Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2009 - IV ZB 26/08

bei uns veröffentlicht am11.02.2009
vorgehend
Landgericht Berlin, 35 O 15/07, 11.01.2008
Kammergericht, 23 U 41/08, 07.05.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 26/08
vom
11. Februar 2009
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 11. Februar 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 23. Senats des Kammergerichts vom 7. Mai 2008 wird auf Kosten des Klägers verworfen.
Beschwerdewert: 525.000 €

Gründe:


1
I. Der Kläger erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Begründung der Berufung. Der unter dem 17. März 2008 gefertigte Schriftsatz, der den Antrag zur Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung gegen das dem Kläger am 17. Januar 2008 zugestellte Urteil enthielt, ist bei dem Kammergericht per Telefax erst am 18. März 2008 eingegangen. Nach einem entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts auf den verspäteten Verlängerungsantrag , der beim Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25. März 2008 eingegangen ist, hat der Kläger mit einem am 2. April 2008 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Wiedereinset- zung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich eine Berufungsbegründung vorgelegt.
2
1. Die Fristversäumnis wird damit begründet, dass der Schriftsatz mit dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zwar am 17. März 2008, also am letzten Tag der Frist, gefertigt und dann in eine für den Postausgang von mit Telefax zu übermittelnden Schreiben vorgesehene Mappe gelegt worden sei. Die für den Postausgang verantwortliche Büroleiterin des Prozessbevollmächtigten des Klägers habe die in dieser Mappe gesammelten Schriftstücke am selben Tag gegen 14.30 Uhr versandt, hierbei aber aus nicht mehr vollständig aufklärbaren Gründen den Fristverlängerungsantrag übersehen. Gleichwohl habe sie im weiteren Verlauf des Nachmittags die Frage des Klägervertreters, ob der Fristverlängerungsantrag per Telefax an das Berufungsgericht übermittelt worden sei, bejaht. Da der Klägervertreter keine Veranlassung gehabt habe, den Angaben seiner gut ausgebildeten und bis dahin stets verlässlich arbeitenden Büroleiterin zu misstrauen, habe er die Löschung der Berufungsbegründungsfrist veranlasst. Der Ablauf dieser Frist war mit dem 17. März 2008 zuvor ordnungsgemäß sowohl in dem elektronischen als auch in dem normalen Fristenkalender notiert worden. In der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten habe die allgemeine und regelmäßig auf ihre Einhaltung überprüfte Anweisung bestanden, bei Übermittlung eines Schriftstücks per Telefax die Telefax-Nummer des Empfängers sowohl nach ihrer Eingabe als auch anhand der Sendebestätigung zu überprüfen und ferner an Hand von Sendeprotokoll und Empfangsbestätigung zu kontrollieren, ob die Übermittlung korrekt und vollständig erfolgt sei. Der Schriftsatz mit dem Antrag auf Fristverlängerung sei erst am darauf folgenden Tag in der Ausgangsmappe für Telefax-Schreiben aufgefunden worden.
3
2. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen , weil der Kläger ein ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumnis nicht ausgeräumt habe. Da der Klägervertreter selbst die Löschung der notierten Frist veranlasst habe, hätte er sich zuvor auch selbst anhand von Sendebericht oder Eingangsbestätigung von der ordnungsgemäßen Absendung per Telefax überzeugen müssen. Die vorzeitige Löschung der Frist habe also die rechtzeitige Aufdeckung des fehlenden Versands bei der gebotenen Kontrolle der offenen Fristen am Ende der Bürotätigkeit am 17. März 2008 und damit die fristwahrende Absendung des Schriftsatzes verhindert. Wegen der Gefahr von Erinnerungsfehlern hätte sich der Klägervertreter auch nicht auf die Angaben seiner ansonsten zuverlässigen Büroleiterin verlassen dürfen; dadurch sei die tatsächlich mögliche Ausgangskontrolle durch ein unnötiges zusätzliches Risiko belastet worden.
