Bundesgerichtshof Beschluss, 09. März 2017 - IX ZB 1/16
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, die Richter Prof. Dr. Pape, Dr. Schoppmeyer und Meyberg
am 9. März 2017
beschlossen:
Gegenstandswert: 4.513,31 €.
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht hat den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen zur Rückzahlung von Anwaltshonorar in Höhe von 4.513,31 € nebst Zinsen und außergerichtlichen Kosten verurteilt. Die gegen dieses Urteil fristgerecht eingelegte Berufung hat der Beklagte nicht innerhalb der bis zum 10. September 2015 verlängerten Frist begründet, die Berufungsbegründungschrift ist erst am Folgetag bei Gericht eingegangen. Auf den ihm am 17. September 2015 zugestellten gerichtlichen Hinweis hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 29. September 2015, der beim Berufungsgericht am selben Tag per Telefax eingegangen ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
- 2
- Zur Begründung seines Antrages hat er ausgeführt, dass die von seinem Prozessbevollmächtigten angewiesene Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift per Telefax am 10. September 2015 aufgrund eines Kanzleiversehens unterblieben sei. Gemäß einer allgemeinen Anweisung würden dem zuständigen Rechtsanwalt die ausgearbeiteten Schriftsätze spätestens am Tag des Fristablaufs persönlich zur Unterschrift vorgelegt. Nach deren Unterzeichnung erteile dieser einer ausgebildeten Rechtsanwaltsfachangestellten jeweils die mündliche Weisung, den Schriftsatz fristwahrend vorab per Telefax zu übermitteln und dabei auch zu überprüfen und zu kontrollieren, dass die Übermittlung ordnungsgemäß und vollständig an den richtigen Empfänger erfolgt sei. Dieser Auftrag sei unverzüglich und persönlich auszuführen. Nach ordnungsgemäßer Erledigung habe die Mitarbeiterin dem anweisenden Rechtsanwalt eine mündliche Rückmeldung zu erteilen. Erst danach werde von dem verantwortlichen Rechtsanwalt die Weisung erteilt, dass die Ablauffrist im Fristenkalender gestrichen werde. Die Angestellten würden sorgfältig überwacht und regelmäßig kontrolliert. Hierbei seien bislang keinerlei Unregelmäßigkeiten bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax festgestellt worden.
- 3
- Im konkreten Fall habe sein Prozessbevollmächtigter die Rechtsanwaltsfachangestellte W. , eine in der Kanzlei seit mehreren Jahren beschäftigte, zuverlässige Mitarbeiterin, am Nachmittag des 10. September 2015 unter Hinweis auf den bevorstehenden Fristablauf mündlich angewiesen, den Schriftsatz vorab per Telefax an das Berufungsgericht zu übersenden. Die Mitarbeiterin habe den Auftrag angenommen und dem Anwalt auf dessen Nachfrage eine Stunde später dessen Ausführung mitgeteilt. Daraufhin habe er die Weisung zur Löschung der Frist im Fristkalender erteilt.
- 4
- Die Rechtsanwaltsfachangestellte W. hat in der vom Beklagten in Bezug genommenen eidesstattlichen Versicherung erklärt, sie sei allgemein angewiesen, die ordnungsgemäße Übermittlung von Telefax-Schreiben anhand des jeweiligen Sendeberichts auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Vorliegend habe sie das Datum und das Ende des Übertragungsvorgangs sowie die vollständige Anzahl der Seiten und die richtige Telefaxnummer des Oberlandesgerichts überprüft und dies durch Abhaken auf dem Sendebericht vermerkt. Aufgrund einer aktuellen Stresssituation habe sie dabei übersehen, dass der Sendebericht an Stelle eines "ok-Vermerks" den Text "BES" enthalten habe. Der vom Beklagten in Kopie vorgelegte Sendebericht enthielt neben dem Vermerk "KOMM. BES" die weiteren Angaben "START=10-SEP 15:25"; "ENDE=10-SEP 15:36", "SEITEN 000/008", "DAUER 00:00:00".
- 5
- Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.
II.
