallen gelassen wird, ist daher nicht unumstritten (unzulässig: OLG Karlsruhe OLGR 1986, 197, 200; zulässig: Baumbach/Lauterbach/Albers ZPO 64. Aufl. § 520 Rdn. 18).
19
bb) Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, da der hier gestellte Berufungsantrag nicht unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe stand.
20
Die dem Wortlaut des Berufungsantrags vorausgestellte Wendung "werde ich beantragen, …" ist eine übliche, regelmäßig nicht beanstandete und nicht zu beanstandende Formulierung, mit der der Umfang des Berufungsbegehrens gekennzeichnet und zugleich angekündigt wird, welcher Antrag demnächst in der mündlichen Berufungsverhandlung verlesen werden soll. Auch für die Wendung "Nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe werde ich beantragen, …", gilt grundsätzlich nichts anderes, und zwar auch dann nicht, wenn - wie hier - im gleichen Schriftsatz "zunächst" Prozesskostenhilfe begehrt wird.
21
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dem nämlich nicht zu entnehmen, dass zunächst "nur" Prozesskostenhilfe begehrt werde und die Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils oder deren Umfang in der Schwebe gehalten werden solle. Vielmehr ist diese temporale Staffelung (zunächst / nach Bewilligung) mangels konkreter entgegenstehender Anhaltspunkte nicht im Sinne einer Bedingung zu verstehen, sondern als Ausdruck des legitimen Wunsches , über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe möge vorab entschieden werden, gegebenenfalls verbunden mit der - unschädlichen - Ankündigung, die weitere Durchführung des Rechtsmittels solle vom Umfang der Bewilligung abhängig gemacht werden (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Mai 2004 aaO S. 1554), oder der Anwalt beabsichtige, erst nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufzutreten und den Antrag zu verlesen.
22
Unerheblich ist jedenfalls, ob der hier zu beurteilende Schriftsatz etwa dahin auszulegen ist, dass lediglich die genaue Formulierung des Berufungsantrages (unter Berücksichtigung sich aus der Prozesskostenbewilligung gegebenenfalls ergebender Bedenken oder Anregungen) vorbehalten bleiben sollte, oder ob es zwar bei der Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils verbleiben solle, soweit dem Abänderungsbegehren des Klägers entsprochen wurde, die Beklagten sich aber vorbehalten, bei nur eingeschränkter Bewilligung der Prozesskostenhilfe den Berufungsantrag in der mündlichen Verhandlung nur noch im Umfang der Prozesskostenhilfebewilligung zu stellen. Beides stünde der Zulässigkeit der Berufung nämlich nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 1975 aaO S. 2014 unter 2 a).
23
2. Der Rechtsbeschwerde war der Erfolg auch nicht etwa deshalb zu versagen , weil die Entscheidung des Berufungsgerichts, Wiedereinsetzung nicht zu gewähren, als im Ergebnis richtig und nur in der Begründung falsch anzusehen wäre. Eine Wiedereinsetzung in eine nicht versäumte Frist sieht das Gesetz nicht vor und kann daher auch nicht gewährt werden.
24
Ein gleichwohl - auch hilfsweise - gestellter Wiedereinsetzungsantrag ist dann gegenstandslos (Senatsbeschluss vom 15. Februar 1995 - XII ZB 7/95 - NJW 1995, 2112, 2113).
25
Deswegen ist ein Beschluss, der einen solchen Antrag zurückweist, auch ohne zugleich das Rechtsmittel zu verwerfen, auf die Rechtsbeschwerde hiergegen zur Klarstellung aufzuheben. Denn das Berufungsgericht hätte diesen Antrag als gegenstandslos behandeln müssen, statt ihn wegen Anwaltsver- schuldens als unbegründet zurückzuweisen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Juli 2004 - XII ZB 50/04 - unveröffentlicht).
26
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Prozessbevollmächtigte einer Partei, der in erster Linie die Auffassung vertritt, die Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist gewahrt zu haben, aus anwaltlicher Vorsorge gezwungen ist, gegen einen derartigen Beschluss Rechtsbeschwerde einzulegen. Ihm ist nicht zuzumuten, die angekündigte gesonderte Verwerfung des Rechtsmittels abzuwarten und erst dagegen Rechtsmittel einzulegen, weil dieses dann nicht mehr hilfsweise auch auf Wiedereinsetzungsgründe gestützt werden kann (vgl. Zöller/Gummer/Heßler ZPO 25. Aufl. § 522 Rdn. 16 m.N.).