4
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
5
1. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hier nicht erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt keine Verfahrensgrundrechte des Klägers, namentlich nicht den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), den Anspruch auf ein willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip).
6
2. Der Kläger war nicht ohne sein Verschulden gehindert, die Frist für die Berufung einzuhalten (§§ 233, 520 Abs. 2 ZPO). Sein Prozessbevollmächtigter hat diese Frist versäumt; dessen Verschulden muss sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
7
Darauf, ob die in der Kanzlei des Klägervertreters insoweit praktizierte Ausgangskontrolle den Anforderungen der Rechtsprechung generell genügte (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05 - NJW 2006, 1519 unter III 1 m.w.N.; Senatsbeschlüsse vom 11. Oktober 2000 - IV ZB 17/00 - VersR 2001, 85 unter II 1 b und vom 20. Dezember 2006 - IV ZB 25/06 - FamRZ 2007, 1637 unter II 2 c, jeweils m.w.N.), kommt es im Streitfall nicht an. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat schuldhaft in das in seiner Kanzlei praktizierte System der Ausgangskontrolle eingegriffen und damit die Fristversäumung verursacht. Er hat die Löschung der Frist im Kalender hier selbst veranlasst, ohne sich von der ordnungsgemäßen Absendung des Telefax-Schreibens zu überzeugen. Dies begründet ebenso ein eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten wie der Umstand, dass sich dieser auf die von seiner Büroleiterin auf Nachfrage erteilte Auskunft über die - angebliche - Absendung des Telefax verließ. Der Rechtsanwalt kann zwar die Ausgangskontrolle auf zuverlässiges Büropersonal übertragen und braucht sie nicht selbst vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 23. März 1995 - VII ZB 19/94 - NJW 1995, 2105 unter II 2). Übernimmt er sie aber im Einzelfall selbst, muss er auch selbst für eine wirksame Kontrolle Sorge tragen (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 aaO unter III 2).
8
Hier hat er sich bei seiner Bürovorsteherin gezielt nach der Absendung des betreffenden Schriftsatzes erkundigt und sodann die Löschung der entsprechenden Frist selbst veranlasst. Er hätte sich jedoch zuvor Klarheit darüber verschaffen müssen, ob ein ordnungsgemäßes Sendeprotokoll und eine Empfangsbestätigung vorlagen. Schon insoweit war seine Ausgangskontrolle unzureichend. Auch auf die Auskunft seiner Bürovorsteherin hätte er sich nicht ohne weiteres verlassen dürfen, zumal er sich nicht sicher sein konnte, dass diese sich zuverlässig an die bereits länger zurückliegende (vermeintliche) Absendung erinnern würde (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 aaO). Die insoweit gebotene eigene Kontrolle hätte die vorzeitige Löschung der Frist verhindert und bei der weisungsgemäßen Überprüfung am Ende der Bürostunden die noch rechtzeitige Absendung des Verlängerungsantrags per Telefax ermöglicht.
Terno Dr. Schlichting Wendt Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 11.01.2008 - 35 O 15/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 07.05.2008 - 23 U 41/08 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 64/05
vom
26. Januar 2006
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Zu den Anforderungen an eine Ausgangskontrolle bei der Versendung einer
Rechtsmittelschrift per Telefax (hier: Einschaltung einer Auszubildenden in der
Anfangsphase der Ausbildung im Rahmen der Ausgangskontrolle und zeitliches
Auseinanderfallen der Kontrollmaßnahmen).
BGH, Beschl. v. 26. Januar 2006 - I ZB 64/05 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2006 durch
die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg und Pokrant, die Richterin Ambrosius und
die Richter Dr. Büscher und Dr. Schaffert

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Mai 2005 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde beträgt 100.000 €.