- 6
- Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
- 7
- 1. Das Berufungsgericht hat es für nicht ausgeschlossen erachtet, dass die Fristversäumung auf einem dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzu- rechnenden anwaltlichen Organisationsmangel in der Ausgangskontrolle der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten beruhe. Es sei nicht vorgetragen, dass im Büro seines Prozessbevollmächtigten eine Ausgangskontrolle eingerichtet gewesen sei, die einen gestuften Schutz gegen Fristversäumungen bei der Versendung von Schreiben per Telefax biete. Die vom Beklagten geschilderte Handhabung, die eine Löschung einer Frist nach Vorgabe des verantwortlichen Rechtsanwalts allein auf der Grundlage einer Versicherung der die fristwahrenden Handlung ausführenden Bürokraft vorsehe, stelle keinen ausreichenden Ersatz für eine nochmalige, selbständige, der Ausführung der fristwahrenden Handlung nachgelagerte und abschließende allabendliche Kontrolle der Erledigung fristgebundener Sachen durch eine hierzu beauftragte Bürokraft dar. Bei der gebotenen Durchsicht des Sendeprotokolls am Ende des Arbeitstages wäre aufgefallen, dass eine Übermittlung der Berufungsbegründung an das Berufungsgericht tatsächlich nicht erfolgt war.
- 8
- 2. Diese Begründung überspannt die Anforderungen an die allabendliche Ausgangskontrolle, allerdings ohne dass sich der Fehler auf das Ergebnis der Entscheidung auswirkt.
- 9
- a) Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss er nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmitteleinlegungs- und Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden, sondern er hat auch eine Ausgangskontrolle einzurichten , durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich hinausgehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. Februar 2015 - III ZB 55/14, NJW 2015, 2041 Rn. 8; vom 6. April 2016 - VII ZB 7/15, NJW-RR 2016, 1262 Rn. 9 mwN). Bei einer Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zu einer Ausgangskontrolle dann, wenn er seine Angestellten anweist, anhand des Sendeberichts und gegebenenfalls des Inhalts der Akte zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist; erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 11; vom 16. Februar 2012 - IX ZB 110/11, n.v., Rn. 4; vom 3. Dezember 2015 - V ZB 72/15, NJW 2016, 874 Rn. 12). Außerdem gehört zu einer Ausgangskontrolle eine Anordnung des Rechtsanwalts, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Ende eines jeden Arbeitstags anhand des Fristenkalenders von einer damit beauftragten Bürokraft nochmals selbständig überprüft wird (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 - VI ZB 42/13, NJW-RR 2015, 442 Rn. 8; vom 15. Dezember 2015 - VI ZB 15/15, NJW 2016, 873 Rn. 8; vom 25. Februar 2016 - III ZB 42/15, NJW 2016, 1742 Rn. 10; jeweils mwN).
- 10
- Wenn eine allgemeine Kanzleianweisung zur Überprüfung eines per Telefax übermittelten Schriftstücks anhand des Sendeprotokolls fehlt, muss die Prüfung der Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend auch eine inhaltliche Prüfung des Sendeprotokolls umfassen (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2016 - II ZB 9/15, NJW 2016, 1664 Rn. 18). Besteht indes eine solche allgemeine Kanzleianweisung, muss sich die von einem Rechtsanwalt anzuordnende Ausgangskontrolle am Ende eines jeden Arbeitstags im Falle der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax nicht auf die erneute inhaltliche Überprüfung des Sendeberichts erstrecken (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2016 aaO; vom 10. August 2016 - VII ZB 17/16, NJW-RR 2016, 1403 Rn. 18). Zu der von einem Rechtsanwalt anzuordnenden Ausgangskontrolle am Ende eines jeden Arbeitstags gehört es dann, dass die damit beauftragte Büro- kraft überprüft, ob bei Telefaxübermittlung überhaupt ein Sendebericht vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2012 - V ZB 45/11 Rn. 12).
- 11
- b) Gemessen hieran lässt sich das schuldhafte Unterlassen einer Ausgangskontrolle am Ende eines jeden Arbeitstags als Ursache für die Fristversäumung des Beklagten nicht ausschließen. Zwar konnte der Beschwerdeführer glaubhaft machen, dass ein Sendebericht vorlag, dieser genügt unter den Umständen des Streitfalles jedoch nicht, die unterlassene Ausgangskontrolle als Ursache auszuschließen. Das vorgelegte Übermittlungsprotokoll (Anlage A1) ist übersichtlich. Als Sendestatus ist nicht "OK" (für eine erfolgreiche Sendungsübermittlung ), sondern "BES" (für besetzt), als übertragene Seitenzahl "000/008" und als Dauer der Sendung "00:00:00" eingetragen. Der Sendestatus ist im Gegensatz zu anderen Angaben auf dem Sendeprotokoll nicht mit einem Kennzeichen versehen, dass dieser bereits überprüft worden war. Danach ist nicht auszuschließen, dass bei der am Ende des Arbeitstags am 10. September 2015 gebotenen Prüfung, ob bei Telefaxübermittlung überhaupt ein Sendebericht vorliegt, durch einen Blick auf den konkreten Übermittlungsbericht aufgefallen wäre, dass das Telefax noch nicht versandt worden war. Dann wäre nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei ansonsten pflichtgemäßem Verhalten der eingesetzten Bürokraft die Berufungsfrist nicht versäumt worden.
