Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2018 - IV ZR 196/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:210318BIVZR196.17.0
bei uns veröffentlicht am21.03.2018
vorgehend
Landgericht Hamburg, 309 O 278/09, 21.01.2010
Hanseatisches Oberlandesgericht, 2 U 8/10, 15.06.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 196/17
vom
21. März 2018
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2018:210318BIVZR196.17.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann, die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann
am 21. März 2018

beschlossen:
Der Bundesgerichtshof erklärt sich für unzuständig und verweist den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag des Restitutionsklägers an das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg.

Gründe:


1
I. Der im Jahr 1940 nichtehelich geborene Restitutionskläger (im Folgenden: Kläger) erstrebt die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens (im Folgenden: Ausgangsverfahren). In diesem machte er im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Restitutionsbeklagte (im Folgenden: Beklagte ) aus dem Erbfall nach dem am 26. Juni 2006 verstorbenen Erblasser geltend. Der Erblasser war im Jahr 1949 verurteilt worden, gemäß § 1708 BGB in der damals geltenden Fassung Unterhalt an den Kläger zu zahlen. Die Beklagte, eine eheliche Tochter des Erblassers, ist dessen testamentarische Alleinerbin.
2
Im Ausgangsverfahren blieb die Klage erfolglos. Die Revision des Klägers gegen das die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts bestätigende Urteil des Berufungsgerichts wies der Senat mit Urteil vom 26. Oktober 2011 zurück (IV ZR 150/10, BGHZ 191, 229). Dem Kläger stehe als nichtehelichem, vor dem 1. Juli 1949 geborenem Kind gemäß Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (BGBl. I 1243; im Folgenden: NEhelG a.F.) i.V.m. § 1589 Abs. 2 BGB in der bis zum 30. Juni 1970 geltenden Fassung kein Pflichtteil am Nachlass des Erblassers zu; die Aufhebung von Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 12. April 2011 (BGBl. I 615; im Folgenden: ZwErbGleichG) sei gemäß Art. 5 Satz 2 ZwErbGleichG nur mit Wirkung zum 29. Mai 2009 erfolgt. Hiergegen legte der Kläger Verfassungsbeschwerde ein. Diese wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG ZEV 2013, 326).
3
Auf die Individualbeschwerde des Klägers gegen die Bundesrepublik Deutschland stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) durch Urteil vom 23. März 2017 (ZEV 2017, 507) fest, dass das Ergebnis der Rechtsanwendung im Ausgangsverfahren dessen Rechte aus Art. 14 (Diskriminierungsverbot) der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) i.V.m. Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK (Schutz des Eigentums) verletze. Das Urteil wurde gemäß Art. 44 Abs. 2 EMRK mit Ablauf des 23. Juni 2017 endgültig. Im Anschluss hieran schlossen der Kläger und die Bundesrepublik Deutschland eine Vereinbarung, nach der sich diese verpflichtete, an den Kläger als Ausgleich für sämtliche Ansprüche im Zusammenhang mit der Individualbeschwerde einen Gesamtbetrag von 83.721,20 € zu zahlen.
4
Der Kläger hat am 20. Juli 2017 Restitutionsklage beim Bundesgerichtshof erhoben. Er meint, das Ausgangsverfahren sei gemäß §§ 578 Abs. 1, 580 Nr. 8 ZPO wieder aufzunehmen. Er beantragt, das rechtskräftige Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Oktober 2011 (IV ZR 150/10) und das Berufungsurteil aufzuheben sowie im Wege der Stufenklage über seinen Pflichtteilsanspruch zu entscheiden. Die Beklagte beantragt , die Restitutionsklage zurückzuweisen.
5
II. Der Bundesgerichtshof ist für die Restitutionsklage nicht zuständig. Auf den - jedenfalls schlüssig gestellten - Hilfsantrag des Klägers ist sie an das im Ausgangsverfahren zuständige Berufungsgericht zu verweisen.
6
1. Die Zuständigkeit für eine Restitutionsklage gegen ein Urteil richtet sich nach § 584 Abs. 1 ZPO. Für die Klagen ist ausschließlich zuständig das Gericht, das im ersten Rechtszug erkannt hat (§ 584 Abs. 1 Halbsatz 1 ZPO). Wenn das angefochtene Urteil oder auch nur eines von mehreren angefochtenen Urteilen von dem Berufungsgericht erlassen wurde oder wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil aufgrund des § 580 Nr. 1 bis 3, 6, 7 ZPO angefochten wird, ist das Berufungsgericht zuständig (§ 584 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO). Wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil aufgrund der §§ 579, 580 Nr. 4, 5 ZPO angefochten wird, besteht eine Zuständigkeit des Revisionsgerichts (§ 584 Abs. 1 Halbsatz 3 ZPO).
7
Das Gesetz enthält demgegenüber keine Regelung zu der Frage, welches Gericht für eine Restitutionsklage, die ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil betrifft, in den Fällen des § 580 Nr. 8 ZPO zuständig ist. Das beruht auf einem Versehen des Gesetzgebers (Jacobs in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 584 Rn. 2). § 580 Nr. 8 ZPO ist erst nachträglich durch Art. 10 Nr. 6 des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I 3416) in die Zivilprozessordnung aufgenommen worden. Dass sich die Zuständigkeit für eine auf den neuen Restitutionsgrund gestützte und sich gegen ein Revisionsurteil richtende Restitutionsklage nicht aus § 584 Abs. 1 ZPO ergibt, ist dabei nicht bedacht worden (vgl. BT-Drucks. 16/3038 S. 25, 38 ff.).
8
Wie diese Regelungslücke zu schließen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Nur vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass in den Fällen des § 580 Nr. 8 ZPO ausnahmslos eine Zuständigkeit des Revisionsgerichts gegeben ist (Büscher in Wieczorek/Schütze, ZPO 4. Aufl. § 584 Rn. 17). Andere halten das Revisionsgericht nur für zuständig, wenn es eigene tatsächliche Feststellungen getroffen hat. Ansonsten soll das Berufungsgericht zuständig sein (so Meller-Hannich in Prütting/Gehrlein, ZPO 9. Aufl. § 584 Rn. 7; ferner Greger in Zöller, ZPO 32. Aufl. § 584 Rn. 9; vgl. auch BGH, Urteil vom 6. Dezember 1973 - IX ZR 154/72, BGHZ 62, 18 juris Rn. 7, wonach die beim Revisionsgericht zu erhebende Restitutionsklage gemäß § 580 Nr. 7 b ZPO ausnahmsweise stattfindet , wenn damit tatsächliche Feststellungen des Revisionsgerichts angegriffen werden). Mangels eigener tatsächlicher Feststellungen des Senats in dem Urteil vom 26. Oktober 2011 (IV ZR 150/10, BGHZ 191, 229) wäre hiernach eine Zuständigkeit des Berufungsgerichts gegeben. Wieder andere differenzieren im Rahmen von § 580 Nr. 8 ZPO danach, aus welchem Verfahren die Mängel herrühren, die geltend gemacht wurden (so Jacobs in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 584 Rn. 5). Da es hier nicht um Verfahrensmängel im Sinne von § 580 Nr. 4 oder Nr. 5 ZPO geht, wäre eine Zuständigkeit des Berufungsgerichts gegeben. Schließlich unterscheiden andere - ohne hierbei gesondert auf § 580 Nr. 8 ZPO einzugehen - danach, ob nur das Revisionsverfahren von dem gerügten Mangel betroffen ist. In diesem Fall soll die Klage ungeachtet des geltend gemachten Grundes beim Revisionsgericht zu erheben sein. Sei dagegen ebenfalls das Berufungsverfahren betroffen, so sei in allen Fällen das Berufungsgericht zuständig (so MünchKomm-ZPO/Braun, 5. Aufl. § 584 Rn. 1, 6 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Juni 1973 - I ZR 25/72, BGHZ 61, 95 juris Rn. 8-10; einschränkend BGH, Urteil vom 4. Juli 1980 - V ZR 37/78, WM 1980, 1350 juris Rn. 4-6; Musielak in Musielak /Voith, ZPO 14. Aufl. § 584 Rn. 8). Da hier die Frage der Erbenstellung des Klägers sowohl das Berufungs- als auch das Revisionsurteil betrifft , wäre das Berufungsgericht zuständig.
9
Jedenfalls in dem hier zu beurteilenden Fall kommt eine Zuständigkeit des Revisionsgerichts nicht in Betracht. Auch wenn § 584 Abs. 1 ZPO den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 8 ZPO nicht ausdrücklich nennt, liegt der Vorschrift die Grundstruktur eines Regel-AusnahmeVerhältnisses zugrunde. Grundsätzlich zuständig für die Restitutionsklage ist das Gericht des ersten Rechtszuges. Lediglich für den Fall, dass das angefochtene Urteil oder eines der angefochtenen Urteile von dem Berufungsgericht erlassen wurde oder ein in der Revisionsinstanz vom Revisionsgericht erlassenes Urteil aufgrund des § 580 Nr. 1 bis 3, 6, 7 ZPO angefochten wird, ist das Berufungsgericht zuständig. Eine Zuständigkeit des Revisionsgerichts kommt nur in den Ausnahmefällen in Betracht , in denen ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil aufgrund des § 580 Nr. 4, 5 ZPO angefochten wird. Das Gesetz geht mithin bei der Anfechtung eines Revisionsurteils von einer grundsätzlichen Zuständigkeit der Berufungsinstanz aus (vgl. MünchKomm-ZPO/Braun, 5. Aufl. § 584 Rn. 6).
10
Der hier maßgebliche Sachverhalt ist auch nicht mit den Restitutionsgründen des § 580 Nr. 4 und 5 ZPO vergleichbar (in der Vergangenheit wurde bei Entscheidungen des EGMR allenfalls eine Parallele zu § 580 Nr. 7 b ZPO erwogen, vgl. BT-Drucks. 16/3038 S. 39 m.w.N.). Bei diesen geht es um grobe Mängel des Verfahrens, die den Bestand des Revisionsurteils unbeschadet der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz in Frage stellen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1954 - V ZR 56/50, BGHZ 14, 251, 256 [juris Rn. 21]). Um derartige Verfahrensmängel handelt es sich hier nicht. Der EGMR hat vielmehr mit seinem Urteil vom 23. März 2017 entschieden, dass das vom Revisionsgericht und den Vorinstanzen angenommene Ergebnis der Rechtsanwendung die Rechte des Klägers aus Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) i.V.m. Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK (Schutz des Eigentums) verletzt (ZEV 2017, 507). Es geht mithin um die Frage der materiellen Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsnormen bezüglich des Erbrechts nichtehelicher Kinder mit der EMRK.
11
Demgegenüber kommt nach dem Regelungsplan des Gesetzgebers eine Zuständigkeit des Berufungsgerichts in Betracht, wenn es um den vom Berufungsgericht festgestellten oder festzustellenden Sachverhalt geht (BGH, Urteil vom 13. Juli 1954 aaO; ferner Beschluss vom 8. Juni 1973 - I ZR 25/72, BGHZ 61, 95, 97, 100 [juris Rn. 9 f.]; BVerwG vom 7. Dezember 2015 - 6 PKH 10/15, juris Rn. 12; Musielak in Musielak /Voith, ZPO 14. Aufl., § 584 Rn. 2; MünchKomm-ZPO/Braun, 5. Aufl., § 584 Rn. 1). Hier wären im Falle des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen des § 580 Nr. 8 ZPO nach erfolgter Wiederaufnahme des Verfahrens zunächst tatsächliche Feststellungen zu treffen bzw. nachzuholen. Die Klage ist bisher allein deshalb abgewiesen worden, weil die Tatsacheninstanzen sowie das Revisionsgericht von einer fehlenden Erbberechtigung des Klägers infolge der innerstaatlichen gesetzlichen Regelung ausgegangen sind. Tatsächliche Feststellungen zu den Voraussetzungen des vom Kläger im Wege der Stufenklage verfolgten Pflichtteilsanspruchs waren bisher nicht zu treffen. Da das Revisionsgericht für derartige tatsächliche Feststellungen nicht zuständig ist, käme im Falle seiner erfolgreichen Anrufung im Wiederaufnahmeverfahren ohnehin lediglich eine Aufhebung der Entscheidung des Berufungsgerichts und eine Zurückverweisung an dieses in Betracht. In einem derartigen Fall ist eine Zuständigkeit des Berufungsgerichts gegeben.
12
2. Auf den Hilfsantrag des Klägers ist der Rechtsstreit gemäß §§ 585, 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zu verweisen (vgl. zur Verweisung in einem solchen Fall BGH, Beschluss vom 8. Juni 1973 - I ZR 25/72, NJW 1973, 1701 juris Rn. 13; BFH vom 16. Dezember 2014 - X K 5/14, juris Rn. 5 f.). Das Berufungsgericht wird im weiteren Verfahren gegebenenfalls auch zu prüfen haben, ob die angefochtenen Entscheidungen im Sinne von § 580 Nr. 8 ZPO auf der Verletzung der EMRK beruhen und dabei insbesondere zu klären haben, ob im hier zu beurteilenden Sachverhalt die tatschlichen Umstände vorliegen, bei deren Vorhandensein der Senat ausnahmsweise eine konventionsfreundliche Auslegung im Sinne einer teleologischen Erweiterung von Art. 5 Satz 2 ZwErbGleichG für möglich erachtet hat (hierzu zuletzt Senatsbeschluss vom 12. Juli 2017 - IV ZB 6/15, ZEV 2017, 510 Rn. 18-22; vgl. ferner Lieder/Berneith, FamRZ 2017, 1623 f.).
Mayen Dr. Karczewski Lehmann
Dr. Brockmöller Dr. Bußmann

Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 21.01.2010 - 309 O 278/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 15.06.2010- 2 U 8/10 -

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 150/10 Verkündet am:
26. Oktober 2011
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GG Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 5; NEhelG a.F. Art. 12 § 10 Abs. 2
Ein vor dem 1. Juli 1949 geborenes nichteheliches Kind und seine Abkömmlinge sind
in bis zum 28. Mai 2009 eingetretenen Erbfällen weiterhin vom Erbrecht nach dem
Vater und dessen Verwandten ausgeschlossen.
Es verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG, dass Art. 12 § 10
Abs. 2 NEhelG a.F. durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher
Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung
vom 12. April 2011 (BGBl. I 615) erst mit Wirkung zum 29. Mai 2009 aufgehoben
worden ist.
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2011 - IV ZR 150/10 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Richter Wendt,
die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann
und die Richterin Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom
26. Oktober 2011

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 2. Zivilsenat, vom 15. Juni 2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der am 25. August 1940 nichtehelich geborene Kläger macht im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche aus dem Erbfall nach dem am 26. Juni 2006 verstorbenen Dr. Friedrich Wilhelm B. geltend. Die Beklagte, eine eheliche Tochter des Erblassers, ist dessen durch Testament vom 20. August 2003 bestimmte Alleinerbin. Der Erblasser wurde mit Urteil des Amtsgerichts HamburgBlankenese vom 26. August 1949 verurteilt, gemäß § 1708 BGB in der damals geltenden Fassung Unterhalt an den Kläger zu zahlen.
2
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Pflichtteil aus dem Nachlass des Erblassers zu, der als sein Vater gelte. Nach dessen Tod sei er zu einem Viertel pflichtteilsberechtigt.
3
Dem stehe Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (BGBl. I 1243, im Folgenden: Nichtehelichengesetz/NEhelG a.F.) nicht entgegen. Der darin festgeschriebene Ausschluss vor dem 1. Juli 1949 geborener nichtehelicher Kinder vom Nachlass des Vaters sei verfassungswidrig. Durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Januar 2009 (NJW 2009, 1065) sei nunmehr - in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung - klargestellt, dass jedwede Schlechterstellung nichtehelicher Kinder gegen Art. 6 Abs. 5 GG verstoße. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vor. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) habe mit seiner Entscheidung vom 28. Mai 2009 (Beschwerde Nr. 3545/04, NJW-RR 2009, 1603 = FamRZ 2009, 1293) festgestellt, dass Artt. 8, 14 EMRK durch Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. verletzt seien. Das habe unmittelbare Rechtswirkungen für die Rechtslage in Deutschland. Aus dem Konventionsverstoß folge ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG; nach völkerrechtskonformer Auslegung sei Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. nicht anzuwenden.
4
Der Kläger begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses einschließlich anrechnungs- und ausgleichspflichtiger Zuwendungen sowie beeinträchtigender Schenkungen, Abgabe einer Versicherung an Eides Statt und Zahlung des Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchs.
5
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen, weil der Kläger nicht pflichtteilsberechtigt sei. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


6
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
7
I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
8
Dem Kläger stünden als vor dem 1. Juli 1949 geborenem nichtehelichem Kind ein Pflichtteilsanspruch gemäß § 2303 Abs. 1 BGB und ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB gegen die Beklagte nicht zu. Zwar sei der Erblasser nach Art. 12 § 3 Abs. 1 Satz 2 NEhelG a.F. als Vater des Klägers anzusehen, jedoch sei gemäß Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. für die Beurteilung der erbrechtlichen Verhältnisse noch von der Fiktion des § 1589 Abs. 2 BGB in der bis zum 30. Juni 1970 geltenden Fassung auszugehen, nach der ein nichteheliches Kind und dessen Vater nicht als verwandt gelten.
9
Diese Regelung sei verfassungsgemäß und vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 8. Dezember 1976 (BVerfGE 44,1) gebilligt worden. Zu den tragenden Gründen dieser Entscheidung habe der Vertrauensschutz des Vaters eines nichtehelichen Kindes und anderer präsumtiver Erblasser aus der väterlichen Familie gehört. Das habe für die Zeit nach dieser Entscheidung umso mehr gegolten. Vater und väterliche Verwandte eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes hätten nicht mehr damit rechnen müssen, dass sich die rechtliche Lage dieser Kinder noch einmal ändern würde. Daher bedürfe es auch angesichts geänderter tatsächlicher Verhältnisse sowie Anschauungen über den Status nichtehelicher Kinder keiner erneuten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG.