Gründe:


1
I. Das Urteil des Landgerichts München I, durch das die Klage abgewiesen worden ist, ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 24. November 2004 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist beim Berufungsgericht am Montag, 27. Dezember 2004, eingegangen.
2
Die Klägerin hat gegen die Versäumung der am 24. Dezember 2004 abgelaufenen Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu ausgeführt:
3
Ihr Prozessbevollmächtigter, Rechtsanwalt Dr. H. , habe die seit August 2004 in der Rechtsanwaltskanzlei beschäftigte, stets zuverlässige Auszubildende Frau K. am 23. Dezember 2004 angewiesen, die Berufungsschrift im vorliegenden Verfahren an das Berufungsgericht und ein Bestätigungsschreiben an die Klägerin jeweils per Telefax vorab zu übermitteln. Am späten Nachmittag desselben Tages habe Rechtsanwalt Dr. H. sich durch eine Rückfrage bei der Auszubildenden versichert, ob die Berufungsschrift an das Oberlandesgericht abgesandt worden sei, ein OK-Vermerk vorliege und sie die Fax-Nummern kontrolliert habe. Dies sei von der Auszubildenden bestätigt worden. Daraufhin habe ihr Prozessbevollmächtigter die Frist im Fristenkalender und auf seiner gesondert geführten Fristenliste abgehakt. Erst am 29. Dezember 2004 habe sich herausgestellt, dass die Auszubildende lediglich das Bestätigungsschreiben per Telefax übermittelt habe; die Berufungsschrift habe sie nur mit der Post versandt.
4
II. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
5
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe die erforderliche Sorgfalt vermissen lassen, weil eine Ausgangskontrolle gänzlich unterblieben sei. Zwar brauche sich ein Rechtsanwalt nicht über die ordnungsgemäße Erledigung einer jeden Einzelanweisung vergewissern. Von einer Verpflichtung, generell für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, sei er aber auch im Fall von Einzelanweisungen nicht entbunden. Er habe sicherzustellen, dass eine Frist im Fristenkalender erst dann als erledigt gekennzeichnet werde, wenn der Schriftsatz abgesandt sei. An die in der Rechtsanwaltskanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestehende allgemeine Anweisung, dass Fristen von der zuständigen Sekretärin erst nach vollständiger Erledigung, also erst nach dem Vorliegen des OK-Vermerks des Faxgerätes im Fristenbuch abzuhaken seien, habe sich ihr Prozessbevollmächtigter selbst nicht gehalten. Er habe die Frist gestrichen, ohne sich von der tatsächlichen Erledigung anhand des konkreten Sendeberichts zu überzeugen. Auf die bloße Nachfrage bei der mit der Versendung betrauten Auszubildenden, die erst wenige Monate in der Kanzlei beschäftigt und bislang nicht selbständig, sondern nur unter Aufsicht tätig gewesen sei, habe sich der Prozessbevollmächtigte nicht verlassen dürfen. Das Fehlverhalten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei mitursächlich für das Fristversäumnis gewesen.
6
III. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
7
Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO müssen auch bei einer Rechtsbeschwerde vorliegen, die sich gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss richtet (BGHZ 161, 86, 87). Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Streitfall nicht auszugehen. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts Verfahrensgrundrechte der Klägerin, namentlich den Grundsatz des rechtlichen Gehörs , den Anspruch auf ein willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip

).