III.
- 12
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Schoppmeyer Meyberg
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 21.05.2015 - 6 O 8801/14 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 08.12.2015 - 14 U 1090/15 -
ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. März 2017 - IX ZB 1/16
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. März 2017 - IX ZB 1/16
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenBundesgerichtshof Beschluss, 09. März 2017 - IX ZB 1/16 zitiert oder wird zitiert von 14 Urteil(en).
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
Tenor
-
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 29. Januar 2016 wird zurückgewiesen.
-
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
-
Gegenstandswert: 34.366,46 €
Gründe
-
I.
- 1
-
Der Kläger nimmt die Beklagte unter anderem auf Schadensersatz wegen mangelhafter Bauleistungen in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage teilweise abgewiesen. Gegen das am 13. Oktober 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13. November 2015, der am 17. November 2015 bei dem Berufungsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt.
- 2
-
Nach telefonischem Hinweis des Vorsitzenden des Berufungsgerichts vom 18. November 2015, dass die Berufung mit Verspätung eingegangen sein dürfte, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25. November 2015, am selben Tag per Telefax beim Berufungsgericht eingegangen, beantragt, ihm gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
- 3
-
Zur Begründung hat der Kläger unter Vorlage zweier eidesstattlicher Versicherungen seiner Prozessbevollmächtigten, einer eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten F. sowie beglaubigter auszugsweiser Kopien des Fristenkalenders und des Postausgangsbuchs im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Kanzlei der Prozessbevollmächtigten sei so organisiert, dass jedem der Partner eine langjährig tätige Rechtsanwaltsfachangestellte zugeordnet sei. Dem diesen Rechtsstreit bearbeitenden Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt F., der auch die Berufungsschrift unterschrieben habe, sei die langjährig tätige, äußerst erfahrene und zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte F. seit über sieben Jahren zugeordnet.
- 4
-
Es bestehe seit Jahren die generelle Kanzleianordnung, dass grundsätzlich sämtliche fristwahrenden Schriftsätze, ob am Tag des Ablaufs der Frist oder davor, vorab per Fax an das entsprechende Gericht zu senden und im Fristenbuch notierte Fristen erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu streichen seien. Für den Fall einer urlaubs- oder krankheitsbedingten Abwesenheit einer Bürokraft existierten klare Vertretungsregelungen. Zudem werde das Fristenbuch vor Ende eines jeden Arbeitstags von der Büroleiterin bzw. ihrer Vertretung daraufhin geprüft, ob alle Fristen des Tages als erledigt gelöscht seien.
- 5
-
Die vom 13. November 2015 datierende Berufungsschrift sei von der Rechtsanwaltsfachangestellten F. am 11. November 2015 im Entwurf gefertigt und von dem Rechtsanwalt F. am späten Nachmittag des 12. November 2015 zur Ausfertigung für den 13. November 2015 verfügt und persönlich auf ihren Arbeitsplatz gelegt worden. Die Ausfertigung sei Herrn Rechtsanwalt F. am Vormittag des 13. November 2015 zur Unterschrift mit entsprechenden Abschriften vorgelegt, von diesem persönlich unterschrieben und sodann Frau F. um ca. 12.00 Uhr persönlich zur Absendung übergeben worden.