10
Eine Berücksichtigung der Erwägungen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Anwendung von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. begründe keinen Verstoß gegen Artt. 8, 14 EMRK. Da die hier zugrunde zu legenden Tatsachen von denen der dortigen Entscheidung verschieden seien - etwa die familiäre Beziehung Erblasser und nichteheliches Kind -, lägen wesentliche Voraussetzungen nicht vor, die Grundlage dafür gewesen seien, dass der Gerichtshof im Rahmen einer Individualbeschwerde in der Anwendung von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. einen solchen Verstoß gesehen habe.
11
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
12
Dem Kläger stehen als nichtehelichem, vor dem 1. Juli 1949 geborenem Kind ein Pflichtteil am Nachlass des Erblassers und daher ein Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber der Beklagten als dessen alleiniger testamentarischer Erbin nicht zu.
13
1. Die Erbeinsetzung der Beklagten stellt sich im Verhältnis zum Kläger nicht als Ausschließung eines Abkömmlings des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen dar, infolge der ein Pflichtteilsanspruch nach § 2303 Abs. 1 BGB begründet werden konnte.
14
a) Der Erblasser wurde im Jahr 1949 rechtskräftig zur Unterhaltszahlung verurteilt. Aufgrund des mit dem Nichtehelichengesetz zum 1. Juli 1970 in Kraft getretenen Art. 12 § 3 Abs. 1 Satz 2 NEhelG a.F. kommt diesem Urteil statusfeststellende Wirkung zu (vgl. dazu BGH, Ur- teil vom 9. April 1986 - IVb ZR 28/85, FamRZ 1986, 665 unter II 2 b). Danach gilt der Erblasser als Vater des Klägers.
15
b) Nach Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. i.V.m. Art. 12 § 1 NEhelG a.F. bleiben jedoch für die erbrechtlichen Beziehungen eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes und seiner Abkömmlinge zu dem Vater und dessen Verwandten die bis zum 1. Juli 1970 geltenden Vorschriften auch dann maßgebend, wenn der Erblasser nach dem Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes stirbt. Der Kläger ist gemäß § 1589 Abs. 2 BGB in der bis zum 30. Juni 1970 geltenden, durch Art. 1 Nr. 3 des Nichtehelichengesetzes aufgehobenen Fassung insoweit nicht als mit dem Erblasser verwandt anzusehen und kann daher nicht nach § 1924 Abs. 1 BGB dessen gesetzlicher Erbe erster Ordnung sein.
16
2. Die Regelung des Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. beansprucht in Ansehung des hier zu beurteilenden Erbfalles weiterhin Geltung.
17
Zwar ist Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 12. April 2011 (BGBl. I 615) in der Zwischenzeit aufgehoben worden, jedoch erfolgte dies nur mit Wirkung zum 29. Mai 2009 (vgl. Art. 5). Einem nichtehelichen Kind, das vor dem 1. Juli 1949 geboren ist, steht daher bei Erbfällen vor diesem Stichtag - wie hier - (weiterhin) kein gesetzliches Erbrecht nach dem Vater und dessen Abkömmlingen zu.
18
3. Der Senat hat daher Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. der hier zu treffenden Entscheidung zugrundezu legen.
19
Anlass für die Annahme, diese Vorschrift oder das Absehen von einer zeitlich unbegrenzten oder zumindest weiterreichenden Rückwirkung der Aufhebung dieser Stichtagsregelung durch die gesetzliche Neuregelung verstieße gegen Art. 6 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG (unten
a) oder gegen Art. 14 Abs. 1 GG (unten b), besteht nicht. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG kommt daher nicht in Betracht (so auch OLG Köln ZEV 2011, 129, 131; OLG Stuttgart FamRZ 2010, 674, 675; LG Karlsruhe, Beschluss vom 30. September 2010 - 1 T 10/10, juris Rn. 25 ff.; LG Saarbrücken FamRZ 2010, 2106, 2108).
20
a) Nach Art. 6 Abs. 5 GG sind unehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie ehelichen Kindern. Dabei stellt sich diese grundrechtliche Schutznorm zugunsten eines Kindes, dessen Eltern bei seiner Geburt nicht miteinander verheiratet sind, als eine besondere Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG dar (vgl. BVerfGE 44, 1, 18 m.w.N.; Seiler in Bonner Kommentar zum GG, Stand April 2009 Art. 6 Rn. 36, 47, 62; Gröschner in Dreier, GG 2. Aufl. Art. 6 Rn. 151; Schmitt-Kammler/von Coelln in Sachs, GG 5. Aufl. Art. 6 Rn. 89). Die Art. 6 Abs. 5 GG zugrunde liegende Wertentscheidung hat der Gesetzgeber daher im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes zu beachten (vgl. nur BVerfGE 44, 1, 18). Dieser Auftrag richtet sich auch darauf, dem nichtehelichen Kind eine angemessene Beteiligung am väterlichen Nachlass zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 44, 1, 18, 20, 22; 74, 33, 38 f.; Uhle in BeckOK-GG, Stand April 2011 Art. 6 Rn. 77; Seiler in Bonner Kommentar zum GG, Stand April 2009 Art. 6 Rn. 82; Badura in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Stand Februar 2005 Art. 6 Rn. 179).