8
Die Klägerin war nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Berufungsfrist einzuhalten (§§ 233, 517 ZPO). Ihr Prozessbevollmächtigter hat die Berufungs- frist von einem Monat schuldhaft versäumt; sein Verschulden muss sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
9
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen (BGH, Beschl. v. 8.4.1997 - VI ZB 8/97, NJW 1997, 2120, 2121; Beschl. v. 4.10.2000 - XI ZB 9/00, BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 14). Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax kommt der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (BGH, Beschl. v. 18.10.1995 - XII ZB 123/95, VersR 1996, 778 f. = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 44; Beschl. v. 19.11.1997 - VIII ZB 33/97, NJW 1998, 907). Ob dem die allgemeine Anweisung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Ziff. 1.4.3) genügt, kann offen bleiben. Bedenken könnten sich daraus ergeben, dass die Anweisung allgemein gehalten ist und die vorstehend nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlichen Prüfungsschritte nicht im Einzelnen aufgeführt sind. Die Frage kann aber dahinstehen, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Berufungsfrist im Terminkalender als erledigt gekennzeichnet hat, ohne sichergehen zu können, dass die Einhaltung der Frist in der dargelegten Weise ausreichend kontrolliert worden war. Dies begründet ein eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
10
2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt es nicht darauf an, dass der Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass eine bislang zuverlässige Büroangestellte eine konkrete Einzelanweisung befolgt und bei mündlichen Anweisungen nur sichergestellt werden muss, dass diese nicht in Vergessenheit geraten. Die Einzelanweisung, die Berufungsschrift per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln, machte die Ausgangskontrolle nicht entbehrlich (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369; Beschl. v. 3.5.2005 - XI ZB 41/04, Umdruck S. 5). Zwar kann der Rechtsanwalt die Ausgangskontrolle auf zuverlässiges Büropersonal übertragen und braucht sie nicht selbst vorzunehmen (BGH, Beschl. v. 23.3.1995 - VII ZB 19/94, NJW 1995, 2105, 2106). Übernimmt der Rechtsanwalt aber generell oder im Einzelfall die Ausgangskontrolle selbst, muss er für eine wirksame Kontrolle Sorge tragen.
11
Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Ausgangskontrolle selbst übernommen, indem er anstelle der sonst zuständigen Sekretärin Frau Ky. die Berufungsfrist im Fristenkalender als erledigt vermerkte. Wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat, war seine Ausgangskontrolle aber unzureichend, weil er das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Sendeprotokolls nicht selbst überprüfte, bevor er die Erledigung im Fristenkalender vermerkte. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxübermittlung (einschließlich der Kontrolle des Sendeprotokolls) kann der Anwalt allerdings grundsätzlich seinem Personal überlassen. Er braucht ihre Erfüllung dann nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren (vgl. BGH NJW 2004, 367, 368). Dies kann auch bei einer Auszubildenden der Fall sein, wenn diese mit einer solchen Tätigkeit vertraut ist und eine regelmäßige Kontrolle ihrer Tätigkeit keine Beanstandungen ergeben hat (vgl. BGH, Beschl. v. 11.2.2003 - VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durfte sich hier aber trotz seiner konkreten Nachfrage, ob die Berufungsschrift durch Telefax übermittelt worden sei, nicht allein auf die Auskunft der Auszubildenden verlassen. Diese war bislang nicht mit der Ausgangskontrolle als solcher befasst.
12
Nach den getroffenen Feststellungen bedurfte die Auszubildende, auch wenn sie sich bis dahin als zuverlässig erwiesen haben mag, selbst in Fragen ihres angestammten Zuständigkeitsbereichs, zu dem die Versendung von Telefaxen gehörte, noch der Anleitung, Begleitung und Überwachung durch die zuständigen Sekretärinnen und den jeweils sachbearbeitenden Rechtsanwalt. Dazu kam - wie das Berufungsgericht näher dargelegt hat - die für die Auszubildende noch ungewohnte besondere Situation des "vorweihnachtlichen Stoßgeschäfts" vor den Feiertagen und dem Jahreswechsel, bei dem in einer Anwaltskanzlei vermehrt Fristsachen anfallen und bei dem auch langjährig erfahrene und zuverlässige Kräfte einer gesteigerten Fehleranfälligkeit unterliegen.
13
Aber auch wenn die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin beauftragte Mitarbeiterin mit der Ausgangskontrolle hinreichend vertraut gewesen wäre, genügte die praktizierte Verfahrensweise nicht den Anforderungen, die an eine ausreichende Ausgangskontrolle zu stellen sind. Zwischen der vermeintlichen Absendung der Berufungsschrift per Telefax am frühen Nachmittag und der Kontrolle des Absendevorgangs ausschließlich durch Nachfrage bei der mit der Versendung befassten Mitarbeiterin am späten Nachmittag lag eine nicht unerhebliche Zeitspanne. Hieraus ergeben sich zusätzliche Risiken, die bei einer im zeitlichen Zusammenhang mit dem Vorgang durchgeführten Kontrolle nicht bestanden hätten und die eine genügende Ausgangskontrolle nicht gewährleisteten , weil die gesamte Ausgangskontrolle auf dem Erinnerungsbild beruhte, das die Mitarbeiterin von dem von ihr ausgeführten, bereits einige Zeit zurückliegenden Vorgang der Telefaxversendung hatte.
14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
v. Ungern-Sternberg Pokrant Ambrosius
Schaffert Büscher
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 02.11.2004 - 9 HKO 6145/04 -
OLG München, Entscheidung vom 12.05.2005 - 6 U 5835/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 25/06
vom
20. Dezember 2006
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf,
die Richter Felsch und Dr. Franke
am 20. Dezember 2006