- 6
-
Frau F. habe sodann die Berufungsschrift sowie noch weitere Schriftsätze zur Faxversendung zum seit Jahren von ihr genutzten kombinierten Großkopierer mit Fax-Funktion mitgenommen und die entsprechenden Versendungen vorgenommen. Es habe sie sodann ein dringender Telefonanruf eines Mandanten erreicht, welchen sie angenommen habe. In dieser Zeit seien die Faxempfangsberichte der abgesandten Schreiben eingegangen. Diese habe sie angenommen und kontrolliert. Sie sei der festen Überzeugung gewesen, dass auch der Sendebericht über die ordnungsgemäße Versendung der Berufungsschrift dabei gewesen sei. Sie habe daraufhin die bestehenden Fristen im Fristenbuch gelöscht und die Postausgänge im Postbuch eingetragen. Daher sei bei der Kontrolle des Fristenbuchs am Ende des Arbeitstags keine Auffälligkeit festzustellen gewesen. Da sie überzeugt gewesen sei, dass alle Sendeberichte der Schriftsätze des Tages mit einem "Ok-Vermerk" versehen gewesen seien, habe sie die Abheftung der Sendeberichte zu den einzelnen Akten für den kommenden Arbeitstag zurückgestellt.
- 7
-
Für Frau F. sei es nicht mehr aufklärbar, ob sie den Schriftsatz tatsächlich gefaxt habe oder ob ein Übermittlungsfehler vorgelegen habe. Sie sei überzeugt gewesen, die Berufungsschrift per Fax abgesandt zu haben. Frau F. sei äußerst zuverlässig, ein Wiedereinsetzungsantrag sei noch niemals notwendig gewesen.
- 8
-
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen und dessen Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger müsse sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, die unzureichend organisierte Ausgangskontrolle bei Telefaxübermittlungen, zurechnen lassen. Dem Rechtsanwalt obliege es, für einen mangelfreien Zustand der ausgehenden Schriftsätze zu sorgen. Der Rechtsanwalt sei zwar nicht gehalten, die Versendung des Telefaxes persönlich zu kontrollieren. Er könne derartige Hilfstätigkeiten dem geschulten Kanzleipersonal übertragen. Jedoch sei er verpflichtet, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze gewährleiste. Dabei sei der für die Kontrolle zuständige Angestellte insbesondere anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akten vergewissert habe, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen sei. Der Kläger habe weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass eine derart umfassende Anordnung zur Ausgangskontrolle in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten existiere.
- 9
-
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
-
II.
- 10
-
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
- 11
-
1. Die Begründung im angefochtenen Beschluss enthält überzogene Anforderungen hinsichtlich der vom Rechtsanwalt zu treffenden organisatorischen Vorkehrungen bei Streichung einer Frist im Fristenkalender nach Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax. Dies führt zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde, auch wenn sich - wie hier - der Fehler nicht auf das Ergebnis der Entscheidung ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juni 2016 - III ZB 2/16 Rn. 7; Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368, juris Rn. 8).
- 12
-
a) Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO).
- 13
-
b) Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss er nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmitteleinlegungs- und Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden, sondern er hat auch eine Ausgangskontrolle einzurichten, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schrift-sätze auch tatsächlich hinausgehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. Februar 2015 - III ZB 55/14, NJW 2015, 2041 Rn. 8; Beschluss vom 6. April 2016 - VII ZB 7/15 Rn. 9 m.w.N.). Bei einer Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zu einer Ausgangskontrolle dann, wenn er seine Angestellten anweist, anhand des Sendeberichts und gegebenenfalls des Inhalts der Akte zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist; erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 11; Beschluss vom 16. Februar 2012 - IX ZB 110/11 Rn. 4; Beschluss vom 3. Dezember 2015 - V ZB 72/15, NJW 2016, 874 Rn. 12). Außerdem gehört zu einer Ausgangskontrolle eine Anordnung des Rechtsanwalts, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Ende eines jeden Arbeitstags anhand des Fristenkalenders von einer damit beauftragten Bürokraft nochmals selbständig überprüft wird (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 - VI ZB 42/13, NJW-RR 2015, 442 Rn. 8; Beschluss vom 15. Dezember 2015 - VI ZB 15/15, NJW 2016, 873 Rn. 8; Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 42/15, NJW 2016, 1742 Rn. 10; jeweils m.w.N.).
- 14
-
c) Nach diesen Grundsätzen enthält der angefochtene Beschluss überzogene Anforderungen hinsichtlich der vom Rechtsanwalt zu treffenden organisatorischen Vorkehrungen bei Streichung einer Frist im Fristenkalender nach Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax. Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Klägers besteht in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten die generelle Kanzleianordnung, dass grundsätzlich sämtliche fristwahrenden Schriftsätze vorab per Fax an das entsprechende Gericht zu senden und dass im Fristenbuch notierte Fristen erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu streichen sind. Einer weitergehenden Anordnung des Rechtsanwalts, dass sich die Angestellten bei Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax vor Streichung der Frist im Fristenkalender über die Überprüfung des Sendeberichts und einen Abgleich mit diesem hinaus anhand der Sachakten zu vergewissern haben, dass nichts mehr zu veranlassen ist, bedarf es in diesem Zusammenhang nicht.