21
aa) Demgegenüber bestimmte Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F., dass ein vor dem 1. Juli 1949 geborenes nichteheliches Kind und seine Abkömmlinge generell vom Erbrecht nach dem Vater und dessen Verwandten ausgeschlossen und damit wegen der nichtehelichen Geburt rechtlich schlechter gestellt wurden. Gleiches gilt für die Neuregelung vom April 2011, da danach Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. für Erbfälle vor dem 29. Mai 2009 nach wie vor Geltung beansprucht.
22
bb) Die unterbliebene Gleichstellung vor dem 1. Juli 1949 geborener nichtehelicher Kinder stellt sich jedoch nicht als Verletzung von Art. 6 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG dar.
23
(1) Aus Art. 6 Abs. 5 GG folgt, dass uneheliche Kinder grundsätzlich nicht schlechter behandelt werden dürfen als eheliche Kinder, soweit sich nicht aus ihrer besonderen Situation rechtfertigende Gründe für eine Ungleichbehandlung ergeben (vgl. BVerfGE 26, 44, 60 f.; 96, 56, 65; Seiler in Bonner Kommentar zum GG, Stand April 2009 Art. 6 Rn. 37; Gröschner in Dreier, GG 2. Aufl. Art. 6 Rn. 153; Badura in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Stand Februar 2005 Art. 6 Rn. 181; Schmitt-Kammler/von Coelln in Sachs, GG 5. Aufl. Art. 6 Rn. 88). Dabei wird eine schematische Übertragung der für eheliche Kinder geltenden Rechtsvorschriften auf nichteheliche Kinder nicht verlangt. Eine ungleiche Behandlung nichtehelicher Kinder, die sich als Benachteiligung gegenüber ehelichen Kindern auswirkt, ist vielmehr im Grundsatz möglich. Sie bedarf aber stets einer überzeugenden Begründung. Abweichungen gegenüber dem Recht der ehelichen Kinder können zulässig sein, wenn eine förmliche Gleichstellung in verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtspositionen Dritter eingriffe (BVerfG FamRZ 2004, 433; BVerfGE 85, 80, 87 f., je- weils m.w.N.; vgl. auch Uhle in BeckOK-GG, Stand April 2011 Art. 6 Rn. 73; Seiler in Bonner Kommentar zum GG, Stand April 2009 Art. 6 Rn. 37).
24
Zudem ist dem Gesetzgeber für die Regelung des Übergangs von einer älteren zu einer neueren, den Zielen der Verfassung und den rechtspolitischen Vorstellungen der Gegenwart besser entsprechenden Regelung notwendig ein gewisser Spielraum einzuräumen. Die verfassungsrechtliche Prüfung von Stichtagsvorschriften und anderen Übergangsvorschriften ist daher auf die Frage beschränkt, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob die gefundene Lösung sich im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint (vgl. nur BVerfGE 44, 1, 21 m.w.N.).
25
(2) Diesen Anforderungen ist der Gesetzgeber sowohl mit dem zum 1. Juli 1970 in Kraft getretenen Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. (unten (a)) als auch mit dessen - erst - zum 29. Mai 2009 in Kraft getretener Aufhebung (unten (b)) gerecht geworden.
26
(a) Bereits mit Beschluss vom 8. Dezember 1976 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 44, 1; ebenso Kammerbeschluss vom 3. Juli 1996 - 1 BvR 563/96, juris; vgl. auch BVerfG FamRZ 2004, 433) festgestellt, dass Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. nicht grundgesetzwidrig ist.
27
Bei Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes zum 1. Juli 1970 und in der nachfolgenden Zeit war es mit Art. 6 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass sich in Erbfällen die erbrechtlichen Verhältnisse eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes zu seinem Vater und zur väterlichen Familie nach dem alten, vor der Reform geltenden Recht richteten und damit weiterhin kein Erbrecht nach dem Vater und dessen Abkömmlingen bestand (vgl. auch EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 43). Dies rechtfertigte sich mit den damaligen praktischen und verfahrensmäßigen Schwierigkeiten, die Vaterschaft zu vor diesem Zeitpunkt nichtehelich geborenen Kindern festzustellen (vgl. BVerfGE 44, 1, 31 f.). Zudem durfte der Gesetzgeber bestehenden Unsicherheiten in Bezug auf das Erbrecht und den Bedenken derjenigen Rechnung tragen, die gegen eine Reform der Rechtsstellung nichtehelicher Kinder opponiert hatten (vgl. BVerfGE 44, 1, 33 f.). Letztlich war das Vertrauen des Erblassers und seiner Erben auf die Fortgeltung des bis zum Jahr 1970 bestehenden Rechtszustandes schutzwürdig (vgl. BVerfGE 44, 1, 34 f.).
28
Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht durch dessen Beschluss vom 8. Januar 2009 überholt. Der dortige Sachverhalt betraf die Frage der Gleichbehandlung nichtehelicher, vor dem 1. Juli 1949 geborener Kinder untereinander und eine Sonderkonstellation , die sich infolge des Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) ergeben hatte (vgl. BVerfG NJW 2009, 1065 Rn. 19); die Verfassungskonformität von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. stand weder zur Entscheidung noch wurde sie in Zweifel gezogen (so auch OLG Köln ZEV 2011, 129, 130).
29
(b) Der Gesetzgeber des Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessord- nung und der Abgabenordnung hat sich dafür entschieden, auch vor dem 1. Juli 1949 geborene nichteheliche Kinder den ehelichen Kindern für Erbfälle nach dem 28. Mai 2009 gleichzustellen (vgl. BT-Drucks. 17/3305 S. 1, 6 f.; dazu auch BR-Drucks. 486/10). Davor liegende Erbfälle sind noch nach Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. zu beurteilen (vgl. BTDrucks. 17/3305 S. 8). Die darin liegende und damit weiterhin bestehende Benachteiligung ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und daher nicht zu beanstanden.
30
(aa) Anlass für die Neuregelung war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 (Beschwerde Nr. 3545/04, NJW-RR 2009, 1603 = FamRZ 2009, 1293; zustimmend Henrich, FamRZ 2009, 1294 f.; Leipold, ZEV 2009, 488 ff.; vgl. auch BTDrucks. 17/3305 S. 1), wonach Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. gegen Artt. 8, 14 EMRK verstoße.
31
Der Gerichtshof hat allerdings anerkannt, dass die Entscheidungen des bundesdeutschen Gesetzgebers im Jahr 1969 und des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1976, die Ausnahmeregelung zu Lasten nichtehelicher Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren waren, bestehen zu lassen, auf objektiven Gründen beruhten. Diese seinerzeit vorgebrachten Argumente seien jedoch im Jahr 2009 nicht mehr gültig. Ebenso wie anderwärts in Europa habe sich in Deutschland die Gesellschaft beträchtlich weiterentwickelt, und der Rechtsstatus nichtehelich geborener Kinder sei demjenigen ehelicher Kinder gleich geworden. Darüber hinaus bestünden die praktischen und verfahrensmäßigen Schwierigkeiten beim Nachweis der Vaterschaft nicht mehr. Nicht zuletzt sei als Folge der Wiedervereinigung und der Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder in einem Großteil Deutschlands eine neue Situation entstan- den. In Anbetracht der Rechtsentwicklung in Europa, die bei der gebotenen dynamischen Interpretation der Konvention nicht außer Acht zu lassen sei, müsse der Schutz "legitimer Erwartungen" der Erblasser und ihrer Familien dem Gebot der Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder untergeordnet werden (zum Ganzen: EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 43).
32
(bb) Diese Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat sich der Gesetzgeber zu Eigen gemacht. Dem Gebot der Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder wird durch die Aufhebung der Stichtagsregelung in Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. ab dem 29. Mai 2009 Rechnung getragen (vgl. BT-Drucks. 17/3305 S. 6, 7 f.; dazu auch BR-Drucks. 486/10).
33
Von dieser Gesetzesänderung werden damit auch Erbfälle erfasst, die sich in der Zeit zwischen der Entscheidung des Gerichtshofs vom 28. Mai 2009 und der Verkündung des Gesetzes am 12. April 2011 (vgl. BGBl. I 615 f.) ereignet haben. In diesen Fällen sei - so die Begründung des Regierungsentwurfs - das Vermögen des Erblassers zwar bereits im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die nach geltender Rechtslage berufenen Erben übergegangen. Eine rückwirkende Entziehung dieser vom Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG umfassten Rechtsposition sei aber ausnahmsweise zulässig. Die Entscheidung vom 28. Mai 2009 stelle eine Zäsur im Hinblick auf den mit einem Erbfall verbundenen Vertrauensschutz dar. Ab deren Verkündung habe jedenfalls damit gerechnet werden müssen, dass sich die Rechtslage ändere und gegebenenfalls Gerichte Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. unangewendet ließen.
34
Eine weitergehende Rückwirkung auf vor dem 29. Mai 2009 gelegene Erbfälle ist hingegen abgelehnt worden, da hier Ausnahmen vom Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht bestünden (BT-Drucks. 17/3305 S. 8, 17/4776 S. 7).
35
(cc) Diese Entscheidung des Gesetzgebers ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und nicht willkürlich. Er hat die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt (vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 17/4776, S. 6 f.) und den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt (vgl. Leipold, FPR 2011, 275, 278 f.; dagegen kritisch z.B.: Bäßler, ZErb 2011, 92, 96 f.; Krug, ZEV 2011, 397, 399 f.; 131, 132; ders. ZEV 2010, 505, 507; Stellungnahme des DAV, ErbR 2010, 174, 175).
36
α) Das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte begrenzen die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen. Es bedarf deshalb einer besonderen Rechtfertigung, wenn dieser die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Der Bürger wird in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht, wenn der Gesetzgeber an Tatbestände nachträglich ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (vgl. BVerfGE 109, 133, 180; 105, 17, 36 f.). Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten ("echte" Rückwirkung), ist mithin grundsätzlich unzulässig.
37
Das findet seinen verfassungsrechtlichen Grund vorrangig in den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen, insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit (vgl. BVerfGE 109, 133, 181; 97, 67, 78 f.; 72, 200, 242), und kann daher eine Einschränkung der Gewährleistung des Art. 6 Abs. 5 GG genauso rechtfertigen wie die dem Erblasser und dessen bisherigen Erben zukommende Gewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. nur BVerfGE 126, 400, 424 m.w.N.).
38
β) Ein solches Vertrauen in die Fortgeltung von Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. gründet - wie der Regierungsentwurf zur Neuregelung zutreffend sieht - sowohl in den rechtspolitischen Diskussionen und Entwicklungen der letzten Jahrzehnte als auch in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. die Darstellung bei BTDrucks. 17/3305 S. 6; MünchKomm-BGB/Leipold, 5. Aufl. Einl. zu Band 9 Rn. 123; Leipold, ZEV 2009, 488 f.).
39
Der Gesetzgeber hat sich nach Erlass des Nichtehelichengesetzes vom 1. August 1969 (BGBl. I 1243) mehrfach mit Fragen der gesetzlichen Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder und der Aufhebung der Stichtagsregelung in Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. befasst.
40
Im Zuge der Wiedervereinigung mussten die Rechtssysteme der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik miteinander in Einklang gebracht werden. Seit 1976 waren in der Deutschen Demokratischen Republik nichteheliche Kinder erbrechtlich den ehelichen gleichgestellt. Der Gesetzgeber entschied sich lediglich dafür, mit Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB i.d.F. vom 23. September 1990 (vgl. Gesetz zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990, Anl. I Kap. III Sachgebiet B Abschn. II Nr. 1; BGBl. II 885, 941, 950) den nichtehelichen Kindern ihre bisherige Rechtsstellung zu erhalten, wenn der Erblasser am 2. Oktober 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der DDR hatte. Für andere nichteheliche Kinder sollte die Stichtagsregelung des Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. weitergelten. Das wurde vom Bundesverfassungsgericht aufgrund eines Nichtannahmebeschlusses vom 3. Juli 1996 (1 BvR 563/968, juris) gebilligt (vgl. auch BVerfG FamRZ 2004, 433 f.).
41
In der Folge wurde die Frage einer weitergehenden Gleichstellung nichtehelicher Kinder sowohl in den Beratungen zum Erbrechtsgleichstellungsgesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I 2968) als auch zum Kinderrechteverbesserungsgesetz vom 9. April 2002 (BGBl. I 1239) erörtert (vgl. nur Henrich, FamRZ 2009, 1294, 1295; König, FPR 2010, 396; z.B. anlässlich des ErbGleichG: Hess, FamRZ 1996, 781 ff.), jedoch blieb Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. erneut unverändert. Das wurde zuletzt vor allem mit dem Vertrauen der väterlichen Familie in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage begründet (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/8131, S. 6 f.). Insbesondere darauf stützte sich auch das Bundesverfassungsgericht in seinem der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 vorausgegangenen Beschluss vom 20. November 2003 (FamRZ 2004, 433) und hielt Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. weiterhin für mit dem Grundgesetz vereinbar.
42
γ) Bestand demnach ein grundgesetzlich geschütztes Vertrauen von Erblassern und deren bisherigen Erben in die Beibehaltung von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F., durfte der Gesetzgeber sich dafür entscheiden, die beabsichtigte Rechtsänderung erst nach dem Tag - rückwirkend - in Kraft zu setzen, an dem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die bisherige Regelung als gegen Artt. 8, 14 EMRK verstoßend angesehen hatte (vgl. MünchKomm-BGB/Leipold, 5. Aufl. Einl. zu Band 9 Rn. 130; König, FPR 2010, 396, 397; Leipold, FPR 2011, 275, 277, 279; ders. ZEV 2009, 488, 491; Schäfer, jurisPR-FamR 26/2010 Anm. 1). Ab diesem Zeitpunkt war ein Vertrauen in einen weiterhin geltenden Ausschluss nichtehelicher Kinder eines männlichen Erblassers nicht mehr berechtigt und eine Rechtsunsicherheit entstanden, die eine rückwirkende Änderung der Rechtslage ermöglichte (vgl. allgemein BVerfGE 72, 302, 325 ff.).
43
Hätte der Gesetzgeber einen früheren Stichtag gewählt, hätte er einem - schon verstorbenen - Erblasser, der die neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte weder hätte kennen können noch damit rechnen müssen, nachträglich die Möglichkeit genommen , anderweitig zu verfügen. Den Erben wären im Erbfall noch nicht bestehende Pflichten auferlegt worden, die das Erbrecht rückwirkend erheblich hätten einschränken können; sie wären dabei insbesondere mit Ansprüchen von Abkömmlingen des Erblassers aus einemErboder Pflichtteilsrecht konfrontiert worden, die gegebenenfalls Jahrzehnte nach dem Erbfall entstanden wären. Dies hätte ihrem Vertrauen in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung und auf den Bestand der auf der Grundlage der bisherigen Rechtslage getroffenen Dispositionen widersprochen (vgl. BVerfGE 109, 133, 180; 105, 17, 36 f.).
44
Diese zeitliche Anknüpfung an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entspricht anderen temporalen Kollisionsnormen des deutschen Erbrechts. Diesen ist der Grundsatz zu entnehmen , dass für die erbrechtlichen Verhältnisse die früheren Regelun- gen maßgebend bleiben, wenn der Erblasser vor dem Inkrafttreten neuer Vorschriften gestorben ist (vgl. nur Senatsurteile vom 1. Dezember 1993 - IV ZR 261/92, BGHZ 124, 270, 277 zu Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB und vom 18. Januar 1989 - IVa ZR 296/87, NJW 1989, 2054 unter II 2 zu Art. 213 Satz 1 EGBGB; Lange/Kuchinke, Erbrecht 5. Aufl. § 3 I; Hess, FamRZ 1996, 781, 782). Auf die Wahrung dieses tragenden Rechtsprinzips durften der Erblasser und seine nach früherem Recht berufenen Erben ebenfalls vertrauen.
45
Dem steht nicht entgegen, dass sich ein als Erbe Berufener schon nach bisherigem Recht bis zum Ablauf von Ausschluss- und Verjährungsfristen Ansprüchen Dritter ausgesetzt sehen kann. Diese sind jedoch - wie z.B. Ansprüche Pflichtteilsberechtigter nach §§ 2303, 2325 BGB - bereits im Zeitpunkt des Erbfalles angelegt und können daher in die über die Erbschaft zu treffenden Dispositionen einbezogen werden. Das wäre jedoch bei einer rückwirkend durch eine gesetzliche Neuregelung begründeten Rechtsstellung eines nichtehelichen, vor dem 1. Juli 1949 geborenen Abkömmlings gerade nicht möglich gewesen, die eine über den 29. Mai 2009 hinausreichende Aufhebung des Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. zur Folge gehabt hätte.
46
δ) Weitergehende Anforderungen an den Gesetzgeber ergeben sich nicht aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Garantien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Auslegung der Grundrechte heranzuziehen und im Rahmen einer anzustellenden Abwägung zu berücksichtigen sind, sofern dies nicht zu einer Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (vgl. BVerfGE 111, 307, 316 ff.; vgl. dazu auch Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 17 ff.). Vielmehr entsprechen die danach zu berücksichtigenden Gesichtspunkte denjenigen, die sich aus dem Grundgesetz ableiten lassen und denen Rechnung zu tragen war.
47
Zwar wird durch Art. 8 Abs. 1 EMRK das Recht auf Achtung des Familienlebens, dem auch das Erbrecht zwischen - ehelichen oder nichtehelichen - Kindern und Eltern unterfällt (vgl. nur EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 30; NJW 2005, 875 Rn. 26; 1979, 2449 Rn. 52; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 8 Rn. 85), geschützt, jedoch ist dies - wie bei Art. 6 Abs. 5 GG - mit anderen Gewährleistungen in Einklang zu bringen. Hierzu zählt der durch Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK garantierte Schutz des Eigentums, der demjenigen zukommt, dem eine Erbschaft zugefallen ist (vgl. nur EGMR NJOZ 2005, 1048 Rn. 42 f.), und der durch den Erlass rückwirkender Gesetze unverhältnismäßig beeinträchtigt sein kann (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. 1. Zusatzprotokoll zur EMRK Art. 1 Rn. 16; EGMR, Entscheidung vom 6. Oktober 2005 - 1513/03 Rn. 81). Darüber hinaus stellt der zur Begründung der auf Erbfälle ab dem 29. Mai 2009 begrenzten Rückwirkung herangezogene Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ein grundlegendes, auch von der Konvention garantiertes Element der Rechtsstaatlichkeit dar (vgl. EGMR EuGRZ 2009, 566 Rn. 72; Entscheidung vom 18. September 2007 - 52336/99, juris Rn. 145; dazu auch KG FamRZ 2010, 2104, 2105; Frowein in Frowein/Peukert, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 7 f.).
48
Daher führt die Berücksichtigung der Garantien der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu keiner anderen Beurteilung der gesetzgeberischen Entscheidung. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR NJW 1979, 2449 Rn. 58; EuGRZ 1992, 12 Rn. 26 ff.; dazu auch BVerfG FamRZ 2009, 1983, 1984) lässt sich vielmehr entnehmen, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet war, die Rechtslage auch für die Zeit vor Verkündung der Entscheidung vom 28. Mai 2009 zu ändern (vgl. Leipold, ZEV 2009, 488, 491 f.; Schäfer, jurisPR-FamR 26/2010 Anm. 1; allgemein dazu Frowein in Frowein/Peukert, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 7 f.; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 25). Anderes wäre allenfalls anzunehmen, wenn der Gerichtshof einen strukturellen Mangel der deutschen Rechtslage festgestellt hätte (vgl. EGMR NJW 2005, 2521 Rn. 193; Frowein in Frowein/Peukert, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 12 f.; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 7 f., 25); dieser wurde jedoch nicht erkannt.
49
b) Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. und die beschränkte Rückwirkung des Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung verletzen keine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition nichtehelicher Kinder.
50
Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet in Satz 1 das Erbrecht sowohl als Rechtsinstitut wie als Individualrecht und überlässt es in Satz 2 dem Gesetzgeber - ebenso wie beim Eigentum -, Inhalt und Schranken des Erbrechts zu bestimmen. Um eine solche Bestimmung des Gesetzgebers handelt es sich sowohl bei den seit 1970 geltenden Erbrechtsvorschriften des Nichtehelichengesetzes als auch bei der Neuregelung aus dem Jahr 2011. Diese bilden einen Teil der vom Verfassungsgeber selbst in Art. 6 Abs. 5 GG verlangten Reform des Nichtehelichenrechts. Deshalb ist in erster Linie dieser Spezialnorm der Prüfungsmaßstab dafür zu entnehmen , ob der Gesetzgeber den Kreis der nichtehelichen Kinder, die in den Genuss der neuen Erbrechtsregelung kommen, verfassungsgemäß abgegrenzt hat (vgl. zum Ganzen bereits BVerfGE 44, 1, 17 f.). Das ist - wie aufgezeigt - der Fall.
51
Anderes ergibt sich nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 19. April 2005 (BVerfGE 112, 332, 349 ff.) ausgesprochen hat, dass die grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass als tragendes Strukturprinzip des geltenden Pflichtteilsrechts durch die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt ist. Diese Entscheidung versteht das Pflichtteilsrecht als tradiertes Kernelement des deutschen Erbrechts, das auch im Sinnzusammenhang mit dem durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des Verhältnisses zwischen dem Erblasser und seinen Kindern steht. Daher lassen sich die dortigen Erwägungen nicht auf das Verhältnis eines nichtehelichen Kindes zu seinem Vater in der Weise übertragen, dass sich daraus über Art. 6 Abs. 5 GG hinaus ein Auftrag zur Gleichstellung ableiten ließe. Das Bundesverfassungsgericht ist vom bestehenden Erb- und Pflichtteilsrecht ausgegangen ; dieses billigt einem nichtehelichen Kind, das vor dem 1. Juli 1949 geboren ist, bisher gerade keinen Pflichtteil zu. Erst die gesetzliche Neuregelung ändert das für Erbfälle ab dem 29. Mai 2009.
52
4. Eine andere Beurteilung folgt nicht aus einer an den Vorgaben des Görgülü-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 111, 307; nachfolgend u.a. BVerfG NJW 2005, 1765 f.; vgl. auch MeyerLadewig , EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 31 ff.) orientierten Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009. Hier ist weder der Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 1 EMRK (unten a) noch derjenige von Art. 14 EMRK (unten b) eröff- net. Daher kann der Kläger durch Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. in diesen Garantien nicht verletzt sein.
53
a) Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten enthält keine isolierte Regelung des Erbrechts. Allerdings geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, das Erbrecht zwischen Kindern und Eltern hänge so eng mit dem Familienleben zusammen, dass es unter Art. 8 Abs. 1 EMRK (Recht auf Achtung des Familienlebens) falle (EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 30; NJW 1979, 2449 Rn. 52). Dessen Anwendbarkeit setzt die Existenz enger persönlicher Verbindungen zwischen Vater und Kind voraus (vgl. EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 30; 2009, 1585, 1586 f.; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 8 Rn. 51; Grötsch, FamRZ 2010, 675, 676; Leipold, FPR 2011, 275, 279; ders. ZEV 2009, 488, 489, 492). Das ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten zu beurteilen und hängt davon ab, ob enge persönliche Beziehungen vorhanden sind, ob der Vater nachweislich ein Interesse an dem Kind hat oder ob er sich zu diesem bekennt (EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 30; 2009, 1585, 1586 f., jeweils m.w.N.). Allein eine biologische Vaterschaft ohne weitere rechtliche oder tatsächliche Merkmale, die auf eine solche enge persönliche Beziehung hindeuten, reicht nicht aus (vgl. EGMR NJW-RR 2009, 1585, 1586).
54
An einer solchen engen persönlichen Verbindung zwischen Kläger und Erblasser fehlt es. Nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher vom Senat zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Erblasser den Kläger zu keiner Zeit als seinen Sohn anerkannt. Weder bestand zwischen beiden ein Kontakt noch war ein solcher vom Erblasser gewollt; lediglich der Vater des Erblassers hielt Briefkontakt mit dem Kläger. Daher mangelte es an einem nach- weislichen Interesse des Erblassers und an dessen Bekenntnis zum Kläger. Allein der Umstand, dass er aufgrund der nach Art. 12 § 3 Abs. 1 Satz 2 NEhelG a.F. statusfeststellenden Wirkung des Unterhaltsurteils als Vater des Klägers galt und diese Statusvaterschaft nicht nach Art. 12 § 3 Abs. 2 Satz 1 NEhelG angefochten worden war, genügt nicht.
55
b) Ebenfalls nicht betroffen ist das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK. Dieses verbietet bei den von der Konvention garantierten Rechten und Freiheiten eine unterschiedliche Behandlung von Personen in vergleichbarer Lage, wenn es dafür keinen sachlichen und vernünftigen Grund gibt (EGMR NJOZ 2005, 1048 Rn. 46; NJW 2005, 875 Rn. 61; 1979, 2449 Rn. 33).
56
Erforderlich wäre dazu, dass der zu beurteilende Sachverhalt unter eine andere Konventionsbestimmung fällt (vgl. EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 28; NJW 2005, 875 Rn. 54; 1979, 2449 Rn. 32; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 14 Rn. 5). Daran fehlt es hier. Weder Art. 8 Abs. 1 EMRK ist tangiert noch Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK, da diese kein Recht auf den Erwerb von Eigentum gewährleisten und daher durch den Ausschluss eines Erbrechts nicht berührt sind (vgl. EGMR NJW 1979, 2449 Rn. 50; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. 1. Zusatzprotokoll zur EMRK Art. 1 Rn. 10).
Wendt Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 21.01.2010- 309 O 278/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 15.06.2010- 2 U 8/10 -

(1) Personen, deren eine von der anderen abstammt, sind in gerader Linie verwandt. Personen, die nicht in gerader Linie verwandt sind, aber von derselben dritten Person abstammen, sind in der Seitenlinie verwandt. Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten.