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Juli 2006 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 34.198,25 €.

Gründe:


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I. Die Klägerin erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts ist ihrem Prozessbevollmächtigten am 2. Januar 2006 zugestellt worden. Seine Berufungsschrift, mit der er den Wiedereinsetzungsantrag verbunden hat, ist am 17. Februar 2006 beim Oberlandesgericht eingegangen.
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1. Die Fristversäumnis wird damit begründet, eine gut ausgebildete und bisher stets zuverlässige Büromitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten habe aus letztlich unerklärlichen Gründen ihre Pflichten bei der Fristenkontrolle versäumt. Im Büro des Prozessbevollmächtigten sei die Überwachung von Rechtsmittelfristen in der Weise organisiert, dass bei Eingang einer Entscheidung in einen elektronischen Fristenkalender das Fristende und die bereits eine Woche davor endende Vorfrist mit einer bestimmten Kennung eingetragen würden. Beide Fristen würden auch auf der Entscheidung notiert. Sodann geschehe die Fristüberwachung mittels täglich ausgedruckter Listen über jeweils ablaufende Fristen, anhand derer die betreffenden Handakten herausgesucht und dem zuständigen Bearbeiter vorgelegt würden. Eine Frist dürfe nur dann aus diesen Listen gestrichen und in der elektronischen Datenspeicherung gelöscht werden, wenn entweder eine ausdrückliche diesbezügliche Verfügung ergehe oder ein fristwahrender Schriftsatz in der Postausgangsmappe zur Unterschrift vorgelegt worden sei. Eine darüber hinaus gehende gesonderte Kontrolle betreffend die Einhaltung von Vor- und Endfrist sei weder praktiziert worden noch vom Rechtsanwalt geschuldet. Er habe sich vielmehr darauf verlassen dürfen, dass das beschriebene Kontrollsystem "tagtäglich gelebt und geleistet" worden sei.
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Hier habe es die zuständige Büroangestellte nach ordnungsgemäßer Notierung der Vorfrist und des Fristablaufs im Weiteren versäumt, die Handakte dem zuständigen Rechtsanwalt rechtzeitig vorzulegen. Das beruhe möglicherweise darauf, dass in der Handakte noch eine Abrechnung von Reisekosten habe vorgenommen werden sollen und die Akte wegen anderweitiger von der betreffenden Mitarbeiterin zu bearbeitender Akten, ferner auch wegen mehrerer im Wesentlichen rechtlich gleich gelagerter Parallelfälle vorübergehend "aus dem Blickfeld geraten" sei. Warum die ausgedruckten Kontrolllisten nicht nur am Tage des Ablaufs der Vorfrist sondern auch zu Ende der Berufungsfrist nicht ordnungsgemäß abgearbeitet worden seien, könne - ebenso wie der Verbleib der betreffenden beiden Listen - nicht mehr geklärt werden.
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2. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen , weil die Klägerin ein ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumnis nicht hinreichend ausgeräumt habe. Es liege ein gravierender Mangel in der Büroorganisation ihres Prozessbevollmächtigten darin, dass nicht am Ende eines jeden Arbeitstages von einem eigens damit beauftragten Mitarbeiter anhand des Fristenkalenders noch einmal überprüft worden sei, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden seien. Das sei hier insbesondere deshalb geboten gewesen, weil es sich bei den täglich abgearbeiteten ausgedruckten Kontrolllisten um lose Blätter gehandelt und für diese ein hohes Verlustrisiko bestanden habe. Bezeichnenderweise habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf Nachfrage zum Verbleib der hier maßgeblichen beiden Listen nichts erklären können. Bei einer wirksamen täglichen Endkontrolle wäre die Berufungsfrist voraussichtlich gewahrt worden, zumal weder die Vorfrist noch der endgültige Fristablauf im Datenbestand des EDV-gestützten Fristenkalenders gelöscht gewesen seien.