- 15
-
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt (§ 233 ZPO) und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO).
- 16
-
a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung vom Prozessbevollmächtigten der Partei verschuldet war (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2012 - VII ZB 25/12, NJW 2012, 3516 Rn. 9; Beschluss vom 6. April 2011 - XII ZB 701/10, NJW 2011, 1972 Rn. 8 m.w.N.). So liegt der Fall hier.
- 17
-
b) Wie bereits erörtert, gehört zu einer Ausgangskontrolle eine Anordnung des Rechtsanwalts, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Ende eines jeden Arbeitstags anhand des Fristenkalenders von einer damit beauftragten Bürokraft nochmals selbständig überprüft wird (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 - VI ZB 42/13, NJW-RR 2015, 442 Rn. 8; Beschluss vom 15. Dezember 2015 - VI ZB 15/15, NJW 2016, 873 Rn. 8; Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 42/15, NJW 2016, 1742 Rn. 10; Beschluss vom 6. April 2016 - VII ZB 7/15 Rn. 9; jeweils m.w.N.). Diese Überprüfung dient auch dazu festzustellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht. Deshalb ist dabei, gegebenenfalls anhand der Akten, auch zu prüfen, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, NJW 2015, 253 Rn. 10; Beschluss vom 15. Dezember 2015 - VI ZB 15/15, NJW 2016, 873 Rn. 8; Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 42/15, NJW 2016, 1742 Rn. 10; jeweils m.w.N.).
- 18
-
Allerdings muss sich die von einem Rechtsanwalt anzuordnende Ausgangskontrolle am Ende eines jeden Arbeitstags im Falle der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax nicht auf die erneute inhaltliche Überprüfung des Sendeberichts erstrecken (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2016 - II ZB 9/15, NJW 2016, 1664 Rn. 16, 18). Hingegen gehört zu der von einem Rechtsanwalt anzuordnenden Ausgangskontrolle am Ende eines jeden Arbeitstags, dass die damit beauftragte Bürokraft überprüft, ob bei Telefaxübermittlung überhaupt ein Sendebericht vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2012 - V ZB 45/11 Rn. 12).
- 19
-
c) Nach diesen Maßstäben hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen bezüglich der Ausgangskontrolle bei der Übermittlung von Schriftsätzen per Telefax getroffen worden sind. Zwar wird das Fristenbuch vor Ende eines jeden Arbeitstags, wie der Kläger ebenfalls dargelegt und glaubhaft gemacht hat, von der Büroleiterin bzw. ihrer Vertretung daraufhin geprüft, ob alle Fristen des Tages als endgültig gelöscht sind. Der Kläger hat indes nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sich die Anordnung hinsichtlich der Ausgangskontrolle am Ende eines jeden Arbeitstags darauf erstreckt, dass die damit beauftragte Bürokraft überprüft, ob bei Telefaxübermittlung überhaupt ein Sendebericht vorliegt.
- 20
-
d) Das schuldhafte Unterlassen der vorstehend genannten Anordnung zur Ausgangskontrolle am Ende eines jeden Arbeitstags lässt sich als Ursache für die Fristversäumung nicht ausschließen. Der Kläger hat einen Sendebericht nicht vorgelegt. Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Klägers ist für die Rechtsanwaltsfachangestellte F. nicht mehr aufklärbar, ob sie den Schriftsatz tatsächlich gefaxt hat oder ob ein Übermittlungsfehler vorlag. Danach ist nicht auszuschließen, dass am Ende des Arbeitstags am 13. November 2015 ein Sendebericht nicht existierte. Hätte die mit der Kontrolle am Ende des Arbeitstags beauftragte Bürokraft überprüft, ob überhaupt ein Sendebericht vorlag, hätte ihr das Fehlen eines Sendeberichts auffallen müssen; dann wäre nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei ansonsten pflichtgemäßem Verhalten dieser Bürokraft die Berufungsfrist nicht versäumt worden.
-
III.
- 21
-
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
-
Eick Kartzke Graßnack
-
Sacher Borris
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)