(2) (weggefallen)

(1) Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens kann durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen.

(2) Werden beide Klagen von derselben Partei oder von verschiedenen Parteien erhoben, so ist die Verhandlung und Entscheidung über die Restitutionsklage bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen.

(1) Für die Klagen ist ausschließlich zuständig: das Gericht, das im ersten Rechtszug erkannt hat; wenn das angefochtene Urteil oder auch nur eines von mehreren angefochtenen Urteilen von dem Berufungsgericht erlassen wurde oder wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund des § 580 Nr. 1 bis 3, 6, 7 angefochten wird, das Berufungsgericht; wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund der §§ 579, 580 Nr. 4, 5 angefochten wird, das Revisionsgericht.

(2) Sind die Klagen gegen einen Vollstreckungsbescheid gerichtet, so gehören sie ausschließlich vor das Gericht, das für eine Entscheidung im Streitverfahren zuständig gewesen wäre.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Für die Klagen ist ausschließlich zuständig: das Gericht, das im ersten Rechtszug erkannt hat; wenn das angefochtene Urteil oder auch nur eines von mehreren angefochtenen Urteilen von dem Berufungsgericht erlassen wurde oder wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund des § 580 Nr. 1 bis 3, 6, 7 angefochten wird, das Berufungsgericht; wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund der §§ 579, 580 Nr. 4, 5 angefochten wird, das Revisionsgericht.

(2) Sind die Klagen gegen einen Vollstreckungsbescheid gerichtet, so gehören sie ausschließlich vor das Gericht, das für eine Entscheidung im Streitverfahren zuständig gewesen wäre.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 150/10 Verkündet am:
26. Oktober 2011
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GG Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 5; NEhelG a.F. Art. 12 § 10 Abs. 2
Ein vor dem 1. Juli 1949 geborenes nichteheliches Kind und seine Abkömmlinge sind
in bis zum 28. Mai 2009 eingetretenen Erbfällen weiterhin vom Erbrecht nach dem
Vater und dessen Verwandten ausgeschlossen.
Es verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG, dass Art. 12 § 10
Abs. 2 NEhelG a.F. durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher
Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung
vom 12. April 2011 (BGBl. I 615) erst mit Wirkung zum 29. Mai 2009 aufgehoben
worden ist.
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2011 - IV ZR 150/10 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Richter Wendt,
die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann
und die Richterin Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom
26. Oktober 2011

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 2. Zivilsenat, vom 15. Juni 2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der am 25. August 1940 nichtehelich geborene Kläger macht im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche aus dem Erbfall nach dem am 26. Juni 2006 verstorbenen Dr. Friedrich Wilhelm B. geltend. Die Beklagte, eine eheliche Tochter des Erblassers, ist dessen durch Testament vom 20. August 2003 bestimmte Alleinerbin. Der Erblasser wurde mit Urteil des Amtsgerichts HamburgBlankenese vom 26. August 1949 verurteilt, gemäß § 1708 BGB in der damals geltenden Fassung Unterhalt an den Kläger zu zahlen.
2
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Pflichtteil aus dem Nachlass des Erblassers zu, der als sein Vater gelte. Nach dessen Tod sei er zu einem Viertel pflichtteilsberechtigt.
3
Dem stehe Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (BGBl. I 1243, im Folgenden: Nichtehelichengesetz/NEhelG a.F.) nicht entgegen. Der darin festgeschriebene Ausschluss vor dem 1. Juli 1949 geborener nichtehelicher Kinder vom Nachlass des Vaters sei verfassungswidrig. Durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Januar 2009 (NJW 2009, 1065) sei nunmehr - in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung - klargestellt, dass jedwede Schlechterstellung nichtehelicher Kinder gegen Art. 6 Abs. 5 GG verstoße. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vor. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) habe mit seiner Entscheidung vom 28. Mai 2009 (Beschwerde Nr. 3545/04, NJW-RR 2009, 1603 = FamRZ 2009, 1293) festgestellt, dass Artt. 8, 14 EMRK durch Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. verletzt seien. Das habe unmittelbare Rechtswirkungen für die Rechtslage in Deutschland. Aus dem Konventionsverstoß folge ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG; nach völkerrechtskonformer Auslegung sei Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. nicht anzuwenden.
4
Der Kläger begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses einschließlich anrechnungs- und ausgleichspflichtiger Zuwendungen sowie beeinträchtigender Schenkungen, Abgabe einer Versicherung an Eides Statt und Zahlung des Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchs.
5
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen, weil der Kläger nicht pflichtteilsberechtigt sei. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


6
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
7
I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
8
Dem Kläger stünden als vor dem 1. Juli 1949 geborenem nichtehelichem Kind ein Pflichtteilsanspruch gemäß § 2303 Abs. 1 BGB und ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB gegen die Beklagte nicht zu. Zwar sei der Erblasser nach Art. 12 § 3 Abs. 1 Satz 2 NEhelG a.F. als Vater des Klägers anzusehen, jedoch sei gemäß Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. für die Beurteilung der erbrechtlichen Verhältnisse noch von der Fiktion des § 1589 Abs. 2 BGB in der bis zum 30. Juni 1970 geltenden Fassung auszugehen, nach der ein nichteheliches Kind und dessen Vater nicht als verwandt gelten.
9
Diese Regelung sei verfassungsgemäß und vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 8. Dezember 1976 (BVerfGE 44,1) gebilligt worden. Zu den tragenden Gründen dieser Entscheidung habe der Vertrauensschutz des Vaters eines nichtehelichen Kindes und anderer präsumtiver Erblasser aus der väterlichen Familie gehört. Das habe für die Zeit nach dieser Entscheidung umso mehr gegolten. Vater und väterliche Verwandte eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes hätten nicht mehr damit rechnen müssen, dass sich die rechtliche Lage dieser Kinder noch einmal ändern würde. Daher bedürfe es auch angesichts geänderter tatsächlicher Verhältnisse sowie Anschauungen über den Status nichtehelicher Kinder keiner erneuten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG.

10
Eine Berücksichtigung der Erwägungen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Anwendung von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. begründe keinen Verstoß gegen Artt. 8, 14 EMRK. Da die hier zugrunde zu legenden Tatsachen von denen der dortigen Entscheidung verschieden seien - etwa die familiäre Beziehung Erblasser und nichteheliches Kind -, lägen wesentliche Voraussetzungen nicht vor, die Grundlage dafür gewesen seien, dass der Gerichtshof im Rahmen einer Individualbeschwerde in der Anwendung von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. einen solchen Verstoß gesehen habe.
11
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
12
Dem Kläger stehen als nichtehelichem, vor dem 1. Juli 1949 geborenem Kind ein Pflichtteil am Nachlass des Erblassers und daher ein Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber der Beklagten als dessen alleiniger testamentarischer Erbin nicht zu.
13
1. Die Erbeinsetzung der Beklagten stellt sich im Verhältnis zum Kläger nicht als Ausschließung eines Abkömmlings des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen dar, infolge der ein Pflichtteilsanspruch nach § 2303 Abs. 1 BGB begründet werden konnte.
14
a) Der Erblasser wurde im Jahr 1949 rechtskräftig zur Unterhaltszahlung verurteilt. Aufgrund des mit dem Nichtehelichengesetz zum 1. Juli 1970 in Kraft getretenen Art. 12 § 3 Abs. 1 Satz 2 NEhelG a.F. kommt diesem Urteil statusfeststellende Wirkung zu (vgl. dazu BGH, Ur- teil vom 9. April 1986 - IVb ZR 28/85, FamRZ 1986, 665 unter II 2 b). Danach gilt der Erblasser als Vater des Klägers.
15
b) Nach Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. i.V.m. Art. 12 § 1 NEhelG a.F. bleiben jedoch für die erbrechtlichen Beziehungen eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes und seiner Abkömmlinge zu dem Vater und dessen Verwandten die bis zum 1. Juli 1970 geltenden Vorschriften auch dann maßgebend, wenn der Erblasser nach dem Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes stirbt. Der Kläger ist gemäß § 1589 Abs. 2 BGB in der bis zum 30. Juni 1970 geltenden, durch Art. 1 Nr. 3 des Nichtehelichengesetzes aufgehobenen Fassung insoweit nicht als mit dem Erblasser verwandt anzusehen und kann daher nicht nach § 1924 Abs. 1 BGB dessen gesetzlicher Erbe erster Ordnung sein.
16
2. Die Regelung des Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. beansprucht in Ansehung des hier zu beurteilenden Erbfalles weiterhin Geltung.
17
Zwar ist Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 12. April 2011 (BGBl. I 615) in der Zwischenzeit aufgehoben worden, jedoch erfolgte dies nur mit Wirkung zum 29. Mai 2009 (vgl. Art. 5). Einem nichtehelichen Kind, das vor dem 1. Juli 1949 geboren ist, steht daher bei Erbfällen vor diesem Stichtag - wie hier - (weiterhin) kein gesetzliches Erbrecht nach dem Vater und dessen Abkömmlingen zu.
18
3. Der Senat hat daher Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. der hier zu treffenden Entscheidung zugrundezu legen.
19
Anlass für die Annahme, diese Vorschrift oder das Absehen von einer zeitlich unbegrenzten oder zumindest weiterreichenden Rückwirkung der Aufhebung dieser Stichtagsregelung durch die gesetzliche Neuregelung verstieße gegen Art. 6 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG (unten
a) oder gegen Art. 14 Abs. 1 GG (unten b), besteht nicht. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG kommt daher nicht in Betracht (so auch OLG Köln ZEV 2011, 129, 131; OLG Stuttgart FamRZ 2010, 674, 675; LG Karlsruhe, Beschluss vom 30. September 2010 - 1 T 10/10, juris Rn. 25 ff.; LG Saarbrücken FamRZ 2010, 2106, 2108).
20
a) Nach Art. 6 Abs. 5 GG sind unehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie ehelichen Kindern. Dabei stellt sich diese grundrechtliche Schutznorm zugunsten eines Kindes, dessen Eltern bei seiner Geburt nicht miteinander verheiratet sind, als eine besondere Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG dar (vgl. BVerfGE 44, 1, 18 m.w.N.; Seiler in Bonner Kommentar zum GG, Stand April 2009 Art. 6 Rn. 36, 47, 62; Gröschner in Dreier, GG 2. Aufl. Art. 6 Rn. 151; Schmitt-Kammler/von Coelln in Sachs, GG 5. Aufl. Art. 6 Rn. 89). Die Art. 6 Abs. 5 GG zugrunde liegende Wertentscheidung hat der Gesetzgeber daher im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes zu beachten (vgl. nur BVerfGE 44, 1, 18). Dieser Auftrag richtet sich auch darauf, dem nichtehelichen Kind eine angemessene Beteiligung am väterlichen Nachlass zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 44, 1, 18, 20, 22; 74, 33, 38 f.; Uhle in BeckOK-GG, Stand April 2011 Art. 6 Rn. 77; Seiler in Bonner Kommentar zum GG, Stand April 2009 Art. 6 Rn. 82; Badura in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Stand Februar 2005 Art. 6 Rn. 179).