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II. Das hält rechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
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1. Die nach § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässig, weil die Frage, welche Maßnahmen zur Kontrolle von Rechtsmittelfristen bei einer EDV-gestützten Büroorganisation eines Rechtsanwalts geboten erscheinen , für eine Vielzahl gleich und ähnlich gelagerter Fälle Bedeutung gewinnen kann.
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2.DieRechtsbeschwer de hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 233 ZPO voraus, dass die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Diese Voraussetzung wäre hier nur dann erfüllt , wenn die Berufungsfrist allein infolge eines Fehlverhaltens des Büropersonals des Prozessbevollmächtigten der Klägerin versäumt worden wäre; denn dies hätte die Klägerin nicht zu vertreten. So liegt der Fall aber nicht, vielmehr hat an der Fristversäumnis ursächlich auch ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten mitgewirkt, welches sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
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Der Rechtsanwalt darf die von ihm einzuhaltenden Fristen auch allein mit Hilfe eines elektronischen Fristenkalenders überwachen, ohne verpflichtet zu sein, parallel dazu noch einen schriftlichen Fristenkalender zu führen (BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 1996 - VII ZB 31/95 - VersR 1997, 257 = NJW 1997, 327 unter II 1; 29. Juni 2000 - VII ZB 5/00 - VersR 2001, 656 = NJW 2000, 3006 unter II 2 a). Er muss aber durch begleitende organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass Fristen nicht nur ordnungsgemäß notiert, sondern im Weiteren auch tatsächlich beachtet werden.
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Dazu a) gehört zunächst ein Eintragungs- (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 23. März 1995 - VII ZB 3/95 - NJW 1995, 1756 unter II 1; 20. Februar 1997 - IX ZB 111/96 - NJW-RR 1997, 698 unter II 3) und Vorlagesystem, welches gewährleistet, dass die Akten jeweils rechtzeitig vor Fristablauf dem zuständigen Mitarbeiter vorgelegt werden.
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Insofern ist das im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin praktizierte System der Aktenvorlage anhand täglich ausgedruckter Computerlisten , aus denen sich die jeweils ablaufenden Vor- oder Endfristen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. Juni 2000 aaO) ergeben, nicht zu beanstanden. Die vom Berufungsgericht hervorgehobene Gefahr des Verlustes solcher Listen ist schon dadurch gemindert, dass der gespeicherte Datenbestand unabhängig davon erhalten bleibt, so dass sich diese Listen selbst bei einem Verlust jederzeit wieder ausdrucken lassen.
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b) Weiter hat der Rechtsanwalt dafür Sorge zu tragen, dass Fristen im elektronischen Kalender nicht vorzeitig gelöscht werden; denn anders als etwa durchgestrichene Einträge in schriftlichen Aufzeichnungen verschwinden gelöschte Einträge in einem elektronischen Datenverarbeitungssystem weitgehend spurlos und können danach von den für die Fristwahrung zuständigen Mitarbeitern nicht mehr erkannt werden.
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Die hier bestehende Anweisung, Löschungen erst entweder nach entsprechender Einzelverfügung oder Vorlage eines fristwahrenden Schriftsatzes in der Postmappe vorzunehmen, genügt zunächst den dazu aufgestellten Anforderungen der Rechtsprechung (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2000 - IV ZB 17/00 - VersR 2001, 85 = NJW 2001, 76 unter I und II 1 c; 2. März 2000 - V ZB 1/00 - NJW 2000, 1957 unter II; 17. Oktober 1990 - XII ZB 84/90 - FamRZ 1991, 423 unter II).