27
3. Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu erheben, weil sie bei richtiger Entscheidung des Berufungsgerichts nicht angefallen wären.
28
Die Entscheidung über die übrigen Kosten der Rechtsbeschwerde ist der Endentscheidung des Berufungsgerichts in der Hauptsache vorzubehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2000 - II ZB 20/99 - NJW 2000, 3284, 3286) und wird an deren Ergebnis auszurichten sein.
29
Diese Kosten unabhängig vom Erfolg in der Hauptsache den Beklagten aufzuerlegen wäre nicht gerechtfertigt. Denn ihre Rechtsbeschwerde hat Erfolg, und eine unmittelbare Anwendung des § 238 Abs. 4 ZPO, demzufolge die Kosten der Wiedereinsetzung dem Antragsteller zur Last fallen, kommt hier nicht in Betracht, da es einer Wiedereinsetzung nicht bedurfte. Auch eine entsprechende Anwendung ist nicht gerechtfertigt, da diese Vorschrift - wie auch § 344 ZPO - ihren Grund in der Säumnis der Partei hat, hier aber keine Frist versäumt wurde. Umgekehrt gilt dies auch zugunsten des Klägers. Denn er hat der beantragten Wiedereinsetzung nicht widersprochen und sich der Rechtsbeschwerde nicht widersetzt. Aus § 238 Abs. 4, 2. Halbs. ZPO ist die Wertung des Gesetzes ersichtlich, dass die Kosten einer Entscheidung über die Frage der Wiedereinsetzung nur dann (unabhängig vom Ausgang der Hauptsache) dem Gegner des Antragstellers aufzuerlegen sind, wenn und soweit er sie durch unbegründeten Widerspruch gegen die Wiedereinsetzung verursacht hat.
Hahne Sprick Weber-Monecke Fuchs Vézina

Vorinstanzen:
AG Mönchengladbach, Entscheidung vom 26.03.2004 - 30 F 156/03 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 19.11.2004 - II-5 UF 115/04 -
7
Zunächst a) geht das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass die mit einem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe verbundene Berufungseinlegung im Streitfall unbedingt und damit in zulässiger Weise erfolgt ist. Soweit es jedoch der Auffassung ist, eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung sei dem der Rechtsmittelschrift beigefügten weiteren Schriftsatz vom gleichen Tag nicht zu entnehmen, steht dies nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Zwar muss der Rechtsmittelführer bei grundsätzlich zulässiger Verbindung eines Rechtsmittels oder seiner Begründung mit einem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe alles vermeiden, was den Eindruck erwecken könnte, er wolle eine "künftige" Prozesshandlung lediglich ankündigen und sie von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig machen (vgl. BGHZ 165, 318, 320 f; BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04 - FamRZ 2004, 1553, 1554 und vom 9. Juli 1986 - IVb ZB 55/86 - FamRZ 1986, 1087). Sind aber die gesetzlichen Vorausset- zungen an eine Berufungsschrift oder - wie hier - Berufungsbegründung erfüllt, kommt die Annahme, ein entsprechender Schriftsatz sei nicht als unbedingte Berufungsbegründung bestimmt, allenfalls dann in Betracht, wenn dies den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit zu entnehmen ist (vgl. BGHZ aaO; BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2008 - XII ZB 185/08 - NJW-RR 2009, 433, 434, Rn. 9 m.w.N.). Da im Allgemeinen keine Partei die mit einer Fristversäumung verbundenen Nachteile in Kauf nehmen will, ist deshalb im Zweifel anzunehmen, dass ein inhaltlich den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügender, von einem beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichneter Schriftsatz schon als formelle Berufungsbegründung dienen soll, sofern nicht ein entgegenstehender Wille des Rechtsmittelführers deutlich erkennbar wird (vgl. BGHZ aaO; BGH, Beschlüsse vom 5. März 2008 - XII ZB 182/04 - NJW 2008, 1740, 1741, Rn. 12, vom 19. Mai 2004, aaO und vom 16. August 2000 - XII ZB 65/2000 - NJW-RR 2001, 789). Mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen einer bedingten und damit unzulässigen Berufungseinlegung bzw. Berufungsbegründung ist für die Annahme einer derartigen Bedingung eine ausdrückliche und zweifelsfreie Erklärung erforderlich, die z.B. darin gesehen werden kann, dass der entsprechende Schriftsatz selbst ausdrücklich als "Entwurf einer Berufungsbegründung“ bezeichnet wird (vgl. BGHZ, aaO).

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.