21
aa) Demgegenüber bestimmte Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F., dass ein vor dem 1. Juli 1949 geborenes nichteheliches Kind und seine Abkömmlinge generell vom Erbrecht nach dem Vater und dessen Verwandten ausgeschlossen und damit wegen der nichtehelichen Geburt rechtlich schlechter gestellt wurden. Gleiches gilt für die Neuregelung vom April 2011, da danach Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. für Erbfälle vor dem 29. Mai 2009 nach wie vor Geltung beansprucht.
22
bb) Die unterbliebene Gleichstellung vor dem 1. Juli 1949 geborener nichtehelicher Kinder stellt sich jedoch nicht als Verletzung von Art. 6 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG dar.
23
(1) Aus Art. 6 Abs. 5 GG folgt, dass uneheliche Kinder grundsätzlich nicht schlechter behandelt werden dürfen als eheliche Kinder, soweit sich nicht aus ihrer besonderen Situation rechtfertigende Gründe für eine Ungleichbehandlung ergeben (vgl. BVerfGE 26, 44, 60 f.; 96, 56, 65; Seiler in Bonner Kommentar zum GG, Stand April 2009 Art. 6 Rn. 37; Gröschner in Dreier, GG 2. Aufl. Art. 6 Rn. 153; Badura in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Stand Februar 2005 Art. 6 Rn. 181; Schmitt-Kammler/von Coelln in Sachs, GG 5. Aufl. Art. 6 Rn. 88). Dabei wird eine schematische Übertragung der für eheliche Kinder geltenden Rechtsvorschriften auf nichteheliche Kinder nicht verlangt. Eine ungleiche Behandlung nichtehelicher Kinder, die sich als Benachteiligung gegenüber ehelichen Kindern auswirkt, ist vielmehr im Grundsatz möglich. Sie bedarf aber stets einer überzeugenden Begründung. Abweichungen gegenüber dem Recht der ehelichen Kinder können zulässig sein, wenn eine förmliche Gleichstellung in verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtspositionen Dritter eingriffe (BVerfG FamRZ 2004, 433; BVerfGE 85, 80, 87 f., je- weils m.w.N.; vgl. auch Uhle in BeckOK-GG, Stand April 2011 Art. 6 Rn. 73; Seiler in Bonner Kommentar zum GG, Stand April 2009 Art. 6 Rn. 37).
24
Zudem ist dem Gesetzgeber für die Regelung des Übergangs von einer älteren zu einer neueren, den Zielen der Verfassung und den rechtspolitischen Vorstellungen der Gegenwart besser entsprechenden Regelung notwendig ein gewisser Spielraum einzuräumen. Die verfassungsrechtliche Prüfung von Stichtagsvorschriften und anderen Übergangsvorschriften ist daher auf die Frage beschränkt, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob die gefundene Lösung sich im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint (vgl. nur BVerfGE 44, 1, 21 m.w.N.).
25
(2) Diesen Anforderungen ist der Gesetzgeber sowohl mit dem zum 1. Juli 1970 in Kraft getretenen Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. (unten (a)) als auch mit dessen - erst - zum 29. Mai 2009 in Kraft getretener Aufhebung (unten (b)) gerecht geworden.
26
(a) Bereits mit Beschluss vom 8. Dezember 1976 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 44, 1; ebenso Kammerbeschluss vom 3. Juli 1996 - 1 BvR 563/96, juris; vgl. auch BVerfG FamRZ 2004, 433) festgestellt, dass Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. nicht grundgesetzwidrig ist.
27
Bei Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes zum 1. Juli 1970 und in der nachfolgenden Zeit war es mit Art. 6 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass sich in Erbfällen die erbrechtlichen Verhältnisse eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes zu seinem Vater und zur väterlichen Familie nach dem alten, vor der Reform geltenden Recht richteten und damit weiterhin kein Erbrecht nach dem Vater und dessen Abkömmlingen bestand (vgl. auch EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 43). Dies rechtfertigte sich mit den damaligen praktischen und verfahrensmäßigen Schwierigkeiten, die Vaterschaft zu vor diesem Zeitpunkt nichtehelich geborenen Kindern festzustellen (vgl. BVerfGE 44, 1, 31 f.). Zudem durfte der Gesetzgeber bestehenden Unsicherheiten in Bezug auf das Erbrecht und den Bedenken derjenigen Rechnung tragen, die gegen eine Reform der Rechtsstellung nichtehelicher Kinder opponiert hatten (vgl. BVerfGE 44, 1, 33 f.). Letztlich war das Vertrauen des Erblassers und seiner Erben auf die Fortgeltung des bis zum Jahr 1970 bestehenden Rechtszustandes schutzwürdig (vgl. BVerfGE 44, 1, 34 f.).
28
Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht durch dessen Beschluss vom 8. Januar 2009 überholt. Der dortige Sachverhalt betraf die Frage der Gleichbehandlung nichtehelicher, vor dem 1. Juli 1949 geborener Kinder untereinander und eine Sonderkonstellation , die sich infolge des Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) ergeben hatte (vgl. BVerfG NJW 2009, 1065 Rn. 19); die Verfassungskonformität von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. stand weder zur Entscheidung noch wurde sie in Zweifel gezogen (so auch OLG Köln ZEV 2011, 129, 130).
29
(b) Der Gesetzgeber des Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessord- nung und der Abgabenordnung hat sich dafür entschieden, auch vor dem 1. Juli 1949 geborene nichteheliche Kinder den ehelichen Kindern für Erbfälle nach dem 28. Mai 2009 gleichzustellen (vgl. BT-Drucks. 17/3305 S. 1, 6 f.; dazu auch BR-Drucks. 486/10). Davor liegende Erbfälle sind noch nach Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. zu beurteilen (vgl. BTDrucks. 17/3305 S. 8). Die darin liegende und damit weiterhin bestehende Benachteiligung ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und daher nicht zu beanstanden.
30
(aa) Anlass für die Neuregelung war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 (Beschwerde Nr. 3545/04, NJW-RR 2009, 1603 = FamRZ 2009, 1293; zustimmend Henrich, FamRZ 2009, 1294 f.; Leipold, ZEV 2009, 488 ff.; vgl. auch BTDrucks. 17/3305 S. 1), wonach Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. gegen Artt. 8, 14 EMRK verstoße.
31
Der Gerichtshof hat allerdings anerkannt, dass die Entscheidungen des bundesdeutschen Gesetzgebers im Jahr 1969 und des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1976, die Ausnahmeregelung zu Lasten nichtehelicher Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren waren, bestehen zu lassen, auf objektiven Gründen beruhten. Diese seinerzeit vorgebrachten Argumente seien jedoch im Jahr 2009 nicht mehr gültig. Ebenso wie anderwärts in Europa habe sich in Deutschland die Gesellschaft beträchtlich weiterentwickelt, und der Rechtsstatus nichtehelich geborener Kinder sei demjenigen ehelicher Kinder gleich geworden. Darüber hinaus bestünden die praktischen und verfahrensmäßigen Schwierigkeiten beim Nachweis der Vaterschaft nicht mehr. Nicht zuletzt sei als Folge der Wiedervereinigung und der Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder in einem Großteil Deutschlands eine neue Situation entstan- den. In Anbetracht der Rechtsentwicklung in Europa, die bei der gebotenen dynamischen Interpretation der Konvention nicht außer Acht zu lassen sei, müsse der Schutz "legitimer Erwartungen" der Erblasser und ihrer Familien dem Gebot der Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder untergeordnet werden (zum Ganzen: EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 43).
32
(bb) Diese Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat sich der Gesetzgeber zu Eigen gemacht. Dem Gebot der Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder wird durch die Aufhebung der Stichtagsregelung in Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. ab dem 29. Mai 2009 Rechnung getragen (vgl. BT-Drucks. 17/3305 S. 6, 7 f.; dazu auch BR-Drucks. 486/10).
33
Von dieser Gesetzesänderung werden damit auch Erbfälle erfasst, die sich in der Zeit zwischen der Entscheidung des Gerichtshofs vom 28. Mai 2009 und der Verkündung des Gesetzes am 12. April 2011 (vgl. BGBl. I 615 f.) ereignet haben. In diesen Fällen sei - so die Begründung des Regierungsentwurfs - das Vermögen des Erblassers zwar bereits im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die nach geltender Rechtslage berufenen Erben übergegangen. Eine rückwirkende Entziehung dieser vom Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG umfassten Rechtsposition sei aber ausnahmsweise zulässig. Die Entscheidung vom 28. Mai 2009 stelle eine Zäsur im Hinblick auf den mit einem Erbfall verbundenen Vertrauensschutz dar. Ab deren Verkündung habe jedenfalls damit gerechnet werden müssen, dass sich die Rechtslage ändere und gegebenenfalls Gerichte Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. unangewendet ließen.
34
Eine weitergehende Rückwirkung auf vor dem 29. Mai 2009 gelegene Erbfälle ist hingegen abgelehnt worden, da hier Ausnahmen vom Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht bestünden (BT-Drucks. 17/3305 S. 8, 17/4776 S. 7).
35
(cc) Diese Entscheidung des Gesetzgebers ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und nicht willkürlich. Er hat die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt (vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 17/4776, S. 6 f.) und den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt (vgl. Leipold, FPR 2011, 275, 278 f.; dagegen kritisch z.B.: Bäßler, ZErb 2011, 92, 96 f.; Krug, ZEV 2011, 397, 399 f.; 131, 132; ders. ZEV 2010, 505, 507; Stellungnahme des DAV, ErbR 2010, 174, 175).
36
α) Das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte begrenzen die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen. Es bedarf deshalb einer besonderen Rechtfertigung, wenn dieser die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Der Bürger wird in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht, wenn der Gesetzgeber an Tatbestände nachträglich ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (vgl. BVerfGE 109, 133, 180; 105, 17, 36 f.). Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten ("echte" Rückwirkung), ist mithin grundsätzlich unzulässig.
37
Das findet seinen verfassungsrechtlichen Grund vorrangig in den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen, insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit (vgl. BVerfGE 109, 133, 181; 97, 67, 78 f.; 72, 200, 242), und kann daher eine Einschränkung der Gewährleistung des Art. 6 Abs. 5 GG genauso rechtfertigen wie die dem Erblasser und dessen bisherigen Erben zukommende Gewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. nur BVerfGE 126, 400, 424 m.w.N.).
38
β) Ein solches Vertrauen in die Fortgeltung von Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. gründet - wie der Regierungsentwurf zur Neuregelung zutreffend sieht - sowohl in den rechtspolitischen Diskussionen und Entwicklungen der letzten Jahrzehnte als auch in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. die Darstellung bei BTDrucks. 17/3305 S. 6; MünchKomm-BGB/Leipold, 5. Aufl. Einl. zu Band 9 Rn. 123; Leipold, ZEV 2009, 488 f.).
39
Der Gesetzgeber hat sich nach Erlass des Nichtehelichengesetzes vom 1. August 1969 (BGBl. I 1243) mehrfach mit Fragen der gesetzlichen Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder und der Aufhebung der Stichtagsregelung in Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. befasst.
40
Im Zuge der Wiedervereinigung mussten die Rechtssysteme der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik miteinander in Einklang gebracht werden. Seit 1976 waren in der Deutschen Demokratischen Republik nichteheliche Kinder erbrechtlich den ehelichen gleichgestellt. Der Gesetzgeber entschied sich lediglich dafür, mit Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB i.d.F. vom 23. September 1990 (vgl. Gesetz zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990, Anl. I Kap. III Sachgebiet B Abschn. II Nr. 1; BGBl. II 885, 941, 950) den nichtehelichen Kindern ihre bisherige Rechtsstellung zu erhalten, wenn der Erblasser am 2. Oktober 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der DDR hatte. Für andere nichteheliche Kinder sollte die Stichtagsregelung des Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. weitergelten. Das wurde vom Bundesverfassungsgericht aufgrund eines Nichtannahmebeschlusses vom 3. Juli 1996 (1 BvR 563/968, juris) gebilligt (vgl. auch BVerfG FamRZ 2004, 433 f.).
41
In der Folge wurde die Frage einer weitergehenden Gleichstellung nichtehelicher Kinder sowohl in den Beratungen zum Erbrechtsgleichstellungsgesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I 2968) als auch zum Kinderrechteverbesserungsgesetz vom 9. April 2002 (BGBl. I 1239) erörtert (vgl. nur Henrich, FamRZ 2009, 1294, 1295; König, FPR 2010, 396; z.B. anlässlich des ErbGleichG: Hess, FamRZ 1996, 781 ff.), jedoch blieb Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. erneut unverändert. Das wurde zuletzt vor allem mit dem Vertrauen der väterlichen Familie in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage begründet (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/8131, S. 6 f.). Insbesondere darauf stützte sich auch das Bundesverfassungsgericht in seinem der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 vorausgegangenen Beschluss vom 20. November 2003 (FamRZ 2004, 433) und hielt Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. weiterhin für mit dem Grundgesetz vereinbar.
42
γ) Bestand demnach ein grundgesetzlich geschütztes Vertrauen von Erblassern und deren bisherigen Erben in die Beibehaltung von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F., durfte der Gesetzgeber sich dafür entscheiden, die beabsichtigte Rechtsänderung erst nach dem Tag - rückwirkend - in Kraft zu setzen, an dem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die bisherige Regelung als gegen Artt. 8, 14 EMRK verstoßend angesehen hatte (vgl. MünchKomm-BGB/Leipold, 5. Aufl. Einl. zu Band 9 Rn. 130; König, FPR 2010, 396, 397; Leipold, FPR 2011, 275, 277, 279; ders. ZEV 2009, 488, 491; Schäfer, jurisPR-FamR 26/2010 Anm. 1). Ab diesem Zeitpunkt war ein Vertrauen in einen weiterhin geltenden Ausschluss nichtehelicher Kinder eines männlichen Erblassers nicht mehr berechtigt und eine Rechtsunsicherheit entstanden, die eine rückwirkende Änderung der Rechtslage ermöglichte (vgl. allgemein BVerfGE 72, 302, 325 ff.).
43
Hätte der Gesetzgeber einen früheren Stichtag gewählt, hätte er einem - schon verstorbenen - Erblasser, der die neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte weder hätte kennen können noch damit rechnen müssen, nachträglich die Möglichkeit genommen , anderweitig zu verfügen. Den Erben wären im Erbfall noch nicht bestehende Pflichten auferlegt worden, die das Erbrecht rückwirkend erheblich hätten einschränken können; sie wären dabei insbesondere mit Ansprüchen von Abkömmlingen des Erblassers aus einemErboder Pflichtteilsrecht konfrontiert worden, die gegebenenfalls Jahrzehnte nach dem Erbfall entstanden wären. Dies hätte ihrem Vertrauen in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung und auf den Bestand der auf der Grundlage der bisherigen Rechtslage getroffenen Dispositionen widersprochen (vgl. BVerfGE 109, 133, 180; 105, 17, 36 f.).
44
Diese zeitliche Anknüpfung an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entspricht anderen temporalen Kollisionsnormen des deutschen Erbrechts. Diesen ist der Grundsatz zu entnehmen , dass für die erbrechtlichen Verhältnisse die früheren Regelun- gen maßgebend bleiben, wenn der Erblasser vor dem Inkrafttreten neuer Vorschriften gestorben ist (vgl. nur Senatsurteile vom 1. Dezember 1993 - IV ZR 261/92, BGHZ 124, 270, 277 zu Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB und vom 18. Januar 1989 - IVa ZR 296/87, NJW 1989, 2054 unter II 2 zu Art. 213 Satz 1 EGBGB; Lange/Kuchinke, Erbrecht 5. Aufl. § 3 I; Hess, FamRZ 1996, 781, 782). Auf die Wahrung dieses tragenden Rechtsprinzips durften der Erblasser und seine nach früherem Recht berufenen Erben ebenfalls vertrauen.
45
Dem steht nicht entgegen, dass sich ein als Erbe Berufener schon nach bisherigem Recht bis zum Ablauf von Ausschluss- und Verjährungsfristen Ansprüchen Dritter ausgesetzt sehen kann. Diese sind jedoch - wie z.B. Ansprüche Pflichtteilsberechtigter nach §§ 2303, 2325 BGB - bereits im Zeitpunkt des Erbfalles angelegt und können daher in die über die Erbschaft zu treffenden Dispositionen einbezogen werden. Das wäre jedoch bei einer rückwirkend durch eine gesetzliche Neuregelung begründeten Rechtsstellung eines nichtehelichen, vor dem 1. Juli 1949 geborenen Abkömmlings gerade nicht möglich gewesen, die eine über den 29. Mai 2009 hinausreichende Aufhebung des Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. zur Folge gehabt hätte.
46
δ) Weitergehende Anforderungen an den Gesetzgeber ergeben sich nicht aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Garantien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Auslegung der Grundrechte heranzuziehen und im Rahmen einer anzustellenden Abwägung zu berücksichtigen sind, sofern dies nicht zu einer Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (vgl. BVerfGE 111, 307, 316 ff.; vgl. dazu auch Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 17 ff.). Vielmehr entsprechen die danach zu berücksichtigenden Gesichtspunkte denjenigen, die sich aus dem Grundgesetz ableiten lassen und denen Rechnung zu tragen war.
47
Zwar wird durch Art. 8 Abs. 1 EMRK das Recht auf Achtung des Familienlebens, dem auch das Erbrecht zwischen - ehelichen oder nichtehelichen - Kindern und Eltern unterfällt (vgl. nur EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 30; NJW 2005, 875 Rn. 26; 1979, 2449 Rn. 52; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 8 Rn. 85), geschützt, jedoch ist dies - wie bei Art. 6 Abs. 5 GG - mit anderen Gewährleistungen in Einklang zu bringen. Hierzu zählt der durch Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK garantierte Schutz des Eigentums, der demjenigen zukommt, dem eine Erbschaft zugefallen ist (vgl. nur EGMR NJOZ 2005, 1048 Rn. 42 f.), und der durch den Erlass rückwirkender Gesetze unverhältnismäßig beeinträchtigt sein kann (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. 1. Zusatzprotokoll zur EMRK Art. 1 Rn. 16; EGMR, Entscheidung vom 6. Oktober 2005 - 1513/03 Rn. 81). Darüber hinaus stellt der zur Begründung der auf Erbfälle ab dem 29. Mai 2009 begrenzten Rückwirkung herangezogene Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ein grundlegendes, auch von der Konvention garantiertes Element der Rechtsstaatlichkeit dar (vgl. EGMR EuGRZ 2009, 566 Rn. 72; Entscheidung vom 18. September 2007 - 52336/99, juris Rn. 145; dazu auch KG FamRZ 2010, 2104, 2105; Frowein in Frowein/Peukert, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 7 f.).
48
Daher führt die Berücksichtigung der Garantien der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu keiner anderen Beurteilung der gesetzgeberischen Entscheidung. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR NJW 1979, 2449 Rn. 58; EuGRZ 1992, 12 Rn. 26 ff.; dazu auch BVerfG FamRZ 2009, 1983, 1984) lässt sich vielmehr entnehmen, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet war, die Rechtslage auch für die Zeit vor Verkündung der Entscheidung vom 28. Mai 2009 zu ändern (vgl. Leipold, ZEV 2009, 488, 491 f.; Schäfer, jurisPR-FamR 26/2010 Anm. 1; allgemein dazu Frowein in Frowein/Peukert, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 7 f.; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 25). Anderes wäre allenfalls anzunehmen, wenn der Gerichtshof einen strukturellen Mangel der deutschen Rechtslage festgestellt hätte (vgl. EGMR NJW 2005, 2521 Rn. 193; Frowein in Frowein/Peukert, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 12 f.; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 7 f., 25); dieser wurde jedoch nicht erkannt.
49
b) Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. und die beschränkte Rückwirkung des Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung verletzen keine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition nichtehelicher Kinder.
50
Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet in Satz 1 das Erbrecht sowohl als Rechtsinstitut wie als Individualrecht und überlässt es in Satz 2 dem Gesetzgeber - ebenso wie beim Eigentum -, Inhalt und Schranken des Erbrechts zu bestimmen. Um eine solche Bestimmung des Gesetzgebers handelt es sich sowohl bei den seit 1970 geltenden Erbrechtsvorschriften des Nichtehelichengesetzes als auch bei der Neuregelung aus dem Jahr 2011. Diese bilden einen Teil der vom Verfassungsgeber selbst in Art. 6 Abs. 5 GG verlangten Reform des Nichtehelichenrechts. Deshalb ist in erster Linie dieser Spezialnorm der Prüfungsmaßstab dafür zu entnehmen , ob der Gesetzgeber den Kreis der nichtehelichen Kinder, die in den Genuss der neuen Erbrechtsregelung kommen, verfassungsgemäß abgegrenzt hat (vgl. zum Ganzen bereits BVerfGE 44, 1, 17 f.). Das ist - wie aufgezeigt - der Fall.
51
Anderes ergibt sich nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 19. April 2005 (BVerfGE 112, 332, 349 ff.) ausgesprochen hat, dass die grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass als tragendes Strukturprinzip des geltenden Pflichtteilsrechts durch die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt ist. Diese Entscheidung versteht das Pflichtteilsrecht als tradiertes Kernelement des deutschen Erbrechts, das auch im Sinnzusammenhang mit dem durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des Verhältnisses zwischen dem Erblasser und seinen Kindern steht. Daher lassen sich die dortigen Erwägungen nicht auf das Verhältnis eines nichtehelichen Kindes zu seinem Vater in der Weise übertragen, dass sich daraus über Art. 6 Abs. 5 GG hinaus ein Auftrag zur Gleichstellung ableiten ließe. Das Bundesverfassungsgericht ist vom bestehenden Erb- und Pflichtteilsrecht ausgegangen ; dieses billigt einem nichtehelichen Kind, das vor dem 1. Juli 1949 geboren ist, bisher gerade keinen Pflichtteil zu. Erst die gesetzliche Neuregelung ändert das für Erbfälle ab dem 29. Mai 2009.
52
4. Eine andere Beurteilung folgt nicht aus einer an den Vorgaben des Görgülü-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 111, 307; nachfolgend u.a. BVerfG NJW 2005, 1765 f.; vgl. auch MeyerLadewig , EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 31 ff.) orientierten Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009. Hier ist weder der Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 1 EMRK (unten a) noch derjenige von Art. 14 EMRK (unten b) eröff- net. Daher kann der Kläger durch Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. in diesen Garantien nicht verletzt sein.
53
a) Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten enthält keine isolierte Regelung des Erbrechts. Allerdings geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, das Erbrecht zwischen Kindern und Eltern hänge so eng mit dem Familienleben zusammen, dass es unter Art. 8 Abs. 1 EMRK (Recht auf Achtung des Familienlebens) falle (EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 30; NJW 1979, 2449 Rn. 52). Dessen Anwendbarkeit setzt die Existenz enger persönlicher Verbindungen zwischen Vater und Kind voraus (vgl. EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 30; 2009, 1585, 1586 f.; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 8 Rn. 51; Grötsch, FamRZ 2010, 675, 676; Leipold, FPR 2011, 275, 279; ders. ZEV 2009, 488, 489, 492). Das ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten zu beurteilen und hängt davon ab, ob enge persönliche Beziehungen vorhanden sind, ob der Vater nachweislich ein Interesse an dem Kind hat oder ob er sich zu diesem bekennt (EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 30; 2009, 1585, 1586 f., jeweils m.w.N.). Allein eine biologische Vaterschaft ohne weitere rechtliche oder tatsächliche Merkmale, die auf eine solche enge persönliche Beziehung hindeuten, reicht nicht aus (vgl. EGMR NJW-RR 2009, 1585, 1586).
54
An einer solchen engen persönlichen Verbindung zwischen Kläger und Erblasser fehlt es. Nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher vom Senat zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Erblasser den Kläger zu keiner Zeit als seinen Sohn anerkannt. Weder bestand zwischen beiden ein Kontakt noch war ein solcher vom Erblasser gewollt; lediglich der Vater des Erblassers hielt Briefkontakt mit dem Kläger. Daher mangelte es an einem nach- weislichen Interesse des Erblassers und an dessen Bekenntnis zum Kläger. Allein der Umstand, dass er aufgrund der nach Art. 12 § 3 Abs. 1 Satz 2 NEhelG a.F. statusfeststellenden Wirkung des Unterhaltsurteils als Vater des Klägers galt und diese Statusvaterschaft nicht nach Art. 12 § 3 Abs. 2 Satz 1 NEhelG angefochten worden war, genügt nicht.
55
b) Ebenfalls nicht betroffen ist das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK. Dieses verbietet bei den von der Konvention garantierten Rechten und Freiheiten eine unterschiedliche Behandlung von Personen in vergleichbarer Lage, wenn es dafür keinen sachlichen und vernünftigen Grund gibt (EGMR NJOZ 2005, 1048 Rn. 46; NJW 2005, 875 Rn. 61; 1979, 2449 Rn. 33).
56
Erforderlich wäre dazu, dass der zu beurteilende Sachverhalt unter eine andere Konventionsbestimmung fällt (vgl. EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 28; NJW 2005, 875 Rn. 54; 1979, 2449 Rn. 32; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 14 Rn. 5). Daran fehlt es hier. Weder Art. 8 Abs. 1 EMRK ist tangiert noch Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK, da diese kein Recht auf den Erwerb von Eigentum gewährleisten und daher durch den Ausschluss eines Erbrechts nicht berührt sind (vgl. EGMR NJW 1979, 2449 Rn. 50; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. 1. Zusatzprotokoll zur EMRK Art. 1 Rn. 10).
Wendt Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 21.01.2010- 309 O 278/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 15.06.2010- 2 U 8/10 -