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c) Allein mit Hilfe von Vorsichtsmaßnahmen, die einer vorzeitigen Löschung von Fristeintragungen im elektronischen Kalender vorbeugen sollen, lässt sich indes nicht ausreichend sicher gewährleisten, dass etwa ein fristgebundener Schriftsatz nicht nur rechtzeitig hergestellt wird, sondern auch vor Fristablauf beim zuständigen Gericht eingeht. Der Bundesgerichtshof hat deshalb ausgesprochen, dass die Büroorganisation des Rechtsanwaltes zusätzlich auch eine tägliche Ausgangskontrolle umfassen muss, welche sicherstellt, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2000 aaO unter II 1 b m.w.N.; BGH, Beschlüsse vom 2. März 2000, 9. Juni 1992 und 17. Oktober 1990 jeweils aaO m.w.N.; Beschluss vom 23. September 1998 - XII ZB 99/98 - VersR 1999, 1303 unter a m.w.N.). Die Notwendigkeit einer solchen täglichen Ausgangskontrolle ergibt sich schon aus der allgemeinen Erwägung, dass auch in einer sachgerechten Büroorganisation bei der Fristenkontrolle individuelle Bearbeitungsfehler auftreten können, die es nach Möglichkeit aufzufinden und zu korrigieren gilt. Insofern ist es unerheblich, dass das Berufungsgericht die Notwendigkeit der täglichen Endkontrolle vorwiegend mit einem drohenden Verlust der täglich ausgedruckten Computerlisten begründet hat. Denn auch wenn man - wie der Senat - diese Gefahr angesichts der Möglichkeit des jederzeitigen Neuausdrucks solcher Listen als gering ansieht, ändert dies nichts daran, dass allabendlich die Erledigung der Fristsachen in der von der Rechtsprechung geforderten Weise gesondert überprüft werden muss.

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Daran fehlt es hier. Eine den vorgenannten Anforderungen genügende Endkontrolle sah die Büroorganisation des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht vor. Er hat vielmehr gemeint, er könne darauf vertrauen , dass die von ihm beschriebene, in seinem Büro täglich praktizierte Fristenkontrolle zuverlässig funktioniere und eine darüber hinaus gehende , gesonderte Kontrolle von ihm nicht "geschuldet" sei. Das ist zumindest fahrlässig.
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Soweit die Rechtsbeschwerde nunmehr geltend macht, die Berufungsfrist sei nur deshalb versäumt worden, weil die zuständige Büroangestellte die erforderliche "Endkontrolle" sowohl bei Ablauf der Vor- wie auch der eigentlichen Berufungsfrist pflichtwidrig versäumt habe, übersieht sie, dass eine den Maßstäben der Rechtsprechung genügende, gesonderte Endkontrolle nach dem Vortrag der Klägerin gar nicht Teil der Büroorganisation ihres Prozessbevollmächtigten war.
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dem Aus Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. Juni 2000 (VII ZB 5/00 aaO) ergibt sich nichts anderes. Denn dort ist lediglich entschieden worden, dass neben einem EDV-gestützten Fristenkontrollsystem nicht zusätzlich und parallel ein schriftlicher Fristenkalender geführt werden müsse. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist damit aber nicht weitergehend der Grundsatz aufgestellt worden, dass jegliche doppelte Fristenkontrolle entbehrlich sei.

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Auf die Frage, aus welchen Gründen im Einzelnen die für die Bearbeitung zuständige Büromitarbeiterin sowohl die Vorfrist wie auch den Ablauf der Frist zur Einlegung der Berufung unbeachtet gelassen hat, kommt es nicht an.
Terno Seiffert Dr. Kessal-Wulf
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 23.12.2005 - 9 O 348/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 06.07.2006 - 9 U 52/06 -