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Für die Klagen ist ausschließlich zuständig: das Gericht, das im ersten Rechtszug erkannt hat; wenn das angefochtene Urteil oder auch nur eines von mehreren angefochtenen Urteilen von dem Berufungsgericht erlassen wurde oder wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund des § 580 Nr. 1 bis 3, 6, 7 angefochten wird, das Berufungsgericht; wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund der §§ 579, 580 Nr. 4, 5 angefochten wird, das Revisionsgericht.

(2) Sind die Klagen gegen einen Vollstreckungsbescheid gerichtet, so gehören sie ausschließlich vor das Gericht, das für eine Entscheidung im Streitverfahren zuständig gewesen wäre.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

Gründe

I

1

Der Antragsteller erstrebt die Wiederaufnahme eines rechtskräftig beendeten Verfahrens.

2

Der Antragsteller erwarb bei der im Vorprozess beklagten Hochschule ein Diplom mit dem Gesamtprädikat "befriedigend". Im Vorprozess hat er Klage erhoben, mit der er sich gegen die Art und Weise der Durchführung des Diplomprüfungsverfahrens sowie gegen die Bewertung seiner Diplomarbeit und des anschließenden Kolloquiums gewandt hat. Unter Abweisung der Klage im Übrigen hat das Verwaltungsgericht durch das angegriffene Urteil vom 14. August 2007 - 12 A 526.03 - die Prüfungsentscheidung insoweit aufgehoben, als damit eine bessere Benotung der Diplomarbeit und des Kolloquiums als "ausreichend" versagt worden ist, und die beklagte Hochschule verpflichtet, über das Ergebnis der Diplomprüfung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Antragstellers durch das angegriffene Urteil vom 8. Juni 2010 - 10 B 4.09 - zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts bewilligt und einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten beigeordnet (BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 6 PKH 15.10 -). Wegen einiger dabei erteilter Hinweise zu den Grenzen des Rechts, dem beigeordneten Rechtsanwalt Weisungen für die Prozessführung zu erteilen, hat der Antragsteller die Richter, die an dem Beschluss vom 26. Oktober 2010 beteiligt gewesen waren, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Durch den angegriffenen Beschluss vom 23. November 2010 hat das Bundesverwaltungsgericht - ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter - das Ablehnungsgesuch des Antragstellers zurückgewiesen. Der beigeordnete Rechtsanwalt weigerte sich, einen vom Antragsteller entworfenen Anwaltsvertrag zu unterzeichnen. Der Antragsteller erteilte ihm keine Vollmacht für die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde. Der beigeordnete Rechtsanwalt hat zur Fristwahrung Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und seine Entpflichtung beantragt. Der Antragsteller hat daraufhin erklärt, die ohne Absprache und ohne sein Einverständnis vorgenommene Verfahrenshandlung sei wirkungslos und werde durch ihn nicht genehmigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den angegriffenen Beschluss vom 29. November 2010 - 6 B 59.10 - die Beiordnung des Rechtsanwalts aufgehoben, den Antrag des Antragstellers abgelehnt, ihm einen anderen Rechtsanwalt beizuordnen und die Nichtzulassungsbeschwerde auf Kosten des Antragstellers als unzulässig verworfen.

3

Der Antragsteller beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Nichtigkeits- und Restitutionsklage gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. August 2007 - 12 A 526.03 -, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Juni 2010 - 10 B 4.09 - sowie die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November 2010 - 6 PKH 15.10 - und vom 29. November 2010 - 6 B 59.10 - zu bewilligen.

II

4

A. Der Senat entscheidet über das Ablehnungsgesuch des Antragstellers und seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Mitwirkung von Richtern, auf welche sich das Ablehnungsgesuch des Antragstellers bezieht. Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig. Unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch, wenn der Ablehnende die bloße Tatsache beanstandet, ein Richter habe an einer Vor- oder Zwischenentscheidung mitgewirkt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. März 2013 - 1 BvR 2853/11 - juris Rn. 30). Dem entspricht das Ablehnungsgesuch des Antragstellers. Er hat pauschal alle Richter abgelehnt, die im Vorprozess an einer der dort ergangenen zahlreichen Zwischen- und Endentscheidungen mitgewirkt haben. Der damit der Sache nach verknüpfte Vorwurf, die von ihnen getroffenen Entscheidungen seien unrichtig, führt nicht dadurch zu einem prüffähigen und damit zulässigen Ablehnungsgesuch, dass der Antragsteller es mit der ebenso pauschal aufgestellten Behauptung verbindet, bei einer gesamtheitlichen Betrachtung orientierten diese Richter die Rechtsprechung anstatt an rechtlichen an (wirtschafts-)politischen und somit an sachfremden Erwägungen.

5

B. Dem Antragsteller kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden. Seine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

6

1. Soweit sich die beabsichtigte Nichtigkeits- und Restitutionsklage gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November 2010 - 6 PKH 15.10 - richten soll, ist die beabsichtigte Klage unzulässig und bietet aus diesem Grund keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach § 153 Abs. 1 VwGO kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wiederaufnahme des Verfahrens wiederaufgenommen werden. Die Vorschrift gilt mithin für rechtskräftige Urteile, urteilsvertretende Beschlüsse beispielsweise nach § 130a VwGO und andere Beschlüsse, soweit sie ein Verfahren abschließen, wie dies etwa auf Beschlüsse zutrifft, mit denen eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen oder verworfen wird (Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 153 Rn. 5 f.). Hingegen findet eine Wiederaufnahme nicht statt gegen gerichtliche Zwischenentscheidungen, welche das Verfahren nicht beenden. Hierzu gehört der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November 2010 - 6 PKH 15.10 -, durch den ein Befangenheitsgesuch des Antragstellers zurückgewiesen worden ist.

7

2. Im Übrigen können der beabsichtigten Nichtigkeits- und Restitutionsklage allerdings nicht bereits deshalb die Erfolgsaussichten abgesprochen werden, weil das Bundesverwaltungsgericht für das Wiederaufnahmeverfahren möglicherweise nicht oder nicht in vollem Umfang sachlich zuständig ist. Sachlich zuständig ist möglicherweise das Berufungsgericht.

8

a) Zwar gehört zur Prüfung der Erfolgsaussichten auch die Prüfung, ob das angerufene Gericht für die beabsichtigte Klage zuständig wäre, diese also bei ihm zulässigerweise erhoben werden könnte. Ist dies nicht der Fall, ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insgesamt zu verweigern, denn eine unzulässige Klage bietet ersichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2004 - VI ZB 12/04 - NJW-RR 2004, 1437).

9

Wie auch sonst sind jedoch schwierige Fragen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit oder des Rechtswegs im Verfahren der Prozesskostenhilfe nicht durchzuentscheiden. Stellen sich solche Fragen, kann die begehrte Prozesskostenhilfe nicht schon ihretwegen aus Gründen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt werden. Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Erhebung der Klage ist vielmehr im Hauptsacheverfahren über die sachliche und örtliche Zuständigkeit oder den zulässigen Rechtsweg im Verfahren nach § 17a GVG zu entscheiden.

10

b) Die beabsichtigte Nichtigkeits- und Restitutionsklage würfe, erhöbe der Antragsteller sie beim Bundesverwaltungsgericht, schwierige Fragen der sachlichen Zuständigkeit auf.

11

Für die Nichtigkeits- und Restitutionsklage ist nach § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 584 ZPO einerseits grundsätzlich dasselbe Gericht zuständig, das im Vorprozess entschieden hat, andererseits aber grundsätzlich auch nur ein Gericht, wenn der Vorprozess mehrere Instanzen durchlaufen hat. Deshalb können unter Umständen im Vorprozess Urteile der ersten Instanz und des Berufungsgerichts mit der Nichtigkeits- oder Restitutionsklage vor dem Revisionsgericht angefochten werden, wie dies hier dem Antragsteller vorschwebt. Ebenso kann unter Umständen eine im Vorprozess ergangene Entscheidung des Revisionsgerichts mit der Nichtigkeits- oder Restitutionsklage vor dem Berufungsgericht angefochten werden.

12

Das Revisionsgericht ist danach zuständig, wenn es (erstens) in der Sache entschieden, also die Revision nicht nur als unzulässig verworfen oder eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen hat, und wenn (zweitens) ein grober Verfahrensfehler nach § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 579, 580 Nr. 4 oder 5 ZPO als Wiederaufnahmegrund geltend gemacht wird (§ 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 584 Abs. 1 Halbs. 3 ZPO), selbst wenn dieser Verfahrensfehler dem Berufungsurteil anhaftet. Hingegen ist, auch wenn ein Revisionsurteil ergangen ist, das Berufungsgericht zuständig, wenn die Wiederaufnahme wegen des Sachverhalts begehrt wird, den das Berufungsgericht in dem Vorprozess festgestellt hat, wie dies insbesondere der Fall ist, wenn ein Wiederaufnahmegrund nach § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 580 Nr. 1 bis 3, 6 und 7 ZPO geltend gemacht wird (§ 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 584 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO). Abweichend von diesen Grundsätzen soll das Revisionsgericht immer zuständig sein, wenn der Wiederaufnahmegrund allein dem Revisionsurteil selbst anhaftet (BGH, Beschluss vom 8. Juni 1973 - I ZR 25/72 - BGHZ 61, 95 <98 f.>), auch wenn die Entscheidung im Revisionsverfahren kein Urteil in der Sache war, sondern die Revision durch Beschluss als unzulässig verworfen wurde (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1973 - IX ZR 154/72 - BGHZ 62, 18) oder eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch Beschluss zurückgewiesen oder verworfen wurde (BVerwG, Beschlüsse vom 28. Januar 1974 - 8 A 2.74 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 12 und vom 26. März 1997 - 5 A 1.97 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 31).

13

Nicht eindeutig geklärt ist jedoch, welches Gericht sachlich zuständig ist, wenn - wie das hier der Fall ist - mehrere Wiederaufnahmegründe geltend gemacht werden, welche teilweise die Zuständigkeit des Berufungsgerichts, teilweise die Zuständigkeit des Revisionsgerichts begründen würden. Insoweit wird im Schrifttum zum Teil die Auffassung vertreten, dies führe zu einer Aufspaltung der Zuständigkeit, die vom Gesetz an sich nicht gewollt sei (Braun, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Aufl. 2012, § 584 Rn. 8), jedenfalls dann, wenn Nichtigkeitsgründe nach § 579 ZPO, für deren Prüfung das Revisionsgericht zuständig wäre, mit Restitutionsgründen zusammentreffen, für deren Prüfung das Berufungsgericht zuständig wäre (Büscher, in: Wieczorek/Schütze, Zivilprozessordnung, 4. Aufl. 2014, § 584 Rn. 16); zum Teil wird eine solche Aufspaltung abgelehnt und eine ausschließliche Zuständigkeit des Berufungsgerichts befürwortet (Jacobs, in: Stein/Jonas, Zivilprozessordnung, Band 6, 22. Aufl. 2013, § 584 Rn. 7; Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 584 Rn. 10).

14

3. Ungeachtet der offenen Frage einer (umfassenden oder teilweisen) Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für die beabsichtigte Wiederaufnahmeklage bietet diese jedenfalls deshalb keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die geltend gemachten Gründe für eine Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Vorprozesses nicht vorliegen, ohne dass es insoweit der Klärung schwieriger tatsächlicher oder rechtlicher Fragen bedürfte.

15

a) Soweit der Antragsteller sich auf die Wiederaufnahmegründe des § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 580 Nr. 3 bis 5 ZPO beruft, liegen die Voraussetzungen des § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 581 Abs. 1 ZPO nicht vor. Wird die Restitution mit der Behauptung begehrt, bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, habe der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht (§ 580 Nr. 3 ZPO) oder das Urteil sei von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt (§ 580 Nr. 4 ZPO) oder ein Richter habe bei dem Urteil mitgewirkt, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht habe (§ 580 Nr. 5 ZPO), findet nach § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 581 ZPO die Restitutionsklage nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann.

16

Der Antragsteller hat nichts dafür vorgetragen noch ist sonst etwas dafür ersichtlich, dass wegen der von ihm behaupteten Straftaten im Sinne des § 580 Nr. 3, 4 und 5 ZPO eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen konnte.

17

b) Ebenso wenig liegt der Wiederaufnahmegrund des § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 580 Nr. 7 Buchst. a ZPO vor.

18

Nach § 580 Nr. 7 Buchst. a ZPO findet die Restitutionsklage statt, wenn die Partei ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, das eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Ein früher rechtskräftig gewordenes Urteil ist in derselben Sache erlassen, wenn seine Rechtskraft den später entschiedenen Streitfall erfasst. Die Wiederaufnahme wird nach § 580 Nr. 7 Buchst. a ZPO zugelassen, weil die Missachtung der Rechtskraft des früheren Urteils einen schweren Verfahrensfehler darstellt. § 580 Nr. 7 Buchst. a ZPO greift danach ein, wenn über eine Klage mit gleichem Streitgegenstand erneut sachlich entschieden wird oder wenn sich das Gericht bei der Entscheidung über einen anderen Streitgegenstand mit einem präjudiziellen Urteil in Widerspruch gesetzt hat (Braun, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Aufl. 2012, § 580 Rn. 41).

19

Keiner dieser Fälle ist hier gegeben. Der Antragsteller meint, das Bundesverwaltungsgericht habe sich in seinem Beschluss vom 29. November 2010 - 6 B 59.10 - bei seiner Entscheidung über die Entpflichtung des dem Antragsteller zunächst im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts in Widerspruch zu einer Rechtsauffassung gesetzt, welche der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 1. März 1973 - III ZR 188/71 - (BGHZ 60, 255) vertreten habe. Die vermeintliche Abweichung von einer Rechtsauffassung, die ein anderes Gericht in einer früheren Entscheidung vertreten hat, erfüllt den Wiederaufnahmegrund des § 580 Nr. 7 Buchst. a ZPO nicht.

20

c) Der Nichtigkeitsgrund des § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist nicht gegeben. Nach § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war.

21

Der insoweit zulässigerweise allein angreifbare Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 2010 - 6 B 59.10 - ist - nach Zurückweisung des gegen sie gerichteten Befangenheitsgesuchs - von den Richtern gefasst worden, die hierzu nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesverwaltungsgerichts und der senatsinternen Geschäftsverteilung des zuständigen 6. Senats berufen waren. Die behauptete Unrichtigkeit der getroffenen Entscheidung begründet nicht die Annahme, der Beschluss sei von befangenen Richtern gefällt worden, mit der weiteren Folge, das Gericht sei eben wegen dieser Befangenheit nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

Für die Erhebung der Klagen und das weitere Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften entsprechend, sofern nicht aus den Vorschriften dieses Gesetzes sich eine Abweichung ergibt.

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

Tatbestand

1

I. Der Beklagte, Beschwerdegegner und Wiederaufnahmebeklagte (das Finanzamt --FA--) hatte gegen die Klägerin, Beschwerdeführerin und Wiederaufnahmeklägerin (Klägerin) im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung Bescheide über Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 1997 bis 2006 erlassen, in denen die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb geschätzt worden war. Nachdem der erkennende Senat ein erstes klageabweisendes Urteil des Finanzgerichts (FG) aufgehoben und die Sache zurückverwiesen hatte (Beschlüsse vom 29. Juni 2011 X B 242-244/10, BFH/NV 2011, 1715), minderte das FG die Schätzungsbeträge im zweiten Rechtsgang, setzte die Festsetzungen entsprechend herab und wies die Klagen im Übrigen ab. Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerin gegen diese Entscheidungen blieben beim erkennenden Senat ohne Erfolg (Beschluss vom 14. Mai 2013 X B 123-125/12, BFH/NV 2013, 1253).

2

Mit einem am 23. Juni 2014 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schreiben begehrt die Klägerin die Wiederaufnahme der Verfahren X B 123-125/12. Sie bringt vor, erst am 6. Juni 2014 im Wege der erneuten Einsichtnahme in die Akten des parallel geführten Steuerstrafverfahrens Kenntnis von dem Video-Observationsbericht und dessen Auswertung erhalten zu haben. Diese Unterlagen habe die Steuerfahndung erst mit Schreiben vom 20. März 2014 zu den Strafakten gereicht; zuvor seien sie der Klägerin nicht zugänglich gewesen. Aus diesen Unterlagen ergebe sich die Notwendigkeit der Vernehmung des Fahndungsprüfers.

3

Die Klägerin beantragt,
die abgeschlossenen Verfahren X B 123-125/12 wieder aufzunehmen und die Revisionen zuzulassen,
hilfsweise, die Wiederaufnahmeklage an das FG zu verweisen.

4

Das FA hält den BFH für nicht zuständig und beantragt,
die Wiederaufnahmeklage an das FG zu verweisen,
hilfsweise, die Wiederaufnahmeklage als unzulässig zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Wiederaufnahmeklage ist an das FG zu verweisen.

6

1. Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien (Beteiligten) von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges (§ 17a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes --GVG--). Diese Vorschrift ist im finanzgerichtlichen Verfahren in Fällen der Anrufung eines sachlich oder örtlich unzuständigen Gerichts entsprechend anzuwenden (§ 70 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

7

a) Die sachliche Zuständigkeit --hier: instanzielle Zuständigkeit als Unterfall der sachlichen Zuständigkeit-- für Wiederaufnahmeklagen richtet sich nach § 584 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 134 FGO. Danach ist für Wiederaufnahmeklagen --abgesehen von der im finanzgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufungsinstanz-- ausschließlich zuständig das Gericht, das im ersten Rechtszug erkannt hat; jedoch das Revisionsgericht, wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund der §§ 579, 580 Nrn. 4, 5 ZPO angefochten wird.

8

Danach liegen im Streitfall die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit des Revisionsgerichts nicht vor. Zwar ist "Revisionsgericht" im Sinne dieser Vorschrift auch das Rechtsmittelgericht, das über eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision entschieden hat (BFH-Beschlüsse vom 25. November 1999 I K 1/98, BFH/NV 2000, 730, und vom 26. Juni 2003 III K 1/03, BFH/NV 2003, 1436). Jedoch hat die Klägerin ihre Wiederaufnahmeklage nicht auf die §§ 579, 580 Nrn. 4, 5 ZPO gestützt. Ausdrücklich bezeichnet sie keinen der gesetzlichen Nichtigkeits- oder Restitutionsgründe. Ihr Begehren ist aber sinngemäß dahingehend auszulegen, dass sie den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO geltend machen will, da sie vorbringt, erst nach der Rechtskraft der vorangehenden Entscheidungen den Observationsbericht und dessen Auswertung zu benutzen in den Stand gesetzt worden sei. Damit ist das FG als das Gericht, welches das angefochtene Urteil in erster Instanz erlassen hat (vgl. § 584 ZPO), grundsätzlich für die Entscheidung über die Restitutionsklage ausschließlich zuständig. Dies ist nach der Systematik des § 584 ZPO auch in der Sache gerechtfertigt, weil die von der Klägerin vorgebrachten Restitutionsgründe nicht die eigene Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, sondern die tatsächlichen Feststellungen des Instanzgerichts betreffen (vgl. auch hierzu BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 730).

9

b) Die in § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG vorgesehene Anhörung der Beteiligten ist im vorliegenden Verfahren entbehrlich. Das FA hat in seiner Klageerwiderung auf die Unzuständigkeit des BFH hingewiesen und die Verweisung an das FG beantragt. In seiner Replik ist die Klägerin dem nicht entgegengetreten und hat selbst --jedenfalls hilfsweise-- die Verweisung beantragt.

10

2. Wird mit einer Restitutionsklage ein unzuständiges Gericht angerufen, ist die Entscheidung über die Verweisung an das zuständige Gericht nicht durch formlose Abgabe, sondern durch bindenden Beschluss zu treffen (Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 29. November 1990 AR 2 Z 85/90, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1991, 133). Aus diesem Grund wahrt die Klageerhebung beim unzuständigen Gericht die in § 586 Abs. 1 ZPO für Wiederaufnahmeklagen vorgesehene Frist von einem Monat seit Erlangung der Kenntnis vom Anfechtungsgrund (vgl. auch § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG; Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. November 1969  4 RJ 117/69, BSGE 30, 126).

11

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen (§ 17b Abs. 2 GVG i.V.m. § 70 Satz 1 FGO).

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 6/15
vom
12. Juli 2017
in der Nachlasssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
NEhelG Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 i.d.F. vom 19. August 1969; ZwErbGleichG
Art. 1 Nr. 2, Art. 5 Satz 2
Zum Erbrecht vor dem 1. Juli 1949 geborener nichtehelicher Kinder, hier:
teleologische Erweiterung von Art. 5 Satz 2 des Zweiten Erbrechtsgleichstellungsgesetzes
(ZwErbGleichG).
BGH, Beschluss vom 12. Juli 2017 - IV ZB 6/15 - KG Berlin
AG BerlinCharlottenburg
ECLI:DE:BGH:2017:120717BIVZB6.15.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Felsch, Dr. Karczewski, die Richterin Dr. Brockmöller und den Richter Dr. Götz
am 12. Juli 2017

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin werden der Beschluss des 6. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 16. Januar 2015 und das Verfahren aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 45.000 €

Gründe:


1
I. Die am 13. Januar 1928 nichtehelich geborene Antragstellerin begehrt die Erteilung eines sie als Alleinerbin ihres am 13. Juni 1993 verstorbenen Vaters ausweisenden Erbscheins.
2
Sie ist das einzige Kind des Erblassers, der sein Leben lang ledig war. Er wurde im Jahr 1928 von dem Amtsgericht Charlottenburg verurteilt , Unterhalt an die nicht in seinem Haushalt lebende Antragstellerin zu leisten. Die Antragstellerin hatte - nach ihrem für das Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legenden Vortrag - vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges das letzte Mal im Alter von etwa vierzehneinhalb Jahren Kontakt zu dem Erblasser. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Antragstellerin in einem Ministerium der ehemaligen DDR tätig. Aus diesem Grund war ihr die Kontaktaufnahme zu dem auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland lebenden Erblasser untersagt. Nach dem Fall der Berliner Mauer versuchte die Antragstellerin, den Erblasser wiederzufinden. Dies gelang ihr im Jahr 1991. Mit Schreiben vom 14. März 1992 erklärte der Erblasser "eidesstattlich", dass die Antragstellerin seine leibliche Tochter sei. Die Antragstellerin besuchte den Erblasser im Seniorenheim , war Ansprechpartnerin für seine Ärzte und wurde nach dem plötzlichen Tod des Erblassers um die Zustimmung zur Obduktion seines Leichnams gebeten. Sie kümmerte sich auch um das Begräbnis des Erblassers.
3
Nach dem Tod des Erblassers wurde die Antragstellerin als dessen einzige bekannte Angehörige vom Nachlassgericht benachrichtigt und um Mitteilung von Informationen zu dem Erbfall gebeten. Da sich keine weiteren als Erben in Betracht kommenden Personen bei dem Nachlassgericht meldeten, setzte dieses einen Nachlasspfleger ein, dessen Aufgabe unter anderem war, Erben zu ermitteln. Sein Versuch der Erbenermittlung blieb zunächst erfolglos. Im April 1996 stellte das Nachlassgericht fest, dass ein anderer Erbe als das Land Berlin nicht vorhanden sei.
4
Knapp vier Monate nach dem Erlass des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) vom 28. Mai 2009 zur Konventionswidrigkeit der erbrechtlichen Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern in der Rechtssache Brauer gegen Deutschland (ZEV 2009, 510) beantragte die Antragstellerin unter Bezugnahme auf diese Entscheidung im September 2009 die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins. Der Antrag hatte keinen Erfolg.
5
Im Dezember 2009 bzw. August 2012 beantragten der Beteiligte zu 2, ein Neffe des Erblassers, bzw. die Beteiligten zu 3 bis 5, eine Großnichte , eine Nichte und ein weiterer Neffe des Erblassers, die Erteilung von Erbscheinen. Auf diese Anträge erteilte das Nachlassgericht am 14. Februar 2012 einen ersten gemeinschaftlichen Teilerbschein zugunsten des Beteiligten zu 2 und seiner ausschließlich von ihm beerbten verstorbenen Schwester und am 30. August 2012 einen zweiten und letzten gemeinschaftlichen Teilerbschein zugunsten der Beteiligten zu 3 bis 5. Der Beschluss über die Feststellung des Fiskuserbrechts aus dem Jahr 1996 wurde aufgehoben. Die Beteiligten zu 2 bis 5 waren durch einen Erbenermittler ausfindig gemacht worden.
6
Nachdem in einem von der Antragstellerin eingeleiteten gesonderten Verfahren mit Beschluss des Kammergerichts vom 3. Juni 2014 festgestellt worden war, dass der Erblasser ihr Vater ist, hat sie am 29. August 2014 erneut und unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 7. Februar 2013 in der Rechtssache Fabris gegen Frankreich (ZEV 2014, 491) beantragt, ihr einen Alleinerbschein zu erteilen und die den übrigen Beteiligten erteilten Teilerbscheine einzuziehen. Diesen Antrag hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.
7
II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens unter Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 74 Abs. 6 Satz 2 Alt. 1 FamFG).
8
1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in ZEV 2015, 529 veröffentlicht ist, ist der Auffassung, der Antragstellerin stehe kein gesetzliches Erbrecht nach dem Erblasser zu. Sie sei gemäß § 1589 Abs. 2 BGB in der bis zum 30. Juni 1970 geltenden Fassung (im Folgenden: § 1589 Abs. 2 BGB a.F.) nicht als mit dem Erblasser verwandt anzusehen. Die Aufhebung dieser Vorschrift durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1243; im Folgenden: Nichtehelichengesetz/NEhelG a.F.) gelte gemäß Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 dieses Gesetzes nicht für die vor dem 1. Juli 1949 geborene Antragstellerin. Die Ersetzung der letztgenannten Bestimmung gemäß Art. 1 Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 12. April 2011 (BGBl. I S. 615; im Folgenden: Zweites Erbrechtsgleichstellungsgesetz/ ZwErbGleichG) habe für den in Streit stehenden Erbfall, der sich vor dem 29. Mai 2009 ereignete, gemäß Art. 5 Satz 2 des Gesetzes keine Geltung. Die begrenzte Rückwirkung der Ersetzung von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. sei im Hinblick auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) nicht zu beanstanden. Etwas anderes ergebe sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des EGMR in der Rechtssache Fabris gegen Frankreich.
9
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach dem mangels abweichender Feststellungen des Beschwerdegerichts dem Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legenden Vortrag der Antragstellerin ist sie als Tochter des Erblassers gemäß § 1924 Abs. 1 BGB dessen Er- bin erster Ordnung. Dies folgt aus einer über den Wortlaut von Art. 5 Satz 2 ZwErbGleichG hinausgehenden, konventionsrechtlich gebotenen teleologischen Erweiterung der genannten Bestimmung.
10
a) Das Beschwerdegericht hat zunächst rechtsfehlerfrei ausgeführt , dass die Antragstellerin nach dem Wortlaut von Art. 5 Satz 2 ZwErbGleichG gemäß § 1589 Abs. 2 BGB a.F. in Verbindung mit Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. für erbrechtliche Verhältnisse nicht als mit dem Erblasser verwandt anzusehen ist. Danach tritt die durch Art. 1 Nr. 2 ZwErbGleichG angeordnete Ersetzung von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F., der bestimmte, dass für die erbrechtlichen Verhältnisse eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes zu seinem Vater § 1589 Abs. 2 BGB a.F. als bisher geltende Vorschrift maßgebend bleibt, erst mit Wirkung für Erbfälle ab dem 29. Mai 2009 in Kraft. Hier ist der Erblasser vor diesem Stichtag verstorben. Diese Regelung ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden (Senatsurteil vom 26. Oktober 2011 - IV ZR 150/10, BGHZ 191, 229 Rn. 19 ff.; BVerfG ZEV 2013, 326 Rn. 27 ff.).
11
b) Indes würde die Antragstellerin - anders als das Beschwerdegericht meint - bei diesem Ergebnis der Rechtsanwendung nach der neueren Rechtsprechung des EGMR in ihren Rechten aus Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot ) in Verbindung mit Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK (Schutz des Eigentums) verletzt werden. Hiernach kommt ein Konventionsverstoß in Betracht, wenn ohne die gerügte Diskriminierung ein nach staatlichem Recht durchsetzbarer Anspruch auf den Vermögenswert bestanden hätte (EGMR in der Rechtssache Fabris gegen Frankreich ZEV 2014, 491 Rn. 52). Dabei kann offen bleiben, welche Folgerungen sich aus der Entscheidung des EGMR in der Rechtssache Fabris gegen Frankreich für das deutsche Recht ergeben (vgl. hierzu BT- Drucks. 17/13579 S. 20; Lehmann/Hahn, ZEV 2013, 192; Leipold, ZEV 2014, 449; Reimann, FamRZ 2013, 851). Denn die Konventionswidrigkeit des Ergebnisses der wortlautgetreuen Anwendung von Art. 5 Satz 2 ZwErbGleichG ergibt sich nunmehr jedenfalls aus dem - nach dem Erlass des Senatsurteils vom 26. Oktober 2011 (IV ZR 150/10, BGHZ 191, 229) und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. März 2013 (ZEV 2013, 326) ergangenen - Urteil des EGMR vom 23. März 2017 in der Rechtssache Wolter und Sarfert gegen Deutschland (NJW 2017, 1805; vgl. hierzu Magnus, FamRZ 2017, 831), welches (anders als das Urteil des EGMR vom 9. Februar 2017 in der Rechtssache Mitzinger gegen Deutschland, Zusammenfassung der Entscheidung in FamRZ 2017, 656; vgl. hierzu auch Magnus FamRZ 2017, 586) die derzeit geltende und im Streitfall maßgebliche Rechtslage nach Inkrafttreten des Zweiten Erbrechtsgleichstellungsgesetzes betrifft.
12
aa) Nach dem Urteil des EGMR vom 23. März 2017 verletzt das Ergebnis der strikten Anwendung der in Art. 5 Satz 2 ZwErbGleichG bestimmten Stichtagsregelung die sich aus den genannten Bestimmungen der EMRK ergebenden Rechte nichtehelicher Kinder, wenn unter den besonderen Umständen des Falles kein gerechter Ausgleich zwischen den betroffenen widerstreitenden Interessen hergestellt würde, wobei die Kenntnis der Betroffenen, der Status der erbrechtlichen Ansprüche (Verjährung ) und die bis zur Geltendmachung des Anspruchs verstrichene Zeit ebenso zu berücksichtigen sind wie der Umstand, ob durch das nationale Recht eine finanzielle Entschädigung für den Verlust des Erbrechts gewährt wird (vgl. EGMR aaO Rn. 51, 72 ff.).
13
bb) Unter Zugrundelegung dieser Kriterien würde die Antragstellerin bei einer wortlautgetreuen Anwendung von Art. 5 Satz 2 ZwErbGleichG in ihren Rechten aus Art. 14 EMRK in Verbindung mit Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK verletzt. Wie im Fall des Beschwerdeführers zu 1 vor dem EGMR (vgl. EGMR aaO Rn. 73), hatten die Beteiligten zu 2 bis 5 Kenntnis von der Existenz der Antragstellerin, als ihnen die Erbscheine erteilt wurden. Weiter ist die gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB dreißigjährige Verjährungsfrist für den Anspruch aus § 2018 BGB im Streitfall ebenso wenig abgelaufen, wie dies in den Fällen der Beschwerdeführer bei dem EGMR der Fall war (vgl. EGMR aaO Rn. 75). Zudem hat die Antragstellerin den Erbschein nur knapp vier Monate nach der Entscheidung in der Rechtssache Brauer gegen Deutschland beantragt; im Fall des Beschwerdeführers zu 1 beim EGMR war ein vergleichbarer Zeitraum - knapp zwei Monate (vgl. EGMR aaO Rn. 9 - insoweit in NJW 2017, 1805 nicht abgedruckt - und Rn. 76) - verstrichen. Schließlich steht der Antragstellerin für den Ausschluss des Erbrechts insbesondere auch kein Anspruch auf Zahlung einer finanziellen Entschädigung zu, weil die Voraussetzung von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG in der gemäß Art. 1 Nr. 2 ZwErbGleichG geänderten Fassung - das Bestehen des Fiskuserbrechts gemäß § 1936 BGB - im Streitfall nicht erfüllt ist.
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c) Aufgrund der danach gegebenen Konventionswidrigkeit des Ausschlusses des Erbrechts der Antragstellerin ist Art. 5 Satz 2 ZwErbGleichG im Streitfall teleologisch dahin zu erweitern, dass die Ersetzung von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. gemäß Art. 1 Nr. 2 ZwErbGleichG bereits für den in Rede stehenden Erbfall Geltung beansprucht und § 1589 Abs. 2 BGB a.F. damit nicht mehr anzuwenden ist.
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Die EMRK und ihre Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind - stehen innerhalb der deutschen Rechtsordnung zwar nur im Rang eines Bundesgesetzes (BVerfG FamRZ 2015, 1263 Rn. 47; BVerfGE 128, 326 unter C I 1 a; BVerfGE 111, 307 unter C I 1 a). Deutsche Gerichte trifft jedoch die Verpflichtung, die Gewährleistungen der Konvention zu berücksichtigen und in den betroffenen Teilbereich der nationalen Rechtsordnung einzupassen. Die Möglichkeit einer konventionsfreundlichen Auslegung endet jedoch dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint, etwa wenn die Beachtung der Entscheidung des Gerichtshofs gegen eindeutig entgegenstehendes Gesetzesrecht verstößt (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 1263 Rn. 47 f.; BVerfGE 111, 307, 329).
16
aa) Die vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 18. März 2013 ausdrücklich offen gelassene Frage, ob eine teleologische Erweiterung von Art. 5 ZwErbGleichG in bestimmten Fällen, die in tatsächlicher Hinsicht mit dem durch den EGMR in der Rechtssache Brauer gegen Deutschland entschiedenen Fall vergleichbar sind, in Betracht kommt (BVerfG ZEV 2013, 326 Rn. 43), ist zu bejahen. Die teleologische Erweiterung von Art. 5 Satz 2 ZwErbGleichG liegt in den genannten Fällen im Rahmen geltender methodischer Standards (vgl. Lieder in Erman, BGB 14. Aufl. § 1924 Rn. 1e; MünchKomm-BGB/Leipold, 7. Aufl. Einleitung Band 10 Rn. 113; ders., ZEV 2014, 449, 455; ders., FPR 2011, 275, 279 f.; Lieder/Berneith, FamRZ 2015, 1528 f.; wohl auch BeckOGK/ Tegelkamp, BGB Stand: 1.4.2017 § 1924 Rn. 52 ff.; Magnus, FamRZ 2017, 586, 590; a.A. OLG Düsseldorf FamRZ 2015, 1526, 1527).
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(1) Allgemein setzt die teleologische Erweiterung einer Gesetzesbestimmung eine Regelungslücke voraus. Die Bestimmung muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, das heißt ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen. Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig anzuse- hen ist, reicht nicht aus. Ihre Unvollständigkeit erschließt sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck und kann auch bei einem eindeutigen Wortlaut vorliegen (BFH ZIP 2016, 463 Rn. 37; vgl. auch BVerwG NJW 2013, 2457 Rn. 22; jeweils m.w.N.).
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(2) Diese Voraussetzung ist im Hinblick auf Art. 5 Satz 2 ZwErbGleichG bei Erbfällen erfüllt, die sich vor dem 29. Mai 2009 ereigneten und in tatsächlicher Hinsicht mit der Rechtssache Brauer gegen Deutschland vergleichbar sind.
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Das ZwErbGleichG bezweckt, die vom EGMR in der genannten Rechtssache für konventionswidrig befundene Ungleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder im Erbrecht zu beseitigen, und zwar soweit möglich (BT-Drucks. 17/3305 S. 1; 17/4776 S. 1). Dabei hat der Gesetzgeber die Beseitigung der erbrechtlichen Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern auch für Erbfälle, die sich vor dem 29. Mai 2009 ereigneten, für wünschenswert gehalten (BT-Drucks. 17/4776 S. 7). Er hat sich jedoch aus Gründen des Vertrauensschutzes und aufgrund der mit einer Rückabwicklung weit in der Vergangenheit liegender Erbfälle verbundenen praktischen Schwierigkeiten dagegen entschieden, die Ungleichbehandlung auch insoweit zu beseitigen (BTDrucks. 17/3305 S. 7 f.; 17/4776 S. 7). Dabei wollte der Gesetzgeber indes nicht in Kauf nehmen, dass die Bundesrepublik Deutschland in einem Fall, der dieselben Besonderheiten wie die Rechtssache Brauer gegen Deutschland aufweist, erneut durch den EGMR verurteilt wird. Das ergibt sich aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages. Dort heißt es (BT-Drucks. 17/4776 S. 7): "Weitere Verurteilungen Deutschlands durch den EGMR sind unwahrscheinlich, selbst wenn dem nichtehelichen Kind in einer Fallkonstellation, wie sie dem vom EGMR entschiedenen Fall zu Grunde lag - der Erbfall ereignete sich schon im Zeitraum 30. Juni bis 3. Juli 1998 - auch nach dem Gesetzentwurf kein Erbrecht zustünde. Denn der EGMR entscheidet stets Einzelfälle. Der entschiedene Fall weist aber durch den DDR-Bezug, die tatsächliche Nähebeziehung zwischen Kind und nichtehelichem Vater sowie das Fehlen anderer naher gesetzlicher Erben zahlreiche Besonderheiten auf und kann daher als atypisch bezeichnet werden. Vor allem betonte der EGMR, dass dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes der gesetzlichen Erben in dem konkreten Fall keine Bedeutung zukam, da es nur Erben dritter Ordnung gab, die der Erblasser nicht einmal kannte (Rdnr. 44). Dem Vertrauensschutz näherer Verwandter würde ein größeres Gewicht zukommen , so dass in einem derartigen Fall ganz andere Ausgangsbedingungen vorlägen, die der EGMR in seine Abwägung einzubeziehen hätte."
20
Die Einschätzung, dass weitere Verurteilungen Deutschlands durch den EGMR deswegen unwahrscheinlich seien, weil die Rechtssache Brauer gegen Deutschland von zahlreichen Besonderheiten gekennzeichnet werde und dadurch ein "atypischer" Fall sei, macht deutlich, dass der Gesetzgeber solche aus seiner Sicht "atypischen Fälle" nicht dahingehend regeln wollte, dass es zu einer weiteren Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland kommt. Die Billigung einer erneuten Verurteilung gerade in einem Fall, der der Rechtssache Brauer gegen Deutschland im Kern entspricht, widerspräche geradezu dem Regelungsziel , die vom EGMR in dieser Rechtssache festgestellte Konventionswidrigkeit der Ungleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder im Erbrecht zu beseitigen.
21
bb) Der Streitfall ist in tatsächlicher Hinsicht mit der Rechtssache Brauer gegen Deutschland vergleichbar. Er weist alle Besonderheiten auf, die diese Rechtssache aus Sicht des Gesetzgebers zu einem "atypischen" Fall gemacht haben.
22
Ebenso wie die Beschwerdeführerin Brauer lebte die Antragstellerin in der ehemaligen DDR, während ihr Vater in der Bundesrepublik Deutschland wohnte. Die Antragstellerin und ihren Vater verband darüber hinaus - nach dem für das Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legenden Vorbringen der Antragstellerin - eine tatsächliche Nähebeziehung , die sich, wie in der Rechtssache Brauer gegen Deutschland, unter anderem in Besuchen äußerte. Schließlich liegt auch im Streitfall die - vom Gesetzgeber besonders hervorgehobene - Situation vor, dass andere nahe gesetzliche Erben fehlen und die übrigen als Erben in Betracht kommenden Personen in Ermangelung einer tatsächlichen Beziehung zum Erblasser kein Vertrauen auf den Erhalt der Erbschaft bilden konnten; die Beteiligten zu 2 bis 5 als Erben höherer Ordnungen traten im nachlassgerichtlichen Verfahren erst viele Jahre nach dem Tod des Erblassers zum ersten Mal in Erscheinung.
23
cc) Die teleologische Erweiterung des Art. 5 Satz 2 ZwErbGleichG verletzt nicht die sich aus den Grundrechten der Beteiligten zu 2 bis 5 ergebenden verfassungsrechtlichen Grenzen der konventionskonformen Auslegung und Anwendung von Gesetzesrecht.
24
(1) Betrifft die Feststellung des EGMR, dass das Ergebnis einer Gesetzesanwendung die EMRK verletzt, eine Bestimmung des Privatrechts , haben deutsche Gerichte bei der Anwendung der betreffenden Entscheidung auf das Privatrechtsverhältnis zu berücksichtigen, dass sie ein mehrpoliges Grundrechtsverhältnis auszugestalten haben und es insoweit regelmäßig auf sensible Abwägungen zwischen verschiedenen subjektiven Rechtspositionen ankommt, was einer schematischen Anwendung der Entscheidung des EGMR entgegensteht (vgl. BVerfGE 128, 326 unter C I 1 f; BVerfGE 111, 307 unter C I 3 a).
25
(2) Das Grundrecht der Beteiligten zu 2 bis 5 aus Art. 14 Abs. 1 GG, welches das bis zur Änderung des Nichtehelichengesetzes durch das Zweite Erbrechtsgleichstellungsgesetz gemäß § 1925 Abs. 1 BGB bestehende Erbrecht der Beteiligten zu 2 bis 5 vom Eintritt des Erbfalles an schützt (vgl. BVerfG ZEV 2013, 326 Rn. 28), überwiegt das ebenfalls gemäß Art. 6 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verbürgte Recht der Antragstellerin auf grundsätzliche Gleichbehandlung mit ehelichen Kindern (BVerfG aaO Rn. 32) nicht. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht daran gehindert, Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. für Erbfälle ab dem 29. Mai 2009 durch die in Art. 1 Nr. 2 ZwErbGleichG vorgesehene Regelung zu ersetzen, ein grundrechtlich geschütztes Erbrecht also zugunsten der Gleichbehandlung nichtehelicher und ehelicher Kinder mit - wenn auch zeitlich begrenzter - echter Rückwirkung zu entziehen (vgl. BVerfG aaO Rn. 33 ff.). Maßgebend ist insoweit der Gesichtspunkt , dass seit der Entscheidung des EGMR in der Rechtssache Brauer gegen Deutschland ein gefestigtes und schutzwürdiges Vertrauen der Väter nichtehelicher Kinder und deren erbberechtigter Familienangehöriger auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage nicht mehr entstehen konnte (vgl. BVerfG aaO Rn. 36; BT-Drucks. 17/3305 S. 7; 17/4776 S. 7).
26
Die Abwägung der grundrechtlich geschützten Rechtspositionen kann erst recht zu keinem anderen Ergebnis führen, wenn sich, wie hier in Bezug auf die Beteiligten zu 2 bis 5, auf Seiten der erbberechtigten Familienangehörigen des Vaters des nichtehelichen Kindes bereits faktisch kein - als schutzwürdig in Betracht kommendes - Vertrauen auf den Erhalt der Erbschaft gebildet hat, weil zwischen ihnen und dem Erblasser - nach dem für das Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt - keinerlei tatsächliche Beziehungen bestanden.
27
3. Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif (§ 74 Abs. 6 Satz 2 Alt. 1 FamFG). Da die Beteiligten zu 2 bis 5 aufgrund der Feststellungen des Nachlass- und des Beschwerdegerichts davon ausgehen konnten, dass der Antragstellerin kein Erbrecht zusteht, hatten sie keine Veranlassung, zu dem Vortrag der Antragstellerin Stellung zu nehmen. Ihnen ist Gelegenheit zu geben, dies nachzuholen.
Mayen Felsch Dr. Karczewski
Dr. Brockmöller Dr. Götz

Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 20.10.2014 - 60 VI 318/09 -
KG Berlin, Entscheidung vom 16.01.2015 - 6 W 162/14 -